Macht in Marmor Die augusteische Architektur in Rom - Beck-Shop

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Macht in Marmor
Die augusteische Architektur in Rom
Wolf-Dieter Heilmeyer
In der europäischen Kulturgeschichte hat die architektonische Ausgestaltung
Roms unter Augustus eine besondere Bedeutung.1
Wie vorher nur im klassischen Athen, gehörte für drei
Generationen die aktuell moderne Architektur zum kulturpolitischen Programm der Zeit. Rom wurde als das Zentrum
des neuen Imperiums zielstrebig seinen neuen Funktionen
und den damit verbundenen Aussagen der jetzt maßgeblichen
Politiker zugeführt. Es war im Sinn der zu Ende gegangenen
Republik, dass große Bauunternehmungen vom Vermögen
einzelner Bauherren kündeten, und es war im Sinn der sich
neu konstituierenden Monarchie, dass alle wesentlichen Baumaßnahmen in der Hauptstadt des Reichs mit dem Namen
des princeps verbunden wurden. Augustus selbst hat lange Listen der von ihm in Rom veranlassten Bauten in seinen Rechenschaftsbericht aufgenommen.
Man baute in Rom von alters her in örtlichem Stein und
Stuck, in Ziegeln und Holz; das moderne Bauen im augusteischen Rom nutzte das vor nicht langer Zeit erfundene opus
caementicium (Gussmauerwerk) für die Bewältigung größerer Lasten und Spannweiten im Gewölbebau sowie belastbaren
Kalkstein und neuerdings den klassischen Marmor für den als
abb. 1 Modell des Mars-Ultor-Tempels und der Säulenhallen des
Augustusforums in Rom (Museo dei Fori Imperiali, Rom).
114 macht in marmor
vorbildlich verstandenen Gliederbau. Forderte das Erste einen
nahezu unbegrenzten Einsatz ungelernter Arbeitskräfte, so beruhte das Zweite auf einer lang währenden Ausbildung in
Steinmetzbetrieben. Alle technischen Errungenschaften kulminierten bei größter Detailgenauigkeit des Dekors in der Monumentalität aussagekräftiger Fassadenbauten (Abb. 1).
Der Steindekor der augusteischen Bauten in Rom, besonders aus dem prestigeträchtigen Marmor, erlaubt es, die Entwicklung der Architektur der Zeit in drei Stilphasen einzuteilen: Die erste beginnt mit den aufwändigen Bauten Caesars in
Rom nach seinen Galliensiegen um 50 v. Chr. und dauert bis
in die Zeit der Alleinherrschaft seines Erben Octavian/Augustus nach 30 v. Chr. – die zweite schließt daran an bis zur Fertigstellung des größten Bauvorhabens der Zeit, des Augustusforums, im Jahr 2 v. Chr. – die dritte reicht dann bis gegen
30 n. Chr. Man nennt die erste Phase der noch weitgehend von
griechischen Marmorfachleuten ausgestalteten Architektur
nach der damaligen politischen Konstellation »Stil der Zeit des
Zweiten Triumvirats« (das Zweite Triumvirat des Antonius,
Lepidus und Octavian dauerte von 43–32 v. Chr.), man verbindet die zweite, die augusteische Architektur prägende Phase mit dem »mittelaugusteischen Stil« und nennt die dritte
Phase dann »spätaugusteisch-tiberischer Stil« (die erste Zeit
des Tiberius als Nachfolger des Augustus nach 14 n. Chr. also
eingeschlossen).2 Die Namen sind Hilfsbegriffe, denn die Zeitgrenzen sind fließend, entsprechend der Zusammenstellung
oder Auflösung der Bauhütten und Bildhauerwerkstätten.
Aber sie helfen, die wesentlichen Architekturformen stilistisch
zu unterscheiden und zeitlich zu ordnen und mit ihnen die
entsprechenden, heute häufig aus ihren architektonischen
Rahmen gerissenen, durch ihre Qualität auffallenden augusteischen Marmorreliefs und das, was sie uns über die augusteische Bildsprache mitteilen.
In die erste dieser Stilphasen fallen auch die fachlichen
Beobachtungen des Architekten Vitruv, die er in seinem berühmten Buch De architectura zusammengefasst und um
25 v. Chr. veröffentlicht hat.3 Dieses Buch ist weniger eine Anleitung zum Bauen als eine Sammlung von Vorschriften, nach
denen man Bauten beurteilen kann: Es ist in mehreren Handschriften des Mittelalters überliefert (Kat. 4.1) und im Jahr
abb. 2 Frühaugusteisches Marmorrelief mit der Apollinischen Trias bei
einem Siegesopfer. Der im Hintergrund angegebene Kultbau könnte auf
den von Octavian errichteten Apollotempel auf dem Palatin anspielen
(Kat. 4.5).
