Mit Argumenten gegen Hass und Hetze vorgehen

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Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz - 5. Mai 2017
Mit Argumenten gegen Hass und Hetze vorgehen
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz geht in die falsche Richtung
H ass und Hetze im Internet sind kein neues Phänomen. Sie gehören offenbar genauso zu
den Schattenseiten des Internets wie Pornographie. Dass Unternehmen Geld damit
verdienen, Hass und Hetze zu verbreiten, ist eine der dunklen Seiten des Kapitalismus.
Ebenfalls sind Fake News nichts Neues. Die gute alte Zeitungsente oder auch die
Tatarenmeldung, also die bewusste Falschmeldung oder manipulierte Meldung, gehören
zum eher unfeinen Standardrepertoire des Journalismus. Zahlreiche Prozesse gegen
Zeitschriften der sogenannten Yellow Press legen hiervon ein beredtes Zeugnis ab. Dass die
bewusste Verkürzung einer Nachricht sogar zu einem Krieg beitragen kann, davon zeugt die
Emser Depesche.
Hass, Hetze, Fake News – also kein Grund zum Handeln? Wir denken: Doch.
Doch ob das »Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken«,
kurz Netzwerkdurchsetzungsgesetz, aus dem Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz der richtige Weg ist, dahinter sind unseres Erachtens viele Fragezeichen
zu setzen.
Netzwerkdurchsetzungsgesetz
Ziel des Gesetzes ist es, so in der Begründung und Beschreibung dargelegt, die
Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken zu verbessern. Im Blick ist Hasskriminalität,
die, wie es in der Gesetzesbegründung heißt, als »große Gefahr für das friedliche
Zusammenleben einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft« angesehen werden.
Ebenso wird erwartet, mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz künftig Fake News
entgegenwirken zu können.
Im Entwurf des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ist nachzulesen, dass das Gesetz für
höchstens zehn Unternehmen gemacht wird. Drei davon, nämlich Facebook, YouTube und
Twitter, werden namentlich genannt. Das Gesetz gilt für soziale Netzwerke, die mindestens
zwei Millionen Nutzer im Inland haben und öffentlich zugänglich sind, also keine
geschlossenen Gruppen sind. Unternehmen, die diese Voraussetzungen erfüllen, sollen
künftig alle Vierteljahre einen deutschsprachigen Bericht über den Umgang mit
Beschwerden über rechtswidrige Inhalte auf ihren Plattformen veröffentlichen. Dieser
Bericht muss deutlich erkennbar auf der Plattform selbst und im Bundesanzeiger
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Welche Inhalte als rechtswidrig im Sinne dieses Gesetzes gelten, wird in Paragraph 1
Absatz 3 definiert. Es sind die nachfolgenden Paragraphen des Strafgesetzbuches (StGB)
§ 86 StGB Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen
§ 86a StGB Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
§ 89a StGB Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat
§ 90 StGB Verunglimpfung des Bundespräsidenten
§ 90a StGB Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole
§ 90b StGB Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen
§ 91 StGB Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat
§ 100a StGB Landesverräterische Fälschung
§ 111 StGB Öffentliche Aufforderung zu Straftaten
§ 126 StGB Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten
§ 129 StGB Bildung krimineller Vereinigungen
§ 129a StGB Bildung terroristischer Vereinigungen
§ 129b StGB Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Erweiterter
Verfall und Einziehung
§ 130 StGB Volksverhetzung
§ 131 StGB Gewaltdarstellung
§ 140 StGB Belohnung und Billigung von Straftaten
§ 166 StGB Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und
Weltanschauungsvereinigungen
§ 184b StGB Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften
§ 184d StGB Zugänglichmachung pornographischer Inhalte mittels Rundfunk oder
Telemedien; Abruf kinder- und jugendpornographischer Inhalte mittels Telemedien
§ 185 StGB Beleidigung
§ 186 StGB Üble Nachrede
§ 187 StGB Verleumdung
§ 241 StGB Bedrohung
§ 269 StGB Fälschung beweiserheblicher Daten
Voraussetzung, damit das Netzwerkdurchsetzungsgesetz seine Anwendung findet, ist, dass
sich jemand über Hassnachrichten oder Fake News auf der jeweiligen Plattform beschwert,
die die genannten strafbewehrten Inhalte verbreitet. Die sozialen Netzwerke sollen künftig
gemäß Netzwerkdurchsetzungsgesetz gewährleisten, dass sie von der Beschwerde Kenntnis
nehmen und prüfen, ob der Inhalt gesperrt werden muss. Offensichtlich rechtswidrige
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Inhalte sollen innerhalb von 24 Stunden gesperrt werden. Der Beschwerdeführer muss
unverzüglich unterrichtet werden. Darüber hinaus muss der Umgang mit Beschwerden von
der Leitung des sozialen Netzwerks durch monatliche Kontrollen überwacht werden.
D. h., auch Fake News werden im Gesetzesentwurf auf die genannten Straftatbestände
eingegrenzt und unterscheiden sich damit von den genannten, aus analogen Zeiten
bekannten Zeitungsenten oder Tatarenmeldungen.
