Sounds of Science – Wissenschaft im Musikclub

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Vortragsreihe Science Notes
Sounds of Science – Wissenschaft
im Musikclub
CARMEN LIPPHARDT
SEMINAR FÜR ALLGEMEINE RHETORIK, UNIVERSITÄT TÜBINGEN
© Springer-Verlag 2014
ó Wo treffen Wissenschaftler auf Laien, und
wo berichten Wissenschaftler von ihren Forschungen und Erkenntnissen? Meist sind es
Veranstaltungen wie etwa ein Tag der offenen Tür, bei dem Universitäten interessierte
Bürger in ihre Institute einladen, und viel
öfter noch tauschen sich Wissenschaftler auf
Kongressen aus. Viel zu selten kommen Wissenschaft und Öffentlichkeit dort miteinander in Kontakt, wo eine zwanglose Atmosphäre herrscht. Zentrale wissenschaftliche
Erkenntnisse und Fragen von gesellschaftlicher Relevanz müssen ihren Weg in den
öffentlichen Diskurs finden und für jedermann zugänglich sein. Dies gelingt jedoch
nur, wenn diese Erkenntnisse nicht nur verständlich sind, sondern sie auch einen Unterhaltungswert bieten. Die Science Notes sind
eine solche Plattform, sie holen Wissenschaft
heraus aus dem Elfenbeinturm und bringen
sie hinein in die Clubs.
Im Zentrum der Science Notes steht stets
ein naturwissenschaftlicher Themen- und Problemkomplex. Leitender Gedanke bei der Konzeption war dabei der Wunsch, pro Veranstaltung fünf namhafte Wissenschaftler für
15-minütige Vorträge zu gewinnen, die zeigen, dass Wissenschaft uns alle angeht. Das
erfordert nicht nur wissenschaftliches Argumentieren, sondern auch einen spannenden
und unterhaltsamen Vortrag, schließlich sprechen die Forscher nicht auf einem Kongress,
sondern im Club. Anders als ein Science Slam
sind die Science Notes kein Wettkampf, im
Mittelpunkt steht vielmehr die Faszination
Forschung. Spitzenforscher berichten von
ihrer Arbeit und wagen einen Blick in die
Zukunft, setzen sich mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinander. Ergänzt werden
die Präsentationen durch elektronische Musik
und Performances. Bei den ersten Science
Notes im Kulturzentrum Karlstorbahnhof Heidelberg im Jahr 2013 drehte sich alles um das
BIOspektrum | 07.14 | 20. Jahrgang
Thema Zukunft der Energie – Energie der
Zukunft. Die zweiten Science Notes fanden im
September 2014 im Club Uebel & Gefährlich
in Hamburg statt (Abb. 1). Im Mittelpunkt
stand das Thema Klimawandel, das rasch ein
bunt gemischtes Publikum anzog.
Den Auftakt machte Prof. Dr. Christian Wild
vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie in Bremen mit dem Titel Hitze und Säureangriffe auf Korallenriffe. Zu Beginn seines
Vortrags gab Wild zu, noch nie an so einem
abgefahrenen Ort einen Vortrag gehalten zu
haben. Und in der Tat: Die Mischung aus lauten Beats und wissenschaftlicher Seriosität
mag ungewöhnlich erscheinen. Doch es blieb
ihm nicht viel Zeit, darüber nachzudenken,
schließlich wollte er dem Publikum von seinen Forschungen zum Lebensraum Korallenriff berichten. Auch wenn die Korallen den
Zuschauern in Hamburg zunächst weit weg
erscheinen mussten, führte Wild anschaulich
durch dieses faszinierende Ökosystem mit
seiner großen Artenvielfalt. Für ihn als Wissenschaftler sind sie aber auch ein früher
Indikator für die globalen Klimaveränderungen. Die Erwärmung und Übersäuerung der
Ozeane haben schließlich in den letzten Jahren eine starke Schädigung der Korallenriffe
bewirkt. Wild führte aus, dass 30 Prozent der
weltweiten Korallenriffe stark geschädigt und
weitere 50 Prozent immerhin stark gefährdet
seien. In einem eindrucksvollen Experiment,
für das Wild einen Zuschauer auf die Bühne
bat, zeigte er, wie CO2 Wasser verändern und
so Leben erschweren kann.
Dr. Ricarda Winkelmann vom PotsdamInstitut für Klimafolgenforschung erläuterte
in ihrem Vortrag Ewiges Eis entfesselt eindrucksvoll, dass der Rückgang der Gletscher
in der Antarktis zu einem unaufhaltsamen
Problem werden könnte. Durch ihre eigene
Gewichtskraft getrieben, wandern die Glet-
˚ Abb. 1: Das Uebel & Gefährlich in Hamburg. Dort, wo sonst Größen der elektronischen Musik
auftreten, gaben im September 2014 im Rahmen der Science Notes hochkarätige Wissenschaftler
Einblick in ihre Forschung zu den Folgen des Klimawandels.