1487 zum ersten Mal gedruckt worden; die Architekten der
Renaissance haben es vielfach genutzt. Darin erfährt man über
die Herausbildung der augusteischen Bautypen, auch über die
verschiedenen Tempeltypen und die drei Säulenordnungen,
die seit der griechischen Klassik Verwendung fanden, die dorische, die ionische und die korinthische. Die gerade in griechischen Werkstätten in Rom erfundene Kompositordnung4
mag Vitruv noch nicht benennen. Aber er stellt auch noch
nicht heraus, was den Baumeistern von Caesar und Augustus
wichtig war: enge, steile Säulenstellungen, die Verwendung
von Marmor für die Fassaden und die Bevorzugung der korinthischen Ordnung – so an den bedeutendsten Tempeln der
Zeit auf dem Caesarforum (51–46 v. Chr.), auf dem Forum Romanum selbst mit dem Caesartempel (42–29 v. Chr.) und
schließlich auf dem Augustusforum (42–2 v. Chr.).5
Diese Marmortempel, zu denen noch viele weitere in
Rom kamen, unter anderen der Apollotempel am Palast des
Augustus auf dem Palatin (36–28 v. Chr.), leuchteten mit ihrer
weiß-marmornen Architektur in der Stadt und verkündeten
mit ihrer pflanzlich-korinthischen Ordnung die Kulturblüte,
die man der Politik ihrer Stifter verdanken sollte (Abb. 2). Als
aurea templa hat die zeitgenössische Poesie sie gefeiert, als
»goldene Tempel« (so etwa bei Ovid und Properz), und damit
auf das neu gewonnene Goldene Zeitalter angespielt.6 Einer
von ihnen, der Mars-Ultor-Tempel auf dem Augustusforum,7
von dem wesentliche Reste (Abb. 3) dadurch stehen geblieben
sind, dass die mittelalterliche Kirche S. Basilio darin eingebaut
worden ist, hat den Architekten der Renaissance zur Verfügung gestanden und damit Einfluss auf die neuzeitliche Architektur in Europa genommen.
abb. 3 Von den Säulenreihen des Mars-Ultor-Tempels ist an der
rechten Seite ein Teil in situ erhalten geblieben.
115
Solche Funde spiegeln deutlich wider, dass Herodes in seiner
Baupolitik eine politische Unterordnung oder zumindest Loyalitätsbekundung gegenüber Rom verfolgte. Dies gelang aber
nicht immer reibungslos: Als Herodes in Jerusalem ein Fest
für Augustus veranstaltete, kam es zu Protesten der jüdischen
Bevölkerung, die eine solche Veranstaltung für unvereinbar
mit den eigenen religiösen Traditionen hielt.22 Hier zeigt sich,
in welch kompliziertem politischen Geflecht Herodes als jüdischer Klientelkönig zu agieren und zwischen den Interessen
Roms und denen seiner Bevölkerung zu vermitteln hatte.
Varus greift ein
abb. 5 Ruinen des herodianischen Palastkomplexes, der sich
einst über drei Terrassen am Nordhang von Masada erstreckte.
an die sog. Villa della Farnesina in Rom, die möglicherweise
dem Herodesfreund und Augustusvertrauten Marcus Agrippa
gehörte.16 Agrippa besuchte 15 v. Chr. das Königreich des Herodes und unternahm mit dem König eine Besichtigungsreise
zu dessen laufenden Bauprojekten.17
Loyalität und Konflikt
Auch in anderen Gattungen der materiellen Kultur lassen sich
direkte römische Importe aufzeigen. So belegen archäologische Funde von der Palastfestung Masada, dass Herodes Äpfel
aus Cumae und Philonianum-Wein (Kat. 6.26; 6.25) importierte, und er ließ sich sogar garum, eine römische Fischsauce,
liefern, dies freilich in einer speziell gefertigten koscheren
Form.18 Bei allen diesen römischen Importen, die in der judäischen Gesellschaft über den Königshof hinaus kaum rezipiert
wurden, stellt sich die Frage, ob mit der Übernahme eine be-
164 Varus in Syrien
sondere politische Programmatik verbunden war, die eine Aussage zum Verhältnis zwischen Herodes und Rom intendierte.
Zielte die Übernahme solcher Güter und Techniken auf eine
demonstrative Unterwerfung unter Rom oder ging es nur darum, die besten verfügbaren Güter zu haben und damit den
eigenen Status zu betonen? Eine Beantwortung dieser Frage
ist schwierig.19 Wenn man eine politische Programmatik im
Sinne einer Unterwerfung unter Rom sehen möchte, so besteht
schnell die Gefahr einer Überinterpretation. Andererseits gibt
es aber eine ganze Reihe an anderen archäologischen Zeugnissen, die gerade auf eine solche Unterwerfung oder zumindest
ostentative Loyalitätsbekundung hindeuten. Dazu zählen Stadtgründungen des Herodes, die er, wie Caesarea und Sebaste,
nach dem princeps benannte.20 Darüber hinaus gehörte Herodes zu den Ersten, die den Kaiserkult einführten. In Sebaste,
Paneas und Caesarea ließ er entsprechende Tempel errichten;
ein monumentaler Fuß einer Kolossalstatue (Abb. 6) aus Caesarea könnte zu dem Kaiserkultbild am Ort gehört haben.21
Herodes haftete darüber hinaus gegenüber seinen jüdischen
Untertanen noch ein familiärer »Makel« an: Die Familie des
Herodes hatte nämlich idumäische Wurzeln, erst der Großvater des Herodes war zum Judentum übergetreten, weshalb
die Herrschaft des Herodes Zeit seines Lebens mit Legitimationsschwierigkeiten behaftet war.23 Herodes versuchte diesen
unter anderem durch die Einbindung der Hasmonäer in die
Königsfamilie zu entgehen, doch führten seine ausgedehnte
Heiratspolitik und daraus resultierend die konkurrierenden
Söhne des Königs aus unterschiedlichen Linien gegen Ende
der Regierungszeit zu dynastischen Streitigkeiten und mehreren Hinrichtungen der Kinder des Herodes. In diese Streitigkeiten wurde Varus 5 v. Chr. involviert, und er beriet den König im Verfahren gegen den Herodessohn Antipater, dem ein
Mordplan gegen Herodes angelastet wurde.24 Varus übernahm
bei dem Verfahren gegen Antipater, das schließlich mit einem
Todesurteil endete, den Vorsitz. Hier tat Varus genau das, was
Velleius Paterculus ihm später in Germanien vorwarf, er trat
in einer potenziell unruhigen Region als rechtsprechende Instanz in lokalen Streitigkeiten auf.25 Dass solche Konsultationen in Jerusalem nicht ungewöhnlich waren, zeigt der Bericht
des Iosephus. Er suggeriert, dass – als der Streitfall sich zuspitzte – Varus sich nur zufällig im Jerusalemer Palast des Herodes zu Beratungen aufgehalten habe. Allerdings ist durchaus zu erwarten, dass der Statthalter von Syria gezielt und
nicht zufällig in das Verfahren einbezogen wurde. Schließlich
ging es um einen möglichen Thronfolger des Herodes, und da
sowohl Herodes als auch seine Nachfolger einer offiziellen Bestätigung Roms und Augustus’ bedurften, ist dieser ranghöchste Vertreter Roms und des princeps im Vorderen Orient
sinnvollerweise mit in den Prozess einbezogen worden.
