Risiko- und Schutzfaktoren in der sozialen Entwicklung von Kindern

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Risiko- und Schutzfaktoren in der sozialen
Entwicklung
g von Kindern und Jugendlichen
g
und ihre Bedeutung für die lokale
Bedarfsplanung
Andreas Beelmann
Universität Jena, Institut für Psychologie
Vortrag auf der Tagung „Bedarfsanalyse als fachliche
Herausforderung für die Praxis“
am 21. November 2012 in Hannover
Übersicht
1. Risiko- und Schutzfaktoren: Konzeptionelle
Überlegungen
2. RisikoRisiko und Schutzfaktoren der
Sozialentwicklung
3. Positive Entwicklungsmodelle
4 Implikationen
4.
I lik i
fü
für di
die B
Bedarfsplanung
d f l
Risiko- und Schutzfaktoren: Konzeptionelle
Überlegungen
Grundlagenmodell für Entwicklungsprobleme:
Bio-psycho-soziale Regulation
Biologische Faktoren
Problem,
Psychologische Faktoren
K kh it
Krankheit
Störung
Soziale Faktoren
4
Risiko /Schutzfaktorenmodelle
Risiko-
Risikofaktoren (kumulativ)
Kompensationsmodell
Schutzfaktoren (möglicherweise
auch kumulativ)
Problem, Krankheit, Störung
5
Risiko- und Schutzfaktoren der Entwicklung
Risiko- und Schutzfaktoren bezeichnen die dynamisch
wirksamen Entwicklungsfaktoren, die das Risiko einer
Fehlentwicklung erhöhen bzw. Risiken einer
Fehlentwicklung abpuffern können
Risikofaktoren
Ri
ik f kt
sind
i dV
Variablen/Konstrukte,
i bl /K
t kt di
die mit
it IIndikatoren
dik t
d
der
Fehlanpassung kausal verknüpft sind. Der Nachweis geschieht
zumeist über korrelative Zusammenhänge, die längsschnittlich
abgesichert werden.
Personale Risikofaktoren (Vulnerabilität)
Soziale Risikofaktoren (Stressoren, Belastungen)
Risikofaktoren
Vulnerabilität (personal) und Belastungen/Stressoren (sozial)
Auffälligkeit
g
Risikofaktor
Schutzfaktoren sind Variablen/Konstrukte, die die Wirkung eines
Risikofaktors abpuffern, d.h. unter Risiko/Belastung ein (relativ)
normales Funktionsniveau gewährleisten. Ohne Belastung ist die
Wirkung auf die Anpassungsleistung einer Person relativ gering.
Personale Schutzfaktoren (Resilienz, Invulnerabilität,
persönliche Ressourcen)
Soziale Schutzfaktoren (soziale Ressourcen)
Schutzfaktoren
Widerstandsfähigkeit/Resilienz (personal) und Ressourcen (sozial)
Auffälligkeit
g
Unter Belastung
Keine Belastung
Schutzfaktor
Prinzipien
p
der Entstehung
g von
Entwicklungsproblemen
I. Fehlentwicklungen sind das Resultat eines relativ
ungünstigen Verhältnisses von Risikofaktoren
(Vulnerabilität und Belastung) zu Schutzfaktoren
(Widerstandsfähigkeit/Resilienz und Ressourcen)
Inzidenz =
Vulnerabilität + Stressoren
Resilienz + Ressourcen
(nach Albee, 1980)
II Verhaltensprobleme sind des Resultat komplex
II.