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KA R RIE R E , KÖP FE & KON Z EPTE
scher vom Landesinneren zum Meer und sind
folglich alles andere als starre, unbewegliche
Eisriesen. Greifbar wurden die Bewegungen
durch Audioaufnahmen aus der Antarktis,
mit denen die Zuhörer das Knacken, Krachen
und Heulen des nur scheinbar unbeweglichen
Eises nachvollziehen konnten. An der Küste
angelangt, bringt dort das erwärmte Meerwasser die Gletscher schließlich zum
Abschmelzen. Mit den Eismassen Grönlands
und der Arktis beschäftigte sich auch Prof.
Dr. Olaf Eisen vom Alfred-Wegener-Institut
für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Er fragte: „Haben wir den Stöpsel gezogen?“ In seiner mit Schaubildern und Grafiken gespickten Präsentation beschrieb Eisen
die aktuellen Entwicklungen des Permafrostbodens und der schneebedeckten Regionen, der ein Meeresspiegelanstieg gegenüberstehe. Am Ende gab Eisen schließlich die
Antwort auf seine eingangs gestellte Frage:
Ja, der Mensch habe sogar mehrere Stöpsel
gezogen. Und damit meint er, dass in einigen
Regionen der point of no return überschritten, das weitere Abschmelzen unaufhaltbar
sei. Machtlos sei der Mensch nicht, er müsse
sich anpassen und eine weitere Verschlimmerung vermeiden. Mit diesem nachdenklich
stimmenden Schluss entließ er die knapp 300
anwesenden Gäste in die Pause.
Die Leibnizpreisträgerin Prof. Dr. Antje
Boetius vom Max-Planck-Institut für Marine
Mikrobiologie in Bremen berichtete in ihrem
Vortrag Like Ice in The Sunshine – Was wird
aus dem Leben in der Arktis, wenn das Eis
schmilzt von ihren zahlreichen Expeditionen
auf Forschungsschiffen (Abb. 2). In ihrem
dynamischen Vortrag machte sie deutlich,
was es heißt, die Veränderung der Habitate
als Wissenschaftlerin hautnah mitzuerleben
und immer neuen Phänomenen auf der Spur
zu sein. Sie beschrieb, wie sie bei einer Expedition zum ersten Mal Algenablagerungen auf
dem Meeresboden beobachtet habe, die aus
geschmolzenem Eis stammten und auf den
Grund abgesunken waren. Der Klimawandel
verändere die Lebensräume und zwinge zur
Anpassung. Dem Zuschauer wurde klar, wie
wichtig es ist, mit offenen Augen die Geschehnisse in der Natur aufzunehmen, gleichzeitig begeisterte sie mit ihrem Enthusiasmus
aber auch für den Beruf der Wissenschaftlerin.
Mit dem Titel Sahara in der Trockenfalle
beschloss Dr. Sebastian Bathiany vom MaxPlanck-Institut für Meteorologie in Hamburg
die Reihe des Abends. Um zu veranschaulichen, was passiert, wenn ein Gleichgewicht
aus den Fugen gerät, begab sich Bathiany mit
dem Kippeln auf dem Stuhl quasi selbst in
Gefahr. Wenn sich die Lage des Stuhls (bzw.
das Klima) so stark verändert, dass ein kritischer Punkt erreicht wird, kippt der Stuhl
um. Er zeigte dies am Beispiel der von ihm
erforschten Klimaveränderung in der Sahara: Weil die Niederschläge abnahmen,
schrumpfte die Vegetation, was noch weniger
Niederschlag nach sich zog. So wurde aus
einer tier- und pflanzenreichen Zone die größte Wüste der Erde. Bathianys Anliegen ist es,
künftige Veränderungen mit so einer Tragweite besser zu erforschen.
Die Science Notes werden von der Klaus
Tschira Stiftung, Heidelberg, finanziert, die
sich für die Wertschätzung der Naturwissenschaften in der Öffentlichkeit einsetzt. Interessierte wissenschaftliche Referenten können sich gerne mit Dr. Thomas Susanka,
˚ Abb. 2: Antje Boetius vom Max-PlanckInstitut für Marine Mikrobiologie, Bremen,
berichtete während der Science Notes in
Hamburg eindrucksvoll über ihre Expeditionen zum Polarkreis.
[email protected], in Verbindung setzen. Mehr Informationen zur Vortragsreihe Science Notes und die nächsten Termine finden Sie unter www.sciencenotes.de.
ó
Korrespondenzadresse:
Carmen Lipphardt
Forschungsstelle Jugend präsentiert
Seminar für Allgemeine Rhetorik
Universität Tübingen
Wilhelmstraße 50
D-72074 Tübingen
Tel.: 07071/29-77455
[email protected]
www.rhetorik.uni-tuebingen.de
www.jugend-praesentiert.info
www.sciencenotes.de
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