Spektral- und Darstellungstheorie I. Grundlegende Konzepte

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I. Grundlegende Konzepte
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Spektral- und Darstellungstheorie
I. Grundlegende Konzepte
In dieser Vorlesung werden wir uns mit Darstellungen gewisser algebraischer bzw. topologischer Strukturen durch stetige Operatoren auf komplexen
Hilberträumen H beschäftigen. Hierbei wird sich zeigen, daß alle interessanten
Fälle sich beschreiben lassen durch Darstellungen involutiver Halbgruppen:
(a) Das Studium einzelner normaler Operatoren
(b) Unitäre Darstellungen von Gruppen.
(c) Spektralmaße.
(d) Darstellungen von Banach-∗ -Algebren.
In den meisten Situationen treten Kombinationen hiervon auf, aber (a)(d) beschreibt die 4 wichtigsten Grundtypen von Darstellungen, die man auf
Hilberträumen betrachtet.
Nachdem wir die grundlegenden Begriffe wiederholt haben, werden wir in
den ersten beiden Kapiteln präzisieren, was es mit den Objekten unter (a)(d) auf sich hat und wie sich viele verschiedenartige Fragestellungen in einen
darstellungstheoretischen Rahmen einordnen.
Im folgenden sind alle Hilberträume komplex.
I.1. Operatoren auf Hilberträumen
In diesem ersten Abschnitt machen wir uns mit den verschiedenen Typen
von Operatoren auf einem komplexen Hilbertraum vertraut.
Für Hilberträume H1 und H2 schreiben wir B(H1 , H2 ) für die Menge
der beschränkten Operatoren von H1 nach H2 und B(H) := B(H, H) . Wir
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I. Grundlegende Konzepte
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erinnern uns, daß man die Stetigkeit einer linearen Abbildungung A: H1 → H2
durch die Endlichkeit der Operatornorm
kAk := supkxk≤1 kA.xk
charakterisieren kann. Das ist die kleinste Zahl C mit
kA.xk ≤ Ckxk
für alle x ∈ H1 . Man nennt daher stetige Operatoren auch beschränkt, was die
Bezeichnung B(H1 , H2 ) rechtfertigt.
Lemma I.1.1.
B(H2 , H1 ) mit
Ist A ∈ B(H1 , H2 ), so existiert genau ein Operator A∗ ∈
hA.x, yi = hx, A∗ .yi,
x ∈ H1 , y ∈ H2 .
Dieser Operator erfüllt
kA∗ k = kAk
und
kA∗ Ak = kAA∗ k = kAk2 ,
und die Zuordnung
A 7→ A∗ ,
B(H1 , H2 ) → B(H2 , H1 )
ist antilinear, d.h. (A + B)∗ = A∗ + B ∗ und (λA)∗ = λA∗ . Weiterhin ist
(A∗ )∗ = A. Für A ∈ B(H1 , H2 ) und B ∈ B(H2 , H3 ) gilt
(BA)∗ = A∗ B ∗ .
Beweis.
Für jedes y ∈ H2 ist die Abbildung
ϕy : H 1 → C ,
x 7→ hA.x, yi
wegen |hA.x, yi| ≤ kA.xkkyk ≤ kAkkxkkyk ein stetiges lineares Funktional. Nach
dem Fréchet-Rieszschen Darstellungssatz für Hilberträume ([Ne01, Satz I.3.14])
existiert daher genau ein Element A∗ .y ∈ H1 mit
hA.x, yi = ϕy (x) = hx, A∗ .yi
für alle x ∈ H1 und es gilt kA∗ .yk = kϕy k ≤ kAkkyk . Wir erhalten so eine
Abbildung A∗ : H2 → H1 . Aus ϕy1 +y2 = ϕy1 + ϕy2 und ϕλy = λϕy folgt nun
sofort, daß A∗ linear ist. Weiter erhalten wir mit kA∗ .yk ≤ kAkkyk die Stetigkeit
von A∗ und kA∗ k ≤ kAk . Die Antilinearität der Abbildung
A 7→ A∗ ,
folgt sofort aus den Definitionen.
B(H1 , H2 ) → B(H2 , H1 )
I. Grundlegende Konzepte
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Aus
hA∗ .y, xi = hx, A∗ .yi = hA.x, yi = hy, A.xi
für alle x ∈ H1 , y ∈ H2 folgt weiter (A∗ )∗ = A und damit
kAk = k(A∗ )∗ k ≤ kA∗ k,
also die Gleichheit kA∗ k = kAk . Für x ∈ H1 ist
kA.xk2 = hA.x, A.xi = hA∗ A.x, xi ≤ kA∗ A.xk · kxk ≤ kA∗ Ak · kxk2 ,
also
kAk2 = supkxk≤1 kA.xk2 ≤ kA∗ Ak ≤ kA∗ kkAk = kAk2 .
Damit ist auch
kAk2 = kA∗ k2 = k(A∗ )∗ A∗ k = kAA∗ k.
Die letzte Behauptung folgt aus
hBA.x, zi = hA.x, B ∗ .zi = hx, A∗ B ∗ .zi
für alle x ∈ H1 , z ∈ H3 .
Ein Kernpunkt der Spektraltheorie von Operatoren auf Hilberträumen ist
die Tatsache, daß man für A ∈ B(H) beim Übergang zum adjungierten Operator
den Raum B(H) nicht verläßt und so die Operatoren A und A∗ zueinander in
Beziehungen setzen kann. Entsprechend betrachtet man verschiedene Typen von
Operatoren.
Definition I.1.2. (a) Wir nennen A ∈ B(H)
(i) hermitesch, wenn A∗ = A gilt.
(ii) normal, wenn A∗ A = AA∗ gilt.
(iii) positiv, wenn hA.v, vi ≥ 0 für alle v ∈ H gilt.
(b) Ein Operator A ∈ B(H1 , H2 ) heißt unitär, wenn A∗ A = idH1 und AA∗ =
idH2 gelten.
Wir schauen uns diese Eigenschaften noch etwas genauer an.
Lemma I.1.3. Sei H ein komplexer Hilbertraum und A ∈ B(H).
(i) Ist A hermitesch, so ist A normal.
(ii) Die Operatoren AA∗ und A∗ A sind hermitesch.
(iii) Es gibt eindeutig bestimmte hermitesche Operatoren B, C mit A = B +iC .
(iv) A ist eindeutig bestimmt durch die Sesquilinearform
bA : H × H → C ,
(x, y) 7→ hA.x, yi.
Darüber hinaus ist A sogar eindeutig durch die Funktionswerte bA (x, x) =
hA.x, xi, x ∈ H , bestimmt.
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(v) Folgende Aussagen sind äquivalent:
(a) Die Form bA ist hermitesch, d.h. bA (y, x) = bA (x, y).
(b) A ist hermitesch.
(c) bA (x, x) ∈ R für alle x ∈ H .
Beweis. (i) trivial.
(ii) Das folgt aus (AA∗ )∗ = (A∗ )∗ A∗ = AA∗ und (A∗ A)∗ = A∗ (A∗ )∗ = A∗ A.
1
(iii) Das folgt sofort mit B := 12 (A + A∗ ) und C := 2i
(A − A∗ ) . Da diese Formel
für jede Zerlegung A = B + iC mit hermiteschen Operatoren gilt, folgt hieraus
auch die Eindeutigkeit.
(iv) Es ist klar, daß die Abbildung A 7→ bA linear ist. Wir haben also nur zu
zeigen, daß bA = 0 auch A = 0 zur Folge hat. In der Tat folgt aus bA = 0 für
jedes x die Beziehung 0 = bA (x, A.x) = kA.xk2 und damit A = 0 .
Für die Sesquilinearform bA auf H gilt die Polarisierungsidentität
bA (x, y) =
1
4
bA (x + y, x + y) − bA (x − y, x − y)
+ ibA (x + iy, x + iy) − ibA (x − iy, x − iy)
([Ne01, Bem. I.3.7]), aus der man sofort erkennt, daß bA und damit auch A aus
den Werten bA (x, x) , x ∈ H , rekonstruierbar ist.
(v) Wir haben
bA (y, x) = hA.y, xi = hy, A∗ .xi = hA∗ .x, yi = bA∗ (x, y).
Also ist A = A∗ wegen (iv) äquivalent dazu, daß bA hermitesch ist.
Ist A hermitesch, so ist natürlich auch bA (x, x) ∈ R für alle x ∈ H . Ist dies
umgekehrt der Fall und schreiben wir A = B +iC gemäß (ii), so ist bA = bB +ibC
und für jedes x ∈ H sind bB (x, x) und bC (x, x) reell. Insbesondere erhalten wir
bC (x, x) = Im bA (x, x) = 0 für alle x ∈ H . Also folgt bC = 0 aus obiger
Bemerkung und weiter C = 0 aus (iv). Damit ist A = B hermitesch.
Lemma I.1.4. Für eine lineare Abbildung A: H1 → H2 sind äquivalent:
(1) A ist eine Isometrie.
(2) A∗ A = idH1 .
(3) Für alle x, y ∈ H1 gilt hA.x, A.yi = hx, yi.
Beweis.
(1) ⇔ (2): Für x ∈ H1 haben wir
hA∗ A.x, xi = hA.x, A.xi = kA.xk2 .
Diese Ausdrücke stimmen genau dann für alle x ∈ H1 mit kxk2 überein, wenn
A∗ A = idH1 ist (Lemma I.1.3(v)).
(2) ⇔ (3) folgt sofort aus hA∗ A.x, yi = hA.x, A.yi und Lemma I.1.3(iv).
I. Grundlegende Konzepte
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Satz I.1.5. Für eine lineare Abbildung A: H1 → H2 sind äquivalent:
(1) A ist unitär.
(2) A ist eine surjektive Isometrie.
Beweis. (1) ⇒ (2): Die Surjektivität folgt aus AA∗ = idH2 und der Rest aus
A∗ A = idH1 (Lemma I.1.4).
(2) ⇒ (1): Aus Lemma I.1.4 folgt A∗ A = idH1 . Damit ist AA∗ A = A und
wegen der Surjektivität von A folgt weiter AA∗ = idH2 .
Das obige Lemma zeigt, daß die unitären Abbildungen gerade die Isomorphismen von Hilberträumen sind. Sie erhalten alle vorhandenen Strukturen: die
Vektorraumstruktur und das Skalarprodukt. Daher nennen wir auch eine bijektive lineare Abbildung U : H1 → H2 zwischen Hilberträumen unitär, wenn
hU.x, U.yi = hx, yi für alle x, y ∈ H1 gilt.
Lemma I.1.6. Für einen Operator A ∈ B(H) sind äquivalent:
(1) A ist normal.
(2) kA.xk = kA∗ .xk für alle x ∈ H .
(3) A = B + iC mit hermiteschen Operatoren B , C und BC = CB .
Beweis.
(1) ⇔ (2): Zunächst ist
h(AA∗ − A∗ A).x, xi = hA∗ .x, A∗ .xi − hA.x, A.xi = kA∗ .xk2 − kA.xk2 .
Da der Operator AA∗ −A∗ A hermitesch ist, verschwindet dieser Ausdruck genau
dann für alle x ∈ H , wenn AA∗ − A∗ A = 0 ist (Lemma I.1.3(iv)), d.h. wenn A
normal ist.
(1) ⇔ (3): Man rechnet das einfach nach: AA∗ = (B + iC)(B − iC) =
B 2 + i(CB − BC) + C 2 und A∗ A = (B − iC)(B + iC) = B 2 − i(CB − BC) + C 2 .
Hieraus folgt die Behauptung.
Im folgenden schreiben wir N (A) für den Kern und R(A) für das Bild
einer linearen Abbildung A.
Lemma I.1.7. Für A ∈ B(H) gilt:
(i) N (A) = R(A∗ )⊥ := {x ∈ H: (∀y ∈ H)hx, A∗ .yi = 0}.
(ii) Ein abgeschlossener Unterraum E ⊆ H ist genau dann unter A invariant,
wenn E ⊥ unter A∗ invariant ist.
Beweis. (i) Wegen hA.x, Hi = hx, A∗ .Hi für x ∈ H ist A.x = 0 äquivalent zu
x ∈ R(A∗ )⊥ .
(ii) Wegen E = (E ⊥ )⊥ ([Ne01, Folg. I.3.13]) ist A.E ⊆ E äquivalent zum
Verschwinden von
hA.E, E ⊥ i = hE, A∗ .E ⊥ i,
was wiederum zu A∗ .E ⊥ ⊆ E ⊥ äquivalent ist.
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Satz I.1.8. Sei 0 6= P ∈ B(H) eine Projektion, d.h. P 2 = P . Dann sind
äquivalent:
(1) P ist eine Orthogonalprojektion, d.h. N (P )⊥R(P ).
(2) kP k = 1.
(3) hP.x, xi ≥ 0 für alle x ∈ H .
(4) P ∗ = P .
(5) P ist normal.
Beweis. Wir erinnern uns daran, daß für eine Projektion P immer gilt H =
R(P ) ⊕ N (P ) . Da P stetig ist, sind beide Räume sogar abgeschlossen (Übung).
(1) ⇒ (2): Sei E := R(P ) . Dann haben wir eine orthogonale Zerlegung
H = E ⊕ E ⊥ mit N (P ) = E ⊥ . Wegen P 6= 0 ist E 6= {0}. Es existiert
also ein x ∈ E mit kxk = 1 und wir erhalten kP.xk = kxk = 1 , also kP k ≥ 1 .
Ist andererseits x ∈ H gegeben als x = xE + xE ⊥ mit xE ∈ E und
xE ⊥ ∈ E ⊥ , so ist
kP.xk2 = kxE k2 = kxk2 − kxE ⊥ k2 ≤ kxk2 .
Also ist kP k ≤ 1 , folglich kP k = 1 .
(2) ⇒ (1): Sei x ∈ N (P ) und y ∈ R(P ) . Dann gilt für alle λ ∈ C :
kλyk2 = kP (x + λy)k2 ≤ kx + λyk2 = kxk2 + 2 Rehx, λyi + kλyk2 ,
also kxk2 + 2 Re(λhx, yi) ≥ 0 . Für λ = thx, yi, t ∈ R , folgt hieraus
0 ≤ kxk2 + 2t|hx, yi|2
für alle t ∈ R , also hx, yi = 0.
(1) ⇒ (3): Das folgt aus
hP.x, xi = hP.x, (x − P.x) + P.xi = hP.x, P.xi = kP.xk2
für alle x ∈ H .
(3) ⇒ (4): Da hP.x, xi für alle x ∈ H reell ist, ist P nach Lemma I.1.3(v)
hermitesch.
(4) ⇒ (5) ist trivial.
(5) ⇒ (1): Aus den Lemmata I.1.6 und I.1.7 folgt N (P ) = N (P ∗ ) = R(P )⊥ ,
d.h., P ist eine Orthogonalprojektion.
Beispiel I.1.9. (a) Man beachte, daß für endlichdimensionale Hilberträume H
aus A∗ A = idH schon A∗ = A−1 und damit AA∗ = idH folgt, d.h., jede Isometrie ist automatisch surjektiv. Im allgemeinen wird das falsch. Hierzu betrachten
wir den Hilbertraum l2 (N, C ) aller quadratsummierbaren Folgen (xn )n∈N und
den Shiftoperator
S: l2 (N, C ) → l2 (N, C ),
(x1 , x2 , . . .) 7→ (x2 , x3 , . . .).
I. Grundlegende Konzepte
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Dann ist
S ∗ : l2 (N, C ) → l2 (N, C ),
(x1 , x2 , . . .) 7→ (0, x1 , x2 , . . .).
(Übung). Der Operator S ∗ schiebt also gerade in die andere Richtung. Damit
ist SS ∗ = id und
S ∗ S(x1 , x2 , . . .) = (0, x2 , x3 , . . .).
Wegen S ∗ S 6= SS ∗ ist S auch nicht normal. Der Operator S ∗ ist eine nicht
surjektive Isometrie.
(b) Ist H = C n und wird A ∈ B(H) durch die Matrix (aij )i,j dargestellt, so
wird A∗ durch die Matrix (aji )i,j dargestellt. In diesem Sinn verallgemeinert
unsere Definition des adjungierten Operators die entsprechenden Konzepte der
linearen Algebra.
Ist (ej )j∈J eine ONB in einem allgemeinen Hilbertraum H , so kann man
einem Operator A die Matrix (hA.ej , ei i)i,j∈J zuordnen. Auch in diesem Fall
gilt
hA∗ .ej , ei i = hej , A.ei i = hA.ei , ej i,
so daß A∗ durch die adjungierte Matrix dargestellt wird.
(c) Wir betrachten den Hilbertraum H = L2 ([0, 1], C ) , den wir als Vervollständigung des Prä-Hilbertraums C([0, 1], C ) bzgl. des durch
hf, gi :=
1
Z
f (x)g(x) dx
0
gegebenen Skalarprodukts betrachten.
Für eine stetige Funktion K: [0, 1] × [0, 1] → C wird dann durch
TK (f )(x) :=
Z
1
K(x, y)f (y) dy
0
ein stetiger Operator in B(H) definiert (Übung). Man nennt TK einen Kernoperator und die Funktion K dessen Kern. Der adjungierte Operator ist TK ∗ mit
K ∗ (x, y) := K(y, x) (Übung). Hierdurch erkennt man sofort, für welche Kerne
K der Operator TK hermitesch ist. Es ist instruktiv, sich K als die “Matrix”
des Operators TK zu denken. Dabei stellt man sich vor, daß die Summation,
die bei der Multiplikation einer Matrix mit einem Vektor vorkommt, durch eine
Integration ersetzt wird.
Das Hauptanliegen der Spektraltheorie von Operatoren auf Hilberträumen ist es, normale und insbesondere unitäre und hermitesche Operatoren auf
Hilberträumen zu verstehen. Den geeigneten Rahmen, in dem sich diese Probleme gut behandeln lassen, bietet die Darstellungstheorie.
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I. Grundlegende Konzepte
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I.2. Involutive Halbgruppen und ihre Darstellungen
Zuerst haben wir zu klären, für welche Objekte wir Darstellungen betrachten wollen. Hierzu benötigen wir Konzepte, die so allgemein sind, daß sich all
die Phänomene, die uns interessieren, erfassen lassen. Wie schon oben bemerkt,
ist das wesentliche Charakteristikum der Hilberträume die Involution A 7→ A∗
auf B(H) . Wir werden sehen, daß der Begriff der involutiven Halbgruppe die
wesentlichen Strukturen repräsentiert.
Involutive Halbgruppen
Definition I.2.1. Ein Paar (S, ∗) einer Halbgruppe S mit einem involutiven
Antiautomorphismus s 7→ s∗ heißt involutive Halbgruppe. Es gilt also (s∗ )∗ = s
und (st)∗ = t∗ s∗ .
Ist 1 ein Einselement in S , so gilt 1∗ = 1 (Übung). Die Elemente in
Sh := {s ∈ S: s∗ = s}
heißen hermitesch und falls S ein Einselement 1 hat, so heißen die Elemente in
U (S) := {s ∈ S: s∗ s = ss∗ = 1}
unitär. Die Menge U (S) der unitären Elemente ist eine Gruppe, die unitäre
Gruppe von S .
Beispiel I.2.2. (a) Ist S eine abelsche Halbgruppe, so ist (S, idS ) eine involutive Halbgruppe.
(b) Ist G eine Gruppe und g ∗ := g −1 , so ist (G, ∗) eine involutive Halbgruppe.
Hier ist jedes Element unitär.
(c) Eine besonders wichtige involutive Halbgruppe ist die multiplikative Halbgruppe B(H) der
beschränkten Operatoren auf einem Hilbertraum H . Die
Gruppe U B(H) = U (H) heißt unitäre Gruppe des Hilbertraums H .
(d) Die multiplikative Halbgruppe (C , ·) ist eine involutive Halbgruppe bzgl.
z ∗ := z . Das ist der Spezialfall von (c) mit eindimensionalem H .
(e) Ist X eine Menge, so ist S := X × X eine involutive Halbgruppe bzgl.
(x, y) · (x0 , y 0 ) := (x, y 0 )
und
(x, y)∗ = (y, x).
(f) Ist X eine Menge, so ist der Raum C X der komplexwertigen Funktionen auf
X eine abelsche involutive Halbgruppe bzgl. der punktweisen Multiplikation und
der Involution f ∗ (x) := f (x) . Eine Funktion ist genau dann hermitesch, wenn
sie reellwertig ist.
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I. Grundlegende Konzepte
Die Menge der {0, 1} -wertigen Funktionen ist hierbei eine involutive Unterhalbgruppe, die aus hermiteschen Elementen f besteht für die sogar f 2 = f
gilt. Identifizieren wir eine solche Funktion mit der Menge f −1 (1) , so erhalten
wir eine involutive Halbgruppenstruktur auf der Menge 2X aller Teilmengen von
X . Hierbei ist A · B = A ∩ B und A∗ = A für A ⊆ X .
(g) Ist X eine Menge, G eine Gruppe und σ: G × X → X, (g, x) 7→ g.x eine
Gruppenoperation von G auf X , d.h.
(g1 g2 ).x = g1 .(g2 .x)
und
1.x = x
für all g1 , g2 ∈ G, x ∈ X , so definieren wir für eine Funktion f : X → C und
g ∈ G die Funktion
(g.f )(x) := f (g −1 .x).
Dann ist die Menge C X × G eine involutive Halbgruppe bzgl.
(f, g)(f 0 , g 0 ) := (f · (g.f 0 ), gg 0 )
und
(f, g)∗ := (g −1 .f , g −1 ).
(Nachweis als leichte Übung).
Betrachten wir die Menge 2X aller Teilmengen von X wie in (f) als Unterhalbgruppe von C X , so ist 2X × G eine involutive Unterhalbgruppe bzgl.
(A, g)(A0 , g 0 ) := (A ∩ (g.A0 ), gg 0 )
und
(A, g)∗ := (g −1 .A, g −1 ).
Darstellungen–elementare Begriffe
Definition I.2.3.
(a) Eine Darstellung einer involutiven Halbgruppe S ist
ein Homomorphismus von Halbgruppen π: S → B(H) , wobei H ein komplexer
Hilbertraum ist, so daß
π(s∗ ) = π(s)∗
für alle s ∈ S gilt. Man schreibt auch (π, H) für eine Darstellung, wenn man H
hervorheben möchte.
(b) Ist S eine Gruppe G und g ∗ = g −1 , so nennt man solche Darstellungen
unitär, wenn zusätzlich π(1) = id gilt. Aus gg ∗ = g ∗ g = 1 für g ∈ G
folgt dann π(g) ∈ U (H) . Unitäre Darstellungen sind also nichts anderes als
Homomorphismen π: G → U (H) in die unitäre Gruppe eines Hilbertraums.
Beachte: Ist 1 ein Einselement in der involutiven Halbgruppe S und (π, H)
eine Darstellung, so ist in der Regel nicht π(1) = 1, aber π(1) ist immer eine
Orthogonalprojektion.
(c) Zwei Darstellungen (π, H) und (π 0 , H 0 ) von S heißen äquivalent, wenn es
eine unitäre Abbildung U : H → H 0 gibt, so daß
(2.1)
U ◦ π(s) = π 0 (s) ◦ U
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I. Grundlegende Konzepte
15.2.2002
für alle s ∈ S gilt. Allgemein nennen wir einen Operator U ∈ B(H, H 0 )
mit (2.1) einen Vertauschungsoperator. Für die Menge der Vertauschungsoperatoren schreiben wir BS (H, H 0 ) oder HomS (H, H 0 ) und entsprechend BS (H) :=
BS (H, H) oder EndS (H) := HomS (H, H) . Natürlich wird bei dieser Notation
die jeweilige Darstellung unterdrückt und man muß sie sich dazudenken.
(d) Ist (π, H) eine Darstellung von S und E ⊆ H ein abgeschlossener invarianter
Unterraum, so wird durch πE (s) := π(s) |E eine Darstellung (πE , E) definiert,
die wir eine Teildarstellung von (π, H) nennen.
Vor diesem Hintergrund kann man sich natürlich ganz allgemein das folgende Problem vorlegen. Gegeben sei eine involutive Halbgruppe (S, ∗) . Man
klassifiziere alle Darstellungen bis auf Äquivalenz. Wir werden uns nun klar
machen, in welchem Zusammenhang diese darstellungstheoretische Frage mit
unserer ursprünglichen Intention steht, gewisse Operatoren auf Hilberträumen
zu verstehen.
Bemerkung I.2.4.
(a) Sei G = Z mit s∗ = −s. Ist (π, H) eine unitäre
Darstellung von G , so ist U := π(1) ∈ U (H) ein unitärer Operator und es gilt
π(n) = U n für alle n ∈ Z, wobei wir U 0 = 1 setzen und negative Potenzen
als Potenzen von U −1 verstehen. Ist umgekehrt U ∈ U (H) , so wird durch
π(n) := U n eine unitäre Darstellung von Z auf H definiert. Das Studium der
unitären Darstellungen von Z auf H ist also äquivalent zum Studium einzelner
unitärer Operatoren auf H .
(b) Sei S = (N, +) mit s∗ = s. Ist (π, H) eine Darstellung von S , so ist
A := π(1) ∈ B(H) ein hermitescher Operator und es gilt π(n) = An für
alle n ∈ N . Ist umgekehrt A ∈ B(H) hermitesch, so wird durch π(n) :=
An eine Darstellung von N0 auf H definiert. Das Studium der Darstellungen
der involutiven Halbgruppe (N, id) ist also äquivalent zum Studium einzelner
hermitescher Operatoren.
(c) Sei S = (N × N \ {(0, 0)}, +) mit (n, m)∗ = (m, n) . Dann ist S eine abelsche
involutive Halbgruppe. Ist (π, H) eine Darstellung von S und A := π(1, 0) , so
ist
AA∗ = π(1, 0)π(0, 1) = π(1, 1) = π(0, 1)π(1, 0) = A∗ A,
d.h., A ist normal und
π(n, m) := An (A∗ )m
für (n, m) ∈ S . Umgekehrt sieht man, daß diese Formel für jeden normalen
Operator A ∈ B(H) eine Darstellung von S definiert. Das Studium normaler
Operatoren ist äquivalent zum Studium der Darstellungen von S .
(d) Sei X eine Menge und S ⊆ 2X eine Unterhalbgruppe bzgl. AB := A ∩ B
und A∗ = A (Definition I.2.2(f)). Für jedes A ∈ S gilt dann A∗ = A. Ist
π: S → B(H) eine Darstellung, so ist also jeder Operator π(A) eine orthogonale
Projektion. Da S abelsch ist, kommutieren alle Projektionen in π(S) . Für
A ⊆ B ∈ S gilt daher
π(A) = π(A ∩ B) = π(A)π(B) = π(B)π(A),
I. Grundlegende Konzepte
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d.h. im π(A) ⊆ im π(B) . In diesem Sinn ist die Abbildung π monoton.
Für die meisten Zwecke sind die Anforderungen an π zu schwach, da nichts
über P (A ∪ B) gesagt wird. Welche zusätzlichen Forderungen hier zu interessanten Strukturen führen, werden wir bei der Diskussion von Spektralmaßen sehen.
Unter (a)–(c) haben wir drei spektraltheoretische Probleme übersetzt in
das Problem der Klassifikation der Darstellungen einer zugehörigen abelschen
involutiven Halbgruppe.
Zerlegung von Darstellungen
Um zu sehen, in welchem Sinn diese einheitliche Formulierung sehr nützlich
für eine Reduktion des Problems sein kann, schauen wir uns an, wie man Darstellungen in einfachere Bestandteile zerlegt.
Definition I.2.5.
(a) Eine involutive Darstellung (π, H) von S heißt nicht
entartet, wenn die Menge π(S).H total ist, d.h., span π(S).H ist dicht. Das ist
zum Beispiel immer dann der Fall, wenn S ein Einselement 1 hat und π(1) = 1
gilt (Übung).
(b) Eine Darstellung (π, H) einer involutiven Halbgruppe S heißt zyklisch, wenn
es einen Vektor v ∈ H gibt, so daß π(S).v total ist. Der Vektor v heißt dann
zyklischer Vektor.
(c) Man nennt eine Darstellung (π, H) irreduzibel, wenn {0} und H die einzigen
abgeschlossenen invarianten Unterräume sind und H 6= {0} gilt. Irreduzible
Darstellungen sind immer zyklisch (Übung).
Zunächst umfaßt diese Definition auch die triviale Darstellung (π, H) mit
dim H = 1 und π(S) = {0} . Enthält S ein Einselement, so betrachtet man (in
der Regel) nur Darstellunge mit π(1) = 1. In diesem Fall tritt die Nulldarstellung also nicht auf.
Lemma I.2.6. Sei (π, H) eine involutive Darstellung der involutiven Halbgruppe S , E ⊆ H ein abgeschlossener Unterraum und PE die orthogonale Projektion auf E . Dann sind folgende Aussagen äquivalent:
(1) E ist unter S invariant.
(2) E ⊥ ist unter S invariant.
(3) PE vertauscht mit S , d.h. PE ∈ BS (H).
Beweis. (1) ⇔ (2): Da für s ∈ S auch π(s)∗ = π(s∗ ) wieder in π(S) ist, folgt
dies sofort aus Lemma I.1.7.
(1), (2) ⇒ (3): Sei v ∈ H und vE = PE .v . Für s ∈ S ist dann wegen (2)
PE π(s).v = PE π(s).vE + π(s).(v − vE ) = π(s).vE = π(s)PE .v.
|
{z
}
∈E ⊥
Also gilt π(s)PE = PE π(s) .
(3) ⇒ (1): Für v ∈ E und s ∈ S ist PE π(s).v = π(s)PE .v = π(s).v , d.h.
π(s).v ∈ E .
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I. Grundlegende Konzepte
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Das Lemma I.2.6 gibt uns einen Hinweis darauf, wie man Darstellungen
zerlegen kann. Die nächste Frage, die sich stellt, ist, wie man Darstellungen
zusammensetzen kann. Die einfachste Möglichkeit hierzu besteht darin, direkte
Summen zu bilden.
Für das folgende Lemma erinnern wir uns daran, wie man unendliche Familien summiert. Für eine Familie (λj )j∈J nichtnegativer reeller Zahlen definieren
wir
nX
o
X
λj := sup
λj : E ⊆ J, |E| < ∞ .
j∈J
j∈E
Man sieht leicht, daß dies für Reihen, d.h. für J = N mit dem Grenzwert der
entsprechenden Reihe übereinstimmt.
Für eine Familie (vj )j∈J von Elementen eines Banachraums E schreiben
wir
X
v=
vj ,
j∈J
wenn zu jedem ε > 0 eine endliche Teilmenge Jε ⊆ J existiert, so daß für jede
endliche Teilmenge E ⊆ J , die Jε enthält, die Abschätzung
X
kv −
vj k < ε
j∈E
gilt. Dieser Grenzwertbegriff ist etwas subtiler als die Konvergenz einer Reihe,
da hier auf keine Reihenfolge Bezug genommen wird. Für eine Folge komplexer
Zahlen führt er sogar (nach dem Riemannschen Umordnungssatz) auf die absolute Konvergenz der Reihe.
Lemma I.2.7.
Sei (Hj )j∈J eine Familie von Hilberträumen und
n
o
Y
X
H := (xj )j∈J ∈
Hj :
kxj k2 < ∞ .
j∈J
j∈J
Dann ist H ein Hilbertraum mit dem Skalarprodukt
X
h(xj )j∈J , (yj )j∈J i =
hxj , yj i.
j∈J
Beweis. Wir
Q zeigen zuerst, daß H ein Untervektorraum des kartesischen Produkts von j∈J Hj ist. Die Invarianz unter Skalarmultiplikation ist klar. Für
zwei Elemente a, b ∈ Hj folgt aus der Parallelogrammgleichung
ka + bk2 = 2kak2 + 2kbk2 − ka − bk2 ≤ 2(kak2 + kbk2 ),
und daher für x = (xj )j∈J , y = (yj )j∈J ∈ H die Beziehung
X
j∈J
kxj + yj k2 ≤ 2
X
j∈J
kxj k2 + 2
X
j∈J
kyj k2 < ∞.
13
I. Grundlegende Konzepte
Also ist x + y ∈ H , und somit ist H ein Vektorraum.
Für x, y ∈ H folgt aus der Polarisierungsidentität und x ± y, x ± iy ∈ H ,
daß
X
(2.2)
hx, yi =
hxj , yj i
j∈J
in folgendem Sinne existiert. Daß durch (2.2) eine positiv definite hermitesche
Form definiert wird, ist eine einfache Rechnung.
Wir zeigen noch die Vollständigkeit von H . Hierzu geht man im Prinzip
vor wie bei dem Raum l2 (N, C ) . Sei (xn )n∈N eine Cauchy-Folge in H . Dann ist
(xnj )n∈N für jedes j ∈ J eine Cauchy-Folge in Hj und aus der Vollständigkeit
der Räume Hj erhalten wir für jedes j ∈ J ein Element xj mit xnj → xj . Für
jede endliche Teilmenge J0 ⊆ J ist dann
X
X
X
kxj k2 = lim
kxnj k2 ≤ lim
kxnj k2 = lim kxn k2 .
n→∞
j∈J0
n→∞
j∈J0
n→∞
j∈J
Hieraus folgt x := (xj )j∈J ∈ H mit
kxk2 ≤ lim kxn k2 .
n→∞
Es bleibt noch zu zeigen, daß xn → x in H gilt. Sei dazu ε > 0 und
n0 ∈ N mit kxn − xm k ≤ ε für n, m ≥ n0 . Für eine endliche Teilmenge J0 ⊆ J
gilt dann
X
X
n 2
m
n 2
2
kxj − xnj k2 = lim
kxm
j − xj k ≤ lim kx − x k ≤ ε
m→∞
j∈J0
m→∞
j∈J0
für n ≥ n0 . Also ist auch
kx − xn k2 = supJ0 ⊆J
X
kxj − xnj k2 ≤ ε.
j∈J0
Hieraus folgt xn → x, und somit die Vollständigkeit von H .
Definition I.2.8. Ist (Hj )j∈J eine Familie von Hilberträumen, so betrachten
wir
n
o
M
Y
X
[
Hj := (xj )j∈J ∈
Hj :
kxj k2 < ∞
j∈J
j∈J
j∈J
mit der Hilbertraumstruktur aus Lemma I.2.7. Wir nennen diesen Raum die
direkte Hilbertraumsumme der (Hj )j∈J . Dieser Raum ist natürlich nicht die
direkte Vektorraumsumme der Unterräume
Hi ∼
= {(xj )j∈J : (∀j 6= i)xj = 0},
P
aber die Summe j∈J Hj dieser Unterräume ist direkt und dicht in H (Übung).
Weiter sind all diese Unterräume paarweise orthogonal zueinander. Man beachte,
daß die Forderung der Summierbarkeit von (kxj k2 )j∈J insbesondere zur Folge
hat, daß nur abzählbar viele xj von 0 verschieden sind, auch wenn die Indexmenge J überabzählbar ist.
14
I. Grundlegende Konzepte
15.2.2002
Lemma I.2.9. Sei J eine Menge und C J die Menge der Funktionen x: J →
C , j 7→ xj .
(i) Der Raum
n
o
X
l2 (J, C ) := x ∈ C J :
|xj |2 < ∞
j∈J
ist ein Hilbertraum mit dem Skalarprodukt
hx, yi =
X
xj yj
und
kxk22 :=
X
|xj |2 .
j∈J
j∈J
(ii) Der Raum
n
o
X
l1 (J, C ) := x ∈ C J :
|xj | < ∞
j∈J
ist ein Banachraum bzgl. der Norm kxk1 :=
P
j∈J
|xj |.
Beweis. (i) Das ist ein Spezialfall von Lemma I.2.7, wo Hj = C für alle j ∈ J
gilt.
(ii) Der Beweis verläuft vollkommen analog zu dem von Lemma I.2.7.
Satz I.2.10. Sei (πj , Hj )j∈J eine Familie von involutiven Darstellungen der
Halbgruppe S . Gilt weiter supj∈J kπj (s)k < ∞ für alle s ∈ S , so wird durch
π(s).(vj )j∈J := πj (s).vj )j∈J
L
auf c j∈J Hj eine involutive Darstellung von S definiert.
L
c
Beweis.
Wir
zeigen
zuerst,
daß
π(s)
den
Unterraum
H
:=
j∈J Hj von
Q
j∈J Hj invariant läßt. Dazu rechnen wir für v = (vj )j∈J in diesem Raum:
kπ(s).vk2 =
X
j∈J
X
kπj (s).vj k2 ≤ supj∈J kπj (s)k
kvj k2
j∈J
= supj∈J kπj (s)k kvk2 ,
und sehen, daß H unter π(s) invariant bleibt, sowie kπ(s)k ≤ supj∈J kπj (s)k.
Daß π: S → B(H) ein Homomorphismus von Halbgruppen ist, ist klar.
Weiter folgt π(s)∗ = π(s∗ ) sofort aus
hπ(s).v, wi =
X
j∈J
hπj (s).vj , wj i =
X
hvj , πj (s∗ ).wj i = hv, π(s∗ ).wi
j∈J
für alle v, w ∈ H .
Die Darstellung aus Satz I.2.10 nennt man eine direkte Hilbertraum-Summe
P
der Darstellungen (πi , Hj )j∈J und schreibt kurz π = ⊕j∈J πj oder auch j∈J πj .
Aus Lemma I.2.6 erhalten wir unmittelbar folgende Beobachtung:
I. Grundlegende Konzepte
15
Folgerung I.2.11. Ist (π, H) eine Darstellung und E ⊆ H ein abgeschlossener invarianter Unterraum, so ist auch E ⊥ abgeschlossen und invariant. Sind
(πE , E) und (πE ⊥ , E ⊥ ) die zugehörigen Darstellungen, so gilt π ∼
= πE ⊕ πE ⊥ .
Jetzt überlegen wir uns, wie einschränkend die Forderung nach einer nicht
entarteten Darstellung (vgl. Def. I.2.5) ist.
Satz I.2.12.
Ist (π, H) eine Darstellung von S , so ist
H0 := {v ∈ H: (∀s ∈ S)π(s).v = 0}
ein abgeschlossener Unterraum. Die Darstellung von S auf H0⊥ ist nicht entartet
und wir erhalten eine S -invariante orthogonale Zerlegung
H = H0 ⊕ span(π(S).H).
Beweis. Wegen der Stetigkeit der Operatoren π(s) , s ∈ S , sind die Kerne
N π(s) abgeschlossen. Also ist auch
H0 =
\
s∈S
N π(s)
abgeschlossen. Nach Lemma I.1.7 ist
\
\
\
⊥
⊥
⊥
H0 =
N π(s) =
R π(s∗ ) =
R π(s) = π(S).H
s∈S
s∈S
und somit
H0⊥ =
π(S).H
s∈S
⊥ ⊥
= span π(S).H.
Die Invarianz dieses Raumes folgt aus Lemma I.2.6. Daß die Darstellung auf H0⊥
nicht entartet ist, folgt nun aus π(S).H = π(S).H0⊥ und H0⊥ = span π(S).H.
Es ist klar, daß jede zyklische Darstellung nicht entartet ist. Der folgende
Satz zeigt, daß umgekehrt jede nicht entartete Darstellung Summe von zyklischen
Darstellungen ist. Zuerst ein kleines Lemma.
Lemma I.2.13. Ist (π, H) eine Darstellung der involutiven Halbgruppe S und
v ∈ H , so ist die Darstellung von S auf dem Unterraum span π(S).v zyklisch.
Ist (π, H) nicht entartet, so ist sogar v ∈ span π(S).v .
Beweis. Sei H0 := span π(S).v . Es ist klar, daß H0 unter π(S) invariant
ist. Wir erhalten mit Lemma I.2.6 eine orthogonale S -invariante Zerlegung
H = H0 ⊕ H0⊥ . Entsprechend zerlegt sich v als v = v0 + v1 , wobei v0 ∈ H0 und
v1 ∈ H0⊥ gilt. Sei s ∈ S . Da H0⊥ invariant ist, ist π(s).v1 ∈ H0⊥ , andererseits
aber auch π(s).v1 = π(s).v − π(s).v0 ∈ H0 . Folglich ist π(s).v1 = 0 . Also ist
π(S).v = π(S).v0 , und wir sehen, daß v0 ein zyklischer Vektor in H0 ist.
Ist die Darstellung von S auf H nicht entartet, so ist v1 = 0 und damit
v ∈ H0 .
16
I. Grundlegende Konzepte
15.2.2002
Welche Rolle die Involutivität der Darstellung in Lemma I.2.13 spielt, sieht
man, wenn man den Shiftoperator S ∗ (vgl. Beispiel I.1.9(a)) und die zugehörige
Darstellung
π: N → B(l2 (N, C )), n 7→ (S ∗ )n
betrachtet. Für v = e1 besteht der von π(N).e1 = {en+1 : n ∈ N} erzeugte
Unterraum aus allen Folgen (xn )n∈N mit x1 = 0 . Wendet man allerdings S ∗
nochmal an, so erhält man auch x2 = 0 , d.h., die Darstellung von N auf diesem
Unterraum ist nicht zyklisch.
Grober Zerlegungssatz für Darstellungen
Satz I.2.14. Eine Darstellung einer involutiven Halbgruppe S ist genau dann
nicht entartet, wenn sie eine direkte Summe von zyklischen Darstellungen ist.
Beweis. Wir nehmen zuerst an, daß die Darstellung nicht entartet ist. Der
Beweis ist eine typische Anwendung des Zornschen Lemmas. Wir ordnen die
Menge M aller Mengen (Hj )j∈J von paarweise orthogonalen abgeschlossenen
invarianten Unterräumen auf denen die Darstellung von S zyklisch ist über
Inklusion. Es ist klar, daßSdiese Ordnung induktiv wird, denn für jede Kette
K ⊆ M ist auch wieder
K ∈ M. Das Zornsche Lemma liefert jetzt eine
maximale Menge (Hj )j∈J von paarweise orthogonalen invarianten Unterräumen,
so daß die Einschränkung der Darstellung auf Hj jeweils zyklisch ist (Übung).
P
Wir definieren K := j∈J Hj . Dann ist K ⊥ ein invarianter Unterraum.
Nehmen wir an, daß K von H verschieden ist, so finden wir einen von 0 verschiedenen Vektor v ∈ K ⊥ . Setzen wir H 0 := span π(S).v , so ist H 0 zusammen mit (Hj )j∈J eine orthogonale Familie von zyklischen Unterräumen (Lemma
I.2.13), die echt größer ist. In der Tat folgt H 0 6= {0} aus der Annahme, daß
(π, H) nicht entartet ist. Dies steht im Widerspruch zur Konstruktion von
(Hj )j∈J . Also ist H = K , d.h., (π, H) is eine direkte Summe der zyklischen
Darstellungen (πj , Hj ) , wobei πj (s) := π(s) |Hj ist.
Ist umgekehrt
P (π, H) eine direkte Summe von zyklischen Darstellungen
(πj , Hj ), so ist j∈J Hj ein dichter Unterraum von H . Da die Darstellung auf
Hj zyklisch ist, gilt
Hj ⊆ span π(S).Hj ⊆ span π(S).H
für alle j . Also enthält die rechte Seite auch die Summe der Hj und stimmt
wegen der Abgeschlossenheit mit H überein.
Bemerkung I.2.15. In der Darstellungstheorie gibt es zwei zentrale Grundfragen:
(P1) Was sind die irreduziblen Darstellungen?
