Infektionen des ZNS

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597
I 2 Infektionen des ZNS
Trotz großer Erfolge der antimikrobiellen Chemotherapie kommt der Prävention
übertragbarer Krankheiten eine unüberschätzbare Rolle zu. Durch gezielte Intervention in der Umgebung von Gesunden können Infektketten unterbrochen werden, sodass es erst gar nicht zur Erregerübertragung kommt. Auch Maßnahmen
wie (z. B. Impfung, Tragen von Atemmasken und Handschuhen) sind einfach,
wenig belastend, effizient und kostengünstig.
2
Infektionen des ZNS
Bei der Therapiewahl müssen die direkte
antimikrobielle Wirkung, die pharmakologischen Eigenschaften und die möglichen
Interaktionen der jeweiligen Substanz
berücksichtigt werden.
Die Prävention durch Unterbrechung der
Infektkette und andere Schutzmaßnahmen
(z.B. Impfung) spielt eine große Rolle bei der
Eindämmung von Infektionskrankheiten.
2
Infektionen des ZNS
▶ Definition:
Meningitis: Entzündung der Hirnhäute.
Enzephalitis: Entzündung von Hirnparenchym.
Meningoenzephalitis: Oft besteht eine Kombination aus Meningitis und Enzephalitis.
Hirnabszess: Umschriebene bzw. abgekapselte eitrige Infektion des Hirnparenchyms.
◀ Definition
Erreger: s. Tab. I-2.1.
Erreger: s. Tab. I-2.1.
▶ Merke: Bakterien induzieren ganz überwiegend eine Meningitis und keine
Enzephalitis (Ausnahme: Listeria, die sowohl Meningitis als auch Enzephalitis
erzeugt). Viren können beides hervorrufen.
◀ Merke
Klinik: Kopfschmerzen, Erbrechen, Fieber, bei Enzephalitis ggf. zusätzlich Orientierungs- und Bewusstseinsstörungen, neurologische Ausfälle.
Klinik: Kopfschmerzen, Erbrechen, Fieber,
bei Enzephalitis ggf. Bewusstseinsstörungen.
Allgemeine Diagnostik:
Klinisch: Bei Meningitis: Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, positives Lasègueund Bragard-Zeichen. Bei tuberkulöser Meningitis ist der Verlauf schleichend
und betrifft in erster Linie die Hirnbasis. Bei Enzephalitis: Ausfälle je nach Lokalisation, z. B. Ataxie bei Kleinhirnbefall, Orientierungsstörungen, Bewusstlosigkeit; in einigen Fällen (z. B. Toxoplasmose, CMV-Infektion) kann man auch
eine Beteiligung der Retina, die entwicklungsgeschichtlich zum Gehirn gehört,
in Form von Entzündungsherden erkennen. Bei Hirnabszess: Der neurologische
Ausfall ist abhängig von Lokalisation und Ausdehnung des Abszesses. Als Ursache kann eine hämatogene Streuung (Staphylococcus aureus, Enterobacteriaceen) vorliegen. Weitaus häufiger sind fortgeleitete Entzündungen (z. B. bei
Otitis, Mastoiditis, Sinusitis oder odontogen). Bei odontogener Herkunft sind zumeist Anaerobier (Porphyromonas, Prevotella, Bacteroides,, Streptokokken –
auch als Mischinfektion) nachweisbar. Weiterhin kommen traumatische Ereignisse (Schädelverletzungen) als Ursache infrage, durch die eine Einschleppung
von Keimen ermöglicht wird. Hier können sich auch sog. Spätabszesse (noch
Monate bis Jahre nach dem Ereignis) entwickeln.
Die Anamnese kann Hinweise auf die Erreger bringen, z. B. Auslandsaufenthalt,
Epidemien oder Kontakt mit Erkrankten, Grundkrankheiten (z. B. Malignom bei
Listerien). Zur typischen Altersverteilung bei Meningitis s. Tab. I-2.2.
Bildgebende Verfahren: CTund MRT können auch kleine, lokale Veränderungen
erfassen, ohne jedoch die Ätiologie zu klären. Als Differenzialdiagnose kommt
immer auch ein Hirntumor in Frage.
Labor: Im Blut findet man die charakteristischen Entzündungszeichen wie erhöhtes CRP, niedriges Eisen und Leukozytose. Bei einer Zystizerkose wäre nach
einer Eosinophilie im Blutbild zu suchen.
Allgemeine Diagnostik:
Klinisch: Fieber, Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit sind typische Zeichen einer
Meningitis; Nervenausfälle, Desorientierung bis hin zu Bewusstlosigkeit sind Hinweise auf eine Enzephalitis. Beim Hirnabszess kommt es zu neurologischen
Ausfällen, in Abhängigkeit von der Abszesslokalisation. Ursächlich sind fortgeleitete Entzündungen (z. B. Sinusitis, odontogen), eine hämatogene Streuung oder
Traumen.
Anamnese: Auslandsaufenthalt, Epidemien, Kontakt, Grundkrankheiten?
Bildgebende Verfahren: Bereits kleine,
lokale Veränderungen können mit CT und
MRT dargestellt werden.
Labor: Erhöhtes CRP, niedrige Eisenkonzentration und Leukozytose, bei Zystizerkose auch Eosinophilie.
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Bei der Wahl der besten Therapie muss man neben der direkten antimikrobiellen
Wirkung einer Substanz auch ihre Pharmakologie, Verträglichkeit und Interaktionen mit Begleitmedikamenten berücksichtigen.
598
I 2 Infektionen des ZNS
I-2.1
I-2.1
Erreger von Enzephalitis bzw. Meningitis
Erreger
Meningitis
Prionen: BSE
Enzephalitis
++
Viren:
Entero
Varizellen
+++1
+++1
Mumps
Masern
+++1
+++1
+2
Herpes
+
+++
FSME
JC
++
+++
HIV
Corona
+++
+++
CMV
++ (chronisch)
Bunya
Rabies
+++
+++
Bakterien:
Meningokokken
+++
Pneumokokken
+++
Streptococcus agalactiae
Haemophilus influenzae
++
+++3
Borrelia burgdorferi
Mycobacterium tuberculosis
+
+++ (chronisch)
Staphylococcus aureus
++ (postoperativ)
++
Listeria monocytogenes
Treponema pallidum
+++
+
+++
++
Mycoplasma pneumoniae
Anaerobier (oft als Mischinfektion)
+
++
+++ (Hirnabszess)
Brucella melitensis
+
Leptospira icterohaemorrhagica
E. coli (K1)
++
++
Pilze:
Cryptococcus neoformans
++
++
Histoplasma capsulatum
++
Coccidioides immitis
Aspergillus (bei Abwehrschwäche)
++
+
Encephalitozoon bieneusii
+
Protozoen:
Toxoplasma gondii
Plasmodium falciparum
+
++
++
Trypanosoma
+
++
Naegleria fowleri
Acanthamoeba
+
+
++
+
Würmer:
1
2
3
Taenia solium (Zystizerkose)
+ (chronisch)
Toxocara canis
+ (chronisch)
Gehören zu den häufigsten Erregern von Meningitis; die Verläufe sind aber meist
blande.
Bei Masern kann gelegentlich bei akuter Infektion ein schwerer Verlauf beobachtet
werden; Jahre später kann die gefürchtete SSPE (subakut sklerosierende Panenzephalitis) auftreten.
Seit Einführung der Impfung von Kleinkindern ist diese Infektion fast verschwunden.
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599
I 2 Infektionen des ZNS
Typische Altersverteilung bei Meningitis
I-2.2
Erreger
typisches Alter
Listeria
Neugeborene, alte Menschen > 60 Jahre
Meningokokken
1–4 Jahre, ein zweiter Gipfel 14–20 Jahre
Masern, Mumps, Varizellen
Kinder (ungeimpft)
I-2.3
Typische Liquorbefunde bei bakterieller und viraler Meningitis
Parameter
bakterielle Meningitis
virale Meningitis
Zellzahl
↑↑↑
in der akuten Phase überwiegen die
polymorphkernigen Granulozyten; nach einigen
Tagen und vor allem nach Überwindung der
Infektion erscheinen Makrophagen
bei der chronisch verlaufenden tuberkulösen
Meningitis sind weniger Granulozyten und dafür
relativ mehr Makrophagen
↑
überwiegend
Lymphozyten
Eiweiß
↑
↑
Glukose
↓
–
Laktat
↑
–
Liquordiagnostik: Zu Befunden bei Meningitis s. Tab. I-2.3. Bei enzephalitischen
Herden tritt – wenn überhaupt – meist nur eine leichte mononukleäre, lymphozytäre Reaktion auf.
I-2.3
Liquordiagnostik: s. Tab. I-2.3.
Mikrobiologische Diagnostik: Die mikroskopische Erkennung von manchen Erregern im Liquor (Meningokokken, Pneumokokken, Listerien, Haemophilus, Kryptokokken, Amöben) bringt eine schnelle Hilfe; der Nachweis von Antigen ist in einigen solcher Fälle (Meningokokken, Pneumokokken, Kryptokokken) möglich, ist
aber der sorgfältigen mikroskopischen Diagnose kaum überlegen. Der kulturelle
Befund ist für die Bestätigung wichtig. Der PCR kommt zunehmend Bedeutung
zu, vor allem bei viralen Infektionen. Der Quotient aus spezifischen Antikörpern
in Liquor und Serum (bei gleichzeitigem Vergleich von Albumin in beiden Kompartimenten) ist sehr hilfreich.
Die mikroskopische Untersuchung von
Liquor bringt in vielen Fällen eine rasche
Klärung, die dann noch durch die Kultur
bestätigt wird. PCR und Serologie sind hilfreich.
Differenzialdiagnose: Neben den klassischen Erregern von ZNS-Infektionen
kommt es bei mehreren anderen Infektionen im Rahmen einer Disseminierung
zu Meningismus und zu zentralnervösen Ausfallserscheinungen. Verwirrend ist
auch die Tatsache, dass bei einigen Patienten chronische, aseptische, idiopathische
Meningitiden, z. B. die Mollaret-Meningitis, auftreten, deren pathophysiologische
Ursachen ungeklärt sind. Auch Metastasen von Malignomen erzeugen oft ähnliche
Symptome wie eine Enzephalitis. Degenerative Erkrankungen, wie etwa die
multiple Sklerose, müssen abgegrenzt werden.
Differenzialdiagnose: Als DD für eine infektiöse Meningitis bzw. Enzephalitis kommen
degenerative Erkrankungen und Malignome
infrage.
Therapie:
Bakterielle Infektionen: Bei der Auswahl der Medikamente muss neben der direkten antibakteriellen Wirkung auch die Liquorgängigkeit berücksichtigt werden. Die Betalaktamantibiotika z. B. gehen im Prinzip nur schlecht über eine intakte Blut-Hirn-Schranke. Bei einer Schrankenstörung dagegen – erkennbar an
einem hohen Albumingehalt im Liquor – ist die Penetration deutlich besser.
Oft wird eine Kombination von mehreren Antibiotika verabreicht.
Virale Infektionen: Hier stehen nur wenige Medikamente zur Verfügung. Bei
einer Herpes-Enzephalitis kann Aciclovir lebensrettend sein. Die gut wirksamen
antiretroviralen Medikamente penetrieren z. T. schlecht in das ZNS, so dass sich
trotz einer guten systemischen Wirkung während einer rationalen Therapie
eine HIV-Enzephalitis entwickeln kann.
Bei ganz akuten, schweren Entzündungen des ZNS werden additiv Kortikoide
zur Senkung der überschießenden, zytokinbedingten Reaktionen verordnet,
Therapie:
Bei der kalkulierten Antibiotikatherapie
von bakteriellen Infektionen wird oft
eine Kombination verwendet.
Auch für virale Infektionen stehen einige
wirksame Präparate zur Verfügung, z. B.
Aciclovir bei Herpes-simplex-Enzephalitis.
Kortikoide tragen dazu bei, eine überschießende entzündliche Reaktion zu
drosseln.
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I-2.2
Die chirurgische Entlastung kann bei
Hirnabszess helfen.
Prophylaxe:
Die medikamentöse Prophylaxe einer
Meningokokkenmeningitis, z. B. mittels
Ciprofloxacin, ist für Kontaktpersonen
essenziell.
Impfungen schützen gegen Meningitiden
durch Mumps-/Masern-Viren, FSME, Pneumokokken, Haemophilus und manche
Meningokokken.
Prognose: Trotz guter antimikrobieller Medikamente gegen manche Erreger bleibt die
Bedrohung vieler manifester Erkrankungen
ernst. Einige virale Infektionen verlaufen
dagegen meist blande.
Infektionen des Auges
3
Je nach Lokalisation verlaufen die Infektionen
des Auges unterschiedlich.
3.1
Infektionen der Augenlider
▶ Definition
Diagnostik: klinischer Befund (Inspektion,
Spaltlampenuntersuchung; Tab. I-3.1).
I 3 Infektionen des Auges
weil dadurch auch die Spätfolgen in Form von narbigen Verklebungen reduziert
werden. Dies stellt eine Gratwanderung dar, denn die körpereigene Infektabwehr wird dadurch behindert.
Bei Hirnabszess kann eine chirurgische Entlastung eine schnelle Heilung bringen. Erstaunlicherweise bilden sich danach auch große entzündete Areale
ohne wesentliche Defekte rasch zurück.
Prophylaxe:
Medikamentös: Patienten mit einer manifesten Meningokokkenerkrankung
scheiden mit ihrem Trachealsekret große Mengen von Bakterien in Form von
Tröpfchen aus. Personen, die damit Kontakt haben, also Angehörige, Kameraden,
medizinisches Personal, haben ein etwa 1000fach höheres Risiko an einer Meningitis zu erkranken als sonst und können als Träger die Erreger auch auf weitere Personen übertragen. (Eine Krankenschwester, die Kontakt hatte, kann die
Meningokokken mit nach Hause bringen und ihre Kinder, die ja weitaus anfälliger sind, damit gefährden.) Eine frühzeitige, kurzfristige Antibiotikabehandlung
kann schon die Besiedelung der Schleimhäute effektiv unterbinden und die Infektion natürlich auch ein Trägerstadium und eine Übertragung verhindern. Obwohl Penicillin gut gegen Meningokokken wirkt, ist es als Prophylaktikum nicht
geeignet, da es nicht in den Schleim der oberen Luftwege penetriert und somit
ein Trägerstadium nicht unterbindet. Dagegen ist eine einmalige Gabe von
Ciprofloxacin ausreichend, weil dieses Medikament sehr niedrige MHK-Werte
gegen Meningokokken hat und in hoher Konzentration in der epithelial lining
fluid der Trachea erscheint. Alternativ käme Rifampicin oder auch Tetrazyklin
in Frage, die aber 2 Tage lang verabreicht werden müssen.
Impfung: Imfungen gegen Mumps, Masern, (Röteln) sowie Poliomyelitis und
auch gegen Haemophilus influenzae b (Hib) gehören heute zur Standardversorgung von Kindern, so dass die zentralnervösen Folgen vermieden werden können. Die FSME-Impfung ist zumindest sinnvoll vor Aufenthalten in Hochrisikogebieten. In bestimmten Situationen verhindert auch eine Impfung gegen Meningokokken (Serogruppe A und C) und Pneumokokken eine kritische Situation.
Prognose: Die hohe Sterblichkeit, die früher bei bakteriellen Meningitiden beobachtet wurde, ist heute wegen Impfungen und antimikrobieller Therapie deutlich
gesunken. Andererseits bleibt diese Lokalisation eine schwere Bedrohung und
in vielen Fällen, z. B. Malaria, fatal. Die meisten viralen ZNS-Infektionen, wie
Mumps, Masern und Varizellen und auch FSME, verlaufen dagegen blande vor
allem im Kindesalter.
3
Infektionen des Auges
Die Infektionen des Auges verlaufen in Abhängigkeit von der Lokalisation ganz unterschiedlich. Die einzelnen Strukturen können isoliert, häufig jedoch auch in
Kombination betroffen sein.
3.1 Infektionen der Augenlider
▶ Definition: Infektiöse Erkrankungen der Augenlider können die Lidhaut, vor
allem die Lidränder (Blepharitis) und die Liddrüsen betreffen (Tab. I-3.1).
Diagnostik: Die Diagnose ergibt sich meist aus dem klinischen Befund (Inspektion,
Spaltlampenuntersuchung; Tab. I-3.1); in Zweifelsfällen wird ein Abstrich entnommen.
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600
601
I 3.2 Infektionen der Bindehaut
Infektionen der Augenlider
Lokalisation Erkrankung
Ätiologie/Erreger
Klinik
Therapie
Zoster
ophthalmicus
VZV
starke neuralgiforme Schmerzen und wenige
Tage später einsetzende Bläschenbildung in
Gruppen angeordnet mit Hautrötung
Aciclovir (systemisch)
Lidherpes
HSV
kleine schmerzende Bläschen
umschriebene Rötung und Schwellung
Aciclovir (lokal)
Lidabszess/phlegmone
nach lokaler Infektion im
Zusammenhang mit Verletzungen, Insektenstich oder
fortgeleitet, z. B. bei Sinusitis
starke Rötung und Schwellung
Fieber
antibakterielle Therapie
(systemisch und lokal)
nach Antibiogramm
Lidrand
Blepharitis
meist Staphylokokken, aber
z. B. auch Läuse (Phthiriasis,
s. S. 587) und Haarbalgmilben
(Demodex)
entzündlich veränderte und schuppende
Lidränder, gelbliche Krusten und ggf. Nissen/
Läuse am Wimpernschaft, z. T. Juckreiz
Lidrandhygiene und je
nach Erreger lokale
antiinfektiöse Therapie
Liddrüsen
Hordeolum
(Gerstenkorn)
meist staphylokkokken-,
seltener streptokokkenbedingte Entzündung von:
schmerzhafte, gerötete Schwellung mit
zentralem Eiterpunkt (DD: druckindolentes
Chalazion = granulomatöse chronische Entzündung der Meibom-Drüsen bei Sekretstau)
Spannungs- und Druckgefühl
trockene Wärme,
desinfizierende und
antibiotische Salben
Lidhaut
I-3.1
externum
Zeis- oder Moll-Drüsen am
äußeren Lidrand
internum
(Abb. I-3.1)
Meibom-Drüsen an der
Lidinnenseite
Hordeolum internum
3.2 Infektionen der Bindehaut
I-3.1
3.2
Infektionen der Bindehaut
▶ Definition: Konjunktivitis ist eine Entzündung der Bindehaut (Konjunktiva),
eine durchsichtige, gefäßreiche Schleimhaut, die sich auf der Innenseite der
Augenlider und dem anliegenden Augapfel befindet.
◀ Definition
Epidemiologie und Ätiologie: Die Konjunktivitis ist insgesamt eine der häufigsten
Augenerkrankungen. Neben zahlreichen infektiösen Ursachen (Tab. I-3.2) muss
differenzialdiagnostisch auch an ein nichtinfektiöses Geschehen gedacht werden
(z. B. bei permanentem Reizzustand, Allergien oder im Rahmen anderer Erkrankungen bzw. als Zweiterkrankung; z. B. Reiter-Syndrom, s. S. 391).
Die bakterielle Entzündung kann durch physiologisch vorkommende Keime bei
Schwächung der körpereigenen Abwehr oder mechanischen Schädigungen entstehen, aber auch durch Neuinfektion mit pathogenen Keimen von außen.
Die Erreger werden meist durch Schmier- oder Tröpfcheninfektion übertragen.
Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch über das Augensekret oder über
kontaminierte Gegenstände. Insbesondere bei epidemischer Ausbreitung muss
an hochkontagiöse Erreger, wie z. B. Adenoviren (Keratokonjunctivitis epidemica),
gedacht werden. Chlamydieninfektionen werden okulogenital übertragen; bei Erwachsenen entweder durch sexuelle Kontakte oder über kontaminiertes Wasser
(z. B. in Schwimmbädern), bei Neugeborenen während der Geburt. Das Trachom,
eine der häufigsten Augenerkrankungen und Hauptursache von Erblindung weltweit, ist vorwiegend in Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen anzutreffen und wird dort hauptsächlich durch Fliegen verbreitet.
Epidemiologie und Ätiologie: Die häufige
Augenerkrankung kann neben infektiösen
Ursachen (Tab. I-3.2) auch nicht-infektiös
bedingt sein.
Bakterielle Infektionen sind endogen oder
exogen.
Die Erreger werden meist durch Schmieroder Tröpfcheninfektion übertragen.
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I-3.1
I 3 Infektionen des Auges
Konjunktividen bei Neugeborenen (Ophthalmia neonatorum) sind Folge einer
Übertragung von der Mutter während der
Geburt.
Konjunktividen bei Neugeborenen (Ophthalmia neonatorum, z. B. durch Gonokokken, Chlamydien, Hämophilus, Staph. aureus, HSV) sind Folge einer Übertragung von der Mutter während der Geburt. Allerdings kann auch durch die postpartale Credé-Prophylaxe mit Silbernitrat (s. S. 371) passager eine toxische Konjunktivitis entstehen.
Klinik: Es kommt zur akuten Rötung,
schmerzhaften Reizung und verstärktem
Tränenfluss. Eiteraustritt ist typisch für die
gonokokkenbedingten NeugeborenenBlenorrhö. Das Trachom ist charakterisiert
durch chronische, granulomatöse Entzündung, mit kleinen, follikulären Herden am
tarsalen (Abb. D-2.97, s. S. 451) und bulbären Anteil der Konjunktiva.
Klinik: Akut auftretende Rötung (Hyperämie) und schmerzhafte Reizung mit Brennen und verstärktem Tränenfluss sind typisch. Die Keratokonjunctivitis epidemica sowie die Einschluss- bzw. Schwimmbadkonjunktivitis sind hochkontagiös,
heilen aber im Allgemeinen folgenlos aus. Während die vorgenannten Entzündungen meistens serös verlaufen, tritt bei einer gonokokkenbedingten Neugeborenen-Blenorrhö, (s. S. 371) eine eitrige Entzündung in Erscheinung. Chronische,
granulomatöse Infektionen, bei denen viele kleine follikuläre Herde am tarsalen
(Abb. D-2.97, s. S. 451) und am bulbären Anteil der Konjunktiva entstehen, sind typisch für das Trachom.
Diagnostik: Eine mikrobiologische Abklärung ist bei epidemischen und eitrigen
Infektionen notwendig.
Diagnostik: Bei sporadischen Fällen von hyperämischen Infektionen ist eine mikrobiologische Klärung der Ursachen meist nicht notwendig, da die Infektionen
selbstlimitiert verlaufen. Bei epidemisch auftretenden Fällen sollte eine mikrobiologische Verifizierung durch mikroskopische, kulturelle oder molekularbiologische Untersuchung von Abstrichen versucht werden. Auch bei eitrigen Infektionen
sollte ein Abstrich ins Labor eingeschickt werden.
Therapie: s. Tab. I-3.2
Therapie: siehe Tab. I-3.2.
I-3.2
Infektiöse Ursachen der Konjunktivitis
Erregergruppe
Erreger
Krankheitsbild
Therapie
akute oder subakute bakterielle
Konjunktivitis, z. T. bei Neugeborenen: Blenorrhö*
lokale Antibiose (Breitbandantibiotikum), evtl. in Kombination mit
einem Kortikosteroid
Neisseria gonorrhoeae
Gonokokken-Konjunktivitis
bei Neugeborenen: Gonoblenorrhö*
(klassische Blennorrhoea neonatorum)
lokale (Gentamicin) und systemische
(Cephalosporin der 3. Generation)
Antibiose
Chlamydia trachomatis
Serovare A–C
Trachom (granulomatös)
lokale und systemische Antibiose
(Tetracyclin, Erythromycin)
Chlamydia trachomatis
Serovare D–K
Einschluss- oder Schwimmbadkonjunktivitis (Paratrachom)
Meist selbstlimitiert, evtl. supportive, antientzündliche Therapie, ggf.
lokale und systemische (!) Antibiose
(Tetracyclin, Erythromycin)
Adenoviren 7, 8 und 19
Keratokonjunctivitis epidemica
(hochkontagiös)
symptomatisch: Tränenersatzmittel,
kalte Auflagen
Hygienemaßnahmen (!)
Rubulaviren, Enteroviren, ECHO-Viren,
Coxsackieviren, VZV, HSV, Masern- und
Mumpsviren
unspezifische Konjunktivitis,
z. T. Mitbeteiligung anderer okulärer
Strukturen
symptomatisch
HSV: lokal Aciclovir
VZV: systemisch und lokal Aciclovir
Pilze (selten)
Candida und andere Hefepilze
mykotische Konjunktivitis, häufig in
Verbindung mit Keratitis
lokale Antimykotika (Nystatin,
Amphotericin B)
Parasiten
Onchocerca volvulus
Loa loa
chronische Konjunktivitis,
z. T. als konjunktivale Mitbeteiligung
bei Skleritis/Keratitis
Onchocerca volvulus: systemisch
mit Ivermectin
Loa loa: chirurgische Entfernung des
Parasiten
Bakterien
meist Staphylokokken, Pneumokokken
(am häufigsten) und andere Streptokokken
daneben auch andere, wie Pseudomonas , Haemophilus oder Moraxella
Viren
* Blenorrhö = Eiterabsonderung aus der Lidspalte, meist im Zusammenhang mit Neugeborenen verwendeter Begriff
3.3
Infektionen der Hornhaut
▶ Definition
3.3 Infektionen der Hornhaut
▶ Definition: Keratitis ist eine Entzündung der Hornhaut des Auges (Cornea). Aufgrund der ausgeprägten Innervation der Hornhaut verläuft sie meist sehr
schmerzhaft.
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602
603
Ätiologie: Nach Trauma und Operation oder durch Tragen von Kontaktlinsen kann
es zu einer mechanischen Schädigung der Hornhaut kommen, was dann eine Eintrittspforte für diverse bakterielle Erreger, sowohl grampositive wie gramnegative, aber auch für freilebende Ämoben (Akanthamöben, s. S. 515) sein kann. Die
sog. Akanthamöben-Keratitis ist meistens auf eine mangelhafte Hygiene im Umgang mit Kontaktlinsen zurückzuführen.
Virusinfektionen der Konjunktiva, meistens bedingt durch Adenoviren, können
auf die Kornea übergreifen. Herpes-simplex-Virus (HSV, s. S. 241) und seltener Varizella-Zoster-Virus (VZV, s. S. 245), der sog. Zoster ophthalmicus, können direkt
und solitär – meist einseitig – die Hornhaut befallen.
Keratitiden durch Pilze werden heute neben einer Immunschwäche insbesondere
durch lang andauernde Therapien mit Antibiotika oder Kortikosteroiden begünstigt.
Ätiologie: Eine Schädigung der Hornhaut
entsteht durch Trauma, Operation oder Tragen von Kontaktlinsen und geht dem Eintritt
von Bakterien und Amöben voraus.
Auch ein Übergreifen einer viralen Konjunktivitis auf die Hornhaut ist möglich. Hinzu
kommt eine direkte Infektion der Hornhaut
mit HSV oder VZV.
Keratitiden durch Pilze werden durch Langzeittherapien mit Antibiotika oder Kortikosteroiden begünstigt.
Klinik: Fremdkörpergefühl, Schmerzen, Photophobie, evtl. Rötung des Auges und
Sehverschlechterung sind die Klagen des Betroffenen, was dann zu einer augenärztlichen Untersuchung veranlassen sollte.
Klinik: Fremdkörpergefühl, Schmerzen,
Photophobie, evtl. Rötung und Sehverschlechterung.
Diagnostik: An der Spaltlampe sind die typischen Läsionen erkennbar:
Der Befall der Hornhaut kann zu einer oberflächlichen Ulzeration führen, ohne
die Bowman-Schicht zu zerstören.
Wenn allerdings auch diese letzte Barriere durchbrochen ist, droht eine Invasion
mit Hypopyonbildung (Eiteransammlung am Boden der vorderen Augenkammer, Abb. I-3.2).
Bei lang anhaltendem Defekt kann eine narbige Ausheilung sichtbar sein.
Bei der Überprüfung der Hornhautsensibilität zeigt sich insbesondere bei viralen
Entzündungen (HSV, VZV) eine stark herabgesetzte Sensibilität. Zur Erregerbestimmung ist ein Abstrich oder eine Gewebeprobe (Abkratztechnik inbesondere
bei V. a. Mykosen oder Akanthamöben, ggf. von Kontaktlinsen) erforderlich.
Diagnostik: Mit der Spaltlampe können
nachgewiesen werden:
oberflächliche Ulzerationen
bei Zerstörung der Bowman-Schicht, ggf.
Hypopyon (Abb. I-3.2)
bei lang anhaltendem Defekt Narben.
Bei viralen Infektionen findet man eine
herabgesetze Hornhautsensibilität. Zur
Erregerbestimmung sollte ein Abstrich
genommen werden.
Therapie: Bei oberflächlichen Hornhautläsionen muss je nach Verdacht umgehend mit einer topischen antimikrobiellen Therapie begonnen werden (Antibiotika, Virustatika, Antimykotika). Bei Hornhautperforation oder bei Narbenbildung
mit schwerem Visusverlust bleibt schließlich nur noch die Transplantation (Keratoplastik).
Therapie: Bei oberflächlicher Schädigung
topische antiinfektiöse Behandlung; bei
Perforation und Narbenbildung Transplantation.
I-3.2
Bakterielles Hornhautulkus mit Hypopyon (→)
I-3.2
3.4 Intraokuläre Infektionen
3.4
3.4.1 Uveitis
3.4.1 Uveitis
▶ Definition: Die Uvea setzt sich zusammen aus Iris (Regenbogenhaut), Ziliarkörper
und Choroidea (Aderhaut). Je nach Lokalisation der Entzündung unterscheidet man:
Uveitis anterior: Entzündung der Iris (Iritis), auch in Kombination mit dem
Ziliarkörper (Iridozyklitis)
Uveitis intermedia: Entzündung des Ziliarkörpers (Zyklitis)
Uveitis posterior: Entzündungen der Choroidea (Choroiditis) unter Mitbeteiligung der Netzhaut (Chorioretinitis) oder Entzündung primär der Netzhaut
mit Ausbreitung auf die Uvea (Retinochorioiditis).
Eine Entzündung der gesamten Uvea heißt Panuveitis.
◀ Definition
Intraokuläre Infektionen
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I 3.4 Intraokuläre Infektionen
I 3 Infektionen des Auges
Ätiopathogenese: Eine infektiöse Genese ist
selten. Die Erreger können entweder durch
direkte Inokulation oder hämatogene
Streuung in die Uvea gelangen. Häufige
Erreger sind u. a. Viren (z. B. VZV, CMV),
Bakterien (z. B. Borrelia, Treponema),
Candida-Arten, Toxoplasma gondii.
Ätiopathogenese: Eine infektiöse Genese ist bei Uveitis eher selten zu sehen.
Diverse Erreger können entweder durch direkte Inokulation (z. B. perforierende
Verletzungen) oder im Rahmen von systemischen Infektionen hämatogen in die
Uvea gelangen und dort infektiöse Metastasen setzen. Häufige Erreger sind:
Viren: z. B. VZV, CMV (CMV-Retinitis, insbesondere bei AIDS-Patienen)
Bakterien: z. B. Borrelia, Treponema
Candida-Arten (Candida-Retinitis mit typischen „Cotton wool“-Herden)
Protozoen: Toxoplasma gondii (Retinochorioiditis nach angeborener Infektion).
Klinik: Die Iritis/Iridozyklitis ist schmerzhaft,
die Chorioiditis dagegen schmerzfrei. Die
Sehstörungen können je nach Manifestation
unterschiedlich ausfallen.
Klinik: Klinisch von Bedeutung ist, dass eine Iritis/Iridozyklitis, schmerzhaft, eine
Chorioiditis dagegen schmerzfrei verläuft, da die Aderhaut keine sensiblen Nervenfasern enthält. Das Ausmaß der Sehstörung ist von der Lokalisation bzw. der
Ausdehnung der entzündlichen Läsion abhängig. Oft wird die Erkrankung manifest, wenn die Fovea centralis betroffen ist.
Diagnose: Untersuchung mit der
Spaltlampe und dem Ophthalmoskop,
Blutkultur, Serologie.
Diagnose: Bei Untersuchungen mit der Spaltlampe und dem Ophthalmoskop
sind häufig typische Erscheinungen erkennbar, die bereits eine grobe Einordnung
des Krankheitsbildes zulassen. Mittels einer Blutkultur kann man die ursächliche,
systemische Infektion durch Bakterien und Pilze eruieren. Eine Toxoplasma-Infektion wird serologisch bestätigt, wobei der lokale Herd so minimal sein kann, dass
ein Titeranstieg im Serum dadurch nicht immer erfolgt. Eine CMV-Infektion wird
mittels PCR oder durch Nachweis eines Virusproteins (pp65) in Granulozyten
erkannt.
Therapie: gezielte antimikrobielle
Therapie, ggf. Mydriatika zur Ruhigstellung
der Pupille.
Therapie: Je nach zugrunde liegender Ursache wird eine gezielte antimikrobielle
Therapie eingeleitet, nicht zuletzt wegen der drohenden bleibenden Sehstörung.
Zur Ruhigstellung und Erweiterung der Pupille werden vorwiegend bei vorderer
Uveitis Mydriatika verabreicht (Maßnahme zur Vorbeugung von Verklebungen
zwischen Iris und Linse).
3.4.2 Endophthalmitis
3.4.2 Endophthalmitis
▶ Definition
▶ Definition: Akut oder chronisch verlaufende Entzündungen in den Augeninnenräumen einschließlich des Ziliarkörpers und des Glaskörpers (Corpus vitreum)
werden Endophthalmitis genannt.
Ätiologie: Sie entsteht entweder durch
direkte Inokulation von Erregern (lokale
Infektion, Trauma, Operation), fortgeleitet
oder durch hämatogene Streuung. Erreger
können bakteriell (häufig), viral, mykotisch
oder parasitär sein.
Ätiologie: Diese Entzündungen können entweder durch direkte Inokulation von
Erregern (z. B. durch lokale Infektion, perforierende Verletzung, Operation), fortgeleitet oder durch hämatogene Streuung bei immungeschwächten Patienten (z. B.
Diabetiker, Neutropeniker) entstehen. Als Erreger finden sich meist Bakterien
(Staphylococcus epidermidis/ aureus, Proteus, Pseudomonas), aber auch Viren
(CMV, HSV, VZV), Pilze (meist Candida) oder Parasiten (Toxoplasma, Onchocerca).
Klinik: Symptome der Endophthalmitis sind
ein akut rotes Auge, Schmerzen und eine
akute Sehverschlechterung. Bei Bakterien
und Viren, setzt die Symptomatik meist akut
ein, bei Pilzen ist ein milderer, chronischer
Verlauf typisch.
Klinik: Symptome der Endophthalmitis sind ein akut rotes Auge, Schmerzen und
eine akute Sehverschlechterung. Während die Symptomatik bei bakteriellen und
viralen Erregern akut einsetzt und z. T. foudroyant verläuft, ist bei mykotisch bedingter Endophthalmitis meist ein milderer, chronischer Verlauf mit schleichendem Beginn zu beobachten. Es handelt sich um eine sehr ernste Erkrankung, die
den Verlust des Sehvermögens oder sogar des gesamten Auges nach sich ziehen
kann.
▶ Merke
Diagnostik: Die Erreger werden direkt kulturell oder serologisch nachgewiesen. Bei
der Spaltlampenuntersuchung und der
Funduskopie finden sich Zeichen einer
schweren Entzündung (Chemosis, Hypopyon, Glaskörpertrübungen).
▶ Merke: Insbesondere die akut bakterielle Endophthalmitis ist ein ophthalmologischer Notfall, der einer sofortige Behandlung bedarf!
Diagnostik: Die Anamnese oder bestimmte Begleitkrankheiten können Hinweise
auf eventuelle Ursachen erbringen. Die Erreger werden durch direkten kulturellen
Nachweis (aus Glaskörper oder Vorderkammer) oder durch serologische Methoden nachgewiesen. Bei der Spaltlampenuntersuchung finden sich Zeichen einer
schweren Entzündung (Lidödem, Chemosis, Bindehauthyperämie, Hypopyon
etc.), bei der Funduskopie zeigen sich Glaskörpertrübungen (evtl. mit fehlendem
Rotreflex).
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604
605
I 3.6 Infektionen der Tränenorgane
Therapie: Die Therapie richtet sich nach dem spezifischen Erreger. Die antimikrobiellen Medikamente werden lokal, systemisch und auch intravitreal verabreicht.
Bei ausgeprägter Entzündung kann eine Entfernung des Glaskörpers (Vitrektomie) notwendig werden.
Therapie: Erregerspezifische antimikrobielle Therapie (lokal, systemisch, intravitreal), ggf. Entfernung des Glaskörpers
(Vitrektomie).
3.5 Infektionen der Orbita
3.5
▶ Definition: Die wichtigste und schwerste Infektion im Orbitabereich ist die Orbitaphlegmone. Es handelt sich um eine akute Entzündung der Weichteilgewebe
in der Augenhöhle.
◀ Definition
Ätiologie: Die Orbitaphlegmone entsteht meist durch eine fortgeleitet Entzündung aus der Umgebung (meist aus den Nasennebenhöhlen bei Sinusitis); sie
kann aber auch infolge einer iatrogenen bzw. traumatische Inokulation auftreten.
Häufig ist sie bakteriell bedingt (z. B. Staphylococcus aureus), selten sind Schimmelpilze auslösend (z. B. Aspergillus fumigatus, s. Abb. E-2.9, S. 481 oder Zygomyzeten).
Ätiologie: Die Orbitaphlegmone entsteht
meist durch eine fortgeleitet Entzündung
(Sinusitis). Verursacher sind Bakterien oder
Schimmelpilze.
Klinik: Die Orbitaphlegmone ist gekennzeichnet durch ein schweres Krankheitsgefühl mit Fieber und Schmerzen, die durch Augenbewegungen verstärkt werden.
Die Bulbusbeweglichkeit ist deutlich eingeschränkt und neben einem Exophthalmus sind Bindehaut (Chemosis) und Augenlider geschwollen. Durch eine Fortleitung der Entzündung ins ZNS kann es zu lebensbedrohlichen Komplikationen
kommen (Sinus-cavernosus-Thrombose, Meningitis, Hirnabszess, Sepsis).
Klinik: Die Orbitaphlegmone ist durch
schweres Krankheitsgefühl, eingeschränkte Bulbusbeweglichkeit und
Exophthalmus gekennzeichnet. Lebensbedrohliche Komplikationen können durch
intrazerebrale Fortleitung entstehen.
Diagnostik: Bestimmung von Körpertemperatur, Entzündungsparametern (CRP,
BSG) und Blutbild, ggf. auch Anfertigung einer Blutkultur bei fehlendem Ansprechen der Therapie. Zur Erfassung der Entzündungsausdehnung (prä- oder postseptal) und der Ursache (Sinusitis) kann eine CT hilfreich sein.
Diagnostik: Bestimmung von Körpertemperatur, Entzündungsparametern und Blutbild; ggf. Blutkultur und CT.
◀ Merke
▶ Merke: Aufgrund der möglichen intrakraniellen Komplikationen sollte eine
sofortige Antibiose eingeleitet werden.
Therapie: Wichtig ist eine sofortige stationäre antimikrobielle Therapie; ggf. muss
eine Sanierung des Entzündungsherdes (Nasennebenhöhlen) erfolgen.
Therapie: Wichtig ist eine sofortige stationäre antimikrobielle Therapie.
3.6 Infektionen der Tränenorgane
3.6
▶ Definition: Entzündungen der Tränenwege können die Tränendrüse (Dakryoadenitis), die Tränenkanälchen (Kanalikulitis) oder den Tränensack (Dakryozystitis) betreffen (Tab. I-3.3).
I-3.3
Infektionen der Tränenorgane
◀ Definition
Infektionen der Tränenorgane
Ätiologie
Klinik
Therapie
Dakryoadenitis
akut: Virusinfektionen (z. B. Masern,
Mumps, Röteln), Pneumokokken,
Staphylokokken
chronisch: Lues, Tbc
akut: schmerzhafte Rötung
und Schwellung des Oberlids
chronisch: geringere Symptomatik
symptomatisch (desinfizierende
Umschläge)
ggf. Antibiose oder Behandlung der
Grunderkrankung
Kanalikulitis
häufig Aktinomyzeten (Konkrementbildung), auch Chlamydien, Candida
und Aspergillus
Rötung und Schwellung im Bereich
des Kanals, evtl. Eiteraustritt am
Tränenpünktchen
lokale Antibiose
ggf. Entfernung der Konkremente
Dakryozystitis
akut: Tränenwegsstenose mit nachfolgender bakterieller Superinfektion (Staphylokokken, Pneumokokken, Pseudomonas)
chronisch: Folge der akuten Dakryozystitis
akut: nasale schmerzhafte Rötung
und Schwellung
chronisch: Tränenträufeln
(Epiphora)
akut: lokale und systemische Antibiose, ggf. Inzision (Eiterabfluss),
nach akuter Phase: Operation
chronisch: ggf. lokale Antibiose,
Operation
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Infektionen der Orbita
I 4 Infektionen des Ohres
Infektionen des Ohres
4
Infektionen des Ohres
4
4.1
Infektionen des äußeren
Gehörgangs
4.1 Infektionen des äußeren Gehörgangs
▶ Definition
▶ Definition: Infektionen des äußeren Gehörgangs werden als Otitis externa bezeichnet. Sie können lokal begrenzt sein (Gehörgangfurunkel, sog. Otitis externa
circumscripta) oder den gesamten Gehörgang betreffen (Otitis externa diffusa).
▶ Merke
▶ Merke: Eine besonders schwer verlaufende Form ist die Otitis externa maligna, die durch eine Infektion mit Pseudomonas aeruginosa verursacht wird.
Sie tritt meist bei Diabetikern oder Immusuppression auf. Eine Gewebsinvasion
führt zu Korpel- und Knochendestruktion ggf. sogar zu Sepsis, Meningitis, Hirnabszess).
Ätiologie: Durch Störung der Schutzbarriere
(mechnische Manipulation, Chlorwasser,
Diabetes) können Infektionen durch Keime
der Umwelt bzw. der menschlichen Flora
auftreten. Hinzu kommen virale Infektionen.
Ätiologie: Im Prinzip ist der äußere Gehörgang durch die dicke Epithelbarriere
sowie durch humorale Schutzfaktoren, wie etwa dem Cerumen (Ohrenschmalz),
vor Infektionen weitgehend geschützt. Kommt es zu einer Störung dieser Schutzbarriere, z. B. durch mechanische Manipulation (Wattestäbchen, Kratzspuren),
können Infektionen durch Umweltkeime (Pseudomonas aeruginosa, Aspergillus
niger) oder Keime der menschlichen Flora (Staphylococcus aureus, Enterobacteriaceen) auftreten. Auch häufiges Schwimmen in Chlorwasser (Austrocknung der
Gehörgangshaut), anhaltende Feuchtigkeit (häufiges Baden) oder insbesondere
das Vorliegen eines Diabetes mellitus können eine Infektion begünstigen. Schließlich kann auch im Rahmen einer Reaktivierung von VZV (Herpes zoster oticus) und
HSV die Gehörgangshaut betroffen sein.
Klinik: Oberflächliche Infektionen verlaufen
blande. Tiefere Infektionen führen zu Juckreiz und brennenden Schmerzen, evtl. mit
Ausfluss.
Klinik: Oberflächliche Infektionen können unbemerkt verlaufen. Wenn die Entzündung tiefer in die Haut vordringt und stärker wird, spürt der Patient Juckreiz
und brennende Schmerzen. Außerdem kann es zu einem verstärkten Ausfluss
(„nässendes Ohr“) und evtl. einer Minderung der Hörleistung kommen.
Diagnostik: Bei der Inspektion sieht man je
nach Intensität Rötung und Eiterung, bei
einer Otomykose evtl. einen Pilzrasen. Eine
mikrobiologische Untersuchung (mikroskopisch, kulturell, molekularbiologisch)
kann die Ätiologie klären.
Diagnostik: Bei der Inspektion sieht man abhängig von der Intensität der Entzündung eine Rötung und evtl. Eiterung. Bei einer Otomykose ist häufig ein regelrechter „Pilzrasen“ auf der Haut des Gehörgangs zu erkennen; bei Aspergillus niger als
Ursache erscheinen die betroffenen Areale schwarz. Eine mikrobiologische Untersuchung (mikroskopisch, kulturell und ggf. molekularbiologisch mittels PCR) von
Abstrichen der Gehörgangshaut ist zur Klärung der Ätiologie sinnvoll. Bei der malignen Otitis externa kann zur Erfassung der Knochendestruktion eine CT hilfreich
sein.
Therapie: Reinigung des Gehörgangs, lokale
Desinfektion ist oft ausreichend, ggf. lokale
antimikrobielle Therapie je nach Ursache.
Systemische Therapie ist selten indiziert
(z. B. Diabetiker).
Therapie: Oft reicht eine Reinigung des Gehörgangs und die Anwendung von lokalen Desinfektionsmitteln (z. B. Jodophoren, Octenisept bzw. Polyhexanid, s. auch
S. 692) aus. Die lokale antimikrobielle Behandlung richtet sich nach der zugrunde
liegenden Ursache; selten ist eine systemische Therapie indiziert (z. B. bei Diabetikern). Die Therapie der Otitis externa maligna muss stationär erfolgen (u. a. mit
lokaler und hochdosierter systemischer Antibiose, ggf. operative Therapie mit
Abtragung des betroffenen Knochens).
4.2
Infektionen des Mittelohrs
▶ Definition
Ätiopathogenese: Durch die Schleimhautschwellung bei Rhinitis wird das Mittelohr
nicht ausreichend belüftet und das Sekret
kann nicht abfließen. Dies begünstigt eine
4.2 Infektionen des Mittelohrs
▶ Definition: Die akute Mittelohrentzündung (Otitis media acuta) ist eine der
häufigsten Erkrankungen im Kindesalter; sie tritt aber auch bei Jugendlichen
und Erwachsenen auf. Bis zum 3. Lebensjahr haben etwa ⅔ aller Kinder diese
Erkrankung durchgemacht.
Ätiopathogenese: Die akute Mittelohrentzündung entsteht meist im Rahmen
eines viralen Infekts der oberen Luftwege (Rhinitis) unter Beteiligung der
Schleimhaut der Tuba auditiva Eustachii, selten infolge eines Trommelfelldefekts.
Gerade bei Kindern, bei denen die Tuba mehr horizontal gestellt ist, führt die
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606
607
Schwellung der Schleimhaut zu einer Obstruktion, welche noch durch vergrößerte
Rachenmandeln begünstigt wird. Die Belüftung des Mittelohrs und der Sekretabfluss sind dadurch empfindlich gestört, was eine bakterielle Infektion begünstigt.
Zu den häufigsten Erregern zählen Pneumokokken, Staphylococcus aureus, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis und gelegentlich auch Enterobacteriaceaen (z. B. Klebsiella pneumoniae). Auch mit anaeroben Bakterien muss gerechnet
werden (u. a. Peptostreptococcus, Fusobacterium, Prevotella und Porphyromonas).
Seltener sind Viren für die Entzündung des Mittelohres direkt verantwortlich (z. B.
Masernvirus, Enteroviren, RSV, Rhinoviren, Influenza- und Parainfluenza- sowie
Adenoviren).
Infektion mit Bakterien (meist Pneumokokken, Staphylococcus aureus, Haemophilus
influenzae, Moraxella catarrhalis, selten mit
anaeroben Bakterien). Auch virale Infektionen können direkt für die Mittelohrentzündung verantwortlich sein.
Klinik und Komplikationen: Typische Symptome der akuten Otitis media sind
starke Ohrenschmerzen, Druckgefühl, Fieber und Allgemeinbeschwerden
(Kopf- und Gliederschmerzen), evtl. auch Hörminderung. Charakteristisch ist
auch ein sog. Tragusschmerz bei Druck auf diesen Ohrknorpel. Insbesondere bei
kleinen Kindern stehen häufig nicht die Ohrenbeschwerden, sondern unspezifische Symptome wie Appetitlosigkeit und Bauchschmerzen im Vordergrund.
Komplikationen entstehen durch eine Fortleitung der eitrigen Infektion auf benachbarte Strukturen. Es kann zu Mastoiditis, Labyrinthitis (Innenohrbeteiligung
mit Drehschwindel, Übelkeit, Gleichgewichtstörungen) und zu lebensbedrohlichen endokraniellen Komplikationen (Meningitis, Hirnabszess) kommen. Heilt
eine akute Mittelohrentzündung nicht vollständig aus, kann sich eine chronische
Otitis media entwickeln.
