Demonstration eines groß en Pleuratumors.1

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29. Januar 19H,
DEUTSOHE MEDIZINISCHE WOCHENSOHRIFT.
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bis in die reóhte Mamillarlinie. Léisès systolisches Geräusch am Herzen.
Stimmbandbewegungen frei. Tracheallichtung nicht verengt.
dem Rippenbogen tastbar. Milzdämpfung geht in die Thoraxdämpfung
über. Vorderer Pol tastbar.
Das Röntgenbild ergibt einen dichten Schatten, der reichlich die
unteren Zweidrittel der linken Brusthöhle ausfüllt. Die obere Begrenzung
des Schattens wird durch eine nach oben leicht konvexe, scharfe Begrenzungslinie gebildet. Der Schatten reicht in der Höhe der 3.-5. Rippe
nicht ganz bis an die seitliche Thoraxwand heran, reicht unten bis zum
Zwerchfell, das bei der Durchleuchtung in seiner linken Hälfte unbeweglich ist Linker Pleurasinus ausgefüllt. Mediastinum nach rechts verschoben. Herz bis in die rechte Mamillarlinie pulsierend sichtbar.
Bei der Probepunktion drang die Nadel leicht durch die Thoraxwand und gelangte dann in einen harten, festen Körper, aus dem es nicht
gelingt, etwas zu aspirieren. In der Kanüle nur etwas Blut; Exsudat
auch an tiefer Stelle nicht gefunden.
Auf Grund des klinischen und des Röntgenbefundes diagnostizierte
ich einen Tumor der linken Lunge. Bei der Größe des vermeintlichen
Lungentuniors und dem äußerst dekrepiden Zustande der Frau wurde
eine Operation als aussichtslos nicht vorgeschlagen.
Decursus morbi: Bei Bettruhe und unter dauerndein Gebrauch
kleiner Digitalisgaben trat ausreichende Diurese ein, und es schwanden
die Oedeme. Außer Bett bei mäßiger Bewegung schon Atemnot und
Knöchelödem.
Die Kranke verließ am 27. Mai die Anstalt; ihr Zustand blieb bei
gleicher Behandlung draußen zunächst unverändert. Seit Juli wesentliche Steigerung der Dyspnoe, stärkere Oedeme der unteren Körperhälfte
und zunehmende Zyanose.
Am 10. Juli 1913 wurde sie mit Untertemperatur, somnolent wieder
eingeliefert. Exitus am 12. Juli 1913 im Kollaps.
Auszug aus dem Sektionsprotokoll: Nach Fortnahme des
Brustbeins sahen wir die unteren Teile der linken Brusthöhle von
einem gewaltigen Tumor ausgefüllt, der in seiner Form einer geblähten
Aus der Inneren Abteilung des Krankenhauses Bethanien in Berlin.
Demonstration eines groß en Pleuratumors.1)
Von Haus Dorendorf.
Die 51 jährige Arbeiterfrau K. S., auj 20. März 1913 in das Krankenhaus aufgenommen, gab an, daß sie> früher stets gesund, seit zwei Jahren
Beschwerden von ihrem jetzigen Leiden bemerkt habe. Sie fühlte angeblich eine Schwere auf der Brust, die Beine schwollen an, und zuneh-
mende Atemnot machte sich geltend. Am 19. März 1913 wurde in
iner Poliklinik angeblich etwa ein Wasserglas voli blutiger Flüssigkeit
sus der linken Brustseite der Kranken entleert und ihr der Rat erteilt,
sich in ein Krankenhaus aufnehmen zu lassen.
Status: Elende, hochgradig dyspnoische Frau, ujit Zyanose des
Gesichts und der sichtbaren Schleimhäute, kühlen Extremitäten, Oedemen
der Unterschenkel und Kreuzödem. Trommelschlägelfinger und -Zehen
und Auftreibung der distalen Radiusenden. Die linke Brusthälfte unter-
halb der Brustwarzenhöhe 1 cm umfangreicher als die rechte, bei der
Atmung unbeweglich. Ueber der linken Lungenspitze heller Schall und
Bläsehenatmen. Vorn von der dritten linken Rippe, hinten von der
Schulterblattgräte abwärts intensive Dämpfung. Seitlich reicht die
Dämpfung von unten bis zur Achselhöhle herauf. Ueber dem gedämpf-
ten Gebiet auffallende Erhöhung des Resistenzgefühls, aufgehobener
Pektoraifremitus. lieber dem obern Drittel der Dämpfung sehr leises,
fernes Bronchialatmen, keine Nebengeräusche, über den unteren Abschnitten kein Atemgeräusch hörbar. Mediastinum nach rechts verschoben.