(P2) Wie kann man Darstellungen in irreduzible zerlegen? (Das Problem der
harmonischen Analyse)
Natürlich interessiert man sich für Darstellungen nur bis auf (unitäre)
Äquivalenz (Definition I.2.3(c)). Für eine Darstellung π schreiben wir [π]
I. Grundlegende Konzepte
17
für deren unitäre Äquivalenzklasse. In diesem Kontext lauern mengentheoretische Tücken, die man sich bewußt machen sollte. Auch wenn wir hier von
Äquivalenzklassen reden, so ist das so zu verstehen, daß es sich hierbei nicht um
eine Äquivalenzrelation auf einer Menge handelt und die Äquivalenzklassen Teilmengen davon sind. Vielmehr bildet die Klasser aller Hilberträume eben keine
Menge und aus ähnlichen Gründen macht es auch keinen Sinn von der Menge
aller Darstellungen von S zu reden. Unproblematisch ist es dagegen, von der
Menge RepS (H) aller Darstellungen von S auf einem festen Hilbertraum H
zu reden, denn diese Menge können wir als Teilmenge der Menge B(H)S aller
Abbildungen S → B(H) auffassen.
Betrachten wir eine zyklische Darstellung (π, H) und ist v ∈ H zyklisch, so
spannt die Menge π(S).v einen dichten Unterraum von H auf. Hieraus schließt
man, daß die Hilbertraumdimension, d.h. die Kardinalität einer Orthonormalbasis, höchstens so groß ist wie die Kardinalität |S| von S . Insbesondere ist H
isomorph zu einem Hilbertraum l2 (J, C ) für eine Teilmenge J ⊆ S . Folglich
finden wir für jede zyklische Darstellung von S eine dazu äquivalente in einer
der Mengen RepS (l2 (J, C )) , J ⊆ S . Wir können nun die Menge
[
RepS (l2 (J, C ))
J⊆S
bilden und die Äquivalenz von Darstellungen als eine Äquivalenzrelation auf
dieser Menge betrachten. Hiermit sehen wir ein, daß es sinnvoll ist, die Menge
Sb := {[π]: (π, H) eine irreduzible Darstellung}
zu bilden.
Man kann in der Regel einer Klasse α ∈ Sb keinen kanonischen Repräsentanten zuordnen. Unter Zuhilfenahme des Auswahlaxioms können wir allerdings
eine Zuordnung α → πα finden, so daß [πα ] = α gilt. Nachdem man so eine
Auswahl getroffen hat, kann man auch πα mit α identifizieren, so daß wir uns
Sb als eine Menge von Darstellungen vorstellen können.
I.3. Endlichdimensionale Darstellungen
Satz I.3.1. Jede endlichdimensionale Darstellung von S ist eine direkte Summe irreduzibler Darstellungen.
Beweis. Sei (π, H) eine endlichdimensionale Darstellung von S . Wir zeigen
die Behauptung über Induktion nach dim H . Der Fall dim H ≤ 1 ist trivial.
Ist (π, H) irreduzibel, so ist nichts zu zeigen. Ist (π, H) nicht irreduzibel, so
existiert ein invarianter Unterraum H1 , der von {0} und H verschieden ist.
Damit haben wir eine invariante Zerlegung H = H1 ⊕ H1⊥ und wir können die
Induktionsvoraussetzung auf beide Teilräume anwenden (Lemma I.2.6). Hieraus
folgt die Behauptung.
18
I. Grundlegende Konzepte
15.2.2002
Wir können uns hiermit auf den Standpunkt stellen, daß wir die Gesamtheit
der endlichdimensionalen Darstellungen von S kennen, wenn wir die irreduziblen kennen. Wir schauen uns daher jetzt an, wie wir an die irreduziblen
Darstellungen herankommen. Hierzu schreiben wir Sbfin für die Menge der
Äquivalenzklassen irreduzibler endlichdimensionaler Darstellungen von S .
Ist (π, H) eine endlichdimensionale Darstellung von S , so erhalten wir
mit Satz I.3.1 eine Zerlegung π = ⊕nj=1 πj in irreduzible. Für eine Darstellung
(ρ, K) schreiben wir (nρ, K n ) für die Darstellung auf K n , die wir als n -fache
direkte Summe von ρ mit sich selbst erhalten. Fassen wir nun in obiger Zerlegung
äquivalente Darstellungen zusammen, so sehen wir, daß π äquivalent ist zu einer
Darstellung des Typs
π = ⊕α∈Sb nα α.
fin
Entsprechend denken wir uns H als direkte Summe H ∼
= ⊕α Hαnα . Hierbei ist
zunächst nicht klar, daß die Zahl nα der irreduziblen Summanden vom Typ α
nicht von der Zerlegung abhängt. Wir werden später zeigen, daß diese Zahlen in
der Tat von der Zerlegung unabhängig sind und die Darstellung daher durch die
Zahlen nα klassifiziert werden.
Lemma I.3.2. Ist (π, H) eine Darstellung von S , A ∈ BS (H) ein Vertauschungsoperator, so ist der Eigenraum Hλ (A) = {v ∈ H: A.v = λv} von A zum
Eigenwert λ invariant unter S .
Beweis.
Für v ∈ Hλ (A) und s ∈ S gilt Aπ(s).v = π(s)A.v = λπ(s).v.
Das folgende Lemma bleibt auch ohne die einschränkende Voraussetzung
der Endlichdimensionalität wahr. Das werden wir aber erst später aus dem
(stetigen) Funktionalkalkül ableiten können.
Lemma von Schur – endlichdimensionaler Fall
Lemma I.3.3. Seien (π, H) und (ρ, K) zwei endlichdimensionale irreduzible
Darstellungen von S . Dann gelten:
(i) BS (H) = C 1.
(ii) Sind π und ρ nicht äquivalent, so ist BS (H, K) = {0}.
Beweis. (i) Sei A ∈ BS (H) . Dann hat A einen Eigenwert λ . Wegen Lemma
I.3.2 ist Hλ (A) invariant unter S . Wegen Hλ (A) 6= {0} und der Irreduzibilität
von π folgt Hλ (A) = H , d.h. A = λ1.
(ii) Sei 0 6= A: H → K ein Vertauschungsoperator. Dann ist N (A) ein invarianter Unterraum in H und R(A) ein invarianter Unterraum in K . Ist also
A 6= 0 , so ist N (A) = {0} , da π irreduzibel ist. Ebenso folgt R(A) = K
aus der Invarianz des Bildes von A unter S . Also ist A bijektiv. Weiter ist
A∗ A ∈ BS (H) (Aufgabe I.2) und wegen (i) ist A∗ A = λ1. Wegen hA∗ A.v, vi =
hA.v, A.vi = kA.vk2 ist λ > 0. Ersetzen wir nun A durch √1λ A, so ist A∗ A = 1,
d.h. A ist unitär, da dim H = dim K endlich ist, und folglich sind π und ρ
äquivalent.
Für abelsche Gruppen hat das Schursche Lemma eine wichtige Konsequenz.
I. Grundlegende Konzepte
19
Korollar I.3.4. Ist S abelsch und (π, H) eine endlichdimensionale irreduzible
Darstellung, so ist dim H = 1 .
Beweis. Wegen π(S) ⊆ BS (H) = C 1 ist jedes Element von π(S) ein Vielfaches der Identität. Da die Darstellung irreduzibel ist, muß H eindimensional
sein.
Mit den Informationen aus dem Schurschen Lemma können wir nun zeigen,
daß die Vielfachheiten nα nicht von der jeweiligen Zerlegung der Darstellung
abhängen.
Lemma I.3.5. Seien (πi , Hi ), i = 1, . . . , m , und (ρj , Kj ), j = 1, . . . , n ,
n
Darstellungen, (π, H) := ⊕m
i=1 (πi , Hi ) und (ρ, K) := ⊕j=1 (ρj , Kj ), so gilt
M
BS (H, K) ∼
BS (Hi , Kj ).
=
i,j
Beweis. Sei pi : H → Hi die Orthogonalprojektion auf Hi und qj : K → Kj die
Orthogonalprojektion auf Kj . Ist nun A ∈ B(H, K), so erhalten wir für jedes
Paar (i, j) einen Operator Aji := qj Ap∗i : Hi → Kj und im Sinne der Zerlegungen
von H und K gilt
X
X
A.
vi =
Aji .vi ,
i
d.h. A =
∗
i,j qj Api ,
P
i,j
so daß wir uns A durch die Matrix
A = (Aji )i=1,...,m;j=1,...,n
dargestellt denken. Wegen
X
X
X
Aπ(s).
vi = A.
πi (s)vi =
Aji πi (s).vi
i
i
i,j
und
ρ(s)A.
X
vi =
i
X
ρj (s)Aji .vi
i,j
folgt aus der Eindeutigkeit der Zerlegungen, daß A ∈ BS (H) äquivalent ist zu
Aji ∈ BS (Hi , Kj ) . Hieraus folgt die Behauptung sofort.
Lemma I.3.6.
Ist π = ⊕α nα α eine endlichdimensionale Darstellung, so ist
nα = dim BS (Hα , H).
Beweis.
Wir schreiben H als
H=
M
Hαnα .
bfin
α∈S
Mit dem Schurschen Lemma und Lemma I.3.5 erhalten wir dann unmittelbar
M
BS (Hα , H) ∼
BS (Hα , Hβ )nβ ∼
=
= BS (Hα , Hα )nα ∼
= C nα
β
Zusammenfassend erhalten wir nun mit Satz I.3.1:
20
I. Grundlegende Konzepte
15.2.2002
Endlichdimensionaler Zerlegungssatz
Theorem I.3.7. Sei S eine involutive Halbgruppe und (π, H) eine endlichdimensionale Darstellung. Dann ist die Vielfachheitenfunktion
Sbfin → N0 , α 7→ nα := dim BS (Hα , H)
nur an endlich vielen Stellen von Null verschieden, und es gilt
π∼
= ⊕α∈Sbfin nα α.
Die Darstellung π ist also eindeuting durch die Vielfachheitenfunktion bestimmt
und zu jeder Vielfachheitenfunktion, die nur an endlich vielen Stellen von 0
verschieden ist, gehört bis auf Äquivalenz genau eine endlichdimensionale Darstellung.
Darstellungen abelscher Halbgruppen
Definition I.3.8.
Ist S abelsch, so haben wir in Korollar I.3.4 gesehen, daß
alle irreduziblen endlichdimensionalen Darstellungen (π, H) eindimensional sind,
also H ∼
= C . Identifizieren wir nun B(C ) mit C , so ist eine eindimensionale
Darstellung nichts anderes als ein Homomorphismus χ: S → C mit χ(s∗ ) = χ(s) .
Solche Homomorphismen nennen wir Charaktere. Wir schreiben Sb := Hom(S, C )
für die Menge aller Charaktere. Daß diese Bezeichnung mit der obigen konsistent
ist, folgt daraus, daß Korollar I.3.4 auch im Unendlichdimensionalen gilt, was wir
später sehen werden. Wir schreiben Sb× := Sb \ {0}.
Hat S ein Einselement 1, so betrachtet man (in der Regel) nur Darstellungen (π, H) mit π(1) = 1. In diesem Fall betrachtet man 0 nicht als Charakter,
so daß Sb = Hom(S, C ) \ {0} ist, denn für jeden Homomorphismus χ: S → C ,
der nicht verschwindet, gilt χ(1) = 1 (Übung).
Endlichdimensionaler Klassifikationssatz–abelscher Fall
Satz I.3.9. Sei (π, H) eine endlichdimensionale Darstellung der abelschen involutiven Halbgruppe S . Für χ ∈ Sb sei
Hχ := {v ∈ H: (∀s ∈ S)π(s).v = χ(s)v}.
Dann ist H =
L
b
χ∈S
Hχ eine endliche orthogonale direkte Summe von Darstel-
lungen, und die Darstellung ist bis auf Äquivalenz eindeutig bestimmt durch die
Vielfachheitenfunktion
Sb → N0 , χ 7→ dim Hχ .
Beweis. Um diesen Satz aus Satz I.3.7 zu erhalten, müssen wir nur feststellen,
daß für β ∈ Sbfin mit β(s) = χβ (s)1, χβ : S → C , und eine Zerlegung H =
L
nα
α Hα die Beziehung
n
Hχβ = Hβ β
gilt.
I. Grundlegende Konzepte
21
Mit dem Klassifikationssatz ist unser Klassifikationsproblem für den endlichdimensionalen abelschen Fall gelöst. Das Ergebnis können wir nun auf unsere
Fragestellung für Operatoren anwenden.
Korollar I.3.10. (a) Ist dim H < ∞, so ist A ∈ B(H) genau dann normal,
wenn H in eine orthogonale direkte Summe der Eigenräume von A zerfällt.
(b) Ein normaler Operator A ist genau dann unitär, wenn alle Eigenwerte in
T := {z ∈ C : |z| = 1}
liegen und genau dann hermitesch, wenn alle Eigenwerte reell sind.
(c) Zwei normale Operatoren A, B auf H sind genau dann unter einem unitären
Operator zueinander konjugiert, wenn für alle λ ∈ C die Dimensionen der
zugehörigen Eigenräume übereinstimmen.
Beweis. (a) Sei A zunächst normal und S = (N×N\{(0, 0)}, +) mit (n, m)∗ =
(m, n) wie in Beispiel I.2.4(c). Dann können wir durch π(n, m) := An (A∗ )m
eine Darstellung von S auf H definieren. Da S abelsch ist, zerfällt H gemäß
Satz I.3.9 in eine orthogonale direkte Summe von eindimensionalen invarianten
Unterräumen, insbesondere ist A diagonalisierbar und die Eigenräume bilden
eine orthogonale Zerlegung.
Ist dies umgekehrt für einen Operator A der Fall, so sehen wir mit Lemma
I.1.7(ii), daß A∗ ebenfalls diese orthogonale Zerlegung respektiert. Aus A.v = λv
und (λ1)∗ = λ1 folgt nun A∗ .v = λv . Damit gilt AA∗ = A∗ A, d.h., A ist
normal.
(b) Da die Zerlegung in Eigenräume orthogonal ist, ist A genau dann hermitesch
bzw. unitär, wenn dies für alle Einschränkungen auf die Eigenräume gilt. Hieraus
folgt die zweite Behauptung sofort.
(c) Daß A und B unter einem unitären Operator konjugiert sind, bedeutet, daß
die zugehörigen Darstellungen von S auf H äquivalent sind. Daher folgt die
Behauptung aus dem Klassifikationssatz I.3.9.
Wir können umgekehrt das Ergebnis aus Korollar I.3.10 auch wieder im
Rahmen der involutiven Halbgruppen interpretieren.
b ∼
Bemerkung I.3.11.
(a) Ist G = Z mit s∗ = −s, so ist G
= T: Sei dazu
χ: G → C ein von Null verschiedener Charakter, so folgt zunächst aus 0 + 0 = 0 ,
daß χ(0)2 = χ(0) gilt, also χ(0) ∈ {0, 1} . Aus χ(0) = 0 folgt χ = 0 , was wir
ausgeschlossen haben. Also ist χ(0) = 1 . Damit sind die von 0 verschiedenen
involutiven Homomorphismen χ: Z → C über χ(1) = z durch Zahlen z ∈ C mit
z = χ(1∗ ) = χ(−1) = z −1 gegeben. Hieraus folgt die Behauptung.
(b) Für S = (N, +) mit s∗ = s folgt analog Sb = R .
(c) Für S = (N × N \ {(0, 0)}, +) mit (n, m)∗ = (m, n) ergibt sich Sb = C ,
wobei wir der Zahl z ∈ C den Charakter χ mit χ(n, m) = z n z m zuordnen.
Man beachte, daß hier der Nullcharakter nicht ausgeschlossen ist, da S kein
Einselement besitzt.
22
I. Grundlegende Konzepte
15.2.2002
I.4. Die Kommutantenalgebra
Ist (π, H) eine Darstellung von S , so möchten wir insbesondere die Struktur der Menge der invarianten abgeschlossenen Unterräume von H verstehen.
Die Struktur dieser Menge spiegelt wesentlichen Eigenschaften der Darstellung
wider. Insbesondere ist π genau dann irreduzibel, wenn es {0} und H die
einzigen abgeschlossenen invarianten Unterräume sind. Aus Lemma I.2.6 wissen wir, daß ein abgeschlossener Unterraum E ⊆ H genau dann invariant ist,
wenn die orthogonale Projektion PE auf E mit π(S) vertauscht. Wir haben
also die Menge aller Orthogonalprojektionen zu studieren, die mit π(S) vertauschen. Diese Menge trägt die Struktur einer C ∗ -Algebra. Um damit umgehen
zu können, führen wir zuerst die notwendigen Begriffe ein.
Definition I.4.1.
(a) Ein komplexer Vektorraum A mit einer bilinearen
Abbildung A × A → A, (x, y) 7→ x · y heißt (assoziative) Algebra, wenn
(x · y) · z = x · (y · z)
(Assoziativgesetz) für x, y, z ∈ A gilt. Wir schreiben auch verkürzt xy für x · y .
(1) Eine Element 1 einer Algebra A heißt Einselement, wenn 1a = a1 = a für
alle a ∈ A gilt.
(2) Ein Element a einer Algebra A mit Einselement 1 heißt invertierbar, wenn
ein Element b ∈ A mit ab = ba = 1 existiert. Da b hierdurch eindeutig bestimmt
ist (Übung), nennen wir b das Inverse von a und schreiben dafür a−1 . Die Menge
A× der invertierbaren Elemente von A ist bzgl. der Multiplikation eine Gruppe
mit Einselement 1, die Einheitengruppe von A.
(b) Eine Algebra A, die gleichzeitig ein Banachraum ist, heißt Banachalgebra,
wenn
kabk ≤ kak · kbk
für a, b ∈ A gilt, d.h., die Norm ist submultiplikativ.
1
Jetzt bringen wir auch Involutionen ins Spiel.
Definition I.4.2. (a) Eine involutive Algebra A ist eine assoziative komplexe
Algebra, die zusätzlich mit einer Abbildung a 7→ a∗ versehen ist, die folgenden
Bedingungen genügt:
(1) (a∗ )∗ = a (Involutivität).
(2) (λa + µb)∗ = λa∗ + µb∗ (Antilinearität).
(3) (ab)∗ = b∗ a∗ (Antiautomorphie).
Insbesondere ist (A, ·, ∗) dann eine involutive Halbgruppe.
1
Die Theorie der Banachalgebren wurde in ihren Grundzügen 1941 in einer Arbeit von
I. M. Gelfand entwickelt.
I. Grundlegende Konzepte
23
(b) Ist (A, k · k) eine Banachalgebra und gleichzeitig eine involutive Algebra, so
daß ka∗ k = kak für alle a ∈ A gilt, so nennt man A eine Banach- ∗ -Algebra.
Gilt in einer Banach-∗-Algebra A sogar
kaa∗ k = kak2
für alle a ∈ A, so nennt man A eine C ∗ -Algebra. 2
b für die Menge
(c) Ist (A, ∗) eine kommutative involutive Algebra, so steht A
der von 0 verschiedenen linearen Charaktere von A, d.h. der Algebrahomomorb für die Menge
phismen A → C . Ist A sogar eine Banach-∗-Algebra, so steht A
der stetigen nicht verschwindenden linearen Charaktere. Das ist natürlich eine
mehrdeutige Notation, sie wird aber nicht zu Mißverständnissen führen. Man
kann sogar zeigen, daß alle Homomorphismen einer Banach- ∗ -Algebra nach C
automatisch stetig sind.
(d) Ein Element x einer involutiven Algebra A heißt
(1) normal, wenn xx∗ = x∗ x,
(2) hermitesch, wenn x = x∗ , und
(3) Projektion, wenn x2 = x = x∗ .
Diese Begriffsbildungen werden durch das folgende Beispiel gerechtfertigt.
Beispiel I.4.3. Ist H ein Hilbertraum und A ⊆ B(H) eine abgeschlossene ∗invariante Unteralgebra, so ist A eine C ∗ -Algebra. Insbesondere ist B(H) eine
C ∗ -Algebra (Lemma I.1.1).
Definition I.4.4.
Sei H ein Hilbertraum. Für eine Teilmenge S ⊆ B(H)
definieren wir den Kommutanten
S 0 := {A ∈ B(H): (∀B ∈ S)AB = BA}.
Lemma I.4.5. Für Teilmengen E, F ⊆ B(H) gilt:
(i) E ⊆ F 0 ⇔ F ⊆ E 0 .
(ii) E ⊆ E 00 .
(iii) E ⊆ F ⇒ F 0 ⊆ E 0 .
(iv) E 0 = E 000 .
(v) E = E 00 genau dann, wenn ein F mit E = F 0 existiert.
Beweis. (i) Das ist trivial.
(ii) Ist nach (i) äquivalent zu E 0 ⊆ E 0 , also auch trivial.
(iii) trivial.
(iv) Aus (ii) folgt zunächst E 0 ⊆ (E 0 )00 = E 000 . Andererseits folgt aus (ii) und
(iii) auch E 000 ⊆ E 0 .
(v) Gilt E = F 0 , so folgt E = E 00 aus (iv). Die Umkehrung ist trivial.
Die Theorie der C ∗ -Algebren wurde 1943 in durch eine Arbeit von Gelfand und Naimark
begründet. Allerdings enthielt die ursprüngliche Definition ein zusätzliches Axiom, nämlich daß
das Spektrum von Elementen der Gestalt a∗ a in [0, ∞] liegt. Kaplansky hat 1953 gezeigt,
daß diese Bedingung redundant ist.
2
24
I. Grundlegende Konzepte
15.2.2002
Wer sich an die Funktionalanalysis erinnert, wird feststellen, daß er Argumente wie oben schon mehrfach gesehen hat. Die Zuordnung E 7→ E ⊥ für
Teilmengen eines Hilbertraums genügt ähnlichen Gesetzen. Die abstrakte Version
einer solchen Zuordnung nennt man eine Galois-Verbindung, da sie in der Galoistheorie in Gestalt der Zuordnung von Unterkörpern und Fixgruppen auftritt.
Das Hauptproblem in so einer Galoisverbindung ist die Charakterisierung der
Fixpunkte, d.h. in unserem Fall der Teilmengen E ⊆ B(H) für die E = E 00 gilt.
Definition I.4.6.
Auf dem Raum der Operatoren B(H) auf einem Hilbertraum H definieren wir die schwache Operatortopologie τw als die initiale Topologie bzgl. der Abbildungen
fv,w : B(H) → C ,
A 7→ hA.v, wi,
v, w ∈ H.
Das ist die gröbste Topologie bzgl. der alle Abbildungen fv,w , v, w ∈ H , stetig
sind.
Wir definieren die starke Operatortopologie τs als die als die initiale Topologie bzgl. der Abbildungen
B(H) → H,
A 7→ A.v,
d.h. als die Topologie der punktweisen Konvergenz auf H .
Schreiben wir τn für die Normtopologie, so haben wir also 3 Topologien
auf B(H) mit
τn ⊇ τ s ⊇ τw .
Daß diese Topologien verschienden sind, wird in Aufgabe I.10 gezeigt. Wie bisher
beziehen wir uns auf die Normtopologie, falls nichs anderes gesagt wird.
Lemma I.4.7. Der Kommutant E 0 einer Teilmenge E ⊆ B(H)hat folgende
Eigenschaften:
(i) E 0 ist abgeschlossen bzgl. der schwachen Operatortopologie und eine Unteralgebra von B(H).
(ii) Ist E kommutativ, so auch E 00 .
(iii) Ist E invariant unter Adjunktion, so auch E 0 .
Beweis. (i) Seien v, w ∈ H und B ∈ E . Dann vertauscht A ∈ B(H) genau
dann mit B , wenn folgender Ausdruck für alle v, w ∈ H verschwindet:
h(AB − BA).v, wi = hAB.v, wi − hA.v, B ∗ .wi = fB.v,w (A) − fv,B ∗ .w (A).
Also ist
E0 =
\
ker(fB.v,w − fv,B ∗ .w )
v,w∈H,B∈E
und daher abgeschlossen in der schwachen Operatortopologie. Daß dieser Raum
eine Unteralgebra ist, rechnet man leicht nach.
(ii) Daß E kommutativ ist, heißt E ⊆ E 0 . Damit ist E 00 ⊆ E 0 und folglich
E 00 ⊆ E 000 . Also ist E 00 kommutativ.
(iii) Das ist eine triviale Rechnung.
25
I. Grundlegende Konzepte
Der folgende Satz charakterisiert diejenigen ∗-Unteralgebren A von B(H) ,
die mit ihren Bikommutanten A00 übereinstimmen als diejenigen, die bzgl. der
schwachen oder starken Operatortopologie abgeschlossen sind. Er ist ein zentrales Werkzeug der Darstellungstheorie auf Hilberträumen. Einen entsprechenden Satz gibt es auch im algebraischen Kontext der endlichdimensionalen Darstellungstheorie halbeinfacher Algebren.
Von Neumannscher Bikommutantensatz
Theorem I.4.8. Für eine ∗-Unteralgebra A ⊆ B(H) für die die Darstellung
auf H nicht entartet ist, haben wir
w
s
A = A = A00 .
Beweis.
Da A00 schwach abgeschlossen ist (Lemma I.4.7(i)), haben wir
s
w
A ⊆ A ⊆ A00 .
s
Wir haben also nur A00 ⊆ A zu zeigen. Wir werden hierzu zeigen, daß es für jede
endliche Menge v1 , . . . , vm in H und b ∈ A00 eine Folge an ∈ A mit an .vj → b.vj
für alle j gibt.
Zuerst zeigen wir, daß
(4.1)
b.v ∈ A.v
für alle v ∈ H gilt. Sei E := A.v . Dann ist E ein A-invarianter abgeschlossener
Unterraum, die Orthogonalprojektion PE vertauscht also mit A, d.h. PE ∈ A0
(Lemma I.2.6). Wegen b ∈ A00 vertauscht auch b mit PE , läßt also E invariant
(Lemma I.2.6). Da die Darstellung von A auf H nicht entartet ist, ist v ∈ E
(Satz I.2.12). Damit haben wir (4.1) gezeigt.
Sei nun H m die m -fache direkte Summe des Hilbertraums H mit sich
selbst. Wir definieren durch
ρ(a).(w1 , . . . , wm ) := (a.w1 , . . . , a.wm )
eine Darstellung ρ: B(H) → B(H m ) (vgl. Definition I.2.8). Die so erhaltene
Darstellung von A ist nicht entartet, denn gilt ρ(a).(w1 , . . . , wm ) = 0 für alle
a ∈ A , so ist A.wj = {0} für alle j , also wj = 0 (vgl. Satz I.2.12).
Wir zeigen nun
(4.2)
ρ(A00 ) ⊆ ρ(A)00 .
Sei dazu c ∈ ρ(A)0 . Wir schreiben pj : H m → H für die orthogonale Projektion
auf den j -ten Faktor. Aus Lemma I.3.5 folgt dann pj cp∗l ∈ A0 für alle Paare
(j, l) . Ist nun b ∈ A00 , so kommutiert b mit allen Operatoren pj cp∗l , und mit
c.w = c.(w1 , . . . , wm ) = p1 c.w, . . . , pm c.w) =
m
X
l=1
p1 cp∗l .wl , . . . , pn cp∗l .wl )
26
I. Grundlegende Konzepte
15.2.2002
erkennt man wie in Lemma I.3.5, daß ρ(b) mit c vertauscht. Also gilt ρ(A00 ) ⊆
ρ(A)00 .
Jetzt können wir zeigen, daß A stark dicht in A00 ist. Sei also b ∈ A00 und
v1 , . . . , vm ∈ H . Nach (4.2) ist ρ(b) ∈ ρ(A)00 ⊆ B(H m ) . Gemäß (4.1) ist also
ρ(b).v = (b.v1 , . . . , b.vm ) ∈ ρ(A).H m .
Es existiert also eine Folge (an )n∈N in A mit an .vj → b.vj für alle j = 1, . . . , m .
Damit ist die Behauptung gezeigt.
Definition I.4.9.
Eine Unteralgebra A ⊆ B(H) mit A = A00 heißt von
Neumann-Algebra auf H .
In der abstrakten Darstellungstheorie geht man nun wie folgt vor. Zunächst
sehen wir wegen π(S)0 = π(S)000 , daß die Algebra A := π(S)00 den gleichen
Kommutanten wie π(S) hat, also auch die gleichen Unterräume invariant läßt.
Um das Zerfallen einer Darstellung zu verstehen, reicht es also, von NeumannUnteralgebren A von B(H) zu studieren. Der Gewinn dieser Sichtweise liegt in
der Dualität zwischen den beiden von Neumann-Algebren A und A0 , die in einer
vollkommen symmetrischen Situation zueinander stehen.
Einerseits werden wir bald sehen, daß man kommutative Algebren gut in
den Griff bekommt, und andererseits ist es eine interessante Eigenschaft einer
Darstellung (π, H) , daß π(H)0 kommutativ ist. Man nennt π dann vielfachheitenfrei.
Bemerkung I.4.10.
Die zentrale Bedeutung des Kommutanten für die
Darstellungstheorie liegt darin, daß für eine ∗-invariante Teilmenge S ⊆ B(H)
die Menge der S -invarianten Unterräume genau den Orthogonalprojektionen im
Kommutanten S 0 entspricht (Lemma I.2.6).
Andererseits werden wir später als eine Anwendung des meßbaren Spektralkalküls sehen, daß für die Menge P(S 0 ) der Orthogonalprojektionen in S 0
die Beziehung P(S 0 )0 = S 00 und damit P(S 0 )00 = S 000 = S 0 gilt. Aus dem Bikommutantensatz folgt nun, daß die von P(S 0 ) erzeugte Unteralgebra von B(H) in
S 0 dicht bezüglich der schwachen und starken Operatortopologie ist. Im topologischen Sinn wird S 0 also von den Projektionen erzeugt.
Bemerkung I.4.11. (Der endlichdimensionale Fall) Sei (π, H) eine endlichdimensionale Darstellung. Ist π irreduzibel, so folgt π(S)0 = C 1 aus dem
Schurschen Lemma und daher
span π(S) = π(S)00 = (C 1)0 = B(H).
Ist H = K n eine direkte Summe von n Kopien einer irreduziblen Darstellung (ρ, K) , so ist π(s) = diag(ρ(s), . . . , ρ(s)) , wenn wir uns Operatoren
auf H = K n als Matrizen mit Einträgen in B(K) vorstellen. In der Tat ist
B(H) ∼
= Mn (B(K)) (Übung). Dann ist
span π(S) = diag(B(K)) = B(K)1 ⊆ Mn (B(K))
27
I. Grundlegende Konzepte
und daher
π(S)0 = (B(K)1)0 = Mn (C 1) ∼
= Mn (C ).
Der Kommutant besteht also aus allen Blockmatrizen in Mn (B(K)) , deren
Einträge komplexe Vielfache von 1 sind.
Nun betrachten wir den allgemeinen Fall:
nm
H∼
= K1n1 ⊕ . . . ⊕ Km
eine orthogonale direkte Summe, wobei die
nicht äquivalent und irreduzibel sind. Sei Hj
0
BS (Hi , Hj ) =
C1
Darstellungen (ρj , Kj ) paarweise
n
:= Kj j . Dann ist
für i 6= j
für i = j.
Aus Lemma I.3.5 erhalten wir
m
m
π(S)0 = BS (H, H) ∼
= ⊕m
i,j=1 BS (Hi , Hj ) = ⊕j=1 BS (Hj , Hj ) = ⊕j=1 Mnj (C ).
Hieraus wiederum können wir auch die Algebra π(S)00 = span π(S) bestimmen:
0
m
0
π(S)00 = ⊕m
j=1 BS (Hj , Hj ) = ⊕j=1 BS (Hj , Hj )
= ⊕m ρj (S)00 = ⊕m B(Kj ) ∼
= ⊕m Mdim K (C ).
j=1
j=1
j=1
j
Aufgaben zu Kapitel I
Aufgabe I.1. Sei X eine Menge und S := 2X mit AB := A ∩ B und A∗ = A .
(a) Klassifiziere für X = {0} alle Darstellungen der involutiven Halbgruppe S
auf H = C n bis auf unitäre Äquivalenz.
(b) Klassifiziere für X = {0, 1} alle Darstellungen der involutiven Halbgruppe S
auf H = C n bis auf unitäre Äquivalenz.
Aufgabe I.2. Für zwei Darstellungen (π, H) und (π 0 , H 0 ) einer involutiven
Halbgruppe gilt
BS (H, H 0 )∗ = BS (H 0 , H).
Insbesondere ist BS (H)∗ = BS (H) .
Aufgabe I.3. Ist A ∈ B(H) ein Operator auf dem Hilbertraum H und E ⊆ H
ein abgeschlossener Unterraum, der unter A und A∗ invariant ist, so gilt
(A |E )∗ = A∗ |E .
Aufgabe I.4. Sei (S, ∗) eine involutive Halbgruppe und 1 ∈ S ein Einselement. Zeige:
(1) 1∗ = 1.
(2) Ist χ: S → (C , ·) ein Halbgruppenhomomorphismus mit χ(S) 6= {0}, so ist
χ(1) = 1 .
28
I. Grundlegende Konzepte
15.2.2002
Aufgabe I.5. (Die bizyklische Halbgruppe) Finde eine involutive Halbgruppe
S mit folgender Eigenschaft: Für jeden Hilbertraum H entspricht die Menge
RepS (H) aller Darstellungen von S auf H genau der Menge aller Isometrien
von H .
Aufgabe I.6. Sei H ein Hilbertraum und PH := {P ∈ B(H): P = P 2 = P ∗ }
die Menge der Orthogonalprojektionen auf H . Zeige:
(1) Durch P ≤ Q :⇔ P = P Q wird eine partielle Ordnung auf PH definiert.
(2) Definieren wir P ⊥ := 1 − P , so erhalten wir eine involutive Abbildung
PH → PH mit P ≤ Q ⇐⇒ Q⊥ ≤ P > .
(3) P ≤ Q ⇔ R(P ) ⊆ R(Q) .
(4) (PH , ≤) ist ein vollständiger Verband, d.h. für jede Teilmenge M ⊆ PH
existiert ein Supremum.
Aufgabe I.7. Sei X eine Menge, G eine Gruppe und σ: G × X → X, (g, x) 7→
g.x eine Gruppenoperation von G auf X . Wir setzen (g.f )(x) := f (g −1 .x) für
f ∈ C X , x ∈ X und g ∈ G . Dann ist die Menge S := C X × G eine involutive
Halbgruppe bzgl.
(f, g)(f 0 , g 0 ) := (f · (g.f 0 ), gg 0 )
und
(f, g)∗ := (g −1 .f , g −1 ).
Aufgabe I.8. Sei H = l2 (Z, C ) , X = G := Z, T := {z ∈ C : |z| = 1} und
σ(g, x) := g + x. Auf S := TZ × Z ⊆ C Z × Z betrachten wir die involutive
Halbgruppenstruktur aus Aufgabe I.7. Zeige:
(1) Durch (f, g).(xn )n∈Z := (f (n)xn−g )n∈Z wird eine Darstellung von S auf H
definiert.
(2) Wir betrachten die Funktionen fθ : Z → T mit θ ∈ R und fθ (n) = eiθn . Für
s1 := (f, 1) und s2 := (1, 1) berechne man den Kommutator
π(s1 )π(s2 )π(s1 )−1 π(s2 )−1
und zeige, daß man so alle Elemente von T1 ⊆ U (H) erhält.
(3) Ist H ein n -dimensionaler Hilbertraum und g1 , g2 ∈ U (H) mit dem Kommutator
g1 g2 g1−1 g2−1 = z1,
so ist z n = 1. Es kann also nicht jede Zahl in T auftreten.
Aufgabe I.9. (Direkte Summen von Hilberträumen) Sei H ein P
Hilbertraum,
(Hj )j∈J eine Familie von abgeschlossenen Unterräumen für die
j Hj in H
dicht ist und Pj : H → Hj die zugehörigen Orthogonalprojektionen. Zeige:
L
(i) Φ: H → c
Hj , Φ(v) = (Pj (v))j∈J ist eine unitäre Abbildung.
j∈J
(ii) Ist A ∈ B(H) ein Operator, der alle Unterräume Hj invariant läßt, so
erhalten wir durch A |Hj := Pj APj∗ einen Operator auf Hj und es gilt
kAk = supj∈J kAj k.
29
I. Grundlegende Konzepte
Aufgabe I.10. (Operatortopologien) Wir betrachten den Hilbertraum H =
l2 (N, C ) mit den Standard-ONB (en )n∈N . Zeige:
(1) Durch An (x) := x1 en erhalten wir eine Folge in B(H) , die in der schwachen
Operatortopologie gegen 0 konvergiert, aber nicht in der starken.
(2) Durch An (x) := xn e1 erhalten wir eine Folge in B(H) , die in der starken
Operatortopologie gegen 0 konvergiert, aber nicht in der Normtopologie.
1
1
Aufgabe I.11. (a) Sei S eine involutive Halbgruppe
Pund l (S) := l (S, C ) der
Banachraum der Funktionen f : S → C mit kf k1 := g∈G |f (g)| < ∞. Zeige:
(1) l1 (S) ist eine Banach-∗-Algebra bzgl. dem Faltungsprodukt
(f ∗ g)(s) :=
X
f (s)g(b)
und
f ∗ (s) := f (s∗ ).
a,b=s
(2) Ist S = G eine Gruppe und g ∗ = g −1 , so heißt l1 (G) die Gruppenalgebra
der (diskreten) Gruppe G . Für die dreielementige Gruppe G = Z3 ist l1 (G)
keine C ∗ -Algebra. Hinweis: Betrachte das Element a = δ0 − δ1 − δ2 .
Aufgabe I.12. (Bikommutantensatz) Sei (π, H) eine irreduzible Darstellung
von S .
(1) Ist H endlichdimensional, so ist B(H) = span π(S) .
(2) Ist H unendlichdimensional, so ist span π(S) in der Regel nicht normdicht in
B(H) . Hinweis: Betrachte S = K(H) , die kompakten Operatoren auf H .
Aufgabe I.13. Sei H = l2 (N, C ) . Zeige: Die unitäre Gruppe U (H) ist nicht
stark abgeschlossen. Hinweis: Auf H = l2 (N, Z) betrachte man die Folge

 ej+1
An (ej ) = e1

ej
für j ≤ n
für j = n + 1
für j > n + 1.
Gegen welchen Operator A ∈ B(H) konvergiert die Folge (An )n∈N in der starken
Operatortopologie?
30
II. Spektralmaße
15.2.2002
II. Spektralmaße
In Abschnitt I.2 haben wir kurz diskutiert, daß für jede Menge X die
Menge 2X aller Teilmengen von X als eine involutive Halbgruppe aufgefaßt
werden kann, wenn wir A∗ = A und AB := A ∩ B setzen. Insbesondere
vererbt sich dies auf jedes durchschnittstabile System S von Teilmengen von
X . Für die Zwecke der Darstellungstheorie bietet dies allerdings zu wenig Struktur. Vielmehr möchte man Teilsysteme S ⊆ 2X anschauen, die nicht nur durchschnittstabil sind, sondern auch Ø enthalten und unter Komplementbildung und
abzählbaren Vereinigungen abgeschlossen sind. Dies führt zum maßtheoretischen
Begriff der σ -Algebra. Für eine σ -Algebra S betrachtet man nun Darstellungen, die zusätzlich eine Stetigkeitseigenschaft haben. Diese Darstellungen heißen
Spektralmaße und spielen in der Spektral- und Darstellungstheorie eine zentrale
Rolle.
II.1. Sigma-Algebren und Maße
Definition II.1.1. Sei X eine Menge.
(a) Eine Menge S von Teilmengen von X heißt σ -Algebra, wenn folgende
Bedingungen erfüllt sind:
(1) Ø ∈ S.
(2) X \ A ∈ S für A ∈ S (S ist abgeschlossen gegenüber Komplementbildung).
S∞
(3) j=1 Aj ∈ S für jede Folge (Aj )j∈N in S (S ist abgeschlossen gegenüber
abzählbaren Vereinigungen).
Man beachte, daß S wegen (2) und (3) auch abgeschlossen gegenüber abzählbaren Durchschnitten ist. Ist S eine σ -Algebra von Teilmengen von X , so nennt
man das Paar (X, S) einen Meßraum (Borel-Raum) und die Elemente von S
die meßbaren Mengen.
(b) Sind (X, S) und (X 0 , S0 ) Meßräume, so nennt man eine Abbildung f : X →
X 0 meßbar, wenn f −1 (S0 ) ⊆ S gilt, d.h. Urbilder meßbarer Mengen sind
meßbar. Man überlege sich, daß Kompositionen meßbarer Funktionen wieder
meßbar sind (Übung).
Definition II.1.2.
Sei (X, S) ein Meßraum.
II. Spektralmaße
31
(a) Ein positives Maß ist eine Funktion µ: S → [0, ∞] mit µ(Ø) = 0, die
abzählbar additiv ist, d.h. für jede disjunkte Folge (En )n∈N gilt
(4.1)
µ(
∞
[
En ) =
n=1
∞
X
µ(En ).
n=1
Ein positives Maß heißt Wahrscheinlichkeitsmaß, wenn µ(X) = 1 gilt.
(b) Ein Maßraum ist ein Tripel (X, S, µ) , wobei µ ein positives Maß ist.
(c) Ein komplexes Maß ist eine Funktion µ: S → C , die im Sinne von (4.1)
abzählbar additiv ist. Insbesondere verlangen wir also, daß µ(E) 6= ∞ für alle
E ∈ S gilt.
Lemma II.1.3. Sei (X, S, µ) ein Maßraum. Dann gelten folgende Aussagen:
(i) µ ist monoton, d.h. µ(E) ≤ µ(F ) für E ⊆ F in S.
S∞
(ii) Ist Ej ⊆ Ej+1 für alle j ∈ N , so gilt µ( j=1 Ej ) = limj→∞ µ(Ej ).
T∞
(iii) Ist Ej ⊇ Ej+1 für alle j ∈ N und µ(E1 ) < ∞, so gilt µ( j=1 Ej ) =
limj→∞ µ(Ej ).
Beweis. (i) Wir schreiben F = E ∪ (F \ E) und wenden µ an.
S∞
(ii) Sei E := j=1 Ej . Wir setzen E0 := Ø und Aj := Ej \ Ej−1 für j ∈ N .
S∞
Dann ist E = j=1 Aj und aus der abzählbaren Additivität folgt
µ(E) =
∞
X
µ(Aj ).
j=1
Weiter ist
µ(En ) = µ(An ) + µ(An−1 ) + . . . + µ(A1 )
und folglich µ(En ) → µ(E) .
(iii) S
Sei Cj := E1 \ Ej . Dann T
ist µ(Ej ) = µ(E1 ) − µ(Cj ) . Die Folge Cj wächst
mit j Cj = E1 \ E für E = j Ej . Aus (ii) folgt nun
lim µ(Ej ) = µ(E1 ) − lim µ(Cj ) = µ(E1 ) − µ(E1 \ E) = µ(E).
j
j
Beispiel II.1.4. (a) Setzen wir µ(E) := |E| für E ⊆ X , so erhalten wir ein
Maß auf S = 2X , das wir das Zählmaß nennen.
(b) Sei x ∈ X . Dann wird durch δx (E) := χE (x) ein Maß auf 2X definiert, das
wir Punktmaß in x nennen. Man nennt δx auch Dirac-Maß in x.