Klinik und Komplikationen: Typische
Symptome sind starke Schmerzen, Druckgefühl, Fieber und Allgemeinbeschwerden.
▶ Merke: Die chronische Otitits media ist im Vergleich zur akuten Form auf
einen permanten Defekt des Trommelfells zurückzuführen. Auch das Erregerspektrum sieht hier etwas anders aus (häufig Pseudomonas aeruginosa, aber
auch Staphylococcus aureus, Enterobacteriaceae). Klinisch steht die Hörminderung im Vordergrund.
Diagnostik: Bei der Otoskopie (Abb. I-4.1) zeigt sich ein gerötetes und vorgewölbtes Trommelfell, evtl. ist auch eine Spontanperforation mit Eiterentleerung in den
Gehörgang sichtbar (Abstrich). Eine Parazentese (Einschnitt des Trommelfells), um
gezielt Material für eine mikrobiologische Untersuchung zu gewinnen, ist nur bei
schweren Verlaufsformen, z. B. einem stark eitrigen Erguss, sinnvoll. Der Hörverlust kann ggf. im Rahmen einer Hörprüfung quantifiziert werden.
I-4.1
Otoskopischer Befund bei akuter Otitis media
Therapie: Die Spontanheilungsrate ist insbesondere bei Kinder relativ hoch. Daher
sind bei geringer Beeinträchtigung Maßnahmen wie Bettruhe, analgetische/antientzündliche Therapie (NSAR), abschwellende Nasentropfen oder auch feuchte
Ohrwickel ausreichend. Bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion kann eine Antibiotikatherapie, z. B. Makrolide, Ampicillin (evtl. kombiniert mit einem β-Laktamaseinhibitor) oder Cephalosporine der 2. Generation, den Heilungsprozess
beschleunigen und evtl. eine Chronifizierung verhindern.
Komplikationen entstehen durch eine Fortleitung der Entzündung auf benachbarte
Strukturen (Mastoiditis, Labyrinthitis, Meningitis, Hirnabszess).
◀ Merke
Diagnostik: Charakteristisch ist der sog.
Tragusschmerz. Bei der Otoskopie
(Abb. I-4.1) sieht man eine Rötung und
Vorwölbung des Trommelfells.
I-4.1
Therapie: Aufgrund der hohen Spontanheilungsrate sind Maßnahmen wie Bettruhe,
analgetische/antientzündliche Therapie,
abschwellende Nasentropfen oder auch
feuchte Ohrwickel ausreichend. Bei bakterieller Infektion kann eine Antibiotikatherapie in Erwägung gezogen werden.
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I 4.2 Infektionen des Mittelohrs
608
I 5 Infektionen der oberen Luftwege
Der seröse Erguss kann nicht auf natürlichem Wege drainiert werden, solange die
Abflussstörung anhält. Vielmehr muss eine Trommelfellperforation Entlastung
bringen und Schmerz und Druckgefühl vermindern.
Infektionen der oberen Luftwege
5.1
Infektionen von Nase
und Nasennebenhöhlen
Ätiologie: Meist sind Viren Erreger von Rhinitis oder Sinusitis (Tab. I-5.1). Eine bakterielle Superinfektion (z. B. mit Pneumokokken, Haemophilus influenzae oder Staphylokokken) ist möglich. Auch Schimmelpilze
können bei vorgeschädigter Schleimhaut die
Nebenhöhlen kolonisieren und ein Pilzgeflecht („fungus ball“, Abb. I-5.1) hervorrufen.
Die Entzündung der Kiefernhöhlen kann auch
dentogen bedingt sein.
I-5.1
5
Infektionen der oberen Luftwege
5.1 Infektionen von Nase und
Nasennebenhöhlen
Ätiologie: Vor allem virale Erreger (Tab. I-5.1) können akute, seröse Entzündungen der Nasenschleimhaut (Rhinitis) und der Nebenhöhlen (Sinusitis) hervorrufen. Differenzialdiagnostisch muss an eine allergische Ursache der Rhinitis gedacht werden, was durch gezielte Anamnese und ggf. Allergietestung geklärt werden sollte. Bakterielle Superinfektion (z. B. mit Pneumokokken, Haemophilus influenzae oder Staphylokokken) sind möglich. Bei Chronifizierung können ganz
verschiedene Bakterien beteiligt sein. Ein spezielles Problem können Schimmelpilze (v. a. Aspergillus fumigatus und Zygomyzeten) erzeugen: Wenn die Pilzsporen eingeatmet werden, können sie bei vorgeschädigter Schleimhaut der unspezifischen Abwehr entgehen und die Nebenhöhlen kolonisieren, wobei sich lokal ein
dichtes Pilzgeflecht („fungus ball“, s. Abb. I-5.1) entwickelt, das dann weder von
der körpereigenen Abwehr noch von Antimykotika beseitigt werden kann.
Dentogene Infektionen der Kieferhöhlen sind ebenfalls möglich.
I-5.1
Typische Erreger von katarrhalischen Entzündungen der oberen Luftwege
(„common cold“)
Adenoviren
Coronaviren
Coxsackieviren
ECHO-Viren
Enteroviren
Influenzavirus
Rhinoviren
RSV
Pneumovirus
Paramyxovirus
Klinik: Typisch für Rhinitis und Sinusitis sind
die vermehrte Sekretproduktion, das eingeschränkte Riechvermögen und die mangelnde Belüftung der Nebenhöhlen und des
Mittelohres. Das Auftreten von Heiserkeit,
Husten, Schnupfen und Augenträufeln ist
charakteristisch für einen katarrhalischen
Infekt. Wenn mehrere Nebenhöhlen betroffen sind (Pansinusitis), kann die Entzündung
durch bakterielle Superinfektion aggravieren
und eitrig werden. Kopfschmerzen, Unwohlsein und Fieber nehmen zu. Narbige
Veränderungen der Schleimhäute führen zur
Chronifizierung.
Eine Schimmelpilzinfektion kann Orbita oder
ZNS befallen.
Klinik: Bei Rhinitis und Sinusitis kommt es zur vermehrten Sekretproduktion. Die
Atmung, das Riechvermögen und die Belüftung der Nasennebenhöhlen sowie des
Mittelohres sind mehr oder weniger stark betroffen. Andere Schleimhautareale
(z. B. Rachen und Konjunktiven) sind meistens gleichzeitig betroffen. Schnupfen,
Heiserkeit, Husten und Augenträufeln sind also die klassischen Symptome bei
diesen katarrhalischen Infekten (im Volksmund auch Erkältung = „common
cold“ genannt). Wenn die Blockade der Belüftung der Nebenhöhlen anhält, steigt
die Gefahr, dass mehrere Nebenhöhlen in Mitleidenschaft gezogen werden (Pansinusitis) und durch bakterielle Superinfektion die Entzündung noch aggraviert und
eitrig wird. Dann verstärken sich auch die Beschwerden des Patienten wie Kopfschmerzen, Unwohlsein und Fieber. Bei ineffizienter antibiotischer Therapie können die Schleimhäute geschädigt werden. Es kommt zu narbigen Veränderungen,
welche eine Chronifizierung bahnen, wobei auch eine Invasion in die umgebenden
Knochen droht.
Liegt eine Infektion durch Schimmelpilze vor, kann es zu dramatische Konsequenzen kommen, wenn die Pilze in die Umgebung auswandern. Die Orbita (s. S. 605)
oder sogar das ZNS können befallen werden. Abwehrgeschwächte Patienten (z. B.
mit Neutropenie bei Leukämie oder unter chemotherapeutischer Behandlung)
sind in hohem Maße bedroht.
Diagnostik: Die akute Rhinosinusitis ist
meist eine klinische Diagnose. Bildgebende
Verfahren und eine Erregerbestimmung
können bei komplizierten Fällen oder bei
Chronifizierung indiziert sein.
Diagnostik: Die Diagnostik der akuten Rhinosinusitis stützt sich auf den typischen
klinischen Befund; bei Unklarheit oder zur Erfassung von Komplikationen können
bildgebende Verfahren (Endoskopie, Röntgen, CT) hilfreich sein. Eine Erregerbestimmung (Punktion der Nasennebenhöhlen) ist meist nur bei Chronifizierung
oder komplizierten Fällen indiziert.
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5
609
I 5.2 Infektionen von Rachen und Larynx
I-5.1
Schädel-CT einer 18-jährigen Patientin mit Aspergillusinfektion der linken Kieferhöhle
Therapie: Schleimhautabschwellende Mittel können Linderung bringen. Bei bakterieller Superinfektion muss eine kalkulierte antibiotische Therapie mit Aminopenicillinen (evtl. in Kombination mit Betalaktamase-Inhibitoren), Oralcephalosporinen, Makroliden oder Chinolonen verordnet werden.
Bei einer Infektion der Nebenhöhlen durch Schimmelpilze kann nur die rechtzeitige chirurgische Intervention verhindern, dass die Pilze in die Umgebung invadieren. Eine Ausbreitung der Infektion auf andere Organe muss durch die Gabe systemischer Antimykotika (z. B. Voriconazol) verhindert werden.
Therapie: Schleimhautabschwellende Mittel sind hilfreich. Die Gabe von Antibiotika
(Aminopenicilline, Oralcephalosporine, Makrolide oder Chinolone) ist bei bakterieller
Superinfektion angebracht. Bei Schimmelpilzinfektion sollte chirurgisch eingegriffen
werden und zusätzlich eine antimykotische
Therapie erfolgen.
▶ Klinischer Fall: Eine 18-jährige Patientin klagt schon seit geraumer Zeit über eine „blockierte
Nase“. Sonst fühlt sie sich allerdings völlig gesund. Am Freitagnachmittag bemerkt sie unter
dem linken Auge eine Rötung und Schwellung, die innerhalb von Stunden progressiv zunimmt.
Der Notarzt überweist sie in die Klinik; das Schädel-CT zeigt eine Verschattung in der Kieferhöhle,
die bereits den Knochen zur Orbita und zur Schädelbasis durchbrochen hat (Abb. I-5.1). Deswegen
wird noch in derselben Nacht der „Tumor“ operativ entfernt, wobei die weiche Konsistenz des
Probenmaterials auffällt. Eine mikroskopische Untersuchung zeigt Pilzhyphen und am nächsten
Tag ist in der Kultur Aspergillus fumigatus gewachsen. Die Patientin erhält zusätzlich systemisch
Voriconazol.
◀ Klinischer Fall
5.2 Infektionen von Rachen und Larynx
Ätiopathogenese und Klinik: Die Tonsillen, die zum lymphatischen System zählen, spielen einerseits eine wichtige Rolle bei der lokalen Abwehr. Andererseits
ist die Angina tonsillaris eine häufige Komplikation bei Infektionen mit Viren
(Tab. I-5.1), die meist eine seröse Entzündung induzieren (Ausnahme Herpangina,
d. h. Bläschenbildung durch Coxsackie A), und Bakterien (Tab. I-5.2), die eine eitrige
Entzündung hervorrufen. Häufig besteht nicht nur eine Tonsillitis, sondern auch
eine Tonsillopharyngitis, weil das umliegende weiche Gewebe, das leicht zu
Ödembildung neigt, mitbetroffen ist und die Symptome verstärkt.
I-5.2
5.2
Infektionen von Rachen und Larynx
Ätiopathogenese und Klinik: Bei bakterieller Superinfektion einer viral (Tab. I-5.1) verursachten „common cold“ kommt es zur
eitrigen Angina tonsillaris (Tab. I-5.2). Es
entsteht eine Tonsillopharyngitis oder als
lokale Komplikation eine Peritonsillarabszess bzw. eine Seitenstrangangina. Auch
systemische Folgen sind möglich.
Spezifische Ursachen von eitriger Angina tonsillaris
Erreger
Klinik
Streptococcus pyogenes
einige, kleine, weiche, schmierige Eiterherde auf den Tonsillen (Stippchen)
mit starker Rötung
ggf. Scharlachexanthem der Haut (bei Produktion erythrogener Toxine durch
die Streptokokken, s. S. 320)
Corynebacterium diphtheriae
Diphtherie mit großflächigen Eiterherden auf den Tonsillen, die hart sind und
bei Entfernung bluten; starke, ausgedehnte Rötung; Foetor
Fusobacterium/Borrelia
Angina Plaut Vincenti (ulzeröse Angina), einseitig
gelegentlich auch: Neisserien, Haemophilus,
Bordetella, Chlamydien, Mycoplasmen, Anaerobier
kleine, weiche, eitrige Herde auf den Tonsillen
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Man sieht eine kompakte Masse in den Nasenebenhöhlen
(Pfeile), die bereits den Knochen zur Orbita und zur Schädelbasis
durchbrochen hat.
Bei akuter Laryngitis ist zudem die Trachea
betroffen, was zu verstärktem Hustenreiz
führt.
Die Epiglottitis kann durch ödematöse
Entzündung zum Ersticken führen.
I 6 Infektionen der unteren Luftwege
Lokale Komplikationen können entstehen, wenn sich ein Peritonsillarabszess
bzw. eine Seitenstrangangina entwickeln, wobei man dann auch an Mischinfektion möglicherweise mit Anaerobiern denken muss. Da auch systemische Folgen
(z. B. durch Diphtherietoxin oder durch eine Immunreaktion gegen Streptokokkenantigen wie z. B. in Form des akuten rheumatischen Fiebers) auftreten können,
ist eine Diagnose und baldige Therapie dringend.
Eine akute Laryngitis, die meistens durch Viren (Tab. I-5.1), seltener durch Bakterien (Pneumokokken, Moraxella, Haemophilus) bedingt ist, greift meistens auf die
Trachea über, was den Hustenreiz noch verstärkt. Vor allem Patienten mit Begleiterkrankungen wie COPD, Asthma und Herzinsuffizienz leiden darunter stark.
Eine isolierte akute, ödematöse Entzündung der Epiglottis (Epiglottitis, v. a. durch
Haemophilus influenzae) kann zum Ersticken führen.
Diagnostik: Mikroskopie und Kultur. Das
Material gewinnt man durch einen Abstrich.
Diagnostik: Zur Diagnose der eitrigen Tonsillitis eignet sich die Mikroskopie (die
Angina Plaut Vincenti ist ausschließlich mikroskopisch nachweisbar, weil die anaeroben Bakterien schlecht anzüchtbar sind) und die Kultur. Das Material gewinnt
man durch einen Abstrich.
Therapie: Bei bakterieller Infektion sollten
Penicillin, Cephalosporine der 2. Generation
oder Makrolide gegeben werden; unterstützend lokal Gramicidin und zum Gurgeln
schleimhautverträgliche Antiseptika.
Bei Epiglottitis muss vor Antibiotikagabe
sofort intubiert werden.
Therapie: Zur antimikrobiellen Therapie geeignet sind Penicillin, Cephalosporine
der 2. Generation und Makrolide. Evtl. kann die Therapie noch unterstützt werden
durch lokale Gabe von Gramicidin (z. B. Lemocin Lutschtabletten) und Gurgeln mit
schleimhautverträglichen Antiseptika (jodhaltige Verbindungen, Chlorhexidin
oder Cetylpyridiniumchlorid).
Eine Epiglottitis erfordert eine rasche Intubation bzw. sogar eine Tracheotomie
gefolgt von einer Antibiotikatherapie (z. B. Ampicillin).
Infektionen der unteren Luftwege
6
Infektionen der unteren Luftwege
6
6.1
Infektionen von Trachea
und Bronchien
6.1 Infektionen von Trachea und Bronchien
6.1.1 Akute Tracheobronchitis
6.1.1 Akute Tracheobronchitis
Ätiologie: Verursacher sind Viren (Tab.
I-5.1, S. 608) oder Bakterien (auch als Superinfektion). Differenzialdiagnostisch kommen eine akute Exazerbation obstruktiver
Lungenerkrankungen und andere nichtinfektiöse Ursachen (Gase, Allergene) in Betracht.
Ätiologie: Die akute Tracheitis und Bronchitis werden durch diverse Viren (Tab.
I-5.1, S. 608) die das Flimmerepithel schädigen, verursacht. Möglich sind auch
bakterielle Infektionen bzw. Superinfektionen, die typischerweise nach anfänglicher Besserung der Symptome auftreten. Differenzialdiagnostisch muss an eine
akute Exazerbation einer obstruktiven Lungenerkrankung wie Asthma und
COPD und andere nichtinfektiöse Ursachen (z. B. Reizung durch Gase oder Allergene) gedacht werden.
Klinik: Bei der akuten Tracheitis und Bronchitis dominiert das Symptom Husten
mit Auswurf unterschiedlicher Farbe und Konsistenz. Zunächst ist die Farbe
weiß und kann bei Hämoptysen rötlich eingefärbt sein. Bei bakterieller Infektion
wird der Auswurf eitrig und gelb-grünlich.
Diagnostik: Bei der Auskultation hört man neben einem verschärften Atemgeräusch auch mittel- bis grobblasige Rasselgeräusche. Oft kommen noch obstruktive
Atemnebengeräusche, wie Giemen und Pfeifen, dazu. Röntgenologisch kann man
die Veränderungen nicht erfassen. Eine kulturelle Untersuchung von Sputum auf
Bakterien ist sinnvoll. Enterokokken sind zwar öfters im Sputum nachweisbar,
kommen aber praktisch nie als Erreger in Frage.
Klinik: Husten mit Auswurf unterschiedlicher Konsistenz und Farbe ist typisch.
Diagnostik: Bei der Auskultation sind verschärfte Atemgeräusche, mittel- bis grobblasige Rasselgeräusche und evtl. obstruktive
Atemnebengeräusche zu hören. Das Sputum
sollte auf Bakterien untersucht werden.
▶ Merke
Ein Antigennachweis dient zur Erfassung
von Influenzaviren. Mit PCR können Erreger
von Infektionen der oberen Luftwege nachgewiesen werden. Sonst ist der indirekte
▶ Merke: Bei der Gewinnung von Sputum ist streng darauf zu achten, dass
Sputum und nicht Speichel abgeliefert wird.
Influenzaviren können mittels eines Antigennachweises erfasst werden. Mehrere
Erreger von Infektionen der oberen Luftwege – inklusive des humanen Metapneumovirus (s. S. 229), das vor allem bei Kindern recht häufig ist – können in einigen
Labors mittels PCR nachgewiesen werden. Sonst bleibt der indirekte Nachweis
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610
611
I 6.1 Infektionen von Trachea und Bronchien
6.1.2 Chronische Bronchitis bzw. akute Exazerbation/
Infektexazerbation der COPD
Nachweis spezifischer Antikörper im Blut
möglich (auch bei V. a. auf Pertussis).
Therapie: Bakterielle Infektionen werden mit
Aminopenicillin (+ Belataktamase-Inhibitor),
Cephalosporinen der 2. Generation, Makroliden oder Tetrazyklin behandelt. In schweren
Fällen können Chinolone gegeben werden.
6.1.2 Chronische Bronchitis
bzw. akute Exazerbation/
Infektexazerbation der COPD
▶ Definition: Die Rekonvaleszenz einer akuten Tracheobronchitis kann sich – je
nach Abwehrlage – lange hinziehen. Von einer chronischen Bronchitis spricht
man bei Husten und produktivem Auswurf an den meisten Tagen innerhalb von
mindestens 3 Monaten in 2 aufeinander folgenden Jahren.
◀ Definition
Ätiopathogenese und Klinik: Bei einer chronischen Bronchitis, muss nach einer
obstruktiven Lungenerkrankung (meist durch langjähriges Zigarettenrauchen),
nach Neoplasien und auch nach Tuberkulose gesucht werden.
Im Prinzip sollte man die einfache chronische Bronchitis (ohne Obstruktion) von
der obstruktiven Verlaufsform (COPD) unterscheiden (Tab. I-6.1).
Ätiopathogenese und Klinik: Bei chronischer Bronchitis kommen eine obstruktive
Lungenerkrankung, Neoplasien oder eine
Tuberkulose in Betracht.
Man unterscheidet zwischen chronischer
Bronchitis und COPD (Tab. I-6.1).
I-6.1
Unterschiede zwischen chronischer Bronchitis und COPD
chronische Bronchitis
COPD
Lokalisation der Erkrankung
zentrale Atemwege
periphere Atemwege
Obstruktion
Nein
Ja
Reversibilität
Ja
Nein
produktiver Auswurf
Ständig
Intermittierend
Emphysem
Nein
häufig
I-6.1
Ursachen für eine Exazerbation einer COPD, die durch Zunahme der Dyspnoe, der
Auswurfmenge und der Purulenz des Auswurfs gekennzeichnet ist, sind meistens
Bakterien, die auch normalerweise diese Areale besiedeln (z. B. Haemophilus influenzae und Pneumokokken). Bei vorgeschädigten Flimmerepithelien (z. B. durch
Rauchen) ist die Barrierefunktion nicht mehr intakt (s. Abb. D-2.82, S. 425). Solche
Schwachstellen können von den kolonisierenden Bakterien leicht penetriert werden (s. Abb. D-2.81, S. 422). Durch abgelaufene Infektionen können weitere lokale
Narben im Epithel entstehen. Es entsteht so ein Teufelskreis.
Die Exazerbation einer COPD wird meist
durch Haemophilus influenzae und Pneumokokken verursacht. Sie dringen bei vorgeschädigten Flimmerepithelien ein. Abgelaufene Infektionen verursachen zudem
weitere Narben.
Diagnostik: Dyspnoe, Sputummenge, Purulenz des Sputums und Temperaturerhöhung sind zu bewerten. Eine mikrobiologische Untersuchung des Sputums ist
nur dann sinnvoll, wenn das Material zügig verarbeitet werden kann, weil sich
sonst die Bakterienflora rasch ändert. Eine Tuberkulose sollte ausgeschlossen werden.
Diagnostik: Dyspnoe, Sputummenge, Purulenz des Sputums und Temperaturerhöhung
sind wichtige Kriterien. Die mikrobiologische
Untersuchung von Sputum ist zweitrangig.
Therapie: Die antimikrobielle Therapie richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung, wobei im Prinzip ähnliche Antibiotika wie bei der akuten Bronchitis eingesetzt werden. Obwohl bei der mikrobiologischen Untersuchung Sprosspilze gefunden werden, ist deren pathogenetische Bedeutung gering, so dass keine antimykotische Therapie nötig ist.
Therapie: Es wird mit ähnlichen Antibiotika
wie bei der akuten Form behandelt.
Prophylaxe: Impfung gegen Pneumokokken.
Prophylaxe: Ratsam ist eine Impfung gegen Pneumokokken (s. S. 707), nicht zuletzt, um schwerwiegende Komplikationen (Pneumonie, Sepsis) zu unterbinden.
Prophylaxe: Pneumokokkenimpfung.
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durch spezifische Antikörper im Blut. Dies sollte auch bei V. a. auf Bordetella pertussis gemacht werden, da der Erreger im Stadium convulsivum nicht mehr kulturell nachweisbar ist (s. S. 412).
Therapie: Die kalkulierte Therapie einer bakteriellen Infektion bzw. Superinfektion kann mit Aminopenicillin (kombiniert mit einem Belataktamaseinhibitor),
einem Cephalosporin der 2. Generation, Makroliden oder Tetrazyklin erfolgen.
Chinolone sind ebenfalls meistens wirksam, sollten aber für besonders schwere
Fälle und Begleiterkrankungen vorbehalten bleiben.
612
I 6 Infektionen der unteren Luftwege
6.1.3 Bronchiolitis
6.1.3 Bronchiolitis
Ätiopathogenese: Im Säuglings- und Kleinkindalter kommt es zu Infektionen durch
RSV, Parainfluenzaviren, Masernviren, selten
auch Mykoplasmen oder Chlamydien. Es
droht eine proliferative, fibroblastenreiche
Entzündung mit Kollaps der nachgeschalteten
Luftwege.
Klinik: Obstruktion und Hypoxämie nehmen
mit Fortschreiten der Krankheit zu.
▶ Definition: Akute obstruierende Entzündung in den terminalen luftleitenden
Bronchiolen sowie der Übergangszone zu den gasaustauschenden Bronchiolen.
Ätiopathogenese: Ursächlich sind Infektionen z. B. mit RSV, Parainfluenzaviren,
Masernviren, seltener auch mit Mykoplasmen oder Chlamydien, die meistens
Säuglinge und Kleinkinder betreffen und gehäuft in den Wintermonaten auftreten. Die Infektion in den Bronchiolen kann zu einer proliferativen, fibroblastenreichen Entzündung führen, sodass die nachgeschalteten Lufträume kollabieren.
Klinik: Während anfangs die Beschwerden wie Schnupfen, Husten mit Auswurf
und leichte Dyspnoe noch wenig typisch sind, kommt es zunehmend zu Obstruktion und Hypoxämie.
Diagnostik: Die klinische Beurteilung ist primär. Eine mikrobiologische Untersuchung
von Trachealsekret kann versucht werden.
Diagnostik: Die Beurteilung der Einschränkung der Atemfunktionen und deren
Folgen steht im Vordergrund. Eine mikrobiologische Klärung gelingt durch Virusnachweis im Trachealsekret.
Therapie: Es sollte symptomatisch und evtl.
mit Steroiden therapiert werden. Bei bakteriellem Erregernachweis werden Antibiotika
gegeben.
Therapie: Neben symptomatischer Therapie (Sauerstoffgabe, evtl. inhalative Gabe
von β2-Sympathomimetika) kann die orale Gabe von Steroiden die Intensität der
entzündlichen Reaktion hemmen und somit den Heilungsprozess begünstigen.
Nur bei Nachweis eines bakteriellen Erregers werden ggf. Antibiotika gegeben.
6.2
Infektionen des Lungenparenchyms
und der Pleura
6.2.1 Pneumonie
▶ Definition
6.2 Infektionen des Lungenparenchyms und
der Pleura
6.2.1 Pneumonie
▶ Definition:
Ambulant erworbene Pneumonie (community acquired pneumonia, CAP),
auch eine innerhalb von < 48 Stunden nach stationärer Aufnahmen auftretende
Pneumonie.
Nosokomiale Pneumonie: Im Krankenhaus erworbene Pneumonie (hospital
acquired pneumonia, HAP), die > 48 Stunden nach Aufnahme auftritt.
Epidemiologie: Die Pneumonie ist laut WHO
weltweit eine der häufigsten Todesursachen.
Meist tritt sie nur sporadisch auf. Von zunehmender Bedeutung sind Aspirationspneumonien und nosokomiale Pneumonien
nach künstlicher Beatmung.
Epidemiologie: Nach Angaben der WHO ist die Pneumonie eine der häufigsten Todesursachen weltweit. In den industrialisierten Ländern ist die Sterblichkeit gering
außer in Zeiten von Epidemien, z. B. der Influenzaepidemie von 1957, bei der in
den USA ca. 70 000 Personen verstarben. Meistens treten aber solche Infektionen
sporadisch auf oder allenfalls in Cluster. Bei uns gewinnt das Risiko einer Aspirationspneumonie bzw. einer nosokomialen Pneumonie postoperativ bei künstlicher Beatmung zunehmend an Bedeutung.
Erreger und Pathophysiologie: Die entzündliche Reaktion führt zu einer Verschlechterung des Gasaustausches in der
Lunge.
Das Erregerspektrum ist bei der ambulant
erworbenen Pneumonie (community acquired pneumonia) anders als bei der im
Krankenhaus erworbenen (nosokomialen)
Pneumonie.
Erreger und Pathophysiologie: Bei den unterschiedlichen Pneumonie-Arten sind
auch ganz unterschiedliche Erreger beteiligt (Tab. I-6.2, I-6.3). Im klassischen Fall
führt die entzündliche Reaktion zu einer Invasion von Entzündungszellen – je
nach Erregerart können Granulozyten oder Lymphozyten überwiegen. Ein gleichzeitig bestehendes variabel ausgeprägtes Ödem erschwert die Diffusion von Sauerstoff aus den Lungenalveolen in die Arterien. Außerdem entwickelt sich zusätzlich
noch ein seröses oder mehr eitriges Exsudat in den Lungenalveolen, was die Hyperkapnie und die Hypoxämie noch verstärkt. Im fortgeschrittenen Stadium enthält
die Lunge kaum mehr luftgefüllte Alveolen, sondern erscheint als massives
Organ; man spricht deshalb auch von einer „Hepatisation“.
Manche dieser Erreger, wie z. B. Haemophilus, Branhamella, S. aureus und Pneumocystis, sind schon als Kommensalen aufden Schleimhäuten der Luftwegevorhanden
und können sich bei günstiger Gelegenheit, d. h. bei Vorschädigung, zunächst lokal
z. B. eine Bronchitis induzieren und sich dann ausbreiten. Die akute Exazerbation
einer COPD (chronic obstructive pulmonary disease) durch H. influenzae ist geradezu klassisch. Andere Erreger, wie Influenza, Mycoplasma und M. tuberculosis
Die Erreger erreichen die Lunge entweder
hämatogen oder durch Aszension nach Einatmen, wobei zunächst meist eine Bronchitis vorausgeht. Manche gehören zur physiologischen Flora der Atemwegsschleimhaut
und können exazerbieren, wie bei der akuten
Exazerbation einer COPD.
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▶ Definition
613
I 6.2 Infektionen des Lungenparenchyms und der Pleura
I-6.2
Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie
Bakterien
häufig: Diplococcus pneumoniae, Mycoplasma pneumoniae, Chlamydia pneumoniae
mäßig: Klebsiella pneumoniae (bei Alkoholikern!), Staphylococcus aureus (meist nach vorausgegangener
Virusinfektion)
selten: Mycobacterium tuberculosis, Legionella pneumophila, B. catarrhalis, H. influenzae, Chlamydia psittaci,
atyp. Mykobakterien*, Coxiella burneti, Francisella tularensis, Nocardia spp.
Pilze
selten*: Candida albicans, Aspergillus fumigatus, Pneumocystis jiroveci, Cryptococcus neoformans; nach Auslandsaufenthalt: Coccidiodes immitis, Histoplasma capsulatum
Viren
Influenza, Masern, RSV, CMV*
Parasiten
Amöbenabszesse
Würmer
Ascaris lumbricoides (passager), Echinococcus multilocularis (zystische Veränderungen)
* eigentlich nur bei Abwehrschwäche
Erreger der nosokomialen Pneumonie
gramnegative Bakterien
Enterobacteriaceae, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter spp., Xanthomonas maltophilia
bei Aspirationspneumonie muss mit Anaerobiern gerechnet werden
grampositive
Bakterien
Staphylococcous aureus (darunter auch MRSA)
Enterokokken werden oft gefunden, haben aber fast nie Krankheitswert
werden bei schicksalhafter Exposition aus der gewohnheitsmäßigen Umgebung
aufgenommen („community acquired“, Tab. I-6.2).
Bei stationärem Aufenthalt eines Patienten, speziell bei der Verwendung von Beatmungshilfen, ist besonders damit zu rechnen, dass Keime aus der Flora des Menschen, sogar aus der Darmflora, mechanisch in die Atemwege verschleppt werden.
Daneben sind aber bei diesen nosokomialen Pneumonien auch Keime aus der Flora
von benachbarten Patienten oder aus der unbelebten Umgebung, besonders aus
Feuchtbereichen, beteiligt (Tab. I-6.3).
Neben der aszendierenden Infektion, wo die Eintrittspforte eben nach Aspiration
über die Atemwege erfolgt, gibt es auch eine Absiedelung von Erregern in der
Lunge während einer hämatogenen Aussaat.
Klinik: Die typischen Symptome einer Pneumonie sind Husten und Auswurf begleitet von hohem Fieber und Tachypnoe (s. auch Abb. I-6.1). Gelegentlich klagt
der Patient über Pleuraschmerzen.
Klinik: Typisch sind Husten, Auswurf, hohes
Fieber und Tachypnoe (s. auch Abb. I-6.1).
Allgemeine Diagnostik:
Klinisch: Der hochfieberhafte Patient klagt über Atemnot evtl. begleitet von
schmerzhaften Atembewegungen. Beim tachypnoischen Patienten sind verstärkte Atemgeräusche zu hören und bei der Auskultation sind feuchte Rasselgeräusche zu vernehmen (ein Zeichen für Flüssigkeit in den Alveolen).
Allgemeine Diagnostik:
Klinisch: Der Patient klagt über Atemnot.
Bei der Auskultation sind die feuchten
Rasselgeräusche typisch.
▶ Merke: Häufig kommt es während einer fieberhaften Pneumonie zu einer
Reaktivierung von Herpes-simplex-Viren in Form von Herpesbläschen an den
Lippen, den sog. „Fieberbläschen“.
◀ Merke
Bildgebende Verfahren: Röntgenbilder und besser noch computertomographische Aufnahmen zeigen klassische Bilder von sog. typischer bzw. atypischer
Pneumonie (Abb. I-6.1). In Spezialfällen, etwa einer Aspergilluspneumonie
(Abb. I-6.2), kann man mithilfe des HR-CT (High-Resolution-Computertomografie) noch genauere Hinweise über die Ätiologie erhalten.
Bildgebende Verfahren zeigen das Ausmaß der Infiltration der Lunge. Neben der
„typischen“, zumeist bakteriellen Pneumonie, wird die „atypische“ Pneumonie
beschrieben (Abb. I-6.1 und I-6.2).
Mikrobiologische Diagnostik: Da es im Rahmen einer Pneumonie oft auch zu
einer Bakteriämie kommt, gehört eine Blutkultur unbedingt zur Abklärung einer
Pneumonie. Daneben sind natürlich auch Sputum bzw. Trachealsekret oder bronchoalveoläre Lavage oder sogar Materialgewinnung mittels geschützter Bürste zur
Mikrobiologische Diagnostik: Der Nachweis der Erreger gelingt kulturell aus Blut und
Bronchialsekret. Der mikroskopische Nachweis ist nur supportiv. Manchmal gelingt ein
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I-6.3
614
I-6.1
I 6 Infektionen der unteren Luftwege
Typische und atypische Pneumonie
typische Pneumonie
(meist Bakterien)
atypische Pneumonie
(Viren, Mykoplasmen, Chlamydien, Pilze, Protozoen)
Symptome
Beginn
schlagartig
schleichend
Fieber
hoch
mäßig
Husten
stark
mäßig
Dyspnoe
deutlich
mäßig
Auswurf
rostfarben
mäßig
Leukozytose
stark
mäßig
BSG
hoch
mäßig
Krankheitsgefühl
ausgeprägt
mäßig
Röntgen
lobäre Verschattung (Abb. I-6.1a)
streifige Verschattung (broncholobulär) (Abb. I-6.1b)
Histologie
alveoläre, leukozytäre, mononukleäre Infiltration
interstitielle, plasmazelluläre Infiltration
a
b
I-6.2
Aspergillus-Pneumonie
HR-CT einer Aspergillusfumigatus-Pneumonie bei einem
Leukämie Patienten.
a Anfangs sieht man eine
pleuranahe Verschattung mit
milchglasartigem Randsaum
(„Halo“), der auf eine Infarzierung des Gewebes durch
Penetration der Pilze in die
Gefäße zurückzuführen ist.
b Später entsteht als Restfolge
durch Nekrosenresorption
ein Aspergillom mit einer
Luftsichelbildung
(„air crescent sign“).
a
Antigennachweis oder die Diagnose beruht
indirekt auf dem Nachweis von Antikörpern.
b
mikroskopischen und kulturellen Untersuchung geeignet. Für einzelne Erreger,
wie etwa Influenza, RSV, Mycoplasma, Legionella, Pneumokokken und Pneumocystis, gibt es auch Antigennachweise in diesen Untersuchungsproben. Pilzpneumonie durch Candida ist sehr selten. Dagegen muss man beim Abwehrgeschwächten an eine Aspergilluspneumonie denken. (Legionella-Antigen lässt sich im Urin
eines Erkrankten feststellen). Ein Antikörpernachweis spielt eine additive Rolle.
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Diagnostik
615
I 6.2 Infektionen des Lungenparenchyms und der Pleura
Therapie:
Allgemein: Die symptomatische Therapie versucht den Sauerstoffmangel zu beheben, was durch pflegerische oder durch maschinelle Assistenz bis hin zur
ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung) erfolgt. Ohne eine antimikrobielle Therapie verläuft eine schwere Pneumonie oft tödlich, vor allem beim vorgeschädigten Patienten. Deswegen wäre eine exakte Erregerdiagnose wichtig
für eine gezielte Therapie.
Ambulant erworbene Pneumonie: Die Therapie richtet sich nach dem Alter,
den Begleitumständen (ggf. Hinweis auf eine bestimmte Ätiologie, Reiseanamnese), dem Schweregrad (als kritische Grenze gelten Fieber > 39,5°C, Atemfrequenz > 39/min; Pulsfrequenz > 125/min) und den Komplikationen (Tumor,
Organinsuffizienz). Schwere Formen sollten stationär behandelt werden
(Tab. I-6.4).
Nosokomiale Pneumonie: Eine initiale, kalkulierte Therapie muss die Umstände der Erkrankung berücksichtigen und evtl. auch Resistenzdaten der jeweiligen Klinik (Tab. I-6.5).
I-6.4
◀ Merke
Therapie: Zunächst muss der Sauerstoffmangel behoben werden.
Für die ambulant erworbene und nosokomiale Pneumonie gibt es jeweils unterschiedliche Strategien für die kalkulierte
Antibiotikatherapie (Tab. I-6.4, I-6.5).
Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG) für die Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie
Klinik
Erreger
kalkulierte Initialtherapie
Dauer
Patient < 65 Jahre
ohne Begleiterkrankungen
leichte Pneumonie
Pneumokokken
Mykoplasmen
Chlamydien
Haemophilus
Cephalsoporine 2. Generation
Ampicillin + Sulbactam
Makrolid (Azithomycin)
Chinolon (Moxifloxacin)
7–10 Tage
Patient > 65 Jahre
mit Begleiterkrankung
leichte Pneumonie
Pneumokokken
Haemophilus
Enterobakterien
Staphylokokken
Cephalosporine der 3. Gen.
Ampicillin + Sulbactam
Chinolon (Moxifloxacin)
7–10 Tage
Patient > 65 Jahre
mit Begleiterkrankung
schwere Pneumonie
Pneumokokken
Haemophilus
Staphylokokken
Enterobakterien
Legionella
Cephalosporin 3. Gen. + Makrolid
Chinolon + Clindamycin
Carbapenem + Makrolid
7–10 Tage
I-6.5
Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG) zur kalkulierten Antibiotikatherapie von nosokomialen Pneumonien
je nach Schweregrad
Schweregrad
Definition
kalkulierte Therapie
Kategorie I
leichte bis mittelschwere Pneumonie ohne Risikosituation
Amoxicillin/Clavulansäure oder Cefuroxim oder
Moxifloxacin
Kategorie II
leichte bis mittelschwere Pneumonie bei einzelnen Risikosituationen (Störungen des Schluckaktes, Koma, antibiotische Vorbehandlung, langer Aufenthalt auf Intensivstation,
Abwehrschwäche, Organversagen)
Piperacillin/Tazobactam oder Cefotaxim oder
Levofloxacin oder Imipenem
Kategorie III
schwere Pneumonie > 5 Tage bei schwerwiegender Risikosituation
Kombination von Piperacillin/Tazobactam oder Cefotaxim
oder Imipenem plus Levofloxacin bzw. Ciprofloxacin oder
Aminoglykosid
Bei Infektionen mit MRSA wäre am besten mit Linezolid zu behandeln
Paul-Ehrlich-Gesellschaft im Internet: www.p-e-g.de
Prophylaxe: Die sozio-ökonomische Situation beeinflusst die Exposition mit Erregern. In Ballungsgebieten wird sich die Influenza eher ausbreiten, eine Fahrt in öffentlichen Transportmitteln oder das Arbeiten in einem Großraumbüro erhöht das
Risiko der Aufnahme von aerogen übertragenen Erregern. Dagegen schützt die Separation von solchen Quellen oder auch das Tragen von Atemschutz (s. Hygiene
Prophylaxe: Die Expositionsprophylaxe, z. B.
Tragen von Atemschutzmasken, schützt vor
einer aerogenen Infektion. Eine Impfung ist
in wenigen Fällen möglich (z. B. Influenza,
Pneumokokken).
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▶ Merke: Einige Erreger sind so anspruchsvoll und „raffiniert“, dass ihr Nachweis nicht gelingt und die Ursache unbekannt bleibt.
616
I 6 Infektionen der unteren Luftwege
Zur Verhinderung der nosokomialen Pneumonie kommt der Pflege eine besondere
Bedeutung zu. Aufbereitung und Handling
von Intubationsmaterialien, evtl. Verwendung von Beatmungsfiltern, reduziert die
Häufigkeit für nosokomiale Pneumonien.
S. 677). Eine individuelle Impfung, z. B. gegen Influenza oder gegen Pneumokokken, ist für Risikogruppen angebracht.
Ein Hygienekonzept mit einer Optimierung der baulichen Situation und Aufbereitung und Handling von Intubationsmaterialien, evtl. Verwendung von Beatmungsfiltern, reduziert die Häufigkeit für nosokomiale Pneumonien. Auch der Pflege
kommt eine erhebliche Bedeutung zu; Maßnahmen wie Händedesinfektion, eine
frühzeitige enterale Ernährung oder eine aufrechte Lagerung bzw. Bauchlagerung
des Patienten helfen, Atemwegsinfektionen zu verhindern. Dagegen sind Maßnahmen wie die orale Dekontamination oder selektive Darmdekontamination nur in
einzelnen Zentren erfolgreich.
6.2.2 Lungenabszess
6.2.2 Lungenabszess
▶ Definition: Eitrige Infektion durch bakterielle Besiedelung vorgeschädigter
Lungenareale mit oder ohne Anschluss zum Bronchialsystem.
Ätiopathogenese: Nach diversen Vorschädigungen können Bakterien die betroffenen
Areale besiedeln und eine eitrige Infektion
erzeugen.
Ätiopathogenese: Nach diversen Vorschädigungen (tumorös, traumatisch, hämorrhagisch, infektiös [z. B. Aspirationspneumonie]) können Bakterien die betroffenen Areale besiedeln und an diesem Locus minoris resistentiae eine eitrige Infektion erzeugen. Charakteristisch ist die Ausbildung einer Abszessmembran.
Klinik: Schüttelfrost, intermittierendes Fieber, schmerzhafte Dyspnoe und blutiger,
„maulvoller“ Auswurf.
Diagnostik: Lokalisation und Ausbreitung
sowie Darstellung der Abszessmembran
durch CT. Feinnadelbiopsie zur Klärung der
infektiösen Ursache. Bei Anschluss an das
Bronchialsystem können Erreger im Trachealsekret enthalten sein.
Klinik: Charakteristische Symptome sind Schüttelfrost, intermittierendes Fieber,
schmerzhafte Dyspnoe und blutiger, „maulvoller“ Auswurf.
Diagnostik: Die Lokalisation und Ausbreitung sowie die Bildung einer Abszessmembran lassen sich am besten im CT bestimmen. Eine Feinnadelbiopsie kann
die infektiöse Ursache klären. Ggf. kann auch Trachealsekret die Erreger enthalten,
wenn Anschluss an das Bronchialsystem besteht. Als mikrobiologische Ursachen
findet man im Punktat Staphylococcus aureus (speziell an cMRSA denken), Streptokokken, Pseudomonas aeruginosa und Anaerobier.
Therapie: Bei Staphylokokken- und Streptokokkeninfektion antibiotische Therapie mit
Linezolid.
Therapie: Als antibiotische Therapie kommt bei Staphylokokken- und Streptokokkeninfektion Linezolid in Frage. Weiterhin können ggf. Imipenem oder eine Kombination von Cefotaxim + Metronidazol oder Levofloxacin + Metronidazol gegeben
werden.
6.2.3 Pleuritis und Pleuraempyem
6.2.3 Pleuritis und Pleuraempyem
▶ Definition
Ätiopathogenese: Die infektiöse Pleuritis
entsteht meist sekundär im Rahmen bakterieller Pneumonien; ggf. bildet sich ein
Pleuraerguss, der im weiteren Verlauf „eitrig“
werden kann (Peuraempyem).
▶ Merke
Primäre infektiöse Entzündungen der Pleura
sind selten und kommen z. B. im Rahmen von
Virusinfektionen (z. B. Coxsackie-B-VirusInfektion) vor.
▶ Definition: Unter Pleuritis versteht man eine entzündliche Veränderung der
Pleura, das Pleuraempyem dagegen ist eine Eiteransammlung in der Pleurahöhle.
Ätiopathogenese: Die infektiöse Pleuritis entsteht meist sekundär im Rahmen
bakterieller Pneumonien (parapneumonische Pleuritis), wenn sich das entzündliche Geschehen vom Lungenparenchym auf die Pleura ausbreitet. Im weiteren
Verlauf bildet sich häufig ein Pleuraerguss (zunächst exsudativ), der durch die
massive Einwanderung von Granulozyten in ein Empyem übergehen kann. Es
droht die Gefahr, dass solche Prozesse narbig abheilen und sich Schwarten bilden,
welche die Entfaltung der Lunge beim atmen stören.
▶ Merke: Das Pleuraempyem ist eine schwerwiegende Komplikation der Pleuritis und tritt meist nach bakteriellen Pneumonien und Lungenabszess auf. Seltener wird das Empyem durch eine Sepsis oder thoraxchirurgische Eingriffe verursacht. Häufige Erreger insbesondere des parapneumonischen Empyems sind
S. pneumoniae, S. aureus und S. pyogenes.
Primäre infektiöse Entzündungen der Pleura sind selten und können zum Beispiel
im Rahmen von Virusinfektionen (z. B. Coxsackie-B-Virus-Infektion) auftreten. Sie
verlaufen meist recht mild, so dass die entzündliche Reaktion gering ist und nur
eine trockene Pleuritis (ohne Ergussbildung) entsteht. Gelegentlich kommt es
auch bei einer bakteriellen Infektion (z. B. mit Mycobacterium tuberculosis,
s. S. 358) primär zu einer Pleuritis.
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▶ Definition
617
Klinik: Zu starken atemabhängigen Thoraxschmerzen (Pleurodynie) kommt es
insbesondere bei Pleuritis ohne ausgeprägten Begleiterguss, sie können aber
auch beim Pleuraempyem auftreten. Je nach Größe des Empyems geht es mit
zunehmender Dyspnoe einher. Weitere Symptome (u. a. Fieber, Schüttelfrost,
Husten) unterscheiden sich nicht von denen bei einer Pneumonie.
Klinik: Es kommt zu Fieber und starken
atemabhängigen Schmerzen (Pleurodynie),
ggf. begleitet von Dyspnoe.
Diagnostik: Der Pleuraerguss kann durch Perkussion und Auskultation (abgeschwächtes Atemgeräusch, Klopfschalldämpfung) erfasst sowie im Röntgenbild
(s. Abb. I-7.1, S. 617) bzw. mittels der Sonografie (bereits geringe Ergussmengen
erkennbar) nachgewiesen werden. Zur Klärung der Ätiologie ist ggf. eine Pleurapunktion indiziert. Das Exsudat ist sehr eiweißreich (enthält LDH) und ggf. – bei
bakterieller Genese – sind auch vermehrt Leukozyten nachweisbar.
Diagnostik: Durch Perkusssion, Auskultation, Röntgen (Abb. ) oder Sonografie kann
ein Pleuraerguss erfasst werden. Im Pleurapunktat sind ggf. Entzündungsparameter
und mikrobielle Erreger nachzuweisen.
Therapie: Bei der Pleuritis steht die Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund. Bei gleichzeitiger Pneumonie ist eine antibiotische Therapie angebracht
(z. B. Amoxicillin + Clavulansäure, Cephalosporine der 2. Generation, Moxifloxacin
oder Levofloxacin); bei Ergussbildung kann ggf. eine Drainage Entlastung bringen.
Bei Vorliegen eines Pleuraempyems muss eine Drainage angelegt werden und eine
möglichst gezielte Antibiose erfolgen.
Therapie: Bei der parapneumonischer
Pleuritis ist eine Antibiose angebracht, bei
Ergussbildung kann ggf. eine Drainage
Entlastung bringen.
Das Pleuraempyem wird mit Drainage und
möglichst gezielter Antibiose therapiert.
7
Infektionen des Herzens
7.1 Perikarditis
7
Infektionen des Herzens
7.1
Perikarditis
▶ Definition: Als Perikarditis wird die Entzündung des Herzbeutels bezeichnet.
Bei einer Mitbeteiligung der subepikardialen Myokardschichten spricht man von
Perimyokarditis.