Herzstoß nicht sicht- und fühlbar. Die Herzdämpfung, nach links
und oben nicht abgrenzbar von der massigen Dämpfung, reicht nach rechts
1) Vortrag, gehalten in der Sitzung des Vereins f. Inn. Med. u.
Kindbih. in Berlin, am 1. Dezember 1913. (Diskussion s. S. 258.)
Lunge glich und ungefähr die unteren Dreiviertel der linken Pleurahöhle ausfüllte. Der Tumor zeigt blaugraue, an einigen Stellen mehr
weiße Farbe, besitzt glatte Oberfläche, derbe Konsistenz und gewinnt durch unregelmäßig verlaufende Furchen ein knolliges Aussehen. Die Geschwulst verdeckt das linke Drittel des erheblich nach
rechts verschobenen Herzens. An ihrer medialen Fläche zeigt sie
unten eine seichte Vertiefung, in der das linke Herz ruht. Mit der
Pleura costalis und dem Herzbeutel zeigt die Geschwulst nirgends
Verwachsungen. Dagegen steht ihre Basis mit der linken Zwerchfellhälfte durch feste, gefäßführende. bandartige, etwa 0,5 cm breite
Stränge in Verbindung. Hier muß der Ausgang der Geschwulst angenonjmefl werden. Die Lunge selbst ist daran nicht beteiligt. In der
linken Pleura 150 cern blutig-seröse Flüssigkeit. Die linke, nach oben
und median verdrängte Lunge ist mit der Kuppe des Tumors durch
lockere, fibröse Verwachsungen verbunden. Der Unterlappen ist luftleer, der Oberlappen auf etwa ein Drittel seines normalen Umfangs reduziert, in den oberen Abschnitten Iufthaltig. Die rechte Lunge zeigt
vikariierendes Emphysem.
Stauungsleber, Stauungsntilz und -Nieren. Herzfleiseh im Zustande
brauner Atrophie. Pankreas, Magendarmtraktus ohne Besonderheiten.
Nirgends Metastasen. Die Geschwulst wiegt 2900 g.
Der Tumor hat dem Zwerchlell breitbasig aufgesessen, den unteren
Teil der linken Brusthöhle ausgefüllt und sich nach aufwärts kegelförmig
verjüngt. Er ist 25 cm hoch, 24 cm breit und 16 ens tief. Auf dem
Durchschnitt erscheint der Tumor aus einer Reihe größerer Knollen gebildet, zeigt, wie an der Oberfläche, im allgemeinen grauweißes, an einigen
Stellen mehr glasiges Aussehen, an anderen porzellanweiße Farbe.
An den peripherischen Abschnitten des Tumors sieht man einzelne
bis stricknadeldicke Gefäße, im übrigen ist er arm an Blutgefäßen.
Nirgends Erweichungsherde. Zur mikroskop is e he n Untersuchung
werden aus den verschiedenen Teilen des Tumors Stücke entnommen.
Die Kapsel des Tumors, die veränderte Pleura, wird von kernarmem
Bindegewebe gebildet, das sich hier in dichten, parallelen Zügen anordnet; vielfach sitzt ihm eine Endothelschicht auf. In den Schnitten aus
allen Teilen des Tumors fällt der Reichtum an Bindegewebe und zelligen
Elementen auf. Ersteres ist in dichten, welligen Faserzügen, die sich teilweise kreuzen, angeordnet. Um die Gefäße ordnet es sich zirkulär an.
Die reichlichen Kerne zeigen stäbchenförmige Gestalt, sind meist
reihenweise angeordnet und werden hie und da von breiten, lockeren,
fein fibrillären (bei van Gieson - Färbung rosa hervortretenden) Binde.
gewebszügen auseinandergedrängt. An den Schnitten der basalen Teile,
in denen das Bindegewebe gegenüber den zelligen Elementen mehr zurücktritt, nähern die außerordentlich zahlreichen Kerne sich mehr der
runden Form und sind größer als in den Stellen mit starker Bindegewebswucherung. Manche Kerne sind bier von einem Protoplasmasaume umgeben, mit dem Bindegewebe stehen sie nicht in Verbindung. Offenbar
haben sich hier die Kerne vom Bindegewebe zu selbständigen Zellen duff e29
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Leberdänipfung beginnt in der rechten Brustseite am unteren
Rande der sechsten Rippe; unterer Leberrand drei Fingerbreiten vor
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DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSOKRIFT.
renziert und sind in sarkoniatöse Wucherung eingetreten. Nervengewebe
oder Ganglienzellen wurden in dem Tumor nicht gefunden.
