Wachstumsregler zum richtigen Zeitpunkt

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Ackerbau
MEHR W IS SEN FÜ R PROF
IS
Wachstumsregler zum
richtigen Zeitpunkt
Viele Landwirte setzen Wachstumsregler in Getreide stadienbezogen ein. In Jahren mit
verfrühter Entwicklung wie 2014 und 2015 führt das immer wieder zu Unsicherheiten bei der
Terminierung. Hilfen für situationsangepasste Strategien gibt Ihnen Dr. Ute Kropf, FH Kiel.
N
ach langer Herbst- und milder
Winterwitterung,
wie
z. B.
2013/14 und 2014/15, funktionieren die klassischen stadienbezogenen
Strategien in Frühsaaten nicht mehr.
Der erste Knoten löst sich in Gerste
und auch in Weizen bereits im Dezember. Beginnt die Vegetation im März,
streckt sich das erste Internodium zu
BBCH 31.
Jetzt beginnt das Dilemma: Die dichten und im Fuß zu weichen Bestände
sollten eigentlich früh stufenweise von
unten nach oben stabilisiert werden.
Nun sind aber die ersten Kürzungsstadien bereits vorbei und die Zulassung
für CCC im Weizen mit BBCH 31 beendet. Bleiben also nur noch Moddus oder
Medax Top, für deren Einsatz die Witterung aber noch nicht passt.
Hinzu kommt, dass in diesem Jahr
die Halme nicht nur länger werden,
sondern auch ein oder zwei Internodien
und Blätter mehr bilden (siehe Kas-
ten auf Seite 98). Bevor das Fahnenblatt
kommt und die letzte Kürzung ansteht,
werden wir in den früh gedrillten Weizen vier statt zwei Internodien zählen
können. Die Frage ist, ob diese alle auch
gekürzt und stabilisiert werden müssen.
Die klare Antwort ist: Nein! Denn die
Internodien, die sich noch im Kurztag
bilden, also vor der letzten Märzwoche,
bekommen nicht genug Langtagreiz ab,
um sich vollständig zu strecken. Sie
strecken sich nur, weil ihr Hormonpool
während des langen Herbstes übervoll
war und eine Streckung zwangsläufig
auslöste. Sie bleiben aber sehr kurz,
meist nur 1 bis 3 cm, und sind stark verholzt. Kurztaginternodien werden auch
als „hochgeschobener Bestockungsknoten“ bezeichnet.
Kürzen von unten nach oben:Ge-
treide beginnt bei 14 Stunden Tages­
länge (einschließlich Dämmerung) zu
schossen. In Deutschland ist dies auf
allen Standorten in der letzten Märzwoche der Fall. Alle Internodien, die
sich ab Ende März bilden, strecken sich
in einem bestimmten Verhältnis zueinander. Das unterste ist immer das kürzeste und stärkste. Nach oben hin werden sie länger und weicher. Die Internodien verlängern sich in einem
bestimmten Verhältnis. So ist z. B. eine
mögliche Längenabfolge 5-15-25 cm für
das unterste, das zweite und das dritte
Internodium. So ist die Pflanze unten
standfest und oben geschmeidig, damit
sie stehen bleibt und die Ähre nicht abknickt.
Lang­
strohige Sorten sind deutlich
weicher im Stängel. Diese müssen Sie
daher gut stabilisieren. Das gilt vor allem, wenn die Pflanzen beim Schossen
viel Stickstoff aufnehmen. Es ist aber
auch wichtig in dichten Beständen,
wenn unten das Licht zur Halmfestigung fehlt. Um das natürliche Verhältnis von Festigkeit und Geschmeidigkeit
Fotos: Kropf
Mit CCC die Bestockung anregen?
Keine
Wachstumsregler
während der
„Großen
Periode“!
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Mit CCC die Bestockung anzuregen,
funktioniert nur, wenn sich der Bestand
bei mindestens 8 °C kurz vor der Hauptbestockung befindet und noch genügend
Zeit für die Anlage weiterer Triebe bleibt.
Das ist nur so lange der Fall, wie der Langtag (Tageslänge über 14 Stunden) nicht das
Schossen auslöst. In den 1980ern war
CCC in der Bestockung ein gutes Mittel,
mittlere und spät gedrillte Weizen noch
etwas dichter zu machen.
Das heutige Weizensortiment unterscheidet sich aber von dem alten. So kommen selbst später gedrillte Bestände zu
Vegetationsbeginn deutlich früher in die
Streckung und können keine weiteren
Triebe mehr anlegen. Es bleibt also keine
Zeit, mehr Triebe zu bilden. Gerste und
Roggen schossen ebenfalls sehr früh nach
Vegetationsbeginn, sodass auch in diesen
Kulturen keine Bestockungsförderung
durch CCC möglich ist. Im Herbst fällt
eine Bestockungsförderung durch CCC
ebenfalls aus. In früh bestellten Beständen ist es nicht notwendig und in schlecht
bestockten Beständen hat CCC meist
nicht ausreichend Wirkungstemperatur
und Entwicklungsdauer im Spätherbst.
