UMSCHLAG HÜLLE INHALT Erweiterung Deutsche Nationalbibliothek Leipzig UMSCHLAG HÜLLE INHALT Erweiterung Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig UMSCHLAG HÜLLE INHALT Erweiterung Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig Inhalt 15 Grußwort der Bundeskanzlerin Angela Merkel 16 Leipzig und die Deutsche Nationalbibliothek Burkhard Jung 20 Sammeln und Bauen. Eine leidenschaftliche Verknüpfung Bernd Aschauer und Astrin Rose 24 Vision, Funktion und Ästhetik. Die Nutzersicht Elisabeth Niggemann und Michael Fernau 30 Umschlag – Hülle – Inhalt. Ein Rundgang Gabriele Glöckler 40 Der öffentliche Weg 66 Der interne Bereich 80 Eine Idee wird Realität Peter Vorbeck 86 »Raumbuch«, 2011 Maix Mayer 98 Zwischen gestern und morgen. Der Erweiterungsbau der Deutschen Nationalbibliothek Dieter Bartetzko 104 The German National Library’s Extension Building in Leipzig Elisabeth Niggemann 106 Daten und Fakten 110 Baudokumentation in Bildern 6 8 9 10 11 12 13 15 Grußwort Großzügig geschwungene, weite Glasflächen – so nimmt die Deutsche Nationalbibliothek mit ihrem jüngsten Erweiterungsbau ihre Besucher in Empfang. Bewegung und Transparenz kennzeichnen ja auch die heutige Wissensgesellschaft. Insofern hat die Deutsche Nationalbibliothek nicht nur eine funktional wichtige, sondern auch eine symbolisch aussage­ kräftige Erweiterung gewonnen. Sie bietet ideale Voraussetzungen dafür, dem Auftrag, das wissenschaftliche und kulturelle Erbe Deutschlands zu sammeln, zu dokumentieren, zu archivieren und zur Verfügung zu stellen, auch in Zukunft mit bewährtem Anspruch gerecht zu werden. Der Erweiterungsbau nimmt die architektonischen Vorgaben vergange­ ner Jahrzehnte auf und entwickelt zugleich seine eigene, zeitgemäße Bedeutung für die Bewahrung und Vermittlung von Kultur. Er steht für den Stellenwert des Dialogs unserer Kultur – sowohl architekturästhe­ tisch als auch in praktischer Hinsicht durch die vielfältigen Nutzungs­ möglichkeiten seiner Räume. So kann ich die Deutsche Nationalbibliothek und die Architekten zu einem überaus gelungenen Werk beglück­ wünschen, das im Gesamtkomplex der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig neue Akzente setzt. Der Neubau in Leipzig erfüllt aber nicht nur die Ansprüche modernen wissenschaftlichen Arbeitens. Er schafft auch Raum, um die Freude und Faszination an Literatur und Sprache zu vermitteln. Lesesäle laden zu Lektüre und Studium ein, das Deutsche Buch- und Schriftmuseum zum Besuch seiner vielfältigen Ausstellungen. Ferner bietet das Deutsche Musikarchiv umfassende Tondokumente in erstklassiger Qualität. Büroräume und neue Magazine für die Bestände der Bibliothek ergänzen den Neubau. Bundesrepublik Deutschland Die Bundeskanzlerin Der inzwischen vierte Erweiterungsbau ist in das bestehende Ensemble historischer Bauten der Deutschen Nationalbibliothek bestens integriert. Mit der modernen Formen- und Materialsprache der Architektur greift der Neubau die Linien und Schwünge des historischen Hauptgebäudes der Deutschen Bücherei auf. Mit dem kantigen Bücherturm, der als dritter Erweiterungsbau entstand, ist er funktional verbunden, gewährt diesem aber hinreichend Raum. Gleichzeitige Nähe und Distanz der Gebäude prägen den architektonischen Dialog im besten Sinne und lassen ein dynamisches und lebendiges Ganzes neu entstehen. Im dialogischen Bezug der Gebäudeteile untereinander bildet sich auch die Geschichte der Deutschen Nationalbibliothek ab. 1912 wurde die Deutsche Bücherei vom Börsenverein der Deutschen Buchhändler zusammen mit dem Land Sachsen und der Stadt Leipzig ins Leben gerufen. Sie ist über Jahrzehnte hinweg als Institution gewachsen. Ab 1946 bestand sie mit der Gründung der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main auf beiden Seiten der deutsch-deutschen Grenze fort, bis sie 1990 zur heutigen Institution mit Standorten in Leipzig und Frankfurt zusammengeführt wurde. 16 17 Leipzig und die Deutsche Nationalbibliothek Burkhard Jung Leipzig kann auf eine lange und erfolgreiche Geschichte als Stadt des Verlagswesens, des Buchhandels und der Buchkunst sowie des druck­ grafischen Gewerbes zurückblicken. So arbeitete bereits 1481 eine Druckerei in der Stadt, die erste Tageszeitung der Welt erschien am 1. Juli 1650 in Leipzig, und 1825 wurde hier der Börsenverein der Deut­ schen Buchhändler gegründet. Die Leipziger Buchmesse ist Teil dieser Tradition. Zusammen mit ihrem Begleitprogramm »Leipzig liest« zieht sie ein bundesweites Publikum an und ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Literaturbetriebs. Ein zweiter prominenter Impulsgeber für das örtliche und nationale literarische Leben befindet sich mit der Deutschen Nationalbibliothek am Deutschen Platz 1. Ihren Ursprung verdankt die Deutsche Nationalbibliothek einer Initiative von Leipziger Verlegern und Buchhändlern zur Bewahrung des im deutschsprachigen Raum verlegten Schriftguts. Die Stadt Leipzig unter­ stützte dieses Vorhaben, indem sie dem Börsenverein im Februar 1914 das Grundstück am Deutschen Platz mitsamt der notwendigen Erschlie­ ßungsarbeiten zur Nutzung überließ. Wirtschaftlicher Aufschwung und Prosperität prägten diese Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts. Der damalige Leiter des Stadterweiterungsamtes, Hans Strobel, plante eine auf das Völkerschlachtdenkmal hinführende Prachtstraße, die von Vorgärten und einer herrschaftlichen viergeschos­ sigen Blockrandbebauung gesäumt werden sollte. Jenseits der Semmel­ weisstraße sollte ein ovales Areal mit Grünanlagen und Wasserflächen entstehen, umgeben von einer fünfgeschossigen Wohnbebauung: »Wie ein riesenhafter Festsaal«. Kurz nachdem der Börsenverein der Deutschen Buchhändler im Jahre 1913 den Grundstein für ein Gebäude der Deutschen Bücherei an der Karl-Siegismund-Straße gelegt hatte, änderte Strobel seine Pläne. Er wollte ein monumentales Gebäude für die Deutsche Bücherei nun am Deutschen Platz errichten, um mithilfe dieses Baus die von ihm inten­ dierte Raumwirkung des ovalen Platzes zu steigern. Nach den Plänen von Baurat Oskar Pusch entstand bis 1916 der heute noch bestehende Bibliotheksbau. Als Pendant auf der westlichen Platzseite hatten die Planer ein weiteres öffentliches Gebäude vorgesehen. Die Deutsche Bücherei blieb jedoch über Jahrzehnte ein Solitär am Deutschen Platz. Südlich davon bildete ab 1913 zunächst die Internationale Baufachaus­ stellung (IBA), dann die Verlagerung der Technischen Messe aus der beengten Innenstadt den Abschluss der städtebaulichen Entwicklung. Nördlich des Deutschen Platzes, entlang der Straße des 18. Oktober, kam es erst zwischen 1968 und 1974 zu einer stadtbildenden Bebauung mit elfgeschossigen Wohnbauten und Punkthochhäusern, der Idee des sozialistischen Städtebaus folgend. Nach der Wiedervereinigung 1990 ergab sich eine neue Situation. Durch den Beschluss von 1991, die Leipziger Messe in den Norden der Stadt zu verlagern, bestand nun die Möglichkeit, das Gelände der ehemaligen Technischen Messe und den angrenzenden Bereich um den Deutschen Platz neu zu entwickeln. Heute empfängt uns der Deutsche Platz mit einem neuen, moderne und historische Architekturstile verbindenden Gesicht. Der Gebäudekomplex der Deutschen Nationalbibliothek fungier­ te dabei als Nukleus für die Ansiedlungen in diesem Bereich. Mit der Fertigstellung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (Architekten Schmidt-Schicketanz und Partner) und dem Gründerzent­ rum der BIO CITY (Architekten Spengler Wiescholek) erhielt die Deutsche Nationalbibliothek ein anspruchsvolles Pendant auf der westlichen Platzseite. Der Erweiterungsbau der Deutschen Nationalbibliothek (Architektin Gabriele Glöckler) schließt die Lücke zwischen dem historischen Bibliotheksgebäude und dem Bücherturm. Der stadtbildprägende neue Bau rundet die Platzfigur an der Ecke Straße des 18. Oktober und Semmelweisstraße zum Deutschen Platz hin ab. Die städtebauliche Rolle des Bücherturms als Schlussstein in der Hochhausreihe wird erhalten. Durch die Öffnung des Hauses und durch seine Freianlagen im Norden wird die Situation am Deutschen Platz belebt, das öffentliche Leben bereichert. Für diesen nun entstandenen Erweiterungsbau ist auch die Energietech­ nik zukunftsweisend, indem für Beheizung und Kühlung Erdwärme genutzt wird. Die Stadt Leipzig förderte diese Innovation bereitwillig, indem sie die Grünfläche am Deutschen Platz zur unterirdischen Nutzung zur Verfügung stellte. Sie hat am Zugang zum Deutschen Platz einen markanten neuen Bau erhalten, der sich in das Ensemble bestehender Gebäude einfügt und den Deutschen Platz als Zentrum von Forschung und Kultur weiter profiliert. 