Varus musste nach dem Tod des Herodes 4 v. Chr. erneut
in die Angelegenheiten Judäas eingreifen.26 Dabei scheint ein
ganzes Ursachenkonglomerat zu der Intervention geführt zu
haben. Dies waren einerseits Unzufriedenheit der Lokalbevölkerung mit der vergangenen Herrschaft des Herodes, an-
abb. 6 Marmorfuß einer monumentalen Statue, vermutlich aus
dem Kaiserkulttempel in Caesarea (Kat. 6.24).
dererseits Streitigkeiten um die Nachfolge und schließlich
auch Übergriffe des Finanzprokurators der Provinz Syria,
Sabinus, der Judäa in der Zeit zwischen dem Tod des Herodes
und der Einsetzung von Nachfolgern durch Rom verwalten
abb. 7 Fersenbein (Nachbildung) mit Kreuzigungsnagel aus Jerusalem (Kat. 6.31). Ob der Gekreuzigte als Aufständischer unter
Varus hingerichtet wurde oder wegen eines anderen Vergehens
die Todesstrafe erhielt, lässt sich nicht zweifelsfrei beantworten.
Varus greift ein 165
8/7 v. Chr.
Im Dienste Roms
Nach einer obligatorischen Pause von fünf Jahren amtierte Varus 8/7 v. Chr. als Prokonsul in der Provinz Africa, einer der ältesten und reichsten Besitzungen Roms. Hier war er für die
Rechtsprechung, den Steuereinzug und Sicherungsaufgaben
zuständig. In dieser Zeit prägten die nordafrikanischen Städte Achulla und Hadrumetum Münzen mit den bis heute einzigen sicher Varus zuzuordnenden Bildnissen.
Publius Quinctilius Varus (47/46 v. Chr. – 9. n. Chr.)
7/6–4 v. Chr.
Um 47/46 v. Chr.
Publius Quinctilius Varus stammte aus einer der vornehmsten Familien Roms, die schon in der mythologischen Frühzeit
aus Alba Longa nach Rom übergesiedelt sein soll. Damit gehörten die Quinctilier zur altehrwürdigen Oberschicht der
Patrizier, die die höchsten politischen und religiösen Ämter
der Römischen Republik für sich beanspruchte. Das genaue
Geburtsdatum des Varus ist nicht überliefert. Da zu vermuten
ist, dass er seine Ämter mit dem für sie festgelegten Mindestalter bekleidete, wird er wohl im Jahr 47 oder 46 v. Chr. geboren sein.
Um 25 v. Chr.
Die Karrieren römischer Senatoren begannen mit untergeordneten Posten in der Zivilverwaltung und beim Militär. Für
Varus liegen leider keine Quellen zu seinen frühen Ämtern
vor. Man könnte aber vermuten, dass er als Militärtribun an
den Kriegen gegen die Kantabrer und Asturer im Norden der
Iberischen Halbinsel beteiligt war. Von 26 bis 24 v. Chr. leitete Augustus die Kampfhandlungen persönlich, und auch sein
Stiefsohn Tiberius war damals als tribunus militum in Spanien
anwesend.
Um 23 v. Chr.
42 v. Chr.
Varus’ Vater, Sextus Quinctilius Varus, kämpfte als Parteigänger des Pompeius in den römischen Bürgerkriegen gegen Caesar. Bei Corfinium geriet er in Gefangenschaft, wurde aber von
Caesar begnadigt und wieder freigelassen. Als überzeugter Republikaner beteiligte er sich erneut an militärischen Operationen in Nordafrika und Griechenland. In der Schlacht von
Philippi kämpfte er 42 v. Chr. auf der Seite der Caesarmörder.
Als sich deren Niederlage abzeichnete, ließ sich Sextus Quinctilius Varus von einem seiner Freigelassenen töten.