Dichte und kranke Bestände sind dieses Jahr eine Herausforderung für den Einsatz von Wachstumsreglern und Fungiziden!
nicht aus dem Lot zu bringen, kürzen
wir die Stängel stufenweise von unten
nach oben ein.
Grundsätzlich reagieren alle Getreidearten gleich auf die Wachstumsregler.
Die Unterschiede in der Anwendung
bzw. Zulassung ergeben sich durch die
unterschiedlichen Entwicklungsrhythmen. Gerste und Roggen bestocken sich
sich überwiegend im Herbst und strecken sich bei Vegetationsbeginn im
Langtag zügig. Spät gesäter Weizen
schosst deutlich später. Daher sieht die
Strategie beim ihm völlig anders aus.
Zwischen Schossbeginn bis kurz vor
dem Ähren- bzw. Grannenschieben ist
der Wachstumsreglereinsatz weitgehend flexibel. Meist bestimmen Pilz­
aufkommen und Witterung dann die
Abfolge der Durchfahrten. Den Wachstumsregler nimmt man dann bei der
Fungizidspritzung einfach mit.
Generell gilt: Steht die Pflanze unter
Stress, können Wachstumsregler Schäden verursachen. Trockenheit, zu hohe
Temperaturen, Frost, Herbizide und
Nährstoffmangel können dann für Blütenverluste, vorzeitige Abreife und eine
Schneiden Sie den Halm auf, um die Internodienlängen und die Ährenentwicklung zu
überprüfen.
schlechte Kornausbildung verantwortlich sein. Planen Sie Ihre Strategie so,
dass sie nur bei sicherer Wasserversorgung kürzen (siehe Checkliste, S. 98).
Um die passende Strategie festlegen
zu können, muss man die Wirkungsweise der Wachstumsregler und ihre
Einsatztermine genau kennen.
CCC in der Bestockung:CCC hemmt
die Bildung des Streckungshormons
Gibberellin. Es entfaltet seine Wirkung
ab etwa 8 °C. Günstiger Einsatztermin
ist der Streckungsbeginn eines Internodiums.
In der Bestockungsphase hat die
Hemmung der Gibberellinsynthese
durch CCC aber einen ganz anderen Effekt. Gibberelline bestimmen hier die
Dominanz des Haupttriebes gegenüber
seinen Nebentrieben. Verringert CCC
die Hormonmenge, ist der Haupttrieb
weniger dominant, und die Nebentriebe
werden gefördert!
Je nach Entwicklungsstadium wirkt
CCC daher völlig unterschiedlich auf
die Pflanze:
• In der Hauptbestockung (BBCH 22
bis 25) verlängert es auch die Bestockungsphase. Die Folge: Die Pflanze
bestockt sich stärker. Das heißt, sie legt
mehr Triebe an. Diese Möglichkeit bietet sich im heutigen Weizensortiment
aber kaum noch. Warum das so ist, lesen Sie im Kasten auf Seite 96.
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Ackerbau
CHECKLIS TE
Tipps
zum Einsatz
Kurztaginternodien (Pfeil) müssen nicht gekürzt werden, da sie kurz und fest bleiben.
Sie stellen früh ihre Streckung ein und werden vom 2. Internodium schnell überholt.
• Gegen
Bestockungsende (BBCH
29/30) verzögert CCC den Schossbeginn des Haupttriebes, während die bereits angelegten Nebentriebe weiterwachsen. Die Pflanze reduziert weniger
Nebentriebe. Das macht die Bestände
gleichmäßiger und optisch dichter. Um
jeden Nebentrieb in zu dünnen Beständen zu erhalten, ist dies eine wichtige
Maßnahme.
Termin Streckung:Schossbeginn ist
der richtige Termin, um die Internodien
mit CCC einzukürzen. Das unterste Internodium kürzt man in BBCH 30/31.
In BBCH 31 (Winterweizen) eingesetzt,
hat man auch noch einen einkürzenden
Effekt auf das zweite Internodium.
Danach lässt die Wirkung von CCC
deutlich nach. Der Grund: Die
Gibberellin-Aktivität steigt mit zunehmender Tageslänge immer weiter an.
Die Wirkung anderer Wachstumsregler
ist dann deutlich besser als die von
CCC. Deshalb setzt man CCC in
Winterweizen nur bis zum Stadium
BBCH 
31 und in Wintergerste gar
nicht ein.
Spätere Schossphase:In dieser Phase
kommt es darauf an, die Gibberellin-Aktivität zu stoppen. Moddus und
Medax Top wirken später und vermindern die Aktivität der bereits gebildeten
Gibberelline. Die beste Wirkung bekommt man, wenn der Prozess seinen
Höhepunkt erreicht. Das ist der Fall,
wenn ein Internodium etwa die Hälfte
seiner endgültigen Länge erreicht hat.
Höhere Temperaturen und strahlungsreiche Witterung verbessern ebenfalls
Einkürzung und Stabilisierung. Moddus/Medax Top wirken deshalb am besten ab 10 bis 12 °C bei sonnigem Wetter.
