Ein anderer Blick auf die Welt Leben mit Autismus

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Ein anderer Blick auf die Welt
Leben mit Autismus
Ein Film von Jakob Kneser u. a.
Beitrag: Volker Eklkofer & Simon Demmelhuber
Inhalt
Nicole lernt mit dem Anderssein umzugehen
Nicole
hat
das
Asperger-Syndrom,
eine leichte Form
des Autismus. Der
23-Jährigen fällt es
schwer, die Gefühle
anderer Menschen
wahrzunehmen und
Kontakte aufzubauen. Die Diagnose
wurde ihr erst mit 20
Jahren
gestellt.
Endlich hat sie eine Erklärung dafür, dass sie
sich zwischen anderen Menschen oft fremd fühlt.
Nicole arbeitet viel und geht täglich spazieren.
Aber auch hier bleibt sie auf Distanz: Nicole
schaut Menschen selten ins Gesicht. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich verstärkt auf Gegenstände. Obwohl sie hochintelligent ist, fällt es ihr
schwer, das Verhalten anderer bei Gefühlen zu
interpretieren. Direkten Kontakt zu Menschen
scheut sie: Selbst mit Freunden kommuniziert
sie lieber per E-Mail, als sie persönlich zu treffen.
Soft-Skills sind Frederik ein Rätsel
Auch Frederik sieht die Welt mit einem besonderen Blick: Ihm fallen viele Details auf, aber Gesichter zu deuten, fällt ihm schwer. Für ihn ist Mi© Bayerischer Rundfunk
mik eine "Geheimsprache", die er nicht
versteht.
In
der
Schule hat er wenig
Kontakt zu seinen
Mitschülern. In Naturwissenschaften ist
er besonders gut und
merkt sich jede Kleinigkeit. Frederik hat
sich vorgenommen,
weniger auf Details und mehr auf Gesichter und
die Gefühle anderer zu achten. Im AutismusTherapie-Zentrum lernt er gezielt auch einen
"nicht-autistischen Blick" einzusetzen. Er versucht sich anzupassen, möchte aber auch akzeptiert werden, wie er ist. Deswegen hat er seinen
Psychologen gebeten, seinen Mitschülern zu erklären, wie Autisten auf die Welt blicken. Bei seiner Klasse trifft er damit auf Verständnis.
Julia bleibt wohl ein Leben lang ausgegrenzt
Julia hat eine schwere
Form von Autismus. Sie
lebt in ihrer eigenen
Welt, in die sie selbst
ihre Mutter nur selten
hinein lässt. Sie spielt
gerne alleine und lässt
niemanden mitspielen.
Julias Mutter merkte
früh, dass ihre Tochter anders als andere Babys
war: Julia suchte keinen körperlichen Kontakt
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und lächelte ihre Mutter nie an. Bis zum Alter
von zwei Jahren sprach Julia kein Wort. Mit drei
Jahren wurde bei Julia frühkindlicher Autismus
diagnostiziert. Nach zwei Jahren Therapie konnte sie erste Kontakte zu anderen Menschen herstellen und begann zu kommunizieren. Für Julia
gibt es strikte Rituale und Abläufe, die nicht geändert werden dürfen. Schon der Löffel auf der
falschen Seite des Tellers bringt sie zum Ausrasten. Aber seit ihrer Therapie hat sich einiges verbessert: Julia ist flexibler geworden und lernt
leichte Abweichungen in ihrer Welt zu ertragen.
Quelle: Planet Schule
Fakten
Autismus – Leben in einem fremden Kosmos
Autismus ist eine tief greifende Entwicklungsstörung, die in verschiedenen Ausprägungen auftritt.
Erstmals erforschte der in den USA arbeitende
Kinderpsychiater Leo Kanner in den 1940er Jahren den frühkindlichen Autismus. Er berichtete
von einer ausgeprägten Abkapselung betroffener
Kinder von ihren Mitmenschen und ihrer unbändigen Angst bei einer Veränderung der Umwelt.