32
II. Spektralmaße
15.2.2002
L2 -Räume
Sei (X, S, µ) ein Maßraum und L1 (X, µ) der Vektorraum der komplexwertigen integrablen Funktionen, d.h. aller meßbarer Funktionen, für die
Z
kf k1 :=
|f (x)| dµ(x) < ∞
X
ist. Wir verwenden hier das übliche Lebesguesche Integralkonzept aus der
Maßtheorie, das über die Approximation einer meßbaren Funktion durch meßbare
Stufenfunktionen erklärt wird. Die Menge N der meßbaren Funktionen f : X →
C , die fast überall (also auf dem Komplement einer Menge vom Maß 0 ) verschwinden, ist ein Vektorraum, der insbesondere in L1 (X, µ) enthalten ist. Für
eine meßbare Funktion f : X → C schreiben wir [f ] := f + N für die Klasse von
f modulo N , d.h., wie identifizieren Funktionen, die fast überall gleich sind.
Für eine meßbare Funktion f : X → C definieren wir
kf k2 :=
Z
12
|f (x)|2 dµ(x)
X
und setzen
L2 (X, µ) := {f : kf k2 < ∞}.
Sind f, g ∈ L2 (X, µ) , so sind |f |2 , |g|2 ∈ L1 (X, µ) und somit auch (|f | + |g|)2,
denn (|f |+|g|)2 ≤ 2|f |2 +2|g|2 . Damit ist auch |f ||g| = 12 (|f |+|g|)2 −|f |2 −|g|2
in L1 (X, µ) , d.h. diese Funktion ist integrabel. Für f, g ∈ L2 (X, µ) definieren
wir nun
Z
hf, gi := µ(f g) =
f g dµ.
X
Dieser Ausdruck macht Sinn, da f g integrabel ist. Man prüft nun sofort nach,
daß hierdurch eine positiv semidefinite hermitesche Form auf L2 (X, µ) definiert
wird, und daß kf k22 = hf, f i gilt.
Mit N = {f ∈ L2 (X, µ): kf k2 = 0} wird
L2 (X, µ) := L2 (X, µ)/N
also zu einem Prä-Hilbertraum bzgl. h[f ], [g]i := hf, gi (Übung). Wir zeigen
nun, daß dieser Raum schon vollständig ist.
Theorem II.1.5. (i) L2 (X, µ) ist ein Hilbertraum.
(ii) Die integrablen Stufenfunktionen liegen dicht in L2 (X, µ).
Beweis. (i) Sei ([fn ])n∈N eine Cauchy-Folge in L2 (X, µ) . Wir finden nun eine
Teilfolge (fnk )k∈N mit
1
kfnj − fnj+1 k2 ≤ j
2
33
II. Spektralmaße
Pk
P∞
für j ∈ N . Wir setzen gk := j=1 |fnj+1 − fnj | und g := j=1 |fnj+1 − fnj |.
Dann ist kgk k2 ≤ 1 für alle k . Wenden wir nun Fatous Lemma auf die Folge
|gk |2 an, so erhalten wir
µ(g 2 ) = µ( lim gk2 ) ≤ lim µ(gk2 ) ≤ 1.
k→∞
k→∞
Insbesondere ist also g ∈ L2 (X, µ) und daher µ(M ) = 0 für die Menge
M := {x ∈ X: |g(x)| = ∞}.
Für x ∈ X \ M konvergiert die Reihe
fn1 (x) +
∞
X
j=1
fnj+1 (x) − fnj (x)
also absolut. Wir definieren die meßbare Funktion f durch den Grenzwert dieser
Reihe für x ∈ X \ M und setzen f (x) = 0 für x ∈ M . Aus
fnk (x) = fn1 (x) +
k
X
j=1
fnj+1 (x) − fnj (x)
folgt nun f (x) = limk→∞ fnk (x) für x 6∈ M .
Wir zeigen f ∈ L2 (X, µ) . Zu ε > 0 finden wir ein Nε ∈ N mit
kfn − fm k2 < ε
für
n, m > Nε .
Für jedes m > Nε erhalten wir mit Fatous Lemma:
Z
Z
2
|f − fm | dµ(x) ≤ lim inf
|fnk − fm |2 dµ(x) ≤ ε2 .
X
k→∞
X
Damit ist f − fm ∈ L2 (X, µ) , also auch f ∈ L2 (X, µ) . Weiter sehen wir, daß
kf − fm k2 ≤ ε gilt. Also gilt [fm ] → [f ] in L2 (X, µ) und die Behauptung ist
bewiesen.
(ii) Sei f ∈ L2 (X, µ) , Mn := P
{x ∈ X: 2n ≤ |f (x)| ≤ 2n+1 } für n ∈ Z, sowie
fn := f · χMn . Dann ist f = n∈Z fn eine orthogonale Zerlgung in L2 (X, µ)
und wegen
X
kf k22 =
kfn k22
n∈Z
(Satz von der monotonen Konvergenz) konvergiert die Reihe in L2 (X, µ) . Weiter
erhalten wir mit
Z
n
2 µ(Mn ) ≤
|f (x)|2 dµ(x) ≤ kf k22
Mn
die Ungleichung µ(Mn ) ≤ kf k22 2−n < ∞. Wir haben also nur noch zu zeigen,
daß sich die beschränkten Funktionen fn auf Mengen endlichen Maßes in der
L2 -Norm durch Stufenfunktionen approximieren lassen.
34
II. Spektralmaße
15.2.2002
Sei f : X → C beschränkt und meßbar, wobei das Maß der Menge f −1 (C × )
endlich ist. Wegen f = Re f + i Im f dürfen wir annehmen, daß f reellwertig
ist. Zu ε > 0 und n ∈ Z sei Mn := {x ∈ X: nε ≤ f (x) < (n + 1)ε} und
X
fε :=
εnχMn .
n∈Z
Da wegen der Beschränktheit von f nur endlich viele der Mengen Mn nicht leer
sind, ist obige Summe endlich und für n 6= 0 ist das Maß der Menge Mn endlich.
Wegen
X
ε2 n2 µ(Mn ) < ∞
kfε k2 =
n∈N
2
ist fε ∈ L (X, µ) . Weiter ist kf − fε k∞ < ε und daher
kf − fε k22 ≤ kf − fε k2∞ µ({x ∈ X: f (x) 6= 0}) ≤ ε2 µ({x ∈ X: f (x) 6= 0}).
Hieraus folgt, daß die Stufenfunktionen in L2 (X, µ) dicht liegen.
Korollar II.1.6. Gilt [fn ] → [f ] in L2 (X, µ), so existiert eine meßbare Menge
M ⊆ X mit µ(M ) = 0 und eine Teilfolge (fnk )k∈N , so daß
lim fnk (x) = f (x)
k→∞
für alle x ∈ X \ M gilt.
Beweis. Das folgt sofort aus dem Beweis von Theorem II.1.5.
Beispiel II.1.7.
Ist µ das Zählmaß auf der Menge X , so ist
X
L2 (X, µ) ∼
|f (x)|2 .
= l2 (X, C ) und kf k22 =
x∈X
II.2. Spektralmaße
Definition II.2.1.
Sei H ein Hilbertraum und
PH := {P ∈ B(H): P = P 2 = P ∗ }
die Menge aller Orthogonalprojektionen auf H . Weiter sei (X, S) ein Meßraum.
Eine Abbildung P : S → PH heißt Spektralmaß, wenn gilt:
(S1) P (X) = 1.
(S2) Ist (Ej )j∈N eine disjunkte Folge in S, so gilt punktweise P (∪j Ej ) =
P
S∞
P∞
j P (Ej ) , d.h., für alle v ∈ H ist P ( j=1 Ej ).v =
j=1 P (Ej ).v.
Aus diesen Bedingungen folgt insbesondere, daß wir für jedes v ∈ H durch
P v (E) := hP (E).v, vi = kP (E).vk2 ein positives Maß auf (X, S) erhalten.
Ist (X, S) ein Meßraum, so ist S eine involutive Halbgruppe bzgl. A·B :=
A ∩ B und A∗ := A. In Satz II.2.3 werden wir sehen, daß jedes Spektralmaß
insbesondere eine Darstellung der involutiven Halbgruppe (S, ∗) ist, die gewisse
zusätzliche Bedingungen erfüllt.
Das folgende Lemma beschreibt eine typische Situation, in der Spektralmaße auftreten.
35
II. Spektralmaße
Lemma II.2.2. Sei (X, S, µ) ein Maßraum und H := L2 (X, µ). Für E ∈ S
definieren wir einen Operator auf H durch P (E).[f ] := [χE f ]. Dann wird durch
P ein Spektralmaß definiert.
Beweis. Wegen kχE f k2 ≤ kf k2 ist χE f ∈ L2 (X, µ) , wenn dies für f der Fall
ist. Damit ist P (E) wohldefiniert auf L2 (X, µ) und ein beschränkter Operator.
Für f, h ∈ L2 (X, µ) haben wir
hP (E).[f ], [h]i = hχE f, hi = µ(χE f h) = hf, χE hi = h[f ], P (E).[h]i
und wegen χ2E = χE gilt P (E)2 = P (E) . Also ist P (E) ∈ PH .
Es ist klar, daß P (X) = 1 gilt. Sei nun (Ej )j∈N eine disjunkte Folge in
Sk
S∞
X . Wir setzen Fk := j=1 Ej und F := j=1 Ej . Dann ist
kP (F ).f − P (Fk ).f k2 = kP (F \ Fk ).f k2 = µ(χF \Fk |f |2 ) → 0
nach dem Satz über die majorisierte Konvergenz. Also gilt punktweise
P (F ) = lim P (Fk ) =
k→∞
∞
X
P (En ),
n=1
und das zeigt die Behauptung.
Satz II.2.3. Sei P : S → PH ein Spektralmaß auf H . Dann gelten folgende
Aussagen:
(i) P (Ø) = 0.
(ii) P (E ∪ F ) + P (E ∩ F ) = P (E) + P (F ).
(iii) P (E ∩ F ) = P (E)P (F ) = P (F )P (E). Insebesondere ist die Menge P (S)
kommutative und P : (S, ∩) → B(H) ist eine Darstellung involutiver Halbgruppen.
(iv) Ist Ej ⊆ Ej+1 für alle j ∈ N , so gilt punktweise
P(
∞
[
j=1
Ej ) = lim P (Ej )
j→∞
(v) Ist Ej ⊇ Ej+1 für alle j ∈ N , so gilt punktweise
P(
∞
\
j=1
Ej ) = lim P (Ej ).
j→∞
Beweis. (i) Aus 1 = P (X ∪ Ø) = P (X) + P (Ø) = 1 + P (Ø) folgt P (Ø) = 0.
(ii) Wir schreiben
F ∪ E = (E ∩ F ) ∪ (F \ E) ∪ (E \ F )
36
II. Spektralmaße
15.2.2002
und F = (F ∩ E) ∪ (F \ E) . Dann ist zunächst P (F ) = P (E ∩ F ) + P (F \ E)
und damit
P (E ∪ F ) = P (E ∩ F ) + P (F ) − P (E ∩ F ) + P (E) − P (E ∩ F )
= P (E) + P (F ) − P (E ∩ F ).
(iii) Wir nehmen zunächst an, E und F seien disjunkt. Dann ist
P (E) + P (F ) = P (E ∪ F ) = P (E ∪ F )2
= P (E)2 + P (F )2 + P (E)P (F ) + P (F )P (E)
= P (E) + P (F ) + P (E)P (F ) + P (F )P (E),
also
P (E)P (F ) = −P (F )P (E).
(2.1)
Multiplizieren wir (2.1) von links bzw. rechts mit P (E) , so erhalten wir
P (E)P (F ) = −P (E)P (F )P (E) = P (F )P (E).
Mit (2.1) ergibt sich daher
P (E)P (F ) = P (F )P (E) = 0.
Seien nun E und F beliebig in S. Aus obigen Vorbemerkungen erhalten
wir dann
P (E)P (F ) = (P (E ∩ F ) + P (E \ F ))(P (F ∩ E) + P (F \ E))
= P (E ∩ F )P (F ∩ E) = P (E ∩ F ).
(iv), (v) Das zeigt man analog zu Lemma II.1.3(ii), (iii).
Korollar II.2.4.
v
P (
∞
[
j=1
Ist (Ej )j∈N eine disjunkte Folge in S, so gilt
Ej ) = kP (
∞
[
j=1
2
Ej ).vk =
∞
X
j=1
2
kP (Ej ).vk =
∞
X
P v (Ej ).
j=1
Beweis.
P Wegen der Definition eines Spektralmaßes können wir die linke Seite
als k j P (Ej ).vk2 schreiben. Wegen Satz II.2.3(ii) sind die Summanden paarweise orthogonal. Hieraus folgt die Behauptung.
37
II. Spektralmaße
b j∈J Hj eine direkte
Beispiel II.2.5. (Diskrete Spektralmaße) (a) Sei H = ⊕
Hilbertraumsumme. Für jede Teilmenge I ⊆ P
J definieren wir P (I) ∈ PH als
J
die Orthogonalprojektion auf den Unterraum
j∈I Hj . Dann ist P : 2 → PH
ein Spektralmaß.
Da sich jedes v ∈ H als abzählbare orthogonale Summe
P
v = j∈J vj schreiben läßt, gilt für jede Teilmenge I ⊆ J :
P v (I) =
X
X
P v ({j}) =
j∈I
kvj k2 ,
j∈I
wobei diese Summe abzählbar ist. Jedes der Maße P v ist also eine abzählbare
Linearkombination von Punktmaßen mit der Masse kvj k2 im Punkt j .
(b) Sei umgekehrt X eine Menge und P : 2X → PH ein Spektralmaß mit
(2.2)
kvk2 = P v (X) =
X
P v ({x})
x∈X
für alle v ∈ H . Für jedes x ∈ X erhalten wir dann einen abgeschlossenen
Unterraum Hx := R(P ({x})) ⊆ H , und wegen P (x)P (X \ {x}) = 0 bilden
diese Unterräume ein orthogonales System. Gemäß unserer Voraussetzung gilt
für jedes v ∈ H :
X
X
kvk2 =
P v ({x}) =
kP ({x}).vk2 .
x∈X
x∈X
P
P
Also ist v ∈ x∈X Hx . Hieraus folgt, daß x∈X Hx in H dicht ist, und somit
b x∈X Hx (Übung). Wir haben also
H isomorph zur direkten Hilbertraumsumme ⊕
P
genau die Situation aus (a), denn aus (2.2) folgt P (I) = x∈I P ({x}) für alle
Teilmengen
I ⊆ X , wobei die rechte Seite die Projektion auf den Unterraum
P
x∈I Hx ist.
Definition II.2.6.
Sei (X, S) ein meßbarer Raum und S0 ⊆ S ein Teilsystem, das abgeschlossen ist unter abzählbaren Vereinigungen, so daß mit einer
Menge E auch deren Teilmengen, die in S liegen, zu S0 gehören.
Sei L∞ (X, S0 ) die Algebra der beschränkten meßbaren Funktionen auf X .
Wir definieren
kf k∞ := inf{C ≥ 0: (∃M ∈ S0 )(∀x ∈ X \ M ) |f (x)| ≤ C}.
Man überzeugt sich nun davon, daß kaf k∞ = |a|kf k∞ für a ∈ C gilt, sowie
kf + gk∞ ≤ kf k∞ + kgk∞ . Daher ist N := {f ∈ L∞ (X, S0 ): kf k∞ = 0} ein
Untervektorraum, und
L∞ (X, S0 ) := L∞ (X, S0 )/N
wird zu einem normierten Raum. Nun überlegt man sich, daß in diesem Raum für
jede Cauchy-Folge [fn ] eine Menge M ∈ S0 so existiert, daß die Folge (fn )n∈N
auf X \ M gleichmäßig gegen eine meßbare Funktion f konvergiert. Modifiziert
38
II. Spektralmaße
15.2.2002
man die Funktionen dieser Folge zu 0 auf M , so erhält man [f ] ∈ L∞ (X, S0 ) .
Also ist L∞ (X, S0 ) ein Banachraum. Genauso wie im Beweis von Theorem II.1.5
sieht man, daß die Stufenfunktionen in L∞ (X, S0 ) einen dichten Unterraum
bilden.
Der Raum L∞ (X, S0 ) trägt noch mehr Strukturen. Zum einen haben
wir die Multiplikation [f ] · [g] := [f g] (das Produkt ist wohldefiniert) und die
Involution [f ]∗ := [f ∗ ] mit f ∗ (x) = f (x) . Von nun an schreiben wir auch f statt
[f ], wobei wir uns die Elemente von L∞ (X, S0 ) immer als Äquivalenzklassen von
Funktionen vorstellen. Weiter gilt kf k2∞ = kf f ∗ k∞ = k|f |2 k∞ , woraus folgt, daß
L∞ (X, S0 ) eine kommutative C ∗ -Algebra ist.
Wichtige Beispiele für Systeme S0 erhält man, wenn P ein Spektralmaß
auf (X, S) ist und S0 = {E ∈ S: P (E) = 0}. Wir definieren entsprechend
L∞ (X, P ) := L∞ (X, S0 ).
Ist µ ein Maß auf X und S0 = {E ∈ S: µ(E) = 0} , so setzen wir
L∞ (X, µ) := L∞ (X, S0 ).
Die Elemente dieses Raums nennt man (den Übergang zu Äquivalenzklassen
vernachlässigend) wesentlich beschränkte Funktionen. Die Norm auf diesem
Raum ist so gemacht, daß sie sich nicht ändert, wenn man die Funktion auf
µ-Nullmengen abändert. Das ist für die gewöhnliche sup-Norm natürlich nicht
der Fall.
Satz II.2.7.
Sei P : S → PH ein Spektralmaß auf X und
S0 ⊆ {E ∈ S: P (E) = 0}
wie in Definition II.2.6. Dann existiert genau eine stetige lineare Abbildung
P : L∞ (X, S0 ) → B(H),
genannt das Spektralintegral, mit P (χE ) = P (E) für E ∈ S. Diese Abbildung
erfüllt
(2.3)
P (f )∗ = P (f ),
P (f g) = P (f )P (g)
und
kP (f )k ≤ kf k∞ ,
d.h. (P, H) ist eine Darstellung der C ∗ -Algebra L∞ (X, S0 ).
Beweis. (1) Durch P (χE ) := P (E) wird P zunächst auf allen charakteristischen Funktionen definiert. Aus der endlichen Additivität von P erhalten wir
P (χE ) =
n
X
P (χEj ),
j=1
wenn E = E1 ∪ . . . ∪ En eine disjunkte Zerlegung ist.
39
II. Spektralmaße
Ist nun f : X → C eine meßbare Stufenfunktion, so schreiben wir f =
−1
α
(αj ) , αj ∈ C , paarweise verschieden. Dann bilden die
j j χAj mit Aj = f
engen Aj eine Partition von X in meßbare Teilmengen, und wir definieren
P
P (f ) :=
X
αj P (χAj ) =
j
X
αj P (Aj ).
j
Sei S(X, S) der Raum der meßbaren Stufenfunktionen. Durch obige Definition
erhalten wir eine Abbildung
P : S(X, S) → B(H).
P
(2) Ist f = k βk χBk eine andere Darstellung von f als Linearkombination von
charakteristischen Funktionen, die zu paarweise disjunkten Mengen gehören, so
erhalten wir eine Darstellung
f=
X
βk χBk ∩Aj .
k,j
Einschränkung auf Aj liefert βk = αj falls Bk und Aj sich schneiden. Hieraus
ergibt sich
X
k
βk P (Bk ) =
X
βk P (Bk ∩ Aj ) =
k,j
X
αj P (Bk ∩ Aj ) =
X
αj P (Aj ).
j
k,j
Das Integral hängt also nicht von der konkreten Darstellung von f ab.
(3) Der Vorteil von (2) besteht darin, daß man für zwei Stufenfunktionen f
und g endlich viele paarweise disjunkte
An findet, so daß beide
P Mengen A1 , . . . ,P
Linearkombinationen der Form f = j αj χAj and g = j βj χAj sind. Hieraus
ergibt sich sofort
P (f + g) = P (f ) + P (g).
Da P (λf ) = λP (f ) sofort aus (1) folgt, ist die Abbildung P : S(X, S) → B(H)
linear.
Weiter gilt
P (f )∗ =
X
αj P (Aj )∗ =
j
X
αj P (Aj ) = P (f )
j
und wegen Satz II.2.3
P (f )P (g) =
X
αj P (Aj )
X
αj βk P (Aj ∩ Ak ) =
j
=
j,k
X
βk P (Ak ) =
k
X
αj βk P (Aj )P (Ak )
j,k
X
j
αj βj P (Aj ) = P (f g).
40
II. Spektralmaße
15.2.2002
(4) (Stetigkeit von P ) Für v ∈ H und disjunkte Mengen A1 , . . . , An in S haben
wir
[
X
kvk2 ≥ kP ( Aj ).vk2 =
kP (Aj ).vk2
j
j
(Korollar II.2.4), und daher
kP (f ).vk2 = k
X
αj P (Aj ).vk2 =
j
≤
X
|αj |2 kP (Aj ).vk2
j
kf k2∞
X
2
kP (Aj ).vk ≤ kf k2∞ kvk2 .
j
Hier haben wir verwendet, daß P (Aj ) = 0 ist, wenn |αj | > kf k∞ gilt. Wir haben
damit gezeigt, daß kP (f )k ≤ kf k∞ gilt, und aus der Dichtheit von S(X, µ) in
L∞ (X, S0 ) folgt zunächst, daß wir P zu einer stetigen linearen Abbildung
P : L∞ (X, S0 ) → B(H)
fortsetzen können. Aus Stetigkeitsgründen gilt (2.3) auch für diese Fortsetzung.
Für kf k∞ = 0 ist P (f ) = 0 , so daß P weiter über eine stetige lineare Abbildung
P : L∞ (X, S0 ) → B(H)
mit den gewünschten Eigenschaften faktorisiert.
Bemerkung II.2.8.
Ist P ein Spektralmaß auf (X, S) , so erhalten wir für
v
jedes v ∈ H ein Maß P auf (X, S) . Für jede meßbare Funktion f ∈ L∞ (X, P ) ,
d.h. für S0 := {E ∈ S: P (E) = 0} erhalten wir die folgenden Beziehungen
Z
Z
v
2
(2.4) hP (f ).v, vi =
f (x) dP (x) und kP (f ).vk =
|f (x)|2 dP v (x).
X
X
v
zwischen gewöhnlichen Integralen bzgl. dem Maß P und dem Spektralintegral
der Funktion f .
Ist f = χE eine charakteristische Funktion, so ist (2.4) die Definition des
Maßes P v . Aus der Linearität beider Seiten in f ergibt sich sofort (2.4) für
meßbare Stufenfunktionen. Wegen
Z
Z
v
f (x) dP (x) ≤
|f (x)| dP v (x) ≤ kf k∞ P v (X) = kf k∞ kvk2
X
X
ist auch die rechte Seite von (2.4) stetig in f , so daß (2.4) für allgemeine Elemente
von L∞ (X, P ) durch Approximation durch Stufenfunktionen folgt.
Aus (2.4) erhalten wir weiter
P P (f ).v (E) = hP (E)P (f ).v, P (f ).vi = hP (f )P (E)P (f ).v, vi
Z
2
= hP (|f | χE ).v, vi =
|f |2 dP v ,
E
woraus sich die Relation
(2.5)
P P (f ).v = |f |2 P v
im Sinne von Maßen mit Dichten ergibt.
41
II. Spektralmaße
Beispiel II.2.9. Sei (X, S, µ) ein Maßraum und H := L2 (X, µ) der zugehörige
L2 -Raum. In Lemma II.2.2 haben wir gesehen, daß durch P (E).[f ] = [χE f ] ein
Spektralmaß P : S → B(H) definiert wird.
Mit S0 := {E ∈ S: µ(E) = 0} definieren wir
L∞ (X, µ) := L∞ (X, S0 ).
Da die Multiplikationsabbildung
L∞ (X, µ) × L2 (X, µ) → L2 (X, µ),
[h] · [f ] := [h · f ]
wegen khf k2 ≤ khk∞ kf k2 stetig ist, erhalten wir P (h).[f ] = [h · f ] für alle
h ∈ L∞ (X, µ) , da diese Beziehung für alle meßbaren Stufenfunktionen gilt. Das
Spektralintegral einer Funktion ist also ein Multiplikationsoperator.
Unitäre Darstellungen von (R, +)
Der folgende Satz läßt schon ahnen, warum Spektralmaße von großer Bedeutung für die Darstellungen der Gruppe R sind.
Theorem II.2.10.
Sei P : S → PH ein Spektralmaß und f : X → R eine
meßbare Funktion. Für t ∈ R sei et (x) := etif (x) . Dann wird durch
π(t) := P (et ) = P (eitf )
eine unitäre Darstellung π: R → U (H) definiert, so daß für alle v ∈ H die
Abbildung
R → C , t 7→ hπ(t).v, vi
stetig ist.
Beweis. Aus Satz II.2.7 folgt mit keitf k∞ = 1, daß π(t) ein beschränkter
Operator ist, und daß
π(t)π(s) = P (et )P (es ) = P (et es ) = P (et+s ) = π(t + s)
gilt. Also ist π ein Gruppenhomomorphismus und wegen
π(t)π(t)∗ = P (et et ) = P (et e−t ) = P (1) = 1 = π(t)∗ π(t)
ist π eine unitäre Darstellung.
Sei nun v ∈ H . Dann sehen wir mit Bemerkung II.2.9, daß die Funktion
Z
R → C , t 7→ hπ(t).v, vi = hP (et ).v, vi =
eitf (x) dP v (x)
X
wegen dem Satz über die majorisierte Konvergenz stetig.
42
II. Spektralmaße
15.2.2002
Bemerkung II.2.11.
Ist π wie oben, so ist klar, daß all die Operatoren
P (E) , E ∈ S, in der Algebra BR (H) liegen, d.h. mit π(R) kommutieren.
Beispiel II.2.12. Man beachte, daß Theorem II.2.10 insbesondere im Fall
X = R , S = B(R) (die σ -Algebra der Borelmengen auf R ) und f (x) = x
anwendbar ist.
Sei zum Beispiel µ ein Borelmaß auf R und H = L2 (R, µ) wie in Lemma
II.2.2. Dann erhalten wir eine unitäre Darstellung auf L2 (R, µ) durch
π(t)[f ] = [et f ],
wobei et (x) = eitx ist (Übung).
Nun stellt sich natürlich auch die umgekehrte Frage, nämlich wann man
eine unitäre Darstellung von R so wie in Theorem II.2.10 schreiben kann.
Zunächst folgt aus der Stetigkeit von P für den Fall f ∈ L∞ (X, µ)
∞
∞
X
X
1
1
k
P (itf ) =
(itP (f ))k = eitP (f ) .
π(t) = P (et ) =
k!
k!
k=0
k=0
Durch Ableiten nach t erhält man
1
π(t) − 1 .
t→0 t
iP (f ) = lim
Um zu einer unitären Darstellungen (π, H) von R ein Spektralmaß zu finden,
wird man nun versuchen, an den Operator A heranzukommen, der durch
A.v :=
1
1
lim π(t).v − v
i t→0 t
definiert wird, sobald die rechte Seite definiert ist. Das Spektralmaß wird man
dann über das “Spektrum” des “unbeschränkten” Operators A erhalten. Das
Spektralmaß von A wird ein Spektralmaß auf (R, B(R)) mit A = P (idR ) sein.
Um dem einen Sinn zu geben, benötigt man Spektralintegrale unbeschränkter
Operatoren. Diesen Problemen werden wir uns in einem späteren Abschnitt
zuwenden.
Bemerkung II.2.13.
(a) In Mackeys Büchern (vgl. [Ma76, p.93]) taucht
der Begriff des projektionswertigen Maßes auf. Ist (X, S) ein meßbarer Raum
(Borel-Raum) und H ein Hilbertraum, so heißt eine Zuordnung P : S → PH ein
projektionswertiges Maß, wenn folgenden Bedingungen erfüllt sind:
(1) H ist separabel.
(2) P (Ø) = 0, P (X) = 1.
(3) P (E ∩ F ) = P (E)P (F ) .
S∞
P∞
(4) P ( j=1 Ej ) = j=1 P (Ej ) punktweise für jede disjunkte Folge (Ej )j∈N
von Mengen in S.
II. Spektralmaße
43
Es ist klar, daß jedes projektionswertige Maß ein Spektralmaß ist, und
mit Satz II.2.3 sehen wir auch, daß jedes Spektralmaß auf einem separablen
Hilbertraum ein projektionswertiges Maß ist.
(b) Bei Rudin ([Ru73]) gibt es den Begriff der Resolution der Eins (Resolution
of the identity). Hier werden folgende Eigenschaften verlangt:
(1) P (Ø) = 0, P (X) = 1.
(2) P (E ∩ F ) = P (E)P (F ) .
(3) Falls E ∩ F = Ø, dann ist P (E ∪ F ) = P (E) + P (F ).
(4) Die Zuordnungen P v : E 7→ hP (E).v, vi, v ∈ H , definieren Maße auf X .
Wir haben schon gesehen, daß all diese Eigenschaften für Spektralmaße
erfüllt sind. Andererseits wird in [Ru73, Prop. 12.18] gezeigt, daß umgekehrt
jede Resolution der Eins auch ein Spektralmaß definiert.
Aufgaben zu Kapitel II
Aufgabe II.1. Sei H = L2 ([0, 1], C ) und K: [0, 1]2 → C stetig. Wir betrachten den zugehörigen Kernoperator
TK (f )(x) :=
Z
1
K(x, y)f (y) dy.
0
Zeige:
(1) Durch obige Formel wird ein stetiger Operator TK auf H definiert.
∗
(2) TK
= TK ∗ mit K ∗ (x, y) := K(y, x) .
(3) Wann ist TK hermitesch?
Aufgabe II.2. (a) Sei J eine Menge. Dann ist die Algebra l∞ (J, C ) bzgl.
der punktweisen Multiplikation, der Supremumsnorm kxk∞ = supj∈J |xj | und
(xj )∗ = (xj ) eine C ∗ -Algebra.
(b) Ist (X, S) ein Meßraum, so ist die Algebra L∞ (X, S) der meßbaren beschränkten Funktionen auf X eine C ∗ -Algebra.
(c) Ist X ein topologischer Raum, so ist die Algebra BC(X) der beschränkten
stetigen Funktionen X → C eine C ∗ -Algebra bzgl. k · k∞ , f ∗ (x) = f (x) und
punktweiser Multiplikation. Ordnet sich (a) dem Punkt (c) unter?
(d) Sei X ein lokalkompakter Raum und C0 (X) := C0 (X, C ) die Menge aller
stetiger Funktionen f : X → C für die zu jedem ε > 0 eine kompakte Teilmenge
Kε ⊆ X mit |f (x)| ≤ ε für x 6∈ Kε existiert. Dann ist jedes Element von C0 (X)
beschränkt und C0 (X) ist eine C ∗ -Unteralgebra von BC(X) .
Aufgabe II.3. (Konkrete Kommutanten) Sei (X, S, µ) ein Maßraum und
H := L2 (X, µ) der zugehörige Hilbertraum. Wir nehmen µ(X) < ∞ an. Zeige:
(1) Durch π: L∞ (X, µ) → B(L2 (X, µ)), π(f ).h = f h erhalten wir eine Darstellung der C ∗ -Algebra L∞ (X, µ) auf H .
44
II. Spektralmaße
15.2.2002
(2) kπ(f )k = kf k∞ , d.h. π ist isometrisch.
(3) 1 ∈ L2 (X, µ) ist ein zyklischer Vektor für π .
(4) Ist B ∈ π(A)0 , dem Kommutanten, so gilt
(a) B(h) = B(1)h für alle f ∈ L2 (X, µ) . Hinweis: Verifiziere dies zunächst
für beschränkte h .
(b) B(1) ist beschränkt. Hinweis: Wende B auf charakteristische Funktionen der Mengen En := {x ∈ X: n ≤ |B(1)|(x) ≤ n + 1} an.
(5) π(A) = π(A)0 = π(A)00 .
Aufgabe II.4. Sei (X, S) ein Meßraum und S0 ⊆ S ein Teilsystem mit den
Eigenschaften:
(1) A ∈ S0 , B ∈ S: B ⊆ A ⇒ B ∈ S0 und
S
(2) (An )n∈N ∈ S0 ⇒ n An ∈ S0 .
Wir definieren nun L∞ (X, S0 ) wie in der Vorlesung. Zeige:
(a) L∞ (X, S0 ) ist ein Banachraum.
(b) L∞ (X, S0 ) ist eine C ∗ -Algebra.
Aufgabe II.5. (U (H) als topologische Gruppe) Sei H ein Hilbertraum. Zeige:
(1) Auf B(H) ist die Involution A 7→ A∗ stetig bzgl. der schwachen Operatortopologie.
(2) Auf jeder beschränkten Teilmenge K ⊆ B(H) ist die Multiplikation
(A, B) 7→ AB
stetig bzgl. der starken Operatortopologie.
(3) Auf der Einheitssphäre S := {x ∈ H: kxk = 1} stimmt die Normtopologie
mit der schwachen Topologie überein.
(4) Auf der unitären Gruppe U (H) stimmen die schwache und die starke Operatortopologie überein.
(5) Die Inversion und die Multiplikation der Grupp U (H) sind stetig bzgl. der
starken (=schwachen) Operatortopologie auf U (H) .
Aufgabe II.6. (Einparametergruppen von U (H) )
(1) Sei A = A∗ ∈ B(H) ein hermitescher Operator. Durch γA (t) := eitA wird
ein normstetiger Gruppenhomomorphismus (R, +) → U (H) definiert.
(2) Sei P : (X, S) → B(H) ein Spektralmaß und f : X → R eine meßbare
reellwertige Funktion. Dann wird durch γA (t) := P (eitf ) ein stark stetiger
Gruppenhomomorphismus (R, +) → U (H) definiert.
∗
(3) Unter der Voraussetzungen von (2) ist γA genau dann normstetig, wenn f
beschränkt ist.
45
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
In diesem Abschnitt werden wir zuerst einige tiefer liegende Sätze aus der
allgemeinen Spektraltheorie kennenlernen. Wir werden zum Beispiel zeigen, daß
das Spektrum immer eine nichtleere kompakte Teilmenge der komplexen Ebene
ist und daß man den Spektralradius, d.h. den Radius der kleinsten abgeschlossenen Kreisscheibe um 0 , die das Spektrum enthält, schon durch die Norm ausrechnen kann. Im dritten Abschnitt werden wir uns dann der Gelfandschen Darstellungstheorie zuwenden, die der begriffliche Schlüssel zu den Spektralsätzen ist.
III.1. Elementare Eigenschaften des Spektrums
In diesem Abschnitt schauen wir uns den in Abschnitt I.4 eingeführten
Begriff der Banachalgebra systematisch an.
Invertierbare Elemente in Banachalgebren
Der folgende Satz zeigt, welche weitreichenden Folgerungen aus dem Studium der geometrischen (Neumannschen) Reihe in Banachalgebren gezogen werden
können.
Satz III.1.1. Sei A eine Banachalgebra mit 1.
(i) Die Multiplikation in A ist stetig.
1
(ii) Ist lim supn→∞ kxn k n < 1 , so ist 1 − x invertierbar und das Inverse wird
durch die Neumannsche Reihe
(1 − x)−1 =
∞
X
xn
n=0
dargestellt. Für kxk < 1 haben wir sogar die Abschätzungen
k(1 − x)−1 k ≤
1
1 − kxk
und
k(1 − x)−1 − 1k ≤
kxk
.
1 − kxk
46
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
(iii) A× ist eine offene Teilmenge von A. Genauer ist für jedes Element a ∈ A
die offene Kugel mit dem Radius
1
ka−1 k
in A× enthalten.
(iv) A× ist eine topologische Gruppe, d.h. die Multiplikation A× × A× → A×
und die Inversion A× → A× sind stetige Abbildungen.
Beweis.
(i) Für an → a und bn → b gilt
kan bn − abk = kan bn − abn + abn − abk ≤ kan − ak · kbn k + kak · kbn − bk.
Da kbn k eine beschränkte Folge ist, folgt hieraus die Stetigkeit der Multiplikation.
(ii) Zuerst beachten wir, daß aus kxk < 1 wegen kxn k ≤ kxkn insbesondere
1
lim supn→∞ kxn k n < 1 folgt. Ist letztere Bedingung erfüllt, so existiert ein
r < 1 und ein N ∈ N , so daß für alle n > N die Beziehung kxn k < rn gilt. Die
absolute Konvergenz der Neumannschen Reihe folgt nun aus
∞
X
n
kx k ≤
n=N
Sei y :=
P∞
n=0
∞
X
rn < ∞.
n=N
xn . Dann ist
y(1 − x) = (1 − x)y = (1 + x + x2 + x3 + . . .) − (x + x2 + x3 + . . .) = 1.
Hieraus folgt 1 − x ∈ A× mit y = (1 − x)−1 . Für kxk < 1 haben wir
(1.1)
kyk ≤
∞
X
n
kx k ≤
n=0
∞
X
kxkn =
n=0
1
.
1 − kxk
Die zweite Abschätzung folgt aus
ky − 1k = k
∞
X
n=1
xn k ≤ kxk
∞
X
n=0
kxkn =
kxk
.
1 − kxk
Aus dieser Abschätzung ersehen wir insbesondere, daß die Inversion in 1 stetig
ist, denn für x → 0 zeigt sie (1 − x)−1 → 1.
(iii) Sei a ∈ A× und kxk < ka−1 k−1 . Dann ist a − x = a(1 − a−1 x) und
ka−1 xk ≤ ka−1 kkxk < 1 . Nach (ii) ist also 1 − a−1 x ∈ A× , und damit auch
a − x ∈ A× . Da x beliebig war, folgt hieraus die Behauptung.
(iv) Um zu sehen, daß A× eine topologische Gruppe ist, haben wir wegen (i) nur
noch die Stetigkeit der Inversion zu zeigen. Sei dazu a ∈ A× und kxk < ka−1 k−1 .
Dann ist a − x ∈ A× und
(a − x)−1 − a−1 = (1 − a−1 x)−1 − 1 a−1 .
Wegen der Stetigkeit der Multiplikation folgt die Stetigkeit der Inversion in a
nun aus der Stetigkeit der Inversion in 1 (siehe (ii)).
47
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
Folgerung III.1.2.
Ist a ∈ A und λ ∈ C mit |λ| > kak , so ist a − λ1 ∈ A× .
Beweis. Wir haben a − λ1 = λ(λ−1 a − 1) und wegen kλ−1 ak =
λ−1 a − 1 invertierbar (Satz III.1.1).
Definition III.1.3.
heißt
kak
|λ|
< 1 ist
Sei A eine Banachalgebra mit Einselement 1. Für a ∈ A
σ(a) := {λ ∈ C : a − λ1 6∈ A× }
das Spektrum von a und ρ(a) := C \ σ(a) die Resolventenmenge. Da A× offen
in A ist (Satz III.1.1), ist σ(a) eine abgeschlossen Teilmenge von C , die wegen
Folgerung III.1.2 in der abgeschlossenen Kreisscheibe vom Radius kak enthalten,
also kompakt ist. Die Zahl
r(a) := sup{|z|: z ∈ σ(a)} ∈ [0, kak]
heißt Spektralradius.
Ist A eine Banachalgebra ohne Einselement, so macht es zunächst keinen
Sinn vom Spektrum eines Elements von A oder von Invertierbarkeit zu reden.
Um dem abzuhelfen, kann man sich eine größere Banachalgebra verschaffen, die
sowohl A als auch ein Einselement enthält.
Lemma III.1.4. Sei A eine Banachalgebra und A+ := A ⊕ C versehen mit
der Multiplikation
(a, λ) · (b, µ) := (ab + λb + µa, λµ)
und der Norm k(a, λ)k := kak + |λ|. Dann ist A+ eine Banachalgebra mit dem
Einselement (0, 1).
Beweis. Es ist leicht zu sehen, daß die angegebene Norm A+ zu einem Banachraum macht (Nachweis als Übung). Die Assoziativität der Multiplikation
läßt sich ebenfalls leicht nachrechnen und die Bilinearität ist klar. Weiter ist
klar, daß (0, 1) ein Einselement ist.
Für die Submultiplikativität der Norm rechnen wir
k(a, λ)(b, µ)k = k(ab + λb + µa, λµ)k = kab + λb + µak + |λµ|
≤ kak · kbk + |λ| · kbk + |µ| · kak + |λ| · |µ| = k(a, λ)k · k(b, µ)k.
Definition III.1.5.
Wir definieren nun allgemein das Spektrum eines Elements a einer komplexen Algebra A durch
σ(a) := σA+ (a) = {λ ∈ C : a − λ1 6∈ (A+ )× }.
Besitzt die Banachalgebra A schon ein Einselement 1, so ist
A+ = A ⊕ C (1, −1),
48
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
wobei wir A mit A × {0} identifizieren, und die Multiplikation erfüllt
(a + λ(1, −1))(b + µ(1, −1)) = ab + λµ(1, −1).
Also ist A+ ∼
= A × C ein direktes Produkt von Algebren. Insbesondere ist
(A+ )× = A× + C × (1, −1) ∼
= A× × C × .
Ein Element a ∈ A ist also genau dann in A invertierbar, wenn es in A+
invertierbar ist. Insbesondere sind beide Definitionen des Spektrums miteinander
kompatibel.
Möchte man Spektren von Elementen in einer Banachalgebra mit Einselement untersuchen, so ist es bequem, wenn k1k = 1 gilt. Wir zeigen jetzt, daß
man das immer erreichen kann.
Lemma III.1.6. Ist A eine Banachalgebra mit 1, so existiert auf A eine zu
k · k äquivalente Norm k · k0 mit
k1k0 = 1
und
kabk0 ≤ kak0 · kbk0 .
Beweis. Zu a ∈ A betrachten wir die Linksmultiplikation La : A → A, x 7→ ax
und setzen
kak0 := kLa k = supkxk≤1 kaxk ≤ kak.
Da die Abbildung L: a → La , A → B(A) wegen La .1 = a injektiv ist, ist
k · k0 eine Norm auf A . Weiter gilt k1k0 = 1 und
kabk0 = kLab k = kLa Lb k ≤ kLa k · kLb k = kak0 · kbk0 .
Daß k · k und k · k0 äquivalente Normen sind, folgt aus
kak = ka1k ≤ kLa kk1k = kak0 · k1k ≤ kak · k1k.
Ab jetzt nehmen wir für alle Banachalgebren mit 1 an, daß k1k = 1 gilt.
Bemerkung III.1.7.
(a) Ist E ein Banachraum und B(E) die Banachalgebra der stetigen Operatoren auf E , so ist B(E) bzgl. der Operatornorm eine
Banachalgebra mit Einselement und es gilt k1k = 1 . Wegen dem Satz der offenen Abbildung besitzt ein Element a ∈ B(E) genau dann ein stetiges Inverses,
wenn es bijektiv ist, d.h. GL(E) := B(E)× besteht aus den bijektiven stetigen
Abbildungen auf E .
(b) Sei A ⊆ B(C n ) eine Algebra von n × n -Matrizen, die 1 enthält. Wir
interessieren uns für das Spektrum eines Elements x ∈ A. Dazu haben wir in
erster Linie zu entscheiden, wann ein Element x ∈ A invertierbar ist, d.h. in A×
liegt.
Wir behaupten, daß dies genau dann der Fall ist, wenn x eine bijektive
lineare Abbildung ist. Ist x in A invertierbar, so natürlich auch als lineare
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
49
Abbildung. Sei umgekehrt x als lineare Abbildung invertierbar. Wir müssen
zeigen, daß x−1 ∈ A ist. Dazu betrachten wir die Abbildung Lx : A → A, y 7→
xy . Diese Abbildung ist injektiv, da x in B(C n ) invertierbar ist. Da A
endlichdimensional ist, muß sie auch surjektiv sein. Es existiert also ein y ∈ A
mit Lx (y) = xy = 1, folglich ist y = x−1 ∈ A.