18 19 20 21 Sammeln und Bauen. eine leidenschaftliche Verknüpfung Bernd Aschauer und Astrin Rose Seit ihrer Gründung im Jahr 1912 in Leipzig durchlebt die Deutsche Bücherei, heute Deutsche Nationalbibliothek, eine unvergleichliche Ent­ wicklung und Erfolgsgeschichte. Schon die ersten Entwurfsansätze der damaligen Zeit sahen in der Generalbebauungskonzeption für die laufen­ den Bücherzugänge etwa alle zwanzig Jahre eine Expansion der Archivflächen vor. Dieser kluge und vorausschauende Ansatz veranlasste 1913 die Gründer­ väter – den Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, die Stadt Leipzig und das Königreich Sachsen – nach bereits erfolgter Grundsteinlegung auf dem letztlich aber doch zu kleinen Baugelände an der Karl-Siegismund-Straße zu unkonventionellem Handeln. Mit einem Wechsel zum heutigen Standort am Deutschen Platz, auf der historischen Achse zwischen Völkerschlachtdenkmal und Neuem Rathaus der Stadt Leipzig, konnte ein in jeder Hinsicht geeigneteres Grundstück gefunden werden. Der weitsichtigen und zukunftsorientierten Planung der Initiatoren gilt noch heute unser Respekt. Der inzwischen gesetzlich verankerte Sammelauftrag der Deutschen Nationalbibliothek – alle deutschen und deutschsprachigen Medienwerke sowie Auslandsveröffentlichungen mit Bezug zu Deutschland vollständig zu erwerben und zu archivieren – führt zwangsläufig dazu, dass die Aufnahmekapazität der Magazine regelmäßig erweitert werden muss. Baugeschichte Das bauliche Erbe aus dem Jahr 1916 ist ein einzigartiges Zeitzeugnis einer Archiv- und Präsenzbibliothek, stilgeschichtlich beeinflusst durch Gründerzeit und Neue Sachlichkeit. Die architektonische Gestal­ tung und künstlerische Ausstattung reihten das Hauptgebäude schon damals in die schönsten Anlagen bedeutender Bibliotheksgebäude ein. Unterschiedliche Epochen der Baugeschichte spiegeln sich in den kontinuierlichen Erweiterungen wider. Beginnend mit einem winkelför­ migen Magazintrakt an der Ostseite sowie einem zusätzlichen Lesesaal wurde 1934 erstmals angebaut. Fehlende finanzielle Mittel gestatteten aber zunächst nur ein Geschoss. Das Hauptgebäude und dieser erste Erweiterungsbau sind untrennbar mit den Architekten Oskar Pusch (1877–1970) für die künstlerischen Bauentwürfe und Karl Julius Baer (1873–1947) als ausführendem Baumeister verbunden. Auch am 1959 bis 1963 errichteten zweiten Erweiterungsbau, unter der Leitung des Leipziger Bauingenieurs Gerhart Helmer (geboren 1928), wirkte Oskar Pusch noch beratend mit. Dabei wurde der Südostflügel komplettiert, ein neuer Magazinteil und ein weiterer Lesesaal nordwestlich an den Großen Lesesaal angefügt. Einen beeindruckenden Beweis moderner Ingenieurs­ kunst des auslaufenden letzten Jahrhunderts liefert der 1982 als dritter Erweiterungsbau übergebene Bücherturm. Dieser Zweckbau, im neuartigen Stahlbeton-Gleitbauverfahren errichtet, wird ausschließlich als Magazin genutzt. Um einen 55 Meter hohen Kern gruppiert sich ohne jegliche künstlerische Ausschmückung eine wuchtige vertikale Bau­ masse mit fünf fensterlosen Segmenten. Bauherren und Geldgeber Die ersten Baupläne wurden 1913 im Auftrag des Königlich Sächsischen Finanzministeriums erstellt. Der königliche Dienstherr ist längst Geschichte, aber die öffentliche (hoheitliche) Verantwortung für das Ge­ bäude setzt sich bis heute ununterbrochen fort. Bauherr wurde nach der Wiedervereinigung die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesbauressort. An der Erfüllung dieser Aufgaben ist seither auch die staatliche Bauverwaltung des Freistaates Sachsen wieder beteiligt. Kompetent und in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Nationalbib­ liothek wurde so seit 1990 die wertvolle historische Bausubstanz erhal­ ten, teilweise wiederentdeckt, freigelegt und denkmalgerecht instand gesetzt. Nach diesen umfangreichen Sanierungsmaßnahmen, für die der Bund bisher rund 28 Millionen Euro zur Verfügung stellte, wird das Haus den Ansprüchen einer Nationalbibliothek im 21. Jahrhundert technisch und funktionell gerecht. Trotz Modernisierung, Optimierung und Umstrukturierung reichte der Platz in den bestehenden Gebäuden bei täglich 1 000 neu eintreffenden Medienwerken nicht mehr aus. Die letzte Erweiterung der Deutschen Nationalbibliothek lag schon fast zwanzig Jahre zurück, Zeit also für den Beginn des nunmehr vierten Erweiterungsbaus. Erste Schritte Der Ablauf staatlicher Investitionen ist in allen Phasen des Planens und Bauens in den Richtlinien zur Durchführung von Bauaufgaben des Bundes transparent beschrieben und festgelegt. Dies vor allem deshalb, da bei staatlichen Baumaßnahmen Steuermittel verausgabt werden. Eine der ersten Aufgaben war es demnach, alle Anforderungen der Nationalbibliothek an ihr neues Gebäude genau zu ermitteln. In einem 22 23 Lageplan sogenannten Raumbedarfsplan wurden im Mai 2000 die benötigten Flächen zusammengestellt, die notwendigen Eigenschaften an die künftigen Räume ausführlich beschrieben und begründet sowie die vor­ aussichtlichen Baukosten auf der Grundlage dieser Vorgaben ermittelt. Der zuständige Kulturstaatsminister (Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien) und der Bauminister (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) willigten zügig ein. Letztendlich gelang es, auch den Finanzminister (Bundesministerium der Finanzen) für den Erweiterungsbau zu gewinnen. Im Juli 2001 wurde der Bau­ antrag als Grundlage für einen Architektenwettbewerb und die weitere Planung genehmigt. Aus 209 eingereichten Arbeiten wurden vom Preisgericht, unter der Leitung des damaligen Vorsitzenden der Bundesarchitektenkammer Peter Conradi, 33 Entwürfe für die zweite Bearbeitungsphase ausgewählt. Die Entwürfe zeigten die gesamte Bandbreite möglicher Lösungen im Umgang mit denkmalgeschützter Gebäudesubstanz, städtebaulichen Rahmenbedingungen sowie hochwertigen funktionellen und ökologischen Ansprüchen. Wettbewerb Anfang 2002 lobte die Bauverwaltung Sachsens einen zweiphasigen EU-weiten Realisierungswettbewerb aus. Planungsziel war ein Gebäude mit einer Hauptnutzfläche von knapp 11 000 Quadratmetern und zwei wesentlichen Funktionsbereichen: neue Büchermagazine und Räume für das bis dahin im Bestandsbau untergebrachte Deutsche Buch- und Schriftmuseum. Dieses Dokumentationszentrum der Buchkultur sollte als Arbeitsstätte der Buchforschung optimiert werden und außerdem repräsentative Ausstellungsflächen erhalten. Hohe bibliothekarische und konservatorische Maßstäbe stellten die Planer hinsichtlich Funktionalität, technischer Ausstattung, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit des Gebäudes vor große Herausforderungen. Es galt zudem, ein ganz­ heitliches Energiekonzept zu entwickeln, in dem die energieeffiziente Klimatisierung wesentlicher Bereiche, ein geringer Wärmebedarf und die Nutzung regenerativer Energien nachzuweisen waren. Ihr Konzept »Umschlag – Hülle – Inhalt« und die spannungsvolle Symbio­ se eines frei geformten, dynamisch proportionierten Baukörpers als drittes Element des Gebäudeensembles überzeugte das Preisgericht. Der Bücherturm wird im Entwurf als Teil der städtischen Hochhausstruktur anerkannt und daraus resultierend weder eingebaut noch verstellt. Trotz der formal betonten Eigenständigkeit des neuen Baukörpers behauptet der anspruchsvolle Altbau seine dominierende Bedeutung. Die kompakte Bauweise sowie die innovativen, technischen Lösungsansätze beweisen einen ressourcenschonenden Umgang mit Umwelt und Energieträgern und sichern damit die gewünschte Nachhaltigkeit. Auch die positive bibliothekarisch-funktionale Bewertung des Entwurfs zeigte die umfas­ sende Auseinandersetzung der Architektin mit der Aufgabenstellung. Ende 2002 vergab die Jury insgesamt fünf Preise und vier Ankäufe, wobei einstimmig der mit dem ersten Preis ausgezeichnete Entwurf der Stuttgarter Architektin Gabriele Glöckler zur Ausführung empfohlen