Das neue Moddus Start beinhaltet den
gleichen Wirkstoff wie das herkömmliche Moddus, ist aber anders formuliert.
Die Pflanze nimmt den Wirkstoff daher
verstärkt auf. Es lässt sich auch bei
knapp unter 10 °C bereits anwenden und
zwar im Wintergetreide bei BBCH 25
bis 30 (Wintergerste 29 bis 30). Es deckt
den Einsatzbereich vor BBCH 31 ab.
Ethephon zum Abschluss:Halmstabi-
lisatoren mit dem Wirkstoff Ethephon
(z. B. Camposan-Extra, Cerone 660) ha-
Berücksichtigen Sie die Lageranfälligkeit der Sorte.
Reduzieren Sie beim Zusatz
Triazol-haltiger Fungizide die
Menge.
Passen Sie die Menge an
die Höhenlage an und ziehen
Sie ab 200 m Höhenlage 10 %
pro 100 m ab.
Setzen Sie während der
„Großen Periode“ der Ähre
keine Wachstumsregler ein.
Prüfen Sie die Feuchtigkeit
im Wurzelraum.
Setzen Sie Wachstumsregler
nicht in Mischung mit Wuchsstoffen ein.
Beachten Sie weitere
Mischungshinweise (Produktinformation lesen!).
Kein Einsatz bei Spuren­
elementmangel!
Nach dem Einsatz darf 2 bis
3 Tage kein Nachtfrost herrschen.
Wachstumsregler dürfen
nicht die Blüten treffen.
ben selbst eine hormonelle Wirkung als
„Ethylen-Generatoren“. Ethylen ist
das Alterungs- und Reifehormon. Getreide pflanzen produzieren verstärkt
Ethylen, wenn sich die Blütenorgane
ausbilden und der Blatt­apparat auf die
Umverlagerung von Assimilaten vorbereitet. Das ist in der späten Schossphase
der Fall.
Daher ist die Anwendung von Ethephon als Abschlussbehandlung auf die
späte Schossphase und ab 15 °C ausge-
Lageranfällig durch frühe Saat und kurzen Winter
Getreidetriebe bilden nur bis zum
Doppelring-Stadium Blätter. Danach
schaltet der Vegetationskegel auf die
Anlage von Ährchen um. Das passiert
meist im März, bei Spätsaaten Anfang April.
Wie viele Blätter die Pflanze anlegt,
ist nicht exakt festgelegt. Es hängt
von der Sorte ab. Langstrohige Sorten
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bilden mehr Blätter. Auch die Dauer
der Entwicklung im Kurztag spielt
eine Rolle. Je früher die Saatzeit und
je kürzer der Winter, desto mehr Blätter werden es.
So kann die gleiche Weizen- oder
Gerstensorte je nach Saatzeit und
Witterung bis zu drei Blätter mehr
haben. Ein bis zwei davon gehen mit
ins Schossen. Am Ende des Schossens
zählen wir dann statt vier (Spätsaat,
kurzstrohige Sorte) bis fünf (Normalsaat, mittellange Sorte) Internodien
bis zu sechs Halmglieder! Die Folge:
Die Bestände werden länger und
lager­anfälliger. Statt vier gut ausgebildeter Blätter haben sie dann fünf oder
sechs.
Schnell gelesen
• Wachstumsregler sollten Sie
nicht allein nach Stadien einsetzen.
• Witterung, Sorte und Wirk-
stoff erfordern angepasste
Strategien.
• Fehler beim Einsatz kosten
Ertrag.
• Um das natürliche Verhältnis
Fotos: Kropf
von Festigkeit und Geschmeidigkeit zu erhalten, kürzt man
die Halme stufenweise von
unten nach oben.
• Planen Sie Ihre Strategie so,
Kontrollieren Sie Ihre Strategie mit Auslassungsfenstern. Legen Sie für jede Applikation ein eigenes Fenster an. Die Maßnahmen, deren Fenster lagern, waren perfekt.
richtet. Es beschleunigt das Altern und
Verholzen der Internodien. Es stabilisiert vor allem das oberste Halmglied.
So befähigen wir die Halme, auch
schwere Ähren durch Sturm und Regen
in die Ernte zu tragen.
Ist die Pflanze jedoch durch Trocken-
heit, Hitze oder Nährstoffmangel starkem Stress ausgesetzt, produziert sie
von vorneherein schon viel Ethylen, um
den Stoffwechsel und die Reife zu beschleunigen. Im Extremfall kommt es
zu vorzeitiger Abreife und Ertragsverlusten.
dass Sie nur bei sicherer
Wasserversorgung kürzen.
Deshalb setzt man Ethephon bei
Hitze und Trockenheit besser sehr vorsichtig ein, um den Alterungsprozess
der Getreidepflanze nicht übermäßig
anzuheizen. Auch darf Ethephon nicht
an die Ähre gelangen, da dann Blüten
verloren gehen.
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