Friedliche Koexistenz - TP

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Friedliche Koexistenz?
Zum Sammelband »Europa und der Islam«
Von Dietmar Jochum
Das Königsteiner Forum, das 1980 u. a. vom FAZ-Herausgeber Bruno Deschamps ins Leben gerufen wurde,
veranstaltet jährlich Vortragsreihen zu gesellschaftsrelevanten Themen und legt mit dem jetzt erschienenen
Sammelband »Europa und der Islam« die Vorträge zum Jahresthema 2004 vor.
Für den Islamwissenschaftler Hans-Peter Raddatz steht fest: Im Islam haben sich durch die gesamte Geschichte
hindurch zwanghafte Gewaltmuster erhalten, die bis in die Gegenwart wirksam sind. In Deutschland bestimmt die
Charta des Zentralrats der Muslime das Bekenntnis zum Grundgesetz als lokaler Rechtsordnung, meint Johannes
Kandel von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Da aber nur anerkannt werde, was dem islamischen Recht nicht
widerspreche, gelte für Muslime in der Diaspora »das islamische Recht«, d. h. die Scharia – der Begriff werde in der
Charta bewußt vermieden – als höchste Autorität und nicht die »lokale Rechtsordnung«. Seine Auffassung
begründet Kandel damit, daß in der Charta des Zentralrats nicht-muslimische Staaten, in denen Muslime ihre
Religion frei ausüben können, als »dar-al-ahd« (Land des Vertrages) bezeichnet werden. Visumerteilung,
Aufenthaltsgenehmigung und Einbürgerung gelten danach als Verträge, die von der muslimischen Minderheit
einzuhalten sind. Da Verträge auch einseitig aufgekündigt werden könnten, dränge sich für ihn der Verdacht auf,
daß hier listig in der Charta ein Vorbehalt formuliert werde, der das Bekenntnis zum Grundgesetz relativiere.
Für Hans-Peter Raddatz hat das islamische Recht über den Hebel der Religionsfreiheit bereits begonnen, das
deutsche Rechtssystem zu unterwandern. Als Beispiel nennt er u. a. ein Urteil eines deutschen Gerichtes, mit dem
ein Richter einem Kurden mit der Begründung Asyl verweigerte, »daß die Folter zum Kulturgut der Türkei gehöre«.
Rainer Hermann, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Istanbul, hebt hervor, daß keine
Bevölkerungsgruppe in Europa so schnell wächst wie die Muslime. Immer mehr EU-Bürger seien Muslime, sie
integrierten sich aber immer weniger.
Da die muslimische Gemeinschaft den Auftrag hatte, die Welt nicht nur vom Schatten der Gottvergessenheit und
Götzenverehrung, sondern auch von den Irrlehren der Juden und Christen zu befreien (Christian Troll), dürfte es
nicht leicht sein, die Basis einer friedlichen Koexistenz, wie sie von Dialogbefürwortern zwischen Christentum und
Muslimen gesehen wird, auf Dauer zu entwickeln. Wie Muslime und andere Religionen neben- bzw. miteinander
leben sollen, dürfte aber eine der spannendsten Fragen dieses Jahrhunderts werden. Das Buch zeigt, daß ein wie
auch immer zu bewertendes Zusammenleben von unterschiedlichen Religionen im Osmanischen Reich möglich war
(Hayrettin Aydin). Dietmar Jochum
 Diether Döring/Eduard J.M. Kroker (Hrsg.): Europa und der Islam. Reihe Königsteiner Forum. SocietätsVerlag, Frankfurt/M. 2006, 272 Seiten, 14,80 Euro
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