Wir haben
A× = A ∩ GL(n, C ) = {a ∈ A: det(a) 6= 0}
gezeigt. Hieraus folgt insbesondere für a ∈ A:
σ(a) = {λ ∈ C : det(a − λ1) = 0}.
Also ist σ(a) ist die Menge der Eigenwerte der Matrix a. Insbesondere hängt
das Spektrum gar nicht von der Algebra A ab, die wir betrachten.
Der Hauptsatz über das Spektrum
In Bemerkung III.1.7 haben wir gesehen, daß für komplexe Matrizen das
Spektrum gerade aus der Menge der Eigenwerte besteht. Insbesondere ist es nicht
leer. In der linearen Algebra gewinnt man diesen Satz aus der algebraischen
Abgeschlossenheit des Körpers C . In diesem Abschnitt werden wir zeigen,
daß das Spektrum eines Elements einer komplexen Banachalgebra nicht leer ist.
Hierzu werden wir zwei Resultate aus der Funktionentheorie benötigen: den Satz
von Liouville und einen Satz über die Konvergenz von Laurentreihen holomorpher
Funktionen.
Satz III.1.8. Für jedes Element a einer Banachalgebra A mit 1 ist die Resolventenfunktion
R: ρ(a) → A, λ 7→ (λ1 − a)−1
stetig. Sie ist sogar analytisch, d.h. sie wird in einer Umgebung eines jeden
Punktes λ0 ∈ ρ(a) durch eine absolut konvergente A-wertige Potenzreihe
∞
X
(λ − λ0 )n an (λ0 )
n=0
mit an (λ0 ) ∈ A dargestellt.
Beweis. Die Stetigkeit der Resolventenfunktion folgt sofort aus der Stetigkeit
der Inversion in A× (Satz III.1.1).
Sei λ0 ∈ ρ(a) , d.h. a − λ0 1 ∈ A× und r = kR(λ0 )k−1 . Für |λ − λ0 | < r
folgt λ ∈ ρ(a) aus Satz III.1.1(ii). Weiter liefert der Beweis von Satz III.1.1 auch
50
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
eine Formel für R(λ) :
−1
R(λ) = (λ1 − a)−1 = (λ0 1 − a) − (λ0 − λ)1
∞
X
−1
= R(λ0 ) 1 − (λ0 − λ)R(λ0 )
= R(λ0 )
(λ0 − λ)n R(λ0 )n
n=0
=
∞
X
(−1)n (λ − λ0 )n R(λ0 )n+1 .
n=0
Da obige Reihe wegen kR(λ0 )(λ − λ0 )k = |λ − λ0 | · kR(λ0 )k < 1 konvergiert,
haben wir damit alles gezeigt.
Wie schon einleitend erwähnt, werden wir jetzt zwei Sätze aus der Funktionentheorie benötigen. Den ersten, der die Darstellbarkeit von analytischen Funktionen auf Ringgebieten durch Laurentreihen betrifft, geben wir im wesentlichen
ohne Beweis an. Den anderen werden wir daraus ableiten. Eine ausführlichere
Diskussion und detaillierte Beweise findet man z.B. in
[Ru86]
Rudin, W., “Real and Complex Analysis,” McGraw Hill, 1986.
Theorem III.1.9. Sei 0 < r < R , Ω := {z ∈ C : r < |z| < R} und f : Ω → C
eine analytische Funktion. Dann läßt sich f durch genau eine Laurentreihe
f (z) =
X
an z n
n∈Z
in dem Sinne darstellen, daß diese für alle z ∈ Ω gegen den Wert von f
konvergiert. Die Koeffizienten erhält man durch
1
an =
2πρn
Z
2π
f (ρeit )e−int dt
0
für jedes ρ ∈]r, R[.
Beweis. Wir zeigen nur, wie man aus der Darstellbarkeit von f durch eine
Laurentreihe die Formel für die Koeffizienten ableitet: Wegen der gleichmäßigen
Konvergenz der Laurentreihe auf jedem Kreis mit Radius ρ ∈]r, R[ dürfen wir
Integration und Summation vertauschen und erhalten
Z
2π
it
−int
f (ρe )e
dt =
0
XZ
m∈Z
=
X
2π
m imt −int
am ρ e
e
dt =
0
XZ
m∈Z
2π
am ρm ei(m−n)t dt
0
am ρm 2πδnm = 2πan ρn .
m∈Z
Hieraus folgt die Formel für an sofort.
Als wichtige Folgerung aus Theorem III.1.9 erhalten wir:
51
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
Satz III.1.10. (Satz von Liouville) Ist f : C \ {0} → C eine beschränkte analytische Funktion, so ist f konstant.
Beweis.
Nach Theorem III.1.9 ist f auf C \ {0} durch eine Laurentreihe
f (z) =
X
an z n
n∈Z
darstellbar und für jedes n ∈ Z und jedes ρ > 0 haben wir die Formel
2π
Z
1
an =
2πρn
f (ρeit )e−int dt.
0
Hieraus erhalten wir mit kf k∞ := sup{|f (z)|: z ∈ C } sofort die Abschätzung
1
|an | ≤
2πρn
Z
2π
kf k∞ dt ≤
0
kf k∞
.
ρn
Ist n < 0 , so erhalten wir mit ρ → 0 , daß an = 0 . Für n > 0 erhalten wir für
ρ → ∞ auch an = 0. Also ist f (z) = a0 für alle z ∈ C × , d.h. f ist konstant.
Bevor wir hieraus Konsequenzen für das Spektrum ableiten, zuerst ein
kleines Lemma, das zwar unscheinbar aussieht, aber wichtige Konsequenzen hat.
Lemma III.1.11.
Sei (an )n∈N eine Folge in R+ mit
0 ≤ an+m ≤ an am
1
1
für n, m ∈ N . Dann konvergiert ann gegen inf{ann : n ∈ N}.
1
Beweis.
1
Sei a := inf{ann : n ∈ N} und ε > 0 . Wir wählen ein N ∈ N mit
N
aN
< a + ε und setzen b := max{a1 , . . . , aN } . Eine natürliche Zahl n schreiben
wir in der Form n = kN + r mit r ∈ {1, . . . , N } . Dann ist
1
1
1
k
n
n
ann = akN
+r ≤ (aN ar ) ≤ (a + ε)
kN
n
1
r
1
b n = (a + ε)(a + ε)− n b n ≤ a + 2ε
1
falls n groß genug ist. Hierbei verwenden wir, daß c n → 1 für alle c > 0 gilt.
Hieraus folgt die Behauptung.
Hauptsatz über das Spektrum
Theorem III.1.12. Für ein Element a einer Banachalgebra A gilt:
(i) Das Spektrum σ(a) ist eine nichtleere kompakte Teilmenge von C .
1
1
(ii) r(a) = limn→∞ kan k n = inf{kan k n : n ∈ N}.
Beweis. (i) Die Kompaktheit des Spektrums folgt aus Satz III.1.1 und Folgerung III.1.2. Wir nehmen σ(a) = Ø an. Dann ist die Resolventenabbildung auf
ganz C definiert und nach Theorem III.1.9 eine analytische Funktion R: C → A .
52
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
Für λ > kak haben wir gemäß Satz III.1.1
kR(λ)k = k(λ1 − a)−1 k = |λ|−1 · k(1 − λ−1 a)−1 k ≤
1
1
1
=
.
1
|λ| − kak
|λ| 1 − |λ| kak
Hieraus erkennen wir, daß R auf der Menge {λ ∈ C : |λ| > 2kak} beschränkt ist.
Weiter wissen wir aus Satz III.1.8(iv), daß R stetig ist und somit auf
jeder kompakten Kreisscheibe beschränkt. Insgesamt folgt, daß R: C → A eine
beschränkte analytische Funktion ist.
Jetzt wenden wir den Satz von Liouville an. Für jedes stetige lineare
Funktional f : A → C ist f ◦ R: C → C eine beschränkte analytische Funktion,
nach dem Satz von Liouville also f ◦ R(λ) = f ◦ R(0) = f (−a−1 ) . Da die
stetigen linearen Funktionale auf A die Punkte trennen (Satz von Hahn-Banach,
vgl. [FA01]), erhalten wir hiermit R(λ) = −a−1 für alle λ ∈ C . Also ist
λ1 − a = R(λ)−1 = −a für alle λ ∈ C , und das ist ein Widerspruch. Wir
haben also gezeigt, daß σ(a) nicht leer sein kann.
1
(ii) Sei s(a) := limn→∞ kan k n der nach Lemma III.1.11 existierende Grenzwert.
Wir zeigen, daß für λ > s(a) auch λ ∈ ρ(a) ist. Wegen
1
lim sup k(λ
n∈N
−1
n
a) k
1
n
limn→∞ kan k n
s(a)
=
<1
=
|λ|
|λ|
P∞
konvergiert die Reihe n=0 λ−n an gegen (1 − λ−1 a)−1 (Satz III.1.1), insbesondere ist a − λ1 = λ(λ−1 a − 1) invertierbar. Damit ist λ ∈ ρ(a) und folglich
r(a) ≤ s(a) .
Jetzt zeigen wir noch s(a) ≤ r(a) . Sei dazu
Ω = {z ∈ C : |z| > r(a)} ⊆ ρ(a).
Für jedes stetige lineare Funktional f ∈ A0 ist dann f ◦R: Ω → C eine analytische
Funktion und hat nach Theorem III.1.9 eine konvergente Laurentreihe
X
f ◦ R(z) =
an z n .
n∈Z
Andererseits erhalten wir mit Satz III.1.1, daß für |z| > kak die Resolvente durch
die Reihe
∞
X
−1
−1
−1 −1
R(z) = (z1 − a) = z (1 − z a) =
z −n−1 an
n=0
dargestellt wird. Aus der Eindeutigkeit der Koeffizienten an folgt damit an = 0
für n ≥ 0 und a−1−n = f (an ) für n ≥ 0. Aus der Konvergenz der Reihe für
f ◦ R(z) erhalten wir also insbesondere
lim f (an )z −n = 0
n→∞
für |z| > r(a) , d.h. die Folge (z −n an )n∈N in A konvergiert in der schwachen
Topologie gegen 0 . Mit dem Satz von Banach-Steinhaus (vgl. [FA01]) sehen wir
jetzt, daß die Folge (z −n an )n∈N beschränkt ist. Es existiert also ein C > 0 mit
1
kan k ≤ C|z|n für alle n ∈ N . Folglich ist s(a) ≤ limn→∞ C n |z| = |z|. Hieraus
schließen wir s(a) ≤ r(a) , da z ∈ Ω beliebig war.
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
53
Ein interessanter Aspekt des Hauptsatzes über das Spektrum ist, daß er
ein Bindeglied zwischen Topologie und Algebra darstellt. Das Spektrum eines
Elements a einer Banachalgebra A war zunächst rein über die algebraische
Struktur definiert, ebenso der Spektralradius r(a). Theorem III.1.12 gibt uns
nun eine Formel für r(a) , die sich auf die analytische Struktur von A, d.h. auf die
Struktur von A als Banachraum bezieht. Sätze von diesem Typ, d.h. Sätze, die
nicht evidente Verbindungen zwischen verschiedenen mathematischen Gebieten
herstellen, sind grundlegend in vielen mathematischen Theorien. Man sollte sie
daher als besonders wertvoll betrachten.
Um die Tragweite des Hauptsatzes über das Spektrum besser zu verstehen,
betrachten wir zuerst einige wichtige Folgerungen.
Direkte Anwendungen des Hauptsatzes
Satz von Gelfand-Mazur
Satz III.1.13. Sei A eine Banachalgebra mit 1, in der jedes von 0 verschiedene Element invertierbar ist. Dann ist A ∼
= C , d.h. A ist eindimensional. 1
Beweis. Sei a ∈ A. Nach dem Hauptsatz über das Spektrum existiert ein
λ ∈ σ(a) . Da a − λ1 nicht invertierbar ist, muß a − λ1 = 0 sein, d.h. a = λ1.
Lemma III.1.14. Ist f : A → B ein Homomorphismus
komplexer Algebren mit
1, d.h. gilt auch f (1) = 1, so ist σ f (a) ⊆ σ(a) für alle a ∈ A.
Beweis. Wir zeigen ρ(a) ⊆ ρ f (a) . Sei also λ ∈ C mit a − λ1 ∈ A× und
b = (a − λ1)−1 . Dann ist
f (a) − λ1 f (b) = f (a − λ1)f (b) = f (a − λ1)b = f (1) = 1
und analog f (b) f (a) − λ1 = 1. Also ist λ ∈ ρ f (a) .
Für den Fall von Homomorphismen A → C erhalten wir mit Lemma
III.1.14 den folgenden Satz.
Satz III.1.15. Sei A eine Banachalgebra und f : A → C ein Homomorphismus. Dann ist f stetig und es gilt kf k ≤ 1 . Hat A ein Einselement und ist
f 6= 0, so gilt f (1) = 1 und kf k = 1.
Beweis. Ist kf k > 1 , so finden wir ein a ∈ P
A mit kak < 1 und f (a) = 1 .
∞
Dann konvergiert die Neumannsche Reihe b := n=1 an und es gilt a + ab = b .
Wenden wir f an, so führt dies zu
f (b) = f (a) + f (a)f (b) = 1 + f (b),
1
Der Satz von Gelfand-Mazur wurde 1938 von Mazur in einer Note in den C. R. Acad.
Sci. Paris angekündigt, allerdings ohne Beweis. Der erste Beweis findet sich der 1941er Arbeit
von Gelfand, in der er die Theorie der Banachalgebren begründet.
54
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
ein Widerspruch. Also ist kf k ≤ 1 .
Hat A ein Einselement 1 und ist f =
6 0, so ist f (1)2 = f (1) , also f (1) = 1 ,
da sonst f = 0 folgen würde. Damit ist kf k ≥ 1 wegen k1k = 1 .
Definition III.1.16.
Für eine komplexe Algebra A schreiben wir ΓA für
den Raum aller von 0 verschiedener Algebra-Homomorphismen A → C . Man
beachte, daß für den Fall, daß A eine Banachalgebra ist, alle Elemente von ΓA
automatisch stetig sind (Satz III.1.15). In diesem Fall nennt man ΓA auch das
Spektrum von A .
Wir werden in den nächsten beiden Abschnitten die Menge ΓA allgemein
und auch für einige konkrete Beispielklassen genauer studieren.
Anwendungen auf Banach- ∗ -Algebren
Lemma III.1.17. Sei A eine involutive Algebra. Dann gilt:
(i) Hermitesche Elemente sind normal.
(ii) Elemente der Gestalt xx∗ sind hermitesch.
(iii) Das Produkt zweier hermitescher Elemente x, y ist genau dann hermitesch,
wenn xy = yx ist.
(iv) A = Ah ⊕ iAh , d.h., jedes Element läßt sich eindeutig als a = b + ic mit
hermiteschen Elementen b, c ∈ Ah schreiben.
(v) Ein Element a = b + ic mit b, c ∈ Ah ist genau dann normal, wenn b und
c kommutieren.
(vi) Ist 1 ∈ A eine Linkseins, d.h., 1a = a für alle a ∈ A, so ist 1 ein
Einselement und es gilt:
(x−1 )∗ = (x∗ )−1
für x ∈ A× .
(vii) Ist k·k eine submultiplikative Norm auf A mit kxk2 ≤ kx∗ xk für alle x ∈ A,
so gilt
kx∗ k = kxk und kx∗ xk = kxk2 .
Beweis. (i) - (iv) Das sind alles elementare Rechnugen, die wir dem Leser zur
Übung überlassen (vgl. Lemma I.1.3).
(v) Das folgt aus
aa∗ = (b + ic)(b − ic) = b2 + c2 + i(cb − bc)
und
a∗ a = (b − ic)(b + ic) = b2 + c2 + i(bc − cb).
(vi) Ist 1 eine Linkseins, so haben wir
a1∗ = (1a∗ )∗ = (a∗ )∗ = a,
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
55
d.h. 1∗ ist eine Rechtseins. Also ist 1∗ = 11∗ = 1, somit 1 hermitesch und
folglich ein Einselement.
Für x ∈ A× folgt aus xx−1 = x−1 x = 1 sofort
(x−1 )∗ x∗ = x∗ (x−1 )∗ = 1
und damit die Behauptung.
(vii) Zunächst haben wir
kxk2 ≤ kx∗ xk ≤ kx∗ k · kxk
und daher kxk ≤ kx∗ k für alle x ∈ A, also auch kxk ≤ kx∗ k ≤ k(x∗ )∗ k = kxk .
Damit erhalten wir kxk = kx∗ k und
kxk2 ≤ kx∗ xk ≤ kxk2 .
Lemma III.1.18. Sei A eine C ∗ -Algebra und a ∈ A. Dann gilt:
(i) σ(a∗ ) = σ(a) = {z: z ∈ σ(a)} .
(ii) Ist a ∈p
A normal, so ist r(a) = kak .
(iii) kak = r(a∗ a).
Beweis. (i) Nach Lemma III.1.17(vi) ist a−λ1 in A+ genau dann invertierbar,
wenn (a − λ1)∗ = a∗ − λ1 invertierbar ist. Hieraus folgt die Behauptung sofort.
(ii) Da a normal ist, haben wir
ka2 k2 = ka2 (a2 )∗ k = kaaa∗ a∗ k = kaaa∗ a∗ k
= kaa∗ aa∗ k = k(aa∗ )(aa∗ )∗ k = kaa∗ k2 = kak4 .
Damit ist ka2 k = kak2 . Da alle Potenzen von a ebenfalls normal sind, ergibt
n
n
sich hieraus induktiv die Formel ka2 k = kak2 für alle n ∈ N . Wir erhalten
also mit der Formel für den Spektralradius
n
1
r(a) = lim ka2 k 2n = kak.
n→∞
(iii) Das ist eine direkte Konsequenz von (ii) und der Definition einer C ∗ -Algebra.
Lemma III.1.18(iii) ist eine wichtige Beobachtung, die zeigt, daß in einer
C -Algebra die Norm durch die Algebrastruktur bestimmt ist.
∗
Beispiel III.1.19. Zunächst könnte man denken, daß der Spektralradius nicht
allzu verschieden von der Norm eines Elements ist. Die eklatantesten Gegenbeispiele für diese Vermutung erhält man wie folgt:
Sei H = C n , A = B(C n ) die C ∗ -Algebra der komplexen n × n -Matrizen,
und a definiert durch
a.(z1 , . . . , zn ) := (z2 , . . . , zn , 0).
56
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
Dann gilt
a∗ .(z1 , . . . , zn ) := (0, z1 , z2 , . . . , zn−1 ).
Wir erhalten damit
a∗ a.(z1 , . . . , zn ) = (0, z2 , . . . , zn ).
Also ist a∗ a eine orthogonale Projektion und folglich 1 = ka∗ ak = kak2 , d.h.
kak = 1. Andererseits ist an = 0 . Wir haben also
r(a) = 0
und
kak = 1.
Im folgenden nennen wir einen Homomorphismus f : A → B zwischen
involutiven Algebren involutiv, wenn f (a∗ ) = f (a)∗ für alle a ∈ A gilt. Der
folgende Satz ist eine der erstaunlichsten Folgerungen aus der Formel für den
Spektralradius.
Stetigkeitssatz für C ∗ -Algebren
Satz III.1.20. Ist A eine Banach- ∗ -Algebra und f : A → B ein involutiver
Homomorphismus in eine C ∗ -Algebra B , so ist f kontraktiv, d.h. kf (a)k ≤ kak
für alle a ∈ A. Insbesondere ist f stetig.
Beweis. Ersetzen wir B durch die C ∗ -Algebra f (A) , so dürfen wir annehmen,
daß f (A) ⊆ B dicht ist. Ist 1 ∈ A ein Einselement, so gilt f (1)f (a) = f (a) für
alle a ∈ A und damit auch f (1)b = b für alle b ∈ B . Nach Lemma III.1.17 ist
f (1) dann ein Einselement in B . Hat A kein Einselement, so können wir f zu
einem involutiven Homomorphismus
f + : A+ → B + ,
(a, λ) 7→ (f (a), λ)
mit f (1) = 1 fortsetzen. Jetzt können wir Lemma III.1.14 anwenden und
erhalten
(1.3)
σ f (a) ⊆ σ(a)
für alle a ∈ A.
Sei a ∈ A zunächst hermitesch. Da f involutiv ist, ist f (a) ∈ B ebenfalls
hermitesch und somit
kf (a)k = r f (a) ≤ r(a) ≤ kak
wegen Lemma III.1.18(ii), (1.3) und Folgerung III.1.2. Für beliebiges a ∈ A ist
nun
kf (a)k2 = kf (a)∗ f (a)k = kf (a∗ a)k ≤ ka∗ ak ≤ ka∗ k · kak = kak2 ,
und hieraus folgt die Behauptung.
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
57
Adjunktion der Eins für C ∗ -Algebren
Satz III.1.21. Sei A eine C ∗ -Algebra. Dann gilt:
(i) Ist La : x 7→ xa die Linksmultiplikation, so gilt kak = kLa k. Insbesondere
ist k1k = 1 , wenn 1 ein Einselement in A ist.
(ii) Hat A kein Einselement, so ist die Banachalgebra A+ eine C ∗ -Algebra
bzgl. (a, λ)∗ = (a∗ , λ) und der Norm k(a, λ)k := kL(a,λ) k, wobei L(a,λ) .x =
ax + λx der zugehörige Multiplikationsoperator auf A ist.
Beweis. (a) Die Ungleichung kLa k ≤ kak folgt allgemein aus der Submultiplikativität der Norm auf A. Andererseits gilt in C ∗ -Algebren die Relation
kaa∗ k = kak2 = kak · ka∗ k . Hieraus erkennt man sofort, daß auch kLa k ≥ kak
für alle a ∈ A gilt.
Ist 1 ∈ A ein Einselement, so folgt hieraus k1k = 1 wegen L1 = idA .
(b) Sei L: A+ → B(A) definiert durch L(a, λ) = L(a,λ) . Wir zeigen zuerst, daß
L injektiv ist. Sei also L(a, λ) = 0 . Ist λ = 0 , so folgt La = 0 , also a = 0 wegen
(i). Ist λ 6= 0 , so dürfen wir o.B.d.A. λ = −1 annehmen. Dann ist a.x − x = 0
für alle x ∈ A, d.h. a ist eine Linkseins. Mit Lemma III.1.17(vi) sehen wir
damit, daß a ein Einselement ist, was unserer Annahme widerspricht. Hieraus
folgt, daß L injektiv ist, und damit, daß durch
k(a, λ)k := kL(a, λ)k
auf A+ eine Norm definiert wird, die nach (i) eine Fortsetzung der Norm auf A
ist.
Wir zeigen, daß A+ vollständig ist. Da A ∼
= A×{0} ⊆ A+ ein vollständiger
Unterraum ist, ist A in A+ abgeschlossen. Damit ist das lineare Funktional
l: (a, λ) 7→ λ stetig, folglich auch die Projektion
P : A+ → A, x 7→ x − l(x)1.
Ist nun (xn )n∈N eine Cauchy-Folge in A+ , so ist auch P (xn ) n∈N eine CauchyFolge in A, also konvergent gegen ein Element a ∈ A. Ebenso konvergiert l(xn )
gegen λ ∈ 1 und wir erhalten xn → (a, λ) . Also ist A+ vollständig, d.h. eine
Banachalgebra.
Wegen Lemma III.1.17(vii) haben wir noch kxk2 ≤ kx∗ xk zu zeigen. Für
jedes r < kxk existiert nun ein y ∈ A mit kyk ≤ 1 und kxyk ≥ r . Wegen
xy ∈ A haben wir dann
kx∗ xk ≥ ky ∗ (x∗ x)yk = k(xy)∗ xyk = kxyk2 ≥ r2 ,
folglich kx∗ xk ≥ kxk2 . Zusammenfassend haben wir gezeigt, daß A+ mit der
angegebenen Norm, Involution und Multiplikation eine C ∗ -Algebra ist.
Aus Satz III.1.21(i) erkennen wir insbesondere, daß für eine C ∗ -Algebra
das Verfahren aus Lemma III.1.6 keine neue Norm liefert. Aus Lemma III.1.18
∗
folgt ohnehin, daß die Norm auf einer Cp
-Algebra vollständig durch die Algebrastruktur bestimmt wird durch kak = r(a∗ a) .
58
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
III.2. Beispiele von Banachalgebren
Beispiel III.2.1. (a) Sei X ein lokalkompakter Raum und C0 (X) := C0 (X, C )
der Raum der stetigen Funktionen auf X , die im Unendlichen verschwinden,
d.h. f ∈ C0 (X) genau dann, wenn es zu jedem ε > 0 eine kompakte Teilmenge
K ⊆ X gibt, so daß |f (x)| ≤ ε für alle x ∈ X \ K gilt. Insbesondere sind alle
Funktionen in C0 (X) beschränkt, also
kf k∞ := sup{|f (x)|: x ∈ X} < ∞.
Wird C0 (X) mit dieser Norm versehen, so ist C0 (X) sogar abgeschlossen in dem
Banachraum B(X) aller beschränkter Funktionen auf X , also ein Banachraum
(Übung). Mit f ∗ (x) := f (x) und der punktweisen Multiplikation wird C0 (X)
sogar zu einer C ∗ -Algebra.
Ist X kompakt, so ist C0 (X) = C(X) . Ist X nicht kompakt, so hat C0 (X)
kein Einselement. Die Algebra C0 (X)+ kann man nun als Unteralgebra der C ∗ Algebra BC(X) der beschränkten stetigen Funktionen auf X auffassen, indem
man (0, 1) die konstante Funktion 1 zuordnet.
(b) Für X = N , versehen mit der diskreten Topologie, erhalten wir C0 (X) ∼
=
c0 (N, C ) , den Banachraum der Nullfolgen.
(c) Wir wollen das Spektrum einer Funktion f ∈ A := C0 (X) bestimmen. Dazu
sei X zunächst kompakt. Zuerst überlegen wir uns, daß f ∈ A× äquivalent ist
zu f (X) ⊆ C × . Ist f invertierbar, so ist f (x)f −1 (x) = f (x)f (x)−1 = 1 und
damit f (x) 6= 0 für alle x ∈ X . Ist andererseits f (x) 6= 0 für alle x ∈ X , so ist
die Funktion x 7→ f (x)−1 stetig und eine Inverse von f .
Für λ ∈ C ist die Funktion f − λ1 also genau dann invertierbar, wenn f
niemals den Wert λ annimmt, folglich
σ(f ) = f (X).
Das Spektrum des Elements f ∈ A stimmt mit dem Bild der Funktion f überein.
Ist X nicht kompakt und A = C0 (X) , so betrachten wir die Einbettung
A+ := A+C 1 ⊆ C(X) als den Raum derjenigen Funktionen, die im Unendlichen
konstant werden. Ist f = (f0 , λ) := f0 + λ1 ∈ A+ invertierbar, so hat f
natürlich keine Nullstelle und es gilt λ 6= 0 . Ist dies umgekehrt der Fall, so gilt
f −1 − λ1 ∈ C0 (X) (Nachrechnen!), also ist f −1 = (f −1 − λ1 , λ1 ) ∈ A+ ein Inverses
zu f . Wir haben also
(A+ )× = {(f, λ) ∈ A+ : 0 6∈ f (X), λ 6= 0}
und damit erhalten wir für f ∈ A = C0 (X) die Beziehung
σ(f ) = f (X) ∪ {0}.
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
59
(d) Man sieht schnell, daß die Punktauswertungen
δx : f 7→ f (x),
C0 (X) → C
stetige Charaktere sind, die nicht verschwinden. Wir zeigen jetzt, daß jeder von 0
verschiedene Homomorphismus χ: C0 (X) → C von der Form δx ist. Wir setzen
χ durch χ(1) := 1 zu einem Charakter C0 (X)+ → C fort. Sei N ⊆ C0 (X)+
der Kern von χ. Dann ist N eine Hyperebene, die gleichzeitig ein Ideal ist,
d.h. C0 (X)+ · N ⊆ N . Weiter gilt C0 (X)+ ∼
= N ⊕ C 1. Existiert ein x ∈ X
mit δx (f ) = f (x) = 0 für alle f ∈ N , so ist N in der Hyperebene ker δx
enthalten und stimmt daher mit ihr überein. In diesem Fall folgt χ = δx aus
χ(1) = δx (1) = 1 .
Wir nehmen daher an, daß zu jedem x ∈ X eine Funktion fx ∈ N mit
fx (x) 6= 0 existiert. Wir dürfen hierbei o.B.d.A. fx 6∈ C0 (X) annehmen, da
C0 (X)∩N eine Hyperebene in N ist, also N \A als Komplement der Hyperebene
N ∩ C0 (X) in N dicht ist. Sei x0 ∈ X und fx0 wie oben. Dann ist fx0 = g + λ1
mit g ∈ C0 (X) . Also existiert eine kompakte Teilmenge K ⊆ X mit |g(x)| < |λ|
für alle x 6∈ K , und wir erhalten fx0 (x) 6= 0 . Wegen der Kompaktheit finden
wir nun noch endlich viele Elemente x1 , . . . , xn ∈ K mit
K⊆
n
[
{x ∈ X: fxj (x) 6= 0}.
j=1
Damit ist
f := fx0 fx0 +
n
X
2
fxj fxj = |fx0 | +
j=1
n
X
|fxj |2 ∈ N \ A
j=1
und es gilt f (x) > 0 für alle x ∈ X sowie f ∈
6 C0 (X) . Also ist f gemäß (c) in
+
−1
A invertierbar. Folglich ist 1 = f f ∈ N , im Widerspruch zu χ(1) = 1 . Wir
haben damit gezeigt, daß die Abbildung
(2.1)
X → ΓC0 (X) ,
x 7→ δx
surjektiv ist. Die Injektivität folgt aus der Tatsache, daß die stetigen Funktionen
mit kompaktem Träger auf X die Punkte trennen, was wiederum aus dem Satz
von Urysohn folgt: Zu jeder kompakten Teilmengen K ⊆ X und jeder offenen
Umgebung U von K existiert eine stetige Funktion f : X → [0, 1] mit
f (x) =
1
0
für x ∈ K
für x ∈ X \ U .
Aus der Surjektivität in (2.1) erhalten wir insbesondere, daß jeder Homomorphismus C0 (X) → C involutiv ist.
60
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
Beispiel III.2.2. (a) Sei S eine involutive Halbgruppe. Wir betrachten den
Banachraum l1 (S) := l1 (S, C ) aller Funktionen f : S → C für die
kf k1 :=
X
|f (s)| < ∞
s∈S
ist. Man beachte, daß unter diesen Voraussetzungen die Menge {s ∈ S: f (s) 6= 0}
abzählbar sein muß. Wir versehen l1 (S) mit dem Faltungsprodukt
(f ∗ g)(s) :=
X
f (a)g(b)
a,b∈S;ab=s
und der Involution f ∗ (s) := f (s∗ ) . Hiermit wird l1 (S) zu einer Banach-∗Algebra (Übung).
Wir haben einen kanonischen Homomorphismus η: S → l1 (S) , der s ∈ S
die Funktion δs mit
1 s=t
δs (t) =
0 s 6= t
zuordnet. Nun ist
(δs ∗ δt )(x) =
X
δs (a)δt (b) = δst (x)
a,b∈S;ab=x
und wegen δs∗ = δs∗ gilt sogar η(s∗ ) = η(s)∗ , d.h. η ist ein Homomorphismus
involutiver Halbgruppen.
(b) Ist speziell S = (N, +) mit s∗ = s, so ist l1 (S) ∼
= l1 (N, C ) der Raum der
summierbaren Folgen und das Faltungsprodukt ist gegeben durch
(x ∗ y)n =
n
X
xk yn−k .
k=0
P∞
Ist S: l1 (N, C ) → C , (xn )n∈N → n=1 xn das Summenfunktional, so besagt die
Cauchy-Produktformel für absolut konvergente Reihen nichts anderes als
S(x ∗ y) = S(x) · S(y).
Da auch S(x∗ ) = S(x) gilt, ist S: l1 (N, C ) → C ein Charakter der Banach-∗Algebra l1 (N, C ) .
(c) Wir schauen uns nun etwas genauer an, was wir über die Charaktere der
Algebra l1 (S) sagen können. Sei also χ: l1 (S) → C ein Charakter. Aus Satz
III.1.15 wissen wir, daß χ stetig ist. Um etwas über χ herauszufinden, beachten
wir zunächst, daß für jeden Charakter χ: l1 (S) → C natürlich χ ◦ η: S → C ein
Charakter ist. Da span η(S) in l1 (S) dicht und χ stetig ist, folgt dann
X
X
χ(f ) = χ
f (s)η(s) =
f (s)χ η(s)
s∈S
s∈S
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
61
für alle f ∈ l1 (S) . Da der Dualraum von l1 (S) durch l1 (S)0 = l∞ (S) (Raum
der beschränkten Funktionen auf S ) gegeben ist (Übung), folgt hieraus, daß die
Funktion χ ◦ η: S → C beschränkt ist.
PUmgekehrt wird für jeden beschränkten
Charakter γ: S → C durch χ(f ) := s∈S f (s)γ(s) ein stetiger Charakter von
l1 (S) definiert (Warum ?). Wir haben hiermit
l1 (S)b= Sb ∩ l∞ (S)
gezeigt.
(d) Für S = N ergibt sich insbesondere l1 (N)b ∼
= [−1, 1] \ {0}. Der Summationscharakter S aus (b) gehört hierbei zu dem konstanten Charakter χ(n) = 1 für
alle n ∈ N .
(e) Betrachtet man Homomorphismen l1 (S) → C , die nicht notwendigerweise die Involution respektieren, so erhält man vollkommen analog eine bijektive
Korrespondenz zu den beschränkten multiplikativen Homomorphismen χ: S →
C . Für S = N ist damit
l1 (N)b ∼
= [−1, 1] \ {0}
und
Γl1 (N) ∼
= Hom(N, C ) \ {0} ∩ l∞ (N) ∼
= {z ∈ C × : |z| ≤ 1}.
(f) Die wesentliche Voraussetzung in Satz III.1.15 ist die Vollständigkeit von A.
Ohne die ist die entsprechende Behauptung falsch. Wir beschreiben hierzu ein
einfaches Beispiel. Wir betrachten in der Banach- ∗ -Algebra l1 (N) aller absolut
summierbaren Folgen mit der Faltungsmultiplikation die dichte Unteralgebra A
aller abbrechenden Folgen. Das ist eine normierte involutive Algebra in der die
Involution eine Isometrie ist. Wir können nun für jede reelle komplexe Zahl
z ∈ C einen involutiven Homomorphismus
f: A → C,
x 7→
∞
X
xn z n
n=1
definieren. Wegen l1 (N)0 ∼
= l∞ (N) ist dann
kf k = sup{|z|n : n ∈ N},
also kf k genau dann endlich, wenn |z| ≤ 1 ist. Aus Satz III.1.15 folgt, daß sich
f genau dann zu einem Charakter von l1 (N) fortsetzen läßt, wenn |z| ≤ 1 ist.
Beispiel III.2.3. (Die Wiener-Algebra) (benannt nach Norbert Wiener 1 ) Das
ist die Algebra l1 (Z) , wobei wir Z via n∗ = −n als involutive Halbgruppe
auffassen (vgl. Beispiel III.1.3). Wir betrachten die Elemente von l1 (Z) als
Folgen (xn )n∈Z . Die Involution ist dann gegeben durch x∗ = (x−n )n∈Z für
x = (xn )n∈Z und die Multiplikation durch
X
(x ∗ y)n =
xk yn−k .
k∈Z
1
Norbert Wiener (1894–1964); nordamerikanischer Mathematiker und Kybernetiker.
62
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
In dieser abstrakten Form hat Wiener diese Algebra nicht betrachtet. Er
kam aus einer anderen Richtung. Um diese nachvollziehen zu können, ordnen
wir jeder Folge x ∈ l1 (Z) ihre Fouriertransformierte
F(x)(z) := x
b(z) :=
X
xn z n
n∈Z
auf T := {z ∈ C : |z| = 1} zu. Wir werden später einen sehr allgemeinen
Rahmen kennenlernen, in dem man Fouriertransformierte definieren kann und
dieses Beispiel wird sich dem unterordnen. Nun ist
|b
x(z)| ≤
(2.2)
X
|xn | · |z n | ≤ kxk1 < ∞.
n∈Z
Also konvergiert die Reihe, die x
b definiert, gleichmäßig. Insbesondere ist die
Funktion x
b auf T stetig. Wir hätten stattdessen natürlich auch die 2π -periodische Funktion
X
x
b(eit ) =
xn eint
n∈Z
auf R betrachten können, aber wir werden später sehen, daß unser Zugang
wesentliche begriffliche Vorteile hat.
Die Zuordnung x 7→ x
b hat viele interessante Eigenschaften. Zunächst
erinnern wir uns daran, daß C(T) eine C ∗ -Algebra bzgl. f ∗ (z) = f (z) und der
punktweisen Multiplikation ist. Wir behaupten, daß die Abbildung
F: l1 (Z) → C(T),
x 7→ x
b
eine Homomorphismus von Banach-∗-Algebren ist. Die Beziehung kb
xk∞ ≤ kxk1
haben wir schon nachgerechnet. Weiter ist
c∗ (z) =
x
X
x−n z n =
n∈Z
X
n∈Z
xn z −n = x
b(z) = x
b∗ (z),
und
x
b(z) · yb(z) =
X
n∈Z
xn z n ·
X
ym z m =
m∈Z
XX
xk yn−k z n = (x ∗ y)b(z)
n∈Z k∈Z
folgt aus der Formel für das Cauchy-Produkt absolut konvergenter Reihen.
Damit ist alles gezeigt.
Man kann die Abbildung F auch umkehren. Dazu ordnet man zunächst
einer stetigen Funktion f : T → C ihre Fourierkoeffizienten
1
fb(n) :=
2π
Z
0
2π
f (eit )e−int dt
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
63
zu. Für f = x
b , x ∈ l1 (Z) , erlaubt die gleichmäßige Konvergenz der Reihe von x
b
die Vertauschung von Integration und Grenzübergang, und wir erhalten
b
x
b (n) =
Z 2π
X 1 Z 2π
X
1
imt −int
xm e e
dt =
xm
ei(m−n)t dt = xn ,
2π 0
2π 0
m∈Z
m∈Z
R 2π
ei(m−n)t dt = 2πδnm gilt (Übung).
Natürlich liegt die Folge fb(n) n∈Z der Fourierkoeffizienten einer stetigen
Funktion f nicht immer in l1 (Z) , aber es ist gar nicht so leicht, hierzu Gegenbeispiele zu finden (vgl. [We95, Satz IV.2.10], wo gezeigt wird, daß es stetige
Funktionen f auf T gibt, deren Fourierreihe
da
0
X
n∈Z
fb(n)eint
nicht überall konvergiert). Die Abbildung F bildet l1 (Z) also injektiv auf eine
echte Unteralgebra von C(T) ab.
Wir können auch für die Wiener-Algebra wieder die Frage nach der Menge
der Charaktere stellen. Aus Beispiel III.2.2 wissen wir schon, daß die Charaktere
dieser Algebra den beschränkten Homomorphismen Z → (C , ·) involutiver Halbgruppen entsprechen. Wegen der Involutivität geht jeder solche Homomorphismus in die Gruppe T ⊆ C × , ist also automatisch beschränkt, und wir erhalten
damit
b∼
Γl1 (Z) = l1 (Z)b∼
=Z
= T.
Für z ∈ T ist der zugehörige Homomorphismus gegeben durch
χz (x) = x
b(z) =
X
xn z n .
n∈Z
Beispiel III.2.4. Wir definieren auf dem Raum Cc (Rn ) der stetigen Funktionen mit kompaktem Träger eine Involution f ∗ (x) := f (−x) , und das Faltungsprodukt
Z
(f ∗ g)(x) :=
f (y)g(x − y) dy.
Rn
Man beachte hierbei, daß dieses Integral wohldefiniert ist, da für jedes x der
Integrand kompakten Träger hat. Weiter liefert es wieder eine stetige Funktion
mit kompaktem Träger (Übung).
Wir zeigen zunächst, daß wir so eine kommutative involutive Algebra erhalten. Für die Assoziativität rechnen wir unter Verwendung der Tatsache, daß
man die Integrationsreihenfolge bei Riemann-Integralen vertauschen kann, wie
64
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
folgt:
(f ∗ g) ∗ h (x) =
(f ∗ g)(y)h(x − y) dy
Z Z
=
f (z)g(y − z) dz h(x − y) dy
R n Rn
Z Z
=
f (z)g(y − z)h(x − y) dy dz
R n Rn
Z
Z
=
f (z)
g(y − z)h(x − y) dy dz
Rn
Rn
Z
Z
=
f (z)
g(y)h(x − z − y) dy dz
Rn
Rn
Z
=
f (z)(g ∗ h)(x − z) dz
Rn
= f ∗ (g ∗ h) (x).
Rn
Weiter gilt
∗
(f ∗ g) (x) =
Z
Z
f (y)g(−x − y) dy =
Z
f ∗ (y)g ∗ (x − y) dy = (f ∗ ∗ g ∗ )(x)
Rn
=
Z
f (−y)g(−x + y) dy
Rn
Rn
und
(f ∗ g)(x) =
Z
f (y)g(x − y) dy =
Z
f (x − y)g(y) dy = (g ∗ f )(x).
Rn
=
Z
f (−y)g(x + y) dy
Rn
Rn
Also ist Cc (Rn ) eine kommutative involutive Algebra.
Jetzt definieren wir eine Norm durch
Z
kf k1 :=
|f (x)| dx.
Rn
Wir behaupten, daß Cc (Rn ) hiermit zu einer normierten involutiven Algebra
wird, d.h.
kf ∗ k1 = kf k1 und kf ∗ gk1 ≤ kf k1 · kgk1 .
Hierzu rechnen wir
Z
Z
∗
kf k1 =
|f (−x)| dx =
Rn
|f (−x)| dx =
Rn
Z
|f (x)| dx = kf k1
Rn
und
Z
Z Z
Z
kf ∗ gk1 =
f (y)g(x − y) dy dx ≤
|f (y)| · |g(x − y)| dy dx
Rn
Rn
R n Rn
Z Z
Z
Z
=
|f (y)| · |g(x − y)| dx dy =
|f (y)|
|g(x − y)| dx dy
Rn
R n Rn
Rn
Z
Z
Z
=
|f (y)|
|g(x)| dx dy = kgk1
|f (y)| dy = kgk1 kf k1 .
Rn
Rn
Rn
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
65
Sei jetzt L1 (Rn ) die Vervollständigung des normierten Raums Cc (Rn ) bzgl.
k · k1 . Wegen der Stetigkeit von Multiplikation und Inversion lassen sich beide
auf L1 (Rn ) fortsetzen und wir erhalten so eine Banach-∗ -Algebra, die man die
L1 -Algebra von Rn nennt.
Jetzt interessieren wir uns wieder für die Charaktere dieser Algebra. Einige
lassen sich sofort angeben. Sei dazu
χx : Rn → T, y 7→ eihx,yi ,
x ∈ Rn .
Dann ist χx ein stetiger Gruppenhomomorphismus. Wegen der Beschränktheit
von χx erhalten wir ein stetiges lineares Funktional χ
ex : L1 (Rn ) → C durch
Z
Z
χ
ex (f ) =
f (y)χx (y) dy =
f (y)eihx,yi dy.
