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G 25190
Beton-Informationen
4 · 2009

Moderner
Sicht­betonbau
im Dialog
Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de)
Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt.
Beton-Info intern – Beton-Info intern
Beton-Informationen
Modernes Sichtbetongebäude im Dialog
Das Gemeindezentrum an der Philipp-Nicolai-Kirche in Hagen
Eine periodisch erscheinende
Informationsschrift für die Verwendung
von hüttensandhaltigen Zementen
Sichtbeton ist en vogue. In zunehmendem Umfang setzen Architekten und Planer
Oberflächen von Betonbauteilen als Gestaltungselemente ihrer ­Entwürfe von öffentlichen und privaten Gebäuden ein. Im Zusammenspiel mit anderen Materialien entstehen neue das Stadtbild prägende Bauwerke.
Aber auch beim Zusammenspiel von alter Bausubstanz und neuen Baukörpern können
Sichtbetonoberflächen einen entscheidenden Beitrag zu einem harmonischen Gesamteindruck aktueller Architektur leisten. Insbesondere dann, wenn Strukturen und
­Geometrie von alt und neu so in Einklang gebracht werden, dass ein einheitlich Neues
­entsteht.
Bei dem neuen Gemeindezentrum der Philipp-Nicolai-Kirche in Hagen-Boele wurde
dieser Ansatz von den Architekten in vorbildlicher Weise umgesetzt. Helle und moderne Sichtbetonflächen stehen im Dialog mit alten Sandsteinfassaden und bilden ein
­einheitliches Ensemble.
Autoren:
Dipl.-Ing. Georg Bathe, Bathe + Reber Architekten,
Liboristraße 16, 44143 Dortmund, [email protected]
Dr.-Ing. Matthias M. Middel, BetonMarketing West GmbH,
Annastraße 3, 59269 Beckum, [email protected]
Dirk Pagels, BetonMarketing West GmbH,
Annastraße 3, 59269 Beckum, [email protected]
Dipl.-Ing. Eva Reber, Bathe + Reber Architekten,
Liboristraße 16, 44143 Dortmund, [email protected]
Heft 4 · 2009, 49. Jahrgang
ISSN 0170-9283
Herausgeber:
BetonMarketing Nord GmbH, Hannover
BetonMarketing Ost GmbH, Berlin
BetonMarketing Süd GmbH, Ostfildern
BetonMarketing West GmbH, Beckum
Redaktion:
Dr. Matthias Middel (verantw.)
BetonMarketing West GmbH
Annastraße 3
59269 Beckum
Telefon0 25 21 / 87 30-0
Telefax 0 25 21 / 87 30-29
E-Mail [email protected]
Redaktionsbeirat:
Ing. P. Bilgeri,
CEMEX WestZement GmbH
Dipl.-Ing. R. Büchel,
Verlag Bau+Technik GmbH
Dr.-Ing. A. Ehrenberg, FEhS – Institut für
Baustoff-Forschung e.V.
Dr.-Ing. R. Härdtl,
HeidelbergCement Technology Center GmbH
Dipl.-Ing. W. Hemrich,
SCHWENK Zement KG
Dr. M. Höppner, Holcim (Deutschland) AG
Dr.-Ing. D. Hornung, Dyckerhoff AG
Dipl.-Ing. A. Paatsch, LAFARGE Zement GmbH
Nachdruck nur mit Genehmigung
der Redaktion
Schutzgebühr: 5,00 zzgl. 7 % MwSt.
Jahres-Abo.:  25,00 zzgl. 7 % MwSt.
Konto: BetonMarketing West GmbH
Dresdner Bank Beckum (BLZ 412 800 43)
Konto-Nr. 0 554 122 000
Verlag: Verlag Bau+Technik GmbH
Postfach 12 01 10, 40601 Düsseldorf
Telefon 02 11 / 9 24 99-0
Layout / Grafiken: Caroline Lindner
Redaktion: Andrea Koenen, Kirsten Dittmar
Lithos und Druck:
Loose-Durach GmbH, Remscheid
Sofern nicht anders angegeben, liegen die
Rechte für die abgedruckten Bilder beim
­jeweiligen Autor.
