Geschichte darf man nicht einfrieren

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ImmobilienWirtschaft
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24. November 2013
Geschichte darf man
nicht einfrieren
Das Berner Rathaus ist über 600 Jahre alt – jetzt wird es langsam erneuert
men hat man das Rathaus aufgefrischt. Die Denkmalpflege, die
jeden Eingriff begleitet hat, befand zum Beispiel, der Ratssaal
müsse als wichtiger Zeuge der
Architektur aus der Zeit des
Zweiten Weltkriegs integral erhalten bleiben; also wurde das altehrwürdige Gepräge des Raums
beibehalten, aber von Unnötigem
befreit. «Ein gutes Beispiel dafür
ist die Sanierung der Stühle», sagt
Bernhard Aebi. Sie wurden nicht
ersetzt, sondern modernisiert.
Das Holzgestell behielt man, der
Rücken wurde neu geformt, die
abgegriffene und altbacken wirkende Kunstlederpolsterung mit
goldenen Ziernägeln wich einem
schlichten braunen Lederbezug.
VON MARIUS LEUTENEGGER
In gewissem Sinne lebt auch ein
Gebäude. Denn im Lauf seiner
Geschichte verändert es sich fortlaufend. Wann ein Gebäude seinen «richtigen» Zustand erreicht
hat, lässt sich kaum sagen. Vor allem nicht, wenn es so alt ist wie
das Berner Rathaus. Seit seiner
Errichtung 1405 wurde es alle
paar Jahrzehnte saniert. Die letzten radikalen Eingriffe erfolgten
in den 1940er-Jahren. Seither ist
das Gebäude stilistisch mindestens zweigeteilt: Von aussen wirkt
es spätmittelalterlich. Der Ratssaal im ersten Stock, in dem die
160-köpfige Legislative des Kantons Bern tagt, strahlt hingegen
Landi-Geist aus.
Manche Elemente aus dem
Zweiten Weltkrieg erreichten in
letzter Zeit das Ende ihrer Lebensdauer. Zum Beispiel die Bestuhlung des Ratssaals. Der Objektverantwortliche bat deshalb
Aebi & Vincent um Rat. Das Berner Architekturbüro hatte bereits
das Bundeshaus saniert. Bernhard
Aebi empfahl, das Stuhlproblem
nicht isoliert zu betrachten. «Es
standen und stehen im Rathaus
viele Massnahmen an», sagt der
Architekt, «und Baudenkmäler
sollte man bei einer Sanierung immer ganzheitlich betrachten, weil
sie sonst zum Flickwerk werden
und Ausdruck einbüssen». Heizung, Gebäudetechnik, Fassade
und viele andere Elemente mussten dringend überholt werden,
und die Architekten empfahlen in
ihrer Machbarkeitsstudie, das Gebäude vom Ballast zu befreien.
28 Millionen Franken hätte die
Generalüberholung gekostet –
eine Summe, die sich der finanziell klamme Kanton nicht leisten
konnte. Doch der Sanierungsbedarf war gegeben, und deshalb
wird jetzt das Rathaus über Jahre
hinweg Schritt für Schritt überholt. Bislang wurden 3,2 Millionen Franken ausgegeben. Mit
einer Vielzahl dosierter Massnah-
Keine guten Neubauten ohne
die Kenntnis alter Gebäude
Analyse ist bei einer Restauration das A und O: Ratssaal des Berner
Rathauses, (o.), sanierte Fassade (M.), Rathaushalle mit Bar
Charta von Venedig: Bibel der Denkmalpflege
Moderne Denkmalpflege basiert im Wesentlichen auf der 1964
­formulierten Charta von Venedig. In 16 Artikeln hält diese fest, wie
Denkmäler – zu denen auch historische Gebäude zählen – konserviert
und restauriert werden sollen. Im Zusammenhang mit dem Rathaus von
Bern besonders interessant ist Artikel 11: «Die Beiträge aller Epochen
zu einem Denkmal müssen respektiert werden», heisst es da.