◀ Definition
Ätiopathogenese: Die Ätiologie einer akuten Perikarditis bleibt oft ungeklärt
(„idiopathisch”). Vermutlich sind häufig Viren (z. B. Coxsackie-, ECHO- und
Myxoviren) beteiligt, wobei dann oft gleichzeitig auch eine Myokarditis besteht
(Perimyokarditis). Gelegentlich können auch Bakterien wie Pneumokokken,
andere Streptokokken, Staphylokokken oder Meningokokken ursächlich sein
(Abb. I-7.1). Meistens entsteht ein Perikarderguss (Cave: Herzbeuteltamponade),
der bei bakteriellen Infektionen eitrig ist. Im Rahmen von immunpathologischen
Ätiopathogenese: Diese bleibt oft ungeklärt. Verursacher können Viren, aber auch
Bakterien sei (Abb. I-7.1). Seröse oder fibrinöse Entzündungen sind auch bei immunpathologischen Reaktionen oder postinfektiös nach Yersinieninfektionen möglich.
Meist entsteht ein Erguss, bei chronischem
Verlauf kann eine konstruktive Perikarditis
eintreten.
I-7.1
Perikarditis durch Meningokokken
I-7.1
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I 7.1 Perikarditis
618
I 7 Infektionen des Herzens
Klinik: Neben Fieber klagt der Patient über
thorakale Schmerzen. Die Herzleistung ist
mehr oder weniger stark eingeschränkt.
Klinik: Der Patient klagt über thorakale Schmerzen und Fieber. Je nach Volumen
des Perikardergusses ist die Herzleistung mehr oder weniger stark eingeschränkt.
Eine chronische, konstriktive oder sogar verkalkende Entzündung hat massive
Auswirkung auf den Kreislauf mit verminderter Auswurfmenge und Rechtsherzinsuffizienz (Stauung der Jugularvenen).
Diagnostik: Auskultation (abgeschwächte
Herztöne, ggf. Perikardreiben), EKG, Echokardiographie (Exsudatnachweis), ggf. mikrobiologische Untersuchung des Punktats.
Diagnostik: Die Herztöne sind abgeschwächt, bei fehlendem oder geringem Erguss kann ein Perikardreiben auskultiert werden. Das EKG zeigt typische Veränderungen. Bildgebende Verfahren (Echokardiographie) zeigen die Exsudatmengen
und die Veränderungen der Wandschichten des Perikards. Im Punktat können
ggf. bakterielle Erreger kultiviert werden.
Therapie: Wichtig ist die mechanische
Entlastung durch Punktion. Bei eitrigem
Exsudat gezielte Antibiose.
Therapie: Die Punktion des Exsudats entlastet den Kreislauf. Bei bakterieller Infektion ist eine gezielte Antibiose notwendig. Eine konstruktive Perikarditis kann nur
operativ (Perikardektomie) kuriert werden.
7.2
7.2 Myokarditis
Myokarditis
▶ Definition
▶ Definition: Entzündung des Herzmuskelgewebes (Myokard).
Ätiopathogenese: Die meist virale Infektion
(Tab. I-7.1) führt zu herdförmiger oder diffuser entzündlicher Infiltration des Myokards.
I-7.1
Ätiopathogenese: Die Ursachen sind zumeist viraler Natur und nur in Ausnahmefällen durch Bakterien, Pilze oder Parasiten bedingt (Tab. I-7.1). Infiltrationen des
Myokards mit Entzündungszellen können herdförmig oder auch diffus auftreten.
Infektiöse Ursachen einer Myokarditis
Viren (am häufigsten)
Enteroviren (v. a. Coxsackie- BViren und Echoviren), seltener Myxoviren, Paramyxoviren, Togaviren, Adenoviren,
Viren der Herpesgruppe, CMV,VZV, Parvovirus B19
Bakterien
Salmonella, Chlamydia, Borrelia, Rickettsia, Mycoplasma
Pilze
Histoplasma, Coccidioides, Cryptococcus, Candida, Aspergillus
Protozoen
Trypanosoma cruzi, Toxoplasma gondii, Plasmodium falciparum
Würmer (selten)
Trichinella, Echinococcus
Klinik: Oft verläuft die Infektion inapparent,
ggf. treten Herzklopfen (Palpitationen), Tachykardie und Herzrhythmusstörungen auf.
Schwere und chronische Verläufe entwickeln
sich eher selten.
Klinik: In vielen Fällen verläuft eine solche Infektion inapparent und wird im Rahmen der Allgemeinerkrankung (Müdigkeit, Schwäche, Gliederschmerzen, Leistungsminderung) nicht registriert. Allenfalls weisen Herzklopfen (Palpitationen),
Tachykardie und Herzrhythmusstörungen darauf hin. Selten treten schwere Verläufe mit fortschreitender Herzinsuffizienz und Herzversagen auf. Bei längerem
und ausgedehntem Verlauf kann sich eine dilatative Kardiomyopathie entwickeln.
Diagnostik: Im EKG sind häufig pathologische Veränderungen erkennbar. Die virale
Ätiologie kann durch eine Myokardbiopsie
und ggf. durch serologische Untersuchungen erhärtet werden (nur bei schweren Fällen
indiziert).
Diagnostik: Anamnestisch tritt die Erkrankung einige Tage nach einer viralen
Infektion auf. Im EKG sind häufig pathologische Veränderungen erkennbar (z. B.
Arrhythmien, v. a. Extrasystolen, Sinustachykardie). Die virale Ätiologie kann
durch eine Myokardbiopsie (mit PCR) und ggf. durch serologische Untersuchungen erhärtet werden. Auch Borrelien und Trypanosomen sind serologisch nachweisbar. Wenn bei einer bestehenden, geklärten Infektion die Myokarditis nur
begleitend auftritt, wird meistens auf den Erreger lediglich rückgeschlossen.
Therapie: symptomatisch (v. a. körperliche
Schonung), ggf. antiviral und antientzündlich.
Therapie: Neben symptomatischer Therapie (v. a. körperliche Schonung) können
antivirale und antientzündliche Medikamente den Schweregrad beeinflussen.
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Reaktionen wie Lupus erythematodes und rheumatioder Arthritis, aber auch postinfektiös nach Yersinieninfektionen kann es zu serösen oder fibrinösen Entzündungen kommen.
Chronische Verläufe mit Narbenbildungen können zu einer konstriktiven Perikarditis, evtl. mit Kalkeinlagerungen, führen.
619
I 7.3 Endokarditis
7.3
Endokarditis
▶ Definition: Akute oder subakute infektiöse Entzündung des Endokards, vorwiegend von vorgeschädigten oder künstlichen Klappen.
◀ Definition
Ätiopathogenese: Eine transitorische Bakteriämie steht in den meistens Fällen
am Anfang einer Endokarditis. Dieses Ereignis kann nach Verletzungen der
Schleimhäute sowie der Haut geschehen, die oftmals unbeachtet bleiben, z. B.
nach dem Zähneputzen bzw. Kauen von harten Gegenständen, im Verlauf von
zahnärztlichen, bauchchirurgischen, gynäkologischen oder urologischen Eingriffen; Risiken bestehen auch bei Dialysepatienten und bei i. v.-Drogenabhängigen.
Eingeschwemmte Bakterien werden im Normalfall durch die unspezifische Infektabwehr innerhalb von wenigen Minuten eliminiert; bei vorliegender Prädisposition (Tab. I-7.2) dagegen können die Endokardklappen kolonisiert werden. Folge
ist die Vermehrung der Bakterien und Thrombenbildung. Bei großen Auflagerungen können immer wieder Anteile mit vielen Bakterien (sog. Vegetationen) abreißen und schubweise in die Blutbahn geschwemmt werden.
Je nach Ausgangsort dominieren vergrünende Streptokokken (aus dem Oropharynx), Enterokokken (aus dem Darm- und Urogenitaltrakt) oder Staphylokokken (von der Haut). Während die akute Endokarditis durch Bakterien mit hoher
Virulenz ausgelöst wird (z. B. Staphylococcus aureus), findet man bei der subakuten Form (Endokarditis lenta) häufig Infektionen mit vergrünenden Streptokokken.
Ätiopathogenese: Durch transitorische
Bakteriämie kann es zur Endokarditis kommen. Bei vorliegender Prädisposition (Tab.
I-7.2) können die Bakterien die Endokardklappen besiedeln und von dort immer wieder in die Blutbahn geschwemmt werden.
▶ Merke: HACEK, eine heterogene Gruppe von Bakterien, kommen gelegentlich
als Erreger der Endokarditis vor: Hämophilus parainfluenzae und aphrophlius
(s. S. 422), Actinobacillus actinomycetemcomitans (s. S. 424), Cardiobacterium
hominis (s. S. 425), Eikenella corrodens (s. S. 424) und Kingella kingae (s. S. 369).
I-7.2
Lokale Faktoren für ein erhöhtes Endokarditisrisiko
Je nach Ausgangsort dominieren vergrünende Streptokokken, Enterokokken oder
Staphylokokken. Je nach Keimspektrum entwickelt sich eine akute oder subakute Verlaufsform.
◀ Merke
I-7.2
Herzklappenprothesen
angeborene Herzfehler, vor allem kongenitale, zyanotische Vitien
erworbene Herzklappenfehler (z. B. rheumatische Veränderungen, Verkalkungen)
frisch operierte Herzfehler (< 1 Jahr)
hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie
I-7.2
Opfer einer Endocarditis lenta
I-7.2
Der Komponist Gustav Mahler ist 1911 im
Alter von 51 Jahren vermutlich an einer
Endocarditis lenta verstorben.
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7.3 Endokarditis
I 8 Infektionen des Verdauungstraktes
Klinik Beim Einschwemmen der Bakterien in
die Blutbahn kommt es zu Fieberschüben
und septischen Metastasen. Betroffene Organsysteme sind u. a. Haut (Petechien), Niere
(Löhlein-Herdnephritis), Gehirn (embolische
Herdenzephalitis) und Milz (Splenomegalie).
Klinik: Beim Einschwemmen der Bakterien in die Blutbahn werden durch die bakteriellen Pyrogene Fieberschübe ausgelöst und in der Gefäßperipherie entstehen
septische Metastasen. Diese werden z. B. in der Haut oder unter den Fingernägeln
als Punktblutungen erkennbar (u. a. Petechien, Osler-Knötchen). Auch Organe wie
Niere (Löhlein-Herdnephritis), Gehirn (embolische Herdenzephalitis) und Milz
(Splenomegalie) können beteiligt sein.
Durch diese sich ständig wiederholenden septischen Schübe sind das Allgemeinbefinden und die Leistungskraft auf Dauer stark in Mitleidenschaft gezogen.
Diagnostik: Neben o. g. klinischen Befunden
ist ein neu aufgetretenes oder verändertes
Herzgeräusch wegweisend. Im TEE sind Endokardauflagerungen zu sehen. Keime werden in Blutkulturen nachgewiesen und im
peripheren Blut sind Entzündungsmarker
erhöht.
Diagnostik: Neben den genannten charakteristischen klinischen Befunden ist auskultatorisch ein neu aufgetretenes oder bei bekanntem Klappenfehler gegenüber
dem Vorbefund verändertes Herzgeräusch wegweisend. Große Auflagerungen
auf dem Endokard sind im transösophagealen Echokardiogramm (TEE) gut erkennbar. Der Erregernachweis erfolgt aus Blutkulturen, die mehrfach abgenommen werden müssen (wenn möglich zu Beginn eines Fieberschubes), weil die
Keime nur intermittierend in der Blutbahn sind. Weiterhin sind labordiagnostisch
unspezifische Parameter zu erfassen (CRP- und BSG-Erhöhung sowie Blutbildveränderungen).
Therapie: Penicillin sollte hochdosiert (bis
zu 80 Millionen IE/Tag) und längerfristig gegeben werden. Eine Kombination mit bakteriziden Aminoglykosiden ist möglich. Alternativen sind Linezolid oder Glykopeptide.
Therapie: Die antibiotische Therapie sollte nach Antibiogramm erfolgen; in vielen
Fällen kann Penicillin (z. B. Benzylpenicillin; hochdosiert (bis zu 80 Millionen IE/
Tag) und längerfristig (für ca. 6 Wochen) verabreicht werden. Evtl. kann eine Kombination mit bakteriziden Aminoglykosiden den Therapieerfolg verbessern. Linezolid oder Glykopeptide können als Alternative verwendet werden. Unbehandelt
endet diese Infektion tödlich.
Kann das Ergebnis des Antibiogramms nicht abgewartet werden, sollte eine kalkulierte Therapie begonnen werden (bei Infektion von Nativklappen: Kombination
von Aminopenicillin + Gentamicin; bei Klappenprothesen: Kombination von
Glykopeptid + Gentamicin + Rifampicin).
Bei Risikopersonen (z. B. bei Personen mit Herzklappenprothese oder angeborenen
Herzfehlern) einer infekiösen Endokarditis ist eine Antibiotikaprophylaxe bei bestimmten diagnostischen und operativen Eingriffen notwendig. Empfohlen werden z. B. Penicillin oral bei Eingriffen im Mund-Rachen-Raum, Ampicillin i. v. bei
Eingriffen am Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt (s. auch Leitlinien der AWMF).
Im Rahmen einer kalkulierten Therapie wird
je nach Ausgangsituation mit unterschiedlichen Antibiotikakombinationen behandelt.
Bei Prädisposition sollten bei bestimmten
diagnostischen und operativen Eingriffen
Antibiotika prophylaktisch gegeben
werden.
8
8
Infektionen des Verdauungstraktes
8.1
Infektionen von Mund und Zähnen
Ätiologie: Oralstreptokokken verursachen
Karies, Herpes- oder Coxsackieviren rufen
Gingivitis hervor. Die Infektion mit mehreren
anaeroben Bakterien führt zur Parodontitis.
Bei systemische Infektionen kann die Mundschleimhaut befallen sein, z. B. das pathognomonische Enanthem bei Masern (KoplikFlecken) oder die Mund-Hand-Fuß-Krankheit bei Infektion mit Coxsackie-A- und
Enteroviren (s. S. 193).
Soor entsteht durch Befall mit Hefepilzen.
Mehrere Bakterien verursachen eine Papillitis der Zunge. Wenn sich Bakterien in den
blockierten Ausführungsgängen vermehren,
kommt es zur Sialadenitis.
Infektionen des
Verdauungstraktes
8.1 Infektionen von Mund und Zähnen
Ätiologie: Karies wird durch eine Symbiose von verschiedenen Oralstreptokokken
(darunter Streptococcus mutans, s. S. 329) hervorgerufen und ist in den industrialisierten Ländern mit hohem Zuckerverbrauch eine der häufigsten Infektionen. Die
Gingivitis kann beispielsweise durch Herpes- oder Coxsackieviren bedingt sein.
Die akute Parodontitis wird durch mehrere anaerobe Bakterien (darunter als
Leitkeim Porphyromonas) hervorgerufen.
Die Mundschleimhaut ist oft bei systemischen Infektionen mitbefallen. Geradezu
klassisch ist das pathognomonische Enanthem bei Masern (Koplik-Flecken). Aber
auch viele andere Viren (Herpes, Coxsackie) können zu serösen oder auch ulzerösen (aphthösen) Veränderungen führen. Ganz typisch ist die Mund-Hand-FußKrankheit (nicht zu verwechseln mit dem Begriff Maul- und Klauenseuche bei
Tieren) bei Kleinkindern bedingt durch Coxsackie-A-Viren und Enterovirus 71
(s. S. 193).
Hefepilze, in erster Linie Candida albicans, erzeugen den Soor. Begünstigt wird das
Auftreten durch bestimmte lokale Veränderungen (z. B. schlecht sitzende Gebisse),
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620
621
I 8.2 Ösophagitis
Klinik: Bei Karies droht eine Invasion der umliegenden Weichteile und des Knochens, was bedrohliche Folgen haben kann. Die Gingivitis kann als Begleiterscheinung einer Karies, aber auch unabhängig davon auftreten und ihrerseits wieder die
Karies begünstigen. Ein chronischer Verlauf kann zu einer Parodontose führen,
wobei früher oder später mit einem Zahnverlust gerechnet werden muss. Gelegentlich – auch bei jungen, sonst gesunden Menschen – kann eine Parodontitis
die Zähne gefährden. Weiterhin besteht ein Risiko, dass von diesen Infektionsherden Keime verschleppt werden. Ein Hirnabszess (s. S. 597) kann z. B. davon ausgehen.
Bei der Mund-Hand-Fuß-Krankheit entstehen zunächst an den 3 Orten gleichzeitig
Bläschen, die später platzen und Ulzera hinterlassen. Auch eine Lues im 2. Stadium
kann solche Aphthen verursachen. Durch sekundäre bakterielle Infektion werden
die Beschwerden wie Brennen beim Essen von kalten, heißen, sauren und salzigen
Speisen noch verstärkt.
Soor ist charakterisiert durch flächenhafte, weiße Beläge auf der Schleimhaut, die
gerötet ist. Auch auf der Zunge kann sich der Soor ausbreiten. Im Rahmen vieler
Krankheiten kann die Schleimhaut der Zunge mitreagieren, z. B. bei Masern und
bei Scharlach.
Eine Sialadenitis führt zu einer heftigen, schmerzhaften Entzündung. Wenn diese
nicht rechtzeitig durch gleichzeitige operative und antibiotische Therapie behoben
wird, kann sich eine Mundbodenphlegmone ausbilden.
Klinik: Karies kann zur Invasion der umliegende Weichteile und Knochen führen. Eine
chronische Gingivitis kann Parodontose verursachen. Die Parodontitis gefährdet als Infektionsherd die Zähne. Keime können sogar
ins ZNS verschleppt werden.
Bei der Mund-Hand-Fuß-Krankheit kommt
es zu Bläschen an Mund, Hand und Fuß. Diese
platzen und hinterlassen Ulzera.
Flächenhafte, weiße Beläge auf der Schleimhaut und der Zunge sind typisch für den
Soor.
Bei der Sialadenitis kommt es zur heftigen,
schmerz-haften Entzündung, die bei mangelnder Behandlung zur Ausbildung einer
Mundbodenphlegmone führt.
Diagnostik: Neben der Inspektion kommt der mikrobiologischen Untersuchung
(Mikroskopie und Kultur von Abstrichen) ein gewisser Stellenwert zu.
Diagnostik: An erster Stelle steht die
Inspektion; eine mikrobiologische Untersuchung kann versucht werden.
Therapie: Bei Karies, Parodontose und Sialadenitis spielt die mechanische Beseitigung
der Ursachen die größte Rolle; eine Antibiotikatherapie soll Fortschreiten und Komplikationen verhindern.
Den Soor kann man lokal mit Polyenen oder
systemisch mit Fluconazol behandeln.
Therapie: Bei der Karies ist allein die mechanische Beseitigung der Läsion hilfreich. Nur durch eine chirurgische und antibakterielle Therapie bei Parodontitis
kann eine fulminante Entzündung gestoppt werden. Bei einem fulminanten
Verlauf einer Paradontose ist neben der chirurgischen Intervention auch eine
kalkulierte antibakterielle Therapie, z. B. mit Amoxicillin plus Clavulansäure oder
Moxifloxacin, notwendig, um die Progression zu stoppen und um eine Streuung
von Keimen zu verhindern.
Ähnlich gilt bei einer Sialadenitis zuerst die Beseitigung der Obstruktion und dann
ggf. – bei eitriger Entzündung – eine Antibiotikatherapie, wobei die gleichen Mittel
wie bei der Paradontose verabreicht werden können.
Ein Soor kann mit lokal applizierten Polyenen oder mit oraler Gabe von Fluconazol
behandelt werden. Begleitend sollte möglichst auch die prädisponierende Ursache
behoben werden. Da für Infektionen mit Coxsackie- und Enteroviren keine ursächliche Therapie existiert, erfolgt die Therapie symptomatisch mit Bekämpfung der
Entzündung und der Schmerzen.
8.2 Ösophagitis
8.2
Ösophagitis
Ätiopathogenese: Durch das mehrschichtige Plattenepithel ist die Speiseröhre
relativ gut vor Infektionen geschützt. Letztere treten daher meist auf dem Boden
lokaler Störungen (Verletzungen, Reizungen und Veränderungen des lokalen
Milieus; die Herde können dann sekundär infiziert werden und lokal umschrieben
bleiben) oder bei allgemeiner Abwehrschwäche auf (z.B. im Rahmen von AIDS,
Tumorerkrankungen oder unter immunsuppressiver Therapie; die Entzündungen
können dann ausgedehnt sein). Die Soorösophagitis (s. S. 475) ist eine häufige
Komplikation solcher Systemerkrankungen.
Ätiopathogenese: Infektionen wie z.B. die
relativ häufige Soorösophagitis entstehen
meist auf dem Boden lokaler Veränderungen
oder allgemeiner Abwehrschwäche.
Klinik: Während leichte Infektionen asymptomatisch bleiben können, ist bei subjektiven Beschwerden die Dysphagie (Schluckbeschwerden) das Hauptsymptom
ggf. begleitet von retrosternalen Schmerzen.
Klinik: Dysphagie (Schluckbeschwerden)
steht im Vordergrund evtl. begleitet von
retrosternalen Schmerzen.
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aber auch durch generelle Abwehrschwäche (z. B. bei Neugeborenen, bei AIDS oder
bei Leukämie).
Durch mehrere Bakterien kann an einzelnen Stellen der Zunge eine Papillitis entstehen. Eine Sialadenitis wird durch eine akute bakterielle Vermehrung in blockierten Ausführungsgängen der Speicheldrüsen verursacht.
622
I 8 Infektionen des Verdauungstraktes
Diagnostik: Die Ösophagoskopie dient der
Feststellung der Ausdehnung und der Entnahme von Proben. Kultur von Candida und
Bakterien sichern die Ätiologie. Ein Antikörpernachweis gegen Herpes- und Zytomegalieviren ist angebracht.
Diagnostik: Mittels Ösophagoskopie können Ausdehnung und Intensität der Erkrankung festgestellt und Materialien (Biopsie, Abstrich) für die histologische
und mikrobiologische Untersuchung abgenommen werden. Bakterien und Hefepilze lassen sich daraus anzüchten. Eine Infektion mit dem Zytomegalievirus
oder Herpers simplex Virus lässt sich auch durch eine serologische Untersuchung
erkennen.
Therapie: Die Candida-Infektion wird systemisch mit Azolen bzw. Echinocandinen behandelt, unterstützt durch Amphotericin B
Lutschtabletten. Eine Herpesinfektion wird
mit Aciclovir, eine Zytomegalievirus-Infektion
mit Ganciclovir behandelt.
Therapie: Die Beseitigung der eigentlichen Ursache steht im Vordergrund. Leichte
Formen heilen spontan aus. Eine systemische antimikrobielle Therapie bei Soorösophagitis mit Azolen bzw. Echinocandinen ist wirksam; dagegen ist die lokale Behandlung mit Amphotericin B Lutschtabletten allenfalls zusätzlich hilfreich. Bei
einer Herpes simplex-Infektion ist die Gabe von Aciclovir, bei einer Zytomegalievirus-Infektion ist Ganciclovir (oral) indiziert.
Enteritis
▶ Definition
8.3 Enteritis
▶ Definition: Durch eine Infektion hervorgerufene akute (< 14 Tage) oder chronische (> 4 Wochen) Durchfallerkrankung. Mehr als 3 ungeformte Stuhlentleerungen täglich gelten als Durchfall (Diarrhö).
Epidemiologie: Der Infektionsort (Ausland/
zu Hause), die mögliche Infektionsquelle
(Essen, Kontakt mit Erkrankten) und die bisherige Dauer (akut/chronisch) sollten anamnestisch erfragt werden.
Epidemiologie: Schon die Anamnese klärt, ob diese Erkrankung von einer Auslandsreise, etwa unter eingeschränkten hygienischen Verhältnissen, mitgebracht
wurde oder ob sie zu Hause entstanden ist. Dann könnte sie akut, evtl. nach
einem Essen oder auch Kontakten mit Erkrankten, aufgetreten sein oder auch
evtl. schon länger andauern, wobei in diesem Fall verstärkt nach nicht infektiösen
Ursachen gesucht werden muss.
Formen:
Intoxikation (durch von den Erregern
produzierte Toxine).
Infektion (Vermehrung der Erreger im
Intestinaltrakt).
Je nach Art des Erregers sind unterschiedliche
Darmabschnitte betroffen (Tab. I-8.1).
Formen: Prinzipiell müssen folgende Formen unterschieden werden:
Intoxikation: Nur die Toxine werden aufgenommen.
Infektion: Die Erreger vermehren sich im Intestinalrakt.
In Einzelfällen, etwa bei Infektion mit EHEC, C. botulinum und C. perfringens, besteht eine Kombination aus beiden Phänomenen. Je nach Art der Erreger sind
jeweils unterschiedliche Darmabschnitte betroffen (Tab. I-8.1).
Ätiologie: Meist diverse Lebensmittel und
Wasser.
Ätiologie: Ursachen sind meist Lebensmittel und Wasser, seltener Fäkalien von
Mensch und Tier.
Klinik: s. Tab. I-8.2.
Nach einer akuten Gastroenteritis kann als
Folgeschaden ein Reizdarmsyndrom
bleiben.
Klinik: siehe Tab. I-8.2.
Selbst bei einer transienten Entzündung während einer bakteriellen Gastroenteritis kann es zu einer Schädigung des enteralen Nervensystems kommen, die zu
einer anhaltenden Funktionsstörung führen kann – bei 14 % der Patienten tritt
danach das sog. Reizdarmsyndrom auf.
Allgemeine Diagnostik:
Allgemeine Diagnostik:
▶ Merke
▶ Merke: Aufgrund der zahlreichen möglichen Ursachen dieses Symptomenkomplexes muss man vorab überlegen, um die ökonomisch vertretbaren und
die richtigen diagnostischen und therapeutischen Schritte einzuleiten.
Zu Anamnese und klinischer Untersuchung
s. Tab. I-8.3.
Zu Anamnese und klinischer Untersuchung s. Tab. I-8.3.
Mikrobiologische Diagnostik: Tab. I-8.4.
Mikrobiologische Diagnostik:
Erregersuche: s. Tab. I-8.4.
Differenzialdiagnose: Tab. I-8.5.
Differenzialdiagnose: siehe Tab. I-8.5.
Die symptomatische Therapie wie etwa die
Ruhigstellung des Darmes oder der Ausgleich
des Wasserverlustes (Rehydratation) stehen
meist im Vordergrund.
Symptomatische Therapie:
Allgemein: Antiemetika, Peristaltikhemmer (z. B. Loperamid; Vorsicht: eine längere Verweildauer von Darminhalt kann eher schädlich sein; Gefahr von Ileus),
Adstringenzien, Perenterol. Adsorbierende Präparate, die Toxine binden sollen
(z. B. Pektin, Carbo medicinalis [Aktivkohle], Kaolin) sind wenig wirksam.
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8.3
I 8.3 Enteritis
I-8.1
623
Enteritis
Lokalisation
Erreger
Ösophagus
Candida
Magen
Helicobacter
Dünndarm
Salmonella, Yersinia, Plesiomonas, ETEC, EPEC, Vibrio, Rotaviren, Norovirus,
Enteroviren, Coxsackievirus, ECHO-Viren, Lamblia, Ankylostoma, Ascaris
Kolon
Shigella, EHEC, Campylobacter, Clostridium, Amoeba, Balantidium, Cryptosporidia,
Enterobius
Appendix
vergrünende Streptokokken (!), Pneumokokken, Anaerobier, Mischinfektion
Erreger
typische Quellen
Enteroviren, Coxsackie, ECHO-Viren
Fäkalien, seltener Lebensmittel bzw. Wasser
Rotaviren, Noroviren, Adenoviren, Astroviren,
Salmonella
Eier, Fleisch, Wurst, andere Lebensmittel, selten Fäkalien von Mensch und Echsentieren
Campylobacter
Geflügelleber, Fleisch, Haustiere
Yersinia
Fleisch, Gemüse
Vibrio
Wasser, Lebensmittel
Shigella
Fäkalien
Clostridium
Staub, Fäkalien
Escherichia
Milch, Lebensmittel, Fäkalien
Helicobacter
Kontakt mit anderen Menschen
Candida (selten)
endogen
Lamblia
Wasser
Amoeba
Wasser, Lebensmittel
Cryptosporidia
Fäkalien von Tieren
Balantidium
Fäkalien von Schweinen
Ascaris
Salat
Taenia
Fleisch (Rind, Schwein)
I-8.2
Klinische Manifestationen bei Enteritis
Symptome, Befunde
Fieber, Bauchkrämpfe (Tenesmen)
Übelkeit
Dehydratation (Wasser- und Elektrolytverluste): Hypokaliämie mit
Muskelhypotonie, Somnolenz, Krampfanfall, Rhythmusstörungen
±±
±±
±±
±±
±
±±
±±
±±
±
typische Erreger
Symptome bei Infektionen mit allen unten aufgeführten
Erregern
Diarrhö
wässrig
Cholera, ETEC
breiig
Salmonella, Yersinia
schleimig
Clostridium
blutig
Amöben, Balantidium, Shigella, Campylobacter (Salmonella)
voluminös, fettglänzend, stinkend
Lamblien
extraintestinale Manifestationen
mesenteriale Lymphadenitis
Yersinia, Salmonella
Osteomyelitis
Salmonella
Leberabszesse
Amoeba
perniziöse Anämie
Taenia
Arthritis
Yersinia, Campylobacter, Shigella
Guillain-Barré-Syndrom
Campylobacter
Erythema nodosum
Yersinia, Campylobacter
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Durchfälle treten auch bei einer Vielzahl von extraintestinalen Infektionen (Otitis, Pyelonephritis, ZNS) auf.
624
I 8 Infektionen des Verdauungstraktes
Klinische Diagnostik bei Enteritis
Anamnese
Auslandsaufenthalt, Vorliegen einer Epidemie, ähnliche Erkrankungen in der Umgebung
Verzehr bestimmter Speisen, Essgewohnheiten, Trinkwasserversorgung, soziale Verhältnisse, Jahreszeit
(Grillfeste)
Zeitpunkt des Auftretens der Erkrankung nach Exposition
Art der Beschwerden (z. B. Brechdurchfall, Übelkeit, Krämpfe)
Aussehen von Erbrochenem
Häufigkeit des Stuhlgangs, Schmerzen beim Stuhlgang (Tenesmen), Flatulenz
Aussehen des Stuhls:
– Konsistenz: dünnflüssig, wässrig, trüb, breiig, schaumig, geformt, mit Schleim, mit Schleimhautfetzen,
mit Blut auf bzw. im Kot
– Farbe: weiß, hell, grau, braun, schwarz
– Geruch: ekelhaft, stinkend, aromatisch
klinische Untersuchung
Allgemeinzustand, Bewusstseinslage (unauffällig, somnolent, soporös, Koma?)
gespanntes Abdomen, geblähter Bauch
Austrocknung, Hautturgor
I-8.4
Erregersuche bei Enteritis
Methode
Beispiele
makroskopisch
adulte Würmer bzw. Proglottiden
mikroskopisch
Wurmeier, vegetative Parasitenformen bzw. Zysten
elektronenmikroskopisch
(kaum routinemäßig, eher für Forschung: Viren)
Antigennachweise mittels IFT
bzw. ELISA
Amöben, Lamblien, Rotaviren, Helicobacter
molekularbiologisch/PCR
Norovirus
Verwendung von Elektivnährböden für Salmonellen, Shigellen, E.coli, etc. bzw. Selektivnährböden
z. B. für Choleravibrionen oder Campylobacter oder Helicobacter oder E.coli O157H7
Toxinnachweis: im Stuhl (z. B. C.-difficile-Toxin), in Lebensmitteln (z. B. EHEC-Toxin), im Erbrochenen
(z. B. Botulinustoxin)
serologisch: spezifische Antikörper, z. B. Yersinia, Helicobacter, Salmonella, Amöben
kulturell
I-8.5
Differenzialdiagnose bei Enteritis
mögliche Ursache
wegweisende Befunde/Diagnostik
Colitis ulcerosa, Morbus
Crohn (chronisch entzündliche Darmerkrankungen)
chronische Diarrhö (bei Kolitis häufig blutig), Bauchschmerzen, Endoskopie, Biopsie (Histologie)
Reizdarmsyndrom
Wechsel von Obstipation und Diarrhö, Bauchschmerzen, Anamnese
Sprue
(tropisch; heimisch = Zöliakie)
voluminöse Duchfälle, Fettstühle (Steatorrhö), Mangelerscheinungen, Anamnese, Serologie, Biopsie
Lebensmittelvergiftungen
Anamnese
Hyperthyreose
Anamnese, Labor (TSH)
Karzinoid
chronische wässrige Durchfälle
Laxanzienabusus
Anamnese
Rehydratation (oral oder ggf. parenteral): Für die orale Rehydratation empfiehlt
die WHO eine Lösung mit 2,6 g/l NaCl, 1,5 g/l KCl, 13,5 g/l Glukose und 2,9 g/l
Natriumcitrat. Für die Praxis gibt es entsprechende vorgefertigte Präparate,
die in Wasser aufgelöst werden (z. B. Oralpädon 240 bzw. Elotrans-Beutel). Im
Notfall hilft gesüßter Tee oder Coca Cola (classic), da die Glukose im Dünndarm
resorbiert wird und Wasser nachströmt. Wasser alleine (ohne Zucker) wird
nicht gut resorbiert und verstärkt sogar das Durchfallvolumen. Bei schwerer Dehydratation muss eine intravenöse Zufuhr von Volumen und Elektrolyten erfolgen. Nach erreichter Rehydratation wird unverzüglich auch eine Realimentation
begonnen.
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I-8.3
Kausale Therapie:
Antibiotika: Ciprofloxacin (nicht bei Kindern), Metronidazol.
Antihelminthika
Antiparasitär: Metronidazol.
Kausale Therapie: Gegen die meisten bakteriellen Infektionserreger hilft Ciprofloxacin,
gegen Anaerobier und manche Parasiten
Metronidazol. Evtl. Wurmmittel.
Prophylaxe: In vielen Fällen, bei denen die Erreger über Fäkalien bzw. Lebensmittel übertragen werden, hängt das Risiko vom Hygieneverhalten bzw. den Essgewohnheiten ab (z. B. „blutiges“ Steak, Tartar). Die wichtigste Prophylaxe liegt in
der strikten Vermeidung ungekochter Nahrung, die mit fremden Händen in Berührung gekommen ist („cook it, peel it or forget it“). Hierzu gehören Salate, Eis (auch
Eiswürfel zur Kühlung von Getränken!), ungeschältes Obst, Süßspeisen etc. Trinkwasser sollte nur nach entsprechender Aufbereitung durch Erhitzen, Filtrieren
oder chemische Desinfektion (z. B. mit Micropur) verwendet werden. Ein Aperitif
oder eine heiße Suppe kann die Magensäureproduktion anregen, wodurch einige
Erreger abgetötet werden, bevor sie in den Darm gelangen. Vor dem Essen sollte
man nicht allzu viel trinken, weil dadurch die Magensäure verdünnt wird und
damit die Anfälligkeit gegenüber oralen Infektionen steigt. Der Kontakt zu infizierten Menschen und Tieren sollte vermieden werden bzw. sollte nach Kontakt zumindest eine intensive Reinigung (besser Desinfektion) der Hände erfolgen. Eine
Chemoprophylaxe der Reisediarrhö ist nicht sinnvoll.
Prophylaxe: Quellen für Enteritiserreger,
d. h. hauptsächlich Nahrungsmittel inklusive
Wasser, seltener infizierte Menschen oder
Tiere, sollten gemieden werden.
8.4 Peritonitis
8.4
Peritonitis
▶ Definition: Eitrige Entzündung des Bauchfells und damit der Bauchhöhle.
Primäre Peritonitis: ohne Perforation eines intraabdominellen Hohlorgans.
Sekundäre Peritonitis: nach Perforation eines intraabdominellen Hohlorgans.
Tertiäre Peritonitis: Verselbständigung der Inflammation in der Peritonealhöhle.
◀ Definition
Ausdehnung: Eine Peritonitis kann diffus die gesamte Fläche betreffen („4-Quadranten-Peritonitis“) oder durch das Omentum lokal begrenzt sein. Im Prinzip
ist auch der Douglas-Abszess eine lokale Peritonitis.
Ausdehnung: Die Peritonitis kann diffus
auftreten oder lokal begrenzt sein.
Einteilung: Eine geläufige Einteilung beruht auf der Pathogenese (Tab. I-8.6).
Spontan:
Als Folge einer perforierten Appendizitis, Divertikulitis oder Cholezystitis können massenhaft Keime der gesamten Darmflora in großer Menge in die Bauchhöhle gelangen, wenn der Defekt nicht durch das Omentum gedeckt werden
kann. Zumeist findet man also eine Mischinfektion aus vorwiegend Enterobacteriaceae, Enterokokken und Anaerobiern. Im Laufe der Infektion setzen sich
die virulentesten Keime durch und andere werden verdrängt.
Bei Durchblutungsstörungen (Ischämie), z. B. im Rahmen einer Mesenterialvenenthrombose, kann die Barrierenfunktion der Darmwand gestört sein und
eine Translokation von Keimen der Darmflora nicht nur in die Zirkulation sondern auch in die Bauchhöhle geschehen (Durchwanderungsperitonitis).
Einteilung: Einteilung aufgrund der Pathogenese (Tab. I-8.6).
I-8.6
Einteilung der Peritonitis nach der Pathogenese
Form
I-8.6
mögliche Ursachen
spontan
Leberzirrhose mit portaler Hypertension und Aszites
Tuberkulose
Salpingitis (z. B. Gonokokken, Chlamydien)
Durchwanderungsperitonitis
perforierte Appendizitis, Divertikulitis, Cholezystitis
traumatisch
postoperative Peritonitis nach Anastomosen-Insuffizienz
chronisch ambulante Peritonealdialyse (CAPD)
perforierende Verletzung
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625
I 8.4 Peritonitis
I 8 Infektionen des Verdauungstraktes
Die Erreger einer Salpingitis, also hauptsächlich Neisseria gonorrhoeae oder
Chlamydia trachomatis, können die anatomischen Strukturen zerstören und in
die Bauchhöhle gelangen.
In ganz seltenen Fällen findet man heute noch bei einer Disseminierung von
Mycobacterium tuberculosis eine Peritonealtuberkulose.
Traumatisch:
Bei einer penetrierenden Verletzung der Bauchwand können Keime aus der
Hautflora (v. a. S. aureus) sowie Umweltkeime in die Bauchhöhle gelangen; während die meisten apathogen sind und nach kurzer Zeit durch das unspezifische
Abwehrsystem eliminiert sind, können andere Erreger eine Infektion auslösen.
Bei einer zusätzlichen Verletzung der Darmwand muss man mit einer breiten
Anzahl von Keimen der Darmflora rechnen.
CAPD-assoziiert: Bei der chronisch ambulatorischen Peritonealdialyse besteht
das Risiko, dass durch Hygienefehler Hautkeime vom Patienten selbst oder
vom Pflegepersonal über den Katheter in die Bauchhöhle gelangen. In erster
Linie ist mit S. aureus zu rechnen, seltener mit Umweltkeimen, darunter auch
Schimmelpilzen.
Postoperativ: Bei Dehiszenzen nach abdominalchirurgischen oder auch gynäkologischen Operationen kann Kot mit diversen Bakterien – darunter Enterobacteriaceae, Enterokokken sowie Anaerobier – in die Bauchhöhle gelangen
und eine Peritonitis verursachen „kotige Peritonitis“. Bei persistierenden Nahtinsuffizienzen oder wiederholten Leckagen entwickeln sich sekundäre oder tertiäre Peritonitiden, die dann oft nicht mehr durch ein Potpourri von diversen Erregern bedingt sind, sondern wo einige wenige selektionierte Keime, darunter
auch Sprosspilze, sich durchsetzen.
Klinik, allgemeine Diagnostik:
Klinisch: lokaler Schmerz, Abwehrspannung, oft hohes Fieber und Hypotension.
Darüber hinaus kommt es zu einer Darmatonie.
Labor: Infektionsparameter im Blut
(CRP ↑ Serumeisen ↓ Leukozytenzahl ↑)
Klinik, allgemeine Diagnostik: Die Art und Menge der eingeschleppten bakteriellen Produkte und die Dauer des anschließenden inflammatorischen Geschehens
bestimmen die Symptomatik.
Klinisch imponiert eine Peritonitis durch lokalen Schmerz und eine Abwehrspannung bei Druck auf die Bauchdecken. Da in den meisten Fällen bakterielle
Pyrogene (Endotoxin, Peptidoglykan, Teichonsäuren und Lipoteichonsäuren)
in den Organismus gelangen bestehen oft hohes Fieber und Hypotension. Darüber hinaus kommt es zu einer Darmatonie bzw. einem Subileus. Durch Translokation gelangen noch mehr Keime in das Kreislaufsystem, wodurch eine Sepsis
entsteht.
Labor: Selbst bei einer lokalisierten Peritonitis sind im Blut die Infektionsparameter wie hohes CRP, niedriges Serumeisen und Leukozytose zu erheben.
Mikrobiologische Diagnostik:
Die mikroskopische Untersuchung bringt
schnell wertvolle Hinweise über die Art und
Menge der beteiligten Erreger.
Die Kultur (auch von Blut), wobei man an
Anaerobier und Sprosspilze denken muss,
bringt die exakte Klärung. Mit einer Mischinfektion muss gerechnet werden. Bei sekundärer Peritonitis muss auch mit Sprosspilzen
gerechnet werden.
Mikrobiologische Diagnostik:
Die mikroskopische Untersuchung von Abstrichen ergibt schnell einen wertvollen Hinweis auf das Vorliegen von Eiterzellen (deren Zusammensetzung sagt
etwas aus über die Dauer der Infektion) und von Mikroorganismen, darunter
Bakterien (Form, Färbbarkeit) und ggf. Sprosspilze.
Die Kultur (auch von Blut), wobei man auch an Anaerobier und Sprosspilze denken muss, bringt die eigentliche Aufklärung. Ein Antibiogramm gibt Aufschluss
über die Wirksamkeit der Antibiotika. Allerdings liegt das Ergebnis erst nach 2–3
Tagen vor.
Der Nachweis von Candida-Antigen im Blut ist in einigen Fällen ein frühzeitiger
Beleg für eine Komplikation durch Pilze, speziell bei sekundärer und tertiärer
Peritonitis.
Therapie: Im Vordergrund steht die chirurgische Sanierung. Die kalkulierteAntibiotikatherapie besteht oft in einer Kombination
von verschiedenen Medikamenten.
Therapie: Wichtigstes Ziel ist eine möglichst kausale Therapie, d.h. eine chirurgische Sanierung, um die „Erregerzufuhr“ zu stoppen. Eine zunächst kalkulierte Antibiotikatherapie muss ganz breit angelegt sein, damit möglichst alle denkbaren
Bakterien erreicht werden. Enterokokken und Anaerobier sind zwar häufig beteiligt, ihre „Durchsetzungskraft“ ist jedoch begrenzt. Deshalb müssen vor allem die
Enterobacteriaceae bekämpft werden. Entweder Imipenem oder eine Kombination von Cefotaxim bzw. Ciprofloxacin mit Metronidazol wäre empfehlenswert.
Bei Sprosspilzinfektionen wäre zunächst Fluconazol Mittel der Wahl.
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626
627
I 9.1 Hepatitis
Infektionen von Leber, Galle
und Pankreas
9
Prognose: Wenn die Ausheilung nicht gelingt, droht entweder eine schwere lokale
Nekrose oder auch eine Sepsis. Die resorbierten Bakterienprodukte können den
Kreislauf schwer belasten und Allgemeinreaktionen hervorrufen.
9
Infektionen von Leber, Galle
und Pankreas
9.1 Hepatitis
9.1
Hepatitis
▶ Definition: Entzündung des Lebergewebes.
◀ Definition
Ätiologie: Neben den eigentlichen „Hepatitisviren“, von denen derzeit 5 (Typ A–E)
charakterisiert sind (Tab. I-9.1), können noch viele andere Viren und andere
Mikroorganismen eine Entzündung der Leber hervorrufen (Tab. I-9.2). Während
die Hepatitisviren primär die Leber befallen, ist die Hepatitis durch andere Erreger
eher eine Begleiterscheinung. Auch manche Autoimmunerkrankungen sowie
Intoxikationen können unter dem Bild einer Hepatitis verlaufen.
Ätiologie: Neben den eigentlichen Hepatitisviren A–E (Tab. I-9.1) gibt es noch andere
Ursachen für eine Begleithepatitis (Tab.
I-9.2).
▶ Merke: Die Hepatitisviren gehören in ganz verschiedene Virusgruppen und
unterscheiden sich in Übertragungsweg, Inkubationszeit, Verlauf und Prognose
(Tab. I-9.1).
I-9.1
◀ Merke
Charakteristika der Hepatitis-Viren
Virus
Gruppe (Genom)
A
Picorna (RNA)
B
Hepadna (DNA)
C
Flavi (RNA)
D
E
Transmission
Inkubationszeit
Verlauf
Prognose
fäkal-oral
4(–6) Wochen
akut
gut
Touristen
parenteral, vertikal
(2–)3 Monate
oft chronisch
kritisch
Drogenabusus,
HWG, Touristen,
Heilberufe
parenteral, vertikalx
2 Monate
schleichend
kritisch
Drogenabusus,
Heilberufe
Virusoid (RNA)
parenteral, vertikal
3 Monate
chronisch
kritisch
Hämophile
Calici (RNA)
fäkal-oral
1 Monat
akut
meist gut außer
während
Schwangerschaft
Touristen (Indien)
Kontakt mit
Schweinen
akut = 0–6 Monate; chronisch = länger als 6 Monate
I-9.2
Weitere, unkonventionelle Hepatitis-Erreger
Viren
CMV, EBV, Gelbfieber, Enterovirus
Bakterien
Listerien, Mykobakterien, Leptospiren, Treponemen, Aktinomyzeten,
Anaerobier
Pilze
Candida, Histoplasma, selten Aspergillus
Protozoen
Amöben, Toxoplasmen, Plasmodien, Leishmanien
Würmer
Echinokokken, Ascaris (Gallengänge), Schistosomen, Toxocara
I-9.2
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Risikogruppen
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Prognose: Die lokale entzündliche Reaktion kann schwere Nekrosen auslösen, die
zu lokalen Komplikationen führen. In vielen Fällen kommt es auch zu einer septischen Ausbreitung, was die Mortalität deutlich steigert. Allein aber die großen
Mengen von anfallenden Bakterienprodukten verursachen hohes Fieber und belasten den Kreislauf, was mit SIRS (systemic inflammatory response syndrome;
s. Sepsis S. 649) beantwortet wird, so dass oft eine intensivmedizinische Überwachung nötig ist, vor allem wenn die Erregerquellen nicht schnell beseitigt werden.
Als Spätfolge können sich Briden ausbilden, die dann narbig schrumpfen und
Störungen der Peristaltik nach sich ziehen.
I 9 Infektionen von Leber, Galle und Pankreas
Pathophysiologie: Meistens erfolgt die
Schädigung der Leberzellen nicht durch eine
direkte Attacke sondern durch die Immunreaktion gegen den Erreger. Bei einer anhaltenden Entzündung erfolgt ein bindegewebiger Umbau, eine Leberzirrhose.
Pathophysiologie: In einigen Fällen kommt es zu einer direkten Schädigung der
Leberzellen durch den Erreger. Bei den typischen Hepatitisviren ist es die Immunreaktion gegen die Viren, gekennzeichnet durch eine Invasion von Lymphoyzten,
die zur eigentlichen Leberzellschädigung führt (dabei kommt es zur Freisetzung
von intrazellulären Enzymen – vor allem ALT und AST – die für diagnostische Zwecke gemessen werden können). Während es meistens zu einer Regeneration der
Leberzellen kommt, sind schwere Verläufe bis zum Leberversagen möglich.
Dabei sind die wichtigen Syntheseleistungen der Leber reduziert, z. B. die Produktion der Gerinnungsfaktoren mit erhöhter Blutungsgefahr. Die Hyperbilirubinämie
ist ein frühes Zeichen einer Leberschädigung; diese Gallenfarbstoffe werden dann
vermehrt in die Haut und Schleimhäute (speziell im weichen Gaumen) abgelagert
und führen zum Ikterus. Bei Beeinträchtigung des intrahepatischen Galleflusses
kommt es zur sog. Cholestase, wobei auch Gallensalze nicht mehr in den Darm ausgeschieden, sondern in der Haut abgelagert werden, was Juckreiz (Pruritus) auslöst. Der Mangel an Gallensalzen im Dünndarm führt zu einer verminderten Aufschlüsselung der Nahrungsbestandteile (Maldigestion). Eine chronische Hepatitis
(länger als 6 Monate) kann durch den anhaltenden entzündlichen Reiz zu einem
narbigen Umbau des Organs bis hin zur Leberzirrhose führen.