Titelbild: Blick aus dem Gemeindezentrum
auf die Philipp-Nicolai-Kirche
Rückbild: Foyer des Gemeindezentrums
Fotos: Daniel Sumesgutner
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Modernes Sichtbetongebäude
im Dialog
Das Gemeindezentrum an der Philipp-Nicolai-Kirche in Hagen
Von Georg Bathe und Eva Reber, Dortmund, Matthias M. Middel und
Dirk Pagels, Beckum
Dass Veränderungsprozesse auch
Entwicklungschancen bieten und
mit einer zukunftsfähigen Nutzung
eines sakralen Gebäudes einhergehen können, zeigt ein Beispiel im
Stadtteil Boele im westfälischen
­Hagen. Mit seinem Entwurf für ein
neues Gemeindezentrum an der
Philipp-Nicolai-Kirche in HagenBoele entwickelte das Architektenbüro Bathe + Reber aus Dortmund
ein eigenständiges modernes Gebäude. Darüber hinaus wurde mit dem
realisierten Neuentwurf zugleich ein
Teil des benachbarten Kirchengebäudes umgebaut, mit dem Ziel, dass
beide Bauwerke in einen Dialog miteinander treten und eine Nutzungs-
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Foto: Daniel Sumesgutner
Kirchengemeinden stehen derzeit
vor großen Herauforderungen hinsichtlich der Nutzung ihrer Gebäude.
Aufgrund eines grundlegenden
Strukturwandels innerhalb der beiden großen Konfessionen, der vor
allem auch finanzielle Einbußen
nach sich zieht, stellen die vorhandenen Liegenschaften meist eine
große finanzielle Belastung für die
Gemeinden dar. Abriss, Verkauf oder
Umnutzung der Gotteshäuser sind
oftmals die einzigen Alternativen,
um dem zu begegnen. Eine weitere
Variante besteht darin, die Kirchen
und Gemeindeeinrichtungen architektonisch aufzuwerten, damit sie
wieder zu zukunftsfähigen Begegnungsstätten auch außerhalb der
Gemeinde werden.
verzahnung gewährleistet ist. Das
Büro aus Dortmund gewann mit
dem Entwurf einen im Jahr 2005
­öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerb, der von der Evangelischen
Dem Neubau vorangegangen war
der Abriss des alten Gemeindegebäudes, das sogar älter als die benachbarte Philipp-Nicolai-Kirche aus
dem Jahr 1871 war und im Laufe der
Jahre mehrfach umgebaut werden
musste. Das alte Gemeindegebäude
entsprach den heutigen Bedürfnissen weder in Hinblick auf energetische Anforderungen, noch in Hinblick auf die Brandschutzanforde-
Bild 1: Direkter Dialog zwischen neuem Baukörper und Kirche
Foto: Stadt Hagen – Amt für Geoinformation und Liegenschaftskataster
1 Veränderung als Chance
­ elanchthon-Kirchengemeinde
M
­Hagen ausgelobt wurde und an dem
sich insgesamt 15 Architekten bzw.
Architektenbüros beteiligten.
Bild 2: Luftbild der Baustelle Gemeindezentrum Hagen-Boele [1]
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Foto: Daniel Sumesgutner
eine Symbiose aus Geschlossenheit
und Transparenz darstellt: „Es soll
ein offenes Haus sein. Die Außenwelt soll herein geholt werden und
man soll sehen können, dass und
was hier passiert“, Bild 3. Auch der
bei der Einweihung anwesende Superintendent Bernd Becker war bei
der Begehung des Gebäudes voll des
Lobes: „In diesem Haus gibt es viel
Himmel zu sehen. Hier sollen sich die
Menschen nicht fremd, sondern aufgenommen fühlen.”
2 Der Entwurf
Bild 3: Straßenansicht des Gemeindezentrums
rungen. Darüber hinaus war es für
die Platzbedürfnisse der heute rund
5.000 Mitglieder zählenden Gemeinde zu klein.
Foto: Daniel Sumesgutner
Laut Wettbewerbsvorgaben sollte
das neue Gebäude „den neuen Baukörper in Beziehung zur Kirche“ setzen, Bild 1, und dabei auch noch
­eine künftige Bebauung von drei
Reihen-Doppelhäusern auf einem
neben der Kirche gelegenen Grundstück im Blick haben, Bild 2. Vom
Architektenwettbewerb über den
Abriss des alten Gemeindehauses bis
zur Vollendung des neuen Gebäudes
vergingen rund drei Jahre. Als
schließlich am 25. Mai 2008 das
neue Gemeindezentrum eingeweiht
wurde, zeigte sich der ansässige
Pfarrer Herbert Szczukowski sehr zufrieden über das neue Gebäude, das
Das Gemeindehaus als Sichtbetonbau bildet im Ensemble mit der
Ruhrsandstein-Kirche einen zeitgemäßen Kontrast. Gleichzeitig folgt
der Entwurf des Gemeindehauses
den Proportionen des vorhandenen
Kirchengebäudes und ordnet sich
städtebaulich in die Struktur des
Wohnumfeldes ein. „Das klare städtebauliche Konzept überzeugt mit
einer vermarktbaren Wohnbebauung
an der Nordseite und einem kompakten Gemeindehaus-Neubau an
Bild 4: Die Lichtbänder strukturieren das Gebäude in fünf Teile. Ebenfalls sichtbar: die Terrassen im Obergeschoss.