Rn
Rn
Wir zeigen, daß hierdurch ein Charakter von L1 (Rn ) definiert wird. In der
Tat ist
Z
Z
χ
ex (f ∗ ) =
=
f (−y)eihx,yi dy =
Z
Rn
und
χ
ex (f ∗ g) =
Z
f (−y)e−ihx,yi dy
Rn
Rn
f (y)eihx,yi dy = χ
ex (f )
n
Z
ZR ZR
f (y)g(z − y)eihx,zi dy dz
n
f (y)eihx,yi g(z − y)eihx,z−yi dz dy
n
n
ZR R
Z
ihx,yi
=
f (y)e
g(z − y)eihx,z−yi dz dy
n
n
ZR
ZR
=
f (y)eihx,yi
g(z)eihx,zi dz dy
Rn
Rn
Z
=χ
ex (g)
f (y)eihx,yi dy
=
Rn
=χ
ex (g)e
χx (f ).
Wir haben also für jedes x ∈ Rn + einen Charakter von L1 (Rn ) gefunden. In
diesem Sinn können wir also jedem Element f ∈ L1 (Rn ) die Funktion
Z
n
fb: R → C , x 7→ χx (f ) =
f (y)eihy,xi dy
Rn
zuordnen. Man nennt diese Funktion die Fouriertransformierte von f . Die
Stetigkeitseigenschaften dieser Funktion werden wir später untersuchen, wenn
wir uns mit der Topologie auf der Menge aller Charaktere beschäftigen. Was wir
oben gezeigt haben, läßt sich prägnant formulieren als
fc∗ = (fb)∗
und
(f ∗ g)b= fb ∗ gb
66
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
für alle f, g ∈ L1 (Rn ) .
Da wir nun einige Charaktere von L1 (Rn ) kennen, stellt sich natürlich
die Frage, ob dies schon alle sind. Das ist tatsächlich so, aber wir werden uns
erst später mit dieser Frage beschäftigen, wenn wir sie in einem allgemeineren
Kontext behandeln können.
III.3. Die Gelfandsche Darstellungstheorie
In diesem Abschnitt werden wir einen besonders schönen Teil der Spektraltheorie kennenlernen. Wir haben die C ∗ -Algebra C(X) der stetigen Funktionen
auf einem kompakten Raum schon als Beispiel diskutiert. Eines der Hauptergebnisse in diesem Abschnitt wird sein, daß jede kommutative C ∗ -Algebra mit Eins
als C ∗ -Algebra zu einer Algebra des Typs C(X) isomorph ist. Hat sie kein
Einselement, so ist sie isomorph zu C0 (X) für einen lokalkompakten Raum X .
Dieses Ergebnis überzeugt nicht nur durch sein abstrakte Schönheit, sondern ist
auch ein Grundbaustein für die gesamte Spektraltheorie. Darüber hinaus werden wir sehen, daß es auch einen sehr bequemen Zugang zur Maßtheorie auf
lokalkompakten Räumen liefert.
Die Grundidee hinter der Gelfandschen Darstellungstheorie ist die folgende.
Ist A ein Banachraum und A0 sein Dualraum, so betrachten wir den Raum
X := {α ∈ A0 : kαk ≤ 1} , den wir mit der schwach-∗-Topologie versehen, also
mit der gröbsten Topologie, die alle Funktionen
x
b: X → C ,
α 7→ α(x)
stetig macht. Nach dem Satz von Alaoglu-Bourbaki ([FA01]) ist X ein kompakter
Raum und die Abbildung
A → C(X),
x 7→ x
b
liefert eine isometrische Einbettung des Banachraums A in die Algebra C(X) .
Beachte hierbei, daß
kb
xk∞ = sup{|b
x(α)|: α ∈ X} = kxk
aus dem Satz von Hahn-Banach folgt (vgl. [FA01]). Jeder Banachraum läßt sich
also isometrisch in einen Raum C(X) einbetten. Ist A zusätzlich eine kommutative Banachalgebra, so hätte man gerne eine Einbettung als eine Unteralgebra
von C(X) . In diesem Fall müssen die Auswertungsabbildungen x 7→ x
b(α) = α(x)
allerdings Algebra-Homomorphismen sein. Wir werden also anstatt der gesamten
Einheitskugel X ⊆ A0 nur die Algebra-Homomorphismen betrachten dürfen. Das
ist die Grundidee. Die ersten Probleme zeigen sich natürlich schon bei der Frage
nach der Reichhaltigkeit der Menge der Algebrahomomorphismen nach C .
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
67
Satz III.3.1. (a) Sei A eine Banachalgebra mit Einselement. Versehen wir
die Menge ΓA aller von 0 verschiedenen Algebra-Homomorphismen A → C mit
der schwach- ∗ -Topologie, so ist ΓA kompakt und die Abbildung
G: A → C(ΓA ),
x 7→ x
b
mit x
b(α) = α(x) ist ein kontraktiver Homomorphismus von Banachalgebren.
(b) Hat A kein Einselement und ist ΓA 6= Ø , so ist ΓA lokalkompakt und
G: A → C0 (ΓA ) ein kontraktiver Homomorphismus.
Beweis. (a) Zunächst erhalten wir aus Satz III.1.15
ΓA ⊆ X := {α ∈ A0 : kαk ≤ 1}.
Da X nach dem Satz von Alaoglu -Bourbaki (vgl. [FA01]) kompakt ist, haben
wir nur zu zeigen, daß ΓA abgeschlossen darin ist. Seien dazu a, b ∈ A . Dann
ist die Menge
b
Xa,b = {α ∈ X: α(ab) = α(a)α(b)} = {α ∈ X: ab(α)
=b
a(α)bb(α)}
b sind auf X stetig. Folglich
in X abgeschlossen, denn die Funktionen b
a , bb und ab
ist auch
\
ΓA =
Xa,b ∩ {α ∈ X: α(1) = 1}
a,b∈A
abgeschlossen und damit kompakt.
Der Rest der Behauptung folgt nun aus
kb
xk∞ = sup{|b
x(α)|: α ∈ ΓA } ≤ kxk,
was wiederum aus
|b
x(α)| = |α(x)| ≤ kαk · kxk ≤ kxk
für α ∈ ΓA folgt.
(b) Hat A kein Einselement, so setzen wir A+ = A⊕C wie in Lemma III.1.4. Es
ist klar, daß jeder Homomorphismus χ: A → C sich eindeutig durch χ+ (a, λ) =
λ+χ(a) zu einem Homomorphismus χ+ : A+ → C mit χ+ (1) = 1 fortsetzen läßt.
Der einzige Homomorphismus von A+ , dessen Einschränkung auf A trivial ist,
wird durch ω: (a, λ) 7→ λ gegen. Wir haben daher ΓA+ = ΓA ∪{ω} . Da χ(1) = 1
für alle χ ∈ ΓA+ gilt, stimmt die schwach-∗ -Topologie bzgl. A auf ΓA mit der
Teilraumtopologie bzgl. ΓA+ überein, macht ΓA also zu einem lokalkompakten
Raum, der durch Wegnahme von ω aus ΓA+ entsteht.
Für ein Element a ∈ A ist nun b
a eine stetige Funktion auf ΓA , die
sich durch b
a(ω) = 0 zu einer stetigen Funktion auf ΓA+ fortsetzt. Folglich
ist b
a ∈ C0 (ΓA ) .
Den Homomorphismus
G: A → C0 (ΓA ),
G(a)(χ) := b
a(χ) := χ(a)
nennt man die Gelfand-Transformation der Banachalgebra A. Die Fragen, die
sich nun aufdrängen, sind die, ob man die Norm kb
xk∞ der Gelfand-Transformierten durch die Norm in A ausdrücken kann, und inwieweit die GelfandTransformation injektiv ist. Um diese Fragen zu beantworten, benötigen wir
zuerst etwas algebraischen Unterbau.
68
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
Definition III.3.2. (a) Ein Ideal in einer Algebra ist ein Untervektorraum I
mit IA ∪ AI ⊆ I . Gilt zusätzlich I 6= A, so heißt I echtes Ideal.
(b) Ein maximales Ideal ist ein echtes Ideal I , für das es zwischen I und A keine
weiteren Ideale gibt.
Lemma III.3.3. Sei A eine Banachalgebra.
(i) Der Abschluß eines Ideals ist ein Ideal.
(ii) Ist I ein abgeschlossenes Ideal in A , so ist A/I eine Banachalgebra, wenn
wir A/I mit der Quotientennorm und der Multiplikation [a] · [b] := [ab] für
[a] = a + I versehen. Ist A kommutativ, so auch A/I .
Beweis. (i) Ist I ⊆ A ein Ideal, so folgt aus der Stetigkeit der Multiplikation,
daß IA ⊆ IA ⊆ I und ebenso AI ⊆ I . Also ist I ein Ideal.
(ii) Sei nun I ⊆ A ein abgeschlossenes Ideal. Dann ist A/I bzgl. der Quotientennorm
k[a]k := inf{kxk: x ∈ [a]}
zunächst ein Banachraum (vgl. [FA01]).
Die Wohldefiniertheit der Multiplikation folgt daraus, daß I ein Ideal ist.
Für x, y ∈ A haben wir weiter
k[x][y]k ≤ kxyk ≤ kxk · kyk.
Da x ∈ [x] und y ∈ [y] beliebig sind, folgt hieraus
k[x][y]k ≤ k[x]k · k[y]k.
Also ist A/I eine Banachalgebra.
Ist A kommutativ, so natürlich auch der Quotient A/I .
Beispiel III.3.4. (a) Ist f ∈ ΓA , so ist der Kern ker f ⊆ A ein maximales
Ideal, denn die Kodimension dieses Unterraums ist 1 . Es kann also zwischen
ihm und A kein weiteres Ideal geben.
(b) Ist H ein endlichdimensionaler Hilbertraum, so sind {0} und B(H) die
einzigen Ideale der C ∗ -Algebra B(H) (Übung). Algebren mit dieser Eigenschaft nennt man einfach. Man kann sogar zeigen, daß jede endlichdimensionale
einfache komplexe Algebra so aussieht (Satz von Wedderburn).
(c) Sei X ein kompakter Raum. Für jede abgeschlossene Teilmenge F ⊆ X ist
dann
IF := {f ∈ C(X): f |F = 0}
ein abgeschlossenes Ideal. Man kann zeigen, daß alle abgeschlossenen Ideale so
aussehen.
Das folgende Lemma wird uns helfen, den Zusammenhang zwischen Idealen, maximalen Idealen und Homomorphismen besser zu verstehen.
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
69
Satz III.3.5. Sei A eine Banachalgebra mit Einselement 1.
(i) Ein echtes Ideal von A ist nicht dicht.
(ii) Maximale Ideale sind abgeschlossen.
(iii) Jedes echte Ideal ist in einem maximalen Ideal enthalten.
(iv) Ist I ein echtes abgeschlossenes Ideal, so ist A/I eine Banachalgebra mit
Einselement [1] und k[1]k = 1.
(v) Ist A kommutativ und I ein maximales Ideal, so ist A/I ∼
= C , d.h. jedes
maximale Ideal ist Kern eines Homomorphismus A → C .
Beweis. (i) Da I ein echtes Ideal ist, gilt A× ∩ I = Ø. Da A× offen ist (Satz
III.1.1), gilt auch I ∩ A× = Ø und die Behauptung folgt aus 1 ∈ A× .
(ii) Ist I ⊆ A ein maximales Ideal, so folgt aus (i), daß I ebenfalls ein echtes
Ideal ist. Aus der Maximalität erhalten wir dann I = I , d.h. I ist abgeschlossen.
(iii) Die Menge (F, ⊆) aller echten Ideale versehen mit derSInklusionsordnung
ist
S induktiv geordnet, denn für jede Kette K ⊆ F ist 1 6∈ K , d.h. das Ideal
K ist ebenfalls echt (Warum ist diese Menge ein Ideal?). Die Behauptung folgt
damit aus dem Zornschen Lemma.
(iv) Daß [1] in A/I ein Einselement ist, ist klar. Wegen k[1]k ≤ k1k = 1 bleibt
noch 1 ≤ k[1]k zu zeigen. Wäre k[1]k < 1 , so fänden wir in [1] ein Element
x mit kxk < 1 . Dann wäre aber 1 − x ∈ I invertierbar (Satz III.1.1), im
Widerspruch zu I 6= A.
(v) Nach (ii) und (iv) ist A/I eine kommutative Banachalgebra mit Einselement.
Wir wollen den Satz von Gelfand-Mazur anwenden (Satz III.1.13). Hierzu haben
wir zu zeigen, daß jedes von 0 veschiedene Element in A/I invertierbar ist. Für
A bedeutet dies, daß zu jedem x ∈ A \ I ein y ∈ A existiert mit xy ∈ 1 + I .
Dazu setzen wir
J := xA + I.
Dann ist J ein Ideal, das I und x enthält, also J = A . Folglich existiert ein
y ∈ A mit 1 ∈ xy+I . Mit dem Satz von Gelfand-Mazur sehen wir nun A/I ∼
= C.
Insbesondere ist I der Kern eines Homomorphismus A → C .
Man beachte, daß Satz III.3.5(v) für nichtkommutative Banachalgebren im
allgemeinen falsch ist (vgl. Beispiel III.3.4(b)).
Wir können jetzt schon die Frage nach der Norm der Gelfandtransformierten beantworten.
Gelfandscher Darstellungssatz für Banachalgebren
Theorem III.3.6. Sei A eine kommutative Banachalgebra mit Einselement.
Dann ist ΓA nicht leer und die Gelfandtransformation A → C(ΓA ) ist ein
kontraktiver Homomorphismus von Banachalgebren mit
σ(x) = x
b(ΓA )
und
kb
xk∞ = r(x)
b = 1 die Einsfunktion auf ΓA . Hat A kein
für alle x ∈ A . Weiter ist 1
Einselement und ist ΓA 6= Ø, so haben wir
σ(x) = x
b(ΓA ) ∪ {0}
und
kb
xk∞ = r(x).
70
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
Beweis. Wir nehmen zuerst an, daß A eine Eins besitzt. Da es nach Satz
III.3.5 maximale Ideale gibt, ist ΓA nicht leer.
Ist λ ∈ σ(x) , also x − λ1 nicht invertierbar, so ist A · (x − λ1) ein echtes
Ideal, denn dieser Unterraum enthält nicht das Einselement. Folglich ist er nach
Satz III.3.5 in einem maximalen Ideal I enthalten. Dieses wiederum ist Kern
eines Homomorphismus α: A → C . Damit ist schließlich
0 = α(x − λ1) = α(x) − λ1
und folglich x
b(α) = α(x) = λ .
Existiert umgekehrt ein α ∈ ΓA mit x
b(α) = α(x) = λ , so ist x − λ1 in
dem maximalen Ideal ker α enthalten, kann also keine Einheit sein. Damit ist
λ ∈ σ(x) . Hieraus folgt x
b(ΓA ) = σ(x) . Die Formel kb
xk = r(x) für die Norm
ist jetzt eine triviale Konsequenz der Definition des Spektralradius. Wegen Satz
III.3.1 ist damit alles gezeigt falls A ein Einselement hat.
Ist dies nicht der Fall und ΓA 6= Ø, so haben wir x
b ∈ C0 (ΓA ) für alle
x ∈ A. Weiter ist
σ(x) = σA+ (x) = x
b(ΓA ) ∪ {0}
wegen dem ersten Teil (vgl. Satz III.3.1(b)). Hieraus folgt die Behauptung.
Den Kern der Gelfandtransformation nennt man das Radikal rad(A) von
A, und A heißt halbeinfach, wenn rad(A) = {0} ist. Die halbeinfachen kommutativen Banachalgebren sind also genau die, für die die Gelfandtransformation
injektiv ist. Insbesondere sehen wir Γrad(A) = Ø . Ist also r(a) = 0 für alle
a ∈ A, so hat A keine von 0 verschiedenen Homomorphismen nach C . Ein
2
einfaches Beispiel,
wo
dies passiert, ist die Unteralgebra von B(C ) , die von der
0 1
Matrix a =
erzeugt wird.
0 0
Korollar III.3.7.
Ist A eine kommutative Banachalgebra mit Einselement,
so ist der Spektralradius r: A → R+ eine stetige Halbnorm und es gilt
rad(A) = {x ∈ A: r(x) = 0}.
Beweis.
Das folgt sofort aus r(x) = kb
xk∞ ≤ kxk .
Beispiel III.3.8. (a) Ist X ein kompakter Raum und A = C(X) , so ist
ΓA = {δx : x ∈ X} (vgl. Beispiel III.2.1(d)) und die Gelfandtransformation ist
gegeben durch
fb(δx ) = f (x),
wobei δx : f 7→ f (x) die Punktauswertung in x ∈ X ist. Die Gelfandtransformation C(X) → C(ΓA ) ∼
= C(X) ist also die Identität.
Wir zeigen noch, daß X und ΓA sogar als topologische Räume isomorph
sind. Aus der Definition der Topologie auf ΓA folgt, daß die Abbildung
X → ΓA ,
x 7→ δx
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
71
stetig ist, denn alle Abbilungen x 7→ f (δx ) = f (x) sind auf X stetig. Weiter ist
diese Abbildung bijektiv und X ist kompakt, also ist sie ein Homöomorphismus.
(b) (Die Einpunktkompaktifizierung) Sei jetzt X lokalkompakt und A = C0 (X).
Dann ist ΓA+ = X ∪ {ω} , wobei ω: A+ → C durch ω(f, λ) := λ definiert ist.
Die Topologie auf ΓA+ macht die Menge Xω := X ∪ {ω} zu einem kompakten
Raum. Da {ω} als kompakte Menge abgeschlossen ist, ist X ⊆ Xω offen. Wie
unter (a) sehen wir ferner, daß die Abbildung
η: X → Xω = ΓA+ ,
x 7→ δx
stetig und injektiv ist. Wir behaupten, daß sie sogar offen, also eine Einbettung
ist.
Sei also O ⊆ X offen. Wir zeigen, daß η(O) ⊆ Xω offen ist. Sei
dazu δy ∈ η(O) , d.h. y ∈ O . Mit dem Satz von Urysohn finden wir eine
Funktion f : X → C mit f (y) = 1 deren Träger in O liegt. Dann ist die
Menge {δz ∈ Xω : δz (f ) 6= 0} eine offene Umgebung von δy , die ganz in η(O)
liegt. Folglich ist η(O) offen. Wir haben damit gezeigt, daß X → Xω eine offene
Einbettung ist. Den kompakten Raum Xω nennt man Einpunktkompaktifizierung
von X .
In diesem Beispiel läßt sich leicht direkt nachprüfen, daß wir durch die
Gelfanddarstellung eine Realisierung von C0 (X) als das Ideal
{f ∈ C(Xω ): f (ω) = 0}
von C(Xω ) bekommen.
Ist z. B. X = N mit der diskreten Topologie, so ist Xω ∼
= {0} ∪ { n1 : n ∈ N}
mit der von R induzierten Topologie (Übung). Die stetigen Funktionen auf
diesem Raum entsprechen genau denjenigen Folgen, für die limn→∞ xn existiert,
und c0 (N, C ) ∼
= C0 (X) ist hierin das Ideal der Nullfolgen.
Ist X = Rn , so ist Xω ∼
= Sn = {x ∈ Rn+1 : kxk = 1} (Übung), d.h.
C0 (Rn )+ ∼
= C(Sn ).
(c) Für A = l1 (Z) sehen wir wie in (a) mit Beispiel III.2.2 und der Kompaktheit
von T ∼
= S1 sogar im Sinn topologischer Räume gilt. Die Gelfand= S1 , daß ΓA ∼
Transformation ist in diesem Fall gegeben durch
X
x
b(z) =
xn z n .
n∈Z
(d) Für A = l1 (N0 ) erhalten wir wie in Beispiel III.2.2 ΓA ∼
= {z ∈ C : |z| ≤ 1} .
Die Gelfand-Transformation ist in diesem Fall gegeben durch
x
b(z) =
∞
X
xn z n .
n=0
Man beachte, daß l1 (N0 ) ∼
= l1 (N)+ gilt, sowie Γl1 (N) ∼
= {z ∈ C : 0 < |z| ≤ 1} .
Hier sieht man sehr schön, daß man durch Hinzunahme des Einselements die
Einpunktkompaktifizierng der gelochten Scheibe, also den Vollkreis bekommt.
72
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
(e) Sei A = L1 (Rn ) . In diesem Fall ist ΓA ∼
= Rn und die Gelfand-Transformation
stimmt mit der Fourier-Transformation überein:
Z
b
f (y)eihx,yi dy.
G(f )(x) = f (x) =
Rn
Was wir hierzu schon wissen ist, daß die Abbildung L1 (Rn ) → BC(Rn ), f 7→ fb
ein kontraktiver Homomorphismus von Banach-∗ -Algebren ist. Insbesondere ist
die so erhaltene Abbildung Rn → ΓA stetig.
Um obige Behauptung zu beweisen, muß man etwas arbeiten. Wir lassen
den Beweis zur Übung. Man gehe hierzu nach folgenden Schritten vor.
(1) Sei δ1 ∈ Cc (Rn ) eine stetig
R differenzierbare nichtnegative Funktion nmit kompaktem Träger und kδ1 k1 = Rn δ1 (x) dx = 1 . Wir setzen δm (x) = m δ1 (mx) .
Dann gilt:R
(i)
δ (x) dx = 1 für alle m ∈ N .
Rn m
(ii) Für jedes r > 0 existiert ein mr ∈ N mit
supp(δm ) = {x: δm (x) 6= 0} ⊆ Br (0) = {x: kxk ≤ r}
für m ≥ mr .
(iii) Für f ∈ Cc (Rn ) gilt δm ∗ f → f gleichmäßig.
(iv) Für f ∈ L1 (Rn ) gilt δm ∗ f → f in L1 (Rn ) . Hinweis: Man verwende
(i), (iii) und ein 3ε -Argument.
(2) Sei jetzt χ ∈ ΓL1 (Rn ) . Zeige:
(i) Für x ∈ Rn und f ∈ Cc (Rn ) sei (τx .f )(y) := f (y − x) . Dann ist
τx (f ∗ h) = (τx .f ) ∗ h = f ∗ (τx .h).
(ii) Für x ∈ Rn existiert α(x) := limm→∞ χ(τx .δm ) . Hinweis:
χ(τx .δm )χ(f ) = χ(δm ∗ τx .f ) → χ(τx .f ).
Also ist χ(τx .f ) = α(x)χ(f ) .
(iii) α ist ein stetiger Gruppenhomomorphismus Rn → C × . Hinweis: Für
f ∈ Cc (G) ist die Abbildung Rn → L1 (Rn ), x 7→ τx .f stetig.
(iv) α(Rn ) ⊆ T.
(3) Jetzt akzeptieren wir das folgende Faktum: Für jedes stetige lineare Funktional µ auf L1 (Rn ) und f ∈ L1 (Rn ) gilt
Z
µ(f ∗ g) =
f (x)µ(τx .g) dx
Rn
für f, g ∈ Cc (Rn ) . Wenden wir dies auf χ an, so erhalten wir
Z
χ(f ) = lim χ(f ∗ δm ) = lim
f (x)χ(τx .δm ) dx
m→∞
m→∞ Rn
Z
Z
= lim χ(δm )
f (x)α(x) dx =
f (x)α(x) dx.
m→∞
Rn
|
{z
} Rn
=α(0)
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
73
(4) Um ΓL1 (Rn ) = Rn zu sehen, bleibt nur noch zu zeigen, daß jeder stetige
Charakter von Rn die Gestalt α(x) = eihx,yi für ein y ∈ Rn hat. Hierzu dürfen
wir n = 1 annehmen (Warum?).
(i) α ist differenzierbar. Hinweis: Berechne α ∗ δm und beachte, daß
f ∗ δm → f auch für beschränkte stetige Funktionen f : Rn → C gilt.
(ii) Für n = 1 genügt α einer linearen Differentialgleichung α0 (x) =
0
α0 (0)α(x) . Also ist α(x) = exα (0) .
(5) Wegen (4) ist die Abbildung Rn → ΓA bijektiv. Wir wissen schon, daß sie
stetig ist. Bleibt also zu zeigen, daß sie offen ist. Hierzu muß man sehen, daß die
Topologie auf Rn die gröbste Topologie ist, die alle Funktionen fb, f ∈ L1 (Rn ),
stetig macht. Hierzu berechne man die Fouriertransformierte der Funktionen
fy (x) :=
e−hy,xi
0
für xj ≥ 0, j = 1, . . . , n ,
sonst
die für y1 , . . . , yn > 0 Elemente von L1 (Rn ) darstellen.
Nach der Diskussion dieser Beispiele, noch ein wichtiges Resultat, das wir
jetzt leicht beweisen können.
Satz von Wiener
Satz III.3.9.
he
Hat die Funktion f ∈ C(T) eine absolut konvergente FourierreiX
n∈Z
fb(n)eint
und ist f (z) 6= 0 für alle z ∈ T, so hat auch die Funktion z 7→ f (z)−1 eine
absolut konvergente Fourierreihe.
Beweis. Daß f eine absolut konvergente Fourierreihe hat, heißt gerade, daß f
1 (Z) ⊆ C(T) liegt. Wir können f daher als f = x
in der Unteralgebra l[
b für eine
1
Folge x ∈ l (Z) schreiben. Nach Voraussetzung enthält f (T) = x
b(T) = σ(x)
nicht die 0 , d.h. x ist invertierbar. Damit ist aber
f (z)−1 = (x−1 )b(z),
und das war zu zeigen.
Beispiel III.3.10. Sei A eine endlichdimensionale Algebra mit Eins, die von
einem Element a erzeugt wird. Man kann A leicht zu einer Banachalgebra
machen (Übung), aber das ist für die folgenden Betrachtungen sekundär.
Wir betrachten die Algebra C [X] der Polynome in einer Unbestimmten X .
Die Zuordnung X 7→ a definiert nun einen surjektiven Algebrahomomorphismus
q: C [X] → A, p(X) 7→ p(a) . Der Kern dieses Homomorphismus ist ein Ideal
in C [X] . Da C [X] ein Hauptidealring ist, ist der Kern von einem normierten
74
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
Polynom f (X) erzeugt und wir haben A ∼
= C [X]/(f ) . Sind λ1 , . . . , λk die
Nullstellen von f mit den Vielfachheiten m1 , . . . , mk , so ist
f (X) =
k
Y
(X − λj )mj .
j=1
∼ C ist, wobei einer komplexen
Man sieht leicht ein, daß Hom(C [X], C ) =
Zahl λ ∈ C der Homomorphismus δλ : p(X) 7→ p(λ) entspricht. Die Homomorphismen A → C entsprechen nun denjenigen Homomorphismen C [X] → C , die
auf dem Kern von q verschwinden, also
ΓA = {δ λ1 , . . . , δ λk },
δ λ (p(a)) = p(λ) = δλ (p)
und daher
C(ΓA ) ∼
= C k.
Da es zu jeder Zahl λj ein Polynom gibt, das in ihr nicht verschwindet, aber in
allen anderen Nullstellen von f , sehen wir, daß
G: A → C k ,
p(a) 7→ (p(λ1 ), . . . , p(λk ))
surjektiv ist. Der Kern, also rad(A) , kommt nun von denjenigen Polynomen, die
in allen Nullstellen von p verschwinden, also die Gestalt
(X − λ1 ) · · · (X − λk )g(X)
besitzen (Übung). Hieraus schließen wir
rad(A) = (a − λ1 1) · · · (a − λk 1)A.
Das ist ein Ideal der Kodimension k in der Algebra A, die selbst die Dimension
m1 + . . . + mk besitzt.
Für f (X) = X m erhalten wir eine Basis von A durch die Elemente
1, a, . . . , am−1 , und es gilt am = 0 . In diesem Fall ist rad(A) = aA =
span{a, . . . , am−1 } eine Hyperebene.
Kommutative C ∗ -Algebren
In diesem Abschnitt werden wir sehen, daß die Gelfandsche Darstellungstheorie für kommutative C ∗ -Algebren besonders wirkungsvoll ist.
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
Lemma III.3.11.
σ(a) ⊆ R .
75
Ist A eine C ∗ -Algebra und a ∈ A hermitesch, so haben wir
Beweis. Wir dürfen o.B.d.A. annehmen, daß A ein Einselement hat (Satz
III.1.21). Sei α + iβ ∈ σ(a) . Wir werden β = 0 zeigen. Für alle λ ∈ R ist
α + i(β + λ) ∈ σ(a) + iλ = σ(a + iλ1) , so daß wir
|α + i(β + λ)| ≤ ka + iλ1k
aus Lemma III.1.18(ii) erhalten. Jetzt rechnen wir
α2 + (β + λ)2 = |α + i(β + λ)|2 ≤ ka + iλ1k2
= k(a + iλ1)∗ (a + iλ1)k = ka2 + λ2 1k ≤ kak2 + λ2 .
Hieraus erhalten wir für alle λ ∈ R
α2 + β 2 + 2βλ ≤ kak2 ,
also β = 0 .
Gelfandscher Darstellungssatz für C ∗ -Algebren
b = ΓA ,
Theorem III.3.12.
Ist A eine kommutative C ∗ -Algebra, so gilt A
d.h. jeder Algebrahomomorphismus nach C ist automatisch mit der Involution
verträglich. Die Gelfandtransformation G: A → C0 (ΓA ) ist ein Isomorphismus
von C ∗ -Algebren. Insbesondere gilt also
kb
xk∞ = kxk
Beweis.
und
c∗ .
x
b∗ = x
Ist a ∈ A, so folgt
kb
ak∞ = r(a) = kak
aus Lemma III.1.18(ii) und Theorem III.3.6, da A kommutativ und damit a
normal ist.
Weiter erhalten wir für a = a∗ aus Lemma III.3.11 wegen b
a(ΓA ) ⊆ σ(a) ,
daß b
a eine reellwertige Funktion ist. Für x = b + ic mit hermiteschen Elementen
b, c folgt hieraus
c∗ = bb − ib
x
c=x
b=x
b∗ .
Also ist die Gelfandtransformation sogar ein Homomorphismus involutiver Algebren.
Es bleibt noch die Surjektivität zu zeigen. Da die Gelfandtransformation
isometrisch ist, ist G(A) ⊆ C0 (ΓA ) vollständig, also eine abgeschlossene Unteralgebra. Weiter ist G(A) unter komplexer Konjugation invariant, wegen ΓA ⊆ A0
trennt sie die Punkte von ΓA , und wegen 0 6∈ ΓA hat sie keine gemeinsamen
Nullstellen. Aus dem Satz von Stone-Weierstraß (Theorem III.3.13(ii) unten)
folgt hiermit G(A) = C0 (ΓA ) .
76
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
Satz von Stone-Weierstraß
Theorem III.3.13.
(i) Ist X kompakt und A ⊆ C(X) eine C ∗ -Unteralgebra, d.h. eine abgeschlossene ∗ -Unteralgebra, die die Punkte trennt, so ist A = C(X) oder A =
{f ∈ C(X): f (x0 ) = 0} für ein x0 ∈ X .
(ii) Ist X lokalkompakt und A ⊆ C0 (X) eine abgeschlossene ∗-Unteralgebra, die
die Punkte trennt und keine gemeinsamen Nullstellen hat, so ist A = C0 (X).
Beweis. (i) [Neu90, S.52]
(ii) Ist Xω = X ∪ {ω} die Einpunktkompaktifizierung von X , so können wir (i)
auf A ⊆ C0 (X) ⊆ C(Xω ) anwenden, da A die Punkte von Xω trennt und nur
die Nullstelle ω hat.
Beispiel III.3.14. Der Gelfandsche Darstellungssatz hat interessante Konsequenzen, denn er liefert nicht nur die Einsicht, daß ein kompakter Raum X
wegen X = ΓC(X) schon eindeutig durch die C ∗ -Algebra C(X) bestimmt ist,
sondern er impliziert auch für jeden topologischen Raum X die Existenz eines
kompakten Raumes βX mit
BC(X) ∼
= C(βX).
Dieser Raum hat die Eigenschaft, daß man eine natürliche stetige Abbildung
η: X → βX, x 7→ δx hat, so daß βX = η(X) gilt (Beweis!). Man nennt βX die
Stone-Čech-Kompaktifizierung von X .
Ist X eine Menge, so ist l∞ (X) ebenfalls ein C ∗ -Algebra. Fassen wir X
als diskreten topologischen Raum auf, so ist l∞ (X) = BC(X) und in diesem
Sinne liefert die Stone-Čech-Kompaktifizierung βX einen kompakten Raum mit
l∞ (X) ∼
= C(βX) .
III.4. Stetiger Funktionalkalkül für normale Operatoren
Man kann den Gelfandschen Darstellungssatz auch anwenden, um kommutative Unteralgebren von C ∗ -Algebren zu studieren.
Satz III.4.1. Sei a ein normales Element der C ∗ -Algebra A mit Eins und
C ∗ (a) die kleinste abgeschlossene Unteralgebra, die a und 1 enthält. Dann ist
C ∗ (a) ∼
= C σ(a)
im Sinne von C ∗ -Algebren, wobei das Element a der Funktion idσ(a) entspricht.
Insbesondere ist C ∗ (a) kommutativ.
Beweis.
Aus
C ∗ (a) = span{an (a∗ )m : n, m ∈ N}
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
77
folgt sofort wegen der Stetigkeit der Multiplikation, daß C ∗ (a) kommutativ und
unter der Involution invariant ist. Also ist C ∗ (a) eine kommutative C ∗ -Algebra.
Nach dem Gelfandschen Darstellungssatz (Theorem III.3.12) haben wir
∗
C (a) ∼
= C(X) für einen kompakten Raum X . Das Element a entspricht dann
einer Funktion b
a auf X , die die C ∗ -Algebra C(X) erzeugt. Wir zeigen, daß die
Abbildung
b
a: X → b
a(X) = σC ∗ (a) (a)
ein Homöomorphismus ist. Da C(X) die Punkte von X trennt und von b
a erzeugt
wird, trennt die Funktion b
a: X → C schon die Punkte von X , d.h. b
a ist injektiv.
Da X kompakt ist, folgt hieraus aber schon die Behauptung.
Es bleibt nur noch σ(a) = σC ∗ (a) (a) = b
a(X) zu zeigen. Die Inklusion
σ(a) ⊆ σC ∗ (a) (a) folgt aus Lemma III.1.14. Um die umgekehrte Inklusion zu
zeigen, nehmen wir an, daß ein λ ∈ σC ∗ (a) (a) \ σ(a) existiert. Dann existiert
b := (a − λ1)−1 ∈ A.
Sei m > kbk und f ∈ C σC ∗ (a) (a) mit f (λ) = m und |f (z)(z − λ)| ≤ 1 für alle
z ∈ σC ∗ (a) (a) , z.B.
f (z) := m max(0, 1 − m|λ − z|).
So eine Funktion findet man zum Beispiel, wenn man die Werte von f in [0, m]
1
wählt und f außerhalb
des Kreises vom Radius m um λ verschwindet.
Sei Φ: C b
a(X) → A die Einbettung von oben. Mit g(z) := f (z)(λ − z)
erhalten wir dann
m ≤ kf k∞ = kΦ(f )k = kΦ(f )(a − λ1)bk = kΦ(g)bk
≤ kΦ(g)k · kbk = kgk∞ · kbk ≤ kbk,
im Widerspruch zur Wahl von m .
Korollar III.4.2.
Ist A eine C ∗ -Algebra mit Einselement, B eine C ∗ Unteralgebra mit Einselement und a ∈ B normal, so ist σB (a) = σA (a).
Beweis. Sei C ∗ (a) die von a und a∗ erzeugte abgeschlossene Unteralgebra
von B . Mit Lemma III.1.14 und Satz III.4.1 erhalten wir dann
σA (a) ⊆ σB (a) ⊆ σC ∗ (a) (a) = σA (a).
Hieraus folgt die Behauptung.
Korollar III.4.3. Ist H ein Hilbertraum und A ∈ B(H) normal, so existiert
eine isometrische Einbettung von C ∗ -Algebren
Φ: C σ(A) → B(H)
mit Φ(idσ(A) ) = A.
∗
Beweis. Das folgt sofort aus Satz
III.4.1, da die C -Unteralgebra, die von A
∗
und A erzeugt wird, zu C σ(A) isomorph ist.
78
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
Bemerkung III.4.4.
Man kann diesen Satz so interpretieren, daß man für
jede stetige Funktion f auf dem Spektrum von A einen Operator f (A) so
definieren kann, daß die Zuordnung
Φ: C σ(A) → B(H),
f 7→ f (A)
ein injektiver Homomorphismus von C ∗ -Algebren wird. Insbesondere gilt dann
f (A) ◦ g(A) = (f · g)(A)
und
f (A) = f (A)∗ .
Weiter erhalten wir sofort den Spektral-Abbildungssatz
σ f (A) = f σ(A)
aus
σ f (A) = σ Φ(f ) = σ
C σ(A)
(f ) = f σ(A) .
Bemerkung III.4.5.
Um zu sehen, welche Wünsche der stetige Spektralkalkül für beschränkte Operatoren offen läßt, diskutieren wir ein Beispiel. Sei
dazu (ej )j∈J eine ONB des Hilbertraums H und x: J → C , j 7→ xj eine
beschränkte Funktion. Wir behaupten, daß durch
A.v :=
X
xj hv, ej iej
j∈J
auf H ein normaler Operator mit
σ(A) = x(J)
definiert wird.
In der Tat ist die Reihe, die A definiert, wegen
kA.vk2 =
X
|xj hv, ej i|2 ≤
j∈J
X
|xj |2 |hv, ej i|2 ≤ kxk2∞ kvk2
j∈J
für jedes v ∈ H konvergent und es gilt kAk ≤ kxk∞ . Wegen
A∗ .v :=
X
xj hv, ej iej
j∈J
is A normal. Jede Zahl xj ist wegen A.ej = xj ej ein Eigenwert. Also ist
σ(A) ⊇ x(J). Ist λ 6∈ x(J) , so ist
(A − λ1).v =
X
j∈J
(xj − λ)hv, ej iej
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
79
und folglich
(A − λ1)−1 .v =
X
(xj − λ)−1 hv, ej iej
j∈J
ein beschränkter Operator.
Weiter überzeugt man sich davon, daß für f ∈ C σ(A) die Beziehung
f (A).v =
X
f (xj )hv, ej iej
j∈J
gilt. Das zeigt man zuerst für Polynome in A und A∗ durch Nachrechnen und
dann durch Grenzübergang (Approximationssatz von Weierstraß).
Ist E ⊆ C eine abgeschlossene Teilmenge, so heißt der Operator
X
PE .v :=
hv, ej iej
xj ∈E
Spektralprojektor zu der Menge E . Dies ist eine Orthogonalprojektion, die mit
A vertauscht, und die Eigenschaften hat, daß
σ(A |PE .H ) = E ∩ x(J) ⊆ E
gilt. Der Operator PE filtert also aus H genau den Teil heraus, auf dem das
Spektrum von A in der Menge E liegt.
Nun wäre es schön, wenn man PE als f (A) für eine Funktion f ∈ C σ(A)
darstellen könnte. Wie wir oben gesehen haben müßte eine solche Funktion die
Eigenschaft haben, daß
f (xj ) =
1
0
für xj ∈ E
für xj ∈
6 E.
Damit wäre f eine {0, 1} -werige Funktion auf σ(A) , also
σ(A) = f −1 (0) ∪ f −1 (1)
eine Zerlegung in disjunkte gleichzeitig offene und abgeschlossene Teilmengen. Ist
also E∩σ(A) nicht gleichzeitig offen und abgeschlossen in σ(A) , so existiert keine
Funktion f mit den gewünschten Eigenschaften. Möchte man also mehr oder
sogar alle Spektralprojektionen als Funktionen von A schreiben, so wird man die
Klasse der stetigen Funktionen verlassen müssen. Dies werden wir im nächsten
Kapitel tun. Die wesentlichen Hilfsmittel hierzu werden von der Maßtheorie
bereitgestellt.
80
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
Das Schursche Lemma für unendlichdimensionale Räume
Wir können an dieser Stelle eine weitere Lücke schließen, die sich in Abschnitt I.4 aufgetan hat. Dort haben wir gezeigt, daß jede endlichdimensionale
irreduzible Darstellung einer abelschen involutiven Halbgruppe eindimensional
ist. Wie wir jetzt sehen werden, war die Einschränkung auf endlichdimensionale
Räume unnötig.
Lemma von Schur
Satz III.4.6. Eine Darstellung (π, H) der involutiven Halbgruppe S ist genau
dann irreduzibel, wenn
π(S)0 = C 1
gilt.
Beweis. Ist (π, H) nicht irreduzibel, so existiert ein echter invarianter abgeschlossener Unterraum E . Dann ist PE ∈ π(S)0 (Lemma I.2.6) kein Vielfaches
von 1. Damit ist gezeigt, daß aus π(S)0 = C 1 die Irreduzibilität der Darstellung
folgt.
Sei die Darstellung nun irreduzibel und A ∈ π(S)0 . Wir schreiben A =
B + iC mit hermiteschen Operatoren B, C . Wegen π(S)∗ = π(S ∗ ) = π(S) ist
auch π(S)0 eine ∗ -Unteralgebra, also B, C ∈ π(S)0 .
Enthält σ(B) zwei verschiedene Punkte λ 6= µ, so finden wir auf σ(B)
zwei stetige Funktionen f, h mit f (λ) = 1 , h(µ) = 1 und f · h = 0 (Satz von
Urysohn). Damit ist auch
f (B) ◦ h(B) = (f · h)(B) = 0.
Da π(S)0 eine C ∗ -Algebra ist (Lemma I.4.7), gilt h(B) ∈ π(S)0 . Damit ist
h(B).H invariant unter A, wegen der Irreduzibilität also h(B).H dicht in H .
Aus f (B)h(B) = 0 folgt damit f (B) = 0 , im
Widerspruch zu f 6= 0 und der
Tatsache, daß der Homomorphismus C σ(B) → B(H), f 7→ f (B) isometrisch
ist (Korollar III.4.3).
Folglich ist σ(B) = {λ} für ein λ ∈ R . Also ist C σ(B) eindimensional,
und mit Korollar III.4.3 erhalten wir C B = C 1, d.h. B ∈ R1. Analog gilt
C ∈ R1, also A ∈ C 1.
Korollar III.4.7.
Jede irreduzible Darstellung (π, H) einer abelschen involutiven Halbgruppe ist eindimensional.
Beweis.
In diesem Fall gilt π(S) ⊆ π(S)0 = C 1 nach dem Schurschen Lemma.
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
81
Korollar III.4.8.
Ist (π, H) eine irreduzible Darstellung der involutiven
Halbgruppe S , so ist span π(S) eine stark dichte Unteralgebra von B(H).
Beweis. Nach dem Schurschen Lemma ist π(S)00 = (C 1)0 = B(H). Die
Behauptung folgt also aus dem von Neumannschen Bikommutantensatz (Theorem I.4.8).
Aufgaben zu Kapitel III
Aufgabe III.1. (Spektren in Funktionenalgebren) Zeige, daß folgende Funktionenräume Banachalgebren sind und bestimme jeweils das Spektrum ihrer Elemente.
(1) X ein kompakter Raum, A := C(X, C ) der Raum der stetigen komplexwertigen Funktionen mit kf k = sup |f (X)|.
(2) Jede kompakte Teilmenge von C ist Spektrum eines Elements einer Banachalgebra.
(3) X ⊆ C eine kompakte Teilmenge und
H(X, C ) := {f ∈ C(X, C ): f |X 0 holomorph}.