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt heiratete Varus
eine Tochter des Agrippa, der als bester Freund des Augustus
galt und selbst zur Familie des princeps gehörte. Damit war
Varus zugleich ein Schwager des Tiberius, der damals mit einer
anderen Tochter des Agrippa verheiratet war. Varus bewegte
sich also im engsten familiären Umfeld des Augustus und
konnte sich berechtigte Hoffnungen auf eine erfolgreiche Karriere in der römischen Politik machen. Um das Jahr 7 v. Chr.
ging Varus dann eine zweite Ehe mit Claudia Pulchra, einer
Großnichte des Augustus, ein.
Ab 42 v. Chr.
22–19 v. Chr.
Nach dem Tod seines Vaters wuchs Publius Quinctilius Varus
wohl bei einem Verwandten auf. Möglicherweise handelte es
sich dabei um Quinctilius Varus aus Cremona, der mit Horaz
und Vergil befreundet war. Sollte dies zutreffen, hätte Publius
Quinctilius Varus in einem literarisch geprägten Umfeld verkehrt, das über Maecenas, einen berühmten Förderer von
Kunst und Literatur, auch enge Verbindungen zu Augustus unterhielt. Varus’ Schwestern gingen Ehen mit hochgestellten
Männern ein, die ebenfalls über beste Beziehungen zu Augustus verfügten.
Das erste, sicher überlieferte Amt übernahm Varus im Gefolge des Augustus, als dieser 22–19 v. Chr. in den Osten des
Imperium reiste. Dabei amtierte Varus 22/21 v. Chr. als
quaestor Augusti, war als persönlicher Finanzbeamter also
direkt dem princeps unterstellt. Auf dieser Reise wurde Varus
Zeuge, wie Augustus einen großen diplomatischen Erfolg
erzielte. Er zwang Phraates IV., den König des mächtigen
Partherreiches, dazu, die römische Vorherrschaft anzuerkennen und zuvor erbeutete Feldzeichen wieder herauszugeben.
44 Im Dienste Roms
Bronzemünze mit dem Porträt des Publius Quinctilius Varus (Kat. 6.10).
Um 17/16 v. Chr.
Wie für Varus’ Militärtribunat fehlen auch für seine Prätur antike Nachrichten. Die Magistratur bildete aber eine feste Etappe in der senatorischen Ämterlaufbahn. Angesichts des Mindestalters von 30 Jahren darf man also annehmen, dass Varus
17 oder 16 v. Chr. als praetor diente und in dieser Funktion
vornehmlich mit der Rechtsprechung betraut war.
15 v. Chr.
Mit den Völkern des Nordens kam Varus erstmals während
des Alpenfeldzuges 15 v. Chr. in Kontakt. Varus war der Heeresgruppe des Tiberius zugeordnet, die von Gallien aus gegen
keltische Stämme im Alpenvorland vorstieß und kommandierte als legatus legionis XIX eine der Legionen, die 9 n. Chr.
mit ihm in Germanien untergehen sollte. In den Alpen führte Varus die 19. Legion jedoch siegreich bis ins heutige Oberbayern.
13 v. Chr.
Varus bekleidete 13 v. Chr. den Konsulat, das offiziell höchste
Amt im römischen Staat. Sein Amtskollege war niemand Geringeres als Tiberius. Die beiden Konsuln veranstalteten aufwändige Spiele zur Feier der Rückkehr des Augustus aus Gallien. Unter dem Vorsitz von Tiberius und Varus beschloss der
römische Senat außerdem die Errichtung der Ara Pacis, eines
der Kernstücke des augusteischen Bauprogramms.
Nach seinem afrikanischen Prokonsulat übernahm Varus die
Verwaltung der strategisch wichtigen Provinz Syria. Als legatus Augusti pro praetore befehligte er vier Legionen, die die
Ostgrenze des Imperium vor den Parthern schützen sollten.
Während seiner Statthalterschaft war er auch mit Problemen
im benachbarten Klientelreich Judäa unter Herodes dem Großen konfrontiert. Brisant wurde die Situation, als es nach dem
Tod des Königs 4 v. Chr. zu schweren Unruhen kam, die Varus niederschlagen ließ.
4 v. Chr.–6 n. Chr.
Aus der Zeit zwischen Varus’ Statthalterschaft in Syrien und
seinem Engagement in Germanien ist keine Nachricht über
seine Person bekannt. Dies ließe sich durch seine enge Freundschaft mit Tiberius erklären: Als sich Tiberius aus Enttäuschung über die Missachtung durch Augustus von 6 v. Chr. bis
2 n. Chr. freiwillig ins Exil nach Rhodos zurückzog, könnte
auch Varus zwischenzeitlich ins politische Abseits geraten sein.
Bald nach Tiberius’ Wiedereintritt in die Öffentlichkeit erscheint auch Varus erneut auf der politischen Bühne.
6/7–9 n. Chr.
Als erfahrener und hochdekorierter Militärführer und Politiker übernahm Varus 6/7 n. Chr. den Posten eines legatus Augusti pro praetore in Germanien, das damals bereits als römische Provinz galt. Zunächst konnte er auch hier erfolgreich für
Ruhe und Ordnung sorgen. Doch im Herbst des Jahres
9 n. Chr. geriet Varus mit der 17., 18. und 19. Legion im saltus
Teutoburgiensis in einen Hinterhalt germanischer Stämme unter der Führung des abtrünnigen Cheruskerfürsten Arminius. Im Angesicht der drohenden Niederlage stürzte sich Varus auf dem Schlachtfeld in sein Schwert.
lit Eck 2009; Wolters 2008, 75–88; John 1963.
(T. E.)