Fisch in den Händen
Sehr klar wird im Gesetzesentwurf beschrieben, dass die bisherigen
Selbstverpflichtungserklärungen der betroffenen Unternehmen nicht ausreichen. So
rekurriert das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auf eine
Selbstverpflichtung von Betreibern sozialer Netzwerke aus dem Jahr 2015, in der sich die
Unternehmen verpflichtet hätten, gegen Hasskriminalität auf ihren Plattformen vorzugehen.
Ein aktuelles Monitoring habe nun ergeben, dass YouTube zwar »in 90 Prozent der Fälle
strafbare Inhalte« gelöscht hat, Facebook hingegen nur in 39 Prozent und Twitter nur in
einem Prozent der Fälle.
Die Selbstverpflichtung greift zumindest bei einigen Anbietern unzureichend und es erweist
sich wieder einmal, dass soziale Netzwerke wie ein Fisch mit den Händen kaum zu greifen
sind und falls sie gepackt werden können, schnell wieder entweichen. Allzu bekannt ist die
ausweichende Antwort von sozialen Netzwerken, dass sie lediglich eine technische
Infrastruktur sind und keine Redaktion leisten können und wollen.
Es wird daher unseres Erachtens zurecht die Frage aufgeworfen, ob hingenommen werden
muss, dass massenhaft Hass und Hetze in sozialen Netzwerken verbreitet und geteilt
werden können und ob geduldet werden muss, dass soziale Netzwerke sich in erster Linie
als technische Infrastruktur und nicht als Inhalteanbieter verstehen. An sich sollte es für
jedes Unternehmen selbstverständlich sein, dass strafbare Inhalte nicht verbreitet werden.
Insofern ist es fast schon absurd, dass jetzt der Gesetzgeber mit strengen Auflagen die
Unternehmen kontrollieren will.
Dennoch ist zweifelhaft, ob die geplanten Maßnahmen zum Erfolg führen und ob sie
generell am gesellschaftlichen Klima etwas ändern werden.
Gesellschaftliches Klima
Wichtiger als Unternehmen neue Pflichten aufzuerlegen, scheint uns eine gesellschaftliche
Diskussion. Dabei gilt es auch zu unterscheiden zwischen freier Meinungsäußerung,
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Hasskriminalität und Fake News.
In Artikel 5 des Grundgesetzes wird das Recht zur freien Meinungsäußerung jedem
zugesichert. Es steht dort in Absatz 1: »Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift
und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen
ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung
durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.«
D. h., das Recht der freien Meinungsäußerung gilt zunächst für jeden, egal ob einem die
Meinung gefällt oder nicht. Auch abseitige Meinungen, Verschwörungstheorien und anderes
mehr sind vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, es sei denn, die in Absatz 2 des
genannten Grundgesetzartikels aufgeführten Grenzen werden überschritten. Dort heißt es:
»Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den
gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen
Ehre.«
Die allgemeinen Gesetze, so auch die genannten Vorschriften des Strafgesetzbuches, bilden
die Grenzen der Meinungsfreiheit. Insofern wäre es ein Trugschluss, wenn sich
Unternehmen darauf zurückziehen wollten, dass egal, was sie verbreiten, von der
Meinungsfreiheit gedeckt ist. Das ist mitnichten so. Ob das Bewusstsein in den betreffenden
Unternehmen durch eine vierteljährliche Berichtspflicht geschärft wird, ist zu bezweifeln.
Vielmehr muss es doch darum gehen, zu verdeutlichen, dass soziale Netzwerke mehr als
eine technische Infrastruktur sind. Sie sind Inhalteanbieter und genau hierauf gilt es in der
Gesetzgebung abzuzielen. Wenn Plattformen als Inhalteanbieter angesehen werden, gelten
für sie medienrechtliche Vorschriften ebenso wie für den Rundfunk oder Zeitungen und
Zeitschriften.
Über das Recht hinaus ist eine gesellschaftliche Diskussion zu führen. Hass und Hetze muss
entschieden entgegengetreten werden. Hierzu gibt es eine Vielzahl von großen und kleinen
zivilgesellschaftlichen Initiativen, die sich stark machen gegen Hass und Hetze. Die Allianz
für Weltoffenheit veranstaltete am 4. Mai einen Kongress in Köln, mit dem ein deutliches
Signal gegen Hass, Rechtspopulismus und Hetze gesetzt wurde. Die Initiative kulturelle
Integration wird am 16. Mai in Berlin ihre 15 Thesen für gesellschaftlichen Zusammenhalt
und kulturelle Integration vorstellen und damit ein deutliches Signal gegen Populismus,
Hass und Hetze setzen.
Diese Diskussionen gilt es unseres Erachtens zu stärken und damit auch zu signalisieren,
dass die Mehrheit der Gesellschaft gegen Hass und Hetze sind.
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Und auch gegen Fake News werden weniger Gesetze als vielmehr Aufklärung und Wissen
helfen. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, zur Wirkung von Fake News gehören
immer zwei, die einen, die die Fake News verbreiten und die anderen, die sie glauben.
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