„Autismus“, schrieb Kanner, „ist die Unfähigkeit,
normale Beziehungen zu anderen Menschen und
sozialen Situationen zu entwickeln“. Frühkindlicher Autismus macht sich bereits in den ersten
Lebensmonaten bemerkbar, die Sprache entwickelt sich spät, bei der Hälfte der betroffenen
Kinder gar nicht. Zwei bis vier von 10.000 Menschen kann das Kanner-Syndrom zugeordnet
werden. Jungen sind drei bis viermal häufiger
betroffen als Mädchen.
Anzeichen für Autismus im Kindesalter sind:
• Das Kind beginnt nicht oder erst spät zu sprechen.
• Es hat kein Interesse an der Umgebung, deutet nicht auf Gegenstände.
• Es nimmt keinen Blickkontakt zur Mutter auf.
• Es vollführt stereotype Bewegungen.
Je früher sich diese Symptome bemerkbar machen, desto schwerer ist die Erkrankung. Eltern
übersehen die ersten Anzeichen der Krankheit
oft, wertvolle Zeit für die Frühförderung geht verloren. Autismus kann in Kombination mit Epilepsie und Hirnerkrankungen auftreten. Etwa 70
Prozent der frühkindlichen Autisten gelten als
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geistig behindert. Wenn die Kinder älter werden,
verhalten sie sich zwanghaft, legen Wert auf
starre Rituale und können kaum zwischenmenschliche Beziehungen aufbauen. Diejenigen,
die sprechen können, bleiben oft in der sprachlichen Entwicklung gestört.
Autisten
werden
häufig von innerer
Unruhe und Schlaflosigkeit
geplagt.
Gefühle können sie
manchmal nur durch
Aggression
ausdrücken. Sie üben
Gewalt gegen Sachen und gegen Mitmenschen aus, verletzen sich aber auch selbst. Sie können nicht
sozial angemessen reagieren und mit anderen
Menschen kommunizieren. Ob und warum jemand lacht oder weint bzw. Gefühle zeigt, können sie nicht intuitiv begreifen. Es fällt ihnen
schwer, die Körpersprache anderer einzuschätzen.
Die Ursachen des Autismus sind noch längst
nicht erforscht. Noch bis weit ins 20. Jahrhundert
machten die Wissenschaftler Traumata, schwere
Erziehungsfehler oder gestörte Mutter-Kind-Beziehungen für autistisches Verhalten verantwortlich. Vermutlich beruht die Krankheit aber auf genetischen Faktoren, auch Hirnschädigungen vor
und nach der Geburt kommen in Betracht. Aktuelle Forschungen beschäftigen sich mit den
Spiegelneuronen, einer speziellen Gruppe von
Nervenzellen. Sie stellen sicher, dass wir darauf
eingehen, wenn Mitmenschen z. B. Trauer zeigen oder in Tränen ausbrechen. Personen mit
autistischer Störung haben weniger Spiegelneuronen und damit größere Reaktionsprobleme.
Spiegelneuronen und andere Aspekte der Autismusforschung werden bei Planet Schule ausführlich beleuchtet.
Das Autismus-Spektrum
Ein klares Krankheitsbild gibt es beim Autismus
nicht, die Krankheit kann sich unterschiedlich
auswirken. Die Skala reicht von der hochgradig
autistischen Persönlichkeit bis hin zu Individuen
mit Symptomen nahe der Grenze zur Normalität.
Die Störung der sozialen Interaktion und
Kommunikation ist aber das Kernsymptom
des Autismus. Autismus ist nicht heilbar, man
kann nicht vorbeugen.
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Seit den späten 1980er Jahren erfährt der Autismus viel Aufmerksamkeit, nicht zuletzt durch Filme wie „Rainman“ (1988) mit Dustin Hoffman in
der Hauptrolle, der rührend-abwesend durch die
Handlung wandelt.