In diesem Fall ist
kf k = sup |f (X)| = sup |f (∂X)|
Hinweis: Maximum-Prinzip für holomorphe Funktionen.
Aufgabe III.2.
In einer reellen Banachalgebra A mit Eins kann das Spektrum
σ(a) := {λ ∈ R: a − λ1 6∈ A× }
leer sein. Finde ein Beispiel.
Aufgabe III.3. Sei A eine Banachalgebra mit Eins und B ⊆ A eine abgeschlossene Unteralgebra mit 1 ∈ B . Zeige: Für jedes Element b ∈ B ist
σB (b) ⊇ σA (b) . Im allgemeinen gilt keine Gleichheit (siehe Aufgabe III.4).
Aufgabe III.4. (Abhängigkeit der Spektren von der Algebra) Seien X1 ⊆
X2 ⊆ C zwei kompakte Teilmengen mit ∂X2 ⊆ X1 . Zeige:
(1) Die Einschränkungsabbildung
R: H(X2 , C ) ,→ H(X1 , C ),
f 7→ f |X1
(Aufg. III.1) ist isometrisch. Wir dürfen H(X2 , C ) daher als abgeschlossene
Unteralgebra von H(X1 , C ) auffassen.
(2) Ist X1 6= X2 , so existiert ein Element f ∈ H(X2 , C ) , das in H(X1 , C )
invertierbar ist, aber nicht in H(X2 , C ) . Insbesondere ist
σH(X2 ,C ) (f ) 6= σH(X1 ,C ) (f ).
Hinweis: Betrachte Funktionen des Typs f (z) = z − p , p ∈ X2 \ X1 .
82
Aufgabe III.5.
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
Sei A eine Algebra mit 1 und x, y ∈ A. Zeige:
σ(xy) \ {0} = σ(yx) \ {0}.
Hinweis: Ist z = (λ1 − xy)−1 , so zeige man λ−1 (1 + yzx) = (λ1 − yx)−1 .
Aufgabe III.6. Für zwei Elemente p, q einer Banach-Algebra mit 1 gilt nie
die Beziehung [p, q] := pq − qp = 1, d.h. 1 ist nie ein Kommutator.
Aufgabe III.7. Ist (gn )n∈N eine Folge von invertierbaren Elementen in der
Banachalgebra A , die gegen ein nicht invertierbares Element x konvergiert, so
ist lim supn∈N kgn−1 k unbeschränkt. Hinweis: Ist die Folge (gn−1 ) beschränkt, so
konvergiert 1 − gn−1 x gegen 0, und hieraus schließt man auf die Invertierbarkeit
von x.
Aufgabe III.8. (Endlichdimensionale zyklische Algebren) Sei A eine endlichdimensionale komplexe Algebra mit Eins, die von einem Element a ∈ A erzeugt
wird. Zeige:
(1) Es existiert eine Norm auf A, die A zu einer Banachalgebra macht und für
die k1k = 1 gilt.
(2) Es existiert ein Polynom f (X) ∈ C [X] mit A ∼
= C [X]/(f ) , wobei (f ) =
f (X)C [X] das von f erzeugte Hauptideal bezeichnet.
(3) Beschreibe alle Ideale I von A . Welche sind maximal?
Aufgabe III.9. (Einpunktkompaktifizierung) Sei X ein lokalkompakter
Raum. Wir bilden die disjunkte Vereinigung Xω := X ∪ {ω} .
(1) Sei O die Menge aller Teilmengen von Xω , die entweder offene Teilmengen
von X sind oder Komplemente kompakter Teilmengen von X . Dann ist
(Xω , O) ein kompakter topologischer Raum. Man nennt Xω die Einpunktkompaktifizierung von X .
(2) C0 (X) ∼
= {f ∈ C(Xω ): f (ω) = 0} .
(3) Ist Y ein kompakter Raum, der einen Punkt η enthält, so daß Y \ {η}
homöomorph zu X ist, so ist Y homöomorph zu Xω . Einpunktkompaktifizierungen sind also bis auf Homöomorphie eindeutig.
(4) Beschreibe den Raum Nω ?
(5) Für X = Rn ist Xω ∼
= Sn (Stereographische Projektion).
Aufgabe III.10. Sei B eine Banachalgebra mit Eins, X ein kompakter Raum
und A := C(X, B) . Zeige:
(1) A ist eine Banachalgebra bzgl. kf k := sup{kf (x)k: x ∈ X} .
(2) A× = C(X, B × ) .
S
(3) Für f ∈ A ist σ(f ) = x∈X σ(f (x)) .
(4) Für jede Menge X ist der Raum l∞ (X, B) aller beschränkter Funktionen
f : X → B ebenfalls eine Banachalgebra bzgl. kf k := sup{kf (x)k: x ∈ X} .
S
(5) Für f ∈ l∞ (X, B) ist x∈X σ(f (x)) ⊆ σ(f ) .
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
83
(6) ∗ Finde ein Beispiel für eine Funktion f ∈ l∞ (X, B) für die
[
σ(f ) 6=
σ(f (x))
x∈X
ist. Hinweis: Man betrachte X = N , B = B(l2 (N)) und eine Funktion f
für die f (n)n = 0 gilt und die Folge k(1 − f )(n)−1 k unbeschränkt ist.
Aufgabe III.11. Sei A eine C ∗ -Algebra. Ein Element a ∈ A heißt positiv,
wenn es hermitesch ist und σ(a) ⊆ R gilt.
(1) Beschreibe die positiven Elemente in C0 (X) , X lokalkompakt.
(2) Für jedes positive Element a ∈ A existiert genau ein positives Element
b ∈ A mit b2 = a.
(3) Jedes positive Element ist von der Gestalt bb∗ , b ∈ A.
(4) Zu jedem hermiteschen Elememt a existieren eindeutig bestimmte positive
a+ , a− ∈ A mit a = a+ − a− und a+ a− = a− a+ = 0.
(5) a = a∗ ∈ A ist genau dann positiv, wenn ka − kak1k ≤ kak gilt.
(6) Aus a ≥ 0 und b ≥ 0 folgt a + b ≥ 0 . Hinweis: Es gilt kc − (kak + kbk)1k ≤
kak + kbk .
(7) Die Menge aller positive Elemente in A ist ein abgeschlossener konvexer
Kegel.
Aufgabe III.12. (Zwei Beispiele von Funktoren) Sein f : A → B ein Homomorphismus kommutativer Banachalgebren mit Eins. Zeige:
(1) Γ(f ): ΓB → ΓA , χ 7→ χ ◦ f ist eine stetige Abbildung kompakter Räume und
es gelten
Γ(idA ) = idΓA
und Γ(f ◦ g) = Γ(g) ◦ Γ(f ).
Man nennt die Zuordnung Γ daher einen kontravarianten Funktor von der
Kategorie der kommutativen Banachalgebren mit Eins in die Kategorie der
kompakten Räume.
(2) Ist ϕ: X → Y eine stetige Abbildung kompakter Räume, so ist
C(ϕ): C(Y ) → C(X),
f 7→ f ◦ ϕ
ein Homomorphismus von C ∗ -Algebren und es gelten
C(idX ) = idC(X)
und
C(ϕ ◦ ψ) = C(ψ) ◦ C(ϕ).
(3) Schränken wir Γ auf kommutative C ∗ -Algebren ein, so gilt:
C ◦ Γ(A) ∼
=A
und
Γ ◦ C(X) ∼
=X
für jede kommutative C ∗ -Algebra A und jeden kompakten Raum X .
(4) Eine stetige Abbildung ϕ: X → Y ist genau dann injektiv (surjektiv), wenn
C(ϕ): C(Y ) → C(X) surjektiv (injektiv) ist. Hinweis: Fortsetzungssatz von
Tietze.
84
III. Spektraltheorie in Banachalgebren
15.2.2002
Aufgabe III.13. Ist A eine C ∗ -Algebra und I ⊆ A ein ∗-invariantes Ideal,
so ist A/I eine C ∗ -Algebra.
Aufgabe III.14. Sei X ein kompakter Raum und I ⊆ C(X) ein ∗-invariantes
abgeschlossenes Ideal. Zeige: Es existiert eine abgeschlossene Teilmenge Y ⊆ X
mit
I = {f ∈ C(X): f |Y = 0}.
Hinweis: Wende den Gelfandschen Darstellungssatz auf die C ∗ -Algebra A :=
C(X)/I an. Hinweis: Aufgabe III.12.
Aufgabe III.15. (a) Sei X ein topologischer Raum und A ⊆ BC(X) eine
abgeschlossene involutive Unteralgebra. Zeige, daß die Abbildung
η: X → ΓA ,
η(x)(f ) = f (x)
stetig ist mit dichtem Bild, d.h. η(X) = ΓA . Hinweis: Gelfandscher Darstellungssatz
(b) Für jeden topologischen Raum hat die Abbildung X → βX := ΓBC(X) in
die Stone-Čech-Kompaktifizierung dichtes Bild.
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
85
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
In diesem Kapitel wenden wir uns dem meßbaren Spektralkalkül für normale Operatoren zu. Wir wollen also einen normalen Operator a auf einem
Hilbertraum in eine meßbare Funktion f : σ(a) → C einsetzen, so daß die Zuordnung f 7→ f (a) ein Homomorphismus von Algebren wird. Wir gehen hierzu wie
folgt vor. Im ersten Abschnitt besprechen wir den Rieszschen Darstellungssatz,
der für einen lokalkompakten Raum X eine Charakterisierung derjenigen linearen Funktionale auf dem Raum Cc (X) der stetigen Funktionen mit kompaktem
Träger liefert, die sich durch Integration bzgl. einem Borelmaß auf X darstellen
lassen. Im zweiten Abschnitt werden wir diesen Satz mit dem Gelfandschen
Darstellungssatz für kommutative C ∗ -Algebren kombinieren und erhalten so die
Existenz eines Spektralmaßes P auf dem Spektrum σ(a) für jeden normalen
Operator a auf einem Hilbertraum, so daß P (idσ(a) ) = a gilt. Dieses Resultat
ist der Spektralsatz für normale Operatoren. Das zugehörige Spektralintegral
L∞ (σ(a), P ) → A, f 7→ P (f )
liefert dann den meßbaren Spektralkalkül. Schließlich werden wir im dritten
Abschnitt den Spektralsatz auf unbeschränkte selbstadjungierte Operatoren erweitern, nachdem wir uns mit den Grundlagen der Theorie unbeschränkter Operatoren auf einem Hilbertraum vertraut gemacht haben.
IV.1. Der Rieszsche Darstellungssatz
In diesem Abschnitt legen wir die maßtheoretischen Grundlagen für den
meßbaren Spektralkalkül für normale Operatoren, den wir in Abschnitt IV.2
behandeln werden.
Definition IV.1.1.
Sei X ein lokalkompakter Raum. Ein positives RadonMaß auf X (auch Radonintegral genannt) ist ein lineares Funktional
µ: Cc (X) := Cc (X, C ) → C
auf der involutiven Algebra Cc (X) der stetigen Funktionen f mit kompaktem
Träger
supp(f ) := {x ∈ X: f (x) 6= 0}
86
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
für das µ(f ) ≥ 0 für f ≥ 0 gilt. Im allgemeinen nennt man ein lineares
Funktional f : A → C auf einer involutiven Algebra A positiv, wenn f (a∗ a) ≥ 0
für alle a ∈ A gilt. In diesem Sinn sind die Radon-Maße genau die positiven
Funktionale auf Cc (X) bzgl. der Involution f ∗ (x) = f (x) .
Ist speziell X kompakt, so ist Cc (X) = C(X) eine C ∗ -Algebra. Ein positives Radon-Maß auf X mit µ(1) = 1 heißt Radonsches Wahrscheinlichkeitsmaß.
Der folgende Satz stellt einen Bezug zu der Radon-Integrationstheorie auf
kompakten bzw. lokalkompakten Räumen her.
Rieszscher Darstellungssatz für positive Maße
Theorem IV.1.2. Sei X ein lokalkompakter Raum und B(X) die σ -Algebra
der borelschen Teilmengen von X , d.h., die σ -Algebra, die von den offenen
Teilmengen erzeugt wird.
(a) Ist ν ein positives Maß auf B(X) mit ν(K) < ∞ für alle kompakten Mengen
K , so ist das Integral
Z
µ: Cc (X) → C , f 7→ µ(f ) :=
f dν
X
ein positives Radon-Maß auf X .
(b) Zu jedem positiven Radonmaß µ auf Cc (X) existiert ein Borel-Maß ν auf
X , das durch folgende Eigenschaften eindeutig bestimmt ist:
R
(i) µ(f ) = X f (x) dν(x) für alle f ∈ Cc (X).
(ii) ν(K) < ∞ für jede kompakte Teilmenge K ⊆ X .
(iii) (Äußere Regularität) Für jede Borelmenge E ⊆ X ist
ν(E) = inf{ν(U ): E ⊆ U, U offen}.
(iv) Ist E ⊆ X offen oder E eine Borelmenge mit ν(E) < ∞, so gilt
ν(E) = sup{ν(K): K ⊆ E, K kompakt}.
Beweis. (a) Zuerst erinnern wir uns daran, daß aus der Definition der borelschen Teilmengen folgt, daß jede stetige Funktion meßbar ist. Sei der Träger
supp(f ) enthalten in der kompakten Teilmenge K . Dann ist |f | ≤ kf k∞ χK
und damit ist
Z
|f | dν ≤ kf k∞ ν(K) < ∞.
X
Also ist f ∈ L1 (X, ν) . Die Behauptung folgt nun sofort aus der Positivität des
Maßes ν .
(b) Der einfachere Teil ist die Eindeutigkeit. Wegen (iii) und (iv) ist ν eindeutig
durch seine Werte auf den kompakten Mengen bestimmt, denn aus (iv) erhält
man die Werte auf den offenen Mengen und durch (iii) dann die Werte auf allen
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
87
Borelmengen. Seien also ν1 und ν2 Maße, die (i)-(iv) erfüllen und K ⊆ X
kompakt. Wir haben nur ν1 (K) = ν2 (K) zu zeigen. Sei dazu ε > 0 . Wegen (iii)
existiert eine offene Menge U ⊇ K mit ν2 (U ) ≤ ν2 (K) + ε . Mit dem Satz von
Urysohn finden wir nun ein f ∈ Cc (X, [0, 1]) mit f |K = 1 und supp(f ) ⊆ U .
Damit ist
Z
Z
Z
ν1 (K) =
χK (x) dν1 (x) ≤
f (x) dν1 (x) = µ(f ) =
f (x) dν2 (x)
X
X
X
Z
≤
χU (x) dν2 (x) = ν2 (U ) ≤ ν2 (K) + ε.
X
Da ε beliebig war, folgt ν1 (K) ≤ ν2 (K) und aus Symmetriegründen Gleichheit.
Hiermit ist die Eindeutigkeit von ν schon gezeigt. Ebenso haben wir schon
gesehen, daß (ii) aus (i) folgt.
Wir kommen zur Existenz. Für eine offene Teilmenge U ⊆ X setzen wir
ν(U ) := sup{µ(f ): supp(f ) ⊆ U, 0 ≤ f ≤ 1}
und beachten, daß ν(U1 ) ≤ ν(U2 ) für U1 ⊆ U2 dann trivialerweise gilt. Hieraus
folgt insbesondere
(1.1)
ν(E) = inf{ν(U ): E ⊆ U, U offen}
für alle offenen Teilmengen E ⊆ X . Folglich können wir ν(E) für eine beliebige
Teilmenge E ⊆ X durch (1.1) definieren.
Für den etwas technischeren Rest des Beweises verweisen wir auf
[Ru86]
Rudin, W., “Real and Complex Analysis,” McGraw Hill, 1986
.
Die Eigenschaft (iv) aus dem Rieszschen Darstellungssatz drückt man auch
so aus, daß man sagt, die offenen Mengen und die Mengen mit endlichem Maß
seien von innen regulär. Man nennt ν ein reguläres Maß, wenn alle Borelmengen von außen und alle offenen Mengen von innen regulär sind. Ist dies der
Fall, so zeigt eine leichte Modifikation des folgenden Beweises, daß auch jede
meßbare Menge endlichen Maßes von innen regulär ist. In schönen“ Räumen
”
wie abgeschlossenen oder offenen Teilmengen von Rn folgt die Regularität automatisch aus (b), wie der folgende Satz zeigt.
Satz IV.1.3. Ist X ein lokalkompakter Raum in dem jede offene Teilmenge
eine Vereinigung von abzählbar vielen kompakten Teilmengen ist, so ist jedes
positive Borel-Maß ν auf X mit ν(K) < ∞ für jede kompakte Teilmenge K
regulär.
R
Beweis. Zunächst wird durch µ(f ) := X f (x) dν(x) ein positives Funktional
auf Cc (X) definiert. Sei ν 0 das Borel-Maß aus dem Rieszschen Darstellungssatz
(Theorem IV.1.2). Wir zeigen ν = ν 0 .
S∞
Sei dazu V ⊆ X offen. Nach Voraussetzung ist V = j=1 Kj mit einer
Folge (Kj )j∈N kompakter Teilmengen Kj ⊆ V . Mit dem Satz von Urysohn
88
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
finden wir fj ∈ Cc (X, [0, 1]) mit fj | Kj = 1 und supp(fj ) ⊆ V . Sei gn :=
max(f1 , . . . , fn ) . Dann ist gn ∈ Cc (X) und die Funktionenfolge gn konvergiert
monoton gegen χV . Aus dem Satz von der monotonen Konvergenz folgt also
(1.2)
Z
Z
Z
ν(V ) = lim
n→∞
gn (x) dν(x) = lim
X
gn (x) dµ(x) =
n→∞
X
χV (x) dµ(x) = µ(V ).
X
Sei jetzt E ⊆ X eine Borelmenge und ε > 0 . Wir zeigen die Existenz
einer abgeschlossenen Menge F undSeiner offenen Menge U mit F ⊆ E ⊆ U
∞
und µ(U \ F ) < ε. Hierzu sei X = j=1 Qj mit kompakten Mengen Qj ⊆ X .
Dann ist µ(E ∩Qj ) < ∞ für alle j und nach Theorem IV.1.2 existiert eine offene
Teilmenge Uj ⊇ E ∩ Qj mit
ε
µ(Uj ) ≤ µ(E ∩ Qj ) + j+1 .
2
S∞
S
Sei U := j=1 Uj . Dann ist U ⊇ E = j (E ∩ Qj ) ,
U \E ⊆
∞
[
j=1
Uj \ (Qj ∩ E)
und folglich µ(U \ E) ≤ 2ε . Wenden wir dies auf das Komplement E c von
E an, so finden wir eine offene Menge W ⊇ E c mit µ(W \ E c ) ≤ 2ε . Für
F := X \ W = W c ist dann W c ⊆ E mit E \ F = W \ E c . Also ist µ(U \ F ) ≤ ε .
Insbesondere haben wir damit µ(U ) ≤ µ(E) + ε . Da U \ F offen ist, folgt
ν(U \ E) ≤ ν(U \ F ) = µ(U \ F ) ≤ ε aus (1.2), also auch ν(U ) ≤ ν(E) + ε .
Damit ist
ν(E) ≤ ν(U ) = µ(U ) ≤ µ(E) + ε
und
µ(E) ≤ µ(U ) = ν(U ) ≤ ν(E) + ε,
somit |µ(E) − ν(E)| ≤ ε und schließlich ν(E) = µ(E) , da ε beliebig war.
Es bleibt zu zeigen, daß µ von innen regulär ist. Ist E ⊆ X eine
Borelmenge und ε > 0 , so finden wir wie
oben eine abgeschlossene Teilmenge
S∞
F ⊆ ES mit µ(E \ F ) ≤ ε . Aus F = n=1 Fn mit den kompakten Mengen
n
Fn := j=1 (F ∩ Qj ) folgt nun µ(Fn ) → µ(F ) . Also ist
sup{µ(K): K ⊆ E, K kompakt} ≥ µ(E) − ε.
Da ε beliebig war, folgt die Behauptung.
Bemerkung IV.1.4.
Wendet man obige Sätze auf das Riemann-Integral µ
n
auf dem Raum Cc (R ) der stetigen Funktionen mit kompaktem Träger auf Rn
an, so liefert uns der Rieszsche Darstellungssatz das Lebesgue-Maß auf B(Rn ) .
Dieser Zugang ist eine Alternative zu dem Beweis der Existenz des Lebesgueschen
Maßes über den Hahnschen Fortsetzungssatz.
Der folgende Satz zeigt, daß man die Räume L2 (X, µ) auch als Vervollständigung von Cc (X)/N bekommt, wobei
N = {f ∈ Cc (X): kf k22 = µ(f f ) = 0}.
Da diese Definition ohne Maßtheorie auskommt, ist es oft direkter, diese Räume
so zu definieren.
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
89
Satz IV.1.5. Ist µ ein Radon-Maß auf dem lokalkompakten Raum X , so ist
Cc (X) dicht in L2 (X, µ) bzw. L2 (X, µ).
Beweis. Da nach Theorem II.1.5 die integrablen Stufenfunktionen in L2 (X, µ)
dicht liegen, reicht es aus, die charakteristischen Funktionen χE mit µ(E) < ∞
durch Funktionen in Cc (X) zu approximieren. Da jede Borelmenge endlichen
Maßes von innen regulär ist, dürfen wir sogar annehmen, daß E kompakt ist.
Wegen der Regularität von außen finden wir eine offene Menge E ⊆ U ⊆ X mit
µ(U \ E) < ε . Weiter finden wir mit dem Satz von Urysohn eine stetige Funktion
f ∈ Cc (X) mit f (X) ⊆ [0, 1] , f |E = 1 und supp(f ) ⊆ U . Damit ist
Z
Z
2
2
kf − χE k2 =
|f (x) − χE (x)| dµ(x) =
|f (x)|2 dµ(x) ≤ µ(U \ E) < ε.
U \E
X
Lemma IV.1.6. Ist µ ein reguläres Borel-Maß auf dem
Raum
R lokalkompakten
2
2
X und f ∈ L (X, µ), so ist auch das durch µf (E) := E |f (x)| dµ(x) definierte
Maß regulär.
Beweis. Sei E ⊆ X eine Borelmenge. Wir haben zu zeigen, daß E von außen
regulär ist. Hierzu dürfen wir o.B.d.A. µ(E) < ∞ annehmen. Sei ε > 0 . Für
n ∈ N sei Fn := {x ∈ X: |f (x)| ≥ n}. Dann folgt aus dem Satz der Monotonen
Konvergenz
Z
|f (x)|2 dµ(x) → 0,
µf (Fn ) =
Fn
T
da n Fn eine µ-Nullmenge ist. Ist nun V ⊇ E offen mit µ(V ) ≤ µ(E) + δ , so
erhalten wir
µf (V \ E) = µf (V ∩ Fn ) \ E + µf (V \ Fn ) \ E
≤ µf (Fn ) + µf (V \ Fn ) \ E ≤ ε + δn2 < 2ε,
wenn wir n so groß wählen, daß µf (Fn ) < ε ist und δ so, daß δn2 < ε ist.
Damit ist µf (V \ E) ≤ 2ε . Hiermit haben wir die äußere Regularität von E
gezeigt.
Sei nun U ⊆ X offen. Dann ist µf (U ) ≤ kf k22 < ∞ und man argumentiert
für die innere Regularität wie oben.
IV.2. Spektralsätze für beschränkte normale Operatoren
In diesem Abschnitt werden wir einen Spektralsatz für beschränkte normale
Operatoren ableiten. Da jeder solche Operator a ∈ B(H) zusammen mit 1 eine
kommutative C ∗ -Unteralgebra C ∗ (a) ⊆ B(H) erzeugt, betrachten wir zunächst
den allgemeinen Fall von Darstellungen kommutativer Banach-∗-Algebren.
Lemma IV.2.1. Ist (vn )n∈N eine Folge in einem Hilbertraum, die schwach
gegen v ∈ H konvergiert und gilt weiter kvn k → kvk, so gilt vn → v .
Beweis.
Es ist
kv − vn k2 = kvk2 + kvn k2 − 2 Rehv, vn i → 2kvk2 − 2 Rehv, vi = 0.
90
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
Spektralsatz für kommutative Banach- ∗ -Algebren
Theorem IV.2.2.
Sei A eine kommutative Banach- ∗ -Algebra mit Eins.
Dann gilt:
b → PH ein Spektralmaß auf A,
b so wird durch a 7→ P (b
(i) Ist P : B(A)
a) eine
Darstellung von A auf H mit π(1) = 1 definiert.
(ii) Ist (π, H) eine Darstellung von A mit π(1) = 1, so existiert genau ein
b mit π(a) = P (b
Spektralmaß P auf A
a) für alle a ∈ A, so daß alle Maße
v
P , v ∈ H , regulär sind.
b a 7→ b
Beweis. (i) Da die Gelfandtransformation A → C(A),
a ein Homomorphismus von Banach- ∗ -Algebren mit Eins ist, und ebensolches für die Abbildung
b P ) → B(H), f 7→ P (f ) gilt (Satz II.2.7), ist die Komposition π dieser beiL∞ (A,
den Homomorphismen eine Darstellung der Banach- ∗ -Algebra A mit π(1) = 1.
b annehmen dürfen. Sei dazu B := π(A) .
(ii) Wir zeigen zuerst, daß wir A = C(A)
Dann ist B eine abgeschlossene kommutative Unteralgebra von B(H) , also eine
kommutative C ∗ -Algebra und π: A → B ein Homomorphismus von Banach-∗b ist nun π ∗ (χ) := χ ◦ π ∈ A
b und somit ist die Abbildung
Algebren. Für χ ∈ B
b→A
b stetig, da für alle a ∈ A die Funktion χ 7→ π ∗ (χ)(a) = χ π(a) stetig
π∗ : B
b wird also durch π
ist. Für f ∈ C(A)
e(f )(χ) := f π ∗ (χ) ein Homomorphismus
b → C(B)
b ∼
C(A)
= B mit
π
e(b
a)(χ) = b
a π ∗ (χ) = π ∗ (χ)(a) = χ π(a)
b∼
b dürfen wir somit
für a ∈ A definiert, d.h. es gilt π
e(b
a) = π(a). Wegen A
= C(A)b
A = C(X) für einen kompakten Raum X annehmen.
Wir zeigen zuerst die Eindeutigkeit. Seien P und Pe Spektralmaße mit den
gewünschten Eigenschaften. Für v ∈ H erhalten wir zwei positive Maße P v und
b mit
Pev auf A
Z
Z
v
hπ(a).v, vi = hP (b
a).v, vi =
b
a(χ) dP (χ) =
b
a(χ) dPev (χ)
b
b
A
A
für alle a ∈ A. Aus dem Rieszschen Darstellungssatz folgt nun P v = Pev aus der
geforderten Regularität (Theorem IV.1.2). Da P (E) eindeutig durch die Zahlen
P v (E) = hP (E).v, vi bestimmt ist (Lemma I.1.3), folgt hieraus die Eindeutigkeit
von P .
Jetzt zeigen wir die Existenz. Hierzu zerlegen wir die Darstellung (π, H)
zunächst mittels Satz I.2.14 in eine direkte Summe zyklischer Darstellungen
(πj , Hj ), j ∈ J . Man beachte hierzu, daß (π, H) wegen π(1) = 1 nicht
entartet ist. Haben wir für jedes j ∈ J ein Spektralmaß mit
der gewünschten
Eigenschaft gefunden, so definieren wir P (E).v := Pj (E).vj für v = (vj )j∈J in
H . Dann ist P (E)∗ = P (E) = P (E)2 , so daß P (E) tatsächlich eine orthogonale
Projektion ist (vgl. Satz I.3.8). Weiter gilt P (X) = 1. Für eine disjunkte Folge
(En )n∈N von Borelmengen in X beachten wir zunächst, daß P (En )P (Em ) = 0
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
für n 6= m gilt. Damit ist die Folge P (En ).v
Daher gilt
kP (E).vk2 =
X
kPj (E).vj k2 =
j∈J
=
XX
kPj (En ).vj k2 =
n∈N j∈J
lim k
n→∞
=
für alle v ∈ H orthogonal.
kPj (En ).vj k2
n
X
X
kP (En ).vk2 ,
n∈N
P (Em ).vk2 = kP (E).vk2
m=1
und
hP (E).v, wi =
n∈N
j∈J n∈N
XX
d.h.
91
X
hPj (E).vj , wj i =
j∈J
∞ X
X
∞
XX
hPj (En ).vj , wj i
j∈J n=1
∞
X
hPj (En ).vj , wj i =
n=1 j∈J
hP (En ).v, wi,
n=1
wobei die Vertauschbarkeit der Summationen jeweils aus der absoluten Summierbarkeit folgt. Mit Lemma IV.2.1 folgt nun
lim
n→∞
n
X
P (Em ).v = P (E).v,
m=1
d.h. P ist ein Spektralmaß.
Wir dürfen somit annehmen, daß die Darstellung (π, H) von A = C(X)
zyklisch ist. Es existiert also ein v ∈ H , so daß der Unterraum π(A).v dicht in
H ist. Nun ist
π v : C(X) → C , f 7→ hπ(f ).v, vi
ein positives Funktional und läßt sich mit dem Rieszschen Darstellungssatz durch
ein Borel-Maß P v auf X in dem Sinne darstellen, daß
v
π (f ) =
Z
f (χ) dP v (χ)
X
für alle f ∈ C(X) gilt und P v regulär ist. Hierbei beachte man, daß P v wegen
kvk2 = π v (1) = P v (X) ein endliches Maß ist.
Als nächstes zeigen wir H ∼
= L2 (X, P v ). Hierzu betrachten wir die Abbile C(X) → H, a 7→ π(a).v . Dann ist
dung Φ:
e
e
hΦ(a),
Φ(b)i
= hπ(a).v, π(b).vi = hπ(ab∗ ).v, vi
Z
v
∗
= π (ab ) =
a(x)b(x) dP v (x) = h[a], [b]iL2 (X,P v ) .
X
92
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
Die Zuordnung [a] → π(a).v ist folglich wohldefiniert und liefert eine isometrische
Abbildung
Φ: [C(X)] := {[a]: a ∈ C(X)} → π(A).v ⊆ H.
Da [C(X)] nach Satz IV.1.5 in L2 (X, P v ) dicht ist, setzt sich Φ zu einer
Isometrie
Φ: L2 (X, P v ) → H
fort. Wegen der Dichtheit von π(A).v in H ist das Bild dieser Isometrie dicht,
also ganz H , da Bilder von Isometrien
abgeschlossen sind. Folglich ist Φ unitär.
∞
2
v
Sei ρ: L (X) → B L (X, P ) die Darstellung, die wir mit Lemma II.2.2
und Satz II.2.7 erhalten. Für a, b ∈ A haben wir dann
π(a)Φ([b]) = π(a)π(b).v = π(ab).v = Φ([ab]) = Φ(ρ(a).[b]).
Wegen der Dichtheit von [C(X)] ⊆ L2 (X, P v ) folgt hieraus, daß Φ ein Vertauschungsoperator für die Darstellungen ρ und π von A ist. Wir dürfen daher
o.B.d.A. H = L2 (X, P v ) annehmen.
Sei P (E).[f ] = [χE f ] das Spektralmaß auf L2 (X, P v ) aus Lemma II.2.2.
Für a ∈ A haben wir dann P (a) = ρ(a) wegen Beispiel II.2.9. Es bleibt damit
nur noch zu zeigen, daß die Maße
E 7→ µ[f ] (E) = hP (E).[f ], [f ]i = h[χE f ], [f ]i =
Z
|f (x)|2 dP v (x)
E
regulär sind. Dies folgt aber aus Lemma IV.1.6.
Wir haben in dem Beweis von Theorem IV.2.2 sogar viel mehr gezeigt:
Korollar IV.2.3.
Eine Darstellung (π, H) einer kommutativen Banach∗-Algebra A mit Eins ist genau dann zyklisch, wenn ein Radon-Maß µ
auf
2 b
b
A existiert, so daß (π, H) äquivalent zu der Darstellung πµ , L (A, µ) mit
πµ (a).[f ] = [b
a · f ] ist.
Beweis. Wir zeigen zuerst, daß die Darstellung πµ zyklisch ist. Daß so in der
Tat eine Darstellung definiert wird, folgt aus dem Beweis von Theorem IV.2.2.
b ein endliches Maß ist, ist 1 ∈ L2 (A,
b µ) .
Da µ wegen der Kompaktheit von A
Weiter ist πµ (A).[1] = {[b
a]: a ∈ A} . Nach dem Satz von Stone-Weierstraß ist
b
b µ) ,
G(A) ⊆ C(A) dicht, folglich wegen Satz IV.1.5 auch πµ (A).[1] dicht in L2 (A,
d.h. πµ ist eine zyklische Darstellung.
Ist umgekehrt (π, H) eine zyklische Darstellung von A, so haben wir im
Beweis von Theorem IV.2.2 gesehen, daß sie zu einer Darstellung der Gestalt πµ
äquivalent ist.
Lemma IV.2.4. Sei P : S → PH ein Spektralmaß und (fn )n∈N eine Folge
in L∞ (X) mit sup{kfn k∞ : n ∈ N} < ∞ und fn → f punktweise. Dann gilt
P (fn ).v → P (f ).v für alle v ∈ H .
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
Beweis.
93
Aus dem Satz von der majorisierten Konvergenz folgt
kP (fn ).vk2 = hP (|fn |2 ).v, vi = P v (|fn |2 ) → P v (|f |2 ) = kP (f ).vk2
und
hP (fn ).v, vi = P v (fn ) → P v (f ) = hP (f ).v, vi.
Die Polarisierungsidentität liefert weiter
3
1X
hP (fn ).v, wi =
hP (fn ).(v + ik w), v + ik wi
4
k=0
3
1X
→
hP (f ).(v + ik w), v + ik wi = hP (f ).v, wi.
4
k=0
für alle v, w ∈ H , also die schwache Konvergenz P (fn ).v → P (f ).v für jedes
v ∈ H . Die Behauptung folgt hiermit aus Lemma IV.2.1.
Spektralsatz für normale Operatoren
Theorem IV.2.5.
Sei T ∈ B(H)
ein normaler Operator. Dann existiert
genau ein Spektralmaß P : B σ(T ) → PH mit T = P (id). Weiter gilt:
(i) T ist genau dann hermitesch, wenn σ(T ) ⊆ R ist.
(ii) T ist genau dann unitär, wenn σ(T ) ⊆ S1 ist.
(iii) Für λ ∈ σ(T ) ist P ({λ}) die orthogonale Projektion auf den Eigenraum
zum Eigenwert λ . Insbesondere ist P ({λ}) 6= 0 äquivalent dazu, daß λ ein
Eigenwert von T ist.
Beweis. Sei A := C ∗ (T ) die von 1 und T erzeugte C ∗ -Unteralgebra von
B(H) , die wegen der Normalität von T kommutativ ist. Dann ist A ∼
= C σ(A)
(Satz III.4.1) und wir können Theorem IV.2.2 anwenden. Hierbei beachten wir,
daß die endlichen Maße P v auf σ(T ) wegen Satz IV.1.3 automatisch regulär
sind.
(i), (ii) Das folgt sofort aus der Übertragung
der entsprechenden Eigenschaften
∗
∼
auf die Algebra C (T ) = C σ(T ) .
(iii) Es folgt aus der Definition eines Spektralmaßes, daß P ({λ}) eine orthogonale
Projektion ist. Für v = P ({λ}).w ist
T.v = P (id)P ({λ}).w = P (id ·χ{λ} ).w = P (λχ{λ} ).w
= λP (χ{λ} ).w = λP ({λ}).w = λv.
Also besteht das Bild von P ({λ}) aus Eigenvektoren zum Eigenwert λ .
Ist umgekehrt T.v = λv , so gilt P (T ).v = f (T ).v = f (λ)v für alle f ∈
C σ(T ) . Sei fn : σ(T ) → [0, 1] eine Folge stetiger Funktionen, die punktweise
gegen χ{λ} konvergiert, z.B.
fn (z) = max(1 − n|z − λ|, 0).
Dann folgt
P ({λ}).v = lim P (fn ).v = lim fn (λ)v = v
n→∞
aus Lemma IV.2.4.
n→∞
94
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
Beispiel IV.2.6. (vgl. Bemerkung III.4.5) Ist (λn )n∈N eine beschränkte Folge
in C , H ein Hilbertraum mit der ONB (en )n∈N und
T.v =
X
λn hv, en ien ,
n∈N
so ist
σ(T ) = {λn : n ∈ N}.
Sei Pen ∈ PH die orthogonalePProjektion auf den Unterraum C en . Aus
Theorem IV.2.5(iii) folgt P ({λ}) = λn =λ Pen . Hiermit sieht man nun, daß das
Spektralmaß auf σ(T ) gegeben ist durch
P (E) =
X
Pen .
λn ∈E
Ist man primär an dem Spektralsatz für hermitesche Operatoren auf Hilberträumen interessiert, so kann man auch direktere Wege gehen, als wir das
gemacht haben. Ziel hierbei ist, daß man jeden hermiteschen Operator in stetige
bzw. meßbare Funktionen auf dem Spektrum einsetzen kann. Für den direkten
Zugang verweisen wir auf [We95].
IV.3. Unbeschränkte Operatoren und Spektralmaße
In diesem Abschnitt wenden wir uns unbeschränkten Operatoren auf Hilberträumen zu. Unser Ziel ist der Spektralsatz für unbeschränkte selbstadjungierte Operatoren und seine Konsequenzen für die unitäre Darstellungstheorie
von R .
Unbeschränkte Operatoren
Wir stellen zuerst die wichtigsten Definitionen über unbeschränkte Operatoren zusammen.
Definition IV.3.1. (a) Seien H1 , H2 Hilberträume. Ein Operator T von H1
nach H2 ist eine lineare Abbildung eines Teilraums D(T ) ⊆ H1 nach H2 .
Sind T, S Operatoren von H1 nach H2 , so schreiben wir T ⊆ S falls
D(T ) ⊆ D(S) und S eine Fortsetzung von T ist.
Mit unbeschränkten Operatoren kann man nun nicht mehr so einfach rechnen wie mit beschränkten. Sind T, S Operatoren von H1 nach H2 und a ∈ C ,
so definieren wir:
(1) aT durch D(aT ) := D(T ) und (aT ).v = aT.v falls a 6= 0 , und 0T := 0
mit D(0) = H1 .
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
95
(2) D(T + S) := D(T ) ∩ D(S) mit (T + S).v := T.v + S.v für v ∈ D(T + S) .
(3) Ist S ein Operator von H2 nach H3 , so definieren wir
D(S ◦ T ) := T −1 D(S)
und
(S ◦ T ).v := S T.v .
(b) Ein Operator T heißt dicht definiert, wenn D(T ) ein dichter Unterraum
von H ist. Für einen dicht definierten Operator T ist der adjungierte Operator
definiert durch
D(T ∗ ) := {x ∈ H2 : (y 7→ hT.y, xi) stetig }
und durch
hT.y, xi = hy, T ∗ .xi
für
y ∈ D(T ), x ∈ D(T ∗ ).
Hierbei folgt die Existenz des Vektors T ∗ .x ∈ H1 aus dem Satz von Riesz-Fischer,
den wir auf das stetige lineare Funktional y 7→ hT.y, xi auf H1 anwenden.
(c) Ein Operator T : D(T ) → H in H heißt
(1) hermitesch, wenn hT.x, yi = hx, T.yi für x, y ∈ D(T ) gilt.
(2) symmetrisch, wenn T hermitesch und dicht definiert ist. Das ist genau
dann der Fall, wenn T dicht definiert ist und T ⊆ T ∗ gilt.
(3) selbstadjungiert, wenn T dicht definiert ist und T = T ∗ gilt.
(d) Ein Operator T von H1 nach H2 heißt abgeschlossen, wenn sein Graph
Γ(T ) := {(x, T.x) ∈ H1 × H2 : x ∈ D(T )}
ein abgeschlossener Unterraum von H1 × H2 ist.
Beispiel IV.3.2. (a) Sei H ein Hilbertraum mit der ONB (en )n∈N . Für
eine Folge (xn )n∈N definieren wir einen Operator T auf H durch D(T ) :=
span{en : n ∈ N} und
X
T.v =
xn hv, en ien .
n∈N
Damit ist T ein dicht definierter Operator. Wir können also seinen adjungierten
Operator berechnen.
Die Bedingung, daß die Abbildung
D(T ) → C ,
y 7→ hT.y, vi =
X
xn hy, en ihen , vi
n∈N
stetig ist, ist äquivalent zu
an
P
n∈N
|xn |2 · |hv, en i|2 < ∞. Hierzu erinnern wir uns
l2 (N, C )0 ∼
= l2 (N, C ).
Damit ist
n
o
X
2
2
D(T ) = v ∈ H:
|xn | · |hv, en i| < ∞
∗
n∈N
96
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
und
T ∗ .v =
X
xn hv, en ien .
n∈N
Wir sehen also, daß T genau dann symmetrisch ist, wenn alle Zahlen xn
reell sind. Wendet man die gleiche Argumentation auf T ∗ an, so erhalten wir
D(T ∗ ) = D(T ∗∗ ) und
X
T ∗∗ .v =
xn hv, en ien .
n∈N
Der Operator T ∗∗ ist also eine Fortsetzung von T . Wir werden in Lemma IV.3.3
unten sehen, daß dies ein allgemeines Phänomen ist.
(b) Wir betrachten den Hilbertraum H = L2 (R) und den Operator Q mit
D(Q) := Cc (R) (die stetigen Funktionen mit kompaktem Träger) und (Q.f )(x) =
xf (x). Dann ist Q dicht definiert (Satz IV.1.5) und für f, h ∈ D(Q) gilt
hQ.f, hi = hf, Q.hi. Also ist Q ein symmetrischer Operator. Für f ∈ H ist
die Abbildung
D(Q) → C ,
h 7→ hQ.h, f i =
Z
xh(x)f (x) dx
R
genau dann stetig, wenn x 7→ xf (x) quadratintegrierbar ist (Satz von RieszFischer; Übung). Also haben wir
Z
n
o
2
2
2
D(Q ) = f ∈ L (R): |x| |f (x)| dx < ∞
∗
mit
(Q∗ .f )(x) = xf (x).
R
In diesem Fall gilt Q∗ = Q∗∗ , d.h. Q∗ ist selbstadjungiert.
(c) Wir betrachten wieder den Hilbertraum H = L2 (R) und den Operator P mit
D(P ) := Cc1 (R) (die stetig differenzierbaren Funktionen mit kompaktem Träger)
und P.f = if 0 . Dann ist P dicht definiert (Übung) und für f, h ∈ D(P ) gilt
hP.f, hi =
Z
0
if (x)h(x) dx =
R
Z
f (x)ih0 (x) dx = hf, P.hi,
R
nach der Produktregel, da für ein ausreichend großes R die Beziehung
Z
R
0
(if h) (x) dx =
Z
R
(if h)0 (x) dx = if (R)h(R) − if (−R)h(−R) = 0
−R
gilt. Also ist P ein symmetrischer Operator. In diesem Fall ist es etwas
schwieriger, den Definitionsbereich des adjungierten Operators zu berechnen.
Man kann aber auch in diesem Fall zeigen, daß P ∗ = P ∗∗ gilt. D.h. P ∗ ist
eine selbstadjungierte Fortsetzung von P .
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
97
Lemma IV.3.3. Für einen dicht definierten Operator T von H1 nach H2 gilt:
(i) Der Operator T ∗ von H2 nach H1 ist abgeschlossen.
(ii) Ist T ∗ dicht definiert, so gilt T ⊆ T ∗∗ .