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Foto: Daniel Sumesgutner
Bild 5: Lichtfugen in der Breite der kirchlichen Strebepfeiler teilen das Gemeindehaus in fünf Abschnitte.
2.1 Gemeinsame Annäherung
Foto: Daniel Sumesgutner
Länge und Breite des Neubaus wurden so gewählt, dass sie im Einklang
mit den Außenmaßen des Kirchengebäudes stehen, die Gesamthöhe
lehnt sich an der Traufenhöhe des
sakralen Nachbargebäudes an. Die
Flucht der Kirchenfenster sowie die
Position der Strebepfeiler werden im
Grundriss des Gemeindehauses von
der Sichtbetonfassade mit den quer
verlaufenden Lichtbändern aufgegriffen. Das moderne Gebäude wurde dabei bewusst ein Stück weit zurückgesetzt, damit die Kirche von
der Straßenansicht aus im Vordergrund steht und nicht verdeckt wird,
Bild 6. Darüber hinaus schafft diese
Anordnung eine zusätzliche Freifläche auf dem Vorplatz, die Raum für
soziale Interaktion schafft und die
Konzeption als Begegnungsstätte
unterstreicht.
Foto: Daniel Sumesgutner
der Südseite, der mit seinen Baufluchten, der Fassadengestaltung
und der inneren Grundrissstruktur
bis hin zur Freiflächengestaltung die
Grundgliederung des Kirchengebäudes aufnimmt, Bild 4. Dabei behält
der Neubau jedoch mit seinem reizvollen Wechselspiel von offenen und
geschlossenen Fassadenflächen eine
hohe Eigenständigkeit“, urteilte das
Preisgericht über den Wettbewerbssieger, Bild 5.
Bild 6: Das nach hinten versetzte Gemeindezentrum betont die Kirche als Hauptgebäude.
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Bild 7: Blick von der Kirche auf das
Gemeindezentrum
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Foto: Daniel Sumesgutner
Bild 8: Offenheit und Lichteinfall waren wesentliche Gestaltungskriterien.
2.2 Der Umbau der Kirche
Foto: Daniel Sumesgutner
Ein Teil der Gesamtplanung war der
Umbau der unter Denkmalschutz
gestellten Philipp-Nicolai-Kirche.
Im Vordergrund dieser Maßnahmen
stand vor allem die Idee, das Sakralgebäude zum Gemeindehaus hin zu
öffnen, Bild 7. Hierfür wurden die
Fensterbrüstungen entfernt und
Bild 9: Lichtfugen gliedern das Gebäude und schaffen Atmosphäre.
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durch doppelte Türen von innen
und außen ersetzt. Die Kirche kann
auch weiterhin als symmetrischer
Raum für Gottesdienste genutzt
werden. Optional entsteht bei Öffnung der Innentüren ein vom Licht
durch­fluteter Raum mit Blickkontakt zum Gemeindehaus, Bild 7. Der
Kirchenraum ist flexibel für kirchliche und gegebenenfalls auch
­externe Veranstaltungen nutzbar.
Die äußeren Glastüren können darüber hinaus nach außen geöffnet
­werden und ermöglichen ­eine
­direk­te Verbindung zwischen Kirche, ­Kirchplatz und Gemeindehaus.
Sichtbetonstufen gleichen den
­Höhen­unterschied vom Kirchenraum zum Kirchplatz zwischen den
Strebe­pfeilern aus. Strahler in den
Sitz­stufen beleuchten die Kirchenfassade. Auch im vorderen Bereich
der Kirche sahen die Architekten
­eine Neugestaltung mit Sichtbetonblöcken aus Fertigteilen vor, die
­einen barrierefreien Zugang gewährleisten.
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Bild 10: Blickführung durch Achsen und große Fensterflächen
2.3 Licht und Raum
Die vorgegebene Struktur der Kirche
wird mit dem Gemeindehaus in eine
moderne Architektur transportiert.