Klinik: Ikterus (Abb. I-9.1a) ist nicht immer
das führende Zeichen; oft bestimmen nur
uncharakteristische Oberbauchbeschwerden
das Bild. Bei Cholestase: der Stuhl wird weiß
(Abb. I-9.1b) und der Urin dunkel.
Klinik : Bereits in der Inkubationszeit können Prodromalerscheinungen, wie Fieber, Inappetenz, Druckgefühl im Oberbauch, Übelkeit und Durchfall auftreten,
oft auch Gelenkbeschwerden. Bei der akuten Erkrankung ist der Ikterus das klassische Zeichen (Abb. I-9.1a), das jedoch nicht immer auftritt – anikterische Verläufe sind vor allem im Kindesalter nicht selten. Ein starker Pruritus spricht für
eine Cholestase. Durch den Mangel an Gallenfarbstoffen verliert der Stuhl an
Farbe und wird grau bis weiß (Abb. I-9.1b). Der Urin dagegen wird dunkel, weil
diese Pigmente vermehrt über die Niere eliminiert werden müssen. Die reduzierte
Leberfunktion kann verschiedene Folgeschäden haben (z. B. Gerinnungsstörung).
Allgemeine Diagnostik: Entscheidend ist
der Nachweis von Enzymen (ALT und AST)
und Bilirubin im Blut.
Allgemeine Diagnostik:
Bei der klinischen Untersuchung findet man in der akuten Phase eine vergrößerte Leber und eine leichte Splenomegalie. (Bei einem chronischen Umbau
ist die Leber hart und verkleinert).
Labor – erhöhte Serumenzyme: leberspezifische ALT (Alanin-Aminotransferase,
früher GPT) und AST (Aspartat-Aminotransferase, früher GOT), Bilirubin.
Eine Leberbiopsie mit histologischer Untersuchung ist im Allgemeinen nicht erforderlich; im Einzelfall können aber die entzündlichen Infiltrate sowie die
Leberzellnekrosen die ätiologische Einteilung und die Prognoseschätzung erleichtern.
Mikrobiologische Diagnostik: Die Bestimmung von mikrobiellen Antigenen und spezifischen Antikörpern beweist die Ätiologie.
Mikrobiologische Diagnostik: Der Nachweis von mikrobiellen Antigenen und
spezifischen Antikörpern erlaubt in vielen Fällen eine exakte Diagnose. Zusätzlich
kann bei Hepatitis B und C eine quantitative Bestimmung der Viruslast mittels PCR
(s. S. 36) eine prognostische Aussage erlauben.
I-9.1
I-9.1
a Ikterus.
Typische klinische Befunde bei akuter Hepatitis
b Acholischer Stuhl.
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628
Therapie:
Hepatitis A und E: Eine gezielte antivirale Therapie ist nicht möglich und auch
nicht (unbedingt) erforderlich, weil sie fast immer spontan ausheilt.
Hepatitis B und D: Antivirale Substanzen, wie Vidarabin, sind nur mäßig wirksam und allenfalls in Kombination mit Interferon sinnvoll. Lamivudin, ein Nukleosid-Analogon (vgl. S. 181), welches die reverse Transkriptase des Hepatitis
B-Virus hemmt, kann die Viruslast senken, aber keine Heilung herbeiführen.
Hepatitis C: Ribavirin in Kombination mit (pegyliertem) Interferon kann in vielen Fällen den Verlauf günstig beeinflussen. Interferon hemmt dabei kaum die
Virusvermehrung aber die Proliferation von Fibroblasten, so dass der fibrotische
Umbau der Leber unterbleibt bzw. verzögert wird. Durch eine Stimulation der
Lymphozyten kann die Virusvermehrung reduziert werden. Durch die Einführung von z. B. Hemmstoffen der viralen Transkriptase sind zukünftig Fortschritte
zu erwarten.
Bei nicht durch Viren hervorgerufenen infektiösen Hepatitiden muss gezielt
eine antibakterielle, antimykotische oder antiparasitäre Therapie eingeleitet
werden.
Ansonsten zielt die Therapie auf die Milderung der Symptome, z. B. durch körperliche Schonung und ggf. Bettruhe und die Behebung von Schäden, z. B. Bekämpfung
von Gerinnungsdefiziten.
Therapie:
Bei Hepatitis B und C gibt es heute eine
spezifische Therapiemöglichkeit.
Prognose: Eine Hepatitis A heilt normalerweise immer aus und hinterlässt dann
eine lebenslange Immunität. Nur wenn große Teile der Leber ausgefallen sind,
droht ein Koma.
Bei lang anhaltenden entzündlichen Reizen, etwa bei einer Erregerpersistenz von
Hepatitis-B-, -D- und -C-Viren, kommt es im Laufe von Jahren zu einem narbigen
Umbau des Parenchyms. Das Endstadium ist eine Leberzirrhose. Nach vielen
(> 20) Jahren, vor allem wenn zusätzliche Belastungen wie Alkohol oder Toxine dazukommen, kann auf dem Boden einer chronischen Hepatitis auch ein primäres
Leberzellkarzinom entstehen.
Die gezielte antivirale Therapie führt nicht in allen Fällen zu einer kompletten
Ausheilung, aber doch häufig zumindest zu einer Remission.
Die Prognose kann je nach Ätiologie recht
unterschiedlich sein. Fulminante Verläufe mit
Leberversagen sind eher selten. Manche Erreger neigen zur Induktion von chronischen
Verläufen, was dann zu einem Gewebsumbau führt bis hin zur Leberzirrhose. Auf einem
solchen Boden kann dann auch nach Jahren
sogar ein primäres Leberzellkarzinom entstehen.
Prophylaxe: Da die verschiedenen Hepatitiden unterschiedliche Entstehungsweisen haben, ist auch die Prävention von Fall zu Fall unterschiedlich. Aufgrund der
fäkal-oralen Übertragung von Hepatitis A und E verhindert die strikte Einhaltung
der Hygieneregeln (z. B. Händedesinfektion, kein direkter körperlicher Kontakt, getrennte Toiletten) eine Ausbreitung. Bei Übertragung durch Lebensmittel gilt der
Spruch „cook it, peel it or forget it“. Bei anderen Infektionswegen ist die Expositionsprophylaxe entscheidend, z. B. die Verwendung eines Kondoms bei Sexualkontakten bzw. neuer Injektionskanülen durch i. v. Drogenabhängige (kein
„needle-sharing“).
Der aktiven bzw. passiven Impfung gegen Hepatitis A und B kommt eine ganz entscheidende Rolle zu (zu Details siehe auch www.rki.de).
Prophylaxe: Die Prävention richtet sich nach
den Übertragungswegen. Gegen Hepatitis A
und B gibt es die Möglichkeit der Impfprophylaxe.
9.2 Bakterielle Cholezystitis und Cholangitis
Ätiopathogenese: Ursache einer akuten Cholezystitis bzw. Cholangitis ist in den
meisten Fällen ein bestehendes Galleabflusshinderniss bedingt durch ein Steinleiden in Verbindung mit einer sekundär ablaufenden bakteriellen Infektion. Seltene
prädisponierende Faktoren sind Tumore, postoperative Strikturen, entzündliche
Veränderungen in Leber und Pankreaskopf oder Parasiten (speziell Askariden). Betroffen sind vor allem Menschen im mittleren Lebensalter, insbesondere Frauen
und Adipöse.
Verantwortliche Erreger der akuten Entzündungsreaktion sind zumeist Darmkeime (Enterobacteriaceen und Anaerobier), die durch Aszension in diese Region
gelangen.
9.2
Bakterielle Cholezystitis
und Cholangitis
Ätiopathogenese: In den meisten Fällen sind
Gallensteine und sekundär aszendierende
Darmkeime Auslöser.
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629
I 9.2 Bakterielle Cholezystitis und Cholangitis
630
I 9 Infektionen von Leber, Galle und Pankreas
Klinik: Typisch sind plötzlich auftretende
Schmerzen im rechten Oberbauch mit Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit und Erbrechen
sowie Ikterus (v.a. bei Cholangitis).
Klinik: Eine akute Entzündung der Gallenblasenwand (Cholezystitis) bzw. der Gallengangswege (Cholangitis) äußert sich durch plötzlich auftretende Schmerzen
im rechten Oberbauch (die bei der akuten Gallenkolik in die rechte Schulter ausstrahlen können) und von Fieber mit Schüttelfrost, Juckreiz, Übelkeit und Erbrechen sowie Ikterus (v.a. bei Cholangitis) begleitet werden. Nur bei alten Menschen
ist die Symptomatik oft verschleiert, sodass erst Komplikationen (z. B. Perforation
und eine nachfolgende gallige Peritonitis) auffallen.
▶ Merke: Für die Cholangitis ist die sog. Charcot-Trias kennzeichnend: Schmerzen im rechten Oberbauch, Ikterus und Fieber.
Diagnostik: Entzündungswerte und ggf.
Cholesatseparameter wie auch Leberwerte
sind erhöht. Eine kulturelle Untersuchung
von Galle bzw. von Blut kann die bakteriologische Ursache klären; meisten sind Darmkeime (vor allem E. coli) beteiligt. Sonografie
und ERCP sichern meist die Diagnose (bei
Cholangitis ist die ERCP auch gleich
therapeutisch einsetzbar).
Diagnostik: Laborchemisch finden sich erhöhte Entzündungsparameter (CRP, Leukozytose), bei Verschluss des Ducuts choledochus bzw. bei Cholangitis steigen die
cholestaseanzeigenden Enzyme (Gamma-GT, Bilirubin, AP) sowie die Transaminasen an. Oberbauchsonografie und ERCP (endoskopische retrograde CholangioPankreatikographie) sichern meist die Diagnose. Bei Vorliegen einer Choledocholithiasis kann ggf. gleich eine therapeutische Sphinkterotomie mit Steinextraktion
erfolgen.
Die mikrobielle Ätiologie lässt sich durch endoskopisch gewonne Galle klären; da
oft eine septische Ausbreitung (s. S. 649) erfolgt, ist auch eine Blutkultur sinnvoll.
Am häufigsten werden Kolibakterien gefunden. Auch andere Enterobacteriaceen
und Enterokokken können ursächlich oder auch nur zusätzlich beteiligt sein.
Therapie: Neben der symptomatischen Therapie (Nahrungskarenz, Analgesie) ist die
Gabe von Breitspektrumantibiotika nötig (die
mit der Galle ausgeschieden werden können,
z.B. Ceftriaxon und Ciprofloxacin). Symptomatische Steine müssen entfernt werden.
Therapie: Neben symptomatischer Therapie (Analgesie, Nahrungskarenz) müssen
die aufsteigenden Erreger durch Breitspektrumantibiotika (evtl. Kombinationstherapie) bekämpft werden, da ansonsten eine septische Ausbreitung droht. Für
eine kalkulierte Therapie stehen primär solche Antibiotika zur Wahl, welche einerseits ein breites Spektrum haben und gegen die vermutlich beteiligten Darmbakterien wirken und andererseits in der Galle ausgeschieden werden, z.B. Ceftriaxon
und Ciprofloxacin.
Sobald die akute Symptomatik einer akuten Cholezystitis abgeklungen ist, steht
eine operative (in der Regel laparoskopische) Steinentfernung an. Die Steinentfernung als Ursache einer Cholangitis erfolgt i.d.R. mittels ERCP (s.o.).
9.3
Akute Pankreatitis
9.3 Akute Pankreatitis
Ätiopathogenese: Primär infektiöse
Ursachen sind selten. Eine Sekundärinfektion
von Pankreasläsionen mit Enterobacteriaceen, Pseudomonaden und Sprosspilzen
verschlimmert den Verlauf.
Ätiopathogenese: Die Pankreatitis ist nur selten primär infektiös bedingt (z. B.
durch Mumps- und Enteroviren). Sekundäre mikrobielle Besiedelungen von primär sterilen Läsionen wie Nekrosen, Pseudozysten und peripankreatischen Verschorfungen können jedoch den Verlauf einer Pankreatitis erheblich beeinträchtigen. Neben Enterobacteriaceen sind – vor allem bei langwierigen Verläufen – speziell Pseudomonaden und Sprosspilze beteiligt, was dann eine gezielte antimikrobielle Therapie erfordert.
Klinik: Schwere Verläufe sind durch gürtelförmige Oberbauchschmerzen charakterisiert. Übelkeit, Erbrechen und Meteorismus
kommen hinzu. Akute Verläufe können
lebensbedrohlich sein.
Klinik: Viele sog. Begleitpankreatitiden sind asymptomatisch und heilen auch wieder spontan ab. Ansonsten stehen diffuse Oberbauchschmerzen, die gürtelförmig
ausstrahlen können, im Vordergrund. Zusätzlich kommen noch Übelkeit, Erbrechen, abgeschwächte Darmperistaltik und Meteorismus hinzu. Akute Verläufe
können dramatische Folgen wie akutes Abdomen, respiratorische Insuffizienz
und Schock zur Folge haben. Vor allem wenn eine mikrobielle Superinfektion erfolgt, kann sich eine fortschreitende Pankreasnekrose entwickeln, die evtl nach
außen dräniert.
Diagnostik: Die Oberbauchsonografie zeigt
die Ausdehnung an. Im Blut sind Lipase- und
Amylsaewerte erhöht, bei bakterieller Infektion auch die Entzündungsparameter. Aus
Nekosematerial können Bakterien bzw.
Sprosspilze angezüchtet werden.
Diagnostik: Eine Oberbauchsonografie kann entzündliche Schwellungen objektivieren. Im Blut sind erhöhte Lipase- und Amylasewerte festzustellen. Bei bakterieller Superinfektion steigen auch die Entzündungsparameter an. In Abstrichen von
den Nekrosegebieten können Bakterien bzw. Hefepilze nachgewiesen werden.
Therapie: Im Vordergrund steht die symptomatische Therapie. Antimikrobielle Wirkstoffe sind nur bei Superinfektion angezeigt.
Therapie: Symptomatische Therapie bestehend aus Schmerzmitteln, Nahrungskarenz, und Volumensubstitution. Antibiotika bzw. Antimykotika sind nur bei Superinfektion angezeigt.
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▶ Merke
631
I 10.1 Harnwegsinfektion – Zystitis und Pyelonephritis
ableitenden Harnwege
Die mit Abstand häufigste Infektion im Bereich des harnproduzierenden und -ableitenden Systems ist die „klassische“ Harnwegsinfektion. Da es sich hierbei in den
meisten Fällen um eine aszendierende Infektion von Keimen der Darm- und Hautflora handelt, bei der z. B. eine Zystitis in eine Pyelonephritis übergehen kann,
werden diese beiden Hauptformen hier gemeinsam abgehandelt.
Einzelne Abschnitte der ableitenden Harnwege können durch spezielle andere Erreger infiziert werden. So kommen als Ursache der Urethritis verschiedene Bakterien oder Viren infrage, die hauptsächlich sexuell übertragen werden (s. S. 635).
Für eine Zystitis können z. B. Schistosomen (s. S. 552) oder BK-Viren (s. S. 256) verantwortlich sein, und lokale entzündliche Veränderungen in den Ureteren treten
z. B. infolge von bakteriellen Infektionen nach Nierensteinen oder interventionellen Eingriffen auf.
An den Nieren können einzelne Viren zum Nierenversagen führen (s. Hantavirus,
S. 218) oder es kommt v. a. unter Immunsuppression nach Nierentransplantation
zu einer Reaktivierung von BKV oder CMV mit lokalen Infektionen, die sekundär
die Bildung von Nierensteinen fördern können. Abzugrenzen von direkt infektiösen Erkrankungen ist z. B. die Glomerulonephritis als immunpathologische Reaktion nach Streptokokkeninfektion (s. S. 324).
10.1 Harnwegsinfektion – Zystitis und
Pyelonephritis
Ätiopathogenese und Epidemiologie: In der überwiegenden Mehrzahl entsteht
eine Harnwegsinfektion durch Aszension von Keimen meist aus dem Darm
(Tab. I-10.1) oder von der Haut, nur selten geht eine solche Infektion von einer
hämatogenen Streuung aus.
Prädisponierende Faktoren für Harnwegsinfektionen können struktureller oder
funktioneller Natur sein und z. T. auch den Verlauf komplizieren. Zum einen
wird die Keimvermehrung und -aszension durch lokale Faktoren begünstigt:
Abflusshindernisse (z. B. bei Prostatahyperplasie, Urolithiasis, Malformation der
ableitenden Harnwege, Tumoren oder Radiatio der Harnblase mit nachfolgenden Strikturen, durch fortgeschrittene Schwangerschaft speziell Mehrlingsschwangerschaft)
Fremdkörper (z. B. Blasenkatheter)
Kürze der weiblichen Harnröhre.
Zum anderen spielt auch eine allgemein herabgesetzte Abwehrlage (z. B. im
Alter, in der Schwangerschaft, bei Diabetes mellitus) oder eine geringe Urinmenge
(z. B. bei Herz- und Niereninsuffizienz) eine Rolle.
I-10.1
Erreger von Harnwegsinfektionen
10
Infektionen der Niere und der
ableitenden Harnwege
Die mit Abstand häufigste Infektion im
Bereich des harnproduzierenden und
-ableitenden Systems ist die „klassische“
Harnwegsinfektion.
Einzelne Abschnitte der ableitenden Harnwege können durch spezielle andere Erreger
infiziert werden (s. Urethritis, S. 635). Für
eine Zystitis können z. B. Schistosomen
(s. S. 552) oder BK-Viren (s. S. 256) verantwortlich sein.
An den Nieren können einzelne Viren
zum Nierenversagen führen (s. Hantavirus, S.
218) oder es kommt v. a. unter Immunsuppression nach Nierentransplantation zu einer
Reaktivierung von BKV oder CMV mit lokalen
Infektionen, die sekundär die Bildung von
Nierensteinen fördern können.
10.1
Harnwegsinfektion – Zystitis und
Pyelonephritis
Ätiopathogenese und Epidemiologie:
Die häufigste Ursache ist die Aszension von
Keimen aus dem Darm (Tab. I-10.1).
Zu den prädisponierenden Faktoren gehören die kurze weibliche Urethra, Abflusshindernisse, Fremdkörper, allgemein herabgesetzte Abwehrlage und geringe Urinmenge.
I-10.1
Erreger
Anteil in %
Quelle/Infektionsweg
Escherichia coli
50–70
aus der Darmflora
andere gramnegative
Enterobacteriaceen
10
aus der Darmflora
Enterokokken
20
aus der Darmflora
Pseudomonas aeruginosa
5
aus Wasser
Staphylococcus aureus
5
von der Hautflora; hämatogen
Pilze*
<5
von der Haut; aus der Darmflora
Enterobius
<1
aus dem Darm
* Pilze im Urin sind meist nur Zeichen einer bloßen Hohlraumbesiedelung
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10 Infektionen der Niere und der
I 10 Infektionen der Niere und der ableitenden Harnwege
Formen: Man unterscheidet eine Zystitis
(auf Blase beschränkt) von einer Pyelonephritis (auch Nierenbecken und -parenchym
betroffen). Auch die Ureteren können
beteiligt sein.
Formen: Im Prinzip kann man eine Blasenentzündung (Zystitis) von einer Pyelonephritis mit einer Invasion der Bakterien ins Nierenbecken und -parenchym unterscheiden. Das Nierenmark ist dabei anfälliger als die Rinde, weil im hypertonen
Milieu des Markes die Funktion der Granulozyten herabgesetzt ist. Je nach Ausdehnung der Keimaszension können die Ureteren mitbeteiligt sein.
Klinik: Die Leitsymptome bei akuter Zystitis
sind Pollakisurie und Dysurie; dazu kommen evtl. auch Fieber und Übelkeit und
Schwäche.
Klinik: Eine akute Zystitis ist begleitet von heftigen, krampfartigen Schmerzen im
Unterbauch (Achtung: diese können mit einer Divertikulitis, Appendizitis oder
Adnexitis verwechselt werden!). Der Harndrang ist verstärkt – der Patient hat
das Gefühl, häufig Wasser lassen zu müssen (Pollakisurie) und klagt dabei über
Schmerzen bzw. Brennen (Dysurie). Darüber hinaus können Allgemeinsymptome
wie Schwäche, Übelkeit und evtl. auch Fieber auftreten.
Die Pyelonephritis geht mit deutlich stärkeren entzündlichen Reaktionen einher:
Leitsymptome sind Fieber, Schüttelfrost und Flankenschmerzen (verstärkt durch
Klopfen!).
Die Pyelonephritis ist gekennzeichnet
durch Fieber, Schüttelfrost und
Flankenschmerzen.
▶ Merke
Diagnostik: Die Diagnose stützt sich auf die
typischen Symptome und die Ergebnisse der
Urinuntersuchung.
▶ Exkurs
Die Urindiagnostik beinhaltet verschiedene
Methoden:
Inspektion: Sichtprüfung auf Trübungen
oder Blutbeimengungen.
Mikroskopische Untersuchung: Der
Nachweis von Leukozyten und von Nitrit
ist neben dem Keimnachweis ein wichtiges
Kriterium für die Diagnose einer Harnwegsinfektion.
Teststreifen: V. a. Harnwegsinfekt bei
Nachweis von Nitrit.
Kulturelle Nachweisverfahren: Eine
semiquantitative Keimzahlbestimmung
(Abb. I-10.1) im Morgenurin erhöht die
Aussagekraft.
▶ Merke: Die Unterscheidung von Zystitis und Pyelonephritis ist rein klinisch
nicht immer möglich; klopfschmerzhafte Nierenlager sind ein Zeichen für
Beteiligung des Nierenparenchyms.
Diagnostik: Die Diagnose stützt sich auf die typischen Symptome und die Ergebnisse der Urinuntersuchung. Für die Untersuchung wird in der Regel Mittelstrahlurin verwendet (s. Exkurs).
▶ Exkurs: Uringewinnung
Mittelstrahlurin (Spontanurin): Die Koloniezahl im Urin spielt für die Diagnose der Harnwegsinfektionen eine erhebliche Rolle. Eine korrekte Entnahmetechnik der Urinprobe ist für die
richtige Interpretation von großer Bedeutung. Vor allem bei Frauen wird der Urin leicht
durch Bakterien der Hautflora kontaminiert. Deshalb sollten die Patienten eine detaillierte Anleitung erhalten:
Spreizen der Labien bzw. Zurückziehen der Vorhaut
Reinigung der äußeren Harnröhrenöffnung
Verwerfen der ersten Portion des Urins
Sammeln des Mittelstrahlurins in einem sterilen Gefäß.
Der Urin sollte möglichst schnell untersucht werden, da sonst nachträglich eine Keimvermehrung stattfinden und das Ergebnis verfälschen könnte. Besser ist die Verwendung von Eintauchobjektträgern (Abb. I-10.1). Ein Harnwegsinfekt wird erst bei Koloniezahlen ab 105/ml
im Morgenurin angenommen. Kleinere Koloniezahlen gelten als Kontamination.
Transurethraler Katheterurin: Bei der Entnahme wird die Kontamination mit passagerer Hautflora vermindert, allerdings steigt die Gefahr der Verschleppung von Keimen von der äußeren
Harnröhrenöffnung in die Blase. Diese Probenentnahme sollte also unter strenger Sorgfalt erfolgen.
Suprapubischer Punktionsurin: Diese Form der Uringewinnung unter sterilen Kautelen ist zur
Klärung von Problemfällen notwendig.
Der Urin ist nicht immer steril, daher sind geringe Keimmengen nicht aussagekräftig.
Zur Urindiagnostik werden verschiedene Methoden angewendet:
Inspektion: Trübungen oder sogar Blutbeimengungen sind Hinweise auf Infektionen.
Mikroskopische Untersuchung: Eine quantitative Bestimmung der Leukozyten,
z. B. in der Zählkammer, zeigt das Ausmaß der entzündlichen Reaktion an. Bei
einer Leukozyturie ist eine Harnwegsinfektion recht wahrscheinlich. Das Vorliegen von Leukozytenzylindern im Urinsediment ist ebenfalls ein deutlicher Hinweis. Oft kommt es bei einer akuten Zystitis zu einer Schleimhautschädigung mit
Erosionsblutungen, so dass dann Erythrozyten im Urin zu finden sind. Auch eine
Abschätzung der Menge und der Art der Bakterien ist möglich.
Teststreifen: Da viele der uropathogenen Bakterien in der Lage sind, Nitrit aus
Nitrat im Urin zu bilden, ist die Nitritprobe hilfreich; Voraussetzung ist allerdings, dass die Bakterien ausreichend Zeit hatten für diese Umsetzung.
Kulturelle Nachweisverfahren: Speziell der semi-quantitativen Keimzahlbestimmung (Abb. I-10.1) kommt eine große Bedeutung zu; praktisch ist das
Eintauchverfahren von agarbeschichteten Objektträgern (s. S. 632). Die Keimdifferenzierung erlaubt eine Wertung der Ursache bzw. der Prognose.
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632
633
I 10.1 Harnwegsinfektion – Zystitis und Pyelonephritis
Semiquantitative Keimzahlbestimmung im Urin
▶ Merke: Meistens ist ein einziger, spezieller Keim der Erreger einer Harnwegsinfektion. Wenn gleichzeitig mehr als 3 verschiedene Keimarten gefunden werden, muss im Allgemeinen eine falsche Probenentnahme unterstellt werden!
Eine Resistenzbestimmung der Erreger ist bei ambulanten Patienten und einem
unkomplizierten Harnwegsinfekt nicht unbedingt angezeigt, aber erforderlich,
wenn Rezidive auftreten, um dann eine gezielte Antibiotikatherapie einzuleiten.
Bei stationären Patienten, z. B. mit Blasenkatheter, sollte in jedem Fall eine mikrobiologische Untersuchung erfolgen, da mit resistenten Hospitalkeimen zu
rechnen ist.
▶ Merke: Kriterien für das Vorliegen einer Harnwegsinfektion sind:
typische Klinik (Miktionsbeschwerden)
signifikante Bakteriurie (bei Mittelstrahlurin: > 105 Keime/ml im Morgenurin)
Leukozyturie.
Therapie: Eine erste, unkomplizierte Harnwegsinfektion, die sich auf eine Zystitis
beschränkt, heilt oft schon spontan ohne antibiotische Therapie aus; durch reichliche Flüssigkeitszufuhr (> 2 Liter täglich) kann der Heilungsprozess begünstigt
und durch Ansäuerung des Urins das Bakterienwachstum gehemmt werden. Zur
I-10.1
◀ Merke
Eine Resistenzbestimmung der Erreger
ist auf jeden Fall bei einem Rezidiv sinnvoll.
◀ Merke
Therapie: Eine unkomplizierte Zystitis heilt
oft spontan aus (reichlich Flüssigkeitszufuhr). Zur Besserung der Symptomatik kann
eine 1- bis 3-tägige antibiotische Therapie
verabreicht werden (Tab. I-10.2).
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I-10.1
634
I 10 Infektionen der Niere und der ableitenden Harnwege
Überlegungen zur kalkulierten Antibiotikatherapie einer Harnwegsinfektion
Antibiotikum
Überlegung
Cotrimoxazol
30–40 % aller E.-coli-Stämme sind bereits vorn vornherein resistent, v. a. bei Patienten, die schon zuvor im
Krankenhaus waren. Enterokokken sind teilweise resistent. Cotrimoxazol wird zum Großteil renal ausgeschieden.
Chinolone
30–40 % aller Stämme von E. coli sind bereits von vornherein resistent (bei Personen > 50 Jahre steigt die
Resistenzrate auf 60 %). Enterokokken sind z. T. resistent. Ciprofloxacin wird zu einem Großteil über Darm und
Galle ausgeschieden, während Levofloxacin überwiegend renal eliminiert wird. Vor allem ältere Patienten haben
ZNS-Nebenwirkungen.
Aminopenicilline
60 % aller E.-coli-Stämme sind bereits von vornherein resistent. Enterococcus faecalis ist noch immer zu 90 %
empfindlich. Dagegen ist Enterococcus faecium zu 90 % resistent.
Cephalosporine der
2. und 3. Generation
95 % aller E.-coli-Stämme sind empfindlich. Jedoch sind Enterokokken intrinsisch resistent. Während Ceftriaxon
über den Darm ausgeschieden wird, was die Darmflora erheblich stören kann, erreichen Cefuroxim, Cefotaxim
und orale Cephalosporine hohe Urinkonzentrationen.
Fosfomycin
Der Trometanolester von Fosfomycin hat eine gute Bioverfügbarkeit. Bereits mit einer einzigen Gabe
(single dose!) können die meisten Infektionen mit E. coli und Enterokokken kuriert werden.
Bei akuter Pyelonephritis und Rezidiven ist
eine längere Antibiotikatherapie indiziert.
▶ Merke
Besserung der Symptomatik kann eine kurzfristige, 1- bis 3-tägige antibiotische
Therapie verabreicht werden. Zur Wahl stehen Amoxicillin, orale Cephalosporine,
Cotrimoxazol, Chinolone, z. B. Levofloxacin, und Fosfomycin-Trometanol. Mit Resistenzen der Erreger gegen Amoxicillin, Chinolon und Cotrimoxazol muss jedoch
gerechnet werden, vor allem bei hospitalisierten Patienten (Tab. I-10.2).
Bei akuter Pyelonephritis und rezidivierenden Harnwegsinfektionen ist eine
längere Antibiotikatherapie angebracht. Da die Erregerdiagnose und die Resistenzbestimmung meist erst verzögert vorliegen, muss zunächst mit einer kalkulierten Therapie begonnen werden.
▶ Merke: Ein ideales Antibiotikum für die kalkulierte Therapie bei Harnwegsinfektion gibt es nicht. Man sollte die Wahl gut begründen (Tab. I-10.2).
Prognose: Es kann sich eine Urosepsis entwickeln. Eine chronisch entzündliche Reaktion kann zu Narbenbildungen führen, was
schlussendlich zu einem bindegewebigen
Umbau der Blase und Niere führen kann.
Prognose: Während eine unkomplizierte Zystitis wenig Beschwerden macht und
meist spontan wieder aus heilt, droht bei einer Pyelonephritis eine septische
Streuung (sog. Urosepsis). Bei Rezidivneigung muss nach anatomischen bzw. funktionellen Ursachen gefahndet werden. Bei einer Pyelonephritis ist mit einer Defektheilung zu rechnen. Chronische Grunderkrankungen wie z. B. eine chronische
Entzündung durch Schistosoma oder eine Querschnittlähmung führen oft zu
einer fortschreitenden, destruierenden Entzündung mit Gefahr einer narbigen
Schrumpfblase bzw. -niere.
Prophylaxe: Prädisponierende Faktoren
sollten soweit möglich beseitigt werden.
Körperhygiene verhindert die Aszension; ein
großes Harnvolumen sowie eine Ansäuerung des Urins verhindern eine massive
Keimvermehrung.
Prophylaxe: In jedem Fall ist eine Behebung der prädisponierenden Faktoren,
speziell einer Abflussstörung, wichtig, um rekurrierende Harnwegsinfektionen
zu unterbinden.
Da die meisten Erreger von Harnwegsinfektionen aus der Darmflora stammen,
sollte nach dem Stuhlgang von vorne nach hinten gewischt werden, um die Darmflora nicht in die Nähe des Orificium urethrae zu bringen. Darüber hinaus tragen
auch eine regelmäßige Körperhygiene und das Tragen von sauberer Unterwäsche
zu einer Verhinderung der Keimvermehrung bei.
Während einer Infektion, aber auch zur Verhinderung von Rezidiven, gilt der Rat:
viel trinken! Oft ist gerade in der heißen Jahreszeit die Urinmenge aufgrund anderweitiger Feuchtigkeitsabgabe vermindert. Auch die Ansäuerung des Harns mittels oraler Gabe von Mandelamin trägt dazu bei, die Keimvermehrung zu stoppen.
Nitrofurantoine können über lange Zeit gegeben werden und verhindern eine
bakterielle Kolonisierung. Dagegen erscheint die angebotene Impfung mit toten
Colibakterien (z. B. Uro-Vaxom) wenig aussichtsreich, Rezidive zu verhindern.
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I-10.2
635
I 11.1 Infektionen der männlichen Geschlechtsorgane
10.2
Urethritis
Ätiopathogenese: Eine akute Entzündung kann im Rahmen einer Infektion der
übrigen Harnwege auftreten aber auch unabhängig davon, z. B. bei der Frau
nach exzessivem Geschlechtsverkehr. Daneben gibt es aber auch spezifische Infektionen, die durch Gonokokken, Chlamydien, Mycoplasma bzw. Ureaplasma, Trichomonaden oder Viren (HSV Typ 2) hervorgerufen und sexuell übertragbar sind.
Die genaue Ursachenfindung ist für die Therapie erforderlich. Eine nichtbakterielle
Ursache (z. B. Morbus Reiter beim Mann) muss differenzialdiagnostisch bedacht
werden. Auch Verletzungen, z. B. nach Katheterisierung, führen zu lokalen Entzündungen. Eine starke Entzündung der Schleimhaut der Urethra erzeugt Arosionen,
die durch Blut im Urin erkennbar werden.
Ätiopathogenese: Neben einer Mitbeteiligung bei Infektionen der übrigen Harnwege gibt es spezifische, sexuell übertragbare Infektionen durch Gonokokken, Chlamydien, Mycoplasma bzw. Ureaplasma, Trichomonaden oder Viren (HSV Typ 2). Durch
eine starke Entzündung der urethralen
Schleimhaut kommt es zu Arosionen.
Klinik: Typischerweise kommt es zu brennenden Schmerzen beim Wasserlassen,
schleimigem oder eitrigem Ausfluss und Juckreiz, aber auch asymptomatische
Verläufe sind möglich.
Klinik: Schmerzen beim Wasserlassen,
Ausfluss und Juckreiz.
Diagnostik: Zur ätiologischen Klärung kann eine mikroskopische bzw. kulturelle
Untersuchung von Eiter bzw. Sekret dienen. Eine Untersuchung von „first void
urine“, d. h. der ersten Portion beim Wasserlassen, wo noch Eiter und Epithelzellen
der Urethra enthalten sind (also nicht Mittelstrahlurin!) mittels PCR oder mittels
Gensonden kann den Beweis einer Chlamydieninfektion bringen.
Diagnostik: Eiter bzw. Sekret werden
mikroskopisch bzw. kulturell untersucht.
Der „first void urine“ kann durch PCR auf
Chlamydien getestet werden.
▶ Merke: Da die spezifischen Erreger einer Urethritis meistens nur beim
Geschlechtsverkehr übertragen werden, sollten auch die Partner untersucht
und ggf. behandelt werden.
Therapie: Jeder der Erreger benötigt eine spezifische Therapie, z. B. Cefotaxim für
Gononokken, Makrolide, Tetrazykline bzw. Chinolone für Chlamydien und Mykoplasmen und Metronidazol für Trichomonaden.
◀ Merke
Therapie: Die Behandlung erfolgt
erregerspezifisch.
11 Infektionen der
Geschlechtsorgane
11.1 Infektionen der männlichen
Geschlechtsorgane
11
11.1
Infektionen der Geschlechtsorgane
Infektionen der männlichen
Geschlechtsorgane
11.1.1 Orchitis
11.1.1 Orchitis
Ätiopathogenese: Meist sind Virusinfektionen die Ursache einer Orchitis.
Mumps- (s. S. 224) und Enteroviren können im Rahmen einer disseminierten Infektion auch die Hoden (einseitig oder beidseitig) infizieren. Bakterielle Infektionen, z. B. durch Gonokokken oder Mykobakterien, kommen seltener vor. Gelegentlich sollte man mit exotischen Infektionen durch Pilze, wie Coccidioides und Histoplasma rechnen, wenn ein Aufenthalt in Endemiegebieten stattgefunden hat.
Ätiopathogenese: Meist führen Virusinfektionen (Mumps- oder Enteroviren) zu einer
Orchitis. Bakterielle Infektionen sind selten.
Klinik: Häufig kommt es in Verbindung mit Fieber akut zu einer Schwellung und
Rötung des Hodensacks. Als eine mögliche Konsequenz von Vernarbungen nach
der akuten Infektion kann es zu einer Störung der Spermatogenese und damit
zur Sterilität des Mannes kommen.
Klinik: Typisch ist ein geschwollener und
geröteter Hodensack in Verbindung mit
Fieber. Vernarbungen nach Infektion können
zu Sterilität führen.
Diagnostik: Die Diagnostik erfolgt serologisch (Antikörpernachweis im Serum)
und kulturell aus Biopsien oder Ejakulat. Die eigentliche Ursache bleibt oft ungeklärt.
Diagnostik: serologisch und kulturell.
Therapie: Als symptomatische Therapie sind eine Hochlagerung des Hodens und
Bettruhe zu empfehlen. Bei bakterieller Infektion wird antibiotisch behandelt.
Eine spezifische antivirale Therapie ist nicht möglich.
Therapie: symptomatisch (Hochlagerung
des Hodens und Bettruhe), antibiotisch bei
bakterieller Infektion.
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10.2 Urethritis
I 11 Infektionen der Geschlechtsorgane
11.1.2 Epididymitis
11.1.2 Epididymitis
Ätiopathogenese: Ursächlich sind meist
Infektionen mit Neisserien, Chlamydien,
selten mit Darmkeimen oder uropathogenen
Erregern.
Ätiopathogenese: Die meist einseitige Infektion des Nebenhodens tritt oft bei risikohaftem Sexualverhalten (z. B. häufig wechselnden Partnern) auf. In vielen Fällen sind gleichzeitig auch die Hoden bzw. die Prostata mitbetroffen. Neisserien
und Chlamydien sind die häufigsten Erreger; aber Darmkeime und uropathogene
Erreger sind ebenfalls möglich.
Klinik: Die akute eitrige Entzündung ist v. a.
durch schmerzhafte Schwellung gekennzeichnet. Es kann zu chronischen Verläufen
mit Abszessen oder narbigem Umbau
kommen.
Klinik: Es kommt typischerweise zu einer akut eitrigen Entzündung, bei der die
schmerzhafte Nebenhodenschwellung im Vordergrund steht und evtl. durch Fieber begleitet wird. Ohne Behandlung neigt die Erkrankung zu chronischen Verläufen. Es kann zu Abszessen oder zu ausgedehntem narbigen Umbau mit nachfolgender Funktionsstörung kommen.
Diagnostik: ggf. Erregernachweis im
Ejakulat.
Diagnostik: Die Ursachenfindung ist schwierig. Man kann versuchen aus dem
Ejakulat die bakteriellen Erreger zu züchten.
Therapie: sofortige Antibiose (Chinolone
oder Cotrimoxazol), Bettruhe, Kühlung und
Hochlagerung des Hodens.
Therapie: Es sollte eine sofortige antibiotische Behandlung (Notfall!) z. B. mit
Chinolonen oder Cotrimoxazol erfolgen. Maßnahmen wie Bettruhe sowie Kühlung
und Hochlagerung des Hodens unterstützen den Heilungsprozess.
11.1.3 Prostatitis
11.1.3 Prostatitis
Ätiologie: Erreger sind meist E. coli,
Enterokokken, und Staphylokokken evtl.
auch Chlamydien, Mykoplasmen bzw.
Ureaplasmen.
Ätiologie: Als Ursache einer Infektion der Prostata kommen in erster Linie E. coli,
Enterokokken, und Staphylokokken in Frage. In zweiter Linie können auch Chlamydien und Mykoplasmen bzw. Ureaplasmen beteiligt sein. Kryptokokken können in
der Prostata Jahre lang überleben (v. a. bei HIV-Infizierten), ohne dabei eine heftige
Entzündung zu induzieren.
Klinik: Es kommt zu Fieber, Schmerzen im
Bereich von Becken und Rektum, Blasenentleerungsstörungen und einer sexuellen
Funktionsstörung. Die Prostatitis verläuft oft
chronisch.
Klinik: Die akute bakterielle Prostatitis geht mit Fieber, Schmerzen im Bereich von
Becken und Rektum sowie mit Blasenentleerungsstörungen einher. Zusätzlich
kommt es zu einer sexuellen Funktionsstörung (Libidoverlust, Erektions- und Ejakulationsstörungen sowie Schmerzen nach dem Orgasmus). Eine Neigung zu chronischen Verlaufen besteht ganz häufig, da aufgrund der schweren Erreichbarkeit
des festen Prostatagewebes selbst bei sofortiger und gezielter Antibiotikatherapie
eine Ausheilung manchmal nicht möglich ist.
Diagnostik: Mittels rektaler Untersuchung
ist die geschwollene, schmerzhafte Prostata
tastbar. Im Prostatasekret finden sich
Leukozyten und Bakterien. Ggf. Biopsie.
Diagnostik: Bei der rektalen Untersuchung tastet man eine geschwollene Prostata, die infolge der Entzündung druckschmerzhaft ist. Bei der Laboruntersuchung
findet man im Prostatasekret Leukozyten und Bakterien. Ggf. ist auch eine Biopsie
zur histologischen und mikrobiologischen Klärung angezeigt. Eine Kryptokokkeninfektion kann man durch Antigennachweis im Serum belegen.
Therapie: Chinolone oder Ampicillin
+ Aminoglykosid.
Therapie: Geeignet sind Chinolone oder Ampicillin in Kombination mit Aminoglykosiden. Die Exazerbation einer Pilzinfektion kann mit einer langjährigen Fluconazolprophylaxe verhindert werden.
11.2
Infektionen der weiblichen
Geschlechtsorgane
11.2.1 Vulvitis
▶ Definition
Ätiopathogenese: Die Erreger werden
sexuell oder über Schmierinfektion übertragen. Ursachen sind meist Bakterien
(Staphylokokken, Streptokokken), aber auch
Pilze, Parasiten und Viren.
11.2 Infektionen der weiblichen
Geschlechtsorgane
11.2.1 Vulvitis
▶ Definition: Entzündliche Veränderungen am äußeren Genitale der Frau.
Ätiopathogenese: Das äußere Genitale der Frau ist häufig bei einer Vaginitis mitbetroffen (Vulvovaginitis). Gelegentlich dehnt sich auch eine Bartholinitis auf die
Vulva aus. Während einige Erreger sexuell übertragen werden, entstehen andere
über Schmierinfektionen. Ursachen sind meistens Bakterien (Staphylococcus
aureus, Streptokokken, Enterobacteriaceae, selten: Haemophilus ducreyi, Treponema pallidum), aber auch Hefepilze (Candida spp.), Parasiten (Phthirus pubis,
Scabies) sowie Viren, z. B. Herpes-simplex-Viren (v. a. Typ 2) und humane Papilloma-Viren (HPV).
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636
Klinik: Subjektive Beschwerden sind Juckreiz und Brennen im Genitalbereich.
Klinik: Typisch sind Juckreiz und Brennen.
Diagnostik: Bei der Inspektion dominiert zunächst eine Rötung, die sich je nach
Erreger in Knötchen, Bläschen oder Ulzera weiterentwickeln kann. Die ätiologische Klärung erfolgt durch mikroskopische bzw. kulturelle Untersuchung eines
Abstrichs oder durch Serologie. HSV kann durch PCR nachgewiesen werden,
wobei auch der Typ bestimmt werden kann.
Diagnostik: Bei der Inspektion ist eine
Rötung (evtl. Knötchen, Bläschen) erkennbar.
Mikroskopische bzw. kulturelle Untersuchung eines Abstrichs, Serologie, PCR.
Therapie: Eine antientzündliche Therapie und eine lokale Gabe von Antiseptika
kann helfen. Eine gezielte antimikrobielle Therapie richtet sich nach der Ätiologie.
Gegen Scabies und Läuse wirken Lindan oder Pyrethrum.
Therapie: Antientzündliche und antiseptische Therapie, Antibiose je nach Ätiologie.
11.2.2 Vaginitis
11.2.2 Vaginitis
▶ Synonym: Kolpitis
◀ Synonym
▶ Definition: Entzündliche Veränderungen in der Scheide.
◀ Definition
Ätiopathogenese: Laktobazillen (Döderlein-Bakterien) sorgen in der gesunden
Vagina für einen sauren pH-Wert (s. S. 290), der einen weitgehenden Schutz vor
der Invasion pathogener Mikroorganismen bietet. Bei einer Störung der normalen
Scheidenflora kann es daher zu einer Kolpitis kommen, entweder primär (große
Menge pathogener Keime dringt in die Scheide ein und stört dort das physiologische Scheidenmilieu) oder sekundär (pathogene Keime entwickeln sich auf dem
Boden eines bereits gestörten Scheidenmilieus). Faktoren, welche die protektive
Laktobazillenflora stören (Anstieg des pH-Wertes), sind z. B. Östrogenmangel
(z. B. Wechseljahre), Antibiotikatherapie, übermäßige Genitalhygiene (Seife).
Auch häufig wechselnde Geschlechtspartner führen zu einer Inzidenzsteigerung.
Häufige Erreger sind Bakterien (Gardnerella, Mobiluncus, andere Anaerobier,
Atopobium vaginae), Pilze (Candida albicans und C. glabrata), Protozoen (Trichomonas) und Viren (HSV Typ 2).
Ätiopathogenese: Bei einer Störung der
normalen Scheidenflora kann eine Kolpitis
entstehen (primär oder sekundär). Begünstigende Faktoren sind Östrogenmangel,
Antibiotikatherapie, übermäßige Genitalhygiene.
Klinik: Typisch sind Juckreiz und ein vermehrter Ausfluss (Fluor vaginalis).
Klinik: Juckreiz und vermehrter Ausfluss.
Diagnostik: Sie besteht in einer Untersuchung des Fluor vaginalis (Menge, Konsistenz, Farbe und Geruch). Bei Infektion mit Gardnerella entsteht durch Zugabe
von 10 % KOH-Lösung zum Fluor ein fischartiger Geruch (sog. Aminkolpitis).
Unter dem Mikroskop können bereits einige Erreger identifiziert werden, z. B. Hefepilze, Trichomonaden und auch sog. „Clue cells“ (Plattenepithelzellen), an denen
sehr viele Stäbchenbakterien hängen (typisch für bakterielle Vaginitis durch Gardnerella, Abb. I-11.1). Die lokale Infektion führt nicht zu einer Erhöhung von BSG,
CRP bzw. zu Leukozytose im Blut. Die verschiedenen Erreger lassen sich mittels
Kultur oder PCR verifizieren.
Diagnostik: Der Fluor vaginalis muss
hinsichtlich Menge, Konsistenz, Farbe und
Geruch untersucht werden. Durch mikroskopische (Abb. I-11.1) und kulturelle
Untersuchungen sowie PCR können die
Erreger identifiziert werden.
Therapie: Die antimikrobielle Therapie richtet sich nach der Ursache. Die Vaginalmykose wird lokal mit Polyenen (Amphotericin B oder Nystatin) oder mit Azolen
(Clotrimazol, Miconazol) behandelt; bei schweren Fällen kann auch eine orale Therapie erfolgen (z. B. Fluconazol; meist reicht eine Einzelgabe). Bei bakterieller Infektion und gegen Trichomonas wirkt Metronidazol (oral), bei Herpesviren Aciclovir. Auch eine lokale Anwendung von Antiseptika (Jodverbindungen, Polihexanid,
Octenisept) ist hilfreich. Eine lokale Ansäuerung durch Laktobazillen-, Milchsäureund Vitamin-C-Präparate wirkt supportiv.
Therapie: Die antimikrobielle Therapie
richtet sich nach der Ursache. Auch lokale
Maßnahmen wie Antiseptika oder Ansäuerung durch Laktobazillen-, Milchsäure- und
Vitamin-C-Präparate sind allenfalls supportivreich.
Häufige Erreger sind Bakterien
(Gardnerella), Pilze (Candida),
Protozoen (Trichomonas) und Viren.
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637
I 11.2 Infektionen der weiblichen Geschlechtsorgane
I-11.1
I 11 Infektionen der Geschlechtsorgane
I-11.1
„Clue cells“ bei bakterieller Vaginitis (Nativpräparat)
Die Plattenepithelzellen sind dicht mit Stäbchenbakterien (vermutlich Gardnerella) belegt.
11.2.3 Infektionen des inneren Genitales
11.2.3 Infektionen des inneren Genitales
▶ Definition
▶ Definition: Infektionen des Uterus werden in Infektionen der Zervix (Zervizitis)
und des Endometriums (Endometritis) unterteilt. Als Adnexitis wird eine einoder beidseitige Entzündung des oberen Genitaltrakts mit Beteiligung der Eileiter
(Salpingitis) und der Eierstöcke (Oophoritis) einschließlich der umgebenden
Gewebe bezeichnet.