Manche Autisten haben einen recht hohen Intelligenzquotienten. Die Medien berichten immer
wieder über rätselhafte Inselbegabungen, die
bei etwa jedem zehnten Autisten auftreten. Es
handelt sich beispielsweise um enorme Gedächtnis- oder Rechenleistungen, unglaubliches Lesevermögen oder fehlerfreie Wiedergabe ganzer
Telefonbuchseiten. Einige Autisten bestechen
mit Expertenwissen über Sternenkunde, Meteorologie oder Sport. Dabei überwiegt oft eine reine
Faktenspeicherung bzw. Faktenwiedergabe. Ihr
Wissen können die Autisten kaum nutzen oder
gewinnbringend einordnen. Das „große Ganze“
bleibt ihnen trotz aller Faktenkenntnis verborgen.
Bei Autisten ist der Unterstützungsbedarf besonders hoch. Ein Autist kann vielleicht alle ICEs
aufzählen, die auf Deutschlands Schienen rollen,
aber keine Fahrkarte kaufen oder etwa Zug fahren. Autisten mit vielen Symptomen benötigen
geschulte Betreuer, die sie durch den Alltag leiten und helfen, Aggressionen abzubauen. Je
nach Intensität der Erkrankung, lässt sich in Verbindung mit begleitenden Therapien die Selbstisolation aufweichen. Zwanghafte Ängste und
Verhaltensstörungen können gemildert werden,
ganz verschwinden werden sie wohl nicht.
Erwachsene Autisten können oft nicht selbständig leben. Im Idealfall werden sie in sozialtherapeutischen Wohngemeinschaften untergebracht.
Gerade in ländlichen Regionen mangelt es aber
an Förderungs- und Therapieplätzen und an
Möglichkeiten zum betreuten Wohnen. In Bayern
hat sich mit der Einrichtung von Autismus-Kompetenzzentren die Lage deutlich verbessert. Die
Zentren beraten Autisten und deren Angehörige,
helfen bei der Suche nach Therapeuten, informieren über verschiedenen Therapieformen und
geben Tipps zur Frühförderung. Die bayerischen
Bezirke gewähren auch Eingliederungshilfen für
Autisten und individuelle Förderhilfen.
Autismus in abgeschwächter Form
– das Asperger-Syndrom
Der Kinderarzt Hans Asperger entdeckte 1944
die „autistische Psychopathie“, eine milde Form
des Autismus, die etwa ab dem dritten Lebensjahr auftritt. Seine Patienten konnten sprechen,
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waren mindestens
durchschnittlich
intelligent, fanden
aber nur schwer
Kontakt zu Mitmenschen. Lange
Zeit blieben die
Arbeiten
Aspergers unbeachtet,
erst den 1980
Jahren beschäftigte sich die Fachwelt mit den Forschungsergebnissen des Österreichers. 1991 erkannte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Asperger-Syndrom als
Krankheit an; zwischen 10 und 15 von 10.000
Menschen sind davon betroffen.
Weil die Sprache und
die allgemeine Entwicklung Betroffener
nicht verzögert sind,
wird das AspergerSyndrom meist spät
erkannt. Nicole Schuster beispielsweise erhielt die Diagnose erst
im Alter von 20 Jahren. Asperger-Erkrankte wie Nicole gelten
heute als Elite-Autisten. Sie sind sprachlich voll
kommunikationsfähig und oft überdurchschnittlich intelligent. Dennoch sind sie kaum in der
Lage, mit anderen in sozialen Kontakt zu treten,
geschweige denn Freundschaften zu schließen.
Signale für Ablehnung oder Zuneigung verstehen
sie nur sehr eingeschränkt. Es mangelt an Empathie, der Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und zwischenmenschliche Konstellationen intuitiv zu begreifen. Ihre Mimik und Gestik
sind begrenzt, Bewegungen wirken oft unkontrolliert. Ihre beachtlichen sprachlichen Fähigkeiten
nutzen sie kaum zur Face-to-Face-Kommunikation.
Viele Asperger-Autisten strukturieren den Tagesverlauf sehr präzise, die Vorhersehbarkeit von
Ereignissen spielt für sie eine wichtige Rolle.