Die Fluchten, die sich aus den Strebepfeilern des Sakralgebäudes ergeben,
verwandeln sich in dem Neubau zu
lebendigen Lichtfugen mit Sonnenund Schattenspiel, Bilder 8 bis 10. In
Ambivalenz zu den Jochen der Kirche
teilen die Lichtfugen das Gemeindehaus in fünf Abschnitte, die sich
durch das gesamte Gebäude ziehen
und im Obergeschoss zwei Einschnitte als Sonnenterrassen für die
Gruppenräume und Büroräume ausbilden. Das einfallende Licht schafft
je nach Tageszeit und Witterung eine
individuelle Atmosphäre. Die hellen,
glatten Sichtbetonflächen im Innenbereich in Kombina­tion mit Holz
­betonen ihrerseits ein organisches Erscheinungsbild, das sich mit der klaren, gradlinigen Struktur des Gebäudes versöhnt. Im Foyer ist die Licht­
fuge durch schlanke Doppelstützen
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ablesbar und über im Dach ein­ge­
schnittene Glasbänder erlebbar. Die
neuen Gemeinderäume öffnen sich
zum Kirchplatz; Gemeindefeste und
­Veranstaltungen finden auf dem gemeinsamen Vorplatz ebenerdig statt.
Im Erdgeschoss ­dominieren das zur
Kirche gewandte Foyer, der Saal
­sowie ein Jugend­raum. Im oberen
­Geschoss befinden sich Büro- und
Gruppenräume. Gemeinsam zu nutzende, zentral gelegene Nebenräume
sowie die zahlreichen inneren Erschließungs- und Zuschaltvarianten
ermöglichen bei Bedarf abgeschlossene Funktionsbereiche. Zahlreiche
Blickbeziehungen innerhalb des zweigeschossigen Foyers und zur Kirche
hin sowie die im Obergeschoss angeordneten Terrassenflächen geben den
Innenräumen eine hohe Qualität.
3 Die Konstruktion
Das Gemeindezentrum ist ein zweigeschossiges, nicht unterkellertes
Stahlbetongebäude, dessen Betonbauteile komplett aus Ortbeton hergestellt wurden. Das Obergeschoss
des Gebäudes besitzt eine lichte
Rohbauhöhe von 2,80 m und das
lichte Rohbaumaß des Erdgeschosses
beträgt 4,19 m. Beide Geschosse
­haben als oberen Raumabschluss
­jeweils 20 cm dicke einachsig
­gespannte Stahlbetondecken mit
­lichten Feldweiten von 4,345 m bis
4,51 m, die seitlich auf Stahlbetonunterzügen aufliegen. Die Achsmaße
und die Breiten der Unterzüge ergeben sich aus der architektonisch gewünschten Übertragung der Fassadengliederung der benachbarten
­Philipp-Nicolai-Kirche auf das neue
Gemeindezentrum, sodass beide
Baukörper ein harmonisches Ensemble bilden.
Die Lasten aus den Unterzügen
­werden über Betonwandscheiben,
Betonstützen und die Innenschalen
der Außenwände in die Flachgründungen abgeleitet.
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Grafik: Bathe + Reber
Bild 11: Die geometrische Gebäudestruktur der benachbarten Philipp-Nicolai-Kirche wird im neuen Baukörper aufgenommen.
und den Windlasten keine weiteren
Bauwerkslasten abzutragen.
Die Anforderungen an den winterlichen Wärmeschutz werden neben
Auswahl entsprechend leistungs­
fähiger Fensterelemente durch eine
12 cm dicke Kerndämmung sichergestellt, Bild 14.
Sämtliche Betonbauteile sollten als
Sichtbetonflächen ausgeführt werden. Dabei sollte aus architektoni­
schen Gründen die Anzahl der
­ etonier- und Arbeitsfugen auf ein
B
Minimum begrenzt werden.
4 Fugen- und Ankerbild
In enger Abstimmung mit dem
Schalungshersteller wurden bereits
im frühen Planungsstadium Detailausbildungen von Fugenausbildun­
gen und Ankeranordnungen erarbeitet, Bild 15. Zum Einsatz kam als
Trägersystem das Schalungssystem
Doka Top 50.