Im Dienste Roms 45
Tonnenweise Getreide
Die Versorgung der römischen Legionslager an der Lippe
Kathrin Jaschke
»Heere werden öfter durch Hungersnot als in der Schlacht aufgerieben; der
Hunger ist weit fürchterlicher als das Schwert.«1
Diese Worte des spätantiken Militärschriftstellers Vegetius umreißen recht deutlich eines der drängendsten Probleme des römischen Heeres, dem zu Kriegs- wie zu Friedenszeiten begegnet werden musste.
Die Heeresversorgung war eine der Schwachstellen auf
Feldzügen und daher beliebtes Ziel des Gegners. In den
Kriegsgebieten standen in der Regel nicht ausreichend Vorräte zur Verfügung, sodass diese über größere Distanzen herangeschafft, gesammelt und weiterverteilt werden mussten.2 Bewohner anliegender Provinzen und, soweit möglich, auch befreundete Stämme wurden zur Bereitstellung und zum
Transport von Gütern verpflichtet; Getreide wurde aber auch
angekauft. Größere Sammellager und kleinere Depots sollten
den Nachschub sichern.3
abb. 1 Weinfass aus dem Römerlager Oberaden.
196 Tonnenweise Getreide
In den über 20 Jahren unter römischer Herrschaft befand
sich Germanien nicht in einem permanenten Zustand des
Krieges. Wie weit die Römer das Land rechts des Rheins jedoch kontrollierten, ist umstritten. Unruhige Stämme mussten
immer wieder in ihre Schranken gewiesen werden, aber längere ruhige Phasen ließen die neuen Herren annehmen, sie
besäßen in Germanien »eine fast tributpflichtige Provinz«.4 Sie
festigten ihre Herrschaft und begannen Germanien administrativ zu erschließen. Ihre Bauten, obgleich immer noch aus
Holz, wurden beständiger; Wasserleitungen aus Blei zeigen
ebenso wie großzügig angelegte Grabbauten, dass die Römer
sich dauerhaft an der Lippe einrichteten. Auch fanden immer
mehr Handelswaren von weit her ihren Weg an die Lippe:
Wein aus Italien und Gallien, Oliven und Früchte aus dem gesamten Mittelmeerraum, und selbst Gewürze wie Pfeffer aus
dem fernen Indien.
Wie viele Soldaten an welchen Orten links und rechts des
Rheins auf diese Lebensmittellieferungen angewiesen waren,
kann nur vermutet werden. Tiberius befehligte 4/5 n. Chr. fünf
Legionen; Varus verlor 9 n. Chr. drei Legionen, zwei weitere
konnten sich retten.5 Damit sind um die fünf Legionen in Germanien anzunehmen, zeitweise auch mehr. Aber Legionen
und Standorte wechselten noch häufig. Erst mit der festen Stationierung der Legionen in bestimmten Lagern lässt sich die
Größe und ungefähre Aufteilung der römischen Armee in
Germanien erfassen. Dies ist aber frühestens unter Tiberius
entlang der Rheingrenze der Fall.6
Oftmals wurden Legionen in Gebieten eingesetzt, die eine ausreichende Versorgung nicht zu leisten im Stande waren.
Auch wenn das Germanien um Christi Geburt nicht dem
dunklen und undurchdringlichen Wald glich, den es oft in der
heutigen Vorstellung einnimmt, so ist doch nicht anzunehmen, dass die einheimische Agrarproduktion in der Lage war,
die hier stationierten Truppen auch nur mit dem Nötigsten zu
versorgen. Neben Lebensmitteln benötigten die Legionäre
selbstverständlich auch Unterkunft, Kleidung, Waffen, Werkzeuge und die jeweiligen Rohstoffe. »Man muss besonders darauf achten, dass weder im Winter Mangel an Brennholz und
Futter, noch im Sommer an Wasser entsteht. Getreide, Wein,
Essig und Salz dürfen zu keiner Zeit mangeln«, so Vegetius.7 In
abb. 2 Modell des Militärlagers Anreppen. Blick auf die Speicherbauten (LWL-Römermuseum in Haltern am See).
Germanien kam außer Holz wohl kaum etwas in ausreichenden Mengen vor, und damit hing das Leben der Legionäre von
entsprechenden Vorräten ab.
Verbrauch einer Legion
Die Feldzüge in Germanien und auch die spätere Stationierung von Legionen wären nicht möglich gewesen ohne den
Weizen aus Gallien.8 Weizen bildete den Hauptbestandteil der
täglichen Essensrationen, die meist noch mit Speck, Käse und
zuweilen Gemüse angereichert wurden. Einem Legionär
stand eine tägliche Ration Getreide zu, das er selbst zu Brei
oder Brot verarbeiten musste.9 Die aus acht Mann bestehende Stubengemeinschaft (contubernium) kochte zusammen
und erhielt wohl auch ihr Korn zusammen: einem modius,
dem gängigen Getreidemaß, entsprechen etwa 8,7 l und 7,6 kg
Getreide. Ein modius war wiederum in 16 sextarii à 0,546 Liter eingeteilt. Bei einem modius Getreide pro contubernium
am Tag entfielen auf jeden Legionär zwei sextarii und damit
960 g. Die Römer bevorzugten Weizen; Gerste wurde an die
Tiere verfüttert und an Legionäre nur als Strafmaßnahme
ausgeteilt.10
Eine Legion bestand aus 5000 bis 5500 Mann, die somit
zwischen 4,75 und 5,225 t am Tag und zwischen 1733,75 und
1907,125 t im Jahr allein an Weizen verbrauchten! Diese Mengen und damit das Problem ihrer Bereitstellung vergrößerten
sich bei mehreren Legionen entsprechend; bei fünf Legionen
wurden bis zu 9600 t jährlich benötigt. Nicht zu vergessen sind
auch die Rationen der Hilfstruppensoldaten und ihrer Tiere.