Wenn es in der täglichen Routine zu Veränderungen kommt, neigen sie zu Erregung bis hin zu
Wutanfällen. Begebenheiten, die in den Augen
ihrer Mitmenschen gänzlich unbedeutend sind,
können sie aus der Bahn werfen, starkes Herzklopfen und Panikattacken verursachen.
Ein weiteres Kennzeichen von Asperger-Autisten
ist die so genannte Gedankenblindheit. Sie le3
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sen gern Sachbücher – dazu braucht man kein
Verständnis für Menschen – haben aber Schwierigkeiten, Romane, Erzählungen oder gar Trivialliteratur zu verstehen. Der Grund: Hier geht es
um Gefühle.
Zuweilen ist die Reizverarbeitung gestört. Dann
reagieren die Autisten bei körperlicher Nähe und
bei Berührungen überempfindlich und weigern
sich z. B. dem Gegenüber die Hand zu geben.
Oft sind Hörvermögen und Geruchssinn besonders ausgeprägt. Ironie nehmen Asperger-Autisten häufig wörtlich. Zweideutige Aussagen verstehen sie nicht (z.B. „Brett vorm Kopf“, „sich
grün und blau ärgern“, „in die Luft gehen“). Sie
fallen aber durch spezielles Faktenwissen und
die Fähigkeit zur Detailwahrnehmung auf.
Der Sydromverlauf ist bei einer Asperger-Erkrankung nur schwer einzuschätzen, eine Heilung
gibt es nicht. Je stärker die Kontaktstörung, desto schlechter ist die Aussicht auf ein selbst bestimmtes Leben. Viele Asperger-Autisten machen Abitur und absolvieren ein Studium, dennoch ist das Arbeiten in „normalen“ Betrieben
manchmal nicht möglich. In diesen Fällen müssen Tätigkeiten in speziellen Arbeits- und Beschäftigungsgruppen mit Betreuung aufgenommen werden.
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keiten zu erwerben. In Rollenspielen lernen Autisten, Blickkontakt zu Mitmenschen aufzunehmen. Außerdem wird trainiert, Gesichtsausdrücken bestimmte Gefühle zuzuordnen. Überdies vermitteln die Therapeuten Regeln für ein
konfliktfreies Sozialverhalten. So können sich
Autisten das Verhalten nicht-autistischer Menschen über den Verstand erarbeiten.
Nicole Schuster hat es geschafft. Als sie mit 20
Jahren die Diagnose Asperger-Syndrom erhielt,
empfand sie das als Befreiung. Nun wusste sie,
warum sie „anders“ war als Mitschüler, die unerklärlichen Gefühle hatten nun einen Namen.
Nicole konnte beginnen, gezielt an sich zu arbeiten und entwickelte ein neues Bewusstsein. Sie
studierte, ist heute eine erfolgreiche und bemüht
sich, ihre Kommunikationsfähigkeit zu verbessern.
Längst hat sie sich vom stummen, teilnahmslosen Mädchen zur weltoffenen und sensiblen Erwachsenen gewandelt.
Wie die Sendung deutlich macht, helfen Therapien, bessere soziale und kommunikative Fähig-
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Nicole beharrt zwar auf bestimmten Eigenarten
und zieht das Schreiben von E-Mails einem persönlichen Gespräch vor, kann aber mit Nicht-Autisten im Büroalltag gut zusammenarbeiten.
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Didaktische Hinweise
Die Sendung kann in den Fächern AWT, Biologie, Ethik, Kunst, Religionslehre und Sozialkunde ab
der 8. Jahrgangsstufe eingesetzt werden.