▶ Merke
▶ Merke: Da Zervizitis, Endometritis und Adnexitis oft kombiniert vorkommen
und auch auf die umgebenden Strukturen/Organe (Peritoneum, Douglasraum,
Darm) im Becken übergreifen können, wird dafür international der Begriff Pelvic
inflammatory disease (PID) verwendet.
Ätiopathogenese: Meist handelt es sich eine
aszendierende Infektion; die Erreger werden
sexuell übertragen (häufig Chlamydia trachomatis, Gonokokken). Auch puerpale
oder postoperative Infektionen sind möglich.
Selten treten hämatogene oder deszendierende Infektionen auf.
Ätiopathogenese: In vielen Fällen entstehen die Erkrankung durch Aszension von
Erregern, die beim Geschlechtsverkehr übertragen werden (sog. STD = Sexually
transmitted disease), z. B. Chlamydia trachomatis, Gonokokken, Streptococcus
pyogenes (Serogruppe A), Herpes-simplex-Viren (Typ 2), humane PapillomaViren (HPV), Zytomegalievirus (CMV). Weitere Ursachen können eine puerpale
(im Wochenbett) oder postoperative Infektion mit Staphylococcus aureus oder
Enterobacteriaceae sein. In seltenen Fällen treten hämatogene (z. B. durch Mykobakterien) oder deszendierende (z. B. bei einer Appendizitis) Infektionen auf.
Klinik:
Zervizitis: meist symptomlos,
ggf. Ausfluss
Endometritis: Ausfluss, evtl. Fieber,
Schmerzen, Blutungsstörungen
Adnexitis: plötzlicher Beginn mit starken
Schmerzen und Fieber.
Klinik: Eine Zervizitis verläuft meist symptomlos, manchmal wird ein gelblicher,
klebriger Ausfluss bemerkt. Bei der Endometritis können Blutungsstörungen
(z. B. Zwischenblutungen) auftreten, evtl. auch unspezifische Unterbauchschmerzen, Fieber und abnormer Ausfluss. Typische Symptome einer akuten Adnexitis
sind ein plötzlicher Beginn mit z. T. starken Unterbauchschmerzen (v. a. bei gonorrhoischen Infektion), Fieber, Übelkeit und Erbrechen. In manchen Fällen bestehen
Regelblutungsstörungen und Ausfluss.
Komplikationen: bei Adnexitis: Tuboovarialabszess, Peritonitis, Sterilität,
Extrauteringravidität.
Komplikationen: Bei der Adnexitis kann sich der Entzündungsprozess auf die umliegenden Strukturen/Organe ausdehnen (z. B. Parametritis, Tuboovarialabszess,
Peritonitis). Gefürchtete Spätkomplikationen sind Sterilität (Verklebung der Eileiter), die Entstehung einer Extrauteringravidität und chronische Unterbauchschmerzen durch Verwachsungen.
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638
639
Diagnostik: Im Rahmen der gynäkologischen Untersuchung imponieren bei Zervizitis eine vulnerable (Kontaktblutung), gerötete Zervix mit gelblich, eitrigem Ausfluss. Auch bei Endometritis zeigt sich ein eitriger Ausfluss, zudem ist der Uterus
häufig druckdolent. Zur Bestimmung des verursachenden Erregers wird ein Abstrich aus der Zervix entnommen. Neben Untersuchung des Nativpräparats und
Kultur ist auch eine PCR geeignet (speziell für den Nachweis von Chlamydien,
HSV und CMV). Typisch für die Adnexitis ist eine Druck- und Schiebeschmerz
des Uterus, je nach Ausmaß mit Peritonealreizung. Laborchemisch zeigen sich erhöhte Entzündungsparameter (Leukozyten ↑, BSG ↑, CRP ↑). Weitere diagnostische Maßnahmen sind Erregernachweis (Abstrich aus Zervix), Sonografie und
ggf. Laparoskopie (Beurteilung der Adnexe, Erregernachweis).
Diagnostik:
Zervizitis: vulnerable, gerötete Zervix mit
Ausfluss
Endometritis: Ausfluss, druckdolenter
Unterus
Adnexitis: Druck- und Schiebeschmerz
des Uterus (ggf. Peritonealreizung),
erhöhte Entzündungsparameter,
Sonografie.
Zum Erregernachweis wird ein Abstrich der
Zervix entnommen (Nativpräparat, Kultur,
PCR).
Therapie: Hat sich der Verdacht auf eine Infektion bestätigt, wird eine AntibiotikaTherapie eingeleitet. Chinolone (Moxifloxacin, Levofloxacin), Makrolide (z. B.
Azithromycin), und Doxycyclin sind gegen die meistens bakteriellen Erreger wirksam. Nach Erhalt der Abstrichresultate kann die Therapie ggf. angepasst werden.
Bei Infektion mit Gonokokken ist Cefotaxim bzw. Ceftriaxon indiziert. Bei Tbc
müssen spezielle Kombinationen eingesetzt werden. Gegen HSV hilft Aciclovir.
Bei Fortschreiten der Entzündung kann eine operative Intervention notwendig
werden.
Therapie: Die Behandlung erfolgt antibiotisch (Chinolone, Makrolide, Doxycyclin),
ggf. je nach Erreger. Bei Fortschreiten der
Entzündung kann eine operative Intervention notwendig werden.
▶ Merke: Bei Gonokokken- und Chlamydieninfektion ist auch eine Partnerbehandlung notwendig.
Prävention: „Safer Sex“ (Kondome) und eine richtige Genitalhygiene wirken vorbeugend gegen Infektionen im Genitalbereich.
◀ Merke
Prävention: „Safer Sex“ (Kondome), richtige
Genitalhygiene.
12 Infektionen von Knochen
und Gelenken
12.1 Osteomyelitis
12
Infektionen von Knochen
und Gelenken
12.1
Osteomyelitis
▶ Definition: Entzündung des Knochenmarks, in den meisten Fällen verbunden
mit einer Ostitis bzw. Periostitis.
◀ Definition
Ätiologie: Die Entstehungsweise ermöglicht Rückschlüsse auf die Ätiologie
(Tab. I-12.1).
Ätiologie: Die Entstehungsweise ermöglicht
Rückschlüsse auf die Ätiologie (Tab. I-12.1).
▶ Klinischer Fall: Ein 43-jähriger Polizeibeamter stellte sich zunächst beim Hausarzt wegen Rückenschmerzen vor. Da diese Symptome im Laufe von wenigen Tagen ständig zunahmen und auch
noch Fieber, Schüttelfrost und Gewichtsabnahme hinzukamen, wurde er stationär aufgenommen. Im Röntgenbild zeigten sich im Bereich der Lendenwirbelsäule osteolytische Herde. Bei
der Operation konnte daraus Eiter entnommen werden, der Haemophilus aphrophilus enthielt.
Es wurde anamnestisch geklärt, dass der Polizist 4 Wochen zuvor bei der Festnahme eines Kriminellen von diesem an der Hand gekratzt und gebissen worden war. Die oberflächlichen Entzündungen wurden damals nicht ernst genommen.
◀ Klilnischer Fall
Klinik: Fieber, Schmerzen (v. a. wenn das Periost befallen ist), Funktionseinschränkungen.
Klinik: Fieber, Schmerzen.
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I 12.1 Osteomyelitis
640
I 12 Infektionen von Knochen und Gelenken
I-12.1
▶ Exkurs
a
Entstehungsweise
Ätiologie (Erreger)
traumatisch
Staphylokokken, Enterokokken, Enterobacteriaceae,
Pseudomonas, Anaerobier, Mischinfektionen
septisch
Staphylococcus aureus, Tbc, Salmonella, Brucella,
Haemophilus, Pasteurella, Eikenella, Candida
per continuitatem
Staphylokokken, Enterobacteriaceae, Anaerobier,
Mischinfektionen
iatrogen/postoperativ
Staphylococcus aureus, Mischinfektionen
▶ Exkurs: Spondylitis, Spondylodiszitis. Die Spondylitis ist die Osteomyelitis der Wirbelkörper, von Spondylodiszitis spricht man bei einem Befall der Bandscheiben. Beide Formen können
primär auftreten und sekundär ineinander übergehen. Im klinischen Alltag sind sie meist nicht
sicher zu unterscheiden. Der Befall des Wirbelkörpers bzw. der Bandscheiben erfolgt meist
durch endogene Streuung von einem entfernten, lokalen Entzündungsherd (z. B. einer
Wunde). Das Erregerspektrum entspricht dem der Osteomyelitis. Klinisch stehen hier neben
Fieber und Einschränkung des Allgemeinbefindens insbesondere Rückenschmerzen im Vordergrund. Im weiteren Verlauf der Infektion kann es zu Destruktion der Wirbelkörper (Abb. I-12.1)
und ausgedehnter Abszessbildung kommen. Bei Einbruch in den Wirbelkanal zeigen sich neurologische Ausfälle bis hin zur Querschnittslähmung.
Allgemeine Diagnostik: Zur Diagnose
tragen vor allem der klinische Befund,
Laboruntersuchungen und bildgebende
Verfahren (Abb. I-12.1) bei.
I-12.1
Osteomyelitis
Allgemeine Diagnostik:
Klinisch: Fieber, evtl. Destabilisierung und Funktionseinschränkung mit neuronalen Schäden, evtl. Fistelung nach außen.
Labor: Entzündungsparameter wie CRP bzw. BSG sind erhöht, evtl. besteht auch
eine Leukozytose und Hyposiderinämie.
Bildgebende Verfahren: Im Röntgenbild, MRT (Abb. I-12.1) oder in der Szintigraphie mit 99mTc kann man einen knöchernen Umbau der Knochenstruktur,
Fistelgänge oder Sequester erkennen, die sich bei chronischen Prozessen bilden.
MRT einer frischen bakteriellen Spondylodiszitis im Segment LWK ½
b
c
Bei einem 1½-jährigen Jungen mit einer bakteriellen Infektion – ausgehend von der Wirbelzwischenscheibe – kam es zu einer Destruktion
der Bandscheibe LWK 1/2 unter Beteiligung der angrenzenden Grund- und Deckplatten (Aufnahmen von Prof. Düber/Mannheim).
a T1-gewichtete Sequenz vor Gabe eines MRT-Kontrastmittels.
b T1-gewichtete Sequenz nach Gabe eines MRT-Kontrastmittels (Zunahme der Signalintensität in den angrenzenden Wirbelkörpern als
Zeichen der entzündungsbedingten Hyperämie).
c T2-gewichtete Sequenz (wasserhaltige Bandscheibenscheiben stellen sich signalreich = weiß dar).
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I-12.1
Mikrobiologische Diagnostik:
Erregernachweis durch Blutkultur, evtl. Abstrich bzw. Punktion (Biopsien sind
auch sinnvoll, um die Differenzialdiagnose, wie Sarkom, abzuklären).
Serologie – Nachweis von spezifischen Antikörpern, z. B. gegen Brucella oder
Staphylolysin.
Mikrobiologische Diagnostik:
Erregernachweis, Serologie.
Therapie:
Operativ: Entlastung, Entfernung von Sequestern soweit möglich, Stabilisierung.
Antimikrobiell: Am besten ist eine gezielte Antibiotikatherapie nach Erreger
und Austestung der Empfindlichkeit; ansonsten kalkulierte Therapie, wobei
Staphylococcus aureus bei weitem der häufigste Erreger ist. Diese Bakterien
können mit Oxacillin oder Cephalosporin der 1. Generation (z. B. Cefazolin)
behandelt werden.
Da Fosfomycin hervorragend in den Knochen penetriert, wäre es als Kombinationspartner mit einem der Betalaktamantibiotika gut geeignet. Alternativ käme
Clindamycin oder ein Makrolid in Frage. Bei resistenten Erregern, z. B. MRSA,
evtl. Linezolid. Vancomycin dagegen ist zwar nominell gut gegen Staphylokokken
wirksam, aber das „sperrige“ Molekül penetriert nur schlecht ins Gewebe und
speziell in den Knochen.
Therapie:
Neben der operativen Behandlung kommt
der richtigen Antibiotikatherapie ein hoher
Stellenwert zu.
▶ Merke: Insgesamt muss eine lange Behandlungszeit eingehalten und mit einer
relativ großen Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs gerechnet werden. Kontrollen
sind also erforderlich.
◀ Merke
Bei spezieller Genese, z. B. nach Menschenbiss, muss mit anderen Keimen, etwa
Pasteurella oder Haemophilus, gerechnet werden und entsprechend auch die Therapie angepasst werden, z. B. Ciprofloxacin bzw. Doxycyclin bei Brucella. Bei Annahme oder Beleg einer Mischinfektion müssen Antibiotika kombiniert werden,
um das Spektrum zu erweitern, z. B. Cephalosporin der 2. Generation (z. B. Cefuroxim) plus Clindamycin oder Levofloxacin plus Clindamycin.
Die Einlage von antibiotikagetränkten Kugeln/Fäden in das infizierte Gebiet ist
wenig wirksam, weil die Diffusionsstrecke von Antibiotika nur sehr kurz ist.
Prognose: Vor allem bei chronischen Verläufen muss mit einer Defektheilung
gerechnet werden.
▶ Exkurs: Ausgehend von einer Osteomyelitis kommt es gelegentlich zu einer Entzündung der
benachbarten Gelenke.
12.2 Arthritis
▶ Definition: Eine Arthritis ist die Entzündung eines Gelenks und beruht entweder
auf einer Infektion (meist eine akut eitrige, bakterielle Entzündung, Tab. I-12.2)
oder auf einer immunpathologischen Ursache, die meist chronisch verläuft und
mit einem serösen Infiltrat einhergeht (Tab. I-12.3).
▶ Merke: Im Gegensatz dazu ist die Arthrose Folge einer degenerativen Veränderung eines Gelenks.
Prognose: v. a. bei chronischen Verläufen
drohen Defektheilungen.
◀ Exkurs
12.2
Arthritis
◀ Definition
◀ Merke
Epidemiologie: Das Geschlecht hat einen ganz erheblichen Einfluss auf solche Immunreaktionen; besonders Frauen im Alter > 40 Jahre sind betroffen. Im Norden
Europas (Finnland) sind manche dieser Komplikationen viel häufiger als in den
Mittelmeerländern. Die Inzidenz beträgt etwa 2–10/100 000 Einwohner jährlich.
Epidemiologie: Besonders Frauen im Alter
> 40 Jahre sind von immunpathologischer
Arthritis betroffen.
Ätiologie:
Für die akute eitrige Arthritis sind meist Bakterien verantwortlich. Mögliche Erregerquellen sind vorausgegangene Infektionen des Gastrointestinal-, Urogenital- und Respirationstraktes sowie der Haut, wobei jeweils charakteristische Er-
Ätiologie: Eine Entzündung der Gelenke
kann durch eine zumeist bakterielle
Infektion oder durch eine kreuzreagierende
Immunreaktion bedingt sein.
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641
I 12.2 Arthritis
I-12.2
I-12.3
I 12 Infektionen von Knochen und Gelenken
I-12.2
Akute, eitrige Arthritis (Arthritis purulenta)
Erreger
Ursachen
S. aureus
posttraumatisch, postoperativ, fortgeleitet von
Osteomyelitis bzw. Weichteilinfektion
Borrelia burgdorferi
Zeckenstich
Pasteurella
Menschen- und Tierbiss
Haemophilus
Menschen- und Tierbiss
N. gonorrhoeae
septische Streuung
Enterobacteriaceen
posttraumatisch, postoperativ
Pseudomonas
posttraumatisch, postoperativ
Streptococcus pneumoniae
(nach) Sinusitis, Otitis media, Pneumonie
Mischinfektion (Anaerobier)
posttraumatisch
Candida
postoperativ, i.v. Drogenabusus
I-12.3
Reaktive, seröse Arthritis als häufige postinfektiöse Komplikation
Erreger
asoziierte Erkrankung
Diagnose
S. pyogenes
Rheumatisches Fieber
Serologie
Yersinia
Frauen > 40 Jahre, Erythema nodosum
Serologie
Shigella
frühere Enteritis
Anamnese
Salmonella
frühere Enteritis
Anamnese, Serologie
Campylobacter
Guillain-Barré-Syndrom
Anamnese
Borrelia
Erythema migrans
Anamnese, Serologie
Mykoplasma
Urethritis, Uveitis
Anamnese, Serologie
Chlamydia
Urethritis, Uveitis
Anamnese, PCR
Arboviren
Meningitis
Anamnese, PCR
Coxsackievirus
Herpangina
Anamnese, Serologie
Parvovirus B19
Exanthem
Anamnese, Serologie
Rötelvirus
Exanthem
Anamnese, Serologie
Mumps
Parotitis, Meningitis
Anamnese, Serologie
EBV
Angina, Hepatitis
Anamnese, Serologie
Alphaviren
Enzephalitis, Exanthem
Anamnese, Serologie
reger als Auslöser in Frage kommen (Tab. I-12.2). Ca. 60 % entstehen hämatogen,
30 % postoperativ und 10 % posttraumatisch.
Beider reaktiven, serösen Arthritis istdie GelenkkapselOrteinerImmunreaktion
mit kreuzreagierenden Antigenen zwischen Erregern und humanem Gewebe.
Mögliche Ursachen sind in Tab. I-12.3 aufgeführt; darüber hinaus gibt es noch
viele andere Ursachen z. B. Autoimmunkrankheiten aus dem „rheumatischen
Formenkreis“: Morbus Still, chronische Polyarthritis, Psoriasis, Spondylitis
ankylosans (Morbus Bechterew), Kollagenose, Morbus Wegener.
Klinik: v. a. Schmerzen, Funktionseinschränkung, Schwellung, Rötung.
Klinik: Schmerzen, Funktionseinschränkung, Rötung, Schwellung, Überwärmung,
ggf. Fieber.
Allgemeine Diagnostik:
Anamnese: z. B. Anzahl der Gelenke,
Verlauf, Vorerkrankungen?
Klinisch: typische Symptomatik (s. o.).
Radiologisch: Im Röntgenbild sieht man
einen verbreiterten Gelenkspalt als Folge
Allgemeine Diagnostik:
Anamnese: Ist nur ein Gelenk (Monarthritis) oder sind mehrere Gelenke (Polyarthritis) gleichzeitig betroffen (gelegentlich „springt“ die Entzündung von
einem zum anderen Gelenk)? Sind die großen oder die kleinen Gelenke entzündet? Auch die zeitlichen Verhältnisse (chronisch/akut) müssen eruiert werden.
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642
643
I 12.2 Arthritis
Mikrobiologische Diagnostik:
Mikroskopische Untersuchung: Bei der mikroskopischen Untersuchung von
Gelenkpunktat erkennt man Entzündungszellen (entweder polymorphkernige
Granulozyten bei einer akut eitrigen Infektion bzw. Lymphozyten bei immunologischer Genese) und ggf. im Grampräparat auch Bakterien.
Kulturelle Nachweisverfahren: Zum kulturellen Nachweis von Borrelien, Gonokokken und Anaerobiern müssen ggf. Spezialnährböden verwendet werden;
sonst reichen die Standardverfahren aus. Evtl. kann auch die Blutkultur positiv
sein.
Serologische Nachweisverfahren: Serologische Tests gibt es für den Nachweis
von früheren Infektionen mit Streptokokken („Rheuma-Serologie“), Yersinia,
Mykoplasma, Shigella, Salmonella, Campylobacter und virale Erreger.
▶ Merke: Insgesamt bleibt in vielen Fällen die Ursache vage.
der Ergussbildung, später Arrosionen des
Knorpels und knöcherne Veränderungen
(Abb. I-12.2).
Mikrobiologische Diagnostik: Bei der
mikroskopischen Untersuchung sieht man
die für eine akute Entzündung typischen
Granulozyten und ggf. auch Bakterien. Bei
chronischen Entzündungen und bei immunpathologischen Reaktionen dominieren die
Lymphozyten. Die Kultur von Bakterien erlaubt eine exakte Diagnose. Die Bestimmung
von spezifischen Antikörpern im Serum gibt
indirekte Hinweise auf die Ätiologie.
◀ Merke
Therapie: Bei der akuten eitrigen Arthritis ist die Kombination aus chirurgischer
und antibiotischer Therapie wesentlich. Eine geeignete kalkulierte parenterale
Therapie bei einer akuten eitrigen Arthritis wäre z. B. Amoxicillin plus Clavulansäure, Flucloxacillin oder Clindamycin. Oft werden auch Antibiotika-Kombinationen verabreicht, z. B. ein Chinolon (Moxifloxacin) plus Rifampicin. Sonst muss
die Wahl gezielt nach Empfindlichkeit der Erreger getroffen werden. Die lokale Instillation von Antibiotika ist nicht sinnvoll. Operative Maßnahmen sind – abhängig
vom Schweregrad der Infektion – die arthroskopische Spülung, Spül-Saug-Drainage, u. U. Synovektomie. Meist reicht eine antibiotische Therapie über 4–6 Wochen aus. Bei infizierten Gelenkprothesen muss eine Therapie über viele Wochen
und selbst Monate erfolgen. Parallel dazu kann die überschießende entzündliche
Reaktion mit steroidalen oder nichtsteroidalen Antiphlogistika in Schach gehalten
werden, weil sonst irreversible Gewebeschäden die Folge sein können.
Bei einer reaktiven serösen Arthritis ist eine Antibiotikatherapie nicht hilfreich.
Therapie: Bei der akuten eitrigen Arthritis
erfolgt immer die Kombination aus chirurgischer (Gelenkspülung, Drainage) und
antibiotischer Therapie (zunächst kalkuliert,
dann gezielt)!
Bei einer reaktiven serösen Arthritis sind
Antibiotika nutzlos.
Prognose: Frühzeitig muss eine kausale Therapie einsetzen, damit nicht eine
Destruktion von Knorpelgewebe und ein Umbau von Knochen eintritt; Folge ist
sonst eine dauerhafte Funktionseinschränkung.
Prognose: Bei chronischen Verläufen kommt
es zu irreversiblen Schäden an Knorpel und
Knochen.
I-12.2
a
Akute eitrige Arthritis
I-12.2
b
a Röntgenbild eines arthritisch veränderten Kniegelenks nach postoperativer Infektion.
b Zum Vergleich das gleiche Kniegelenk präoperativ.
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Begleitumstände (Erkrankungen/Eingriffe wie etwa Gelenkersatz, Punktion,
vorangegangene Infektionen), Alter, Beruf und Lebensverhältnisse?
Klinisch: s. Symptomatik; das Gelenk ist gerötet und geschwollen; evtl. ist ein
Gelenkerguss tastbar.
Röntgenologisch: Der Gelenkspalt erscheint verbreitert und evtl. ist bereits eine
Arrosion der Knorpel und angrenzenden Knochen festzustellen (Abb. I-12.2a).
644
I 13 Infektionen der Haut und der Weichteile
13
Infektionen der Haut und
der Weichteile
13.1
Allgemeines
Weichteile
Die normale Keimflora der Haut bietet
einen Schutz gegenüber pathogenen
Keimen (Tab. I-13.2).
Infektionen der Haut können durch Störungen der Hautbarriere (Verletzung, Immunschwäche) begünstig werden oder auch im
Rahmen systemischer Infektionskrankheiten (z. B. Masern, Röteln) auftreten.
Wegweisend für die Diagnose sind die
pathologischen Hautveränderungen (Effloreszenzen, Abb. I-13.1). Manche Erreger
können z. T. typische Effloreszenzen erzeugen (z. B. Bläschen bei HSV und VZV).
Man unterscheidet oberflächliche (Epidermis, Dermis) und tiefe (Subkutis und tiefer)
Infektionen (Tab. I-13.3).
Die Haut ist eine anatomische, physikalische, chemische und immunologische Barriere, die einen wirksamen Schutz vor dem Eindringen von Umweltkeimen und
Keimen der körpereigenen Flora bietet (Tab. I-13.1, s. S. 644).
Die Haut ist von einer dichten Keimflora aus apathogenen und fakultativ pathogenen Keimen besiedelt (sog. Kommensalen, Tab. I-13.2). Im Normalfall hat
diese residente Flora keinen Krankheitswert, sondern sogar einen protektiven Effekt gegenüber pathogenen Keimen. Unter entsprechenden Voraussetzungen (z. B.
verminderte Infektabwehr) können die residenten Keime aber auch zu Infektionen
der Haut führen.
Störungen der physiologischen Hautbarriere können zu Infektionen der Hautund Weichteile führen. Die meisten Infektionen entstehen durch Verletzungen
der Haut (Mikro- oder Makrotraumen). Auch mangelnde oder übermäßige Hygiene, Störung der Immunabwehr (z. B. bei Diabetes mellitus, Kinder) oder chronische Ekzeme (v. a. atopische Dermatitis) können ein Ausbreiten der Keime begünstigen. Darüber hinaus kann bei vielen systemischen Infektionskrankheiten
(z. B. Masern, Röteln) die Haut unter Ausbildung eines Hautausschlags (Exanthem)
mitbeteiligt sein.
Wegweisend für die Diagnose einer Hautinfektionen (bzw. auch aller dermatologischer Erkrankungen) ist die sichtbare pathologische Hautveränderung, die je nach
vorliegender Effloreszenz (Abb. I-13.1) oder auch deren Größe, Lokalisation und
Anordnung typisch sein kann. So induzieren einige Viren spezifische Effloreszenzen, z. B. Masern- und Rötelnviren erythematöse/papulöse Reaktionen, Herpessimplex-Virus typischerweise Bläschen. Bei Windpocken (Varicellavirus) dagegen
ist ein polymorphes Bild charakteristisch (Flecken, Papeln, Bläschen, Krusten).
Entsprechend dem Aufbau der Haut aus Epidermis, Dermis (Corium) und Subkutis
lassen sich die Infektionen in oberflächliche (Epidermis, Dermis) und tiefe (zusätzlich Subkutis, Faszie und darunter liegende Weichteile) Infektionen einteilen
(Tab. I-13.3).
Barrierefunktion der Haut
physikalisch
verhorntes, mehrschichtiges Plattenepithel der Epidermins als mechanisches Hindernis
chemisch
Sekrete auf der Haut (z. B. Talg und Schweiß) verhindern die übermäßige Vermehrung vieler Keime auf der Haut,
entweder durch einen niedrigen pH-Wert (Säuremantel der Haut) oder durch antimikrobielle Oligopeptide
(z. B. Dermcidin) und Proteine (z. B. Lysozym); manche Keime (z. B. Staphylococcus aureus) sind jedoch dagegen
geschützt
immunologisch
Abwehrzellen in der Subkutis (Granulozyten, dendritische Zellen, Lymphozyten)
I-13.2
Normalflora der Haut
residente Flora
Diese Keime leben permanent auf der Haut (im Gleichgewicht mit dem Organismus) und wehren pathogene Keime ab.
v. a. Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus aureus, koryneforme Bakterien, auch Mikrokokken, Malassezia furfur
(Pilz)
transiente Flora
Sie besteht aus Keimen der Umwelt und von anderen Körperteilen (Anflugkeime), die sich aufgrund der residenten
Flora nur für kurze Zeit auf der Hautoberfläche behaupten können.
z. B. Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes, Enterobakterien, Pseudomonas, Clostridien, Sprosspilze, Viren
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13.1 Allgemeines
Die Haut stellt eine effektive Barriere dar
und verhindert das Eindringen von Keimen
(Tab. I-13.1).
I-13.1
13 Infektionen der Haut und der
645
I 13.2 Phlegmone
Typische Effloreszenzen bei Hautinfektionen
I-13.3
Wichtige Hautinfektionen
oberflächliche
Infektionen
tiefe Infektionen
I-13.1
Erkrankung
Erreger
Follikulitis, Furunkel, Karbunkel,
Abszess (s. S. 313)
Staphylokokken, Streptokokken
Impetigo (s. S. 313)
Impetigo follicularis
Impetigo contagiosa
Staphylokokken
Streptokokken
Erysipel (s. S. 322)
Streptococcus pyogenes
Erythrasma
Korynebakterien
Abszess, Phlegmone (s. u.)
meist Streptokokken und/oder Staphylokokken, auch Mischinfektionen
diabetisches Fußsyndrom (s. S. 646)
Mischinfektion aus aeroben (grampositiv und gramnegativ)
und anaeroben Keimen
nekrotisierende Fasziitis (s. S. 647)
meist Mischinfektion, auch Streptococcus pyogenes
Gasbrand (s. S. 354)
Clostridium perfringens
13.2 Phlegmone
13.2
Phlegmone
▶ Definition: Die Phlegmone ist eine akute, abszedierende Entzündung der Dermis und Subkutis. Im Gegensatz zum Abszess ist die Phlemone aber nicht durch
eine Kapsel begrenzt, sondern durch eine diffuse Ausbreitung (auch über Organgrenzen hinweg) charakterisiert.
◀ Definition
Ätiopathogenese: Eintrittspforte sind meist kleine Verletzungen, insbesondere
bei vorliegender Immunschwäche (z. B. Diabetes mellitus).
Klassische Erreger sind v. a. Staphylokokken und Streptokokken, aber auch Enterokokken, Enterobacteriaceae, Pseudomonas aeruginosa, Anaerobier, Mycobacterium tuberculosis, Candida spp. Auch Mischinfektionen kommen vor.
Ätiopathogenese: Eintrittspforte sind meist
kleine Verletzungen.
Klinik: Häufig zeigt sich ein reduzierter Allgemeinzustand mit Fieber und Schüttelfrost. Die Haut ist schmerzhaft geschwollen, überwärmt und flächenhaft gerötet
(s. Abb. D-2.16, S. 323). Die Extremitäten sind bei Erwachsenen besonders häufig
betroffen.
Klinik: Reduzierter Allgemeinzustand
mit Fieber; schmerzhaft geschwollene,
überwärmte, gerötete Haut.
Diagnostik: Die Diagnose wird meist klinisch gestellt. Zusätzlich zeigen sich typische Entzündungszeichen im Blut (Leukozytose, erhöhte BSG), ggf. können auch
Streptokokkenantikörper nachgewiesen werden. Zur Bestimmung des Erregers
kann Biopsiematerial entnommen sowie mikroskopisch und kulturell untersucht
werden.
Diagnostik: Neben der typischen Klinik,
können im Blut die Entzündungsparameter
erhöht sein. Erregerbestimmung durch
Hautbiopsie (mikroskopisch, kulturell).
Therapie: Die Kombination von Amoxillin plus Clavulansäure hat ein breites
Wirkspektrum inklusive Anaerobier (häufig Produktion von Betalaktamasen)
und ist daher zur kalkulierten Therapie geeignet. Cefotaxim plus Metronidazol erfassen die Enterobacteriazeen und Anaerobier, hat aber eine Lücke bei Enterokok-
Therapie: Die Kombination von Amoxillin
plus Clavulansäure ist zur kalkulierten
Therapie geeignet.
Klassische Erreger sind v. a. Staphylokokken
und Streptokokken. Auch Mischinfektionen
kommen vor.
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I-13.1
646
I 13 Infektionen der Haut und der Weichteile
ken und eine Schwäche bei Staphylokokken und Streptokokken, so dass zusätzlich
noch Linezolid verabreicht werden sollte. Auch Daptomycin erreicht hohe Gewebespiegel und ist gegen die grampositiven Erreger wirksam. Tigecyclin hat ein
ganz breites Spektrum, inklusive den nosokomialen Problemkeimen (MRSA, VRE
und ESBL).
Diabetisches Fußsyndrom
▶ Definition
Ätiopathogenese: Durch Angiopathie,
Neuropathie und Einschränkungen des
Immunsystems können Hautläsion leicht
sekundär infizieren.
Oft besteht eine Mischinfektion aus
aeroben und anaeroben Keimen.
13.3 Diabetisches Fußsyndrom
▶ Definition: Im Rahmen eines Diabetes mellitus können Folgeschäden am Fuß
auftreten, die oft mit einer bakteriellen Infektion einhergehen.
Ätiopathogenese: Ein lang bestehender, schlecht eingestellter Diabetes geht oft
mit Angiopathien (Mikro- und Makroangiopathie) und/oder Neuropathien einher. Dies hat zur Folge, dass aufgrund der verminderten Sensibilität Verletzungen
am Fuß nicht oder zu spät bemerkt werden und Keime in die Wunden eindringen
können. Die Einschränkung des Immunsystems und die Durchblutungsstörungen
wiederum führen dazu, dass Verletzungen nur schlecht heilen und dann superinfizieren. Es entstehen ausgedehnte, entzündete Wundflächen, die eine Gefährdung der gesamten Extremität darstellen.
Oft besteht eine Mischinfektion aus grampositiven Bakterien der Hautflora (Staphylokokken, darunter evtl. auch MRSA; Streptokokken, Corynebakterien), aus
Keimen der Darmflora (Escherichia coli, Klebsiellen, Proteus), Umweltkeimen
(Pseudomonas, Acinetobacter) und Anaerobiern.
Klinik: ausgedehnte, eitrig belegte Wundflächen meistens in der Knöchelgegend.
Klinik: Ein- oder beidseitig treten meistens in der Knöchelgegend ausgedehnte
nekrotische Hautareale auf, die stark gerötet und eitrig belegt sind.
Diagnostik: Die Intensität und Ausdehnung der entzündlichen Prozesse muss erfasst und dokumentiert werden. Eine bakteriologische Abklärung (Kultur) ist sinnvoll.
Diagnostik: Die Intensität und die Ausdehnung der entzündlichen Prozesse
muss erfasst und dokumentiert werden. Dazu gehören regelmäßige Inspektion,
Erfassung des Gefäß- und Neuropathiestatus (Doppler, Angiographie, Vibrationsempfinden etc.), Abklärung einer ossären Beteiligung (Röntgen, MRT). Eine Klärung der Erregernatur durch Kultur ist anzuraten.
Therapie: Neben der lokalen Wundbehandlung sollte eine Antibiotikatherapie
durchgeführt werden.
Therapie: Ziel der Behandlung ist, die Wunden zur kompletten Abheilung zu bringen und die drohenden (Teil)Amputationen zu vermeiden. Dazu müssen die Wunden regelmäßig gereinigt (ggf. chirurgischen Debridement), desinfiziert und ggf.
drainiert werden. Zusätzlich ist die Infektion mit Antibiotika zu bekämpfen. Moxifloxacin und Levofloxacin (beide i. v. oder oral) haben ein breites Wirkspektrum
gegenüber den meisten der möglichen Erreger; sie wirken bakterizid und haben
eine relativ gute Gewebegängigkeit, obwohl bei der Angiopathie generell die Penetration von Stoffen aus der Blutbahn erschwert ist. Cefotaxim plus Metronidazol
(i. v.) oder Co-trimoxazol (oral) oder Doxycyclin (oral) können alternativ eingesetzt
werden (Resistenzen gegen Clindamycin sind bei Staphylokokken und Anaerobiern schon häufig zu finden). Bei MRSA wäre Linezolid (i. v. oder oral) angebracht.
I-13.2
I-13.2
Diabetisches Fußsyndrom
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13.3
647
I 13.5 Wundinfektionen
13.4 Nekrotisierende Fasziitis
Prävention: Druckentlastung, regelmäßige
Fußkontrollen, optimale Blutzuckereinstellung und Tetanusprophylaxe.
13.4
Nekrotisierende Fasziitis
▶ Definition: Eine lebensbedrohliche Weichteilinfektion entsteht, wenn Erreger
progrediente Nekrosen der Faszien und der umliegenden Gewebe (Muskulatur
nur wenig mitbeteiligt) verursachen, was von einer schweren Systemintoxikation
begleitet wird. Eine Sonderform stellt die Fournier-Gangrän der Faszien des
Beckens dar.
◀ Definition
Ätiopathogenese: Meistens ist die Haut die Eintrittspforte. Ausgangspunkt können schon banale Verletzungen sein, aber auch Operationswunden kommen in
Frage.
Erreger können ausschließlich hämolysierende Streptokokken der Serogruppe A
(Streptococcus pyogenes) sein. Meistens ist die Erkrankung aber Folge von Mischinfektionen mit aeroben und anaeroben Bakterien.
Ätiopathogenese: Banale Verletzungen,
auch Operationswunden.
Klinik: Zu Beginn zeigen sich starke Schmerzen (lassen nach, wenn das Nervengewebe zerstört ist) und ein sich diffus ausbreitendes Erythem. Im weiteren Verlauf
entwickeln sich livide bis bräunliche Hautveränderungen mit Hautnekrosen und
Blasen (s. Abb. D-2.17, S. 323). Eine Lymphknotenschwellung fehlt oft. Zusätzlich
ist der Patient zunehmend desorientiert bis somnolent.
Klinik: Zu Beginn kommt es zu starken
Schmerzen und einem Erythem, das sich im
weiteren Verlauf livide verfärbt (Hautnekrosen und Blasen, s. Abb. D-2.17, S.
323?). Zunehmende Somnolenz.
Diagnostik: Bildgebende Verfahren (Sonografie, Röntgen, MRT) lassen die Ausdehnung des Prozesses erkennen. Auch eine chirurgische Exploration ist angebracht. Mikrobiologische Untersuchungen (Mikroskopie und Kultur) können die
Ätiologie klären, wobei vor allem Gasbranderreger (Clostridium perfringens) ausgeschlossen werden müssen.
Diagnostik: Bildgebende Verfahren
(Ausdehnung des Prozesses), chirurgische
Exploration und Mikrobiologie (Nachweis
des Erregers).
Therapie: Neben der frühzeitigen, radikalen Exzision der Faszie sollte ein gründliches chirurgisches Debridement erfolgen. Zur antibiotischen Therapie ist Piperacillin plus Tazobactam oder Cefotaxim plus Metronidazol oder Tigecyclin (v. a. bei
Beteiligung von multiresistenten, nosokomialen Infektionserregern) geeignet.
Therapie: Neben der chirurgischen Intervention (Faszienspaltung, Debridement) ist
eine antibiotische Therapie notwendig.
I-13.3
Erreger sind hämolysierende Streptokokken; meist liegen aber Mischinfektionen
vor.
Nekrotisierende Faszitiis
13.5 Wundinfektionen
▶ Definition: Epitheldefekte begünstigen das Eindringen von Erregern, so dass sekundär Infektionen mit diversen Bakterien und Pilzen auftreten. Die Ausdehnung
kann je nach Vorschädigung variieren.
I-13.3
13.5
Wundinfektionen
◀ Definition
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Prävention: Wichtigste Präventivmaßnahmen sind Druckentlastung (Hochlagerung; geeignetes Schuhwerk!), regelmäßige Fußkontrollen durch den Patienten
und eine optimale Blutzuckereinstellung. Der Impfstatus bezüglich Tetanus sollte
überprüft werden.
648
I 13 Infektionen der Haut und der Weichteile
I-13.4
endogen
Erreger von Wundinfektionen
Keime der Hautflora: Staphylococcus aureus, Staphylococcus epidermidis, Corynebakterien
andere körpereigene Keime: Enterobacteriaceae (E. coli, Klebsiella spp., Enterobacter spp., Proteus spp., Morganella spp.,
Enterokokken - darunter auch VRE, Anaerobier, Streptococcus pyogenes (Serogruppe A), Streptococcus agalactiae
(Serogruppe B), andere Streptokokken, Candida spp.
Keime aus der Umgebung: Staphylococcus aureus (speziell auch MRSA), Escherichia coli (speziell auch ESBL), Klebsiella spp.
(speziell auch ESBL), Pseudomonas aeruginosa, Stenotrophomonas maltophilia, Acinetobacter baumannii, Clostridium
tetani, Clostridium perfringens., Schimmelpilze
Ätiopathogenese: Es kommen endogene
(körpereigene) und exogene (Umgebung)
Erreger in Frage (Tab. I-13.4).
Ätiopathogenese: Einerseits sind die normalen Hautkeime häufig Erreger von
Wundinfektionen, andererseits können andere körpereigene Keime, z. B. aus
der Flora des Darms oder der oberen Luftwege, übertragen werden. Eine weitere
Quelle für Wundinfektionen ist die Umgebung (z. B. Natur, Krankenhaus, Tab.
I-13.4).
Klinik: Rötung und Eiterung sind die
hauptsächlichen Merkmale.
Klinik: Die Schwere hängt von der Ausdehnung in die Fläche und Tiefe ab. Meistens
kommt zur Rötung auch noch eine Eiterung hinzu.
Diagnostik: Inspektion und mikrobiologische Untersuchung (Abstrich, Biopsie).
Diagnostik: Farbe, Konsistenz und Geruch des Eiters geben Hinweise auf die ursächlichen Erreger. Zur mikrobiologischen Untersuchung sollten Abstriche oder
Biopsien entnommen werden.
Therapie: Die Therapie beinhaltet ein
chirurgisches Wunddebridement, eine
lokale Applikation von Antiseptika sowie
eine systemische Antibiotikagabe.
Therapie: Das chirurgische Wunddebridement steht an erster Stelle, um eine primäre Heilung zu erreichen. Eine lokale Desinfektion mit gewebeverträglichen Antiseptika (Polihexanid, PVP-Jod oder Octenidin) ist wichtig, um eine Reduktion der
Keimlast zu erreichen. Außerdem muss eine systemische Antibiotikatherapie erfolgen. Die Wahl des Antibiotikums/Antimykotikums richtet sich nach dem antimikrobiellen Spektrum sowie der Penetrationsfähigkeit der Substanz. Für eine kalkulierte Therapie eignen sich z. B. Amoxicillin plus Clavulansäure oder ein Cephalosporin der 2. Generation oder ein Chinolon, wie Moxifloxacin oder Levofloxacin.
Ggf. muss mit multiresistenten Hospitalkeimen gerechnet werden, so dass man
Imipenem plus Linezolid verordnen muss.
Prävention: Wundschutz (Verband),
Hygiene, ggf. Tetanusprophylaxe.
Prävention: Die Keimverschleppung kann durch einen Verband verhindert werden. Beim Verbandswechsel und bei der Wundreinigung sollten hygienische Aspekte berücksichtigt werden. Da Wunden Eintrittspforte für Sporen von Anaerobiern (z. B. von Clostridium tetani) sein können, sollte der Impfstatus bezüglich
Tetanus überprüft werden.
13.6
Bissverletzungen
▶ Definition
Ätiopathogenese: In der Mundhöhle von
Mensch und Tier sind viele pathogene Keime,
die sich nach einem Biss in der Wunde
vermehren können.
Leitkeime sind:
Mensch: Haemophilus, Capnocytophaga,
Eikenella
Tiere: Pasteurella multocida (Hund und
Katze), Rabiesvirus, Spirillum minus und
Leptospiren (Ratte).
Oft bestehen auch Mischinfektionen.
13.6 Bissverletzungen
▶ Definition: Spitze Zähne von Mensch oder Tier können Stich- und Risswunden
verursachen, Mahlzähne dagegen eher Quetschwunden.
Ätiopathogenese: In der Mundhöhle von Mensch und Tier sind potentielle Erreger, die sich in der Wunde bei niedriger Sauerstoffversorgung rasch vermehren
können. Das Risiko einer Infektion hängt von der Tiefe und dem Ausmaß der
Verletzung ab. Zusätzlich muss an die Gefahr von Tollwut und Tetanus gedacht
werden.
Bei Menschenbiss dominieren Haemophilus aphrophilus, Capnocytophaga und
Eikenella corrodens. Auch die Übertragung viraler Infektionen, z. B. Hepatitis B
und C bzw. HIV ist möglich. Pasteurella multocida ist der Leitkeim bei Hund- und
Katzenbiss. Bei auffälligen Tieren sowie in Tollwut gefährdeten Gebieten (Indien,
Ecuador) muss man an die Übertragung dieser tödlichen Viren (Rabiesvirus) denken. Bei Rattenbiss ist Spirillum minus zu erwarten, aber auch Leptospiren können
übertragen werden.
Oft bestehen Mischinfektionen mit diversen Keimen: Streptokokken und vor
allem Anaerobiern, z. B. Clostridium tetani.
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exogen
649
Klinik: Die lokale Manifestation hängt einerseits von dem Ausmaß der Verletzung
ab und andererseits von der Art der Erreger. Eine Verschleppung der Erreger
in andere, entfernte Organe ist möglich, wobei insbesondere Osteomyelitis
(s. S. 639) und Spondylodiszitis drohen.
Klinik: Das Ausmaß der Verletzung und die
Art der Erreger bestimmen den Schweregrad. Eine Verschleppung der Erreger in
andere Organe ist möglich (Osteomyelitis).
Diagnostik: Bei der Inspektion bzw. bei der chirurgischen Revision muss das Ausmaß der Schädigung festgestellt und evtl. Läsionen der Nerven, Sehnen und Knochenstrukturen ausgeschlossen werden. Aus Abstrichen sollte eine Anzüchtung
versucht werden, um eine gezielte Therapie zu ermöglichen.
Diagnostik: Zunächst muss bei der Inspektion das Ausmaß der Verletzung festgestellt
werden. Die Erreger sollten möglichst aus
Abstrichen angezüchtet werden.
Therapie: Die Bisswunde sollte sofort antiseptisch gespült werden. Je nach Ausmaß der Verletzung erfolgt eine gründliche chirurgische Revision. Der primäre
Verschluss von Bisswunden wird immer noch kontrovers diskutiert und sollte
nur nach gründlicher Risikoabschätzung in Erwägung gezogen werden. Eine antibiotische Therapie bei manifester Entzündung ist dringend geraten, um eine Verschleppung zu erhindern. Bei kalkulierter Therapie sind für wenige Tage Amoxicillin plus Clavulansäure, Makrolide oder Moxifloxacin möglich. Bei bekanntem
Erreger ist eine gezielte Therapie sinnvoll. P. multocida (obwohl gramnegatives
Stäbchenbakterium) ist sogar gegen Penicillin empfindlich.
Therapie: Neben der antiseptischen Spülung und der chirurgische Versorgung sollte
man eine kurzzeitige antibiotische Therapie
(Amoxicillin + Clavulansäure) verabreichen.
Prävention: Da eine Bisswunde immer als potentiell kontaminiert angesehen werden muss, ist auch eine Prophylaxe mit Amoxicillin plus Clavulansäure zur Verhinderung nachfolgender Entzündungen anzuraten. Alternativ kann auch Moxifloxacin oder Levofloxacin zum Einsatz kommen. Zusätzlich sollte man eine Tetanusund ggf. Tollwutimpfung überdenken.
Prävention: Antibiotikaprophylaxe,
ggf. Tetanus- und Tollwutimpfung.
14 Weitere Infektionen
14
Weitere Infektionen
14.1 Sepsis
14.1
Sepsis
▶ Definition:
SIRS: Systemisch-entzündliches Reaktions-Syndrom (systemic inflammatory
response syndrome) mit
Veränderungen der Körpertemperatur (> 38 °C oder < 36 °C),
erhöhter Herzfrequenz (> 90/min),
erhöhter Atemfrequenz (> 20/min oder pCO2 < 32 mmHg)
Veränderung der Leukozytenzahl (> 12/nl oder < 4/nl oder < 10 % Stabkernige)
Ein SIRS entsteht, wenn eine Reaktion auf einen lokalen Gewebeschaden
eskaliert bzw. entgleist und kann verschiedene Ursachen haben.
Sepsis = 2 der bei SIRS genannten Kriterien + Infektion!
Beide Verläufe können zu einem Multiorganversagen (MODS = multi organ dysfunction syndrome) führen.
◀ Definition
Erreger: Solange die Erregernatur noch nicht bekannt ist, kann man je nach Lokalisation der Infektionsquelle mit bestimmten Keimen rechnen. Die Prävalenz bestimmter Keime hängt auch von der Art der Grundkrankheit bzw. der Aufgabenstellung des Krankenhauses ab (Tab. I-14.1 und I-14.2).
Erreger: Je nach Lokalisation der Infektionsquelle sind bestimmte Keime beteiligt
(Tab. I-14.1 und I-14.2).
▶ Merke: Das sog. OPSI (overwhelming post splenectomy infection) stellt eine
spezielle Situation dar: Wenn ein Teil des phagozytierenden Systems nach
Splenektomie ausfällt, so sind die Personen in den ersten Jahren danach sehr anfällig gegen bekapselte Bakterien, vor allem gegen Pneumokokken, Klebsiella
pneumoniae, und Haemophilus influenzae. Es kann sich eine fulminante Sepsis
entwickeln. Deshalb sollte man rechtzeitig an eine Impfung gegen Pneumokokken und H. influenzae denken!
Klinik: s. o. Definition SIRS.