wurde. Reifezeit Die Wettbewerbsergebnisse wiesen eine Differenz zwischen genehmig­ ten Kostenansätzen des Bauantrags und zu erwartenden Gesamtbau­ kosten auf. Ursache war der erhöhte Aufwand für die individuellen Anforderungen einer Nationalbibliothek, der sich in den für Kostenschät­ zungen üblichen Kostendatenbanken des Bundes nicht widerspiegeln konnte. Im Rahmen der Bestimmungen war es im Vorfeld nicht möglich, zur Kostenermittlung eine vergleichende Gegenüberstellung internatio­ naler Objekte durchzuführen – wie etwa der Bibliothèque nationale de France, der British Library und der Schweizerischen Nationalbiblio­ thek. Der Wettbewerbsentwurf wurde daher – nach Auswahl entspre­ chender Fachingenieure über verschiedene Vergabeverfahren nach der EU-Dienstleistungsrichtlinie – 2003 unter Beteiligung der zugehöri­ gen Fachplanungen wie Haustechnik, Statik, Ingenieurbau und Brand­ schutz in Form einer Optimierungsstudie konkretisiert. Außerdem konnte für die Begleitung der innovativen, energietechnischen Fragen der Energiebeauftragte der Bundesregierung gewonnen werden. Die Ergeb­ nisse dieser Vorplanung, komplettiert mit der präzisierten, aber höheren Kostenschätzung, mussten nochmals den zuständigen Bundesminis­terien zur haushaltsmäßigen Anerkennung vorgelegt und von diesen erneut genehmigt werden. Um den heutigen Herausforderungen bestmöglich gerecht zu werden, erwog die Deutsche Nationalbibliothek zwischenzeitlich auch die Optimierung ihrer Standorte. Im Ergebnis sollte das in Berlin ansässige Deutsche Musikarchiv – betraut mit der Sammlung und bibliografischen Verzeichnung der Musikalien und Musiktonträger – in Leipzig integriert werden. So gern sich die sächsische Bauverwaltung dieser Aufgabe stellte, diese Überlegungen brachten den gesamten Verfahrensablauf erneut ins Stocken. Die engen Verflechtungen und direkten Auswirkun­ gen auf den Neubau gestatteten keine nahtlose Fortsetzung bisheriger Planungen, sondern erforderten zunächst prinzipielle Untersuchungen zur Unterbringung der hierfür benötigten circa 3 500 Quadratmeter Nutzfläche. Während die Archivflächen in zusätzlichen Untergeschossen im Erweiterungsbau angeordnet werden konnten, fanden die Arbeits­ bereiche, Tonstudio und Hörkabine im denkmalgeschützten Altbau Platz. Der signifikante Lesesaal konnte als separates Gebäude im westlichen Innenhof des Hauptgebäudes errichtet werden. Die Machbarkeit aller Zielsetzungen war damit zwar nachgewiesen, für das Verfahren hatte dies allerdings einen Stopp mit neuem Anlauf zur Folge. Gemäß haus­ haltsrechtlicher Vorgaben zum Projektablauf wurde 2005 ein ent­ sprechender Nachtrag erarbeitet und wiederum den Bundesministerien zur baufachlichen Genehmigung sowie haushaltsmäßigen Anerkennung vorgelegt. In diesem Zusammenhang bot sich die Gelegenheit, auch die energetische Sanierung der Fassade des Bücherturms und dessen Verkleidung mit großformatigen Metallelementen einfließen zu lassen. Zielgerade Nach haushaltsmäßiger Anerkennung des Nachtrags konnte im Jahr 2006 endlich durchgestartet werden. Die Entwurfsplanung wurde fortgeschrieben, das energetische Konzept mithilfe klimatechnischer Simulationen optimiert, die Nutzung von Geothermie als wirtschaftlichste Lösung im Sinne der Nachhaltigkeit nachgewiesen und das Brandschutz­ konzept sowie die konservatorischen Randbedingungen perfektioniert. Ebenfalls schnell und unkompliziert gestalteten sich die weiteren Planungsphasen wie Ausführungsplanung, Ausschreibung und Ver­ gabe bis hin zum Baubeginn Mitte 2007 mit dem Aushub der Baugrube sowie die termingerechte und kostentreue Baudurchführung. Eine Besonderheit hat so manchen Beobachter überrascht: der außer­ gewöhnlich hohe Frauenanteil auf allen Ebenen der Projektstruktur. Geprägt von konstruktiven Streitgesprächen engagierter Fachleute entstand in lösungsorientierter Arbeitsatmosphäre ein ausdrucksstarkes Bauwerk. Durch den Willen aller Beteiligten, technische Lösungen weiter zu verbessern und eingefahrene Wege kompromissfähig zu verlassen, wurde ein technisch komplexes, innovatives und gleichzeitig beherrsch­ bares Gebäude geschaffen. Insbesondere die Bereitschaft, im Interesse des Projekts notfalls auch strenge eigene Vorgaben großzügig auszu­ legen, trug wesentlich dazu bei. Die leidenschaftliche Kommunikation, die zu einem für alle optimalen Ergebnis führte, war für die Beteiligten eine prägende und auch für ihre Arbeit in künftigen Bau­maßnahmen wichtige Erfahrung. Bauen bedeutet auch das Sammeln von Erkenntnissen. Nach einer Vorbereitungs- und Planungsphase von mehr als sieben Jahren entstand in einer Bauzeit von rund vier Jahren ein ebenso funktio­ naler wie architektonisch anspruchsvoller Gebäudekomplex. Gemäß Generalbebauungskonzeption sollte der fünfte Erweiterungsbau in etwa zehn Jahren errichtet sein. Es ist an der Zeit, in die Zukunft zu blicken! 24 25 Vision, Funktion und Ästhetik. die Nutzersicht Elisabeth Niggemann und Michael Fernau Bibliotheken und ihre Nutzer durchleben eine von den Möglichkeiten des Internets ausgelöste Revolution. Eine neue Bibliothek in so schnell­ lebigen Zeiten über einen Planungszeitraum von vielen Jahren hinweg zu entwerfen, zu planen und zu realisieren, ist keine leichte Aufgabe für Architekten und Ingenieure. Bibliotheken symbolisieren Kultur und Geistesleben, sind Zeichen eines freien Zugangs zu Wissen und Bildung, ihre Benutzung verbildlicht gelebte Lese- und Medienkompetenz. Sie sind ein wichtiger Baustein der Demokratie. Als Speicher des Wissens bewahren Bibliotheken das kulturelle Erbe für künftige Generationen und sind so Teil des Gedächt­ nisses der Menschheit. Und es sind gerade Nationalbibliotheken, die mit ihren großen, umfassenden Beständen die auf gemeinsamen histori­ schen und kulturellen Erfahrungen beruhende nationale Identität symbolisieren. Ein Neubau für eine Nationalbibliothek muss daher nicht nur die funktionalen Anforderungen baulich und technisch optimal erfüllen, sondern darüber hinaus die zentrale Bedeutung von Wissen und Kultur, von Freiheit und Demokratie für unsere Gesellschaft symbo­ lisch und emotional erfahrbar machen. Die beiden Häuser der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main und Leipzig erfüllen diese Erwartungen, so verschieden sie auch sind. Unsere Nutzerinnen und Nutzer schätzen die umfassenden Bestände, den effizienten Service, eine angenehme Arbeitsatmosphäre und die ideale Mischung aus konzentrierter Ruhe in den Lesesälen und vielfälti­ gen Begegnungsmöglichkeiten außerhalb. Die Architektur schafft dafür die konkreten baulichen Voraussetzungen und den emotionalen Rahmen zur Einstimmung auf eine intellektuelle Auseinander­setzung und ein kreatives Schaffen. Sie fördert eine besondere Art der Effizienz, schwer messbar, aber intuitiv fühlbar. Das alles haben wir Nutzer gefordert, als der vierte Erweiterungsbau der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig beauftragt wurde: Wir Bibliothe­ kare wollten die ideale Einheit von Schönheit und Funktionalität, optimale Speicher-, Arbeits- und Nutzungsbedingungen unter Berücksichtigung hoher Ansprüche an Ästhetik, Technik und Wirtschaftlichkeit. Außerdem sollte der Erweiterungsbau auch die Rolle der Deutschen Nationalbiblio­ thek als kulturelles Zentrum und Ort öffentlichen Lebens inmitten einer Großstadt verkörpern. Dem allen am klarsten entsprochen hat der Entwurf der Stuttgarter Architektin Gabriele Glöckler. Wie sieht die Deutsche Nationalbibliothek nun zum Zeitpunkt der Übergabe ihr neues Haus? Wie haben Architektin, sächsische Bauver­ waltung, Ingenieure und Techniker unsere Vision einer Bibliothek für das 21. Jahrhundert umgesetzt? Wie sind Funktionalität und nachhaltige Qualität zu bewerten, wie steht es mit der emotionalen, symbolhaften Geste? Können wir in die Begeisterung der »Macher« einstimmen? Ja, unbedingt! Die Magazine Die Magazine machen etwa 80 Prozent der Fläche des Erweiterungs­ baus aus. Sie verbinden die Magazine des Bücherturms mit dem Haupt­ gebäude, überwinden dabei scheinbar »leichtfüßig« zahlreiche Niveau­ sprünge und schaffen die Voraussetzung für eine effiziente Logistik für die Bereitstellung der Medien. Unser Bedarf an Magazinflächen ist groß und ergibt sich aus dem gesetzlichen Auftrag der Deutschen Nationalbibliothek. Der