Lehrplanbezüge (Bayern)
Hauptschule
Katholische Religionslehre
8. Jahrgangsstufe
8.2 Wofür die Kirche da ist – Hilfen zum Leben
Evangelische Religionslehre
8. Jahrgangsstufe
8.5 Verantwortung übernehmen - Dienste der Kirche an der Gesellschaft
Arbeit-Wirtschaft-Technik
9. Jahrgangsstufe
9.1 Arbeit und Beruf
9.1.4 Bedeutung von Arbeit und Beruf in Gegenwart und Zukunft des Menschen
- Problemgruppen auf dem Arbeitsmarkt, z. B. Behinderte
Ethik
9. Jahrgangsstufe
9.2 Arbeit, Leistung, Freizeit
9.2.1 Sinn und Grenzen des Arbeitens
- Grenzen der Leistungs- und Erfolgsorientierung
- Menschenwürde und Leistung; u. a. individuelle Leistungsfähigkeit, Beschäftigung von
Benachteiligten und Behinderten
Kunst
8.5 Nachrichten aus der Klasse: Was uns interessiert und bewegt
In einem eigenen Zeitungsprojekt sollen die Schüler versuchen, selbst verfasste Mitteilungen zu
eigenen Interessengebieten (z. B. Hobbys, Freundschaften) oder zu allgemeinen Anliegen (z. B.
Behinderte) zu veröffentlichen.
Realschule
Evangelische Religionslehre
8.5 Anderen Menschen begegnen: Bereicherung durch Verschiedenheit
Gymnasium
Biologie
9. Jahrgangsstufe
9.1 Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung durch Nerven- und Hormonsystem
Sozialkunde
8. Jahrgangsstufe
8.1 Der Einzelne als Teil der Gemeinschaft
- der Einzelne in der sozialen Gruppe: Normen und Sanktionen, Strukturen, Konflikte; Rollenspiele
- Bedeutung von Teamfähigkeit im schulischen und beruflichen Alltag; Einüben teamorientierter
Verhaltensweisen
8.2 Jugendliche Lebenswelten
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Lernziele
Die Schülerinnen und Schüler sollen
• wissen, dass Autismus eine tief greifende Entwicklungsstörung ist;
• verstehen, dass Autismus in unterschiedlicher Form auftritt;
• erfahren, dass Autismus mit einer Störung der sozialen Interaktion und Kommunikation
einhergeht;
• erfahren, dass das Asperger-Syndrom eine weniger schwere Form des Autismus ist;
• Einblick erhalten in die Lebenswelten der Autisten Nicole, Frederik und Julia;
• am Beispiel Frederiks und seiner Mitschüler nachvollziehen, dass Autisten und ihre Mitmenschen
gleichermaßen lernen müssen, mit der Entwicklungsstörung umzugehen;
• über Therapiemöglichkeiten informiert werden.
Anregungen
Die Sendung stellt drei junge Autisten vor: Nicole, Frederik und Julia.
Nicole hat das Asperger-Syndrom, eine leichte Form des Autismus. Das
hielt sie aber nicht davon ab, ins Gymnasium zu gehen, zu studieren und
Karriere als Buchautorin zu machen. Die Asperger-Symptome kann sie
mittlerweile gut kontrollieren. Nicole hat gelernt, mit ihren Mitmenschen
zu kommunizieren, doch sie weiß, dass ihr manche Aspekte der Lebenswelten von Arbeitskollegen und Bekannten wohl für immer fremd bleiben
werden.
Frederik hat noch einen weiten Weg vor sich. Kontakt zu seinen Klassenkameraden hat das Mathe-Talent kaum. Sein Verhalten stößt, wie eine
Mitschülerin in der Sendung berichtet, immer wieder auf Unverständnis –
vor allem dann, wenn er lang und ausschweifend über ein bestimmtes
Thema spricht. In einem Therapiezentrum lernt Frederik die Grundlagen
zwischenmenschlichen Verhaltens und die „Geheimsprache“ Mimik kennen.
Julia hat eine schwere Form des Autismus. Ihre Sprachentwicklung setzte, verglichen mit anderen Kindern, sehr spät ein. Mit Gleichaltrigen teilt
sie kaum Interessen. Auf ihre Umwelt wirkt sie oft fremdartig und entzieht
sich dem, was wir als „normal“ empfinden. Ihre Mutter berichtet, dass sie
sich Julia manchmal sehr nah fühlt, dann entgleitet sie ihr wieder, z. B.
wenn beim Zähneputzen nicht alles „nach Plan“ läuft. Rollenspiele sind
Julia besonders verhasst. Und wenn sie den Schulbus besteigt, taucht sie
in ihre eigene Welt ab und würdigt die Mutter keines Blickes mehr.