zusammenwirkender Faktoren im Entwicklungsverlauf
(Kombination und Kumulation)
Belastung als Verhältnis von Risiken
und Schutzfaktoren
Risiken
SchutzS
h t
faktoren
Zusammenhang zwischen Risikobelastung und Kriminalität
% Schwerkriminelle
Quelle: Stouthamer-Loeber et al., 2002
Ursachenkombination (Beispiel)
Mangelnde
Erziehungskompetenz
der Eltern
Schwieriges
Temperament
Geringe
Sozialschicht
Verhaltens- und
g p
Entwicklungsprobleme
Kumulative Wirkung von Risiken
und positiver Entwicklung
Wirkungen von Risiken und Fehlentwicklungen (aber auch
Wirkungen von positiver Entwicklung) addieren sich in Laufe
der Entwicklung
Bio-psycho-soziales
p y
Entwicklungsmodell
g
dissozialen Verhaltens
Multi-Problem
Milieu
Psychopathologie der Eltern,
Familiäre Konflikte,
Konflikte
Defizite der Erziehungskompetenz
Geringe soziale
Kompetenz
Schwangerschafts- und
Geburtskomplikationen
Genetische
G
ti h
Faktoren,
Neurologische
Beeinträchtigungen
Geburt
Schwieriges
Temperament,
Impulsivität
p
Oppositionelles
und aggressives
Verhalten
Verzerrte soziale
Informationsverarbeitung
Kognitive
Entwicklungsdefizite
Frühe Kindheit
Aufmerksamkeitsprobleme,
Hyperaktivität
Mittlere Kindheit
Quelle: Lösel & Bender, 1997, 2003; Beelmann & Raabe, 2007
Ablehnung durch Gleichaltrige,
Problematische soziale
Erfahrungen / Bindungen,
Anschluss an deviante Peergruppen
Offenes und
verdecktes
dissoziales
Verhalten,
frühe Kriminalität
und Gewalt
Kriminalität,
Persistent
dissozialer
Lebensstil
Schulische Probleme,
geringe Qualifikationen,
Probleme in Arbeit und Beruf
Jugendalter/
Junges Erwachsenenalter
Risiko- und Schutzfaktoren der Sozialentwicklung
Übersicht zu wichtigen Risikofaktoren in der
Sozialentwicklung (1)
B
Bereich
i h
B i i l
Beispiele
Verhaltensbiologie
Erbanlagen (männliches Geschlecht),
neurophysiologische und strukturelle Besonderheiten
des ZNS
Kognitive Entwicklung
Impulsivität, Aufmerksamkeitsdefizite,
Intelligenzprobleme, Leistungsprobleme
Verhalten
Motorische Unruhe (Hyperaktivität), schwieriges
Temperament, frühe Defizite im Sozialverhalten
Denkmuster
Defizitäre soziale Informationsverarbeitung, deviante
Einstellungen, inadäquates Selbstkonzept, geringe
Bewältigungskompetenzen
Lebensstil
Unstrukturierte Freizeit, Konsum von Mediengewalt
und Drogen („Medienverwahrlosung“), deviante
Peergruppen
Übersicht zu wichtigen Risikofaktoren in der
Sozialentwicklung (2)
Bereich
Beispiele
Familie
Erziehungsdefizite, fehlende Zuwendung,
Misshandlung, elterliche Devianz und
Psychopathologie
Schule
Schulschwänzen, schlechtes Schulklima, hohes
Ausmaß an Verantwortungsdiffusion
Gemeinde
Soziale Desorganisation
Desorganisation, räumliche Konzentration
von Armut und Auffälligkeit
Gesellschaft
Soziale Labilisierung, Werteverfall,
I di id li i
Individualisierung,
S
Soziale
i l U
Ungleichheit
l i hh it
Risikofaktoren für den Alkoholkonsum Jugendlicher
(Beispiele auf verschiedenen Einflussebenen)
Kultur/Werte
Leichte Verfügbarkeit
Hedonistische Werte
Belastendes Familienumfeld
Hoher angenommener Nutzen
Geringe elterl. Bindung
Wahrgenommener Peerdruck
Nein-sagen können
Soziale Beziehungen
Geringer Selbstwert
Personale Faktoren
Persönlichkeitsdisposition
Betrachtungen zur Funktionalität
jugendlichen Problemverhaltens
Entwicklungsaufgabe
Funktionen des Drogenkonsums
Identitätsfindung
Ausdruck persönlichen Stils, Suche nach
grenzüberschreitenden Erfahrungen
Aufbau von Freundschaften und
intimen Beziehungen
g
Zugang zu Peergruppen,
gegengeschlechtliche
g
g g
Kontaktaufnahme
Individuation von Eltern
Demonstration von Unabhängigkeit von
Eltern, bewusste Verletzung elterlicher
Kontrolle
Lebensgestaltung
Teilhabe an subkulturellem Lebensstil,
Spaß haben
Eigenes Wertesystem
Gewollte Normverletzung, Protest
Bewältigung von
g p
Entwicklungsproblemen
Kompensation von Fehlschlägen,
Stressbewältigung
g g
Positive Entwicklung: Ansatz der
Entwicklungsressourcen
Übersicht zu allgemeinen Schutzfaktoren der
Entwicklung
 Intelligenz (Bildung)
 Temperamentsmerkmale (positive Interaktionen in
der Zukunft) -- Verträglichkeit
 Emotionale Unterstützung von Erwachsenen
 Positive Erwartungen und
Selbstwirksamkeitserwartung bezogen auf die
Zukunft / Kohärenzgefühl
 „Wendepunkte“
W d
kt “ im
i Leben
L b
Modell der Entwicklungsressourcen (Benson, 1997)
Externale Ressorucen
Internale Ressourcen
Support
Lernbereitschaft
(z.B. Familie,
Nachbarschaft Schule)
Nachbarschaft,
Empowerment
((z.B. Wertschätzung junger
Menschen, soziales
Engagement)
Bindungen
(z.B. Leistungsmotivation,
Bindung an Schule, Lesen
aus Freude
Positive Werte
(z.B. Gleichheit,
Gerechtigkeit, Ehrlichkeit)
Soziale
Kompetenzen
(z.B. Familie, Peers,
Schule, soziale Modelle
und Vorbilder)
(z.B. Interpersonaler Kontakt
gute
t Konfliktlösung,)
K fliktlö
)
Kreative Freizeit
Positive Identität
((z.B.