Gesamt­ bestand beläuft sich auf rund 26,2 Millionen Einheiten. Täglich kommen sowohl in Leipzig als auch in Frankfurt am Main etwa 1 000 physische Medieneinheiten ins Haus und müssen auf Dauer gut, das heißt sicher und klimastabil, untergebracht werden. Mit der großen Sammlung der Musikalien und Tonträger des Deutschen Musikarchivs der Deut­ schen Nationalbibliothek kehrt eine Aufgabe nach Leipzig zurück, die hier seit 1943 gepflegt wird. Rund 11 300 laufende Meter beziehungs­ weise 577 Tonnen Tonträger und Musikalien aus Berlin müssen in Leipzig konservatorisch optimal untergebracht werden. Und so ist es kaum verwunderlich, dass die Architekten und Ingenieure nicht nur vom gro­ ßen Flächenbedarf beeindruckt waren: Wer weiß, was Bücher und Tonträger wiegen, kann sich vorstellen, welche enormen Lasten das Tragwerk aufnehmen muss. Die Architektin hat dafür ein schönes Bild gefunden: Das Haus kann das Gewicht von 5 000 Elefanten tragen! Beeindruckend waren auch die besonderen Anforderungen an die Tragfähigkeit der Decken, an die Stabilität der Klimabedingungen innerhalb streng genormter Grenzwerte und an das technische Niveau 26 der Sicherheitsvorkehrungen gegen Feuer, Wasser oder Diebstahl. Ton­ träger haben andere Ansprüche als Bücher, und wieder anders zu behandeln sind die Objekte des Deutschen Buch- und Schriftmuseums. So wurde ein intelligentes Energiekonzept mit Klimaanlagen auf jeder Etage entwickelt. Innovative Sicherungssysteme machen aus dem Magazinblock einen klimatisierten, feuerfesten, wasserdichten Riesen­ safe. Kompaktanlagen verdichten die Bestände. Das Museum Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbiblio­ thek ist das weltweit älteste Museum seiner Art und nach Umfang und Qualität der Bestände das bedeutendste Museum auf diesem Gebiet. Und selbstverständlich benötigt ein solcher Schatz attraktive Räumlich­ keiten für eine adäquate Präsentation, damit seine Potenziale für eine breite Öffentlichkeit Wirkung entfalten können. Das hat die Architektin mit großzügigen Ausstellungsflächen auf Straßen­ niveau geschaffen, die nur durch große Glasflächen von der Außenwelt getrennt sind. Das Museum kann jetzt seine Funktion als Schaufenster und Visitenkarte der Deutschen Nationalbibliothek erfüllen. Seine einzig­ artigen, oft fragilen und lichtempfindlichen Objekte können aufgrund einer speziell entwickelten Glasfassadenkonzeption unter konservato­ risch angemessenen Bedingungen präsentiert werden. Die Ausstellungs­ fläche ist dabei sowohl auf den Schutz der Exponate wie auch auf eine zeitgemäße und logische Präsentation und Besucherführung ausgelegt – all das sind Voraussetzungen für eine moderne und attraktive Inszenie­ rung des Museums und die Entfaltung seines kommunikationsstiftenden, pädagogischen Programms. Dieses Museum öffnet sich dem Bürger, der hier Wissen, Bildung und Kultur auch emotional erfahren kann. In der tageslichthellen Dauerausstellung befindet sich der geschlossene Raum für die Wechselausstellungen. Unter steuerbaren Lichtverhält­ nissen können hier eigene und / oder fremde Bestände zu themenbezo­ genen Ausstellungen komponiert werden, die den kulturellen Anzie­ hungspunkt Deutsche Nationalbibliothek immer wieder neu aktualisieren. Die Ausstellung erreicht man vom Deutschen Platz aus durch einen separaten Eingang, der in ein großzügiges Foyer führt. Von hier aus er­ schließt sich dem Besucher das neue Haus über eine breite Treppe, entlang an einem gläsernen, transparenten »Vorhang«, der spannende Ausblicke auf den Deutschen Platz bietet. Auf halber Höhe erreicht 27 man den neuen Lesesaal des Museums mit zwanzig Arbeitsplätzen. In diesem hellen, weiten Raum können die hoch spezialisierten Nutzerinnen und Nutzer unter idealen Bedingungen mit den Beständen der buch­ wissenschaftlichen Fachbibliothek und der Sammlungen des Museums arbeiten. Vom Ende der Treppe aus, am kaum wahrnehmbaren Übergang zum Hauptgebäude, betritt man den »Tresor«, der als freie Form im Lesesaal schwebt. In dieser Schatzkammer der Bibliothek werden wechselnd Museumsschätze im Halbdunkel zu bewundern sein. Tresor Die Musik Gehen Besucherinnen und Besucher weiter, so gelangen sie zu einem mit modernster Technik ausgestatteten Veranstaltungsraum. Er bietet für bis zu achtzig Personen Platz und kann vom Tonstudio des Deutschen Musikarchivs aus bespielt werden. Hier werden Lesungen, wissenschaft­ liche Konferenzen, Konzerte oder Vortragsveranstaltungen stattfinden. Das Foyer dieses Veranstaltungsbereichs geht über in eine Ausstellungs­ fläche. In einer offenen Raumsituation werden historische und moderne Abspielgeräte und die dazu gehörenden Tonträger gezeigt. Aber auch ein technisch hochwertig ausgerüstetes Tonstudio für die Bearbeitung und Bereitstellung der Tonträger und eine spezielle Kabine für absolut ungestörtes Musikhören stehen zur Verfügung. Benutzerinnen und Benutzer werden hier ihren musikwissenschaftlichen Fragen nachgehen und ganz neue Hörerfahrungen machen können. Museumslesesaal Ein Verbindungssteg führt aus dem Hauptgebäude in den futuristisch anmutenden neuen Musiklesesaal, der als verglaster Baukörper im westlichen Innenhof »aufgestellt« wurde. Zwanzig Plätze mit unter­ schiedlicher Ausstattung stehen zur Bearbeitung verschiedener musik­ wissenschaftlicher Fragestellungen bereit. Geschäftsprozesse Der Neubau verbindet funktional die Teile des bestehenden Gebäude­ ensembles und bewahrt dabei die architektonische Eigenständigkeit aller Elemente. Er ist auf seine moderne Art unverwechselbar und führt gleichzeitig das denkmalgeschützte, prachtvolle Hauptgebäude und den 55 Meter hohen Bücherturm zu einem kompakten funktionalen Ensemble zusammen. Damit wird über die Verbindung zwischen den Bauten die Ausstellung 28 29 Integration des neuen Baukörpers in den Gesamtorganismus der Bibliothek bei gleichzeitiger Optimierung der logistischen Abläufe in der Bibliothek erreicht. Dass er außerdem das bisher in Berlin arbeitende Deutsche Musikarchiv mit in die Geschäftsprozesse des Leipziger Standortes einbindet, schafft für die Deutsche Nationalbibliothek einen beachtlichen organisatorischen Effizienzgewinn. In Zukunft wird der Erweiterungsbau der Dreh- und Angelpunkt aller Transport- und Personenbewegungen sein. Er verbindet die Magazine mit den Lese- und Arbeitsbereichen und ermöglicht mit der neuen, gegenüber der bisherigen Anlage stark erweiterten Buchförderanlage den reibungsfreien Verkehr auch großer Transportvolumina auf ideale Weise. Gerade in dieser gelungenen Integration in die bestehenden logistischen Konzepte liegt bibliothekstechnisch betrachtet eine der großen Stärken des Neubaus. Neue Arbeitsräume Die hellen, asymmetrisch geschnittenen Büros des Deutschen Buch- und Schriftmuseums gehen ineinander über und schaffen so eine kommuni­ kative Arbeitssituation. Der Blick aus den zahlreichen Fenstern erinnert an gerahmte Bilder, die das Völkerschlachtdenkmal oder den russischen Pavillon der Alten Leipziger Messe zeigen. Einen Rundblick genießt man von kleinen Balkonen aus. Antwort geben Bibliotheksneubauten überall auf der Welt, die trotz Inter­ net und virtuellen Welten ungeahnte Zahlen von Benutzerinnen und Benutzern anziehen. Wir erwarten, dass die Deutsche Nationalbibliothek mit ihrem Leipziger Erweiterungsbau dieselbe Erfahrung machen wird. Auch oder gerade in Zeiten der Virtualisierung der Medien und ihrer Inhalte gewinnen Bibliotheken als Orte des wissenschaftlichen Arbeitens, des intellektuellen Vergnügens, der geistigen Konzentration und der sozialen Begegnung offenbar an Bedeutung. Der Leipziger Erweiterungsbau symbolisiert in seiner Alt und Neu verbindenden Geste das Engagement der Deutschen Nationalbibliothek gleichermaßen für die traditionelle Buchkultur und für die moderne Kommunikation. Er macht augenfällig, dass sich nationale Identität in beidem spiegelt und bewahrt werden muss. Mit der großen Symbolkraft seiner Formensprache, seiner Ästhetik und Transparenz, mit seiner überzeugenden Funktionalität und angemessenen Nachhaltigkeit schafft er in idealer Weise den notwendigen Raum für die Sammlungen, ihre Benutzung und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bibliothek. Dieser Neubau wird einmal mehr beweisen, dass sowohl heute als auch in Zukunft