Zudem mussten die Reit-, Last- und Zugtiere einer Legion zumindest im Winter gefüttert werden, was noch einmal rund
1000 t Gerste im Jahr erforderte. Wein und Öl fanden trotz ihrer für uns heute unhandlich erscheinenden Transportgefäße
ihren Weg in jedes römische Lager, selbst wenn es erst kurze
Zeit existierte.11 Amphorenfunde belegen Weine aus Kampanien und von den griechischen Inseln und die aus Oberaden
bekannten Fässer erheblichen Fassungsvermögens deuten an,
wie hoch der Verbrauch an meist gallischen Weinen war
(Abb. 1). Auf einigen Fassdauben haben sich sogar die Namen
der Küfer erhalten: Gallus und Soliverus stellten Fässer aus
Weißtanne her. Auch Fleisch stand zumindest gelegentlich auf
dem Speiseplan, wie Funde von Schweineknochen aus Oberaden zeigen. Auf Fisch, Gemüse, Obst und garum, die beliebte Würzsauce aus vergorenem Fisch, wurde ebenfalls nicht verzichtet. Oberste Priorität jedoch hatte für die Legionskom-
Verbrauch einer Legion 197
5.30 Kameo mit dem Porträt des
Tiberius und eines iulisch-claudischen Prinzen
5.29
(M. 2:1)
5.29 Goldmünze des Augustus
Gold
Aureus, Dm. 20 mm, 7,69 g, 5 h
13–14 n. Chr.
PS Lugdunum
Münzkabinett, Staatliche Museen zu Berlin,
Acc. 1876/745, Objektnr. 18202574
Vorderseite: CAESAR AVGVSTVS DIVI F PATER
PATRIAE. Kopf des Augustus mit Lorbeerkranz nach rechts.
Rückseite: TI CAESAR AVG – (F) TR POT XV.
Kopf des Tiberius nach rechts.
Durch die Angabe der tribunicia potestas
zum 15. Mal lässt sich die Münze auf den
Zeitraum von Juni 13 n. Chr. bis Juni
14 n. Chr. datieren. Es ist eine der letzten
Prägungen unter Augustus, die zugleich die
Etablierung seines designierten Nachfolgers
Tiberius zum Thema hat. Während Augustus sich als Sohn des göttlichen Gaius Iulius
Caesar bezeichnet, wird Tiberius als Sohn
des Augustus genannt, sodass sich beide
Münzseiten wie eine fortlaufende Kette lesen lassen.
Sardonyx in drei Schichten
Dm.3 cm
Anfang 1. Jh. n. Chr.
Schatzkammer der Sainte-Chapelle in Bourges
Paris, Musée du Louvre, Département des Antiquités grecques, étrusques et romaines, Inv.:
Bj 1845 – MR53
Jean de Berry (1340–1416) sammelte wie sein älterer Bruder, der
französische König Karl V. (1364–
1384), Kameen und Gemmen aus
antiker und jüngerer Zeit. Einige beließ man so wie sie waren, andere
wurden in Ringe gefasst, an Kruzifixen
und Reliquienschreinen befestigt. Dieser
Kameo mit den Bildnissen des Tiberius und
eines anderen Prinzen aus der iulisch-claudischen Herrscherfamilie stammt von einem Kreuzreliquiar, das Herzog von Berry
für die Sainte-Chapelle in Bourges in Auftrag gegeben hat. Er war einst auf der Rückseite des Kruzifixes am Ende des linken
Kreuzarms angebracht. Die insgesamt neun
Kameen des vergoldeten Silberkreuzes wurden während der Französischen Revolution
entfernt und dem neu eingerichteten Museum von Bourges übergeben, das Edelmetall schmolz man ein.
Über die Benennung der beiden im Rechtsprofil geschnittenen Gesichter gibt es mehrere Hypothesen. In der drapierten, lorbeerbekränzten Büste im Vordergrund erkennt
man das Bildnis des Tiberius, des Sohnes
der Livia, den Augustus als seinen Nachfolger adoptierte. Das Porträt im Hintergrund
wurde zunächst als Bildnis einer Frau, und
zwar von Drusilla, der Schwester und Gattin des Kaisers Caligula, später dann als
Bildnis des Germanicus oder des Caligula
interpretiert. Vergleicht man es jedoch mit
den Marmorporträts in den Kapitolinischen
Museen und dem Vatikan, so könnte dieses
Bildnis durchaus ein postumes Porträt von
Drusus maior sein. Ebenso könnte es sich
um ein zeitgenössisches Porträt von Tiberius Gemellus, dem 19 n. Chr. geborenen
Enkel des Kaisers, handeln.