◀ Merke
Klinik: s. Definition SIRS.
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I 14.1 Sepsis
650
I 14 Weitere Infektionen
Sepsis-„Herde“ und Erregerspektrum
Ursprung
Erreger
Harnwege
E. coli, andere Enterobacteriaceae, P. aeruginosa, Enterokokken
Gallenwege
E. coli, andere Enterobacteriaceae, Enterokokken, Candida
Lunge
Pneumokokken, S. aureus, Klebsiella, P.aeruginosa, Anaerobier
Darm
E. coli, Salmonella, andere Enterobacteriaceae, Enterokokken, Anaerobier, Listeria, Candida
Katheter
koagulasenegative Staphylokokken, S. aureus, Enterobacteriaceae, Enterokokken, Candida, Corynebakterien,
Propionibakterien (man muss ggf. nach der Entfernung von infizierten Kathetern noch einmal kontrollieren)
Haut
S.aureus, S. pyogenes, S. agalactiae
Herz (Endokarditis)
„vergrünende“ Streptokokken, S. aureus
Eiterherd
entsprechende Eitererreger
Fremdkörper
Mischinfektion
I-14.2
I-14.2
Häufigkeit von Sepsis-Erregern
Erreger
Anteil in %
Escherichia coli
15–20
Staphylococcus aureus
10–15
Pseudomonas aeruginosa
5–10
Streptococcus pneumoniae
5–10
Enterokokken
5–10
Enterobacteriaceae
5
koagulasenegative Staphylokokken
5
Anaerobier
3
Pilze
2
Allgemeine Diagnostik:
Klinische Untersuchung und Labor.
Allgemeine Diagnostik:
Klinisch: Regelmäßig Blutdruck und Herzrhythmus messen; ggf. APACHE-Score
bestimmen.
Labor: CRP quantitativ, Procalcitonin, Laktat, pH, pO2, Zytokine.
Mikrobiologische Diagnostik:
Blutkulturen.
Mikrobiologische Diagnostik: Blutkulturen (s. folgendes „Merke“), Endotoxinmessungen (nicht Standard).
▶ Merke
▶ Merke: Eine venöse Blutentnahme ist genauso gut wie eine arterielle. Die
Punktionsstelle muss sorgfältig desinfiziert werden – Einwirkzeit der Desinfektionsmittel beachten! Man sollte möglichst nicht aus liegenden Kathetern Blut
entnehmen, da hierbei oft Kontaminationen auftreten. Mehr als 3 Probenentnahmen pro Tag sind selten gerechtfertigt (auf dem Begleitschein sollte die Uhrzeit angegeben werden). Am besten untersucht man das Blut bei Beginn eines
Fieberschubes. Im Allgemeinen sollte man gleichzeitig eine aerobe und eine anaerobe Kultur entnehmen. Pro Kultur sollte man 5ml (bei Kindern, wo die Bakteriendichte meist höher ist, reichen 2ml) verwenden. Wenn ein Transport ins
Labor nicht unmittelbar möglich ist, sollten die Flaschen zwischenzeitlich bei
Zimmertemperatur gelagert werden.
Die Standardverfahren sind für sehr anspruchsvolle Bakterien nicht geeignet;
u. U. kann man durch Verlängerung der Bebrütungsdauer über die üblichen
7 Tage hinaus noch Erfolg haben, indem z. B. vorgeschädigte Bakterien „aufgeweckt“ werden. Auch Mykobakterien können in den üblichen Nährmedien
nicht wachsen – dafür stehen Spezialflaschen zur Verfügung. Pilze können
auch in den bakteriellen Nährböden angezüchtet werden.
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I-14.1
651
I 14.2 Infektionen während der Schwangerschaft/Geburt
Die Anzucht wird durch Antibiotika im Blut behindert. Zwar wird durch Verdünnung mit dem Nährmedium eine Reduktion der Konzentration erzielt, aber die
Zugabe von Kunstharzen, welche eine Reihe von Antibiotika – aber nicht alle –
binden, erhöht die Ausbeute. Wenn klinisch vertretbar, sollte deswegen die antibiotische Therapie vor Blutentnahme eine Zeit lang ausgesetzt werden.
Das Lysis-Zentrifugationssystem (Isolator) hat den Vorteil, dass in einem ersten
Schritt die partikulären Bakterien von den Flüssigkeiten getrennt werden;
danach können die Bakterien dann ohne Antibiotika auf entsprechende Nährböden – auch auf Spezialnährböden – aufgebracht werden. Nach Anwachsen
ist sogar eine Quantifizierung möglich.
◀ Merke
Therapie: Intensivmedizinische Maßnahmen zur Sicherung der Vitalfunktionen
stehen im Vordergrund. Eine kalkulierte Antibiotikatherapie muss die Infektionsquelle und Umstände berücksichtigen. Die gezielte Therapie nach Erreger und
Antibiogramm muss hoch dosiert werden.
Therapie: Sicherung der Vitalfunktionen
durch intensivmedizinische Maßnahmen
unter antibiotischer Therapie.
Prognose: Der septische Schock ausgelöst durch mikrobielle Bestandteile, wie
Endotoxin, Peptidoglykan, Teichonsäuren, Lipoteichonsäuren und Toxine ist die
gefürchtete Folge und entscheidet oft über Leben und Tod. Multiorganversagen
kann mit aufwendigen, modernen Verfahren der Intensivmedizin überbrückt
werden.
Prognose: Ein septischer Schock ist eine gefürchtete Komplikation und vital gefährdend.
▶ Klinischer Fall: Eine 42-jährige Augenärztin – Landesmeisterin im Tennis – kommt sonntagabends wegen akuter Unterbauchbeschwerden ins Krankenhaus. Der Frauenarzt entfernt die intrauterine Spirale, findet dabei eine starke Eiterbildung und ordnet eine bakteriologische Untersuchung an. Das Ergebnis der mikroskopischen Untersuchung liegt am Montag um 12.00 Uhr vor,
das der kulturellen Untersuchung erst am Dienstag um 12.00 Uhr. Es handelt sich um Streptococcus pyogenes. (14 Tage später liegt die Typisierung aus dem Referenzlabor vor: Der Keim bildet MProtein Typ 1 – welches sehr wirksam vor Phagozytose schützt – und STSS-Toxin, ein Streptokokken-toxic-shock-Toxin (Superantigen), das eine intensive Zytokinstimulierung induziert.) Am
nächsten Morgen sind mehrere periphere Blutgefäße thrombotisch verschlossen und es bilden
sich blutige, gangränöse Flecken auf der Haut, speziell an den Akren, die sich schwarz verfärben.
Die Patientin entwickelt einen septischen Schock mit Multiorganversagen. Bakterien können aus
dem Blut, aus dem Peritonealexsudat und den peripheren Nekrosen kultiviert werden. Unter
einer massiven Antibiotikatherapie mit Penicillin G, Imipenem und Linezolid gelingt erst nach
8 Tagen eine allmähliche Entfieberung. Die Patientin ist so geschwächt, dass sie für mehrere Wochen eine Kur benötigt.
◀ Klinischer Fall
14.2 Infektionen während der
Schwangerschaft/Geburt
Veränderungen, Risiko: Die Infektanfälligkeit von Schwangeren ist nicht generell
erhöht. Die Auseinandersetzung mit den meisten Krankheitserregern, z. B. mit Staphylokokken und Streptokokken, verläuft regelrecht. Die Einschränkungen der Infektabwehr sind eher dezent und werden nur in manchen Situationen relevant:
Mit Fortschreiten der Schwangerschaft kommt es durch Kompression der Ureteren zu einer rein mechanischen Behinderung des Harnabflusses. Darüber hinaus
führt die hormonelle Umstellung dazu, dass die glatte Muskulatur erschlafft und
Hohlorgane (z. B. die Harnblase) sich nicht mehr kräftig entleeren können; es
entsteht eine erhöhte Restharnmenge und damit das Risiko einer Harnwegsinfektion.
Auch die spezifische, zelluläre Abwehr wird durch die hormonellen Veränderungen während der Gravidität geschwächt, was von bestimmten Erregern ausgenutzt wird.
14.2
Infektionen während der
Schwangerschaft/Geburt
Veränderungen, Risiko: Das Risiko für
manche Infektionskrankheiten – aber nicht
generell für alle – ist in der Schwangerschaft
erhöht.
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▶ Merke: Ein negativer Befund schließt eine Sepsis nicht aus, weil die Streuung
in die Blutbahn nicht kontinuierlich, sondern intermittierend sein kann und die
Keimdichte variiert. Ein positiver Befund muss kritisch interpretiert werden: der
Nachweis von koagulasenegativen Staphylokokken, Propionibakterien, Corynebakterien, vergrünenden Streptokokken sowie von Mischinfektionen ist zunächst verdächtig auf eine Kontamination.
I 14 Weitere Infektionen
Gefahren für die Mutter: Vor allem
Harnwegsinfektionen treten gehäuft auf.
Gefahren für die Mutter:
Harnwegsinfektionen treten gehäuft auf, verlaufen schwerer und sind schwer zu
therapieren, weil sie zu Rezidiven neigen.
Malaria verläuft sehr viel schwerer, oft tödlich.
Hepatitis E: fulminante Verläufe sind beschrieben worden.
Amnioninfektionen und auch manche Keimbesiedelungen mit potenziell pathogenen Bakterien führen zu Infektionen post partum.
Gefahren für das Kind:
Frühgeburtlichkeit.
Gefahren für das Kind:
Die Frühgeburtlichkeit ist ein sehr ernstes Problem, weil Frühgeborene aus vielerlei Gründen ein erhöhtes Krankheitsrisiko haben. Eine veränderte Scheidenflora – wenn die physiologischen Laktobazillen von Gardnerella, Mobiluncus,
Bacteroides und anderen Bakterien zurückgedrängt und evtl. lokal Entzündungen ausgelöst werden – führt zu einem erhöhten Frühgeburts-Risiko. Auch
schwere Allgemeininfektionen mit Sepsis und Fieber können eine frühzeitige
Wehentätigkeit auslösen.
Intrauterine Infektionen: Verschiedene Mikroorganismen (Tab. I-14.3) können
über die Plazenta hinweg in den Fetus eindringen und sich in diesem immunkompromittierten Wirt vermehren, wodurch je nach Entwicklungszustand
Defekte drohen.
Perinatale Infektionen: Wenn ein Kind direkt während der Geburt bzw. kurz
danach („peri-natal“) mit potenziell pathogenen Keimen (Tab. I-14.3) exponiert
wird und keine Leihimmunität durch vorausgegangene Immunreaktionen der
Intrauterine Infektionen (Tab. I-14.3).
Perinatale Infektionen (Tab. I-14.3).
I-14.3
Intrauterine und perinatale Infektionen
Erreger
Quelle
Zeitpunkt
Folgen
1. Trimenon
Embryopathien
intrauterine Infektionen
Röteln
erkrankte Menschen
Parvovirus
erkrankte Menschen
jederzeit
Hydrops fetalis, Abort
Varizellen
erkrankte Menschen
1. Trimenon
Embryopathien
Zytomegalie
erkrankte Menschen, Träger
1. Trimenon
Embryopathien
Lues
Geschlechtsverkehr
jederzeit
Abort, konnatale Infektion
Listeria
Lebensmittel
jederzeit
Abort, konnatale Infektion
Coxiella
Tierkontakt
jederzeit
Abort
Toxoplasma
Lebensmittel, Tierkontakt
jederzeit
Abort, konnatale Infektion
perinatale Infektionen
Hepatitis B
Mutter
unter der Geburt
chronische Hepatitis
Hepatitis C
Mutter (sehr selten)
unter und nach der Geburt
chronische Hepatitis
HIV
Mutter
unter der Geburt
systemische Infektion
Herpes
erkrankte Menschen
variabel
Meningitis, Enzephalitis
Varizellen
erkrankte Menschen
kurz nach Geburt
Meningitis, systemisch
Zytomegalie
erkrankte Menschen, Träger
unter der Geburt
diverse Manifestationen
Tetanus
Umwelt
Nabelinfektion
Tetanus neonatorum
Listeria
Mutter, nosokomial
kurz nach Geburt
Sepsis, Meningitis
B-Streptokokken
Mutter
unter der Geburt
Sepsis, Meningitis
E. coli (K1*)
Mutter
unter der Geburt
Meningitis
Gonokokken
Mutter
unter der Geburt
Blennorrhö
Chlamydia
Mutter
unter der Geburt
Blennorrhö
Salmonellen
Unterwassergeburt
unter der Geburt
Enteritis
Candida
Mutter
unter der Geburt
Soor
* K1 = Kapselantigen 1
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653
I 14.2 Infektionen während der Schwangerschaft/Geburt
Häufigkeit und Meldepflicht einiger konnataler Infektionen in
Deutschland
Erreger/Erkrankung
Häufigkeit pro Jahr
Meldepflicht
Listerien
30–40
ja
Toxoplasmose
18–33
ja
Zytomegalie
15–30
nein
Lues
3–7
ja
Röteln
1–7
ja
Mutter besteht, so verlaufen solche Infektionen bei dem Neugeborenen möglicherweise viel schwerer.
Einige dieser – eher seltenen – konnatalen Infektionen sind meldepflichtig
(Tab. I-14.4).
I-14.4
Zur Meldepflicht s. Tab. I-14.4.
Mikrobiologische Diagnostik: Vorsorgeuntersuchungen der Schwangeren schließen den Nachweis von Antikörpern gegen Röteln, Treponema pallidum sowie Hepatitis B ein. Darüber hinaus kann bei Verdacht eine serologische Untersuchung auf
Toxoplasma, Parvoviren, HIV und Hepatitis C sinnvoll sein. Antikörperbestimmungen gegen Listerien sind unsinnig (s. S. 332)!
Der Nachweis von Antigen bzw. Nukleinsäure von Chlamydia trachomatis ist
ebenfalls in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehen. Surveillance-Kulturen
von B-Streptokokken und Candida im Vaginalabstrich am Ende der Schwangerschaft erscheinen ebenfalls sinnvoll, um ein Risiko der Infektion des Kindes
unter der Geburt bzw. kurz danach abzuschätzen.
Mikrobiologische Diagnostik: In den
Mutterschaftsrichtlinien sind bestimmte
Vorsorgeuntersuchungen empfohlen.
Prophylaxe: Am wichtigsten ist die Expositionsprophylaxe, indem man durch
richtiges Verhalten das Risiko z. B. einer Toxoplasmose und Listeriose (Tab.
I-14.5) reduziert.
Durch rechtzeitige Impfungen der Mutter gegen Röteln kann eine intrauterine
Infektion und eine Embryopathie mit Sicherheit verhindert werden. Der Tetanus
neonatorum, der in Afrika immer noch an erster Stelle der Todesursachen von Neugeborenen steht, kann durch die Tetanusimpfung der Mutter (Leihimmunität
durch mütterliche Antikörper) verhindert werden.
Prophylaxe: Der Expositionsprophylaxe
kommt eine entscheidende Rolle zu
(Tab. I-14.5).
I-14.5
Die Impfprophylaxe schützt vor einigen,
gefährlichen Krankheiten, darunter Röteln
und Tetanus.
Maßnahmen zur Vermeidung intrauteriner Infektionen
Toxoplasma gondii
Umgang mit Katzen meiden (v. a. junge Kätzchen, denn alte
Katzen sind meist schon immun, ggf. den Immunstatus beim
Tierarzt prüfen lassen)
Katzentoilette mit Handschuhen leeren
Katzen nur mit Dosenfutter bzw. gekochtem Fleisch füttern
(nicht mausen lassen)
kein rohes Fleisch essen oder das Fleisch vorher bei –18 °C
einfrieren (Schweine sind heute nur noch selten mit Toxoplasma infiziert, weil sie nicht freilaufend sind, sondern im Stall
mit industriell gefertigter Nahrung gefüttert werden)
Listeria monocytogenes
möglicherweise mit Listerien kontaminierte Lebensmittel
meiden:
Frischwurst, Aufschnitt, Fleischpasteten, Sandwich
rohes Fleisch (Tartar), speziell Hühnerfleisch
grüner Salat, rohe Pilze
angebrochene Proben von Mayonnaise und Salatdressing
Speisen, die nach dem Kochen lange (> 24 h) aufbewahrt wurden
rohe Milch und deren Produkte
Weichkäse wie Romadur, Münster, Roquefort, Camembert, Brie
(v. a. die Rinde davon)
Muscheln und andere Meeresfrüchte wie Lachs
weitgehend listerienfreie Lebensmittel bevorzugen:
frisch geöffnete Konserven
frisch abgekochte und erhitzte Speisen
frisch pasteurisierte Milch
Hartkäse
Joghurt (aus Industrieproduktion)
Schokolade, Kekse, Marmelade
rohe Karotten, Tomaten, Äpfel
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I-14.4
I 14 Weitere Infektionen
Eine Frühdiagnostik hilft, Komplikationen zu
minimieren.
Eine weitere Maßnahme ist die frühzeitige Diagnose, damit eine Ausbreitung der
Infektion durch antimikrobielle Medikamente unterbunden werden kann, wie z. B.
bei der Toxoplasmose (auch ein Abbruch der Schwangerschaft muss u. U. in Betracht
gezogen werden). Bei einer Besiedelung der Geburtswege mit B-Streptokokken
oder Candida kann eine entsprechende antimikrobielle Chemotherapie die Gefahr
beseitigen. Bei Varizellenverdacht kann die Geburt verzögert werden bis die Mutter
Antikörper entwickelt hat, die dann das Kind passiv schützen.
Durch eine Sectio caesarea (Kaiserschnitt) kann die Übertragung von HI-, Hepatitis-B-, Hepatitis-C-Virus sowie von Salmonella von der Mutter auf das Kind während der Geburt vermieden werden.
Die Einhaltung der Grundregeln der Hygiene kann die Übertragung von potenziell
pathogenen Keimen (z. B. Listerien) auf das Kind im Kreißsaal bzw. in der neonatologischen Station weitgehend verhindern.
Therapie: Die Wahl eines Antibiotikums
unterliegt während einer Schwangerschaft
besonderen Überlegungen bezüglich
Nebenwirkungen und Wirksamkeit
(Tab. I-14.6).
Therapie: Die Auswahl eines geeigneten Antibiotikums zur Anwendung bei einer
Schwangeren ist erschwert:
Einige Wirkstoffe sind aufgrund evtl. embryotoxischer Nebenwirkungen kontraindiziert (Tab. I-14.6).
Normalerweise tolerierte Nebenwirkungen können während der Schwangerschaft zu einer Gefährdung des Kindes führen. So kann es z. B. bei einer durch
Ampicillin gestörten Scheidenflora (Lactobazillen) zu einer Vermehrung von
Sprosspilzen kommen, die das Kind bei der Geburt gefährden können.
Das Antibiotikum muss transplazentar übertragen werden können, damit es
überhaupt für die Therapie einer kindlichen Infektion angewendet werden
kann.
I-14.6
I-14.6
Antibiotika in der Schwangerschaft
möglich
Penicillin
Ampicillin
Tazobactam
Cephalosporine
Meropenem
Makrolide
INH, Pyrazinamid
14.3
Infektionen im Alter
kontraindiziert
Aminoglykosid
Cotrimoxazol
Chinolone
Tetracycline
Chloramphenicol
Metronidazol
Rifampicin
14.3 Infektionen im Alter
Grundlagen: Häufigkeit, Symptome, Verlauf
und Prognose von Infektionskrankheiten
können im Alter variieren.
Grundlagen: Die Lebenserwartung ist zumindest in den industrialisierten Ländern stark angestiegen, folglich wird in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich
auch die Zahl der alten Menschen noch weiter zunehmen. Damit wird die Konstellation „Infektion im Alter“ an Bedeutung gewinnen. Im Laufe des Lebens verändern
sich viele Parameter im Körper, die Einfluss nehmen auf die Körperabwehr und
damit auf die Infektanfälligkeit und den Verlauf von Infektionen.
Altersabhängige Veränderungen des
Immunsystems: Komorbidität und veränderte Körperabwehr begünstigen in vielen
Fällen den Verlauf von Infektionen bei alten
Menschen.
Altersabhängige Veränderungen des Immunsystems: Die Infektionsabwehr besteht aus einem komplexen, gestaffelten System aus vielen Einzelkomponenten.
Nicht alle, aber zumindest einzelne davon unterliegen einem Alterungsprozess,
der in individuell unterschiedlicher Ausprägung zumeist eine Deaktivierung der
unspezifischen und spezifischen Abwehr beinhaltet:
Einschränkung der zellulären Infektabwehr, z. B. die Phagozytoseleistung der
Granulozyten oder die Zytokinproduktion der Makrophagen.
Veränderte humorale Immunreaktion im Sinne einer veränderten Zusammensetzung der Immunglobulinklassen im Serum, z. B. erhöhte IgA-Spiegel.
Die Reagibilität der peripheren Lymphozyten gegenüber primären und auch sekundären Antigenexpositionen kann reduziert sein, obwohl deren Gesamtzahl
sowie die Relationen von Untergruppen, wie etwa CD4- und CD8-T-Lymphozyten, normalerweise nicht auffällig verändert ist.
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654
655
I 14.3 Infektionen im Alter
Darüber hinaus gibt es weitere körperliche und soziale Faktoren mit Einfluss auf
die Infektionsabwehr:
reduzierte Sekretproduktion, erhöhter pH.
eingeschränkte Integrität der Epithelien, die normalerweise eine wesentliche
Infektbarriere darstellen.
zunehmende Komorbidität.
familiäre und soziale Situation: Armut, Vernachlässigung und nicht zuletzt eine
falsche Ernährung, etwa Protein- oder Selenmangel, fördern oft die Entstehung
bzw. Ausbreitung von Infektionen.
◀ Merke
Beispiel Salmonellainfektion: Bei Kindern und jungen Menschen manifestiert sie
sich meistens als banale Enteritis mit Spontanheilung. Bei alten Menschen jedoch,
wo durch Mangel an Magensäure die Anfälligkeit gegenüber oral aufgenommenen
Salmonellen steigt, entwickelt sich häufig eine systemische Ausbreitung mit einem
typhösen Verlauf (Abb. I-14.1), der oft tödlich endet. Bei der Indikationsstellung für
eine Antibiotikatherapie müssen diese Veränderungen berücksichtigt werden:
während junge Menschen nach kurzzeitigem Brechdurchfall die Infektion spontan
überwinden, so dass eine Antibiotikatherapie nicht immer indiziert ist, benötigen
alte Menschen diese externe Hilfe.
▶ Klinischer Fall: In einem Altenheim erkrankten fast alle Bewohner nach einem sommerlichen
Grillfest an einer akuten Gastroenteritis, während das Pflegepersonal fast ganz verschont blieb,
obwohl auch dieses von den nicht ausreichend erhitzten Bratwürsten gegessen hatte. Etwa die
Hälfte der über 70-Jährigen musste hospitalisiert werden. Mehrere der Erkrankten starben an
einer Sepsis – bedingt durch Salmonella enteritidis Serovar Hadar –, da eine gezielte Antibiotikatherapie zu spät begonnen wurde. Dagegen überlebten alle Erkrankten, wenn sofort mit einer
parenteralen Therapie mit Ciprofloxacin die Disseminierung unterbunden wurde.
I-14.1
Häufigkeit von Todesfällen an Salmonellose abhängig vom Alter
◀ Klinischer Fall
I-14.1
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▶ Merke: Eine generelle Verschlechterung der Abwehrleistung im Alter kann
nicht konstatiert werden; zum einen hängt die individuelle Situation nicht
nur vom kalendarischen Alter ab, zum anderen kann das Alter in Bezug auf einzelne Infektionskrankheiten sogar von Vorteil sein: dann nämlich, wenn durch
eine vorausgegangene Exposition bereits eine tragfähige Immunität erworben
wurde.
In vielen Fällen ist jedoch eine deutliche Risikosteigerung zu beobachten, weil
z. B. eine frühere Exposition zu einer latenten Erkrankung geführt hat, die erst
im Alter ausbricht. Symptomatik, Verlauf und Prognose können unterschiedlich
sein – mit entsprechenden Konsequenzen für Diagnostik und Therapie.
I 14 Weitere Infektionen
Im Alter besonders häufige Infektionen:
Haut- und Weichteilinfektionen.
Infektionen im Mund und an Zähnen.
Infektionen der Atemwege, problematisch
sind v. a. die chronische Bronchitis und
Pneumonie.
Enteritis.
Harnwegsinfektionen.
Entwicklung einer Sepsis.
Listeriose.
Katheterinfektionen.
Im Alter besonders häufige Infektionen:
Haut- und Weichteilinfektionen, besonders bei Altersdiabetes, verlaufen oft
chronisch und sind therapieresistent, weil die Durchblutung vermindert und
somit die lokale Infektabwehr geschwächt ist. Nicht zuletzt weil alte Menschen
sich nicht mehr gut bücken können und das Sehvermögen nachlässt, ist die
Nagelmykose der Zehen eine häufige Erkrankung.
Infektionen im Mund und an Zähnen sind vor allem bei unterernährten, verwahrlosten Menschen häufig und können zu Komplikationen führen. Zahninfektionen werden häufig erst in fortgeschrittenem Stadium bemerkt.
Die Funktion der Atemwege ist physiologischerweise im Alter zunehmend eingeschränkt, stark beeinflusst durch einen evtl. langjährigen Nikotinabusus.
Chronische Bronchitis und Pneumonie (speziell eine Pneumokokken-Pneumonie) sind im Alter problematisch. Speziell die Tuberkulose ist heute ein Problem
der alten Menschen.
Enteritiden durch pathogene Darmkeime sind häufiger und vor allem auch
schwerwiegender. Daneben sind Cholangitis und Divertikulitis – ausgelöst
durch die residente Flora des Darmes – oft gravierend, nicht zuletzt wegen atypischer Verläufe. Die Appendizitis beginnt oft schleichend mit der Gefahr einer
Perityphlitis, bei der die Entzündung auch noch auf das Zökum und Colon ascendens übergreift und sich ggf. eine Peritonitis entwickeln kann.
Harnwegsinfektionen zeigen häufig einen atypischen Verlauf.
Da Infektionserreger offensichtlich von alten Menschen nicht effektiv eingedämmt werden, entwickelt sich schnell eine Sepsis, gegen die dann die Abwehr
versagt.
Die Listeriose ist eine typische Erkrankung im hohen Alter (Abb. I-14.2).
Nicht zuletzt eben wegen der Multimorbidität und der dadurch bedingten häufigen Hospitalisation sind natürlich auch Katheterinfektionen relativ häufig.
Andere Krankheiten, wie etwa Tetanus, treten heute fast nur noch bei alten
Menschen auf.
Klinik, Diagnostik: Das klinische Erscheinungsbild einer Infektion im Alter kann
atypisch sein. Die Diagnose ist dadurch
erschwert.
Klinik, Diagnostik: Aufgrund der im Alter veränderten Reaktion des Körpers auf
die Herausforderung durch Keime treten oft asymptomatische oder atypische
Verläufe auf. So ist oftmals z. B. trotz ausgedehnter mikrobieller Infiltrationen,
z. B. bei nekrotisierender Cholezystitis oder Typhlitis, kein Fieber als Warnhinweis
auf eine Infektion zu beobachten. Man darf also Zeichen des veränderten Allgemeinzustandes nicht als eine Alterserscheinung abtun, sondern muss u. U. gezielt
nach Infektionserregern suchen.
I-14.2
Inzidenz der Listeriose in Deutschland in Abhängigkeit vom Alter (2001)
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656
657
I 14.3 Infektionen im Alter
Therapie: Einerseits ist der alte Mensch in erhöhtem Maße von therapeutischen
Eingriffen abhängig, wenn sein körpereigenes Abwehrsystem schwächer ist, und
andererseits muss man mit einem anderen Wirkungsgrad der antimikrobiellen
Chemotherapie rechnen. Die allgemein verfügbaren pharmakologischen Daten basieren auf Untersuchungen an jungen Probanden. Die Bioverfügbarkeit z. B. von
oral verabreichten Medikamenten ist bei den physiologischen Veränderungen
des pH und der Schleimhautaktivitäten möglicherweise modifiziert. Die Menge
des Körperfetts und die intra-/extrazelluläre Wasserverteilung ist im Alter oft verschoben, so dass auch die Pharmakologie von fett- bzw. wasserlöslichen Medikamenten betroffen ist. Auch der Metabolismus von Antibiotika in Leber und Niere
ist von der Organfunktion abhängig.
▶ Merke:
Da evidenzbasierte Angaben zur optimalen Dosierung bei alten Menschen
weitgehend fehlen, muss man die Therapie individuell und mit „Fingerspitzengefühl“ steuern!
Auch auf die Verträglichkeit von Antibiotika, nicht zuletzt wegen der Interaktion mit anderen Medikamenten bei Multimorbidität, muss besonders geachtet werden.
Prophylaxe: Eine ausgewogene Ernährung mit qualitativ hochwertigen Produkten
wäre wünschenswert, denn Mangelernährung, etwa Zink- und Selenmangel, erhöht die Anfälligkeit. Schlechte Nahrungsmittel, die z. B. lange und falsch gelagert
sind, können gefährliche Krankheitserreger oder deren Toxine enthalten. Eine adäquate Körperpflege inklusive der Haut und der Mundschleimhaut verhindert diverse Infektionen. Die gesamten sozialen Umstände, vor allem die Wohnverhältnisse, haben einen entscheidenden Einfluss auf das Infektionsrisiko.
Auch Impfungen haben einen besonderen Stellenwert. Während bei jungen Menschen eine Pneumokokkeninfektion meist glimpflich verläuft, sind alte Menschen
stark gefährdet (Abb. I-14.3); aus diesem Grund wäre eine entsprechende Impfung
im höheren Lebensalter besonders wichtig. Dasselbe gilt für die jährliche Grippeimpfung. Die Tetanusimpfung wäre einerseits ganz wichtig, weil gerade im
hohen Alter die Mortalität und auch die Letalität am größten ist, aber andererseits
ist die Immunantwort von alten Menschen auf diesen Impfstoff deutlich reduziert,
so dass man wiederholt impfen muss, ggf. mit einer Überprüfung des Impferfolges
mittels Antikörperbestimmung.
I-14.3
Altersabhängiges Mortalitätsrisiko bei einer ambulant erworbenen
Pneumonie
◀ Merke
Therapie: Bei der Antibiotikatherapie im
Alter ist bereits schon die Indikationsstellung
anders, dann kommt noch die veränderte
Pharmakologie (Resorption, Verteilung,
Metabolisierung) und Verträglichkeit dazu,
wobei vor allem die Überlegungen wegen
möglicher Interaktionen mit anderen
Medikamenten bei diversen Begleiterkrankungen komplex sind.
◀ Merke
Prophylaxe: Das gesamte Repertoire der
Infektionsprophylaxe sollte genutzt werden.
Dennoch greifen manche Maßnahmen,
wie etwa Impfung, nicht immer mit der
gewohnten Zuverlässigkeit.
I-14.3
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▶ Merke: Fieber als Leitsymptom für Infektionen kann im Alter fehlen.
658
Infektionen bei Abwehrschwäche
Grundlagen: Bei einer angeborenen oder
erworbenen Abwehrschwäche nutzen
opportunistische Keime die Chance,
sich in einem solchen Wirt zu vermehren
(Tab. I-14.7).
I-14.7
14.4 Infektionen bei Abwehrschwäche
Grundlagen: Neben den wenigen obligat pathogenen Keimen, die schon im normalen, abwehrtüchtigen Wirt eine Infektion auslösen können, gibt es noch die
große Gruppe der Opportunisten, die sich bei „passender Gelegenheit“ ausbreiten
und Schaden anrichten können.
Angeborene, genetisch determinierte Immundefekte sind eher selten (Tab.
I-14.7). Dagegen gibt es mehrere klinische Situationen mit erworbenener Abwehrschwäche: Gefährdet sind vor allem Frühgeborene und Alte, aber auch durch
Krankheit (z. B. Leukämie) bzw. moderne immunsuppressive Therapieverfahren
(Kortisontherapie von Autoimmunkrankheiten, zytostatische und strahlentherapeutische Therapie bei onkologischen Erkrankungen, Immunsuppression von
Organtransplantierten) geschwächte Personen. Auch im Verlauf von Infektionen,
z. B. mit HIV, EBV oder Tbc, kann sich eine Immunschwäche entwickeln.
Der Grad der Abwehrschwäche kann stark variieren – von einer selektiven
Schwäche einer einzelnen Infektabwehrmaßnahme, z. B. ein Defekt im Komplementfaktor C3 oder eine lokale Störung der Barriere, bis hin zu einer generellen
Schwäche, die mehrere Mechanismen der unspezifischen wie der spezifischen Abwehr gleichzeitig betrifft. Selbst prinzipiell völlig harmlose Erreger können dann
den Körper befallen („wie einen lebenden Nährboden“).
Ursachen von Immundefekten
angeborene, primäre Defekte
unspezifische
Abwehr
Komplementdefekte: erhöhte Anfälligkeit gegen Meningokokken und bekapselte Erreger
Phagozytendefekte, z. B. Chédiak-Higashi und chronische Granulomatose: erhöhte Anfälligkeit gegenüber
intrazellulären Erregern, z. B. S. aureus.
spezifische Abwehr
B-Zell-Mangel, z. B. IgA-Mangel: erhöhte Anfälligkeit gegenüber Schleimhautinfektionen
T-Zell-Mangel, severe immunodeficiency syndrome: erhöhte Anfälligkeit gegenüber diversen Erregern
erworbene, sekundäre Störungen
unspezifische
Abwehr
vor allem nach Bestrahlung und zytostatischer Chemotherapie tritt häufig eine Neutropenie (< 500 Granulozyten/
mm3) auf. Vor allem bakterielle und mykotische Infektionen treten dann (low risk < 10 Tage; high risk > 10 Tage)
gehäuft auf.
auch andere Medikamente (z. B. hochdosierte und lang anhaltende Steroidtherapie) erzeugen eine iatrogene
Abwehrschwäche.
nach Splenektomie fehlt ein Teil der phagozytierenden Kapazität, sodass eine hohe Anfälligkeit gegenüber
bekapselten Bakterien auftritt (Gefahr der OPSI*)
in bestimmten Lebensabschnitten (Frühgeborene, Alter) sowie im Verlauf verschiedener Krankheiten
(z. B. konsumierende Tumorleiden, Diabetes, Leberzirrhose, Niereninsuffizienz oder chronische Infektionen)
kommt es zum Verlust mehrerer unspezifischer Abwehrmechanismen, der kaum noch kompensiert werden kann.
Patienten mit Leukämie etwa haben trotz erhöhter Zahl an Granulozyten oft eine funktionelle Schwäche dieser
Infektabwehr und sind somit anfällig gegen verschiedene Erreger (Viren: z.B. Herpesviren und Zytomegalievirus,
Bakterien: grampositive und gramnegative, Pilze: z.B. Cryptococcus, Candida, Aspergillus).
spezifische Abwehr
vor allem nach allogener Transplantation, wenn eine Abstoßungsreaktion durch Immunsuppressiva erzwungen
wird, oder bei einer Autoimmunkrankheit das Abwehrsystem lahmgelegt wird, ist auch die Infektabwehr
betroffen.
als Folge von Infektionen mit lymphotropen Viren, z. B. HIV und HHV 4, kommt es zu einer Funktionsschwäche
der Lymphozyten.
* OPSI = overwhelming post-splenectomy infection
Ätiologie: Erreger aus allen Gruppen von
Mikroorganismen stellen eine Bedrohung
dar. Auch solche, die sonst als apathogen
gelten (Abb. I-14.4).
Ätiologie: Verschiedene opportunistische Keime – Viren (Herpes simplex, EBV,
CMV, VZV), Bakterien (Legionellen, Listerien, Nocardien), Pilze (Aspergillen, Zygomyzeten), Protozoen (Toxoplasmen) und Würmer (Strongyloides) – sind eine Bedrohung für abwehrgeschwächte Patienten. Der Zeitpunkt des Erscheinens von
infektiösen Komplikationen ist von Erreger zu Erreger verschieden (Abb. I-14.4).
Diagnostik: Durch die große Vielfalt der in
Frage kommenden Erreger kommen die
verschiedensten Tests und Untersuchungsmaterialien zum Einsatz.
Diagnostik: Einer breiten Palette von Erregern ist es möglich, in den abwehrgeschwächten Patienten eine Infektion auszulösen, so dass auch die anzufordernden Tests aus ganz unterschiedlichen Untersuchungsmaterialien umfangreich
sind. Bei hochgefährdeten Patienten wird sogar vorsorglich und regelmäßig eine
Surveillance – bestehend aus klinischen, röntgenologischen, laborchemischen
und mikrobiologischen Methoden – gefordert.
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14.4
I 14 Weitere Infektionen
659
I 14.4 Infektionen bei Abwehrschwäche
Häufigkeit und Zeitpunkt des Auftretens von Infektionen nach allogener
Stammzelltransplantation
I-14.4
Therapie:
Empirische (kalkulierte) Therapie: Schon bei den ersten, oft uncharakteristischen Zeichen einer Infektion und noch vor einer endgültigen Diagnose werden
antimikrobielle Medikamente verabreicht. Ziel ist, eine Infektion im „Keime zu
ersticken“, die Auswahl der Wirkstoffe erfolgt entsprechend der klinischen Erfahrung. Die Indikation für eine solche aufwendige und möglicherweise auch
nebenwirkungsreiche Maßnahme muss jedoch gut abgewogen werden. (In der
Praxis gehen die präemptive und empirische Therapie sowie die Chemoprophylaxe [s. u.] fließend ineinander über).
Präemptive Therapie: Ziel ist, das Aufflackern von Infektionen frühzeitig zu
bekämpfen, d. h. noch bevor überhaupt Symptome voll ausgeprägt sind, aber
schon einige Laborergebnisse Hinweise für einen bestimmten Erreger bringen,
oder die Reaktivierung einer Infektion zu verhindern.
Gezielte Therapie: bei exakter Klärung der Ätiologie und beim Vorliegen eines
Antibiogramms kann man die Therapie optimieren; wenn das Risiko, das von
einer bestimmten Infektion ausgeht, abschätzbar ist, so kann eine nebenwirkungsreiche, belastende und teure Therapie gerechtfertigt sein.
Therapie:
Die empirische (kalkulierte) Therapie
beruht auf einer generellen Erfahrung.
Die präemptive Therapie hat das Ziel,
eine Infektion im Keim zu ersticken.
Die gezielte Therapie wäre die optimale
Behandlung.
Prophylaxe:
Eine aufwendige Umkehrisolation schützt den abwehrgeschwächten Patienten
nicht vor der eigenen Flora, aber vor der Umwelt. Auch einfache aber hilfreiche
Maßnahmen, wie etwa die Entfernung von Topfpflanzen, müssen ergriffen werden.
Prophylaxe:
Umkehrisolation.
▶ Definition: Gesunde Menschen müssen durch Isolation eines infizierten, kontagiösen Patienten vor einer Krankheit geschützt werden. Eine Umkehrisolation hat
das Ziel, gesunde aber infektanfällige Personen vor den Gefahren durch Umweltkeime und Mikroorganismen von Mitmenschen zu bewahren.
◀ Definition
Eine „barrier isolation“, d. h. Kittelpflege, Mundschutz bei Kontaktpersonen, ist
gedacht als Schutz vor resistenten Keimen.
Eine antimikrobielle Prophylaxe (Chemoprophylaxe) zielt darauf ab, eine Infektion von vornherein zu verhindern, indem die Anflugkeime – aber auch Keime
der endogenen Flora – in Schach gehalten werden. Einerseits werden nicht absorbierbare Antibiotika (z. B. Aminoglykoside, Vancomycin, Polymyxin) oral verabreicht, andererseits werden auch systemisch wirksame Präparate (z. B. Cotrimoxazol und Chinolone) zur Darmdekontamination eingesetzt. Auch Antimykotika und antivirale Mittel kommen zum Einsatz.
Impfungen sollten – soweit möglich – immer rechtzeitig aufgefrischt werden.
Einzelne Impfstoffe sind speziell bei Abwehrgeschwächten zu empfehlen z. B.
eine aktive Impfung gegen Pneumokokken oder auch passive Impfungen mit
Gammaglobulin als Ersatz bzw. Hyperimmunglobuline.
„Barrier isolation“
Chemoprophylaxe
Impfungen
Immunmodulatoren.
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I-14.4
660
I 14 Weitere Infektionen
Die Gabe von Immunmodulatoren (z. B. Zytokine) zur Stärkung des Immunsystems hat allenfalls supportiven Charakter.
14.5
STD (sexually transmitted diseases)
▶ Merke
14.5 STD (sexually transmitted diseases)
▶ Merke: Mit Einführung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) wurde das Gesetz
zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten abgeschafft, in dem 4 Krankheiten
aufgeführt waren. Seitdem trifft der Begriff „Geschlechtskrankheiten“ eigentlich
nicht mehr zu.
Erreger: s. Tab. I-14.8.
Erreger: s. Tab. I-14.8.
Allgemeine Diagnostik: Anamnese,
klinischer Befund.
Allgemeine Diagnostik:
Anamnese: Angaben über Familienstand, Sexualverhalten, Reisegewohnheiten,
etc. zeigen auf Risiken hin.
Klinisch: Die Manifestationen sind sehr variabel und nicht immer auf die
Geschlechtsorgane beschränkt.
I-14.8
I-14.8
Erreger von STD
Viren
Papilloma, Herpes simplex, Hepatitis B, HIV, Molluscum contagiosum
Bakterien
Treponema pallidum, Neisseria gonorrhoeae, Haemophilus ducreyi,
Gardnerella vaginalis, Calymmatobacterium granulomatis, Chlamydia
trachomatis, Ureaplasma, Mycoplasma
Pilze
Candida
Protozoen
Trichomonas vaginalis
Mikrobiologische Diagnostik:
Direktnachweis: Tab. I-14.9.
Serologisch.
Mikrobiologische Diagnostik:
Direktnachweis: s. Tab. I-14.9.
Serologisch: Der Nachweis von Infektionen vor allem mit Treponemen, HIV,
Hepatitis-B-Virus und Herpes-simplex-Virus erfolgt über den Nachweis von
spezifischen Antikörpern im Blut.
Therapie: Sie ist je nach Erregerart
unterschiedlich.
Therapie: Je nach Erregerart erfolgt eine entsprechende Therapie, soweit möglich.
Prävention: Information und Erziehung
können helfen, das Risiko zu meiden. Kondome und manche Chemikalien können die
Übertragung von Erregern verhindern.
Prävention: Vor allem bei außergewöhnlichen Sexpraktiken und bei unbekannten
und wechselnden Partnern muss man mit einem erhöhten Risiko rechnen. Information und Erziehung sind ein erster Schritt zur Vermeidung solcher Situationen.
Bei sachgemäßer Verwendung von Kondomen kann das Risiko deutlich minimiert
werden. Manche spermizide Chemikalien haben auch eine zumindest mäßige
antimikrobielle Wirkung,
I-14.9
I-14.9
Direktnachweis von Erregern bei STD
mikroskopisch
Candida und Trichomonas erkennt man meist schon bei der
mikroskopischen Untersuchung der Nativpräparate; in gefärbten Präparaten lassen sich dann auch Gonokokken, Haemophilus, Gardnerella und Calymmatobacterium vermuten
kulturell
Im Routinelabor ist der kulturelle Nachweis von Viren nur
selten möglich; auch Trichomonaden, die zwar prinzipiell gut
anzüchtbar sind, werden im Routinelabor so kaum nachgewiesen. Candida und die Bakterien außer Treponema und
Calymmatobacterium sind gut zu erfassen
molekularbiologisch
zunehmend gibt es PCR-Verfahren zum Nachweis einzelner
oder auch von Gruppen der Erreger
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Dagegen gibt es zahlreiche „beim Geschlechtsverkehr übertragene Krankheiten“.
661
I 14.6 Importierte Infektionen
14.6
Importierte Infektionen
▶ Definition: Einige Infektionserreger sind bei uns so unbekannt, dass man an
einen „Import“ dieser Erreger aus dem Ausland denken muss (Reisende, Einwanderer), wenn sie hier auftreten.
◀ Definition
Erreger: siehe Tab. I-14.10.
Erreger: s. Tab. I-14.10.
Diagnostik: Auf Grund der Anamnese und mancher klinischer Zeichen können
Verdachtsdiagnosen gestellt werden, die dann durch Laboruntersuchungen bestätigt werden müssen. Die Reiseanamnese wird oft vernachlässigt; dabei können allein schon Angaben über den Aufenthaltsort und die Jahreszeit Klarheit über den
Erreger verschaffen, da die geographische Verteilung bzw. die Klimaabhängigkeit
von manchen Vektoren bzw. Mikroorganismen ganz charakteristisch sind. Darüber hinaus sind der zeitliche Abstand zur Reise, die Dauer des Aufenthaltes, die
„Luxuskategorie“ sowie das Verhalten (Essgewohnheiten) zu erfragen.
Diagnostik: Wenn ein Verdacht vorliegt,
kann eine gezielte Untersuchung einsetzen.
Eine gezielte Anamnese trägt hier wesentlich
zur Klärung bei.
▶ Merke: Sowohl für die gezielte Therapie als auch für die Prognose und evtl.
auch für die Abschätzung des Risikos für die Umgebung ist die rechtzeitige
Erkennung dieser außergewöhnlichen Krankheiten von großer Bedeutung.
◀ Merke
Therapie: Neben einer symptomatischen Behandlung der Beschwerden gibt es bei
einer Reihe von Infektionen auch gezielte kausale Therapiemöglichkeiten.
Therapie: Eine effektive Therapie hängt von
einer exakten Diagnose ab.
Prophylaxe: Eine gute Reisevorbereitung beinhaltet eine Risikoabschätzung;
wenn das Problem erkannt ist, kann eine Expositionsprophylaxe die Akquirierung
verhindern. Für die Vermeidung von lebensmittelbedingten Infektionen gilt:
„cook it, peel it or forget it.“
An erster Stelle steht die Impfprophylaxe. Neben den Standardimpfungen, wie
Tetanus, Diphtherie und Poliomyelitis (bei Kindern auch noch Mumps, Masern,
Röteln), sollten Reisende aus den Industrieländern noch gegen Hepatitis A und
ggf. auch gegen Hepatitis B geimpft sein. Bei Reisen in bestimmte Länder von
Zentralafrika und Lateinamerika ist die Gelbfieberimpfung vorgeschrieben (eine
Lebendvakzine, die nur in ermächtigten Impfzentren vorgehalten wird) und
muss im gelben, internationalen Impfbuch dokumentiert sein.
Die Indikation für andere Impfungen gegen Typhus, Cholera, Meningokokken,
Japan B-Meningitis müssen im Einzelfall besprochen bzw. gestellt werden.
Darüber hinaus sollten in einer Reiseapotheke essenzielle Medikamente mitgeführt werden, um evtl. auch eine Chemoprophylaxe durchzuführen oder die
Krankheit im Keim zu ersticken.
Bei „pressewirksamen“ Epidemien wird von den Behörden gelegentlich eine Einschränkung der Reisemöglichkeiten empfohlen oder auch verordnet. Zumindest
aber das individuelle Verhalten, wie etwa Tragen von Mundschutz (Abb. J-2.5,
S. 677) oder das Meiden bestimmter Getränke und Speisen, sollte die möglichen
Gefahren berücksichtigen.
Prophylaxe: Solche exotischen Infektionen
können durch Expositionsprophylaxe,
Impfprophylaxe, Chemoprophylaxe und
Quarantäne verhindert werden.
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14.6 Importierte Infektionen
662
I 14 Weitere Infektionen
I-14.10
Typische Erreger importierter Infektionen
Erreger
klinische Manifestationen
Viren
Ikterus (4 Wochen nach Aufenthalt)
Dengue
Fieber, „Grippe“, Exanthem
Gelbfieber
Fieber, Ikterus, Enzephalitis
Bunyaviren
Fieber, Enzephaltis
hämorrhagisches Fieber
(Filo-, Bunya- und Arenaviren)
Fieber, schlechter AZ, hämorraghische Blutungen
Japan-B-Enzephalitis
Fieber, Enzephalitis
Hepatitis C
Ikterus (mehrere Monate nach Aufenthalt), dunkler Urin, heller Stuhl, Appetitlosigkeit
Hepatitis E
Ikterus (4 Wochen nach Aufenthalt), dunkler Urin, heller Stuhl, Appetitlosigkeit
Hantavirus
Fieber, Muskelschmerzen, Dyspnoe, Nierenversagen
Poliomyelitis
Durchfall, Meningitis, Paralysen
Coronaviren
schweres akutes respiratorisches Syndrom (SARS)
Affenpocken
Fieber, vesikuläres Exanthem
Bakterien
Salmonella typhi und
paratyphi
Husten (!), Obstipation, Durchfall erst später, Fieber (Continua), Benommenheit, relative Bradykardie,
Leukopenie, Hepatosplenomegalie
Shigellen
Fieber, Tenesmen, blutige Stühle
Brucellen
lange Inkubationszeit; Fieber, Hepatosplenomegalie, Osteomyelitis
Vibrio cholerae
massive wässrige Stühle, Dehydratation
Tbc
nach Exposition (im Flugzeug, bei Umgang mit Erkrankten), monatelange Inkubationszeit, Fieber,
Nachtschweiß, Gewichtsabnahme, Lungenherde (Vorsicht: Multiresistenz!)