neue Bibliotheken gebaut werden müssen. Die Außenanlagen Das neu gestaltete Bibliotheksgelände um den Bücherturm und auf der Hofseite des Neubaus verbindet wie ein kleiner Park die Semmel­ weisstraße mit dem Deutschen Platz. Bänke laden nicht nur Bibliotheks­ benutzerinnen und -benutzer, sondern jedermann ein, zu verweilen und sich einige Minuten der Ruhe und Entspannung zu gönnen. Das gilt auch für neue Sitzbänke vor dem Museum mit Blick auf den Deutschen Platz. Wir sind gespannt, wie unsere Gäste sich dieses Areal aneignen und welche besonderen Interaktionsformen sich im Umfeld der Bibliothek entwickeln werden. Fazit Virtuelle Bibliotheken und die Verfügbarkeit von Wissen im neuen Wissensraum des Internets führen zu der Frage, ob es eigentlich immer noch Bibliotheken in realen Gebäuden geben muss. Eine deutliche Musiklesesaal 30 31 UMSCHLAG – HÜLLE – INHALT. EIN RUNDGANG Gabriele Glöckler Umschlag Die historische Lücke Deutscher Platz, Leipzig, 2003. Blick nach Norden. Rechts das pracht­ volle Gebäude des Architekten Oskar Pusch aus der Kaiserzeit, geplant als städtische Teilerweiterung zwischen Neuem Rathaus und Völker­ schlachtdenkmal. Einweihung 1916. Links davon (Abstand 40 Meter) der Bücherturm an der Semmelweis­ straße. Erbaut von 1976 bis 1982 in der ehemaligen DDR. Dazwischen die »historische Lücke«. Rund 12 450 Quadratmeter Baugrund. Ab 2007 bebaut von der Bundesrepublik Deutschland mit dem vierten Erweiterungsbau der Deutschen Nationalbibliothek. Der Neubau 2011. Das neue Gebäude verbindet die beiden vorgefundenen Bauwerke zu einem Ensemble. Das Oskar-Pusch-Gebäude bleibt »die alte Dame« am Deutschen Platz. Die Rolle des Turms als Schlussstein der Hochhausreihe entlang der Straße des 18. Oktober wird durch ein neues Kleid betont. Großflächige, weiße Fassadenplatten mit abgesetzten und hinterleuchteten Segment­ fugen arbeiten die skulpturale Qualität des Bauwerks heraus. Die Raumkante des Neubaus emanzipiert sich von der symmetrisch­axialen Ausformung des Deutschen Platzes und den vorgegebenen Linien und Fluchten des Hauptgebäudes. Die Linienführung schwingt von konkav nach konvex, knickt ab. Das neue Gebäude stellt sich als drittes Element dem Hauptgebäude zur Seite, die Eingänge wenden sich einander zu, es entsteht ein kleiner Vorplatz, geprägt vom Baumbestand des Deutschen Platzes. Eine variantenreiche gläserne Haut gibt dem Gebäude seine schillernde Lebendigkeit. Durch den großflächigen, transparenten Teil erkennt man hinter dem Eingang die Empfangshalle und eine frei schwebende Treppenanlage. Darüberliegende, nicht öffentliche Bereiche sind durch zartfarbene, senkrecht strukturierte Glasplatten verblendet. Es entsteht ein Spiegel­ bild der Umgebung: Himmel, Bäume, Hauptgebäude. Hülle Inhalt Wer möchte, kann die verschiedenen Rotvariationen dieser Glasplatten in Töne »übersetzen« und hat dann ein Stück aus den Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach vor sich. Entlang der Straße des 18. Oktober folgt das jetzt hermetisch verschlos­ sene Gebäude der vorgegebenen Raumkante bis zur Semmelweisstraße. Vier oberirdische Magazingeschosse schweben, »eingepackt« in einen matten, silbrig glänzenden Umschlag, über einem verglasten Stadtraum, dem »Schaufenster« der Deutschen Nationalbibliothek. Im Winkel zwischen beiden Gebäudeteilen liegt der Verbindungskern mit Treppenanlage und Lift. Entlang des Bücherturms und dessen »Vorgarten« mit reichem Baum­ bestand und üppigen Heckenkörpern erreicht man den Zugang zum neuen »Garten« der Deutschen Nationalbibliothek, der das ganze Ensemble vernetzt. Ein Kirschhain, Blauglockenbäume, Sitzinseln und die skulpturale Präsenz des Energiegebäudes bespielen diese öffentliche Anlage, die durch den leuchtenden Bücherturm, das Baumdach, einer Westfassade des Haupt­ gebäudes sowie der teils spiegelnden und teils matt glänzenden Nord­ seite des Erweiterungsbaus begrenzt wird – dem Umschlag, der optisch dominiert. Hier wird der Erweiterungsbau als drittes Element deutlich sichtbar – seine Verankerung sowie seine Verbindungsfunktion zwischen Haupt­ gebäude und Bücherturm. Das Konzept »Umschlag – Hülle – Inhalt« ist mit einem Blick erkennbar. Ein Durchgang im Hauptgebäude führt wieder auf den Deutschen Platz. Dort endet der Rundgang durch vier städtebauliche Zonen mit unter­ schiedlichen Maßstäben: der Platzsituation vor der Deutschen National­ bibliothek, der städtischen Situation an der Straße des 18. Oktober, der großstädtischen Situation an der Semmelweisstraße und der Grünsituation im Hof. 32 Der Inhalt Die differenzierende Gestalt und Visualität des Erweiterungsbaus reflektiert das von seinen Funktionen her sehr gegensätzliche Raumpro­ gramm. Man kann von drei Teilen sprechen: Mehr als drei Viertel der Gebäudeflächen werden für Magazine und Archive genutzt. Weitere etwa 10 Prozent sind belegt für die Betreuung der Sammlungen, also für Arbeits-, Technik- und Büroräume. Die verbliebenen Zwischenräume sind Teil des großzügigen öffentlichen Bereichs, der sich von der Semmelweisstraße durch das Hauptgebäude bis in den westlichen Hof erstreckt. Dieser unterteilt sich in das Deut­ sche Buch- und Schriftmuseum mit Museumsfoyer, Dauerausstellung, Wechselausstellung, Lesesaal und Schautresor, das Deutsche Musik­ archiv mit Ausstellung, Hörkabine und Lesesaal sowie ein Foyer mit angrenzendem Vortragsraum. Die Ordnung Zum »versiegelten« Magazinflügel Ecke Straße des 18. Oktober und Semmelweisstraße kommen zwei weitere Magazinblöcke: unter dem Niveau des Deutschen Platzes über die gesamte Grundfläche des Erweiterungsbaus sowie über und unter dem Museumslesesaal. Dieser neue Magazinbereich verbindet unterirdisch und oberirdisch die Magazine im Hauptgebäude und im Bücherturm. Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Lichtverhältnisse sind konservatorisch vorgeschrieben, die strukturellen Anforderungen an Tragwerk und Klima extrem. In diesem »Kühlhaus« lagern über 5 Millionen Bände, mehr als 1 Million Musiktonträger, 5 000 Videos, 800 000 Notendrucke sowie Archivalien, Grafiken und Objekte der Buch- und Mediengeschichte. Insgesamt 136 000 laufende Meter Regalfachböden. Die Magazinblöcke sind räumlich so geschichtet, dass sie sich den Magazinbereichen im Bestand zuwenden und dazwischen Freiräume entstehen. 33 In diese schieben sich die öffentlichen Räume des Deutschen Buch- und Schriftmuseums als verglaste »Museumsbrücke« bis zum Hauptgebäude. Dieses Museum ist eine »gebaute Einladung« – ein unübersehbares Signal dafür, dass sich die Deutsche Nationalbibliothek nicht als Elfen­ beinturm versteht, sondern immer schon als öffentliches Haus, als kultu­ relle Plattform für Begegnungen im innerstädtischen Raum. Der öffentliche Weg Der zweite, neue Eingang zur Deutschen Nationalbibliothek führt direkt in das großflächige, hohe und helle Museumsfoyer. Von diesem »Platz« aus gesehen liegt westlich der Ausstellungsbereich. In Richtung Hauptgebäude führt eine »Freitreppe« in ein »Glashaus«, mit Blick auf den Deutschen Platz. An diesem Strang reiht sich eine Abfolge von öffentlichen Räumen. Im ersten Obergeschoss liegt der Museumslesesaal, vom zweiten Obergeschoss aus betritt man den begehbaren Tresor. Geometrische Leitlinien Auf selber Ebene, am Ende der Treppe, gelangt man durch eine breite, hohe Glastür in das Hauptgebäude – in ein geräumiges, modern anmu­ tendes Foyer. Erst die Entdeckung des nach Süden liegenden Vortrags­ raums mit historischer, halbrunder Fensterfront zum Deutschen Platz hin macht klar, wo man sich befindet: im Oskar-Pusch-Bau. Vom Foyer aus schlängelt sich der öffentliche Weg durch den Ausstel­ lungsbereich des Deutschen Musikarchivs bis zu einer »Landebrücke«, die in den neuen Lesesaal führt, der als zweigeschossiges »Raumschiff« auf einer Sichtbetonhalterung im westlichen Hof des Hauptgebäudes gelandet ist. Die Räume Den »Bewohnern« dieses neuen Hauses im Hof stehen zwanzig Lese­ plätze zur Verfügung, die eigentlich Hörplätze sind. Die Atmosphäre erinnert an eine riesige, gläserne Schallkabine, optisch begrenzt durch Fassaden des Hauptgebäudes. Der Raum strahlt Ruhe und Harmonie aus, die Architektur dreht sich über zwei Geschosse. Geht man den öffentlichen Weg von hier aus zurück, so durchquert man zunächst auf hellem Holzboden eine offene