Es handelt sich darnach um ein vom Diaphragma ausgegangenes
Fibrosarkom der Pleura.
Der Tumor muß als sehr selten bezeichnet werden, da
nur drei ähnliche Pleuratumoren bisher publiziert worden sind,
die Fälle von Kahler- Eppinger, von Braun und Garrè.
Der klinische Befund war in diesen Fällen dem unseren
außerordentlich ähnlich.
In Kahlers Fall wurde die klinische Diagnose annähernd richtig
Die Punktionsnadel drang in einen äußerst harten Körper,
in dem sie fest stecken blieb. Am freien Ende der Nadel konnte man
gestellt.
von der Respiration abhängige Bewegungen feststellen, ein Beweis dafür,
daß der Tumor gegen die Pleura costalis verschieblich war. Kahler
stellte daraufhin die Diagnose auf eine freie, von der rechten Lunge oder
der sie deckenden Pleura ausgegangene Geschwulst, wahrschleinlich ein
Fibrom.
Bei Brauns Fall von rechtseitigem Fibrosarkom der Pleura,
das die rechte mitt1ere und untere BrusthiUfte vorgewölbt und zu leerem
Klopfschall von der dritten Rippe abwärts, aufgehobener Stininiersehütte-
rung und abgeschwächtem bzw. aufgehobenem Atemgerusch Anlaß
gab, wurde in der Göttinger Medizinischen Klinik die Diagnose auf
Leberechinokokkus gestellt. Bei der von Braun ausgeführten Probelaparotomie wurde nachgewiesen, daß eine abdominale Geschwulst jiicht
vorhanden war und daß ein intrathorakischer Tumor bestehen müsse.
Bei dessen Größe und der Unsicherheit der Diagnose wurde von jedem
weiteren Eingriffe, der aussichtslos erschien, abgesehen. Die Autopsie
ergab einen großen Pleuratumor, der wegen seiner geringen Verbindung
mit der Umgebung einen operativen Eingriff als aussithtsvoll hätte
erscheinen lassen.
greß 1908.)
(Demonstration des Tumors auf dem Chirurgenkon-
bedingungen so reichlich Bindegewebe entwickelte, alt sein
muß.
Vielleicht hat er als harmloses Fibroni des Diaphragmas
lange Zeit bestanden. Bei seinem Wachstum hat er die Pleura
diaphragmatica vor sich hergeschoben und hat sich weiterhin
von seinem Ausgangspunkte unter Bildung von bandartigen
Verbindungen abgehoben.
Rokitansky beschreibt diesen Loslösungsvorgang bei
kleinen Fibromen der Pleura costalis und diaphragmatica,
die zuweilen zu freien Körpern im Pleuraraume werden sollen.
Herr Pick, dem ich den Pleuratumor zeigte, war so freundlich,
aus seiner Sammlung eine nahezu völlig übereinstimmende Geschwulst
für die Demonstration zur Verfügung zu stellen.
Der Picksche Tumor fand sich als Nebenbefund bei einer 73 jährigen Ehefrau, die nit der Diagnose Aderverkalkung in das Kankenhaus
Friedrichshain eingeliefert und plötzlich zum Exitus gekommen war,
sodaß man Tod durch Lungenembolie annahm.
Die Sektion ergab am Herzen schwere Veränderungen, Fettinfiltration beider Ventrikel und parenchymatöse Herzdegeneration, Sklerose
beider Kranzarterien, schwerste Sklerose der Aorta und Verkalkung,
Emphysem der rechten Lunge und einen kindskopfgroßen, vom Zwerchf ell ausgegangenen, ihm breit aufsitzenden Tumor (Fibrosarkom) der
linken Pleura.
Zweck dieser Mitteilung war es, nicht einen seltenen,
großen Pleuratumor zu demonstrieren, sondern vor allem
an das Vorkommen großer, klinisch gutartiger Pleuratumoren
zu erinnern.