Die Sendung ist gut geeignet, den Schülerinnen und Schülern klar zu machen, dass sich die autisti sche Welt - je nach Ausprägung der Entwicklungsstörung - von unserer deutlich unterscheidet. Nehmen Betroffene am Unterricht teil, ist eine umfassende Beratung unabdingbar. Lehrkräfte, Autisten
und ihre Mitschüler müssen gemeinsam lernen, mit dem Syndrom umzugehen. Eine enge Zusam menarbeit von Schule, Eltern und Therapeuten ist im Sinne einer ganzheitlichen Förderung nötig.
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Arbeitsaufträge
Beobachtungsaufträge
Warum ist gerade bei Autismus Früherkennung besonders wichtig?
Wie nehmen Nicole, Frederik und Julia ihre Umwelt wahr?
Wie beschreiben Nicole und Frederik ihre Probleme mit anderen im täglichen Miteinander?
Was berichten Eltern und Mitschüler?
Nicole hat Schwierigkeiten, Augenkontakt aufzunehmen und Gefühle anderer er erkennen. Was tut
sie dagegen?
Was versteht man unter einer Inselbegabung?
Sammelt im Internet Informationen über die Autistin Amanda Baggs, die auf Youtube mit dem Video
„In My Language“ zum Star wurde. Wie lässt sich ihr Erfolg erklären?
Diskussion
Seit einigen Jahren fordern Autisten, dass Autismus nicht mehr als Krankheit bzw. Behinderung
angesehen wird, sondern als besonderer Way of Life. Ist es gerechtfertigt, Autismus als eigene Kultur
zu begreifen? Oder ist es nötig, Autismus weiterhin als Entwicklungsstörung zu betrachten?
Literatur- und Internettipps
Schuster, Nicole. Colines Welt hat neue Rätsel - Alltagsgeschichten und praktische Hinweise für
junge Erwachsene mit Asperger-Syndrom (Pappbilderbuch). Stuttgart: Verlag Kohlhammer, 2010.
Schuster, Nicole. Schüler mit Autismus-Spektrum-Störungen: Eine Innen- und Außenansicht mit
praktischen Tipps für Lehrer, Psychologen und Eltern. Stuttgart: Verlag Kohlhammer, 2009.
Schuster, Nicole und Matzies, Melanie. Colines Welt hat tausend Rätsel: Alltags- und
Lerngeschichten für Kinder und Jugendliche mit Asperger-Syndrom. Stuttgart: Verlag Kohlhammer,
2009.
Schuster, Nicole. Ein guter Tag ist ein Tag mit Wirsing. Berlin: Verlag Weidler, 2007.
Albrecht, Christian und Schor, Bruno. Autismus – ein häufig verkanntes Phänomen. Donauwörth:
Verlag Auer, 1999.
Brauns, Axel. Buntschatten und Feldermäuse. Leben in einer anderen Welt. Hamburg: Verlag
Hoffmann & Campe, 2003.
Schneider, Karla und Köneke, Vanessa. Warum Bretter manchmal vor Köpfen kleben: Und man im
Sitzen miteinander gehen kann - ein Alltagsleitfaden für Kinder und Jugendliche mit Autismus.
Nordhausen: Verlag Kleine Wege, 2009.
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Links
http://www.planet-schule.de/wissenspool/autismus/inhalt/sendung.html
Beitrag von Planet Schule zur Sendung; mit Unterrichtstipps und Linkliste.
http://w3.autismus.de/pages/startseite.php
autismus Deutschland e. V. - Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus
http://www.autismus-lv-bayern.de/
Autismus Bayern e. V.
http://www.autkom-obb.de/
Das Autismus-Kompetenzzentrum Oberbayern
http://www.autismus-mittelfranken.de/
Das Autismus-Kompetenzzentrum Mittelfranken
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