Raumzone, die Ausstellung Städtebaustudie 34 35 des Deutschen Musikarchivs. Am jeweiligen Ende leuchten zwei Großvitrinen aus dem Halbdunkel, das den Horizont auflöst. Dazwischen, umgeben von kleinen »Medieninseln«, ein eingestellter, zweischalig umschlungener Körper – die Hörkabine. Hier wird dem Besucher Musik in höchster Klangqualität geboten. An den Außenwänden lehnen die Ausstellungsvitrinen. Die Ausstellung geht über in das Foyer, das als Drehscheibe fungiert und die Verbindung zum historischen Haupttreppenhaus und damit zum Hauptfoyer der Deutschen Nationalbibliothek herstellt. G4 (229/197/183) G4 (229/197/183) G4 (229/197/183) G4 (229/197/183) F#4(221/207/200) F#4(221/207/200) P (243/229/220) P (243/229/220) P (243/229/220) P (243/229/220) A3 (243/99/89) A3 (243/99/89) C4 (225/155/149) C4 (225/155/149) D4 (225/171/164) G4 (229/197/183) G4 (229/197/183) G4 (229/197/183) G4 (229/197/183) G4 (229/197/183) G4 (229/197/183) F#4(221/207/200) F#4(221/207/200) E4 (225/209/196) E4 (225/209/196) E4 (225/209/196) E4 (225/209/196) D4 (225/171/164) D4 (225/171/164) C4 (225/155/149) C4 (225/155/149) D4 (225/171/164) P (243/229/220) P (243/229/220) P (243/229/220) P (243/229/220) F#4(221/207/200) F#4(221/207/200) D4 (225/171/164) D4 (225/171/164) H4 (206/176/168) H4 (206/176/168) H4 (206/176/168) H4 (206/176/168) H4 (206/176/168) H4 (206/176/168) C#4(225/161/157) C#4(225/161/157) D#4 (225/199/185) D#4 (225/199/185) E4 (225/209/196) E4 (225/209/196) E4 (225/209/196) E4 (225/209/196) D#4 (225/199/185) G4 (229/197/183) G4 (229/197/183) G4 (229/197/183) C#4(225/161/157) H3 (252/127/115) A3 (243/99/89) G3 (230/55/63) F#3 (217/16/35) E3 (207/16/33) E3 (207/16/33) H3 (252/127/115) G4 (229/197/183) D4 (225/171/164) D4 (225/171/164) G4 (229/197/183) A3 (243/99/89) G4 (229/197/183) A4 (197/179/171) C#4(225/161/157) E4 (225/209/196) H3 (252/127/115) G4 (229/197/183) A4 (197/179/171) C#4(225/161/157) E4 (225/209/196) C4 (225/155/149) G4 (229/197/183) D4 (225/171/164) F#4(221/207/200) A4 (197/179/171) D4 (225/171/164) C#4(225/161/157) A3 (243/99/89) F#4(221/207/200) C#4(225/161/157) A3 (243/99/89) D4 (225/171/164) G4 (229/197/183) A3 (243/99/89) F#4(221/207/200) A3 (243/99/89) E4 (225/209/196) G4 (229/197/183) H3 (252/127/115) E4 (225/209/196) F#4(221/207/200) A4 (197/179/171) D4 (225/171/164) E4 (225/209/196) D#4 (225/199/185) H3 (252/127/115) C#4(225/161/157) G3 (230/55/63) D4 (225/171/164) P (243/229/220) H3 (252/127/115) E4 (225/209/196) D4 (225/171/164) G3 (230/55/63) P (243/229/220) H3 (252/127/115) F#4(221/207/200) C#4(225/161/157) H3 (252/127/115) P (243/229/220) C4 (225/155/149) F#4(221/207/200) H3 (252/127/115) P (243/229/220) C4 (225/155/149) A4 (197/179/171) G4 (229/197/183) F#4(221/207/200) Formstudien Links: Musiklesesaal Rechts: Tresor Hier, in dieser »Schleuse« vom Hauptgebäude zum neuen Erweiterungs­ bau, werden in die freigelegte Grundstruktur des Altbaus der Vortrags­ raum und die Hörkabine eingestellt. Alt und Neu überlagern sich. Unter der historischen Decke – ein Holz­ boden, wie ihn der Architekt Pusch vorgesehen hatte für »besonders vornehme Bereiche«. Die Wandverkleidungen aus Eichenholz erinnern an Paravents. Zartes Licht, leichte Vorhänge und eine Sitzinsel runden den ausgewogenen Gesamteindruck ab. Der angrenzende Vortragsraum liegt über dem Sitzungszimmer der Deut­ schen Nationalbibliothek. Er wurde entkernt und durch eine Verkleidung aus Eichenholz neu gestaltet. Modernste Medientechnik macht diesen neuen alten Raum vielfach nutzbar. Farbmelodie Fassade Vom Foyer aus betritt man das Deutsche Buch- und Schriftmuseum. Geradeaus führt die »Freitreppe« wieder hinunter in das Museumsfoyer. Links der Deutsche Platz, rechts der Eingang zum Tresor. In dieser Schatzkammer sind bei gedämpftem Licht die kostbarsten Objekte des Deutschen Buch- und Schriftmuseums zu sehen. Sie werden präsentiert in einer durchgehenden Vitrine entlang der Wände. Das Raumklima entspricht den denkbar höchsten Anforderungen. Man bewegt sich respektvoll im »goldenen Kern« der Deutschen National­ bibliothek. Eine Etage tiefer – der Eingang zum Lesesaal. In eine fließende Raum­ landschaft, mit starkem Bezug zum Deutschen Platz, ragt schwebend der Tresor. Ausstellung Der gewölbte Umschlag, in den dreieckige Fenster geschnitten sind, scheint sich fortzusetzen als grauer Boden durch den Raum. Bis zur Fassade. Darüber spannt sich die Decke wie ein Tuch. Die Wände sind weiß, die frei geformten Möbel für diesen Ort entwickelt. Durch die Glasfront zum Treppenhaus verschmelzen das Innen und das Außen, die Stimmungen des Tages werden erlebbar. Die letzten Stufen der Freitreppe führen zurück in das Museumsfoyer. Von hier breitet sich der klimatisierte Ausstellungsbereich aus, mit seinem transparenten »Vorhang« entlang der Straße des 18. Oktober und der Semmelweisstraße. Der Straßenbelag zieht sich als schwarzer Fußboden in den Innenraum, darüber als Decke wieder der Umschlag. Fünf geschwungene, weiße Großvitrinen ergeben den freien Grundriss der Ausstellungsarchitektur. Wie Etuis nehmen sie die gezeigten Objekte auf. Sie führen den Besucher, lassen aber auch das Flanieren durch die Dauerausstellung zu oder kleine Pausen auf einer der Medien- oder Sitzinseln. In diesem Raum bewegt sich der Besucher durch mehrere Lichtzonen. Vom Deutschen Platz her fällt Tageslicht durch die verglaste Fassade. Mit jedem Meter Raumtiefe nimmt die Lichtstärke ab und die Lichtempfindlichkeit der ausgestellten Objekte zu. Dennoch entspricht die gefilterte Lichtzusammensetzung auf der ganzen Strecke entlang der Vitrinen den konservatorischen Vorgaben. Zum Ausgang kommt man entlang einer 5 Meter hohen und rund 50 Meter langen Sichtbetonwand, vorbei an einem hohen, verglasten Museumskabinett einerseits und an der Außenwand des Wechselaus­ stellungsraums platzierten Vitrinen andererseits. Dieser Wechselausstellungsraum steht als geschlossener, skulpturaler Körper in der Halle der Dauerausstellung. Man betritt ihn vom Museums­ foyer aus. Eine Lichtdecke verbreitet genau die Helligkeit, die für die ausgestellten Objekte vorgeschrieben ist. Diese liegen in schlanken, frei geformten Vitrinen, die an der Wand lehnen oder als Gruppen im Raum stehen. Im Museumsfoyer endet der »öffentliche Weg«, der durch eine urbane Raumlandschaft geführt hat, in der sich die Grenze zwischen Haus und Stadt auflöst. 36 37 2. OG Deutsches Musikarchiv 1. OG Museumslesesaal EG Ausstellung Deutsches Buch- und Schriftmuseum 0 5 Grundriss öffentlicher Weg 50 Längsschnitt AA BB CC DD 38 39 Ansicht Deutscher Platz 0 5 50 Ansicht Semmelweisstraße Ansicht Philipp-Rosenthal-Straße AA Querschnitte BB CC DD 40 41 Der öffentliche Weg Der öffentliche Weg Deutsches Buch und Schriftmuseum 1 Ausstellung 2 Museumslesesaal 3 Tresor Deutsches Musikarchiv 4 Ausstellung 5 Musiklesesaal Bibliothek 6 Lesesäle 7 Vortragsraum 1 2 3 5 7 4 6 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 66 67 Der interne Bereich 2. UG 3. UG EG 1. UG 0 5 50 68 69 1. OG 4. OG 3. OG 5. OG 2. OG 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 Eine Idee wird Realität Peter Vorbeck Haut Hülle Begeisterung für einen außerordentlichen Architekturentwurf bei allen Beteiligten und der unbedingte Wille, diesen auch umzusetzen – das sind gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Realisierung. Das Vorhaben »Erweiterung der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig« besteht aus einer Reihe von Teilprojekten, von denen jedes für sich eine Herausforderung darstellt. Der Erweiterungsbau mit seiner komplexen Geometrie und den Anschlüssen an zwei äußerst unterschiedliche Be­ standsgebäude. Die energetische und bauphysikalische Sanierung von 10 000 Quadratmetern Bücherturmfassaden. Der Neubau des Lesesaales im historischen Innenhof und der Einbau von Tonstudio, Hörkabine und Büros für das Deutsche Musikarchiv im denkmalgeschützten Bestand bei laufendem Betrieb und parallel dazu die Planung der Einrichtung für die Dauerausstellung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums. Aufgrund der Terminziele alles als baubegleitende Planung, bei streng gedeckeltem Budget. Oftmals haben wir uns gefragt, wie das gehen kann. Gemeinsam mit den Vertretern des Auftraggebers und der Nutzer sowie den vielen