Wie die römischen Münzen, die eines der
wichtigsten Medien zur Verbreitung von
Herrscherbildnissen und imperialen Ideologien waren, diente auch die Glyptik zur politischen Propaganda, die gerade unter den
iulisch-claudischen Herrschern weit verbreitet war. Neben den großen Staatskameen, die im Palast oder in anderen öffentlichen Gebäuden zur Schau gestellt wurden,
waren in seltene Steine geschnittene Bildnisse des princeps oder von Mitgliedern seiner Familie kostbare Geschenke für einen
kleinen Kreis politisch einflussreicher Personen, oberste Verwaltungsbeamte, hohe
Offiziere und Großgrundbesitzer, gedacht.
lit A. Blanchet, Les camées de Bourges (Caen 1900) 8
Abb. 3; Les fastes du gothique. Ausstellungskatalog Paris
(Paris 1981) 211 Nr. 170, 3; W.-R. Megow, Kameen von
Augustus bis Alexander Severus. Antike Münzen und Geschnittene Steine XI (Berlin 1987) 33 Nr. A 50; 180 f.; B. de
Chancel-Bardelot – C. Raynaud (Hrsg.), La SainteChapelle de Bourges. Ausstellungskatalog Berry (Bourges 2004) 207 Nr. 53, 3.
(C. G.)
lit RIC I² Nr. 225; J. B. Giard, Bibliothèque nationale de
France. Monnaies de l’Empire romain I. Auguste (Paris
1988²) Nr. 1681.
(B. W.)
5.30
326 katalog
Statthalter Roms
Die Verwaltung des Imperium
der innen durchlaufenden eisernen Griffplatte (Heftstumpf) liegen jeweils eine Knochen- bzw. Hornlage, darauf schließlich die
eisernen Außenschalen, alles durch Eisenund Buntmetallniete zusammengehalten.
Der Endknauf ist dagegen unter der Eisenschale aus Holz geformt. Der Griff war ursprünglich komplett mit einer dünnen, mit
Pflanzen- und Weinrebenornamenten verzierten Pressblechumhüllung aus Bronze
oder Messing versehen. Dolche dieses Typs
(pugio) gehörten zur allgemeinen Waffenausstattung des römischen Militärs. Ein
gleiches Exemplar fand sich auch direkt im
Römerlager Hedemünden.
7.4.5 Katapultpfeilspitzen
Eisen
L. 8,3–12,7 cm
ca. 11–8 v. Chr.
Römerlager Hedemünden
Landkreis Göttingen, Kreisarchäologie,
Inv. Hedemü.5, FNr. 598, 678, 681, 703, 1228
Die schweren Projektilspitzen mit massiver
Vierkantspitze und Schafttülle dienten mit
den ehemaligen kurzen Holzschäften überwiegend als Pfeile der Katapultgeschütze der
römischen Artillerie. Diese standen stationär
auf Wehrbauten wie Türmen, Lagerwällen
und -palisaden an den Toren, aber auch auf
Schiffen. Die unterschiedlichen Formen, Größen und Gewichte der Eisenspitzen lassen
auf verschieden große Geschützmaschinen
schließen. Bis auf rund 100 m Distanz waren
präzise Schüsse möglich, mit ballistischer
Schussbahn waren Entfernungen bis fast
500 m erreichbar. Einige der Spitzen gehörten eventuell auch zu kleinen Wurfspeeren.
lit K. Grote, Römerlager Hedemünden. Vor 2000 Jahren: Römer an der Werra. Sydekum-Schriften zur Geschichte der Stadt Münden 34 (Hann. Münden 2005) 40 f.
Abb. 50; K. Grote, Das Römerlager im Werratal bei Hedemünden (Ldkr. Göttingen). Ein neuentdeckter Stützpunkt
der augusteischen Okkupationsvorstöße im rechtsrheinischen Germanien. In: Germania 84, 1, 2006, 27–59
Abb. 8, 3; K. Grote, Neue Forschungen und Funde im
augusteischen Römerlager bei Hedemünden (Werra).
In: Göttinger Jahrbuch 54, 2006, 5–19 Abb. 4.
(K. Gr.)
7.4.6
lit K. Grote, Das Römerlager Hedemünden (Werra).
Die archäologischen Arbeiten bis Jahresende 2007. 3.
Vorbericht. In: Göttinger Jahrbuch 35, 2007, 5–17 Abb. 19;
K. Grote, Römer an der Werra. In: Archäologie in
Deutschland 4, 2007, 49.
(K. Gr.)
7.4.5
7.4.6 Schuhnägel
Eisen
L. ca. 2 cm
ca. 11–8 v. Chr.
Römerlager Hedemünden
Landkreis Göttingen, Kreisarchäologie,
Inv. Hedemü.5, FNr. 328, 577, 608, 706, 768, 884,
1119, 1431, 1446, 1834
Die Beschlagnägel waren unter die Sohle
der Legionärssandalen, aber auch unter andere Schuhe mit bis zu 60 Exemplaren und
in teilweise musterbildender Anordnung
eingeschlagen. Typisch sind die spitzkegeligen Nagelköpfe, die oft deutlich abgelaufen
sind, sowie die kleinen plastischen Noppen
auf ihrer Unterseite. Letztere dienten offensichtlich der besseren Fixierung auf der Ledersohle. Im Römerlager Hedemünden
wurden bislang über 500 Nägel gefunden,
dabei in besonders großen Mengen auf den
ehemaligen Wegen und in den Toren der
Lagerbefestigung.
lit K. Grote, Das Römerlager Hedemünden (Werra).
Die archäologischen Arbeiten bis Jahresende 2007. 3.
Vorbericht. In: Göttinger Jahrbuch 35, 2007, 5–17 Abb. 17.
(K. Gr.)