Meningokokken A und C
hohes Fieber, Meningitis, Sepsis, Schock (nach Aufenthalt im „Meningitisgürtel“ oder nach
Mekkapilgerreise)
Pilze
Histoplasma
Hautgranulome, Organmanifestationen ähnlich Tbc, nur nach Reisen in bestimmte Länder
Coccidioides
Hautgranulome, Organmanifestationen ähnlich Tbc, nur nach Reisen in bestimmte Länder
Cryptococcus neoformans
var. gattii
Lungenherde nach Tropenaufenthalt, Meningitis, Enzephalitis
Protozoen
Plasmodium spp.
Malaria, Fieberanfälle, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, („komische, schwere Grippe“), ggf. Durchfall
Entamoeba histolytica
ähnlich Shigellenruhr
Lamblia intestinalis
voluminöse, fettreiche, stinkende Stühle, Bauchgrimmen, Gewichtsverlust
Leishmania donovani
Fieber, Hepatosplenomegalie Monate nach Aufenthalt.
Würmer
Ankylostoma
Enteritis, allmählich Gewichtsverlust, Anämie
Strongyloides
wie Ankylostomiasis, bei Abwehrschwäche (z. B. HIV) droht Disseminierung
Schistosoma
lange nach Aufenthalt: Blut im Urin, Darmentleerungsstörungen, erhöhte Leberwerte
Trichinella
Schluckbeschwerden, Atembeschwerden, Muskelschmerzen
Taenia
leichte Beschwerden, später perniziöse Anämie; ggf. Zystizerkose
Ascaris
anfangs Fieber und Husten, später Darmbeschwerden. Evtl. Komplikationen als Gallenstau und/oder
Pankreatitis
Ektoparasiten
Tunga
Maden in Haut
Dasselfliege
Maden in Haut und Schleimhaut (z. B. Konjunktiva)
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Hepatitis A
3
Sterilisation
und Desinfektion . . . . . . . . 687
3.1
3.2
Sterilisation . . . . . . . . . . . . . 687
Desinfektion . . . . . . . . . . . . 691
4
Impfungen . . . . . . . . . . . . . . 704
672
673
673
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
4.6
678
4.7
Passive Immunisierung . .
Aktive Immunisierung . . .
Impfpflicht . . . . . . . . . . . . . .
Impfempfehlungen . . . . . .
Impfdokumentation . . . . .
Unkonventionelle
Impfungen . . . . . . . . . . . . . .
Zukünftige Entwicklungen
Einführung . . . . . . . . . . . . . . 664
1.1
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . 664
2
Aufgabengebiete
der Hygiene . . . . . . . . . . . . . 666
2.1
2.2
2.3
2.4
Gesundheitserziehung . . .
Lebensmittelhygiene . . . .
Trinkwasserhygiene . . . . .
Hygiene von Badewasser
und Abwasser . . . . . . . . . . .
Umwelthygiene . . . . . . . . .
Epidemiologie . . . . . . . . . . .
Infektionsschutzgesetz
(IfSG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Krankenhaushygiene bzw.
nosokomiale Infektionen
2.5
2.6
2.7
683
5
705
706
711
711
712
712
712
Biologische Kriegführung
bzw. Bioterrorismus . . . . . 713
J
Hygiene
2.8
666
667
669
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1
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J 1 Einführung
Einführung
1
Einführung
1
1.1
Grundlagen
1.1 Grundlagen
▶ Definition
▶ Definition: Die Hauptaufgabe der Feuerwehr ist nicht, Feuer zu löschen, sondern
dafür Vorbereitungen zu treffen, dass es erst gar nicht ausbricht. Der Mediziner
sieht heute seine eigentliche Aufgabe in der Diagnostik und Behandlung von
Krankheit. Ziel der Hygiene ist es dagegen, die Gesundheit zu erhalten und Krankheit zu verhüten. Die Prävention setzt dabei nicht nur am Menschen selbst an, sondern auch in seiner Umgebung. Durch die Behebung von Risiken werden nicht nur
Einzelne profitieren, sondern auch ganze Kollektive. Im engeren Sinne kümmert
sich die Hygiene um die Prävention von übertragbaren Krankheiten, d. h. Infektionskrankheiten. Im weiteren Sinne ist diese Grundhaltung anwendbar auf andere Gebiete der Medizin, z. B. Verhinderung von Asthma oder Leberkrebs durch
Verminderung der Exposition gegen Allergene bzw. Mykotoxin, Schadstoffen etc.
(sog. Umwelthygiene). Hygiene ist also eine interdisziplinäre Aufgabe.
Eigentlich ist es die vornehmliche Aufgabe eines Arztes, die Gesundheit der Menschen zu erhalten und zu pflegen. In der Praxis jedoch kümmert sich ein Arzt in
erster Linie um die Diagnostik und Therapie von Krankheiten.
▶ Merke
J-1.1
Formen der Prävention:
primäre Prävention.
sekundäre Prävention.
tertiäre Prävention.
Die Hygiene vermittelt vornehmlich eine
Haltung („attitude“), weniger dagegen
Fähigkeiten („skills“) und Wissen
(„knowledge“).
Erfolge durch Hygiene: Während in den
Tropen Infektionen die führenden Todesursachen sind, spielen Infektionen bei uns als
Todesursache heute eine untergeordnete
▶ Merke: Die Hauptaufgabe der Hygiene ist die Prävention von Infektionskrankheiten (Abb. J-1.1). Insofern unterscheidet sich dieses Fachgebiet von den meisten anderen Gebieten in der medizinischen Ausbildung.
J-1.1
Chinesischer Leitspruch
Formen der Prävention (hier angewendet auf die Hygiene):
Primäre Prävention: Verhinderung des erstmaligen Auftretens von Krankheiten, z. B. von Infektionskrankheiten.
Sekundäre Prävention: Verhinderung des erneuten Auftretens von Krankheiten, z. B. von Infektionskrankheiten.
Tertiäre Prävention: (zumindest) Unterbindung weiterer Risiken, um eine
Verschlimmerung zu vermeiden.
Während sich ein Medizinstudent in den anderen Fächern in erster Linie Fachwissen („knowledge“) und erst nachgeordnet Fertigkeiten („skills“) und eine innere
Einstellung/Haltung („attitude“) aneignet, hängt der Erfolg der Hygiene vor
allem von der Einsicht des Arztes in die Notwendigkeit des präventiven Denkens
ab. Die hierfür zu erlernenden Fakten erscheinen gegenüber anderen Fächern, darunter auch der Medizinischen Mikrobiologie, wenig umfangreich. „Die Hygiene
ist die Anwendung des gesunden Menschenverstandes“ (Kantz, München).
Man muss nicht viel lernen, aber man muss sich an die Grundregeln halten und
diese auch umsetzen!
Erfolge durch Hygiene: Die Erfolge durch hygienische Maßnahmen sind kaum zu
überbieten. Die Bedeutung von Infektionskrankheiten als Todesursache ist in den
modernen Industrienationen deutlich zurückgegangen – noch vor 100 Jahren
standen sie an erster Stelle der Todesursachen wie heute noch in Ländern der Drit-
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664
665
J 1.1 Grundlagen
J-1.1
Anteil von ausgewählten Todesursachen
J-1.1
Länder der Dritten Welt (in %)
Industrienationen (in %)
Gefäßerkrankungen*
5
45
Tumoren
5
25
Verkehr/Unfälle
3
5
Unterernährung
40
ca. 1
Infektionen
40
ca. 1
* bei vielen dieser Krankheiten spielt Überernährung (Hypercholesterinämie) eine Rolle
1.1.1 Grundvoraussetzungen für eine hohe
Lebenserwartung
Rolle, weil viele Ziele der Hygiene verwirklicht
sind (Tab. J-1.1).
1.1.1 Grundvoraussetzungen
für eine hohe Lebenserwartung
Die hohe Lebenserwartung in den hoch entwickelten Industrienationen von ca. 70
Jahren ist wesentlich auf den Rückgang der Infektionskrankheiten (Tab. J-1.1) zurückzuführen. Neben der Hygiene haben dazu aber auch Leistungen außerhalb der
Medizin beigetragen; der hohe Lebensstandard in diesen privilegierten Ländern
beruht auch auf klimatischen und geographischen Gegebenheiten sowie auf
gesellschaftlichen und technischen Errungenschaften.
Die Hygiene hat durch die Reduktion der
Morbidität von Infektionskrankheiten
wesentlich zur höheren Lebenserwartung in
den industrialisierten Ländern beigetragen
(Tab. J-1.1).
Lebensmittel: Die Versorgung mit ausreichend qualitativ und hygienisch einwandfreier Nahrung ist eine Grundvoraussetzung für diesen Erfolg, wobei Trinkwasser das wichtigste Nahrungsmittel darstellt. Nicht nur bei der Herstellung,
sondern auch bei einer unsachgemäßen Lagerung von Lebensmitteln kommt es
zu einer mikrobiellen Kontamination und zur Belastung mit gesundheitsschädigenden Giften, darunter solche mikrobiellen Ursprungs, Schwermetallen oder
Pestiziden.
Lebensmittel: Ein wesentlicher Faktor für
Gesundheit ist ausreichende, hochwertige
und hygienisch einwandfreie Nahrung.
Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel!
▶ Klinischer Fall: Im Sommer 1892 erkrankten in Hamburg während einer verheerenden Epidemie mehr als 17 000 Menschen an der Cholera und 8605 verstarben. Das Elbwasser, das in Hamburg – als einziger Großstadt in Europa – aus Gründen der Kostenersparnis ohne vorherige Aufbereitung über Sandfilter in die öffentliche Versorgung eingespeist wurde, war durch russische
Emigranten, die auf Schiffen in der Elbe auf die Überfahrt nach Amerika warteten, mit Choleravibrionen verseucht worden. In den Stadtteilen mit niedriger sozialer Struktur, etwa in der Altstadt,
Billwärder Ausschlag, St. Georg, Hamm und Barmbek traten die meisten Fälle auf, weil die Menschen dort dieses Oberflächenwasser aus der städtischen Wasserleitung als Trinkwasser nutzten;
in den vornehmen Stadtgebieten wie Harvestehude und Rotherbaum waren dagegen deutlich weniger Opfer zu beklagen; diese Haushalte verwendeten das Leitungswasser allenfalls als Brauchwasser, als Trinkwasser wurde einwandfreies Mineralwasser zugekauft.
◀ Klinischer Fall
▶ Merke: In Afrika ist das primäre Leberzellkarzinom – hervorgerufen durch
Aflatoxin B – die häufigste Karzinomart. Aflatoxin kann z. B. in verschimmelten
Erdnüssen und Pistazien in hoher Konzentration vorkommen, weil die Lebensmittel vor Verbrauch nicht sachgerecht (d. h. gekühlt) gelagert werden können
und diese Menschen auf den Verzehr selbst von verschimmelten Nahrungsmitteln angewiesen sind.
◀ Merke
Wohnverhältnisse: Die Bereitstellung von ausreichend und geeignetem Wohnraum trägt ganz wesentlich zu einer gehobenen Lebensqualität bei.
Wohnverhältnisse: sie bestimmen das
Risiko für manche Infektionskrankheiten,
wie etwa Tuberkulose.
▶ Klinischer Fall: Friedrich Ebert, als Sohn eines Schneidermeisters 1871 geboren, lebte in ganz
beengten Wohnverhältnissen in der Heidelberger Altstadt, nämlich mit seinen Eltern, seinen 5
Geschwistern und 3 Gesellen in einer Wohnung mit 46 m2 und einer Raumhöhe von nur 2 m,
die nur über einen Hinterhof erreichbar war.
◀ Klinischer Fall
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ten Welt (Tab. J-1.1). Neben der Politik, den Ingenieur- und den Agrarwissenschaften ist diese Entwicklung zu einem Großteil der Hygiene zu verdanken – der Rückgang war nämlich schon lange vor den Fortschritten der Medizin im Wissen um die
Pathogenese von Infektionen und deren medikamentöser Bekämpfung eingeleitet.
Aber auch technisch nicht einwandfreie
Klimaanlagen sind ein Risiko für aerogene
Infektionen und starke Antigenexposition.
J 2 Aufgabengebiete der Hygiene
Bei solchen Wohnverhältnissen können sich aerogen übertragene Erreger (z. B.
Mycobacterium tuberculosis ) rasch ausbreiten. Wenn die Eltern an einer offenen
Tuberkulose erkrankten und – wie früher üblich – im selben Zimmer schliefen wie
die Kinder, dann wurden diese meist ebenfalls infiziert.
Heute treten andere Probleme auf, wenn z. B. über eine Klimaanlage mikrobielle
Erreger (z. B. Legionella pneumophila) oder nur Antigene (z. B. von Schimmelpilzen) aerogen verstreut werden und zu Pneumonien bzw. Asthma führen.
Öffentliche Gesundheit: Die Lebensverhältnisse im sozialen Umfeld sind entscheidend
für die Erhaltung der Gesundheit.
Öffentliche Gesundheit: Die Lebensverhältnisse sowie der Zugang zu medizinischer Versorgung sind in starkem Maße abhängig von Arbeit, Verdienst und sozialer Sicherheit („Public health“). Die soziale Verelendung, das Leben in Slums und
Arbeitslosigkeit gehen in vielen Fällen den Infektionen voraus und bahnen sie.
Katastrophen und Kriege: In diesen
Situationen gehen die Errungenschaften
der Hygiene verloren.
Katastrophen und Kriege: Die etablierten Standards der Hygiene sind unter chaotischen äußeren Verhältnissen gefährdet; Infektionserreger können dann wieder
ihre wahre Gefährlichkeit zurückerlangen.
1.1.2 Aktueller Stellenwert der Hygiene
1.1.2 Aktueller Stellenwert der Hygiene
Viele Erkenntnisse und Forderungen der
Hygiene sind bei uns schon längst umgesetzt.
Die wichtigsten Erkenntnisse und Regeln der Hygiene werden heute in den entwickelten Industrienationen schon routinemäßig umgesetzt. In Standardsituationen
sind Mediziner bzw. Hygieniker meist nicht mehr involviert – hier entscheiden
Handwerker, Ingenieure und Verwaltungen über die praktische Anwendung.
Es gibt aber immer noch mehrere Bereiche, wo durch neue Entwicklungen Fortschritte zu erwarten sind oder eine Nichteinhaltung der Regeln zu Komplikationen
führt, so dass dann auch Hygieniker gefordert sind. Die Effizienz von Hygienemaßnahmen ist auch in solchen Situationen immer noch unübertroffen, weil diese Aufwendungen eben nicht nur Einzelnen zu Gute kommen, sondern ganzen Bevölkerungsgruppen (Kollektiven).
Dieses hohe Niveau muss ständig aufrechterhalten werden, um nicht nur dem
Einzelnen damit zu helfen, sondern ganzen
Bevölkerungskollektiven.
▶ Merke
▶ Merke: Ein guter Teil der öffentlichen Gesundheitsvorsorge („public health“)
besteht in der Anwendung von Hygienegrundsätzen.
Die Akzeptanz der Hygiene leidet darunter, dass die Präventionsmaßnahmen zunächst Kosten verursachen, ohne dass sich die positiven Auswirkungen unmittelbar zeigen. Eine erfolgreiche Prävention wird aber nicht automatisch auf die
Hygiene-Maßnahmen zurückgeführt, weil – so das Argument – das Risiko ja
auch ohne diese Aufwendungen gar nicht reell geworden wäre. Darüber hinaus
macht sich der Erfolg häufig erst spät bemerkbar, so dass der kausale Zusammenhang nicht mehr erkannt wird. (Die vornehmliche Aufgabe der Feuerwehr ist es,
einen Brand zu verhüten; wenn es jedoch zum Brand kommt, so kann man doch
der Feuerwehr dies nicht anlasten.)
Aufgabengebiete der Hygiene
2
Aufgabengebiete der Hygiene
2
2.1
Gesundheitserziehung
2.1 Gesundheitserziehung
Gesundheitserziehung von Erwachsenen ist
schwierig; allenfalls unter einem Leidensdruck besteht erhöhte Bereitschaft.
Erziehung beinhaltet neben der reinen Sachinformation auch noch die Notwendigkeit
der Überzeugungskraft (Tab. J-2.1).
Erziehung gelingt am leichtesten bei Kindern, deshalb sollte die Gesundheitserziehung möglichst frühzeitig in Familie oder Schule beginnen. Krankheit und Leid
machen den Menschen selbst im Erwachsenenalter noch offen für solche Anliegen.
Diese Notlage sollten Ärzte im Sinne des Patienten nutzen! Gerade Mediziner sind
am besten dafür geeignet, weil vor allem sie die richtige Sachinformation als ersten
wesentlichen Schritt jeder Erziehung liefern können (Tab. J-2.1). Dieser ersten kognitiven Phase sollte immer eine Phase der Vertiefung erfolgen, indem der Patient
auch emotional gefordert wird.
Durch Darstellung der Biologie und Epidemiologie von Krankheitserregern sowie
durch Schilderung der Vorteile, die eine rationale Unterbindung der Ausbreitung
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666
667
J 2.2 Lebensmittelhygiene
Phasen der Gesundheitserziehung
kognitiv-intellektuell
Interesse wecken
informieren: aufklären (allgemeine Information)
beraten (individuelle Information)
emotional-affektiv
überzeugen (Einsichten und Einstellungen erzeugen)
motivieren zum Handeln
stabilisieren (Gewohnheiten prägen)
erbringen, können Einzelpersonen, Organisationen aber auch ganze Bevölkerungsgruppen zu Verhaltensänderungen gebracht werden. Eine dauerhafte Veränderung von Verhaltensweisen ist aber mitunter nur sehr schwierig zu erreichen.
In einer liberalen Gesellschaft ist das Verhalten weitgehend von der Wertung des
Individuums abhängig, obwohl dies durchaus Konsequenzen für andere oder
sogar für Kollektive haben kann. Beispiel: Die Solidargemeinschaft einer Krankenversicherung erzwingt keine erhöhten Beitragsleistungen für Mitglieder mit erkennbarem Risikoverhalten, z. B. bei längeren Rucksackreisen durch malariagefährdete Urwaldgebiete ohne medikamentöse Prophylaxe.
In anderen Gesellschaftsformen gibt es häufig stringente Normen für gesundheitsrelevantes Verhalten und ggf. Sanktionen bei Verstoß gegen diese Regeln.
2.2 Lebensmittelhygiene
Schon bei der Entstehung, Prozessierung oder Lagerung eines Lebensmittels kann
über die Umwelt, über Tiere oder über Menschen ein Keimeintrag erfolgen. Bei
manchen Produkten muss man immer mit einer mehr oder weniger starken Kontamination rechnen (Tab. J-2.2). Manche Spezialitäten, z. B. Sauerkraut, Blauschimmelkäse etc., sind typischerweise mit Mikroorganismen vergesellschaftet, und
diese verfeinern die Qualität und den Geschmack. In manchen Fällen können sie
allerdings das Produkt verderben (Lebensmittelverderb). Zumeist sind diese Besiedler jedoch nur apathogene, harmlose Keime. Bei Unachtsamkeit und Fehlern
können sich jedoch ausnahmsweise Krankheitserreger darunter mischen.
Weitere mögliche Ursachen für den Verderb von Lebensmitteln sind chemische
Prozesse (z. B. Oxidation – „ranziges Fett“), physikalische Vorgänge (z. B. Austrocknung), biologische Vorgänge (z. B. Fraß von Insekten, Ratten). Durch Wachstumsbedingungen oder durch nachträgliche Behandlung können Schadstoffe (Kadmium, Blei, Pflanzenschutzmittel, Konservierungsstoffe) eingetragen werden.
J-2.2
Natürliche Keimbelastung im Lebensmittelbereich
Lebensmittel
Keimzahl/cm2
Kopfsalat (ungewaschen)
104–106
Kopfsalat (gewaschen)
103–105
Frischfleisch
ca. 105
Fleisch abgehangen
ca. 108 (!)
Waagschale in Metzgerei
ca. 103
J-2.1
Manche Gesellschaftsformen schreiben
auch allgemeinverbindliche Normen vor
und verhängen sogar Sanktionen.
2.2
Lebensmittelhygiene
Lebensmittel können schon bei der Entstehung, der Prozessierung oder der Lagerung
mit Keimen kontaminiert werden, darunter
können auch potenziell pathogene Keime
sein (Tab. J-2.2).
J-2.2
Keimzahl/g
Pfeffer, gemahlen
104–107
Currypulver
ca. 106
Zwiebel, gehackt
ca. 104
Milch (pasteurisiert)
< 103
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J-2.1
668
J 2 Aufgabengebiete der Hygiene
▶ Merke
Verschiedene Konservierungsmethoden
bewahren die Lebensmittel vor Kontamination (Tab. J-2.3).
Methoden zur Lebensmittelkonservierung: Schon die Naturvölker haben Methoden entwickelt, Nahrung zu konservieren. Heute stehen darüber hinaus moderne,
industrielle Verfahren zur Verfügung (Tab. J-2.3). In erster Linie soll dadurch der
Verderb durch ein Überwuchern der Kontaminanten verhindert, außerdem auch
die Vermehrung von gesundheitsschädlichen Keimen unterdrückt werden.
Für einzelne Lebensmittel, wie etwa
Hühnereier, gibt es spezielle amtliche
Verordnungen.
Sonstige Hygienemaßnahmen: Für einzelne Lebensmittel, von denen in besonderem Ausmaß Gefahren ausgehen könnten, sind detaillierte Verordnungen für Herstellung, Umgang und Handel erlassen worden. Beispielsweise fordert die Hühnereiverordnung eine Kennzeichnung mit dem Legedatum und eine Lagerungshaltung bei Zimmertemperatur allenfalls bis zum 18. Tag, danach muss eine Kühllagerung erfolgen. Aufgrund der Möglichkeit einer Salmonellen-Kontamination
(hier liegen die Keime hauptsächlich unter der Schale) sollte die Eischale nicht
mit dem Finger ausgewischt werden, die Eier sollten in Kantinen in einem separaten Raum getrennt von anderen Prozessen aufgeschlagen werden, die Schalen
müssen sorgfältig entsorgt und die Hände müssen gründlich gewaschen werden.
Großküchen, speziell auch in Krankenhäusern, unterliegen rigorosen Auflagen im
Umgang mit Lebensmitteln. So genannte Rückstellproben von den angebotenen
Speisen sollten im Falle eines Ausbruchs die Ursachenklärung ermöglichen.
Zum Schutz der Verbraucher kontrollieren Hersteller regelmäßig die Lebensmittel
und zwar nicht nur in Form von Stichproben des Endprodukts, sondern mittels der
HACCP (Hazard Analysis of Critical Care Points) bereits während des Herstellungsprozesses. Dabei werden an kritischen Stellen Proben entnommen, um einen möglichen Keimeintrag zu erfassen. Auch das mit den Lebensmitteln in Kontakt
tretende Personal wird regelmäßig untersucht.
Großküchen, von denen im Prinzip für breite
Bevölkerungsschichten potenzielle Risiken
ausgehen, unterliegen strengen Auflagen.
Bei der Risikokontrolle von Lebensmitteln
wird nicht nur das Endprodukt untersucht,
sondern auch verschiedene, kritische Punkte
im Herstellungsprozess (HACCP).
J-2.3
Methoden zur Lebensmittelkonservierung
Technik
Wirkungsweise
Vorteil/Nutzen
Nachteile/Beschränkung
Pasteurisierung
(60–100 °C)
Schäden an Membran,
Enzymen und DNA
geringe Veränderung
nicht steril, Sporen überleben, muss gekühlt
gelagert werden; Verfallsdatum!
Sterilisation
(100–140 °C)
Schäden an Membran,
Enzymen und DNA
tötet auch Sporen, lange
Haltbarkeit
Qualitätsänderung
Ansäuerung
pH, Homöostase
kostengünstig, gewünschte
Geschmacksänderung
Nicht für alle Lebensmittel geeignet
Einsalzen
Osmoregulation
ohne technischen Aufwand
geschmackliche Veränderung
Zugabe von
Chemikalien
unterschiedlich
oft lange Haltbarkeit
geschmackliche Veränderung, Toxizität,
gesetzliche Grenzwerte
Trocknung, Räuchern
Osmoregulation,
Homöostase
ohne technischen Aufwand
Qualitätsänderung, manche Erreger
überleben; Mykotoxin
Kühlen
reduzierter Stoffwechsel
weit verfügbar; kaum
Qualitätsänderungen
kurzfristig; manche Erreger überleben
Gefrieren
Unterbindung des
Stoffwechsels
wenig Qualitätsänderung,
lange Haltbarkeit
manche Produkte werden durch Eiskristalle
verändert
Bestrahlung
DNA-Schäden
keine Qualitätsänderung
technisch aufwendig, gesetzliche
Beschränkungen
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▶ Merke: Von kontaminierten Lebensmitteln können ganz unterschiedliche
Gefahren ausgehen:
Intoxikation: Nicht die Erreger selbst, sondern nur ihre giftigen Produkte sind
präsent und stellen eine Gefahr dar, z. B. Mykotoxine von diversen Schimmelpilzen oder bakterielle Toxine von Clostridium botulinum, Staphylococcus
aureus, Bacillus cereus, Escherichia coli.
Infektion: Die Erreger sind in vermehrungsfähigem Zustand präsent, z. B.
Prionen, Hepatitis A, Salmonella, Listeria, Yersinia, Vibrio cholerae, Brucella,
Tuberkelbakterien, Toxoplasma, Taenia, Ascaris, Anisakis.
669
J 2.3 Trinkwasserhygiene
2.3 Trinkwasserhygiene
2.3
Trinkwasserhygiene
Der allergrößte Teil des „Trinkwassers“ wird in der Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft sowie für Reinigungszwecke im privaten Haushalt als sog. Brauchwasser
verwendet. Nur ein kleiner Anteil wird wirklich als Trinkwasser, d. h. also als Nahrungsmittel, aufgenommen. Der tägliche Bedarf (Minimum zwischen 1,5 und 2,5 l
pro Person) ist abhägnig vom Alter und von den gesundheitlichen Bedingungen
sowie vom Klima.
Den größten Teil des Wasserbedarfs macht
Brauchwasser aus, nur ein kleiner Anteil wird
als Nahrungsmittel verwendet.
2.3.1 Natürliche Wasserquellen
2.3.1 Natürliche Wasserquellen
▶ Merke: Natürliche Wasserquellen sind nicht automatisch als TrinkwasserQuellen geeignet (Abb. J-2.1).
Siegfrieds Ermordung
J-2.1
Als Siegfried sich im
Odenwald nach
einer anstrengenden
Jagd zur Quelle
neigte, um Wasser
zu trinken, war er
mehreren Risiken
ausgesetzt, denn
Quellwasser genügt
unseren heutigen
Ansprüchen auf
hygienische Sicherheit bei Weitem
nicht, selbst wenn
es schmackhaft,
geruchlos, kühl und
klar, d. h. ohne
Schwebstoffe, ist.
Regenwasser ist mikrobiologisch nicht immer einwandfrei, denn es kann Staub
aus der Luft mitnehmen und mit dem Staub eben auch Mikroorganismen. Wenn
es dann im Boden versickert, so werden je nach Bodenbeschaffenheit die Keime
und gelösten Stoffe mehr oder weniger schnell absorbiert.
In tieferen Schichten, im Bereich des Grundwassers, sind die Problembestandteile
weitgehend entfernt und gegen andere Mineralstoffe ausgetauscht. Auf dem Weg
zu einer natürlichen Quelle kann das Wasser wieder verkeimen.
Durch künstlich angelegte Brunnen droht die Gefahr der nachträglichen Kontamination – (pathogene) Keime können von oben (bei einer defekten Abdeckung) oder
von der Seite (Sickerwasser bei defekter Anlage) eindringen.
Regenwasser kann Keime enthalten.
▶ Klinischer Fall: In Afrika gibt es noch viele Dorfbrunnen. Wenn diese nicht ganz dicht mit einem
Deckel verschlossen sind können sich die Agamen (Eidechsen) auf der Suche nach Feuchtigkeit
darunter zwängen; sie fallen in den Brunnen und kommen nicht mehr heraus. Da solche Echsentiere in ihrem Darm immer (!) Träger von Salmonellen sind, gelangen auf diese Weise pathogene
Keime in das Brunnenwasser.
◀ Klinischer Fall
Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommen unter natürlichen Bedingungen im Oberflächenwasser von Flüssen und Seen Krankheitserreger vor.
Oberflächenwasser aus Seen und Flüssen
gelten prinzipiell nicht als sicher.
2.3.2 Trinkwasser
2.3.2 Trinkwasser
Die oben beschriebenen natürlichen Wasserquellen genügen also unseren heutigen Ansprüchen nach einer zuverlässigen, konstant risikoarmen Wasserversorgung nicht. In aufwendigen, mehrstufigen Aufbereitungsschritten wird unser
Trinkwasser heute im Wasserwerk an den geforderten Qualitätsstandard angepasst, welcher in der Trinkwasserverordnung (TVO) festgelegt ist (Tab. J-2.4).
Nach Trinkwasserverordnung (TVO) gelten
für Bakterien wie für chemische Stoffe
bestimmte Grenzwerte (Tab. J-2.4).
Grundwasser ist im Allgemeinen durch
Filtration keimarm.
Bei Brunnenwasser muss sorgfältig darauf
geachtet werden, dass nicht nachträglich von
außen ein Keimeintrag erfolgt.
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J-2.1
◀ Merke
670
J-2.4
J 2 Aufgabengebiete der Hygiene
J-2.4
Qualitätsmerkmale für Trinkwasser
Parameter
Grenzwerte
mikrobiologisch:
Gesamtkeimzahl
100 KBE/ml
Escherichia coli
in 100 ml nicht vorhanden
Pseudomonas aeruginosa
in 100 ml nicht vorhanden
Enterokokken
in 100 ml nicht vorhanden
Legionella pneumophila
in 100 ml nicht vorhanden*
Nitrat
50 mg/l
Nitrit
0,1 mg/l
polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
0,0001 mg/l
organische Chlorverbindungen
0,01 mg/l
Fluorid
1,5 mg/l
Cadmium
0,005 mg/l
Pflanzenschutzmittel insgesamt
0,0005 mg/l
* für Intensiv-, Transplantations- und Verbrennungseinheiten gelten niedrigere Grenzwerte: in 1 ml nicht vorhanden
KBE = Koloniebildende Einheit
Für die Beurteilung der technischen Wasserqualität werden außerdem noch der pH
(Sollwert 6,5–9,5), der Eisengehalt
(Grenzwert 0,2 mg/l) und die Wasserhärte
bestimmt.
Für die Beurteilung der technischen Qualität von Wasser werden noch weitere Eigenschaften bestimmt, wie etwa der pH (Sollwert 6,5–9,5), Eisengehalt (Grenzwert 0,2 mg/l) und Härte (bedingt durch den Gehalt an Ca- und Mg-Salzen von
Kohlen und Schwefelsäure). Durch besondere Aufbereitungsmethoden wie Entsäuerung, Enteisung, Enthärtung kann die Qualität verbessert werden. Wenn
z. B. durch Ionenaustauscher die Ca-Ionen gebunden und durch Na-Ionen ersetzt
werden, so steigt dabei der NaCl-Gehalt an, sollte aber den Wert von 200 mg/l
nicht überschreiten.
Trinkwasser-Quellen
Trinkwasser-Quellen
Quellwasser.
Grundwasser und Oberflächenwasser
(Tab. J-2.5 S. 672).
Mineralwasser.
Tafelwasser.
Erreger im Trinkwasser
Die Herkunft des Trinkwassers ist je nach Standort verschieden.
Quellwasser steht heute kaum mehr in ausreichender Menge zur Verfügung,
zumindest nicht in den Ballungsgebieten.
Alternativen sind Grundwasser und Oberflächenwasser (z. B. aus Flüssen,
natürlichen Seen, Stauseen), die in mehreren Schritten aufbereitet werden
(Tab. J-2.5 S. 672).
Mineralwasser ist ein Grundwasser mit einem erhöhten Gehalt an gelösten
geogenen Stoffen, nämlich > 1 g/kg.
Tafelwasser ist Trinkwasser, welches noch Zutaten enthält, z. B. Carbonate oder
Kohlenstoffdioxid.
Erreger im Trinkwasser
In den Industriestaaten ist das Trinkwasser, das in den öffentlichen Leitungen verteilt wird, stets kontrolliert und einwandfrei; nur gelegentlich, bei Pannen, wird
diese Sicherheit durchbrochen. Nur durch hohen technischen Aufwand, durch
ständige Aufsicht und Qualitätskontrolle ist dieser Standard zu halten!
▶ Klinischer Fall
▶ Klinischer Fall: In Ismaning im Jahre 1978. Kurz vor Pfingsten kommt ein Ehepaar von einer Indonesienreise mit schwerem Durchfall nach Hause; wie sich später herausstellt war Shigella dysenteriae die Ursache. Aus Versehen hat ein Techniker im Wasserwerk einen Schieber geöffnet, der
Abwasser von der Zuleitung trennt; so konnte für kurze Zeit bakterienhaltiges Abwasser in die
Trinkwasserversorgung gelangen. Wenige Stunden später erkrankten schlagartig 1324 Bürger
an Ruhr.
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chemisch:
671
J 2.3 Trinkwasserhygiene
J-2.2
Wasserrohr
J-2.2
Vor allem nachträgliche fäkale Verunreinigungen müssen verhindert werden. Bei
den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen gilt dafür vor allem Escherichia coli als
Indikatorkeim, aber auch Enterokokken und Clostridien können darauf hinweisen.
Wenn eine solche Gefahr droht, dann muss z. B. durch Chlorierung oder Ozonisierung in den Wasserleitungen eine Keimarmut erzwungen werden.
▶ Exkurs: Im Einzelfall, z. B. im Urlaub in Ländern der Dritten Welt oder beim Camping, ist u. U.
eine Desinfektion des Trink- und Brauchwassers sinnvoll. Abkochen ist immer richtig; aber auch
eine Filtrierung mit geeigneten Geräten ist möglich, aber aufwendig und es droht die Gefahr der
Verkeimung der Filter! Auch mit Hilfe von chemischen Zusätzen wie Chlor (Clorina) oder Silbersalzen (Micropur) ist eine Gefahrenabwehr möglich – vorausgesetzt, dass das Wasser nicht allzu
stark mit organischen Stoffen belastet ist. Chlor wirkt schnell, die Wirkung lässt aber auch
wieder schnell nach. Silber benötigt eine Einwirkzeit von > ½ Stunde, wirkt dann aber
1 Woche. Deswegen ist die Kombination (Certisil Argento) vorteilhaft.
In der Endstrecke zum Verbraucher droht jedoch in stagnierendem Wasser in Totleitungen oder in verrosteten Rohren (Abb. J-2.2) oder bei verkalkten Wasserhähnen eine Kontamination mit typischen sog. Pfützenkeimen, wie Pseudomonas,
Burkholderia, Acinetobacter und Legionella. Bakterien vermehren sich aber
nicht nur in Suspension, also planktonisch, sondern auch in Biofilmen, wo sie
vor widrigen Umwelteinflüssen geschützt sind; dort leben sie vergesellschaftet
mit anderen. In Warmwasser verbreiten sich die anspruchslosen Legionellen.
Die Trinkwasserverordnung (TVO) enthält Vorschriften, die diese Risiken verhindern sollen.
Escherichia coli im Wasser gelten als Indikator für die Verunreinigung mit Fäkalien.
Solches Wasser muss vor der Nutzung durch
Ozon oder Chlor aufbereitet werden.
◀ Exkurs
In stehendem Wasser können sich nachträglich manche Keime vermehren, vor allem
sog. Pfützenkeime, wie Pseudomonas,
Acinetobacter und Legionella (Abb. J-2.2).
Schadstoffe im Trinkwasser
Schadstoffe im Trinkwasser
Schadstoffe im Trinkwasser lassen sich nicht ganz vermeiden; allerdings sind bestimmte Grenzwerte für viele einzelne Stoffe festgelegt, darunter Nitrat, Schwermetalle, Tenside. Gerade umweltstabile Verbindungen, wie polyzyklische bzw.
halogenierte Kohlenwasserstoffe, können über Luft und Boden ins Trinkwasser
gelangen (Tab. J-2.4).
Nitrate, die entweder aus natürlicher Produktion im Boden, meistens aber aus
übermäßiger Düngung der Felder stammen, sind vor allem für Säuglinge schädlich. Nach Umwandlung in Nitrit, welche spontan oder durch Bakterien in der Nahrung oder im Körper selbst erfolgt, entsteht bei diesen Personen akut dadurch
Methämoglobin, so dass die Sauerstoffversorgung der Gewebe abnimmt. Darüber
hinaus stehen Nitrat bzw. Nitrit im Verdacht, im Magen eines Menschen in Nitrosamin, ein starkes Kanzerogen, umgewandelt zu werden.
Die Qualität von Trinkwasser hängt neben
den mikrobiellen Belastungen auch noch von
dem Gehalt an chemischen Schadstoffen ab
(Tab. J-2.4). Die TVO sieht dafür jeweils
Grenzwerte vor.
▶ Merke: In gefährdeten Gebieten sollte die Nahrung für Säuglinge und Kleinkinder besser mit Mineral- oder Tafelwasser zubereitet werden, wofür geringere
Grenzwert (0,02 mg/l) für Nitrat gelten.
◀ Merke
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Dieses Wasserrohr aus verzinktem Eisen war wenige
Jahre nach Installation
bereits ziemlich verrostet
und hat das Lumen fast verschlossen. Aus dem Wasserhahn floss braunes, rostiges
Wasser, in dem Pseudomonas und Legionella gezüchtet
wurden, denn in diesen
zerklüfteten Oberflächen
bilden sich leicht Biofilme.
Wasserrohre aus Kupfer
oder Edelstahl sind dagegen
weniger anfällig.
672
J 2 Aufgabengebiete der Hygiene
Die anderen Schadstoffe haben vor allem bei längerfristiger Aufnahme – selbst bei
nur geringen Mengen – vor allem Spätfolgen an unterschiedlichen Organen.
Zudem besteht die Gefahr, dass solche Stoffe über Tiere in die Nahrungskette
gelangen, z. B. in die Milch.
J-2.5
2.4
Hygiene von Badewasser
und Abwasser
Aufbereitungsmethoden
J-2.5
Trinkwasser-Aufbereitungsverfahren
Verfahren
Merkmale
Flockung
nach Einleitung von Aluminium- oder Eisensalzen bilden sich
Flocken aus organischen bzw. anorganischen Trübstoffen; diese
können als Schlamm entfernt werden
Filtration
Trennung von festen (z. T. auch gelösten) Stoffen mit Sandfiltern,
Aktivkohlefiltern
Desinfektion
mit Chlor, Ozon, UV-Bestrahlung
Ionenaustauschverfahren
zur Enthärtung des Wassers
2.4 Hygiene von Badewasser und Abwasser
2.4.1 Badewasserhygiene
2.4.1 Badewasserhygiene
Auch für Badewasser gibt es
Qualitätsstandards
In den Richtlinien über die Qualität von Badegewässern sind Leitwerte bezüglich
der mikrobiellen und chemischen Beschaffenheit festgelegt, um eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung auszuschließen.
▶ Exkurs
▶ Exkurs: Über den Rundfunk wird alljährlich davor gewarnt, in Baggerseen zu baden, wo bei
routinemäßigen Kontrollen durch das Gesundheitsamt ein erhöhter Coli-Titer oder sogar pathogene Keime, wie etwa Salmonellen und Norwalkviren, festgestellt wurden. In der Tat können
sich in den warmen Jahrszeiten bei erheblicher organischer Belastung der Oberflächengewässer
Fäkalkeime, die durch Mensch oder Tier ins Wasser gelangt sind, rasch vermehren und dann
beim Baden übertragen werden.
In Schwimm- und Therapiebädern muss
der Chlorgehalt zwischen 0,2 und 0,6 mg/l
liegen.
Für Schwimmbäder sowie für Therapiebäder werden noch höhere Ansprüche gestellt. Um eine Keimbesiedelung zu unterbinden, wird das Wasser durch Ozon und
Chlor vorbehandelt. Jedoch muss hinterher ggf. mehrmals am Tag kontrolliert werden, dass Ozon vollständig wieder entfernt ist und der Gehalt an freiem und gebundenem Chlor innerhalb einer Untergrenze von 0,2/0,3 mg/l und einer Höchstgrenze von 0,5/0,6 mg/l liegt. Speziell in den Warmsprudelbecken (Whirlpool,
Jaccuzzi) droht sonst die Gefahr, dass sich pathogene Keime, wie etwa Staphylococcus aureus und Legionella pneumophila, gut vermehren und dann per Kontakt
oder Aerosol auf die Benutzer übertragen werden.
So genannte Thermalbäder werden aus Quellen gespeist, die schon natürlicherweise eine Temperatur > 20 °C haben.
2.4.2 Abwasserhygiene
2.4.2 Abwasserhygiene
Auch im Abwasser können pathogene
Keime verbreitet werden; deswegen muss es
in einer Kläranlage gereinigt werden, bevor
es in Oberflächengewässer eingeleitet wird.
Eine weitere Quelle für Infektionen kann das Abwasser werden, wenn es durch pathogene Keime wie etwa Salmonellen oder vancomycinresistente Enterokokken
(VRE) kontaminiert ist. Mögliche Quellen sind Abfälle z. B. aus Schlachthöfen. In
Kläranlagen muss deshalb solches Abwasser von pathogenen Keimen (und zusätzlich von bestimmten organisch-chemischen Belastungen) befreit werden, bevor
dieses Abwasser in natürliche Oberflächengewässer, die sog. Vorfluter, eingeleitet
werden darf.
Viele Schadstoffe wie Schwermetalle und Pestizidrückstände gelangen mit Abwasser in den Wasserkreislauf und sollten deswegen vorsorglich eliminiert werden.
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Aufbereitungsmethoden
673
J 2.6 Epidemiologie
2.5
Umwelthygiene
▶ Definition: Umwelthygiene ist ein Teil der Umweltmedizin bzw. des ökologischen Stoffgebietes. Das Ziel dieser interdisziplinären Fachrichtung ist, für die Gesundheit schädliche Faktoren physikalischen, chemischen, biologischen oder sozialen Ursprungs aus dem Umfeld des Menschen zu vermindern oder zu vermeiden.
◀ Definition
Bei uns werden die meisten Umweltprobleme heutzutage durch chemische und
physikalische (Lärm, Strahlung) Faktoren verursacht. Die Beseitigung von Abfällen
und Müll aus Haushalten – vor allem aber aus Industrieanlagen – muss unter geordneten Bedingungen erfolgen und kontrolliert werden, um Umweltschäden zu
vermeiden. Das Immissionsschutzgesetz setzt dafür den gesetzlichen Rahmen.
In den Ländern der Dritten Welt sind Infektionskrankheiten neben der Unterernährung immer noch das größte medizinische Problem (s. Tab. J-1.1, S. 665),
weil die klimatischen Bedingungen und auch die sanitären und sozialen Verhältnisse eine Ausbreitung von Infektionserregern in der Umgebung des Menschen
begünstigen. Wenn die Standards in den Hygienevorschriften nicht eingehalten
werden, kommt es zu – begrenzten – Katastrophen.
Viele Mikroorganismen, und zwar nicht nur pathogene Keime, sondern manchmal
auch ganz harmlose Arten, können durch ihre antigene Wirkung Folgen für die Gesundheit haben. Bakterien und Pilze finden speziell in den Befeuchtungsanlagen
von Klimaanlagen günstige Bedingungen, wodurch hohe Belastungen auftreten,
die dann das Sick-building-Syndrom (Tab. J-2.6) auslösen können.
Während die Gesundheitsrisiken durch
Mikroorganismen aus der Umwelt vermindert sind, wachsen die Belastungen durch
physikalische und chemische Faktoren.
J-2.6
Selbst harmlose, d. h. nicht-infektiöse Umweltkeime können wegen ihrer toxigenen
und allergenen Wirkung der Gesundheit
Schaden zufügen (Tab. J-2.6).
Sick-building-Syndrom
Symptome
Irritationen der Schleimhäute von Mund,
Rachen, Nase und Auge
Kopfschmerzen, Müdigkeit
Konzentrationsschwäche
Ursachen/Begleitumstände
Allergische Reaktion gegen Milben, Bakterien- und Pilzantigene
Intoxikation durch Gase, Lösungsmittel, Aldehyde, Zigarettenrauch, flüchtige Stoffe
von Mikroorganismen.
Irritationen durch physikalische Einflüsse wie Lärm, Vibrationen, Licht, Zugluft
Psychogen durch Stress, Unzufriedenheit, Überforderung
2.6 Epidemiologie
2.6
2.6.1 Grundlagen
2.6.1 Grundlagen
▶ Definition:
Epidemiologie ist die Lehre vom Auftreten häufiger Krankheiten (Volkskrankheiten) – infektiöser aber auch nichtinfektiöser Natur – innerhalb festgelegter
Zeiträume, bezogen auf eine definierte Bevölkerungsgruppe.
Die Infektionsepidemiologie (Seuchenlehre) beschäftigt sich mit den geographischen und zeitlichen Ausbreitungen von Infektionskrankheiten. Neben
dem sporadischen Auftreten von Infektionskrankheiten können diese als
Endemie, Epidemie oder Pandemie in Erscheinung treten.
◀ Definition
Endemie: Eine Infektionskrankheit ist endemisch, wenn sie innerhalb einer Region
dauernd anzutreffen ist (nur örtlich begrenzt, nicht aber zeitlich). Durch nachträgliche Bestimmung von Antikörpern lässt sich die Durchseuchung einer Bevölkerung feststellen (z. B. Masern, Toxoplasma, Chlamydia pneumoniae, Abb. J-2.3).
Endemie: Geographisch, nicht aber zeitlich
begrenzt auftretende Infektionskrankheit
(Abb. J-2.3).
▶ Merke: Das Wissen um Endemiegebiete (z. B. Malariagebiete) ist im Zuge
des internationalen Tourismus von entscheidender hygienischer Bedeutung
geworden – Expositionsrisiko!
Epidemie: Bei einer Epidemie tritt eine Infektionskrankheit innerhalb einer begrenzten geographischen Region in einem begrenzten Zeitraum auf. Zwei Arten
der Epidemie werden unterschieden:
Epidemiologie
◀ Merke
Epidemie: Geographisch und zeitlich
begrenzt auftretende Infektionskrankheit.
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2.5 Umwelthygiene
674
J-2.3
J 2 Aufgabengebiete der Hygiene
J-2.3
Durchseuchung der Bevölkerung mit einigen Krankheitserregern
Explosivepidemie: Explosionsartiges Auftreten einer Infektionskrankheit in einer
Bevölkerung
Tardivepidemie: Schleichende Vermehrung augenscheinlich sporadischer Krankheitsfälle.
Pandemie: weltweit, aber zeitlich begrenzt
auftretende Infektionskrankheit.
Kontagiosität: Maß für die
Ansteckungsfähigkeit.
Morbidität: Anzahl der an einer bestimmten
Krankheit leidenden Personen pro Bevölkerung in einem bestimmten Zeitraum.
Prävalenz: Anzahl an einer definierten
Krankheit leidenden Personen an einem
Stichtag.
Inzidenz: Anzahl an Personen, die innerhalb
eines bestimmten Zeitrahmens erstmals eine
bestimmte Krankheit erlitten.
Explosivepidemie: Der Krankheitserreger wird so gestreut, dass ihn eine große
Bevölkerungsgruppe zur gleichen Zeit aufnimmt (z. B. Cholera-Erreger im Trinkwasser) und die Erkrankung explosionsartig bemerkbar wird.
Tardivepidemie: Der Krankheitserreger wird durch persönlichen Kontakt des
Infizierten mit anderen Menschen gestreut, so dass die Erkrankungen längere
Zeit als sporadisch angesehen werden, bevor der Epidemiecharakter erkannt
wird.