Es handelte sich bei den drei früher mitgeteilten wie dem
unseren und dem Pick sehen Falle um Tumoren der Pleura, die
Im folgenden Jahre demonstrierte G ar r è dem Chirurgenkongreß
einen mit Glück operierten großen Pleuratumor. Es handelte sich um
einen 49jährigen Kaufmann aus Johannisburg (Transvaal), der angeblich 1907 eine Brustfellentzündung durchgemacht hatte (ohne Husten
und Fieber etwa acht Tage zu Bett), seitdem dauernde Beschwerden
hatte, sodaß er arbeitsunfähig wurde. Die Beschwerden bestanden fast
zu außerordentlicherGröße herangewachsen,
aber trotrdem,
dank ihrer losen
Verbindung mit
Fig. I.
ausschließlich in einer Anschwellung der Hände und Füße, die am Morgen
besonders unangenehm empfunden wurde und Steifigkeit in allen Bewegungen veranlaßte. Der Kranke reiste zunächst nach München, um
F. y. Müller zu konsultieren. Der Kranke litt an einer Osteoarthropathie hypertrophiante pneumatique, als deren Ursache ein eigenartiger
Befund an der linken Lunge festgestellt wurde. ,,Links vorn unten abgeschwächter Perkussionsschall, von der sechsten Rippe an in der Axillarlinie absolute Dämpfung, hinten re]ative mit tympanitischem Beiklang. Auskultatorisch: Vorn links unten Atemgeräusch abgeschwächt,
aber deutlich, in der Axillarlinie nur eben angedeutet zu hören, hinten
deutlicher, keine Rasselgeräusche." Die Möglichkeit einer syphilitischen
Aif ektion der Lunge wurde von F. y. Müller in Betracht gezogen, da
der Patient 1897 sich syphilitisch infiziert hatte und die Wa.R. schwach
positiv war. Eine daraufhin eingeleitete Jodtherapie blieb ohne Erfolg. Der Kranke wurde darauf Garrè zur Operation überwiesen. Die
Diagnose schwankte zwischen Lues und Tumor der Lunge.
Garrè bildet das Röntgenbild in seiner Lungenchirugie ab. Er dia.
gnostizierte: ,,Tumor der linken Lunge oder Lues; das erstere wahrscheinlicher, da Lues mehr diffuse Erkrankung machen würde," und ging den
Fall im März 1909 operativ an. Dabei fand er zu seiner Ueberraschung
einen mit der Lunge und dem Herzbeutel nur mit einigen Strängen verwachsenen Pleuratumor (Spindel- und Rundzellensarkom), dessen
Exstirpation mit vollem Erfolge gelang.
Wie in klinischer, so zeigten auch in pathologisch-anatomischer Beziehung die erwähnten drei Tumoren große Aehnlichkeit mit dem unseren.
Eppinger nahm an, daß im Kahlerschen Falle die Geschwulst,
die das Herz und den Herzbeutel
öllig überdeckte, von der Thymus
ihren Ausgang genommen habe.
In dem B r a u n sehen und dem Garrè sehen Falle war der Ursprung
des Tumors nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Die Verbindungsstränge
mit der LTrngebung waren so unbedeutend, daß man nicht mit Bestimmtlieit einen von ihnen als Ausgangspunkt bezeichnen konnte.
Aus dem Greifswalder Pathologischen Institut sind unter Graw itz
in verschiedenen Dissertationen von Schmidt 1903, Kobylineki 1904
und B ans o 1908 gänseei- bis kleinfaustgroße Pleuratumoren beschrieben
worden, die ihrer Struktur nach Neurome oder Neurofibrome waren
und die Neigung zeigten, in Sarkome oder maligne Fibrosarkoine überzugehen. Pathologisch-anatomische Anhaltspunkte dafür, daß der
von uns beschriebene Tumor diesen Ausgang genommen hätte, ließen
sich nicht erbringen.
Der von uns demonstrierte Tumor zeigt trotz seiner Größe
nur sehr geringe Gefäßbahnen; so erscheint der Schluß berech-
tigt, daß der Tumor, der unter so ungünstigen Ernährungs-
der Umgebung,
operierbar
waren.
Betrachtet
n1an die beidemi
demonstrierten
Präparate sowie
die Abbildungen
der früher mitgeteilten, so ist
man von der
Aehnlichkeitder
Bilder geradezu
überrascht.
Kennt man diesen Typus von Pleuratunioren und denkt
man an das Vorkommen derartiger Geschwülste, so wird man
auch die klinische Diagnose gegebenenfalls frühzeitig richtig
stellen.
Außer den
sonstigen
physikalischen
Erscheinungen,
Fig. 2.
die derartige
Tumoren
machen,
dürfte besonders wertvoll
in diagnostiseher Bezie-
hung die
Röntgenauf -
nahme sein.
Der kreisoder schei-
benförmige, ganz scharf konturierte Schatten beweist eine Verdrängung des Lungengewehes und schließt eine Substituierung
desselben aus.
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