7.4.7 Legionärsdolch
Eisen, Buntmetall, Knochen/Horn, Holz
L. 29,2 cm, B. Parierstange 6,2 cm, max. B.
Klinge 3,7 cm
Spätes 1. Jh. v. Chr.
Römische Wegetrasse im Vorfeld des römischen Stützpunktes Hedemünden
Landkreis Göttingen, Kreisarchäologie,
Inv. Oberode 57, FNr. 27
Das geschweifte zweischneidige, damaszierte Klingenblatt des Dolches (pugio) besitzt
beidseitig eine Mittelrippe mit Hohlkehlen.
Der Griff mit Parierstange, Mittelknoten
und Endknauf ist mehrlagig aufgebaut: Auf
352 katalog
7.4.7
7.4.8
(M. 1,5:1)
7.4.8 Römische Münzen
Bronze oder Messing
Dm. 2,6 cm und 2,5 cm
ca. 11–8 v. Chr.
Römerlager Hedemünden
Landkreis Göttingen, Kreisarchäologie,
Inv. Hedemü.5 (FNr. 734 und 735)
Zwei Buntmetallmünzen, Nominalwert As
oder Dupondius, dienen als Beispiele der
Kleingeldfunde aus dem Römerlager Hedemünden und seinem vorgeschobenen Außenlager »Kring«. Die Vorderseiten zeigen
in Seitenansicht die Büsten von Augustus
(rechts) und Agrippa. Auf den Rückseiten
ist ein an eine Palme angekettetes Krokodil
dargestellt, darüber die Buchstaben COL
NEM. Es handelt sich um Prägungen aus
der römischen Stadt Nemausus (Serie I, ca.
um 20–8 v. Chr.), dem heutigen Nîmes in
Südfrankreich, bzw. um mutmaßliche Nachprägungen aus den römischen Garnisonsorten im gallischen Reichsgebiet. Auf beiden
Münzen sind nachträgliche Gegenstempel
erkennbar (IMP, AVG bzw. ein vierspeichiges
Rad). Demnach handelte es sich hier – wie
bei vielen anderen Münzen aus dem Lager
Hedemünden – um Geld aus Sonderzahlungen an die Truppe.
lit K. Grote, Römerlager Hedemünden. Vor 2000 Jahren: Römer an der Werra. Sydekum-Schriften zur Geschichte der Stadt Münden 34 (Hann. Münden 2005)
35 f. Abb. 41–44; K. Grote, Das Römerlager im Werratal
bei Hedemünden (Ldkr. Göttingen). Ein neuentdeckter
Stützpunkt der augusteischen Okkupationsvorstöße im
rechtsrheinischen Germanien. In: Germania 84, 1, 2006,
27–59 Abb. 7; K. Grote, Neue Forschungen und Funde im
augusteischen Römerlager bei Hedemünden (Werra). In:
Göttinger Jahrbuch 54, 2006, 5–19 Abb. 11; K. Grote, Die
Römer an der Werra. Das Militärlager aus der Zeit der
augusteischen Germanienfeldzüge bei Hedemünden. In:
D. Rohde – H. Schneider (Hrsg.), Hessen in der Antike.
Die Chatten vom Zeitalter der Römer bis zur Alltagskultur der Gegenwart (Kassel 2006) 70–87 Abb. 44; K. Grote,
Der römische Stützpunkt bei Hedemünden an der Werra/Oberweser. Aspekte seiner logistischen Ausrichtung
im Rahmen der augusteischen Germanienvorstöße. In:
Rom auf dem Weg nach Germanien: Geostrategie, Vormarschtrassen und Logistik. Internationales Kolloquium
in Delbrück-Anreppen vom 4. bis 6. November 2004.
Bodenaltertümer Westfalens 45 (Mainz 2008) 323–343
Abb. 5.
(K. Gr.)
7.5 Pila muralia
Eichenholz
L. ca. 150–220 cm, max. D. 8 cm
Ende 1. Jh. v. Chr. / Anfang 1. Jh. n. Chr.
Römerlager Bergkamen-Oberaden
Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund, Inv. Nr. A 62/ 16,27,66,68
Pila muralia sind schlanke, an beiden Enden
zugespitzte, vierkantige Eichenpfähle, die in
ihrer Mitte eine Taillierung aufweisen.
1906 wurden bei Grabungen des Dortmunder Museums ca. 300 Stück aus verstürzten
Gräben an der Nordwestseite des Römerlagers Oberaden geborgen. Bedingt durch die
Lagerung in dauerfeuchten Schichten haben
sich die sonst sehr seltenen Stücke gut erhalten. Allerdings haben große Kriegsverluste
und frühere unzulängliche Konservierungsmethoden diesen Fundreichtum stark reduziert.
Die eingeschnitzten Inschriften, die ursprünglich auf ca. 70 Stücken zu finden waren, zeigen in unterschiedlicher Lesbarkeit die Namen von 18 Zenturien. Dies rührt daher,
dass im römischen Heer das militärische
Inventar mit dem Namen der betreuenden
Zenturien bzw. Kohorten versehen war.
Verschiedene Nutzungen dieser heute z.T.
geschrumpften und verzogenen Holzgeräte
werden diskutiert. Da die Funktion als Wurfwaffe aus ballistischen Gründen nur als Sekundärverwendung infrage kommt, erscheint
der Einsatz als ambulanter Zaun von nebeneinander in den Boden gerammten, mit Sei-
Gescheitert? – Augustus und Germanien 353
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