Grafik: Bathe + Reber
Das architektonische Erscheinungsbild der Außenwände setzten die
Architekten in einer zurückhaltenden, monolithisch erscheinenden
zweischaligen Sichtbetonkonstruktion um. Die 25 cm dicke Innenschale übernimmt neben dem inneren Raumabschluss den Abtrag der
Bauwerkslasten des zweigeschossigen Gebäudes. Die äußere 15 cm
dicke Sichtbetonschale bildet den
äußeren Gebäudeabschluss. Sie
übernimmt den Witterungsschutz
und hat neben dem Eigengewicht
Bild 12: Schnitt B-B durch das Gemeindezentrum der Philipp-Nicolai-Kirche
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Bei der Entwicklung der Betonzusammensetzung, Tafel 1, bestimmten die äußeren Sichtbetonschalen
der Außenwände maßgebliche baustoffliche Parameter. Da das Gebäude optisch einheitlich erscheinen
und Farbunterschiede weitestgehend
vermieden werden sollten, wurde die
für diese Bauteile erarbeitete Betonzusammensetzung auf die übrigen
Betonbauteile übertragen.
Aufgrund der geringen Wanddicke
der äußeren Sichtbetonschale der
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Betondruckfestigkeitsklasse
Ausbreitmaßklasse
Frischbetonrohdichte
Mörtelgehalt
Zementart und
Festigkeitsklasse
Zementgehalt z
Wassergehalt
w/z
(w/z)eq
Gesteinskörnung
Rheinsand 0-2 mm
Rheinkies 2-8 mm
Gesamtgehalt
Sieblinienbereich
(gefordert)
kg/m³
l/m³
C25/30
F6
2.313
ca. 704
CEM III/B 42,5 N
kg/m³
370
kg/m³
180
0,49
0,44
kg/m³
kg/m³
kg/m³
920
753
1.673
A/B 8, nahe B
Zusatzmittel
Art
Gehalt
M.-% v. z
FM
0,92
Zusatzstoff
Art
Gehalt
kg/m³
EFA-Füller S-B/F
90
Grafik: Bathe + Reber
Dem Architektenentwurf lag als zentrales Gestaltungselement der Einsatz möglichst heller und möglichst
glatter Sichtbetonflächen zugrunde.
Im Zuge eines Entscheidungsprozesses der Baubeteiligten wurde die
Verwendung eines Hochofenzements
CEM III/B festgelegt, der aufgrund
des hohen Hüttensandanteils allgemein ein helles Erscheinungsbild der
Sichtbetonflächen gewährleistet.
Hinsichtlich der allgemeinen Anforderungsbeschreibung wurde für den
Sichtbeton des Gemeindehauses die
Sichtbetonklasse SB3 nach dem
Merkblatt „Sichtbeton“ des Deutschen Beton- und Bautechnik-Vereins [1] festgelegt. Die Sichtbetonklasse SB3 stellt hohe gestalterische
Anforderungen an die Betonflächen
und nennt konkrete Vorgaben bzw.
Toleranzen hinsichtlich Textur, Porigkeit, Farbtongleichmäßigkeit, Ebenheit und der Beschaffenheit von
­Arbeits- und Schalhautfugen. Dar­
über hinaus benennt die Sichtbetonklasse SB3 die Anforderungen an die
Schalhaut und macht Angaben hinsichtlich der Notwendigkeit von Erprobungsflächen. Somit konnte das
Anforderungsprofil an die zu erstellenden Sichtbetonflächen frühzeitig
für alle Bieter transparent beschrieben werden.
Tafel 1: Betonzusammensetzung
Bild 13: Schnitt A-A durch das Gemeindezentrum der Philipp-Nicolai-Kirche
Grafik: Bathe + Reber
5 Anforderungen an den ­
Beton
Bild 14: Detail des Außenwandaufbaus
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Grafik: Bathe + Reber
Bild 15: Nordansicht des Gebäudes mit Fugen- und Ankerplan
notwendig. Da bei diesen Randbedingungen auch bei sehr weichen
Betonkonsistenzen die Notwendigkeit einer Verdichtung des frisch eingebrachten Betons zu erwarten war,
wurden entsprechende Rüttelgassen
vorgesehen.
befand und somit die Gleichmäßigkeit des Frischbetons durch konstant
kurze Fahrzeiten gesteigert werden
konnte.
Die Lieferleistungen für den Transportbeton wurden so ausgeschrieben,
dass das Transportbetonwerk für die
gesamte Laufzeit die vorgegebene
Rezeptur vorhalten sollte, wobei
auch kleinere Arbeitsabschnitte und
damit einhergehende Betonmengen
berücksichtigt werden sollten.