B Kunst,
K
t Sport,
S t
Musik, Freunde)
((z.B.
B Kunst,
K
t Sport,
S t
Musik, Freunde)
Normalitätsraten in Abhängigkeit
gg
von der
Anzahl von Entwicklungsressourcen
100
80
60
40
20
Kein dissoziales Verhalten
Keine Gewaltbeteiligung
Kein Opfer
0
0 bis 10
11 bis 20
Quelle: Benson & Scales (2009)
21 bis 30
31 bis 40
Implikationen für die lokale Bedarfsplanung
Wirkmerkmale von RisikoRisiko und Schutzfaktoren
 Höhe der Zusammenhänge
g zum Problemverhalten
bedeutsam (proximale vs. distale Faktoren)
 Veränderbarkeit (fest vs. variabel)
 Vielfältige Zusammenhänge zwischen Risikofaktoren
(vermutlich auch zwischen Schutzfaktoren) →
Entwicklungsmodelle
 Kumulative Effekte von Risikofaktoren und (vermutlich auch
von Schutzfaktoren) → Orientierung am Risikoausmaß als
diagnostische Größe
 Weitere Besonderheiten (Äquifinalität/Multifinalität ,
Relativität, Passung von Person-Umwelt)von Risiko- und
Schutzfaktoren
Ableitungen
g aus Risiko- und Schutzfaktoren
 Grundlage für Bedarfe in bestimmten Bereichen
(Kompetenzförderung in Schulen)
 Hinweis auf bestimmte geographische
g g p
Risikogebiete
 Hinweise auf bestimmte Zielgruppen
g pp
(Altersgruppen/Geschlecht), selbst bei
biologischen Risiken
 Hinweise auf die Notwendigkeit neuer gesetzlicher
Regelungen
 Grundlage
G dl
fü
für IInterventionsinhalte
t
ti
i h lt
Variante 1: Einzelne RisikoRisiko oder
Schutzfaktoren
 Geben Hinweise auf einzelne Defizite, die kompensiert
b
bzw.
K
Kompetenzen,
t
die
di aufgebaut
f b t oder
d gestärkt
tä kt werden
d
müssen
 Bei der lokale Bedarfsplanung eher für Faktoren
mittlerer Reichweite (Familie, Schule) und bei
begrenzten Handlungsspielräumen geeignet
 Relativ einfach umzusetzende diagnostische Strategien
( B Beurteilung
(z.B.
B t il
d
des S
Schulklimas)
h lkli
)
Variante 2: Störungsspezifische Modelle
 Erlauben zusätzlich Planungen hinsichtlich des
Ausmaßes an Risikobelastung und bezogen auf die
Entwicklungsachse
 Zielgenauer
g
im Hinblick auf Entstehungsprozesse
g p
und darauf basierenden Interventionen
 Diagnostische Strategien ebenfalls relativ einfach
umsetzbar, aber umfangreicher
 Nachteil: oft nur störungsspezifisch
Variante 3: Modelle positiver Entwicklung
 Orientierung an positiver Entwicklung (speziell
Schutzfaktoren)) heuristisch sinnvoller
(Pufferwirkung)
 Bedarfsschätzungen führen zu umfassender
Präventionsstrategie und zu Gestaltung allgemein
protektiver Entwicklungsbedingungen
 Impliziert diagnostisch regelmäßige
altersentsprechende Entwicklungsuntersuchungen ((„Psychosoziale
Psychosoziale
Entwicklungschecks“)
 Schwer umsetzbar (diagnostischer + interventiver
Aufwand, rechtliche Fundierung, beteiligte
Personen und Institutionen))
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