­«Stileinheit ist kein Restaurierungsziel.» Das Urteil über den Wert der
zur Diskussion stehenden Zustände und die Entscheidung darüber, was
beseitigt werden darf, dürften aber nicht allein von dem für das Projekt
Verantwortlichen abhängen.
Beim Besuch des Rathauses mit
Bernhard Aebi und seinem Projektleiter Philipp Morf spürt man,
wie viel Know-how in die Sanierung einfloss. Die Arbeit an historischen Bauten sei für einen
Architekten äusserst lehrreich,
findet Bernhard Aebi. «Ich würde
sogar sagen: Wer noch nie an
einem solchen Gebäude gearbeitet hat, kann auch keinen guten
Neubau entwerfen.» Denn habe
man mit historischer Bausubstanz
zu tun, sei die Analyse das A und
O. «Man muss eine Situation
wirklich verstehen, ehe man zu
bauen beginnt – bei Neubauten
ist einem diese Verpflichtung oft
viel zu wenig bewusst.» Heute gehe es bei Projekten wie dem Rathaus darum, das Historische und
das Neue gut miteinander zu vernetzen. «In den 1980er-Jahren
fand man noch, man müsse Alt
und Neu einander gegenüberstellen und plakativ zeigen, was aus
welcher Epoche stammt», sagt
Bernhard Aebi. «Wir frieren Geschichte nicht ein, sondern verbinden sie mit dem Heute.» Ein
so viel genutztes Gebäude wie das
Berner Rathaus darf nicht in der
Vergangenheit leben.
Foto: Marc Uebelmann
Fotos: Adrian scheidegger, Thomas Telley, Aebi & Vincent Architekten SIA AG
a u fg e fa l l e n
Frage als Ausrufezeichen
Die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) hat
in Olten eine neue Heimat erhalten; darin sind die
Hochschule für Angewandte Psychologie, die
­Hochschule für Soziale Arbeit, die Hochschule für
Wirtschaft und das Institut für Optometrie
­untergebracht. Die neue Schule ist das erste
­Minergie-P-Eco-Gebäude im Kanton Solothurn und
setzt bezüglich Gebäudeökologie neue Massstäbe –
unter anderem mit einer 1000 Quadratmeter
­grossen Fotovoltaikanlage. Doch der neue CampusTeil soll nicht nur Denkfabrik sein, sondern auch
künstlerisches Gewicht haben – unter anderem mit
vielfältiger «Kunst am Bau». Das auffälligste ­Projekt
«Wie bitte?» stammt von der Baslerin Verena
­Thürkauf. Die beiden Worte prangen gross an der
Wand des Lichthofs und werden von sechs
­philosophischen Fragen ergänzt, die zum Denken
anregen sollen – womit sich der Kreis zur
­Denkfabrik dann doch wieder schliesst.
www.fhnw.ch
Schöner Entspannen
Der Stellenwert der Architektur hat in den letzten
Jahren massiv zugenommen. Ein Beleg dafür ist die
Tatsache, dass Ferienhäuser immer häufiger mit
ihrer Architektur beworben werden. So etwa die
­Villa Vals, die sich ganz in der Nähe der Therme Vals
befindet. Das sogenannte Erdhaus ist komplett in
den Berg hineingebaut. Seine sechs Zimmer bieten
zehn Personen Platz. Das Haus wurde von den
­holländischen Architekten Bjarne Mastenbroek
und Christian Müller
­entworfen. Die Miete
kostet in der Haupt­saison
600 Franken pro Tag; für
Stararchitekten ein
Schnäppchen, für
­gewöhnliche Architekturfans wohl eher etwas
luxuriös.
www.villavals.ch
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Die Wohnung liegt in der familienfreundlichen
­Siedlung Schüsspark und umfasst 132 Quadratmeter
mit Parkettboden, eine moderne Küche und ein
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2060 Franken gemietet werden.
Alle weiteren Informationen finden Sie auf:
www.sonntagszeitung.ch/immobilien
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