beteiligten Ingenieurbüros haben wir uns der Aufgabe gestellt, auch baulich einen neuen Abschnitt in der Entwicklung der Deutschen Nationalbibliothek umzusetzen. Konstruktion und Bauablauf Alles begann mit einer großen und eindrucksvollen Baugrube. Auf rund 3 500 Quadratmetern Fläche musste 12 Meter tief ausgehoben werden, um drei unterirdische Magazingeschosse einzugraben. Ein senkrech­ ter Verbau stützte die Baugrubenwände. Die Fundamente der benachbarten Gebäude, also des Bücherturms und des historischen Bestandes, wurden Zug um Zug durch ein Hochdruck­ injektionsverfahren mit Beton unterfangen. So wurden Schäden an der bestehenden Substanz vermieden. Die einzelnen vertikalen Segmente des Bücherturms mussten mit Stahlbändern konstruktiv verbunden werden, damit sie nicht durch un­ terschiedliche Setzungen in Schieflage geraten konnten. Diese umfangreichen und nur in aufeinanderfolgenden Abschnitten realisierbaren Arbeiten wurden von Geologen und Prüfingenieuren ge­ nauestens überwacht und dokumentiert. Über sechs Monate lang Skelett wurden die Voraussetzungen zum Beginn der Bauarbeiten am eigent­ lichen Gebäude geschaffen. Der Erweiterungsbau ist auf einem dreigeschossigen, fugenlosen Kellerkasten aus Stahlbeton gegründet. Die Bodenplatte ist 190 Zenti­ meter stark und intensiv mit Bewehrungsstahl armiert. Diese Art der Plattengründung wurde erforderlich, um die mit 17,5 Kilonewton pro Quadratmeter sehr hohen Verkehrslasten der Magazin- und Aus­ stellungsbereiche möglichst setzungsarm und gleichmäßig in den tragenden Untergrund abzuleiten. Der konstruktive Aufwand an Decken und Stützen – in drei Untergeschossen und vier Obergeschossen, die als Magazinflächen genutzt werden, sowie in der Ausstellung im Erdge­ schoss – macht deutlich, wie schwer Bücher wiegen. Die »Museumsbrücke« – so nennen wir den Teil des Gebäudes, der die Magazinbereiche mit dem historischen Bestand verbindet – beinhaltet den Lesesaal und die Arbeits- und Verwaltungsbereiche des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deckenplatten kragen teilweise weit über den großflächigen öffentlichen Zonen des Lesesaales und der Treppe aus. Sie werden mit diagonalen Zugelementen aus Stahl abgehängt, die in den Bürobereichen sichtbar belassen wurden. Bis diese Konstruktion über alle Geschosse fertig­ gestellt war, mussten die jeweiligen Bauzustände mit Schwerlastgerüsten auf Interimsfundamenten unterstützt werden. Die Form der »Hülle« um die Magazine an der Straße des 18. Oktober wurde durch eine Holzkonstruktion aus verleimten Brettschichtbindern und einer Brettschalung hergestellt, die als Tragkonstruktion für den »Umschlag«, also den optischen Abschluss nach außen, dienen. Mit Fertigstellung dieses Konstruktionsschrittes war zum Richtfest das erste Mal die Form des Hauses auch auf der Baustelle ablesbar. Mithilfe von dreidimensionalen digitalen Modellen wurde der »Umschlag« geometrisch geplant und in für die Herstellung und Montage geeignete Bauelemente geteilt. Auf die Holzkonstruktion wurden Dämmung und Dichtungsebenen aufgebracht sowie eine aufgeständerte Metallunterkon­ struktion. Die vorgefertigten, in zwei Richtungen gebogenen Kassetten aus Aluminiumverbundplatten waren die ersten fertigen Oberflächen des Gebäudes, die auf der Baustelle zu sehen waren. Die Magazine waren nun eingepackt. Diese zweischalige Konstruktion wird im Sommer von Außenluft durchspült und hilft dabei, die Wärme der Sonnenein­strahlung abzutransportieren, ohne die Klimatisierung der Magazine zu belasten. 82 83 Zuluft Entrauchung Absaugung Entrauchung über Dach Im Winter wird diese Hinterlüftung durch Klappen geschlossen. Die stehende Luft wirkt als zusätzliche Wärmedämmung gegen die Kälte. Die senkrechten Fassaden haben unterschiedlichste Anforderungen zu erfüllen. In den öffentlichen Bereichen, Ausstellung und Lesesaal, soll größtmögliche Transparenz erreicht werden. Gleichzeitig müssen die Fassaden aufgrund der erforderlichen klimatechnischen Behandlung der Innenräume im Sommer wie im Winter hochdämmend wirken. Durch eine Dreifachisolierverglasung mit Sonnenschutzbeschichtungen in mehreren Ebenen konnte der Wunsch nach einer möglichst gleich­mäßigen Tages­ lichtdichte in den öffentlichen Bereichen umgesetzt und auf einen außen liegenden Sonnenschutz verzichtet werden. Brandschutz durch maschinelles Entrauchungssystem Hochgedämmte Gebäudehülle Die Fassadenkonstruktion aus rechteckigen Stahlrohrprofilen wurde wasserführend ausgebildet. Sie wird im Sommer als Kühlfläche und im Winter als Heizfläche genutzt. Regulierbare Hinterlüftung der Fassade 0m Dezentrale Klimatechnik -125 m Geothermiefeld Die Glaspaneele in den nicht oder nur teilweise transluzenten Bereichen der Fassade wurden mit einem eigens entwickelten Punktraster bedruckt und zusätzlich mit einer reflektierenden Beschichtung versehen. Auf diese Weise wurde ein die Fassade übergreifender, harmonischer Gesamt­ eindruck erzielt. Energie-Klima-Konzept 380 nm 380 nm Im Ausstellungsbereich sind zusätzlich Einbruchsicherheit und der Schutz der ausgestellten Objekte gegen schädliche Strahlung zu gewährleisten. 780 nm 1 % Kantenwert bei 406 nm 780 nm Insbesondere der für das menschliche Auge nicht sichtbare Teil des Tageslichts schädigt die empfindlichen Exponate. Andererseits soll die Ausstellungsfläche auch natürlich belichtet werden und die große Glasfront als ein Schaufenster der Deutschen Nationalbibliothek in den Stadtraum des Deutschen Platzes hineinwirken. Mit hocheffizienten Gläsern und in die Verbundgläser eingelegten optischen Folien konnten alle Anforderungen erfüllt werden. Simulationen und Messungen haben nachgewiesen, dass trotz hoher Tageslichtausbeute im Ausstellungsraum keine nennenswerten, die Ex­ ponate schädigenden Strahlungen mehr wirksam sind. Ausstellung Schutz von Ausstellungsobjekten durch optische Filter Nach der nun hergestellten Baudichtheit konnte der technische Ausbau im Inneren des Gebäudes begonnen werden. Energie, Technik, Sicherheit Die Bearbeitung, Lagerung und dauerhafte Archivierung von Büchern und Tonträgern setzt die exakte und konstante Einhaltung von genau definierten Klimaparametern, also Temperatur und Luftfeuchte, voraus. Als eines der Projektziele wurde von Beginn an ein Energiekonzept gefordert, das die Realisierung der anspruchsvollen konservatorischen Anforderungen nachhaltig und ressourcenschonend ermöglicht. Das umgesetzte Konzept basiert auf drei Grundpfeilern: – Optimierung der Gebäudehülle im Hinblick auf den Energiebedarf – maximale Effizienz der technischen Gebäudeausrüstung im Betrieb – Einsatz regenerativer Energie als Primärversorgung Die energetische Versorgung des Gebäudes wird vorrangig über ein Geo­ thermiefeld auf der Grünfläche des Deutschen Platzes realisiert. Acht­ undvierzig Erdwärmesonden mit einer Gesamtlänge von etwa 6 000 Metern übernehmen die Bereitstellung von Kühlenergie im Sommer und Heizenergie im Winter. Die Konzeption der Anlage und der ausgeglichene Bedarf an Kälte und Wärme sorgen dafür, dass die Temperatur des Erdreichs im Umfeld der Sonden langfristig konstant bleibt. Nur so kann man wirklich von regenerativer Energie sprechen. Besondere Bedarfs­ fälle können durch Einspeisung von Fernwärme oder Kompressionskälte in das System ausgeglichen werden. Die komplette Hülle um die Magazine, sowohl in den Untergeschossen als auch oberhalb des Geländes, ist hochgedämmt, und es gibt keine Öffnungen nach außen. Die Magazinwände und Decken zu anderen Nut­ zungsbereichen sind ebenfalls gedämmt, die Zugänge zu den Magazin­ räumen sind über Klimaschleusen organisiert. Wärmeverluste im Winter und Energieeinträge im Sommer werden dadurch minimiert. Um lange Lüftungskanalstrecken zu vermeiden und kürzeste Reaktions­ zeiten der Anlage auf Klimaschwankungen zu gewährleisten, versorgen dezentrale Umluftanlagen jeweils ein Magazingeschoss. Nur der hygie­ nisch erforderliche Frischluftanteil wird zentral aufbereitet und bereit­ gestellt. Bei konstanten 18 Grad Celsius und 50 Prozent Luft­feuchte wird das Archivgut zukünftig bei idealen Bedingungen bewahrt. Das Brandschutzkonzept sieht eine konsequente Teilung des Gebäudes in Brandabschnitte vor. Innerhalb der Magazine und in den öffentlichen Aufenthaltsbereichen wurde eine leistungsfähige