Pandemie: Weitet sich eine Epidemie weltweit aus, so spricht man von einer Pandemie. Es handelt sich um das zwar zeitlich, nicht aber örtlich begrenzte Auftreten
einer bestimmten Infektionskrankheit.
Unabhängig von diesen Einteilungen kann man Seuchen dadurch charakterisieren,
mit welcher Extensität (wie viele Menschen erkranken) und mit welcher Intensität (wie viele Erkrankte sterben) sie auftreten. Bei der Beobachtung von Seuchen
ist weiterhin die jahreszeitliche Häufung von großem Interesse (FrühsommerMeningoenzephalitis etc.). Ein besonderes Phänomen stellen säkulare Schwankungen beim Auftreten von Seuchen dar. Das „Kommen und Gehen“ von Infektionskrankheiten über Jahre hinweg kann dabei nicht durch ärztliche oder allgemeinhygienische Maßnahmen allein erklärt werden; so spielen z. B. klimatische
Veränderungen eine Rolle.
Zur Beschreibung der epidemiologischen Situation einer Krankheit werden
folgende Termini verwendet:
Kontagiosität (contingere = berühren): Die Ansteckungsfähigkeit eines Erregers
hängt von mehreren, verschiedenen biologischen Eigenschaften ab, wie etwa die
Beständigkeit in der Umwelt („Fitness“), Übertragungswege, Virulenz (Aggressivität). Kontagiosität ist also ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Krankheit bei Exposition übertragen wird.
Morbidität (morbus = die Krankheit): Anzahl der an einer bestimmten Erkrankung leidenden Personen einer Bevölkerung innerhalb eines definierten Zeitraumes (z. B. innerhalb eines Kalenderjahres) bezogen auf 10 000 oder 100 000 Personen dieser Bevölkerung. Es können zusätzliche Kriterien eingeführt werden, etwa
Geschlecht und bestimmte Altersgruppen. Morbidität ist also ein Maß für die
Häufigkeit und Bedeutung einer Krankheit.
Prävalenz: Anzahl aller von einer bestimmten Erkrankung Betroffenen an einem
festgelegten Stichtag (in der Praxis bezogen auf 10 000 oder 100 000 Einwohner).
Inzidenz: Anzahl der Personen, die innerhalb des Beobachtungszeitraumes eine
bestimmte Erkrankung erstmals erlitten (wird in der Praxis oftmals auf 1000,
10 000 oder 100 000 Einwohner bezogen).
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Masernviren sind hochkontagiös; sie
werden schon im Kindergarten oder
spätestens in der Schule übertragen.
Deswegen sind Erwachsene zum
Großteil immun. Chlamydia pneumoniae wird weitaus weniger effektiv
übertragen. Die Durchseuchung beginnt im Kindesalter und steigt mit
zunehmendem Alter stetig an. Toxoplasma gondii wird vor allem durch
rohes Fleisch übertragen. Folglich sind
Kinder nur wenig betroffen, und selbst
unter Erwachsenen ist der Verzehr von
rohem Fleisch nicht allgemein üblich,
so dass ein Teil der Bevölkerung keinen
Kontakt mit diesen Erregern hat.
J 2.6 Epidemiologie
675
Mortalität (mortalitas = das Sterben): Anzahl der an einer bestimmten Erkrankung verstorbenen Personen einer Bevölkerung innerhalb eines definierten Zeitraums (z. B. innerhalb eines Kalenderjahres), bezogen auf 10 000 oder 100 000 Personen dieser Bevölkerung. Es können zusätzliche Kriterien eingeführt werden,
etwa Geschlecht und bestimmte Altersgruppen.
Eine Untergruppe der Mortalität stellt die Säuglingssterblichkeit dar. Man versteht darunter die Mortalität der Säuglinge innerhalb des ersten Lebensjahrs, bezogen auf 1000 Lebendgeborene einer Bevölkerung innerhalb des Beobachtungszeitraumes (z. B. verstarben 1950 von 1000 Lebendgeborenen innerhalb des ersten
Lebensjahres in Baden-Württemberg im statistischen Mittel 50,9, im Jahr 1975 nur
16,9 und im Jahr 2000 nur noch 3,9).
Letalität (letalis = tödlich): Dieser Begriff beinhaltet die Sterberate (in Prozent) der
von einer bestimmten Erkrankung betroffenen Personen. Beispiel: Die Mortalität
der Listeriainfektion ist niedrig, denn weit unter 0,1 % der Bevölkerung sterben
an dieser Infektionskrankheit, weil selbst nach Exposition nur wenige Individuen
wirklich krank werden. Die Listeriose ist also keine Volksseuche. Aber eine Listeriose ist sehr gefährlich, d. h. die Letalität ist sehr hoch, immerhin erliegen 30 % derjenigen Personen, die eine manifeste Krankheit entwickeln, dieser Infektion.
Mortalität: Zahl der an einer bestimmten
Krankheit gestorbenenen Personen einer
Bevölkerung innerhalb eines bestimmten
Zeitraumes.
Die Säuglingssterblichkeit, d. h. die Zahl der
innerhalb des ersten Lebensjahres verstorbenen Kinder, bezogen auf 1000 Lebendgeborene.
Reservoire
Umwelt und spezielle Reservoire
Das Überleben von lebenden Mikroorganismen in der unbelebten Umwelt ist begrenzt und hängt ganz wesentlich von den Bedingungen ab. Einige Spezialisten
haben sich selbst an extreme Situationen angepasst: so gibt es Keime, die im siedenden Wasser eines Geysirs überleben und sich vermehren können, und andere,
die im Gletschereis leben. Die Biodiversität ist immens groß. Solche Umweltspezialisten sind jedoch praktisch immer apathogen.
Unter für den Keim günstigen Verhältnissen können aber auch pathogene Keime in
der unbelebten Umwelt, z. B. in Wasser, Lebensmitteln, Staub, Erde oder Luft persistieren.
2.6.3 Infektionsquellen bzw. Übertragungswege
Andere pathogene Keime haben jedoch auch Nischen in der belebten Umwelt außerhalb des Menschen gefunden; sie können in Insekten (z. B. Borrelien), in Amphibien (z. B. Salmonellen) oder in Säugetieren (Toxoplasma gondii) überleben. Gegebenenfalls ist also eine Ausrottung dieser Quelle (z. B. eine Mückenbekämpfung)
oder zumindest ein Schutz (z. B. durch ein Moskitonetz) oder die Verwendung von
Repellents sinnvoll. Pflanzenpathogene Keime sind nur selten auch humanpathogen. Typischerweise sind manche Keime speziell auf den Menschen adaptiert, wie
etwa das Varicella-Zoster-Virus, Treponema pallidum und Neisseria gonorrhoeae
und werden also nur von Mensch zu Mensch übertragen.
Auf der Haut und auf den Schleimhäuten des Menschen existiert eine für das Individuum recht typische Flora, die wenig Schaden anrichtet und sogar eine Reihe von
wichtigen, physiologischen Funktionen erfüllt, solange sie nur am autochthonen
Standort residieren. Aber wenn die Keime dieser körpereigenen Flora in andere
Körperteile oder auf andere Menschen verschleppt werden, können sie Quelle
für eine endogene Infektion werden.
Im Prinzip gibt es also diverse Übertragungswege – Luft, Wasser, Lebensmittel
sowie Tiere können von Fall zu Fall Quelle sein (Tab. J-2.7). Eine spezielle Situation
J-2.7
2.6.2 Persistenz von Erregern in der
Die Biodiversität der Mikroorganismen ist
gewaltig. Manche der unzähligen Keime
haben sich an spezielle, auch extreme
Bedingungen angepasst. Die meisten dieser
Keime der unbelebten Umwelt sind für den
Menschen apathogen.
2.6.3 Infektionsquellen bzw.
Übertragungswege
Einige Keime haben sich an Tiere adaptiert
und können ggf. auch einen Menschen
befallen. Einige Keime, wie etwa das VZV,
T. pallidum und N. gonorrhoeae, kommen
ausschließlich nur beim Menschen vor.
Auch von der körpereigenen Flora kann
Gefahr für das Individuum selbst wie für
Mitmenschen ausgehen.
Infektionen gehen also von verschiedenen
Quellen der unbelebten wie der belebten
Beispiele für bevorzugte Übertragungswege einiger Infektionserreger
aerogen
Influenza
Mykobakterien
Meningokokken
Bordetella
Aspergillus
Coccidioides
Kontakt/Schmierinfektion
Herpesviren
HIV
Gonokokken
Treponema
Staphylokokken
Ch. trachomatis
Lebensmittel
Hepatitis A
Salmonella
Campylobacter
Listeria
Toxoplasma
Taenia
Wasser
Enteroviren
Vibrio
Pseudomonas
Legionella
Leptospira
Lamblia
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Tier
Rabies
Ch. psitacci
Bartonella
Borrelia
Toxoplasma
Plasmodium
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2.6.2 Persistenz von Erregern in der Umwelt und spezielle
Letalität: Sterberate (in %) der von einer
bestimmten Krankheit betroffenen
Personen.
J 2 Aufgabengebiete der Hygiene
Umwelt sowie von anderen Menschen wie
auch vom Individuum selbst aus (Tab. J-2.7).
Gelegentlich treten Vektoren ins Spiel, die
selber gar nicht primär die Quelle darstellen.
besteht bei Aufenthalten in Gemeinschaftseinrichtungen (Kindergärten, Schulen,
Kasernen, Heime, Gefängnisse, Camping, öffentliche Verkehrsmittel, Kneipen, Diskotheken), wo zwangsweise ein enger Kontakt zwischen vielen Menschen besteht.
Dabei können oft Krankheitserreger übertragen werden, was dann zu gehäufte
Fällen einer Infektion führt. Gelegentlich sind nicht die ursprünglichen Quellen direkt Ausgangspunkt für Infektionen, manchmal schalten sich noch belebte oder
unbelebte Vektoren bzw. Vehikel dazwischen. In anderen Fällen ist dagegen der
Mensch selbst oder sein Mitmensch die hauptsächliche Infektquelle.
Infektionswege und Infektionsketten
Infektionswege und Infektionsketten
▶ Merke
▶ Merke: Die genaue Kenntnis der Infektionswege ist der erste Schlüssel für eine
sinnvolle Bekämpfung von Infektionskrankheiten.
▶ Definition
▶ Definition: Unter einem Infektionsweg versteht man die Übertragung von der
Infektionsquelle auf den Patienten, der Begriff Infektionskette beinhaltet daneben
noch die weitere Übertragung von Patienten zu Patienten.
Homogener Infektionsweg: Ein Infektionsweg wird als homogen bezeichnet,
wenn an der Ausbreitung der Infektion nur Wirbeltiere und Menschen beteiligt
sind, keine Insekten oder Spinnentiere.
Heterogener Infektionsweg: Wirken auch Insekten oder Spinnentiere bei der
Ausbreitung einer Infektionskrankheit mit, bezeichnet man dies als einen heterogenen Infektionsweg.
Homonome Infektionskette: Sind von der Infektionskrankheit nur Menschen
betroffen, spricht man von einer homonomen Infektionskette.
Heteronome Infektionskette: Sind von der Infektion neben dem Menschen
auch noch Tiere betroffen, so liegt eine heteronome Infektionskette vor.
Homogen-homonome Infektionskette:
Übertragung von Mensch zu Mensch, nur der
Mensch ist betroffen (z. B. sexuell übertragbare Krankheiten).
Homogen-heteronome Infektionskette:
Übertragung von Tier zu Mensch, beide sind
betroffen (z. B. Tollwut).
Heterogen-homonome Infektionskette:
Übertragung von Mensch zu Mensch mit
Zwischenschaltung eines Insekts, das als
Vektor nicht selbst erkrankt (z. B. Malaria).
Heterogen-heteronome Infektionskette:
Übertragung von Tier zu Mensch unter Einschaltung eines Insekts als Vektor (z. B. Pest).
▶ Merke
Aerogen
▶ Definition
Hygienemaßnahmen: Aerogene Infektionen werden durch Isolation der Infizierten
(Quarantäne) oder durch Fernbleiben vom
Infektionsherd vermieden.
Aus der Kombination dieser vier Definitionen lässt sich eine Zuordnung der bekannten Infektionskrankheiten zu folgenden vier Infektionsketten vornehmen:
Homogen-homonome Infektionskette: Übertragung von Mensch zu Mensch:
Nur der Mensch ist betroffen. Beispiele: alle sexuell übertragbaren Krankheiten,
alle durch Tröpfcheninfektion übertragbaren Krankheiten, aber auch viele Infektionskrankheiten, die durch kontaminierte Lebensmittel oder Trinkwasser verbreitet werden. Auch nosokomiale Infektionen durch infizierte Blutprodukte
oder Instrumente (Endoskope) zählen dazu.
Homogen-heteronome Infektionskette: Übertragung von Tier zu Mensch (ohne
Insektenbeteiligung). Von der Krankheit betroffen sind Mensch und Tier. Beispiel:
Tollwut; Wildtier (z. B. Fuchs) infiziert Haustier (z. B. Hund). Dieses infiziert den
Mensch. Alle Beteiligten erkranken.
Heterogen-homonome Infektionskette: Übertragung einer Infektionskrankheit
von Mensch zu Mensch, wobei ein Insekt oder Spinnentier, das selbst nicht
erkrankt, als Überträger (Vektor) fungiert. Beispiel: Malaria, FSME.
Heterogen-heteronome Infektionskette: Übertragung einer Infektionskrankheit
von Tier zu Mensch unter Einschaltung eines Insekts. Beispiel: Pest. An einer erkrankten Ratte infiziert sich der Rattenfloh, der seinerseits als Vektor einen Menschen infizieren kann.
▶ Merke: Ein ganz wichtiger Schritt in der Prävention von Epidemien ist die
Unterbrechung der Infektionskette.
Aerogen
▶ Definition: Übertragung von Erregern über in der Luft schwebende Staubpartikel, Dunst- oder Sekrettröpfchen (Abb. J-2.4).
Hygienemaßnahmen: Eine aerogene Übertragung kann primär dadurch verhindert werden, dass gar keine Ausbreitung stattfindet, indem man die Quelle von
der Umgebung trennt. Eine Quarantäne, d. h. die räumliche Trennung (Isolation
oder Absonderung) der Infizierten von anderen Menschen einerseits oder die
Flucht vor der Gefahr andererseits sind erste wichtige Schritte.
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676
677
J 2.6 Epidemiologie
J-2.4
Tröpfcheninfektion
J-2.4
Eine aerogene Keimverbreitung wird durch raumlufttechnische (RLT-)Anlagen unterbunden. Mit großem technischen Aufwand wird die Luft gefiltert und dann mit
Überdruck in Op-Säle bzw. Isolierstationen für infektgefährdete Patienten abgegeben. Dadurch wird der Zustrom von erregerhaltiger Luft verhindert. Umgekehrt
kann ein Unterdurck in den Patientenzimmern auf Infektionsstationen erzeugt
werden, um das Entweichen von gefährlichen Infektionserregern zu vermeiden.
Im Krankenhaus sind Kehren und Staubsaugen grundsätzlich verpönt, denn normalerweise findet dabei nur eine Verwirbelung statt – die enthaltenen Keime werden nicht beseitigt, sondern nur verteilt. Besser ist feuchtes Wischen, weil hier die
Keime mit dem Wischwasser beseitigt werden. In kritischen Bereichen, wie etwa
Intensiv- und Infektionsstationen, ist zusätzlich noch die Zugabe von Desinfektionsmittel in ausreichender Konzentration (nach DGHM- bzw. RKI-Liste, s. S. 697) sinnvoll, um vegetative Keime und Sporen zu eliminieren.
Eine weitere wirksame Maßnahme zur Prävention von aerogenen Infektionen ist
der Atemschutz von Personal und Patienten. Das Tragen von Mundschutz, im
Chargon oft „OP-Maske“ genannt, wobei zusätzlich möglichst auch die Nase bedeckt sein sollte, ist kein sicherer Schutz, denn bis zu 80 % der Atemluft gehen
im Bypass am Filter vorbei (Abb. J-2.5).Und auch der Filter selbst ist kein unüberJ-2.5
a
c
Raumlufttechnische (RLT) Anlagen schaffen
in bestimmten Bereichen (z. B. Op) günstige
Verhältnisse.
Während beim Kehren und Staubsaugen
der bakterienhaltige Staub nur aufgewirbelt
wird, werden beim feuchten Wischen potenzielle Erreger entfernt, was durch Zugabe
von Desinfektionsmittel noch verstärkt wird.
Atemschutzmasken, sofern sie richtig eingesetzt werden, sind hilfreich (Abb. J-2.5).
Atemschutzmaske
b
a Beim Tragen von Op-Masken, die nur leicht hängen, selbst wenn Mund und
Nase bedeckt sind, geht bis zu 80 % der Atemluft am Filter vorbei!
b Die Filterwirkung ist wesentlich besser, wenn die Maske fest aufsitzt und
den Konturen angepasst ist.
c Noch besser ist das Tragen von FFP2-Masken um Bakterien, Pilze und
Sporen oder FFP3-Masken um sogar Viren zurückzuhalten.
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Beim Husten (aber auch beim
Niesen und Sprechen) werden
keimhaltige Sekrettröpfchen meterweit verbreitet. Die größeren
fallen schnell zu Boden, die kleineren (Durchmesser < 4 μm) halten
sich stundenlang in der Schwebe.
678
J 2 Aufgabengebiete der Hygiene
windliches Hindernis für Bakterien und Viren, vor allem wenn der Stoff mit der
Zeit durchfeuchtet ist.
Der relativ beste Schutz ist eine sog. „high risk“-Maske. Ein Äquivalent ist die
Feinstaubmaske, die primär von der Industrie entwickelt wurde, wobei es Masken
mit verschiedenen Abscheidegraden gibt, nämlich die FFP-1-, -2- und -3-Masken.
Voraussetzung ist aber immer, dass sie dicht auf der Haut aufsitzen. Ein Nachteil
dieser Masken ist ein starker Ausatemwiderstand. Dieser Atemschutz kann gesunden Personen deshalb nur nach vorausgegangener betriebsärztlicher Prüfung
zugemutet werden.
Normalerweise werden die eingeatmeten Erreger durch die unspezifischen
Abwehrmechanismen der Schleimhäute der oberen Luftwege eliminiert. Bei
Vorschädigung aber, z. B. bei Rauchern, gelingt dies weniger gut.
▶ Definition
Kontakt(Schmier)infektionen gehen von
verschiedenen Quellen aus:
kontaminierte, unbelebte Gegenstände
besiedelte Körperteile von Mensch und
Tier
speziell Hände (Abb. J-2.6)
Geschlechtsverkehr
Kontakt
▶ Definition: Keimübertragung durch direkten Kontakt mit dem Erreger.
Ursachen: Kontaminierte Gegenstände der Umwelt, darunter auch medizinische
Instrumente, sind eine bedeutende Infektionsquelle.
Die Finger der Hände sind die „10 wichtigsten Risikofaktoren“ bei der Verbreitung
von Keimen, z. B. von Staphylococcus aureus, von einem Menschen auf den anderen, speziell bei nosokomialen und iatrogenen Infektionen (Abb. J-2.6).
Manche Erreger haben sich so spezialisiert, dass sie praktisch nur bei engem körperlichem Kontakt also z. B. beim Geschlechtsverkehr von einem Menschen auf
einen nächsten übertragen werden, z. B. Treponema pallidum, Neisseria gonorrhoeae, HIV, Trichomonas vaginalis.
Von Körperteilen, die normalerweise mit einer mikrobiellen Flora besiedelt sind,
kann bei einem Individuum eine Verschleppung von Krankheitserregern auf andere, nicht besiedelte Gebiete erfolgen. Vor allem die oro-anale Schmierinfektion
spielt eine immense Rolle, häufig bei Kindern und alten Menschen.
Manche Erreger residieren primär in der Tierwelt und werden von dort bei
passender Gelegenheit auf den Menschen übertragen.
Hygienemaßnahmen: Von entscheidender Bedeutung vor allem zur Prävention
von Infektionen durch Gegenstände und Hände sind die Desinfektion und – besser
noch – die Sterilisation (S. 687).
J-2.6
J-2.6
Die 10 wichtigsten Risikofaktoren für nosokomiale Infektionen
Auch „gepflegte“ Hände
sind eine wichtige
Infektionsquelle.
2.7
Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Zur Definition der unterschiedlichen
Regelungen s. Tab. J-2.8.
2.7 Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Zur Verhütung bzw. Bekämpfung von Epidemien, die die Gesundheit ganzer Bevölkerungskollektive bedrohen, gibt es eine Reihe von Regelungen, die in ihrer Stringenz und Bedeutung stark differieren (Tab. J-2.8). Das alte Bundesseuchengesetz
von 1962 sowie das Gesetz zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten von
1953 wurden am 1. Januar 2001 durch das neue IfSG abgelöst. Ziel ist die Verhinderung der Verbreitung von übertragbaren Krankheiten.
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Kontakt
679
J 2.7 Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Übersicht über Regelungen
Gesetze
gehen vom Staatssouverän aus; Pflicht; strafbewehrt
Verordnungen
amtliche Verfügungen; Überschreitungen werden geahndet
Richtlinien
gehen von Behörden oder Institutionen aus; müssen nicht unbedingt
eingehalten werden, wenn man eine Alternative gut begründen kann
Empfehlungen
z. B. Leitlinien; gehen von Expertengruppen aus; sind evidenzbasiert;
sollen Richtschnur sein, sind aber rechtlich nicht verbindlich
Lehrmeinungen
gehen von Einzelnen aus; sind zunächst plausibel, aber ändern sich,
müssen kritisch hinterfragt werden; „auch Experten können sich
täuschen“
J-2.8
▶ Definition: Das Infektionsschutzgesetz ist ein bundesweit geltendes Gesetz mit
dem Ziel, die Verbreitung von übertragbaren Krankheiten zu verhindern.
◀ Definition
Im Internet ist der gesamte Gesetzestext nachlesbar unter http://bundesrecht.
juris.de/bundesrecht/ifsg. Details und Formulare sind unter www.rki.de zusammengestellt.
Diesbezügliche Internetadressen:
http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/
ifsg und www.rki.de
2.7.1 Meldepflicht
2.7.1 Meldepflicht
Die frühzeitige Erkennung von Risiken soll durch die Zusammenarbeit von Behörden und Einrichtungen des Gesundheitswesens verbessert werden. Die Meldepflicht soll helfen, die Häufigkeit von bestimmten Infektionen und ihre Verbreitung zu erfassen und in Einzelfällen gezielt zu intervenieren. Um Missverständnissen vorzubeugen, sind Begriffsbestimmungen eingeführt worden (Tab. J-2.9).
Die ansonsten übliche Schweigepflicht des Arztes (§ 203 StGB) wird durch dieses
Gesetz punktuell aufgehoben und in eine Offenbarungspflicht umgewandelt, weil
das Recht der Allgemeinheit auf Schutz vor übertragbaren Krankheiten höher gewertet wird als das Interesse des Einzelnen an der Geheimhaltung seines Gesundheitszustandes.
Die Meldepflicht soll helfen, die Häufigkeit
von bestimmten Infektionen und ihre
Verbreitung zu erfassen und in Einzelfällen
gezielt zu intervenieren. Zu Begriffen
s. Tab. J-2.9.
J-2.9
Die ärztliche Schweigepflicht (§ 203 StGB)
wird durch die Bestimmungen des IfSG aufgehoben und in eine Offenbarungspflicht
umgewandelt!
Begriffsbestimmungen im IfSG
Krankheitserreger
ein vermehrungsfähiges Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges biologisches transmissibles
Agens, das bei Menschen eine Infektion oder übertragbare Krankheit verursachen kann
Infektion
die Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Entwicklung und Vermehrung im
menschlichen Organismus
übertragbare Krankheit
eine durch Krankheitserreger oder deren toxische Produkte, die unmittelbar oder mittelbar auf den
Menschen übertragen werden, verursachte Krankheit
Kranker
eine Person, die an einer übertragbaren Krankheit erkrankt ist
Krankheitsverdächtiger
eine Person, bei der Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten Krankheit vermuten lassen
Ausscheider
eine Person, die Krankheitserreger ausscheidet und dadurch eine Ansteckungsquelle für die Allgemeinheit
sein kann, ohne krank zu sein
Ansteckungsverdächtiger
eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank,
krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein
nosokomiale Infektion
eine Infektion mit lokalen oder systemischen Infektionszeichen als Reaktion auf das Vorhandensein von
Erregern oder ihrer Toxine, die in zeitlichem Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt oder einer
ambulanten medizinischen Maßnahme steht, soweit die Infektion nicht bereits schon vorher bestand
Schutzimpfung
die Gabe eines Impfstoffes mit dem Ziel, vor einer übertragbaren Krankheit zu schützen
andere Maßnahmen der
spezifischen Prophylaxe
die Gabe von Antikörpern (passive Immunprophylaxe) oder die Gabe von Medikamenten (Chemoprophylaxe)
zum Schutz vor Weiterverbreitung bestimmter übertragbarer Krankheiten
Impfschaden
die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung; ein Impfschaden liegt auch vor, wenn mit
vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde
Gesundheitsschädling
ein Tier, durch das Krankheitserreger auf Menschen übertragen werden können
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J-2.8
▶ Merke
J 2 Aufgabengebiete der Hygiene
▶ Merke: Das Meldesystem basiert auf 3 Säulen:
Meldung von Krankheiten, die in § 6 IfSG (Abb. J-2.7) aufgeführt sind (einschließlich Verdachtsfällen bzw. Tod oder z. B. eine Verletzung durch ein
tollwutverdächtiges Tier oder Verdacht auf einen Impfschaden), durch den
feststellenden Arzt oder sonstige meldepflichtige Personen. Diese Meldungen erfolgen namentlich an das zuständige Gesundheitsamt innerhalb von
24 Stunden auf einem speziellen Formular.
Meldung von direktem oder auch indirektem Nachweis von Krankheitserregern, die in § 7 IfSG aufgeführt sind, in bestimmten Materialien durch das
Laboratorium. Auch das gehäufte Auftreten von nicht gelisteten Erregern
ist zu melden. Diese Meldungen erfolgen in den meisten Fällen namentlich
an das Gesundheitsamt, bei einigen Infektionen, wie z. B. mit HIV oder konnatal erworbenen Röteln oder Toxoplasmen, jedoch nicht namentlich an
das Robert-Koch-Institut (RKI).
Meldung von gehäuft auftretenden, nosokomialen Infektionen, bei denen ein
epidemiologischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird.
Diese Information soll unverzüglich nicht namentlich dem Gesundheitsamt
mitgeteilt werden.
Anleitungen für die Meldung und aktuelle Berichte über die gemeldeten Infektionskrankheiten findet man unter www.rki.de.
2.7.2 Zuständigkeit bei der Behandlung
von übertragbaren Krankheiten
2.7.2 Zuständigkeit bei der Behandlung von übertragbaren
Krankheiten
Nur Ärzte haben die Erlaubnis, übertragbare
Krankheiten zu behandeln.
Im § 24 des IfSG ist festgehalten, dass nur approbierte Ärzte (also z. B. keine
Heilpraktiker) die Erlaubnis haben, übertragbare Krankheiten, die nicht nur das
Individuum sondern ganze Bevölkerungsgruppen bedrohen, zu behandeln.
2.7.3 Gemeinschaftseinrichtungen
2.7.3 Gemeinschaftseinrichtungen
Das Auftreten von bestimmten Infektionserregern bzw. -krankheiten in Gemeinschaftseinrichtungen ist meldepflichtig
(Tab. J-2.10); das Gesundheitsamt kann einschneidende Schutzmaßnahmen anordnen.
Bei Verdacht bzw. Nachweis bestimmter Infektionskrankheiten (Tab. J-2.10) bei
Betreuern oder Betreuten in Gemeinschaftseinrichtungen besteht nach § 33 des
IfSG Meldepflicht. Das Gesundheitsamt kann notwendige Schutzmaßnahmen,
z. B. Verbote, anordnen. Somit können bürgerliche Grundrechte eingeschränkt
werden.
J-2.10
J-2.10
Infektionserreger bzw. -krankheiten mit Meldepflicht beim Auftreten in
Gemeinschaftseinrichtungen
Läuse
Lungentuberkulose
Keuchhusten
Masern
Meningokokken
Skabies
Scharlach
Hepatitis A
Windpocken
2.7.4 Umgang und Transport
von infektiösem Material
Wer mit pathogenen Keimen arbeiten will,
braucht eine behördliche Umgangsgenehmigung.
Um versehentliche Verschleppung von
pathogenen Keimen zu verhindern, müssen
beim Transport von potenziell infektiösen
Proben bestimmte Vorschriften über Kennzeichnung und Verpackung eingehalten
werden.
2.7.4 Umgang und Transport von infektiösem Material
Da bei unsachgemäßem Umgang mit infektiösem Material – vor allem bei der Kultivierung – riesige Mengen von hochpathogenen Keimen produziert werden können, ist eine behördliche Anmeldung bzw. Genehmigung erforderlich. Die Behörde
erteilt dann eine Umgangsgenehmigung (§ 44 IfSG).
Da im Falle eines Missgeschickes beim Transport von menschlichem Untersuchungsmaterial eine Gefahr für die Umgebung durch vorhandene Infektionserreger entstehen kann, gibt es genaue postalische Vorschriften für den Versand; sowohl die Verpackung als auch die Kennzeichnung muss dieser möglichen Gefahr
Rechnung tragen.
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680
J 2.7 Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Meldeformular für meldepflichtige Krankheiten (Mustervorschlag des RKI)*
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J-2.7
681
* Die gültigen Meldebögen sind länderspezifisch abrufbar unter www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/Meldeboegen/Meldungen_node.html.
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682
Meldeformular für meldepflichtige Krankheiten (Mustervorschlag des RKI)* (Fortsetzung)
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J-2.7
J 2 Aufgabengebiete der Hygiene
* Die gültigen Meldebögen sind länderspezifisch abrufbar unter www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/Meldeboegen/Meldungen_node.html.
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2.7.5 Quarantänekrankheiten
2.7.5 Quarantänekrankheiten
Seit Juni 2007 gelten völkerrechtsverbindlich die neuen Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV), welche Aufgaben und Rechte der Gesundheitsbehörden,
z. B. bei einer Influenzapandemie, beschreiben. Der Begriff „Quarantäne“ ist im
§ 30 des IfSG geregelt. Danach kann in der Regel der für den Aufenthaltsort zuständige Amtsarzt vom Gesundheitsamt auf Beschluss der Gesundheitsbehörden,
z. B. bei Pest oder hämorrhagischem Fieber, die zwangsweise Absonderung einer
Person anordnen. Das bedeutet also praktisch Freiheitsentzug ohne gerichtliche
Verurteilung! Solche Infektionsfälle müssen der WHO gemeldet werden.
Die internationalen Gesundheitsvorschriften
(IGV) regeln die Maßnahmen bei Pandemien.
Der § 30 des IfSG regelt die Quarantäne bei
Pest und hämorrhagischem Fieber.
2.7.6 Weitere Bestimmungen
2.7.6 Weitere Bestimmungen
Das IfSG enthält auch Ausführungen zu Impfungen und zur Regulation von Impfschäden. Die Behörde kann außerdem auch ein berufliches Tätigkeitsverbot erlassen (§ 31 IfSG), wenn eine Person z. B. Salmonellenausscheider ist und im Gaststättengewerbe arbeitet oder Hepatitis-B-Träger ist und als Zahnarzt arbeitet.
Wer selbst Träger von pathogenen
Keimen ist, muss mit einem beruflichen
Tätigkeitsverbot rechnen.
2.8 Krankenhaushygiene bzw. nosokomiale
Infektionen
2.8
Krankenhaushygiene bzw.
nosokomiale Infektionen
2.8.1 Grundlagen
2.8.1 Grundlagen
▶ Definition: Nosokomiale Infektionen sind im Krankenhaus erworbene Infektionen, die als Folge und in zeitlich engem Zusammenhang mit einer medizinischen
Maßnahme entstehen.
◀ Definition
Mehr als 500 000 Fälle treten in Deutschland pro Jahr auf, wovon etwa 30 % durch
hygienische Maßnahmen vermeidbar wären.
Etwa 30 % der jährlich 500 000 Fälle in
Deutschland wären vermeidbar.
Erregerquellen (Tab. J-2.11):
Exogen: Die Erreger stammen aus der Umgebung und zwar aus der unbelebten
Umwelt, aber auch von Keimträgern.
Endogen: Quelle ist hier die körpereigene Flora.
Da gerade im Krankenhaus häufig Antibiotika verwendet werden, existiert dort
ein Selektionsdruck, bei dem die empfindlichen Keime vernichtet werden, die
resistenten Keime aber überleben. Deshalb muss im Krankenhaus mit solchen,
oft multiresistenten Keimen gerechnet werden. Wenn diese Resistenzeigenschaften plasmidkodiert sind, droht eine explosionsartige Ausbreitung.
Erregerquellen: Entweder die körpereigene
Flora des Menschen (endogen) oder exogen
erworben (Tab. J-2.11).
J-2.11
Häufigste nosokomiale Infektionen
Manifestation
Erreger
Quelle
Harnwegsinfektion
E. coli, Enterokokken, P. aeruginosa
endogen, Katheter
Wundinfektion
S. aureus, Enterobacteriaceae, P. aeruginosa, Acinetobacter,
Enterokokken, S. pyogenes, Sprosspilze, Schimmelpilze
endogen, Personal, Wasser,
Instrumente, Verbände, Luft
Pneumonie
S. aureus, Enterobacteriaceae, P. aeruginosa, Legionella
endogen, Beatmungssystem, Wasser
Katheterinfektion/Sepsis
S. aureus, S. epidermidis, Enterokokken
Hautflora des Patienten, Hände des
Personals; Infusionen
Peritonitis (nach Darmoperation
bzw. CAPD)
Enterobacteriaceae, Anaerobier, S. aureus, Enterokokken
endogen (Haut- bzw. Darmflora),
Katheter, Instrumente, Infusion
Meningitis (nach Operation, Shunt,
endogener Ventrikeldrainage)
S. aureus, S. epidermidis, Enterokokken, P. aeruginosa,
Enterobacteriaceae, Candida
Hautflora, Haare, Katheter
CAPD = chronische ambulatorische Peritonealdialyse
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683
J 2.8 Krankenhaushygiene bzw. nosokomiale Infektionen
J 2 Aufgabengebiete der Hygiene
▶ Klinischer Fall: Nach einem Autounfall kommt ein 67-jähriger Mann
mit einer Rippenserienfraktur, Lungenkontusion und einer offenen Unterschenkelfraktur zunächst auf die Intensivstation eines Krankenhauses
der Maximalversorgung, wo er 4 Tage behandelt wird, bevor er auf eine
chirurgische Allgemeinstation verlegt werden kann. Dort wird eine eitrige Wundheilungsstörung am Unterschenkel festgestellt; die mikrobiologische Untersuchung ergibt eine Besiedlung mit einem
methicillinresistenten Staphylococcus aureus (MRSA), der gleichzeitig
auch gegen viele andere Antibiotika unempfindlich ist und dasselbe Resistenzmuster aufweist wie der typische Hospitalkeim auf der Intensivstation. Als der Patient dann wenige Tage später ein septisches Krank-
heitsbild entwickelt, kann dieser ORSA auch aus mehreren Blutkulturen
isoliert werden. Obwohl der Patient bereits Einschränkungen der Nierenfunktion und eine geringgradige Schwerhörigkeit hat, wird eine Antibiotikatherapie mit Vancomycin begonnen. Als sich nach 14 Tagen die
Nierenwerte deutlich verschlechtern und im Röntgenbild auch eine Osteomyelitis erkennbar ist, wird auf Linezolid umgestellt, was nach 20-tägiger Behandlung schließlich zu einer klinischen Heilung führt. Allerdings wird auch danach in einzelnen Abstrichen von Nase und Rachen
ORSA isoliert. Wegen dieser Besiedlung lehnen zunächst viele Pflegeheime ab, diesen Keimträger zu übernehmen. Insgesamt entstehen
dem Krankenhaus erhebliche Kosten durch diese nosokomiale Infektion.
2.8.2 Prophylaxe
2.8.2 Prophylaxe
Die wirksamen Maßnahmen zur Vermeidung
nosokomialer Infektion müssen umgesetzt
werden.
Hygiene ist die Anwendung des gesunden Menschenverstandes, viele Probleme
sind recht banal und eigentlich leicht einsichtig. Wenn man sich der Gefahr bewusst ist und die Infektketten kennt, kann man – mit dem Willen zur Umsetzung
– wirkungsvoll intervenieren.
▶ Merke
▶ Merke: Trägheit, Schlamperei, Disziplinlosigkeit und Desinteresse sind die
gefährlichsten Quellen für Infektionen im Krankenhaus!
Bauliche Maßnahmen
Bauliche Maßnahmen
Der Qualität des Wassers im Krankenhaus
kommt ein hoher Stellenwert zu.
Wasserqualität: Die Qualität des Wassers hängt stark vom technischen Zustand
des Leitungssystems in einem Krankenhaus ab. Die Materialbeschaffenheit der
Rohre, die Zusammensetzung des Leitungswassers sowie die Nutzung haben Einfluss auf die Qualität. Rostige und verkalkte Rohre (Abb. J-2.2) neigen zur bakteriellen Besiedlung. Auch stagnierendes Wasser, z. B. in selten benutzten Rohrstrecken
oder gar in Totleitungen, sind besonders anfällig. Nach der Trinkwasserverordnung
(aus dem Jahr 2001) muss das Brauchwasser, egal ob es zum Trinken oder zu sonstigem Gebrauch im Krankenhaus, wie Duschen oder Toilettenspülen, verwendet
wird, gewissen Ansprüchen genügen und regelmäßig daraufhin kontrolliert werden. Bei Überschreiten bestimmter Grenzwerte von mikrobiellen und chemischen
Parametern muss entsprechend reagiert werden. Speziell geachtet wird auf die
Indikatorkeime oder gefährliche Hospitalerreger E. coli, Enterokokken, Pseudomonas aeruginosa und Legionella pneumophila.
Der räumlichen Unterbringung kommt
ebenfalls Bedeutung zu. So sollen z. B. die
Betten im Mehrbettzimmer mind. 80 cm
voneinander entfernt sein.
Räumliche Unterbringung der Patienten: Früher waren die Krankenzimmer
große Säle, wo Patienten mit ganz unterschiedlichen, auch infektiösen Krankheiten auf engem Raum zusammen untergebracht waren, so dass Krankheitserreger
leicht durch direkten Kontakt oder über die Luft übertragen werden konnten.
Nach den Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des RKI (www.rki.de) sollen Betten im Mehrbettzimmer einen Mindestabstand von 80 cm haben. Die räumliche Unterbringung beeinflusst also wesentlich das Übertragungsrisiko. Heute sollten kontagiöse Patienten isoliert werden, allein oder in Kohorten. Auch die sanitären Einrichtungen sollten – je nach Risiko – individuell nutzbar sein. Bei besonders gefährdeten Patienten wie z. B. Knochenmarktransplantierten muss ggf. auch die Luft durch Filter von pathogenen
Keimen weitgehend befreit werden.
Neben der Gestaltung der Krankenzimmer ist
die bauliche Struktur sowie die Organisation
der Funktionsräume wichtig.
Manche operativen Eingriffe sollen in einem
Op-Saal erfolgen, die eine besondere,
d.h 3-stufige Luftfilteranlage mit Laminarstrom, haben, während andere auch in
sog. Eingriffsräumen ausgeführt werden
dürfen (Abb. J-2.8).
Funktionsräume: Nicht nur die Krankenzimmer, sondern auch die Funktionsräume unterliegen hohen Anforderungen an die Bausubstanz sowie an die organisatorische Verwendung. Ganz speziell ist in Op-Bereichen ein erheblicher baulicher Aufwand erforderlich, um postoperative Infektionen zu verhüten. Diese Sterilbereiche müssen klar von den anderen Hospitalräumen abgetrennt sein. Neben
dem eigentlich Operationssaal sind noch andere Räume notwendig, wo das Personal sich einschleusen und vorbereiten kann, die Patienten umgelagert werden und
die Op-Tische wieder aufbereitet werden. Im Prinzip unterscheidet man zwei
Risikokategorien :
so genannte Eingriffsräume mit 2 Luft-Filterstufen zur Reinigung der Luft.
eigentliche Op-Säale mit einer 3fachen Filterung der Raumluft, wodurch
die Reinheit der Luft verbessert wird und im Prinzip nahezu keimfrei ist
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684
685
J 2.8 Krankenhaushygiene bzw. nosokomiale Infektionen
J-2.8
Filter und Luftführung im OP
J-2.8
(Abb. J-2.8). Der laminare Luftstrom, der mit Überdruck aus der Op-Decke austritt, soll evtl. noch vorhandene Keime, die vom Personal eingeschleppt oder
vom Patienten freigesetzt werden, verdrängen. Aus diesem Grund sollte das
Operationsgebiet immer unter dem Laminarstrom liegen. Durch Gegenstände
im Luftstrom, z. B. Op-Lampen, können jedoch Turbulenzen entstehen. Auch
der Instrumentiertisch liegt bei kleinen Decken gelegentlich außerhalb der
Sicherheitszone.
Eine genaue Definition derjenigen operativen Maßnahmen, die in dem einen oder
dem anderen Bereich erfolgen dürfen, ist in den RKI-Richtlinien festgelegt.
▶ Klinischer Fall: Nach Glaukom-Operationen in einem neuen, technisch einwandfreien Op-Saal
der Augenklinik traten gehäuft Fälle von intraokularen Schimmelpilzinfektionen auf. Wie sich herausstellte, war die Laminardecke vom Architekten in der Mitte des Raumes angebracht, weil dieser Saal zunächst für die Abdominalchirurgie vorgesehen war; erst später wurde dann dieser
Raum der Augenklinik zugeordnet. Mit großem Aufwand musste der Op-Tisch versetzt werden,
damit der Kopfbereich des Patienten unter dem Laminarstrom positioniert war.
◀ Klinischer Fall
Organisatorische Maßnahmen
Organisatorische Maßnahmen
Ausreichend Personal: Die finanzielle Situation eines Krankenhauses hat großen
Einfluss auf die Häufigkeit des Auftretens nosokomialer Infektionen; allein die Anzahl der Pflegekräfte ist ein Gütesiegel: Wenn aus Eile – bei einer zu dünnen Personaldecke – die Sorgfalt bei der Ausübung der notwendigen Arbeiten nachlässt,
steigt das Infektionsrisiko für die Patienten.
Schulung des Personals: ständige Schulungsmaßnahmen erhöhen die Aufmerksamkeit, wodurch Gefahren frühzeitig erkannt werden. Entscheidend sind verbindliche Standards, z. B. in Form eines Hygieneplans (s. u.), deren Einhaltung kontrolliert werden muss, denn das Wissen allein ist noch kein Garant für richtiges
Handeln.
Die technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA 250 vom November
2003), die vom Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit aufgestellt wurden, sowie die Vorschriften der
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), dem
Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für nichtstaatliche Einrichtungen im
Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege, nämlich die BGV A1 (Grundsätze
der Prävention) vom 1. 1. 2004 enthalten Anweisungen, die befolgt werden sollten,
um Infektionen des Personals im Labor, in der Arztpraxis sowie auf Station zu
verhüten.
Ein Bestandteil der organisatorischen
Maßnahmen der Infektionsverhütung im
Krankenhaus ist der Hygieneplan.
TRBA 250 und BGV A1 enthalten
Vorschriften zur Verhütung von Infektionen
beim medizinischen Personal.
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Außerhalb des Feldes mit Laminarstrom entstehen Luftwirbel, die
möglicherweise Partikel und
Bakterien von der Umgebung
enthalten. Oft ist z. B. der
Instrumententisch außerhalb
des Sicherheitsbereiches.
▶ Merke
J 2 Aufgabengebiete der Hygiene
▶ Merke:
Wegen Verletzungsgefahr Injektionskanülen niemals in die Schutzhülle zurückstecken, sondern sofort in einen durchstichsicheren und unzerbrechlichen Behälter abwerfen.
In der Kantine eines Krankenhauses ist der Zugang für Personal in Arbeitskleidung kaum zu verhindern; gerade hier kommt es jedoch zu einem Austausch
von Hospitalkeimen.
Der Zugang zu den Op-Sälen ist eigentlich nur in Bereichskleidung gestattet,
weil an Straßenkleidung immer zahlreiche Pilzsporen und Bakterien in den
Sterilbereich eingeschleppt werden können; die spezielle Bereichskleidung
wird durch Hitzebehandlung keimreduziert.
Falsches Verhalten im Op kann den großen technischen Aufwand zunichte
machen: wenn z. B. Außenluft durch offene Türen eindringen kann oder der
Laminarstrom (s. o.) durch ständiges Kommen und Gehen gestört wird.
Die Hygiene-Kommission ist ein wesentlicher Teil des Qualitätsmanagements.
Hygiene-Kommission: Diese Kommission als Teil des Qualitätsmanagements in
der Klinik ist für die Struktur der Hygiene im Krankenhaus unablässig. Sie besteht
aus dem ärztlichen Direktor, dem Hygienearzt, den Hygienebeauftragten der einzelnen Klinikbereiche, den Hygienefachkräften und der Verwaltung. Ihre Aufgabe
ist es, einen maßgeschneiderten Hygieneplan zu entwerfen, worin festgelegt wird,
wie im Einzelnen mit der Umsetzung der Maßnahmen verfahren werden soll – im
Normalfall wie in speziellen Situationen.
Surveillance: Mithilfe von gezielten Untersuchungen und mittels der Statistik können
Schwachstellen und Trends ermittelt
werden.
Surveillance: Durch mangelnde Aufmerksamkeit werden Hygieneprobleme oft
übersehen. Deshalb ist es ratsam, in bestimmten gefährdeten Bereichen regelmäßig gezielte Inspektionen vorzunehmen und ggf. auch Untersuchungsproben (z. B.
Abklatsche) an kritischen Stellen zu entnehmen. Durch die Führung einer Keimund Resistenzstatistik ist es möglich, Entwicklungen objektiv zu dokumentieren
und Trends festzustellen. Wenn die Erfassung von Hospitalinfektionen systematisch und nach allgemein verbindlichen Vorgaben betrieben wird, kann man die
Qualität der Hygiene daran messen. Gehäuftes Auftreten von Hospitalinfektionen
ist nach IfSG sogar meldepflichtig.
▶ Klinischer Fall
Abfall: Müll im Krankenhaus wird in verschiedene Kategorien (A,B,C) eingeteilt.
Die Beseitigung des infektiösen Mülls
(Kategorie C) erfordert besondere
Aufmerksamkeit.
▶ Klinischer Fall: Eine 42-jährige Frau aus Kuweit wurde zur strahlentherapeutischen Behandlung eines Mammakarzinoms in ein Universitätsklinikum nach Deutschland verlegt. Da sie bei
Aufnahme eine manifeste Harnwegsinfektion hatte, wurde der Mittelstrahlurin mikrobiologisch
untersucht, wobei Escherichia coli und Enterococcus faecium als Ursache dingfest gemacht wurden. In der Resistenzbestimmung zeigten diese Keime ein ganz auffälliges Muster: die Colibakterien waren resistent gegen Cefotaxim – bedingt durch ESBL (extended spectrum betalactamase) –
und die Enterokkoken Vancomycin resistent (VRE). Solche Erreger, die in Deutschland im Gegensatz zu manchen anderen Ländern noch relativ selten sind, neigen zur raschen Ausbreitung in
einem Hospital. Aus diesem Grund ist ein Screening auf nosokomiale Keime bei Patienten aus exotischen Ländern – aber auch aus USA und Japan – angebracht, um gegebenenfalls strenge Isolierungen anzuordnen.
Abfall: Eine spezielle Situation ist beispielsweise die Beseitigung des infektiösen
Mülls. Papier, Verpackungsmaterialien und Küchenabfälle (also Hausmüll = Abfallkategorie A) sowie Verbandsmaterial und z. B. blutige Tupfer (= Abfallkategorie B)
können mit der städtischen Müllabfuhr entsorgt werden, weil davon kaum eine Infektionsgefahr ausgeht; Voraussetzung ist allerdings, dass sorgfältig damit umgegangen wird. Dagegen muss die Müllkategorie C, zu der z. B. hochkontagiöse Tuberkuloseerreger gehören, in speziellen Sicherheitsbehältern als Gefahrgut transportiert und danach verbrannt werden.
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Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart
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