(iii) Gilt T ⊆ S , so ist S ∗ ⊆ T ∗ .
Beweis. (i) Sei (yn , T ∗ .yn ) → (y, x) in H1 × H2 . Wir haben y ∈ D(T ∗ ) und
T ∗ .y = x zu zeigen. Für alle v ∈ D(T ) ist
hT.v, yi = lim hT.v, yn i = lim hv, T ∗ .yn i = hv, xi.
n→∞
n→∞
Damit ist y ∈ D(T ∗ ) sowie T ∗ .y = x.
(ii) Ist x ∈ D(T ) und y ∈ D(T ∗ ) , so ist hT.x, yi = hx, T ∗ .yi. Also ist x ∈ D(T ∗∗ )
mit T ∗∗ .x = T.x.
(iii) folgt sofort aus der Definition von S ∗ .
Satz IV.3.4. Seien T1 : H1 → H2 und T2 : H2 → H3 dicht definiert. Dann
gelten folgende Aussagen:
(i) Ist D(T2 T1 ) dicht, so ist T1∗ T2∗ ⊆ (T2 T1 )∗ .
(ii) Für T2 ∈ B(H2 , H3 ) ist (T2 T1 )∗ = T1∗ T2∗ .
Beweis. (i) Da D(T2 T1 ) dicht ist, ist der adjungierte Operator (T2 T1 )∗ definiert. Für x ∈ D(T2 T1 ) und y ∈ D(T1∗ T2∗ ) = (T2∗ )−1 D(T1∗ ) ist
hT2 T1 .x, yi = hT1 .x, T2∗ .yi = hx, T1∗ T2∗ .yi,
da x ∈ D(T1 ) , T1 .x ∈ D(T2 ) und T2∗ .y ∈ D(T1∗ ). Damit ist (i) gezeigt.
(ii) Sei jetzt T2 ein beschränkter Operator und y ∈ D (T2 T1 )∗ . Dann ist
D(T2∗ ) = H3 und somit für x ∈ D(T1 ) = D(T2 T1 ) :
hT1 .x, T2∗ .yi = hT2 T1 .x, yi = hx, (T2 T1 )∗ .yi.
Also ist T2∗ .y ∈ D(T1∗ ) sowie T1∗ T2∗ .x = (T2 T1 )∗ .x. Das war zu zeigen.
Spektralintegrale unbeschränkter Funktionen
In diesem Unterabschnitt dehnen wir das Spektralintegral zu einem Spektralmaß P auf einem meßbaren Raum (X, S) auf unbeschränkte meßbare Funktionen auf X aus.
Satz IV.3.5.
Sei P ein Spektralmaß auf (X, S), f : X → C meßbar und
D(f ) := {v ∈ H: f ∈ L2 (X, P v )}
für
Dann gelten folgende Aussagen:
(1) Ist f beschränkt, so ist D(f ) = H .
(2) D(f ) ist ein Untervektorraum von H .
P v (E) = hP (E).v, vi = kP (E).vk2 .
98
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
(3) Für jedes v ∈ D(f ) ist die Abbildung
ϕv : L∞ (X, P ) ⊆ L2 (X, P v ) → H,
h 7→ P (h).v
isometrisch bzgl. k · k2 und läßt sich zu einer isometrischen Abbildung
ϕv : L2 (X, P v ) → H fortsetzen. Durch P (f ).v := ϕv (f ) wird dann eine
lineare Abbildung
P (f ): D(f ) → H
definiert.
(4) D(f ) = D(f ) und hP (f ).v, wi = hv, P (f ).wi für v, w ∈ D(f ).
(5) Für E ∈ S ist P (E)D(f ) ⊆ D(f ) ⊆ D(χE f ) und
(6)
(7)
(8)
(9)
P (f )P (E).v = P (E)P (f ).v = P (χE f ).v für v ∈ D(f ).
R
hP (f ).v, P (h).vi = X f h dP v für v ∈ D(f ) ∩ D(h).
Für a ∈ C ist D(f ) ⊆ D(af ) und P (af ).v = aP (f ).v für v ∈ D(f ).
D(f ) ∩ D(h) ⊆ D(f + h) und P (f + h).v = P (f ).v + P (h).v für v ∈
D(f ) ∩ D(h).
D(hf ) ∩ D(f ) = P (f )−1 D(h) und für v ∈ D(hf ) ∩ D(f ) gilt
P (hf ).v = P (h)P (f ).v.
Beweis. (1) Sei v ∈ H . Das Maß P v ist endlich mit P v (X) = kP (X).vk2 =
kvk2 . Also ist jede beschränkte meßbare Funktion f ∈ L∞ (X) in L2 (X, P v )
enthalten.
(2) Seien v, w ∈ D(f ) . Aus der Parallelogrammgleichung erhalten wir
P v+w (E) = kP (E).v + P (E).wk2 ≤ 2kP (E).vk2 + 2kP (E).wk2
= 2P v (E) + 2P w (E),
also P v+w ≤ 2P v + 2P w und daher v + w ∈ D(f ) . Wegen P λv = |λ|2 P v für
λ ∈ C ist damit klar, daß D(f ) ein Unterraum von H ist.
(3) Für jede beschränkte meßbare Funktion h: X → C haben wir
Z
2
2
kϕv (h)k = kP (h).vk =
|h(x)|2 dP v = khk22
X
(Bemerkung II.2.8). Hieraus folgt die Isometrie von ϕv und damit die Fortsetzbarkeit zu einer isometrischen linearen Abbildung ϕv : L2 (X, P v ) → H . Für
jedes f ∈ L2 (X, P v ) und jede Folge beschränkter Funktionen (fn )n∈N , die in
L2 (X, P v ) gegen f konvergiert, haben wir dann
ϕv (f ) = lim ϕv (fn ) = lim P (fn ).v.
n→∞
n→∞
Hieraus folgt sofort, daß die Abbildung
P (f ) : D(f ) → H,
v 7→ ϕv (f )
99
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
als punktweiser Grenzwert linearer Abbildungen linear ist.
(4) Die Beziehung D(f ) = D(f ) ist klar. Seien v, w ∈ D(f ) , also f ∈
L2 (X, P v ) ∩ L2 (X, P w ) = L2 (X, P v + P w ) . Für jede beschränkte meßbare Funktion h auf X ist dann
hϕv (h), wi = hP (h).v, wi = hv, P (h)∗ .wi = hv, P (h).wi = hv, ϕw (h)i.
Da beide Seiten für feste v, w ∈ D(f ) stetig bzgl. k · k2 sind, folgt die entsprechende Relation für f anstatt h aus der Stetigkeit der Abbildungen ϕv und ϕw
auf L2 (X, P v + P w ) .
(5) Seien v ∈ D(f ) und E ∈ S. Aus Bemerkung II.2.8 erhalten wir nun
Z
Z
2
P (E).v
|f (x)| dP
=
|χE f (x)|2 dP v ≤ kf k22 .
X
X
Also ist P (E).D(f ) ⊆ D(f ) ⊆ D(χE f ) und sogar D(χE f ) = P (E)−1 D(f ) .
Alles weitere folgt aus
ϕv (χE h) = P (χE h).v = P (E)P (h).v = P (h)P (E).v
für h ∈ L∞ (X, P ) und der Stetigkeit von ϕv .
(6) Sei v ∈ D(f )∩D(h) , d.h. f, h ∈ L2 (X, P v ) . Da die Abbildung ϕv isometrisch
ist, erhält sie insbesondere Skalarprodukte. Also ist
Z
hP (f ).v, P (h).vi = hϕv (f ), ϕv (h)i = hf, hiL2 (X,P v ) =
f h dP v .
X
(7) ist trivial.
(8) Die Beziehung D(f ) ∩ D(h) ⊆ D(f + h) folgt daraus, daß L2 (X, P v ) für
v ∈ D(f ) ∩ D(h) ein Vektorraum ist. Aus der Linearität von ϕv folgt nun
P (f + h).v = P (f ).v + P (h).v .
(9) Sei v ∈ D(f ) . Dann ist wegen (6) die Beziehung P (f ).v ∈ D(h) äquivalent
zu
Z
Z
2
P (f ).v
|h| dP
=
|f |2 |h|2 dP v < ∞
X
X
(Bemerkung II.2.8). Dies bedeutet gerade v ∈ D(f h) und daher D(f h) =
P (f )−1 D(h) .
Sei jetzt v ∈ D(f h) ∩ D(f ) . Wir haben
(3.1)
ϕv (hf ) = P (h).ϕv (f ) = P (h)P (f ).v
zu zeigen. Ist h0 beschränkt, so ist die Abbildung f 7→ h0 f auf L2 (X, P v ) stetig
und für beschränkte f 0 ist ϕv (h0 f 0 ) = P (h0 )P (f 0 ).v . Aus der Stetigkeit beider
Seiten in f folgt daher (3.1) mit h0 an Stelle von h . Die Abbildung ϕP (f ).v ist
stetig auf L2 (X, P P (f ).v ) = L2 (X, |f |2 P v ) und die linke Seite h0 7→ ϕv (h0 f ) von
(3.1) ebenfalls, da die Multiplikation
h0 7→ h0 f,
L2 (X, |f |2 P v ) → L2 (X, P v )
stetig ist. Hieraus folgt die Gleichheit beider Seiten in h .
Im folgenden Satz verbinden wir die Einsichten aus Satz IV.3.5 mit der
Theorie unbeschränkter Operatoren.
100
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
Satz IV.3.6. Sei (X, S) ein meßbarer Raum und P : S → PH ein Spektralmaß. Dann gelten folgende Aussagen:
(i) Für jede meßbare Funktion f : X → C ist P (f ) dicht definiert.
(ii) P (f )∗ = P (f ).
(iii) Ist |f (x)| = 1 für alle x ∈ X , so ist P (f ) unitär.
(iv) Ist f (X) ⊆ R , so ist P (f ) selbstadjungiert.
Beweis. (i) Sei En := {x ∈ X: |f (x)|S≤ n} für n ∈ N . Dann ist P (En ).H ⊆
∞
D(f ) (Satz IV.3.5(5)), und wegen X = n=1 En haben wir v = limn→∞ P (En ).v
für alle v ∈ H (Satz II.2.3(iv)). Also ist der Unterraum D(f ) dicht.
(ii) Sei x ∈ D(f ) und y ∈ D(f ) = D(f ) . Nach
Satz IV.3.5(4) ist dann
∗
hP (f ).x, yi = hx, P (f ).yi. Damit ist y ∈ D P (f ) und P (f ) ⊆ P (f )∗ .
Wir haben also noch zu zeigen, daß jedes Element z ∈ D P (f )∗ auch in
D(f ) liegt. Sei χEn die charakteristische Funktion der Menge En . Aus dem
Beweis von (i) erhalten wir, daß der Operator P (f )P (En ) = P (f )P (χn ) auf
ganz H definiert ist und mit P (χEn f ) übereinstimmt. Wegen Satz IV.3.4(i)
haben wir daher
∗
P (χEn )P (f )∗ ⊆ P (f )P (χEn ) = P (f χEn )∗ = P (f χEn ).
Sei v := P (f )∗ .z . Dann ist
P (En ).v = P (χEn ).v = P (χEn )P (f )∗ .z = P (f χEn ).z
und folglich
Z
En
2
z
|f | dP =
Z
|f (x)χEn (x)|2 dP z (x)
X
= kP (f χEn ).zk2 = kP (En ).vk2 ≤ kvk2 .
Nach dem Satz von der monotonen Konvergenz ist f ∈ L2 (X, P z ) , d.h. z ∈
D(f ) = D(f ) .
(iii) folgt aus (ii) wegen f f = 1 .
(iv) folgt aus (i) und (ii) wegen f = f .
Die Cayley-Transformation
Eine wichtige Methode zum Studium von unbeschränkten selbstadjungierten Operatoren auf Hilberträumen ist die Cayley-Transformation:
c: R → S1 \ {1},
t 7→
t−i
.
t+i
Ist A ∈ B(H) ein beschränkter hermitescher Operator, so folgt aus c(R) ⊆ S1
und Satz III.5.5(iii) angewandt auf das Spektralmaß von A, daß
c(A) = (A − i1)(A + i1)−1
ein unitärer Operator ist. Wir möchten diese Korrespondenz auf symmetrische
Operatoren und Isometrien ausweiten.
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
101
Satz IV.3.7. Sei T ein symmetrischer Operator auf dem Hilbertraum H mit
Definitionsbereich D(T ). Dann gilt:
(i) kT.x + ixk2 = kT.xk2 + kxk2 für x ∈ D(T ).
(ii) T ist genau dann abgeschlossen, wenn R(T + i1) abgeschlossen ist.
(iii) T + i1 ist injektiv.
(iv) Gilt R(T + i1) = H , so hat T keine echten symmetrischen Fortsetzungen.
(v) Die Aussagen (i)-(iv) bleiben richtig, wenn man i durch −i ersetzt.
Beweis.
(i) Das folgt aus
kT.x + ixk2 = kT.xk2 + kxk2 − ihT.x, xi + ihx, T.xi = kT.xk2 + kxk2 .
(ii) Wegen (i) ist die Abbildung R(T + i1) → Γ(T ), (T + i1).x 7→ (x, T.x)
isometrisch. Hieraus folgt die Behauptung.
(iii) Klar wegen (i).
(iv) Sei T1 eine echte symmetrische Fortsetzung von T . Dann ist auch T1 + i1
eine echte Fortsetzung von T + i1. Wegen der Surjektivität von T + i1 kann
T1 + i1 unter diesen Umständen nicht mehr injektiv sein, im Widerspruch zu
(iii).
(v) Klar.
Lemma IV.3.8.
Für einen dicht definierten Operator T von H nach H gilt
N (T ∗ ) = R(T )⊥ .
Insbesondere gilt für λ ∈ C die Beziehung
N (T ∗ + λ) = R(T + λ1)⊥ .
Beweis. Wegen (T + λ1)∗ = T ∗ + λ1 (Nachweis!), folgt der zweite Teil aus
dem ersten.
Ist x ∈ N (T ∗ ) und y = T.v , so haben wir
hx, yi = hx, T.vi = hT ∗ .x, yi = 0.
Damit ist “ ⊆” gezeigt. Ist umgekehrt x ∈ R(T )⊥ , so gilt für v ∈ D(T )
0 = hx, T.vi = hx, T.vi.
Also ist x ∈ D(T ∗ ) mit T ∗ .x = 0 , d.h. x ∈ N (T ∗ ) .
Satz IV.3.9. Für einen symmetrischen Operator T sind äquivalent:
(1) T ist selbstadjungiert.
(2) T ist abgeschlossen und T ∗ ± i1 ist injektiv.
(3) R(T ± i1) = H .
102
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
Beweis. (1) ⇒ (2): Nach Lemma IV.3.3(i) ist T abgeschlossen, da T = T ∗
gilt. Da T symmetrisch ist, folgt die Injektivität von T ∗ ± i1 = T ± i1 aus
Satz IV.3.7(iii).
(2) ⇒ (3): Aus Satz IV.3.7(ii),(v) folgt die Abgeschlossenheit von R(T ± i1)
und aus Lemma IV.3.8 die Dichtheit. Also ist T ± i1 surjektiv.
(3) ⇒ (1): Wegen T ⊆ T ∗ haben wir nur T ∗ ⊆ T zu zeigen. Sei y ∈ D(T ∗ ) .
Mit (3) finden wir ein x ∈ D(T ) mit (T ∗ − i1).y = (T − i1).x. Wegen T ⊆ T ∗
ist dann (T ∗ − i1).y = (T ∗ − i1).x, also x = y , da T ∗ − i1 nach Lemma IV.3.8
injektiv ist.
Lemma IV.3.10. Sei U : D(U ) → H ein isometrischer Operator von H nach
H . Dann gilt:
(i) Für x, y ∈ D(U ) ist hU.x, U.yi = hx, yi.
(ii) Ist R(1 − U ) dicht, so ist 1 − U injektiv.
(iii) Ist einer der Räume D(U ), R(U ), Γ(U ) abgeschlossen, so auch die anderen
beiden.
Beweis. (i) Das folgt sofort aus der Polarisierungsidentität.
(ii) Sei x ∈ D(U ) mit (1 − U ).x = 0 , d.h. U.x = x. Für y ∈ D(U ) haben wir
dann
hx, (1 − U ).yi = hx, yi − hx, U.yi = hU.x, U.yi − hx, U.yi = hU.x − x, U.yi = 0.
Da das Bild von 1 − U dicht ist, folgt hieraus x = 0.
(iii) Da U isometrisch ist, ist D(U ) genau dann abgeschlossen, wenn R(U ) abgeschlossen ist. Ist dies der Fall, so ist U : D(U ) → R(U ) eine stetige Abbildung
zwischen Banachräumen, so daß Γ(U ) wegen dem Satz vom abgeschlossenen
Graphen (vgl. [FA]) abgeschlossen ist.
Ist andererseits Γ(U ) abgeschlossen, so ist Γ(U ) vollständig. Sei xn ∈
D(U ) mit xn → x. Dann ist (xn , U.xn ) eine Cauchy-Folge in Γ(U ) , also
konvergent, und somit x ∈ D(U ) .
Definition IV.3.11.
Sei T ein symmetrischer Operator in H . Aus Satz
IV.3.7(i) wissen wir, daß
kT.x + ixk2 = kT.xk2 + kxk2 = kT.x − ixk2
für alle x ∈ D(T ) gilt. Also wird durch T.x + ix 7→ T.x − ix eine Isometrie
R(T + i1) → R(T − i1)
definiert. Da (T + i1)−1 den Raum R(T + i1) bijektiv auf D(T + i1) = D(T )
abbildet, ist obige Isometrie im Sinne unbeschränkter Operatoren gegeben durch
c(T ) := (T − i1)(T + i1)−1
mit
D(c(T )) = R(T + i1).
Der Operator c(T ) heißt Cayley-Transformierte von T .
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
103
Lemma IV.3.12. Für einen symmetrischen Operator T ist die Cayley-Transformierte c(T ) genau dann unitär, wenn T selbstadjungiert ist.
Beweis.
Das folgt sofort aus Satz IV.3.9(iii).
Satz IV.3.13. Eine Isometrie U : D(U ) → H ist genau dann Cayley-Transformierte eines symmetrischen Operators T auf H , wenn R(1 − U ) dicht ist. In
diesem Fall ist 1 − U injektiv und
T = i(1 + U )(1 − U )−1
mit
D(T ) = R(1 − U ).
Beweis. Zuerst nehmen wir an, daß U = c(T ) für einen symmetrischen Operator T auf H gilt. Dann ist
1 − U = 1 − (T − i1)(T + i1)−1 = (T + i1)(T + i1)−1 − (T − i1)(T + i1)−1
= (T + i1) − (T − i1) (T + i1)−1
= 2i(T + i1)−1 .
Insbesondere ist R(1 − U ) = R(T + i1) = D(T ) dicht in H . Weiter haben wir
1 + U = 1 + (T − i1)(T + i1)−1 = (T + i1)(T + i1)−1 + (T − i1)(T + i1)−1
= (T + i1) + (T − i1) (T + i1)−1
= 2T (T + i1)−1
und daher
i(1 + U )(1 − U )−1 = iT (T + i1)−1 i−1 (T + i1) = T.
Jetzt nehmen wir an, daß U eine Isometrie ist, für die R(1 − U ) dicht ist.
Dann ist 1 − U injektiv (Lemma IV.3.10(iii)), also (1 − U )−1 dicht definiert.
Wir definieren
T := i(1 + U )(1 − U )−1
und bemerken, daß aus D(U ) = D(1 + U ) = R((1 − U )−1 ) die Beziehung
D(T ) = R(1 − U ) folgt.
Für x = (1 − U ).x1 und y = (1 − U ).y1 mit x1 , y1 ∈ D(U ) gilt weiterhin
hT.x, yi = hi(1 + U ).x1 , (1 − U ).x2 i
= i hx1 , x2 i + hU.x1 , x2 i − hx1 , U.x2 i − hU.x1 , U.x2 i)
= i hU.x1 , U.x2 i + hU.x1 , x2 i − hx1 , U.x2 i − hx1 , x2 i)
= i hU.x1 − x1 , U.x2 + x2 i) = hx, i(U + 1).y1 i = hx, T.yi.
Also ist T hermitesch, also symmetrisch, da T dicht definiert ist.
Schließlich gilt
i1 − T = i(1 − U − 1 − U )(1 − U )−1 = −2iU (1 − U )−1
104
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
und
i1 + T = i(1 − U + 1 + U )(1 − U )−1 = 2i(1 − U )−1 ,
also
c(T ) = (T − i1)(T + i1)−1 = U.
Die Kardinalzahlen
α := dim R(T + i1)⊥
und
β := dim R(T − i1)⊥
heißen Defektzahlen des symmetrischen Operators T .
Satz IV.3.14. Ein symmetrischer Operator T hat genau dann eine selbstadjungierte Fortsetzung, wenn die Defektzahlen gleich sind, d.h., wenn es eine
unitäre Abbildung
R(T + i1)⊥ → R(T − i1)⊥
gibt.
Beweis.
Sei c(T ) die Cayleytransformierte von T . Dann ist
c(T ): R(T + i1) → R(T − i1)
eine Isometrie und R(T + i1) ist dicht.
Wir nehmen zuerst α = β an. Zunächst können wir die Isometrie c(T )
stetig zu einer Isometrie
c(T ): R(T + i1) → R(T − i1)
fortsetzen. Wegen
H = R(T ± i1) ⊕ R(T ± i1)⊥
und α = β können wir c(T ) mittels einer unitären Abbildung auf den orthogonalen Komplementen zu einer unitären Abbildung
e
c(T ): H → H
fortsetzen. Da e
c(T )−1 den Operator c(T )−1 fortsetzt, hat auch e
c(T )−1 dichtes
Bild, so daß aus Satz IV.3.13 die Existenz eines symmetrischen Operators Te mit
c(Te) = e
c(T ) folgt. Dann ist Te = i(1 + e
c(T ))(1 − e
c(T ))−1 eine Fortsetzung von
T = i(1 + c(T ))(1 − c(T ))−1 und nach Lemma IV.3.12 selbstadjungiert.
Ist umgekehrt Te eine selbstadjungierte Fortsetzung von T , so ist c(Te)
eine unitäre Fortsetzung von c(T ) . Also bildet c(Te) den Raum R(T + i1)⊥
isometrisch auf R(T − i1)⊥ ab. Folglich ist α = β .
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
Beispiel IV.3.15.
105
Sei U : l2 (N, C ) → l2 (N, C ) der Shift-Operator mit
U.(x1 , x2 , . . .) = (0, x1 , x2 , . . .).
Dann ist U eine Isometrie mit
R(1 − U )⊥ = N (1 − U ∗ ) = {0},
denn aus
U ∗ .(x1 , x2 , . . .) = (x2 , x3 , . . .),
liest man leicht ab, daß kein Vektor x ∈ l2 (N, C ) mit U ∗ .x = x existiert. Aus der
Dichtheit des Bildes von 1 − U erhalten wir nun einen symmetrischen Operator
T mit c(T ) = U (Satz IV.3.13). Für T ist dann
R(T + i1) = D(U ) = l2 (N, C )
und
R(T − i1) = R(U ) = e⊥
1.
Folglich haben wir α = 0 6= 1 = β und T hat keine selbstadjungierte Fortsetzung.
Der Spektralsatz für unbeschränkte selbstadjungierte Operatoren
Theorem IV.3.16. Ist P : B(R) → H ein Spektralmaß auf R , so ist P (idR )
ein selbstadjungierter Operator. Umgekehrt existiert zu jedem selbstadjungierten
Operator T auf H genau ein Spektralmaß auf R mit T = P (idR ).
Beweis. Der erste Teil folgt aus Satz IV.3.6. Der zweite Teil ist schwieriger.
Sei T ein selbstadjungierter Operator auf H und U dessen Cayley-Transformierte. Weiter sei PU : σ(U ) → B(H) das Spektralmaß des unitären Operators U .
Wir zeigen, daß U − 1 injektiv ist. Sei dazu
T.x + ix = U.(T.x + ix) = T.x − ix.
Dann ist 2ix = 0, also x = 0 und somit T.x + ix = 0 . Also ist 1 kein Eigenwert
von U und somit PU ({1}) = 0 (Theorem IV.2.5). Wir können das Spektralmaß
PU folglich als ein Spektralmaß auf Ω := {z ∈ C : |z| = 1, z 6= 1} auffassen. In
diesem Sinne ist
Z
hU.v, vi =
λ dPUv (λ)
Ω
für v ∈ H .
Sei
f : Ω → R,
λ 7→
i(1 + λ)
.
1−λ
Wir definieren den Operator
PU (f ): D PU (f ) := {v ∈ H: f ∈ L2 (X, PUv )} → H
106
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
mit
hPU (f ).v, vi =
Z
15.2.2002
f (λ) dPUv (λ)
Ω
wie in Satz IV.3.5. Wegen Satz IV.3.6(iv) ist PU (f ) selbstadjungiert. Weiter
haben wir f (λ)(1 − λ) = i(1 + λ) , also
PU (f )(1 − U ) = i(1 + U )
(3.2)
wegen Satz III.4.10(vii). Inbesondere folgt hieraus R(1 − U ) ⊆ D PU (f ) .
Andererseits haben wir R(T + i1) = H und für x = (T + i1).y gilt U.x =
(T − i1).y. Damit erhalten wir (1 − U ).x = 2iy und weiter
T (1 − U ).x = 2iT.y = i(1 + U ).x.
Wir haben also
T (1 − U ) = i(1 + U ),
(3.3)
wobei D(T ) = R(1 − U ) ⊆ D PU (f ) . Durch Vergleich von (3.1) und (3.2)
erhalten wir T ⊆ PU (f ) , also PU (f ) = PU (f )∗ ⊆ T ∗ = T und somit T = PU (f ) .
Insbesondere erhalten wir hiermit
Z
hT.v, vi =
f (λ) dPUv (λ) und D(T ) = {v ∈ H: f ∈ L2 (X, PUv )}.
Ω
Wir definieren jetzt ein Spektralmaß auf R durch P (E) := PU f −1 (E) .
Für jedes v ∈ H ist dann P v (E) = PUv f −1 (E) . Für Integrale bzgl. dieser
Maße gilt nun
Z
Z
ϕ(x) dP v (x) =
ϕ(f (x)) dPUv (x).
Ω
R
In der Tat enspricht diese Relation für charakteristische Funktionen ϕ = χE
wegen χE ◦ f = χf −1 (E) genau der Definition. Der allgemeine Fall folgt durch
stetige lineare Fortsetzung auf den Raum L1 (R, P v ) .
Damit erhalten wir schließlich
Z
Z
v
hT.v, vi =
f (λ) dPU (λ) =
λ dP v (λ) = hP (idR ).v, vi.
Ω
R
Wir zeigen noch die Eindeutigkeit des Spektralmaßes. Ist nämlich Q ein
weiteresSpektralmaß auf R , das T wie oben darstellt, so definiert QU (E) :=
Q f (E) ein Spektralmaß auf Ω, das U mittels
hU.v, vi =
Z
λ dQvU (λ)
Ω
für v ∈ H darstellt. Also ist QU = PU und somit Q = P .
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
107
Der Satz von Stone
Definition IV.3.17.
Sei X ein Banachraum und Q: (R+ , +) → B(X) ein
Homomorphismus von Halbgruppen mit Q(0) = 1, so daß limt→0 Q(t).x = x
für alle x ∈ X gilt. Dann heißt Q eine stark stetige Einparameterhalbgruppe.
Sei Q: R+ → B(X) eine Einparameterhalbgruppe. Wir definieren einen
unbeschränkten Operator A: D(A) → X durch
1
D(A) := x ∈ X: lim Q(t).x − x existiert
t→0 t
und
1
Q(t).x − x
t→0 t
A.x := lim
für x ∈ D(A) . Dieser Operator heißt der infinitesimale Erzeuger von Q.
Bemerkung IV.3.18. Sei X ein Banach-Raum. Ist A ∈ B(X) , so definiert
Q(t) = etA eine Einparameterhalbgruppe mit infinitesimalem Erzeuger A, denn
Q ist sogar analytisch und hat die Ableitung A in 0 .
Für mehr Informationen zu Einparameter-Halbgruppen verweisen wir auf
Kapitel 13 in [Ru73]. Wir begnügen uns hier mit einem für die Darstellungstheorie besonders wichtigen Spezialfall.
Satz von Stone
Theorem IV.3.19.
Ist π: R → U (H) eine stark stetige Einparametergruppe
von unitären Operatoren mit infinitesimalem Erzeuger A. Dann ist iA ein
selbstadjungierter Operator und es gilt π(t) = P (et ) mit et (x) = e−itx bzgl. dem
Spektralmaß P auf R für das iA = P (idR ) ist. So erhält man eine bijektive Korrespondenz zwischen selbstadjungierten Operatoren und unitären EinparameterGruppen.
Beweis. Wir haben schon in Theorem II.2.10 gesehen, daß man durch π(t) :=
P (et ) für ein Spektralmaß P auf R eine stark stetige unitäre Einparametergruppe erhält.
Für den Beweis der Umkehrung verweisen wir auf [Ru73, Th. 13.37].
108
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
IV.4. Integralzerlegungen von Darstellungen
In diesem Abschnitt werden wir sehen, wie man Spektralmaße verwenden
kann, um Darstellungen zu zerlegen. Die Grundidee ist wie folgt. Sei (π, H) eine
Darstellung der involutiven Halbgruppe S und A ⊆ π(S)0 eine kommutative C ∗ Unteralgebra des Kommutanten. Dann existiert zur identischen Darstellung ρ
von A auf H ein borelsches Spektralmaß P auf dem kompakten Raum X := ΓA .
Ist A maximal kommutativ, so suchen wir zu jedem Punkt x ∈ X (genauer:
zu P -fast allen Punkten) eine irreduzible Darstellung (πx , Hx ) von S , so daß
wir die Darstellung (π, H) in einem geeigneten Sinn als “direktes Integral”, das
kontinuierliche Analogon einer direkten Summe, beschreiben kann.
Die Theorie der spektralen Vielfachheit
Die Hauptreferenz zu diesem Unterabschnitt ist das Buch von Halmos
[Ha57] zu diesem Thema. Das prinzipielle Problem der Theorie der spektralen
Vielfachheit ist festzustellen, wann zwei Spektralmaße P : S → B(H) auf einem
(separablen) Hilbertraum H als Darstellungen der Halbgruppe (S, ∩) äquivalent
sind und entsprechend kanonische Repräsentanten der Äquivalenzklassen zu beschreiben.
Definition IV.4.1.
Sei (X, S) ein Meßraum und λ, µ Maße auf S. Wir
sagen λ ist absolutstetig bzgl. µ, wenn
µ(E) = 0 =⇒ λ(E) = 0
gilt. Kürzer schreibt man auch λ << µ. Die Relation << definiert eine Quasiordnung auf der Menge aller positiven Maße auf S, d.h. eine reflexive und transitive
Relation. Die dazugehörigen Äquivalenzklassen, auch Maßklassen genannt, sind
durch
[µ] = {λ: λ << µ << λ}
gegeben.
Zwei σ -endliche Maße λ und µ heißen paarweise singulär, wenn es eine
˙ gibt, so daß µ(A) = 0 und λ(B) = 0 gelten. Wir schreiben
Zerlegung X = A∪B
dafür λ⊥µ.
Beispiel IV.4.2. Ist λ das Lebesgue-Maß auf B(Rn ) und µ ein Punktmaß, so
ist λ⊥µ. Ähnliches gilt, wenn µ das Lebesguemaß auf einer affinem Unterraum
ist, oder allgemeiner auf einer Untermannigfaltigkeit.
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
109
Proposition IV.4.3.R Sei (X, S, µ) ein Maßraum und f : X → [0, ∞] meßbar.
Dann ist ν(E) := E f dµ ein Maß auf S. Für jede meßbare Funktion
g: X → [0, ∞] gilt
Z
g(x) dν(x) =
Z
X
g(x)f (x) dµ(x).
X
Beweis.
Sei Ej eine Folge paarweise disjunkter Mengen in S und E :=
S∞
j=1 Ej . Dann ist
∞
X
χE f =
χEj f.
n=1
Aus dem Satz von der monotonen Konvergenz folgt also
ν(E) =
Z
χE f dµ =
X
∞ Z
X
n=1
χEj f dµ =
X
∞
X
ν(Ej ),
n=1
d.h. ν ist ein Maß.
R
Ist g = χE mit E ∈ S, so zeigt die Definition von ν , daß X g dν =
R
gf dµ gilt. Mit der endlichen Additivität erhält man diese Beziehung nun für
X
Stufenfunktionen und mit dem Satz der monotonen Konvergenz für eine beliebige
meßbare Funktion g ≥ 0 bzw. integrable Funktionen g .
Satz von Lebesgue-Radon-Nikodym
Satz IV.4.4. Sei (X, S) ein Meßraum und µ, ν σ -endliche Maße auf X .
(1) Es existieren σ -endliche Maße λa und λs mit
λ = λa + λ s ,
λa << µ
und
λs ⊥µ.
(2) Ist λa endlich, so exist eine meßbare Funktion h: X → R+ mit dλa = hdµ .
Und jede andere Funktion mit diesen Eigenschaften stimmt µ-fast überall
mit h überein.
Beweis.
[Ru86, Th. 6.10]
Folgerung IV.4.5. Für zwei σ -endliche Maße µ, ν auf (X, S) gilt λ << µ
genau dann, wenn eine meßbare Funktion h: X → R+ mit dλ = hdµ existiert.
Beweis.
Gilt dλ = hdµ , so gilt für jede µ-Nullmenge E die Beziehung
λ(E) =
Z
h dµ = 0,
E
also λ << µ. Die Umkehrung folgt aus dem Satz von Lebesgue-Radon-Nikodym.
110
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
Lemma IV.4.6.
Jedes σ -endliche Maß ist zu einem endlichen äquivalent.
S
Beweis. Sei µ ein σ -endliches Maß auf (X, S) und X = n∈N Xn mit
µ(Xn ) < ∞. Wir definieren eine meßbare Funktione w: X →]0, 1[ durch
w(x) :=
Dann ist
Z
w dµ ≤
X
2−n
,
1 + µ(En )
X
2−n
n
x ∈ Xn .
µ(Xn )
< ∞.
1 + µ(Xn )
Also ist das Maß dλ := wdµ endlich. Wegen dµ = w−1 dλ ist es zu λ äquivalent.
Definition IV.4.7.
Sei (X, S) ein Meßraum und K ein separabler Hilbertraum. Wir nennen eine Funktion f : X → K meßbar, wenn sie bzgl. der
σ -Algebra der Borelmengen in K meßbar ist, d.h. die Urbilder aller offenen
Teilmengen von H sind meßbar.
Ist f : X → K meßbar und v ∈ K , so ist die Funktion x 7→ hf (x), vi
ebenfalls meßbar, da h·, vi stetig und damit meßbar ist. Ist (ej )j∈J eine ONB
von K , so ist J abzählbar und wir können f darstellen als
X
f (x) =
hf (x), en ien .
n∈J
Da punktweise Grenzwerte meßbarer Funktionen meßbar sind, folgt hieraus, daß
f genau dann meßbar ist, wenn alle Funktionen fn (x) = hf (x), en i meßbar sind.
Insbesondere sehen wir, daß für zwei meßbare Funktionen f, g: X → K auch die
Funktionen
X
X
kf k(x) =
|fn (x)|2 und hf, gi(x) =
hfn (x), gn (x)i
n
n∈J
meßbar sind.
Ist µ ein Maß auf S und K ein separabler Hilbertraum, so schreiben wir
2
L (X, K, µ) für den Hilbertraum der quadratintegrablen meßbaren Funktionen
X → K modulo solchen, die µ-fast überall verschwinden. Das Skalarprodukt
auf diesem Raum ist gegeben durch
Z
hf, gi =
hf (x), g(x) dµ(x).
X
Es ist leicht zu sehen, daß
Φ: L2 (X, K, µ) →
M
d
n∈J
L2 (X, µ),
Φ(f ) = (fn )n∈J
eine unitäre Abbildung ist.
Sei (X, S, α) ein σ -endlicher Maßraum und K ein separabler Hilbertraum.
Auf dem Hilbertraum H := L2 (X, K, α) erhalten wir ein Spektralmaß P durch
PE .f := χE f,
das wir mit P (K, α) := P bezeichnen. Man kann nun folgendes zeigen:
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
111
Satz IV.4.8. P (K, α) und P (K 0 , α0 ) sind genau dann äquivalent, wenn die
Maßklassen [α] und [α0 ] übereinstimmen und dim K = dim K 0 gilt.
Beweis. (Skizze) Eine Implikation ist einfach. Nehmen wir also an, daß
dim K = dim K 0 und [α] = [α0 ] gelten. Wir haben eine unitäre Abbildung
Φ: L2 (X, K, α) → L2 (X, K 0 , α0 )
zu konstruieren, für die
Φ ◦ P (K, α)(E) = P (K 0 , α0 )(E) ◦ Φ,
E∈S
gilt.
Da die beiden Maßklassen übereinstimmen, existiert nach dem Satz von
Lebesgue-Radon-Nikodym eine meßbare Funktionen f ∈ X → R+ mit dα0 =
f dα . Da beide Maße die gleichen Nullmengen haben, ist f −1 (0) eine α Nullmenge und wir dürfen daher annehmen, daß f (X) ⊆]0, ∞[ gilt. Dann ist
dα = f −1 dα0 .
Weiter existiert eine unitäre Abbildung ϕ: K → K 0 . Wir setzen nun
p
Φ(ξ)(x) := f (x)−1 ϕ(ξ(x)).
Ist ξ: X → K eine meßbare Funktion, so ist die Funktion Φ(ξ): X → K 0 meßbar
und es gilt
Z
Z
Z
2
0
2 −1
0
kΦ(ξ)k dα =
kξk f dα =
kξk2 dα.
X
X
X
Also definiert Φ eine isometrische Abbildung
Φ: L2 (X, K, α) → L2 (X, K 0 , α0 ).
Ebenso erhalten wir eine Isometrie
Ψ: L2 (X, K 0 , α0 ) → L2 (X, K, α),
Ψ(η)(x) :=
p
f (x)ϕ−1 (η(x))
und es gilt Φ ◦ Ψ = idL2 (X,K 0 ,α0 ) sowie Ψ ◦ Φ = idL2 (X,K,α) . Weiter gilt
√
√
Φ(P (E).ξ) = g(ϕ ◦ (χE ξ)) = χE g(ϕ ◦ ξ) = P 0 (E).Φ(ξ).
Also ist Φ ein Vertauschungsoperator für die Spektralmaße P und P 0 .
Jetzt nehmen wir an, daß ein Vertauschungsoperator
Φ: L2 (X, K, α) → L2 (X, K 0 , α0 )
existiert. Wegen P 0 (E) ◦ Φ = Φ ◦ P (E) ist dann P (E) = 0 äquivalent zu
P 0 (E) = 0 , so daß die Bedingungen α(E) = 0 und α0 (E) = 0 äquivalent sind.
Nach dem Satz von Radon-Nikodym sind also die Maßklassen [α] und [β] gleich,
und gemäß dem ersten Teil des Beweises dürfen wir α0 = α annehmen.
Daß die Dimensionen von K und K 0 gleich sein müssen erhält man nun aus
der Beobachtung, daß für endlichdimensionales K die Dimension von K genau
die minimale Anzahl n von Elementen ξ1 , . . . , ξn ∈ L2 (X, K, α) ist, für die die
Menge {P (E).ξj : E ∈ S, j = 1, . . . , n} einen dichten Unterraum aufspannt. D.h.
n ist die minimale Größe eine Erzeugendensystems der Darstellung von (P, ∩) .
Für die Details des Beweises verweisen wir auf [Ha57, §§63,64].
112
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
Ein Spektralmaß P heißt homogen, wenn es äquivalent ist zu einem der
Maße P (K, α) . In diesem Fall heißt [α] die Maßklasse von P und dim K die
Vielfachheit von P . Beachte, daß P (E) = 0 zu α(E) = 0 äquivalent ist. Der
Satz IV.4.8 besagt also, daß homogene Spektralmaße durch das Paar ([α], dim K)
aus Maßklasse und Vielfachheit klassifiziert werden. Die Maßklasse ist dadurch
eindeutig bestimmt, daß E ∈ S genau dann eine Nullmenge von α ist, wenn
P (E) = 0 gilt.
Satz IV.4.9. Die homogenen Spektralmaße mit Vielfachheit 1 sind genau
diejenigen mit einem zyklischen Vektor.
Beweis. Sei zunächst P ein homogenes Spektralmaß mit Vielfachheit 1 . Dann
dürfen wir annehmen, daß H = L2 (X, µ) für ein endliches Maß µ ist (Satz IV.4.9,
Lemma IV.4.6). Dann ist die konstanten Funktion 1 ∈ H und P (E).1 = χE , so
daß span{P (E).1: E ∈ S} der Raum der Stufenfunktionen ist, der in H dicht
ist (Theorem II.1.5).
Sei umgekehrt v ∈ H ein zyklischer Vektor und P v (E) := hP (E).v, vi.
Dann ist P v ein endliches Maß und die Abbildung χE 7→ P (E).v läßt sich
zu einer Isometrie L2 (X, P v ) → H fortsetzen (Satz IV.3.5). Nach Voraussetzung hat diese Isometrie ein dichtes Bild und ist daher surjektiv, da L2 (X, P v )
vollständig und damit das Bild abgeschlossen ist.
Hauptsatz über spektrale Vielfachheiten
Theorem IV.4.10.
Jedes Spektralmaß auf einem separablen Hilbertraum H
ist äquivalent zu dem kanonischen Spektralmaß auf
M
H :=
L2 (X, Kn , αn ),
n∈N∪{∞}
wobei dim Kn = n , n ∈ N ∪ {∞} gilt und die Maße αn paarweise singulär sind.
Zwei solche Spektralmaße sind genau dann äquivalent, wenn [αn ] = [αn0 ] für alle
n ∈ N gilt. Das Spektralmaß P ist genau dann homogen, wenn [αn ] = 0 für alle
bis auf ein n0 gilt.
Beweis.
[Ha57]
P
Die Maßklasse des Maßes α := n∈N∪{∞} αn heißt Maßklasse von P .
Da die Maße αn paarweise singulär sind, existiert eine Partition X =
S
n∈N Xn von X in meßbare Teilemgen, so daß αn (Xm ) = 0 für n 6= m gilt.
Wir können αn daher auch als ein Maß auf der Menge Xn auffassen und erhalten
eine Zerlegung
M
H :=
Hn mit Hn ∼
= L2 (Xn , Kn , αn ).
n∈N∪{∞}
Das schöne an dieser Zerlegung ist, daß die Projektion auf Hn durch P (Xn )
über das Spektralmaß gegeben ist.
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
113
Beispiel IV.4.11. (a) Es ist instruktiv, sich zu überlegen, wie die Zerlegung
aus Theorem IV.4.10 für endlichdimensionale Räume H aussieht. In diesem Fall
ist P (S) eine kommutative Familie von Orthogonalprojektionen, also endlich.
0
Wir finden daher eine disjunkte Zerlegung X = X10 ∪ . . . ∪ Xm
, so daß die
Projektionen P (Xj ) jeweils minimale Dimension des Bildes haben. Gehen wir
über zu der σ -Unteralgebra von X , die von den Mengen Xj0 erzeugt wird, so
dürfen wir annehmen, daß X endlich ist und alle Mengen Xj0 einpunktig sind.