Die Bauteilabmessungen, die Bewehrungsführung sowie die Einbauelemente (Bild 16) machten eine Begrenzung des Größtkorns auf 8 mm
Für die Betonbauarbeiten war es
­äußerst förderlich, dass sich in einer
Entfernung von nur ca. 1,5 km ein
leistungsfähiges Transportbetonwerk
Die Problematik von Schleppwasser­
effekten an nichtsaugenden Betonschalungen ist hinlänglich ­bekannt.
Insbesondere bei Beton­zusammen­
setzungen mit hohem Zementleimgehalt und dement­spre­chend hohen
Wassergehalten tritt diese für glatt
geschalte Sichtbetonflächen störende Erscheinung leicht auf. Da bei
den gegebenen Randbedingungen
(geringes Größtkorn, weiche Konsistenz, große Betonierhöhe, glatte und
nichtsaugende Schalung, Bewehrungsführung, hohe optische Anforderungen) möglichst hohe Ausführungssicherheit angestrebt wurde,
wurden von den Baubeteiligten insgesamt drei Erprobungswände im
Technikbereich des Gebäudes fest­
gelegt, für die aus ­gestalterischen
Aspekten kein Anspruch auf Sicht­
betonqualität vorlag.
Foto: Bathe + Reber
Außenwände von 15 cm wurde bereits im frühen Bearbeitungsstadium
eine möglichst weiche Frischbetonkonsistenz (F5/F6) angestrebt. Dies
war besonders deshalb erforderlich,
weil die Wandelemente im Erdgeschoss bei einer Betonierhöhe von
ca. 4,82 m ohne horizontale Betonierfuge ausgeführt werden sollten,
Bild 15. Eine Betonstahlmattenbewehrung zur Aufnahme von Zwängungs- und Eigenspannungen sowie
Einbauelemente zur Beleuchtung des
Bauwerks unterstrichen die Forderung nach einer guten Fließ­fähigkeit
des Frischbetons.
Bild 16: Erprobungswand mit Bewehrungsführung und Einbauelementen
62
6 Erprobungswände
Bild 17 zeigt die drei nebeneinander
angeordneten Erprobungswände, bei
denen die Betonzusammensetzung
den Gegebenheiten der Bauausführung angepasst wurde, um ein möglichst gleichmäßiges Erscheinungsbild zu erzielen.
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Bild 17: Die drei Erprobungswände mit Farbunterschieden, die sich durch unterschiedliches Bauteilalter und dementsprechend unterschiedliche Bauteilfeuchte
ergeben
Foto: Daniel Sumesgutner
Sichtbeton mit hohen optischen Anforderungen bedarf einer genauen
Planung und Abstimmung zwischen
allen Baubeteiligten. Sind diese einfachen Bedingungen gegeben, steht
einer Verwendung bei architektonisch anspruchsvollen Gebäuden
nichts im Wege. Mit dem Gemeindezentrum und dem Umbau der
Philipp-Nicolai-Kirche in Hagen beweist das Büro Bathe + Reber, dass
moderne Architektur nicht automatisch als ein separierter, selbstreferenzieller Raum innerhalb eines
­gewachsenen Gefüges verstanden
werden muss. Die Kombination aus
hellem Sichtbeton, Bild 18, und offenen Glas­flächen steht im Dialog
zum benachbarten Kirchengebäude.
Beide Gebäude öffnen sich füreinander. Die Struktur des ehrwürdigen
Sakralbaus wird in dem Neubau
fortgesetzt und transformiert. Dabei
entstand in gestalterisch ansprechender Weise, was sich die Bauherren erhofft hatten: eine Verbindung zwischen Kirche, Kirchplatz
und Gemeindehaus in Form eines
Ortes, der zugleich Mittelpunkt für
Menschen ist.
Foto: Bathe + Reber
7 Zusammenfassung
8 Literatur
[1] Merkblatt Sichtbeton. Deutscher Beton- und
Bautechnik Verein.
Bild 18: Sichtbeton im Innenbereich
Bauschild
Bauherr
Evangelische Melanchthon-Kirchengemeinde, Hagen
Architekten
Architekten Bathe + Reber, Dortmund
Bauausführung
Elsbernd Bauunternehmen GmbH, Heek
Betontechnologische Beratung
BetonMarketing West GmbH, Beckum
Baustofflaboratorium Hagen, Hagen
Transportbeton
MTB Märkische Transportbeton GmbH, Hagen
Tragwerksplanung
H.E.G. Beratende Ingenieure GmbH
Prüfstatiker und SIGEKO
Ingenieurbüro für Bauwesen Dr.-Ing. Klemens Pelle
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