Wir definieren nun
[
Xj := {x ∈ X: dim P (x).H = j}
und erhalten eine disjunkte Zerlegung
X = X1 ∪ . . . ∪ Xn
mit
P (Xj ).H ∼
= l2 (Xj , C j ) ∼
= C j·|Xj | ,
wobei ζj das Zählmaß auf Xj ist. Das Spektralmaß beschreibt also eine Zerlegung von H in die Unterräume P (x).H , x ∈ X , von denen wir alle diejenigen
mit der gleichen Dimension in P (Xj ).H zusammenfassen.
(b) Ist A ein normaler Operator auf einem endlichdimensionalen Hilbertraum H ,
X = σ(A) = {λ1 , . . . , λn } sein Spektrum und P das zugehörige Spektralmaß, so
ist P ({λi }).H = ker(A − λi 1) der Eigenraum zum Eigenwert λj .
Sei Xj die Menge aller Eigenwerte der Vielfachheit j . Dann ist
Hj := P (Xj ).H ∼
= (C j )Xj ∼
= L2 (Xj , C j , ζj ,
wobei ζj das Zählmaß auf Xj ist. Natürlich sind alle Unterräume Hj unter A
invariant, und die Wirkung von A auf dem Raum Hj , den wir als Raum von
Funktionen Xj → C j auffasssen, ist gegeben durch die Multiplikation
(A.f )(λ) = λf (λ).
Bemerkung IV.4.12. Ist A eine kommutative Banach-∗ -Algebra und (π, H)
eine Darstellung auf H , d.h. ein Homomorphismus π: A → B(H) , so existiert
nach dem Spektralsatz für kommutative Banach-∗-Algebren ein Spektralmaß P
auf X := ΓA mit P (b
a) = π(a) für alle a ∈ A.
Ist H separabel, so können wir Theorem IV.4.9 verwenden um H in Räume
L2 (X, Kn , αn ) zu zerlegen. Auf jedem dieser Räume ist die Wirkung von A leicht
zu sehen, denn für f ∈ L2 (X, Kn , αn ) ist
π(a).f = b
a.f
einfach eine Multiplikation. In diesem Sinn können wir uns die Zerlegung auch
als eine kontinuierliche Zerlegung der Darstellung (π, H) in irreduzible, d.h.
eindimensionale Darstellungen vorstellen.
Ist die Darstellung zyklisch, so sehen wir mir Satz IV.4.8, daß (π, H)
isomorph ist zur Multiplikationsdarstellung auf L2 (ΓA , µ) für ein endliches Maß
µ auf ΓA . Das Maß µ gibt also an, wie groß der Anteil der einzelnen Charaktere
χ ∈ ΓA an der Darstellung ist. Ist µ({χ}) > 0 , so tritt die zugehörige Darstellung
sogar als Unterdarstellung auf, d.h. es existiert ein Vektor v ∈ H mit π(a).v =
χ(a).v für alle a ∈ A.
114
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
In dem nächsten Abschnitt wenden wir uns kurz entsprechenden Integralzerlegungen von Darstellungen im nichtkommutativen Fall zu.
Integralzerlegungen von Darstellungen
In dem letzten Abschnitt haben wir gesehen, daß man jedes Spektralmaß
P : S → H auf einem separablen Hilbertraum so schreiben kann, daß
H :=
M
Hn
mit
Hn := L2 (Xn , Kn , αn )
n∈N∪{∞}
und P (E).f = χE f für f ∈ Hn gilt.
In diesem Sinn läßt sich jedes Spektralmaß auf einem separablen Hilbertraum durch ein direktes Integral beschreiben. Dies liefert uns nun die
Möglichkeit, Spektralmaße zu verwenden, um Darstellungen zu zerlegen.
Ist (X, S) ein Meßraum und K ein separabler Hilbertraum, so nennen wir
eine B(K) -wertige Funktion T : X → B(K) meßbar, wenn für jedes v ∈ K die
Funktion x 7→ T (x).v meßbar ist.
Satz IV.4.13. Ein Operator T ∈ B(H), H = L2 (X, K, µ), µ σ -endlich, vertauscht genau dann mit allen Operatoren P (E), wenn es eine meßbare Funktion
T : X → B(K) gibt, so daß (T.f )(x) = T (x)f (x) für fast alle x ∈ X gilt.
Beweis. Zunächst dürfen wir o.B.d.A. annehmen, daß µ(X) = 1 ist. Sei
(vj )j∈J eine abzählbare dichte Menge in K , die wir so wählen, daß sie einen
Q-Untervektorraum bildet (zum Beispiel nehme man alle rationalen Linearkombinationen einer ONB). Wir betrachten die Elemente von K als konstante Funktionen X → K und damit als Elemente von H . Für jedes j ∈ J erhalten wir
nun Elemente T.vj ∈ H . Da die Menge J abzählbar ist, existiert eine Nullmenge
N ⊆ X , so daß T.vj (x) für alle j ∈ J und x ∈ X \ N definiert ist. Wir erhalten
daher für jedes x ∈ X \ N eine Abbildung
Tx : {vj : j ∈ J} → K,
vj 7→ (T.vj )(x).
Da die Abbildung T linear ist, ist Tx linear bzgl. Q. Weiter haben wir
kTx .vi − Tx .vj k ≤ kT kkvi − vj k.
Also ist Tx stetig und läßt sich daher zu einer stetigen Abbildung Tx : K → K
fortsetzen, deren Linearität sofort aus der Q-Linearität von Tx auf den vj folgt.
Für jedes v ∈ K und vjn → v erhalten wir nun
Tx .v = lim (T.vjn )(x) = (T.v)(x),
n→∞
x ∈ N c,
und daraus folgt die Meßbarkeit der Funktion N c → B(K), x → Tx .
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
115
Soweit haben wir nichts über T vorausgesetzt. Jetzt nehmen wir an, daß
T mit P (S) kommutiert. Dann erhalten wir
(T.(χE .v))(x) = χE (x)Tx .v = Tx .(χE (x)v)
für alle E ∈ S und x ∈ N c . Folglich gilt
(T.f )(x) = Tx .f (x),
x ∈ N c,
für alle Stufenfunktionen f : X → K und aus Stetigkeitsgründen daher auch für
alle f ∈ H .
Die Operatoren T ∈ B(H) , die durch die Multiplikation mit einer meßbaren
B(K) -wertigen Funktion gegeben sind, heißen zerlegbare Operatoren.
Bemerkung IV.4.14.
Sei B := P (S)0 die Kommutantenalgebra des Spektralmaßes auf H = L2 (X, S, K) . Dann zeigt Satz IV.4.13, daß alle Operatoren
in B zerlegbar sind. Andererseits ist es evident, daß alle zerlegbaren Operatoren
mit P (S) vertauschen, so daß B genau aus den zerlegbaren Operatoren besteht.
(b) Sei A := P (L∞ (X, µ)) ⊆ B(H) durch das Spektralintegral gegeben. Wir
behaupten, daß
A = A00 = B 0
gilt.
Zunächst ist A ⊆ B ∩ B 0 und daher B ⊆ A0 ⊆ P (S)0 = B , folglich A0 = B
und daher B 0 = A00 . Wir haben also A00 ⊆ B 0 ⊆ P (S)0 = B . Die Gleichheit
A00 = A sieht man nun leicht ein. Ist T ∈ A00 ⊆ B , so ist Tx für fast alle
x ∈ X definiert. Da T mit B(K) ⊆ B vertauscht, gilt dies insbesondere für
die abzählbare Menge der Operatoren, die bzgl. einer ONB (ei )i∈I durch eine
Elementarmatrix Eij gegeben sind. Damit erhalten wir Tx ∈ {Eij : i, j ∈ I}0 =
C 1 für fast alle x ∈ X und somit T ∈ A.
Definition IV.4.15. Sei (X, S, µ) ein endlicher Maßraum, K ein separabler
Hilbertraum und (πx , K)x∈X eine Familie von Darstellungen, die in dem Sinne
meßbar ist, daß für alle v ∈ K und s ∈ S die Abbildung X → K, x 7→ πx (s).v
meßbar ist und für jedes s ∈ S gilt:
supx∈X kπx (s)k < ∞.
Wir erhalten dann für jedes s ∈ S einen Operator π(s) auf dem Hilbertraum H := L2 (X, K, µ) mit
(π(s).f )(x) := πx (s).f (x)
mit kπ(s)k < ∞ und
Z
Z
hπ(s).f, gi =
hπx (s).f (x), g(x) dµ(x) =
hf (x), πx (s∗ ).g(x) dµ(x)
X
X
∗
= hf, π(s ).gi
für f, g ∈ K . Also ist (π, H) eine Darstellung von S auf H , die wir das
direkte Integral der Darstellungen (πx , K)x∈X nennen und schreiben als π =
R⊕
π dµ(x) .
X x
116
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
Bemerkung IV.4.16. Sei nun (π, H) eine Darstellung von S auf dem separablen Hilbertraum H . In der Kommutantenalgebra π(S)0 betrachten wir eine
maximal kommutative Unteralgebra A . Die Existenz einer solchen Unteralgebra
folgt leicht aus dem Zornschen Lemma.
Da A kommutativ ist, gilt A ⊆ A0 und damit A00 ⊆ A0 = A000 . Insbesondere ist A00 ebenfalls kommutativ. Aus A ⊆ π(S)0 folgt weiter A00 ⊆ π(S)000 =
π(S)0 . Aus der Maximalität von A erhalten wir also A = A00 und somit, daß A
bzgl. der starken Operatortopologie abgeschlossen ist. Insbesondere ist A eine
kommutative C ∗ -Algebra. Wir betrachten jetzt die identische Darstellung (ρ, H)
von A . Nach Theorem IV.2.2 existiert auf der kompakten Menge X := ΓA ein
Spektralmaß P : X → B(H) , so daß für alle a ∈ A die Beziehung
a = P (b
a)
gilt. Oben haben wir gesehen, daß der kompakte Raum X in abzählbar viele
meßbare Teilmengen Xn , n ∈ N ∪ {∞} zerfällt, so daß
P (Xn ).H ∼
= L2 (Xn , Kn , µn )
für ein endliches Maß µn auf Xn und einen Hilbertraum Kn der Dimension n
gilt. Da P (Xn ) mit π(S) vertauscht, sind alle Räume Hn := P (Xn ).H unter S
invariant.
Gemäß Satz IV.4.13 existiert zu jedem s ∈ S eine meßbare Operatorfunktion (πx (s))x∈X , so daß (π(s).f )(x) = πx (s).f (x) fast überall für alle f ∈ H
gilt. Wegen der Eindeutigkeit der Operatorfunktionen gilt nun für s, t ∈ S die
Beziehung
πx (s)πx (t) = πx (st)
für fast alle x ∈ X . Ist S abzählbar, so finden wir daher eine Nullmenge N ⊆ X ,
so daß
πx (s)πx (t) = πx (st) und πx (s)∗ = πx (s∗ )
für alle x ∈ X \ N gilt. Wir erhalten also für alle x ∈ N c eine Darstellung
(πx , K). Man kann nun zeigen, daß fast alle diese Darstellungen irreduzibel sind
([Dix69, Ch. II, §3, Cor. 1]), so daß wir eine Integralzerlegung der Darstellung
(π, H) in irreduzible Darstellungen erhalten haben. Wegen
H = L2 (X, K, µ) ∼
= L2 (X \ N, K, µ |X\N )
ist es kein Problem, die Nullmenge N zu vernachlässigen.
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
117
Aufgaben zu Kapitel IV
Aufgabe IV.1. Sei P : S → B(H) ein Spektralmaß, das wir als Darstellung
(P, H) der Halbgruppe (S, ∩) auffassen. Zeige: Existiert ein zyklischer Vektor
v ∈ H , so existiert eine unitäre Abbildung
Φ: L2 (X, P v ) → H
mit
Φ(χE f ) = P (E)Φ(f ).
Jedes zyklische Spektralmaß ist also äquivalent zu dem kanonischen Spektralmaß
auf einem Raum L2 (X, µ) .
Aufgabe IV.2.
Sei A eine kommutative C ∗ -Algebra mit Eins und
exp: A → A,
x 7→ ex :=
X 1
xn
n!
n∈N0
ihre Exponentialfunktion. Zeige:
(1) σ(exp x) = eσ(x) .
(2) exp: (A, +) → (A× , ·) ist ein Gruppenhomomorphismus.
(3) Ist ka − 1k < 1 , so existiert ein x ∈ A mit a = ex .
(4) exp(A) is eine offene Untergruppe von A× .
(5) Für A = C(S1 ) ist exp(A) 6= A× . Hinsweis: Ist a = exp x, so ist a homotop
zu einer konstanten Funktion.
Aufgabe IV.3. Sie (X, S, µ) ein Maßraum und A := L∞ (X, µ) die zugehörige
C ∗ -Algebra.
(1) Wann repräsentiert eine beschränkte meßbare Funktion f : X → C ein
invertierbares Element von A?
(2) Finde eine meßbare Funktion log: C × → C mit exp ◦ log = idC × .
(3) Die Exponentialfunktion exp: A → A× ist surjektiv.
(4) Ist U (A) := {a ∈ A: a∗ a = 1} die unitäre Gruppe von A, so existiert zu
jedem a ∈ A eine meßbare Funktion x: X → R mit a = exp ix.
Aufgabe IV.4. Sei H ein Hilbertraum. Dann existiert zu jedem unitären
Operator u ∈ U (H) ein hermitescher Operator x ∈ B(H) mit u = exp ix .
Hinweis: meßbarer Spektralkalkül.
Aufgabe IV.5. (Spektralmaße für Diagonaloperatoren) Sei (λn )n∈N eine beschränkte Folge in C , H ein Hilbertraum mit der ONB (en )n∈N und
T.v =
X
n∈N
λn hv, en ien .
118
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
Zeige, daß das Spektralmaß auf σ(T ) gegeben ist durch
P (E) =
X
Pen
mit
Pen (v) = hv, en ien .
λn ∈E
Aufgabe IV.6. Seien H1 und H2 Hilberträume.
(1) Ein Unterraum Γ ⊆ H1 × H2 ist genau dann Graph eines Operators
T : D(T ) ⊆ H1 → H2 ,
wenn Γ ∩ ({0} × H2 ) = {0} ist.
(2) Sei T : D(T ) ⊆ H1 → H2 ein Operator und Γ(T1 ) ⊆ H1 × H2 . Dann ist
Γ(T1 ) genau dann ein Graph, wenn gilt:
(xn , T.xn ) → (0, y)
⇒
y = 0.
(3) Ist T stetig, so ist Γ(T ) genau dann abgeschlossen, wenn D(T1 ) abgeschlos-
sen ist.
(4) Finde einen abgeschlossenen Operator T : D(T ) ⊆ l2 (N) → l2 (N) , der unstetig ist.
(5) Sei H = L2 (R) , D(T ) := Cc (R) und
T : D(T ) → R,
f 7→ f (0).
Dann ist der Abschluß des Graphen von T in H × R kein Graph.
Aufgabe IV.7. (Abgeschlossene Operatoren) Sei T : D(T ) → H2 ein Operator
von H1 nach H2 mit abgeschlossenem Graphen. Wir versehen den Raum D(T )
mit der Norm
p
kxkT := kxk2 + kT.xk2 .
Dann ist D(T ) ein Hilbertraum und der Operator T : D(T ) → H2 ist stetig. Man
kann also jeden abgeschlossenen Operator zu einem stetigen Operator zwischen
Hilberträumen machen, wenn man die Norm geeignet wählt.
Aufgabe IV.8. Sei A: D(A) → H2 ein dicht definierter Operator von H1 nach
H2 . Zeige:
(1) Für den Graphen von A gilt Γ(A)⊥ = {(−A∗ .w, w): w ∈ D(A∗ )}.
(2) Γ(A) ∩ ({0} × H2 ) = {0} × D(A∗ )⊥ .
(3) A ist genau dann abschließbar, d.h. Γ(A) ist der Graph eines Operators A ,
wenn (0, v) ∈ Γ(A) ⇒ v = 0 gilt.
(4) A ist genau dann abschließbar, wenn A∗ dicht definiert ist.
119
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
Aufgabe IV.9. Sei H ein Hilbertraum. Auf dem Hilbertraum H 2 := H × H
betrachten wir die indefinite schiefhermitesche Form
β((v, w), (v 0 , w0 )) := hv, w0 i − hw, v 0 i.
Zeige:
(1) Ein Operator A: D(A) → H2 von H1 nach H2 ist genau dann hermitesch,
wenn die Einschränkung von β auf Γ(A) verschwindet, d.h. Γ(A) ist isotrop
(bzgl. β ).
(2) Für E ⊆ H 2 definieren wir
E ⊥β := {y ∈ H 2 : β(E, y) = {0}}.
Dann gilt für einen dicht definierten Operator A von H nach H
Γ(A)⊥β = Γ(A∗ ).
(3) Ist A symmetrisch und E ⊆ H 2 ein isotroper Unterraum, der Γ(A) enthält,
so ist E der Graph einer symmetrischen Fortsetzung AE von A .
(4) Ein Operator A von H nach H ist genau dann maximal symmetrisch, d.h.,
es existiert keine echte symmetrische Fortsetzung von A, wenn Γ(A) ein
maximal isotroper Unterraum von H 2 ist.
(5) Ein Operator A von H nach H ist genau dann selbstadjungiert, wenn
Γ(A)⊥β = Γ(A) gilt.
Insbesondere erhält man durch symmetrische Operatoren ohne selbstadjungierte Fortsetzung Unterräume E ⊆ H 2 , die zwar maximal isotrop sind, aber
für die nicht E ⊥β = E gilt. So etwas tritt im Endlichdimensionalen nicht auf.
Aufgabe IV.10. Ist A ein symmetrischer Operator auf H , so gilt:
(1) A ist abschließbar.
(2) A ist symmetrisch.
Aufgabe IV.11. Auf dem Hilbertraum H := l2 (N, C ) betrachten wir die
Operatoren T1 , T2 und T3 , die folgendermaßen definiert sind:
X
X
D(T1 ) := {a ∈ H:
n2 |an |2 < ∞,
an = 0},
n
D(T2 ) := {a ∈ H:
X
n
2
2
n |an | < ∞},
n
D(T3 ) := D(T2 ) + C ( n1 )n∈N
und
Tj .(an ) = (nan ),
a = (an ) ∈ D(Tj ) ∩ D(T2 )
und
T3 .( n1 ) = 0.
Zeige:
P 2
P
2
(1) Aus
n n |an | < ∞ folgt die Konvergenz von
n an (das benötigt man
zur Definition von D(T1 ) ).
(2) T1 ⊆ T2 ⊆ T3 sind jeweils echte Inklusionen.
(3) T2 ist selbstadjungiert.
(4) T1∗ = T3 und T3∗ = T1 .
120
IV. Meßbarer Spektralkalkül normaler Operatoren
15.2.2002
Aufgabe IV.12. Sei (X, S, µ) ein σ -endlicher
S Maßraum, d.h., es existiert
eine Folge von Mengen Xn ∈ S mit X = n Xn und µ(Xn ) < ∞. Sei
D ⊆ L2 (X, µ) ein dichter Unterraum, der unter Betragsbildung abgeschlossen
ist, und h: X → [0, ∞] meßbar mit h · D ⊆ L1 (X, µ) . Dann ist das lineare
Funktional
Z
ϕ: D → C , f 7→
f h dµ
X
genau dann stetig, wenn h ∈ L2 (X, µ) ist. Hinweis: Ist ϕ stetig, so reduziert
man auf den Fall ϕ = 0 und zeigt dann h = 0 fast überall.
Aufgabe IV.13. (Dichte Unterräume von L2 (Rn , µ) )
(1) Ist ϕ ∈ Cc (Rn ) , so existiert eine Folge glatter Funktionen ϕn ∈ Cc∞ (Rn ) ,
die gleichmäßig gegen ϕ konvergiert. Hinweis: Betrachte ϕn = δn ∗ ϕ für
eine δ -Folge δn ∈ Cc∞ (Rn ) .
(2) Cc∞ (Rn ) ist dicht in Cc (Rn , C ) .
(3) Cc∞ (Rn ) ist dicht in L2 (Rn , µ) für jedes Radonmaß µ auf Rn .
V. Holomorpher Spektralkalkül in Banachalgebren
121
V. Holomorpher Spektralkalkül in Banachalgebren
Wir haben im letzten Kapitel gesehen, daß wir normale Elemente a einer
C -Algebra in beliebige stetige Funktionen f : σ(a) → C auf dem Spektrum von
A einsetzen können. Für normale Operatoren auf Hilberträumen konnten wir
dies sogar ausweiten auf Borel-meßbare Funktionen auf σ(a) . Für Elemente
allgemeiner Banachalgebren muß man etwas bescheidener sein. In diesem allgemeinen Kontext kann man lediglich zeigen, daß man ein Element in holomorphe
Funktionen f : U → C einsetzen kann, wobei U eine offene Teilmenge von C ist,
die das Spektrum σ(a) enthält.
∗
Kurvenintegrale und holomorpher Spektralkalkül
In diesem Abschnitt sei A eine Banachalgebra mit Einselement 1.
Ist a ∈ A und
k
X
αn z n
f : C → C , z 7→
n=0
eine Polynomfunktion, so können wir a in f einsetzen und erhalten das Element
f (a) :=
k
X
αn an .
n=0
Man verifiziert leicht, daß wir so einen Homomorphismus
ηa : C [z] → A,
f (z) 7→ f (a)
erhalten, wobei C [z] für die komplexe Algebra der Polynomfunktionen auf C
steht. Soweit benötigt man hierzu nicht mehr, als daß A eine komplexe Algebra
ist. Die Abbildung ηa nennt man den polynomialen Funktionalkalkül.
Ist A eine Banachalgebra, so können wir den polynomialen Funktionalkalkül leicht auf Potenzreihen
(1.1)
f (z) =
∞
X
n=0
αn z n
122
V. Holomorpher Spektralkalkül in Banachalgebren
15.2.2002
ausdehnen, für die wir zeigen können, daß f (a) konvergiert. Ist
R :=
1
1
lim sup |αn | n
der Konvergenzradius der Potenzreihe (1.1) und r(a) < R , so erhalten wir
1
1
1
lim sup kαn an k n = lim sup |αn | n kan k n =
n→∞
n→∞
r(a)
<1
R
und damit folgt die Konvergenz der Reihe
∞
X
f (a) :=
αn an
n=0
in A. Insbesondere erhalten wir damit
∞
X
an
exp(a) := e :=
n!
n=0
a
für jedes Element a ∈ A, denn in diesem Fall ist R = ∞.
Andererseits haben wir die Resolventenfunktion
R := Ra : ρ(a) = C \ σ(a) → A,
a 7→ (λ1 − a)−1 ,
d.h. wir können a in die Funktion (λ − z)−1 einsetzen, wenn λ ∈ ρ(a) ist.
Ziel dieses Abschnitts ist es nun einzusehen, daß wir für jede holomorphe
Funktion f : U → C , wobei U eine offene Menge ist, die das Spektrum σ(a)
von a enthält, in sinnvoller Weise f (a) definieren können, so daß für die oben
erwähnten Fälle jeweils das Richtige herauskommt. Im folgenden schreiben wir
O(U ) := {f : U → C : f holomorph}.
Wir lassen uns nun von einigen Fakten aus der Funktionentheorie leiten.
Wir erinnern uns daran, daß wir komplexe Kurvenintegrale über einen stückweise
differenzierbaren Weg
γ: [a, b] → C
durch
Z
γ
f (ζ) dζ :=
Z
b
f (γ(t))γ 0 (t) dt
a
definieren. Sind γj : [aj , bj ] → C , j = 1, . . . , n , geschlossene stückweise stetig
differenzierbare Wege, so nennen wir Γ := (γ1 , . . . , γn ) einen Zyklus. Es ist auch
gebräuchlich, Zykel zu
S schreiben als formale Summe Γ = γ1 +̇ . . . +̇γn . Weiter
schreiben wir Γ∗ := j im(γj ) .
V. Holomorpher Spektralkalkül in Banachalgebren
123
Ist f ∈ O(U ) eine holomorphe Funktion und im(γj ) ⊆ U für alle j (wir
schreiben dafür kurz Γ∗ ⊆ U ), so definieren wir
I
XI
f (ζ) dζ.
f (ζ) dζ :=
Γ
γj
j
Für a ∈ C und Γ∗ ⊆ C \ {a} heißt
1
winda (Γ) :=
2πi
I
Γ
1
dζ
ζ −a
die Windungszahl von Γ in a. Ist U ⊆ C offen und Γ∗ ⊆ U , so sagen wir, daß
Γ keinen Punkt des Komplements C \ U umläuft, wenn windp (Γ) = 0 für alle
p 6∈ U gilt.
Die Cauchysche Integralformel bzw. die entsprechende Variante des Residuensatzes läßt sich nun wie folgt beschreiben.
Allgemeine Cauchysche Integralformel
Theorem V.1. Sei f : U → C holomorph und Γ ein Zyklus in U , der keinen
Punkt außerhalb von U umläuft. Dann gilt für a ∈ U \ Γ∗ die Formel
I
1
f (ζ)
dζ.
(1.2)
f (a) winda (Γ) =
2πi Γ ζ − a
Insbesondere hängt der Wert des Kurvenintegrals nur vom Wert von f in a und
der Windungszahl von Γ in a ab. Sind Γ1 und Γ2 Zykel in U , sodaß für alle
Punkte p 6∈ U die Windungszahlen windp (Γ1 ) und windp (Γ2 ) übereinstimmen,
so gilt
I
I
f (ζ) dζ =
f (ζ) dζ.
Γ1
Beweis.
Γ2
[Ru86, Th. 10.35]
Wir wollen daher wie folgt vorgehen. Sei A eine Banachalgebra mit 1 und
a ∈ A. Weiter sei U ⊇ σ(a) eine offene Menge und Γ ein Zyklus in U , der
keinen Punkt im Komplement von U umläuft mit
windz (Γ) = 1,
z ∈ σ(a).
Wir nennen Γ dann einen Zyklus um σ(a) in U . Ist dann f : U → C holomorph,
so wollen wir f (a) definieren durch
I
1
f (a) :=
f (ζ)Ra (ζ) dζ,
2πi Γ
wobei Ra (ζ) = (ζ1 − a)−1 die Resolventenfunktion ist.
Wir müssen uns also zuerst klar machen, daß die hier auftretenden Awertigen Integrale definiert sind.
124
V. Holomorpher Spektralkalkül in Banachalgebren
15.2.2002
Bemerkung V.2. Sei E ein Banachraum, a, b ∈ R und γ: [a, b] → E stetig.
Dann existiert das E -wertige Riemann-Integral
Z b
γ(t) dt,
a
das man als Grenzwert von Riemann-Summen der Gestalt
k−1
X
γ(ξi )(ti+1 − ti ),
a = t0 < t1 < . . . < tk = b,
ξi ∈ [ti , ti+1 ],
i=0
erhält. Die Existenz des Integrals zeigt man genauso wie für R - oder C -wertige
Funktionen. Wesentlicher Punkt ist, daß γ gleichmäßig stetig ist. Zu jedem
ε > 0 existiert als ein δ > 0 mit kγ(t) − γ(s)k ≤ ε für |t − s| ≤ δ . Für zwei
Riemannsummen S1 und S2 der Feinheit δ erhält man so kS1 − S2 k ≤ (b − a)ε
und hieraus die Existenz des Riemannintegrals wegen der Vollständigkeit von E .
Wichtige Eigenschaften des banachraumwertigen Integrals stetiger Funktionen sind:
(1) Ist F ein Banachraum und A: E → F eine stetige lineare Abbildung, so gilt
Z b
Z b
γ(t) dt =
A(γ(t)) dt.
A.
a
a
(2) Für jedes stetige lineare Funktional f : E → C ist insbesondere
hf,
Z
b
b
Z
γ(t) dti =
a
hf, γ(t))i dt.
a
(3) Die Abbildung
I: C([a, b], E) → E,
γ 7→
Z
b
γ(t) dt
a
ist
R linear. R
b
b
(4) a f (t) dt ≤ a kf (t)k dt.
All diese Eigenschaften ergeben sich sofort aus den entsprechenden Eigenschaften für Riemann-Summen. Zum Beispiel erhält man (1) aus
X
X
A.
f (ξj )(tj+1 − tj ) =
A(f (ξj ))(tj+1 − tj )
j
j
und (4) aus
k
X
i
f (ξi )(ti+1 − ti )k ≤
X
kf (ξi )k(ti+1 − ti ).
i
Bemerkung V.3.
Ist K ⊆ C kompakt und U ⊇ K offen, so existiert ein
Zyklus Γ in U , der keinen Punkt aus dem Komplement von U umläuft, mit
windp (Γ) = 1
für alle p ∈ K . Wir sagen dann, Γ umläuft K in U ([Ru86, Th. 13.5]).
V. Holomorpher Spektralkalkül in Banachalgebren
125
Definition V.4.
Sei nun a ein Element der Banachalgebra A mit 1, U ⊇
σ(a) eine offene Menge und Γ ein Zyklus in U , der σ(a) umläuft. Dann
definieren wir für f ∈ O(U )
I
1
f (a) :=
f (ζ)Ra (ζ) dζ.
2πi Γ
Da die Resolventenfunktion Ra stetig ist, ist der Integrand des entsprechenden
komplexen Kurvenintegrals eine stückweise stetige Funktion und das Integral
daher im Sinne von Bemerkung V.2 definiert.
Wir haben noch die Wohldefiniertheit in dem Sinne zu zeigen, daß das
Integral nicht von dem Zyklus Γ abhängt. Sei dazu Γ0 ein zweiter Zyklus in U ,
der σ(a) umläuft, und λ ∈ A0 ein stetiges lineares Funktional. Aus Theorem
V.1 angewandt auf U \ σ(a) folgt dann wegen windp (Γ) = windp (Γ0 ) für alle
p ∈ σ(a) ∪ (C \ U ) :
I
I
hλ, f (ζ)Ra (ζ) dζi = hλ, f (ζ)Ra (ζ)i dζ
Γ
IΓ
I
=
hλ, f (ζ)Ra (ζ)i dζ = hλ,
f (ζ)Ra (ζ) dζi.
Γ0
Γ0
Da die stetigen linearen Funktionale auf A die Punkte trennen, folgt hieraus
I
I
f (ζ)Ra (ζ) dζ =
f (ζ)Ra (ζ) dζ
Γ
Γ0
und damit die Wohldefiniertheit von f (a) .
Lemma V.5.
(Resolventenformel) Für λ, µ ∈ ρ(a) gilt
Ra (λ) − Ra (µ) = (µ − λ)Ra (λ)Ra (µ).
Beweis.
Die Formel folgt aus
Ra (λ) = Ra (λ)(µ1 − a)Ra (µ) = Ra (λ)((µ − λ)1 + (λ1 − a))Ra (µ)
= (µ − λ)Ra (λ)Ra (µ) + Ra (µ).
Theorem V.6.
Sei A eine Banachalgebra mit Eins, a ∈ A und U ⊇ σ(a)
offen. Die Zuordnung
Z
1
Φ: O(U ) → A, f 7→ f (a) =
f (ζ)Ra (ζ) dζ,
2πi Γ
wobei Γ ein Zyklus in U um σ(a) ist, ist ein Homomorphismus von Algebren
mit Eins. Weiter gilt
126
V. Holomorpher Spektralkalkül in Banachalgebren
15.2.2002
(1) Φ(z n ) = an , n ∈ N .
(2) Ist f (σ(a)) ⊆ C × , so ist f (a) ∈ A× mit f (a)−1 = f −1 (a) für f −1 (z) :=
f (z)−1 , z ∈ U .
(3) Ist (fn )n∈N eine Folge in O(U ), die gleichmäßig auf jeder kompakten Teilmenge von U gegen f ∈ O(U ) konvergiert, so gilt fn (a) → f (a).
Beweis. Die Linearität von Φ folgt direkt aus der Definition und der Linearität
des Integrals. Um
Φ(f g) = Φ(f )Φ(g)
einzusehen, wählen wir für f und g Zykel Γf und Γg , die keinen Punkt gemeinsam haben, und zwar so, daß Γg die kompakte Menge σ(a) innerhalb der offenen
Menge V := {x ∈ C \ Γ∗f : windx (Γf ) = 1} umläuft. Dann gilt definitionsgemäß
windx (Γg ) = 0 für alle x ∈ Γ∗f und windy (Γf ) = 1 für alle y ∈ Γ∗g .
Damit erhalten wir
I
I
1
1
f (ζ)Ra (ζ) dζ ·
g(ζ 0 )Ra (ζ 0 ) dζ 0
f (a)g(a) =
2πi Γf
2πi Γg
I
I
h
i
1
1
=
g(ζ 0 )
f (ζ)Ra (ζ) dζ Ra (ζ 0 ) dζ 0
2πi Γg
2πi Γf
I
I
h
i
1
1
0
0
=
g(ζ )
f (ζ)Ra (ζ)Ra (ζ ) dζ dζ 0 .
2πi Γg
2πi Γf
Aus der Resolventengleichung Ra (ζ)−Ra (ζ 0 ) = (ζ 0 −ζ)Ra (ζ)Ra (ζ 0 ) erhalten wir
Ra (ζ)Ra (ζ 0 ) =
Ra (ζ) Ra (ζ 0 )
+
ζ0 − ζ
ζ − ζ0
und daher ergibt sich für obiges Doppelintegral:
I
h 1 I
i
f (ζ)
1
0
g(ζ )
dζ
Ra (ζ 0 ) dζ 0
0
2πi Γg
2πi Γf ζ − ζ
I
h I g(ζ 0 )
i
1
0
+
f
(ζ)
dζ
Ra (ζ) dζ.
0
(2πi)2 Γf
Γg ζ − ζ
Wegen windζ (Γg ) = 0 für alle ζ ∈ Γ∗f verschwindet das Integral
I
g(ζ 0 )
dζ 0
0−ζ
ζ
Γg
und wegen windζ 0 (Γf ) = 1 für ζ 0 ∈ Γ∗g haben wir
I
f (ζ)
1
0
f (ζ ) =
dζ.
2πi Γf ζ − ζ 0
Damit erhalten wir weiter
1
f (a)g(a) =
2πi
I
Γg
g(ζ 0 )f (ζ 0 )Ra (ζ 0 ) dζ 0 = (f · g)(a).
V. Holomorpher Spektralkalkül in Banachalgebren
127
(1) Für f (z) = z n können wir den Zyklus beliebig groß wählen, zum Beispiel als
Rand einer Kreisscheibe, die σ(a) im Innern enthält, also Γ∗ = {z ∈ C : |z| = r}
mit r > r(a) . In diesem Fall können wir die Resolventenfunktion R durch die
konvergente Potenzreihe
∞
X
−1
Ra (ζ) = (ζ1 − a) =
ζ −1−n an
n=0
∗
beschreiben. Da diese Reihe auf Γ gleichmäßig konvergiert, dürfen wir für das
Integral Summation und Integration vertauschen und erhalten so für f (z) = z n :
I
I
∞ h
i
X
1
1
n
ζ Ra (ζ) dζ =
ζ n ζ −1−k dζ · ak
f (a) =
2πi Γ
2πi Γ
k=0
I
∞
∞
X
X
1
ζ n−k−1 dζ · ak =
δn,k ak = an .
=
2πi Γ
k=0
k=0
(2) Hierzu wählen wir den Zyklus Γ um σ(a) so, daß er in der offenen Menge
V := f −1 (C × ) verläuft. Dann folgt die Behauptung aus der Tatsache, daß die
Zuordnung O(V ) → A, f 7→ f (a) ein Homomorphismus von Algebren mit Eins
ist.
(3) Aus der Voraussetzung folgt die gleichmäßige Konvergenz von fn |Γ∗ gegen
f |Γ∗ . Also konvergiert die A-wertige Funktion fn Ra auf Γ∗ gleichmäßig gegen
f Ra . Hieraus folgt die Behauptung.
Spektralabbildungssatz
Satz V.7.
Für a ∈ A und f ∈ O(U ), U ⊇ σ(a) gilt
σ(f (a)) = f (σ(a)).
Beweis. Sei λ 6∈ f (σ(a)) . Dann erhalten wir eine holomorphe Funktion g(z) :=
(f (z)−λ)−1 auf einer Umgebung Ug ⊆ U von σ(a) . Da Φ: O(Ug ) → A, h 7→ h(a)
ein Homomorphismus von Algebren mit Eins ist (Theorem V.6), ist
Φ(g)Φ(f − λ1) = Φ(f − λ1)Φ(g) = Φ(1) = 1,
also f (a) − λ1 ∈ A× und somit λ 6∈ σ(f (a)) . Also ist
σ(f (a)) ⊆ f (σ(a)).
Sei nun µ ∈ f (σ(a)) , also µ = f (ζ) für ein ζ ∈ σ(a) . Wir betrachten auf
U die holomorphe Funktion
0
f (ζ)
für z = ζ
g(z) := f (z)−f (ζ)
für z ∈ U \ {ζ}.
z−ζ
Dann gilt
g(z) · (z − ζ) = f (z) − f (ζ) = f (z) − µ,
z∈U
und daher
g(a)(a − ζ1) = f (a) − µ1.
Wegen ζ ∈ σ(a) ist dieses Element von A nicht invertierbar, also µ ∈ σ(f (a)).
128
V. Holomorpher Spektralkalkül in Banachalgebren
15.2.2002
Satz V.8. (Kompositionsformel) Sind U, V ⊆ C offen, σ(a) ⊆ U , f ∈ O(U )
mit f (σ(a)) ⊆ V und g ∈ O(V ), so ist g(f (a)) definiert und es gilt
g(f (a)) = (g ◦ f )(a).
Beweis.
Aus dem Spektralabbildungssatz folgt zunächst die Gleichheit
σ(f (a)) = f (σ(a)) ⊆ V,
so daß g(f (a)) definiert ist. Andererseits ist W := f −1 (V ) eine offene Menge,
die σ(a) enthält, so daß wir uns g ◦ f als holomorphe Funktion auf W denken
können. In diesem Sinn ist (g ◦ f )(a) definiert.
Wir wählen nun den Zyklus Γf um σ(a) in W und Γg um f (σ(a))∪f (Γ∗f )
in V . Damit erhalten wir
I
1
(g ◦ f )(a) =
g(f (ζ))Ra (ζ) dζ
2πi Γf
I h
I
1
1
g(λ)
dλ Ra (ζ) dζ
=
2πi Γf 2πi Γg λ − f (ζ)
I
h 1 I
1
Ra (ζ)
g(λ)
dζ dλ
=
2πi Γg
2πi Γf λ − f (ζ)
I
1
=
g(λ)(λ1 − f (a))−1 dλ
2πi Γg
= g(f (a))
unter Verwendung der Formel
1
g(f (ζ)) =
2πi
I
Γg
g(λ)
dλ.
λ − f (ζ)
Bemerkung V.9.
Legt man sich die Frage vor, warum man sich für Funktionalkalküle auf Banach-Algebren auf holomorphe Funktionen einschränkt, so
ist es instruktiv, das folgende Beispiel zu betrachten.
Sei D := {z ∈ C : |z| ≤ 1} und
A := {f ∈ C(D): f |D0 ∈ O(D0 )}.
Wir betrachten das Element a = idD ∈ A. Dann ist σ(a) = D , wie man leicht
verifiziert. Für jede holomorphe Funktion f : U → C , U eine offene Umgebung
von D , gilt dann wegen Bemerkung V.2(2):
I
I
1
1
f (ζ)
f (a)(z) =
f (ζ)Ra (ζ)(z) dζ =
dζ = f (z).
2πi Γ
2πi Γ ζ − z
Ist h eine Funktion auf σ(a) , so erwartet man von jedem Funktionalkalkül
entspreched h(a)(z) = h(z) . Hieraus sieht man, daß man für A keinen Spektralkalkül erwartet, der sich zum Beispiel auf stetige Funktionen auf D ausdehnen
läßt.
Für mehr Details über den holomorphen Spektralkalkül und einige interessante Anwendungen verweisen wir auf das “Funktionalanalysis”-Buch von
H. Heuser und [Ru73].
V. Holomorpher Spektralkalkül in Banachalgebren
Beispiel V.10.
(a) Seien
129
(Anwendungen auf die Exponentialfunktion)
Ω1 := {z ∈ C : | Im z| < π}
und
Ω2 := C \] − ∞, 0[.
Dann ist exp: Ω1 → Ω2 biholomorph. Wir schreiben log := (exp |Ω1 )−1 für die
holomorphe Umkehrabbildung.
Sei nun A eine Banachalgebra mit Eins und
Ωi (A) := {a ∈ A: σ(a) ⊆ Ωi },
i = 1, 2.
Aus dem Spektralabbildungssatz und der Kompositionsformel folgt dann sofort,
daß
∞
X
an
expA : Ω1 (A) → Ω2 (A), a 7→ exp(a) =
n!
n=0
eine bijektive Abbildung mit der Umkehrabbildung
logA : Ω2 (A) → Ω1 (A),
a 7→ log(a)
ist.
Auf den Teilmengen
N := {a ∈ A: σ(a) = {0}} ⊆ Ω1 (A)
und
U := {a ∈ A: σ(a) = {1}} ⊆ Ω2 (A)
erhalten wir analog zueinander inverse Funktionen
expA : N → U
und
logA : U → N.
Für jedes g ∈ U ist r(g−1) = 0 , so daß die Logarithmusreihe in g−1 konvergiert,
und wir erhalten
∞
X
(−1)n+1
logA (g) =
(g − 1)n .
n
+
1
n=1
(b) Ist p = p2 ∈ A ein idempotentes Element, so gilt exp 2πip = 1, denn
exp(2πip) =
∞
∞
X
X
(2πi)n
(2πip)n
=1+
p = 1 + (e2πi − 1)p = 1.
n!
n!
n=0
n=1
Sind p1 , . . . , pn idempotent und gilt pn pm = δnm pn , so erhalten wir für
Zahlen kj ∈ Z direkt
X
exp 2πi
kj pj = exp(2πik1 p1 ) · · · exp(2πikn pn ) = 1.
j
(c) Wir zeigen nun, daß sich jedes
P Elemetn x ∈ A mit exp(2πix) = 1 schreiben
läßt als endliche Summe x = j kj pj wie in (b).
130
V. Holomorpher Spektralkalkül in Banachalgebren
15.2.2002
Zunächst erhalten wir aus {1} = σ(exp 2πix) = exp(2πiσ(x)) die Beziehung σ(x) ⊆ Z. Also ist σ(x) eine endliche Teilmenge von Z. Sei nun fn lokal
konstant auf einer Umgebung von σ(x) mit fn (m) = δnm für m ∈ Z. Dann gilt
fn fm = δnm fn auf einer Umgebung von σ(z) . Wir setzen pn := fn (x) . Dann
sind die Elemente pn idempotent und es gilt pn pm = δnm pP
n , da die Funktionen
fn die entsprechenden
Eigenschaften
P
P besitzen. Aus 1 = j fj auf σ(x) folgt
weiter 1 = j pj und daher x = j xpj . Hieraus erhalten wir
pj = pj exp x = exp(pj x).
Wir betrachten nun die Banach-Unteralgebra
Aj := {a ∈ A: pj a = apj = a}
mit dem Einselement pj , die pj x enthält. Sei pj x 6= 0 . Wegen
σ(pj x) = σ(fj (x) id(x)) = σ(jfj (x)) = {j}.
Also ist pj (x − j1) ein quasinilpotentes Element in Aj mit exp(2πipj (x − j1)) =
1. Wegen (b) folgt hieraus
pj (x − j1) = 0 und daher pj x = jpj . Hieraus folgt
P
die Darstellung x = j jpj .
Ende
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