Entrauchungsanlage installiert. Die Fluchttüren der Magazine wurden gleichzeitig als automa­ tisch gesteuerte Nachströmungsöffnungen ausgerüstet. Die Detektoren sorgen zusammen mit der Steuerung dafür, dass durch gezielte Nach­ strömung im Brand- oder Rauchentwicklungsfall eine Rauchausbreitung verhindert und das Archivgut bestmöglich geschützt wird. Die Flucht­ wege für das Personal werden infolge der Nachströmung durch die Erschließungszonen rauchfrei gehalten. Die Funktionsfähigkeit dieses innovativen Systems wurde durch ingenieurtechnische Simulationen und praktische Versuche vor der Inbetriebnahme nachgewiesen. Die Buchtransportanlage ist die Schlagader einer Präsenzbibliothek dieser Größe. Sie sorgt dafür, dass die an der Buchausgabe bestellten Titel aus den teilweise weit entfernten Magazinstandorten bis an die Lesesäle herantransportiert und den Bibliotheksnutzern zeitnah zur Ver­ fügung gestellt werden. Hier geht es um Kapazität und Geschwindigkeit. Die bestehende Anlage im Hauptgebäude und im Bücherturm wurde erneuert und um den Erweiterungsbau vergrößert. Neue Anschlüsse wurden geschaffen und bestehende Wege im Bestand optimiert. Die frühere Verbindung zwischen historischem Bestand und dem Bücherturm, eine den Hof weitüberspannende Stahlröhre, war nun nicht mehr erforderlich und wurde in einer spektakulären Aktion demontiert. Der Ausbau Der Innenausbau des Gebäudes begann in den Magazinen, dem flächen­ mäßig größten Nutzungsbereich des Hauses. Zunächst wurden auf den Rohdecken die Schienen für die Regalanlagen montiert, dann wurde der Bodenaufbau aus geschliffenem und beschichtetem Gussasphalt eingebracht. Damit waren die Voraussetzungen geschaffen, um 136 000 laufende Meter Regalböden in elektrisch betriebenen Fahrregalanlagen parallel zum Ausbau der übrigen Flächen zu installieren. Es folgte der sogenannte technische Ausbau, die Grundinstallation für alle technischen Anlagen wie Heizung, Lüftung, Sanitäranlagen, Aufzüge und Förderanlagen. Zuletzt wurde das Erweiterungsgebäude mit den für alle Nutzer sicht­ baren und spürbaren Materialien und Farben endausgebaut. Der Ausstellungsbereich des Deutschen Buch- und Schriftmuseums erhielt eine geschwungene Decke aus Metallpaneelen, die sich in ihrer 84 85 SOP 01 SOP 02 SOP 01 SOP 04 Geometrie Musiklesesaal SOP 03 Geometrische Definition Erstellung des Rotationskörpers SOP 03 Rotationskörper Form aus der Außenhülle des Magazintraktes entwickelt. Dreieckige Aluminiumelemente wechseln sich mit stoffbespannten Akustikflächen ab, um auch bei starker Besucherfrequenz eine angenehme Museums­ atmosphäre zu ermöglichen. Oberhalb der Decke und unterhalb des Steinfußbodens befinden sich Hohlräume, in denen die gesamte techni­ sche Infrastruktur, die für einen so großen Ausstellungsraum erforder­ lich ist, untergebracht wurde. Die großen, frei stehenden Vitrinen der Dauerausstellung bieten den Schutzraum für empfindliche Exponate, die mit Glasfaserbeleuchtung in Szene gesetzt werden können. Wärme, die in den Vitrinen entsteht, wird durch ein internes Umluftsystem abgeführt. Im gesamten Raum wird trotz der Offenheit zum Foyerbereich ein stabiles Klima gehalten, das den Kuratoren eine maximale Flexibilität bei der Gestaltung der Ausstellungen bietet. Der neue Lesesaal des Deutschen Buch- und Schriftmuseums an der großen Treppe ist nur durch eine großzügige Brandschutzverglasung akustisch und klimatisch vom öffentlichen Weg abgetrennt. Dadurch wird ein großer Raum erlebbar, in den der Tresor am oberen Ende der Treppe hineinragt. Die Fassade mit den Verglasungen zum Innenhof, wel­ che die Struktur der Außenhülle mit ihren dreieckigen Elementen fortsetzt, ist wie die übrigen Wandverkleidungen und die abgehängte, geschwungene Decke akustisch wirksam. Der dicke Teppich dämpft zu­ sätzlich die Geräusche, sodass die Voraussetzungen für ein konzent­ riertes Arbeiten gegeben sind. SOP 06 Im Tresor werden besondere Exponate in besonderer Atmosphäre gezeigt. Der Raum bietet daher alles, was diese Wertigkeit unterstützt und erhöht. Die Inszenierung der Exponate in der umlaufenden Glas­ vitrine erfolgt durch Licht. SOP 04 Schneiden des Rotationskörpers SOP 05 Umschlaggeometrie (Set-Out-Point) Glasfaserlichtleiter in der goldfarben ausgebauten Vitrine und ein kom­ plexes Klimatisierungssystem sorgen für beste konservatorische Bedingungen. Durch die Kombination von Glasschiebetür und geschlos­ sener Holztür ist eine flexible Nutzung je nach Exponatauswahl möglich. Am Übergang vom Erweiterungsbau zum historischen Bestandsgebäude treffen nicht nur die Baustile von zwei äußerst unterschiedlichen Epo­ chen im Abstand von fast einhundert Jahren aufeinander. Durch die Integration des Deutschen Musikarchivs in das Leipziger Projekt kamen auch technisch und konstruktiv komplexe Anforderungen auf den »Altbau« zu. SOP 02 Fertige Teilgeometrie Die dem Erweiterungsbau vorangegangene, gestalterisch und handwerk­ lich gelungene Sanierung und Restaurierung des denkmalgeschützten Bestandes durch das Architekturbüro Neumann in Zusammenarbeit mit dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) setzte zusätzlich einen hohen Anspruch an das Vorhaben. Neben den Bürobereichen des Deutschen Musikarchivs sind hier die zentralen Nutzerfunktionen eingebaut. Das Tonstudio zum Abspielen und Umschneiden von Tonträgern aller Art sowie eine Kabine zum konzentrierten Abhören von Musik stellen höchste Anforderungen an die Raumakustik. Durch »Raum-im-Raum«-Konstruktionen wurde eine weitestgehende Schallentkoppelung erreicht, die einerseits Stör­ geräusche verhindert, andererseits trotz hoher Lautstärke einen Büro­ betrieb in angrenzenden Gebäudeteilen ermöglicht. An den Ausstellungs­ bereich des Musikarchivs angebunden, befindet sich auch der in den historischen Innenhof eingebaute und multimedial ausgestattete Lesesaal des Deutschen Musikarchivs. Das zweigeschossige Gebäude wurde in den nur durch einen schmalen Durchgang erschlossenen Innenhof gebaut, da die erforderliche, zusammenhängende Fläche im Bestand nicht zur Verfügung stand. An den Arbeitsplätzen kann Musik aus dem Archiv oder dem Tonstudio gehört werden, auf integrierten Keyboards wird musikalisch gearbeitet. Die gestalterische Sprache dieser Einbauten und der Möblierung, die verwendeten Materialien und Konstruktionen schlagen die Brücke zwischen Bestand und Erweiterung. Sie sollen den Nutzern und Besu­ chern zeigen, dass beide Bauteile trotz der unterschiedlichen Entste­ hungszeit zu einer Einheit zusammengewachsen sind. Damit ein besonderer Ort entstehen kann, muss manchmal das Korsett der Normen, Richtlinien und Vorschriften kritisch hinterfragt werden. Nur im engagierten Zusammenspiel der Auftraggeber, Planer und Nutzer sowie der beteiligten Behörden können dann Lösungen gefunden werden, die solche Räume erlebbar machen. 86 »Raumbuch«, 2011 Maix Mayer 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 Zwischen Gestern und morgen. Der Erweiterungsbau der Deutschen Nationalbibliothek Dieter Bartetzko Wie hierzulande jedes Kind weiß, dass Berlin die Hauptstadt der Republik ist, dürfte immerhin noch jedes zweite oder dritte Leipzig als die Stadt des Buches kennen. Das ist ein kaum zu überschätzender Pluspunkt im aktuellen Wettbewerb der Standorte und deren hektischer Suche nach Charakteristika, die eine Stadt zum »Leuchtturm« und damit attraktiv für Investoren, Sponsoren und den internationalen Handel und Wandel machen sollen. Leipzigs diesbezüglicher Vorsprung erstaunt umso mehr, als die Stadt keineswegs das Alleinvertretungsrecht in Sachen Buch genießt, sondern, als Folge der einstigen deutschen Teilung, in Frankfurt am Main einen Zwilling hat. Hier wie da lockt jährlich eine Buchmesse Zehntausende Besucher an, am einen wie am anderen Ort obliegt es einer zentralen Bibliothek, sämtliche deutschsprachigen Publikationen der Vergangenheit und Gegenwart zu sammeln und zu archivieren. Beide Bibliotheken haben nach der Wiedervereinigung unter dem gemeinsamen Namen Deutsche Nationalbibliothek zu einer fairen gleich­ berechtigten Aufgabenteilung gefunden. Dass die Öffentlichkeit dennoch Frankfurt mit der Welt der Banken und Leipzig mit der des Buches assoziiert, ist auf aktuelle Veränderungen des allgemeinen Bewusstseins zurückzuführen: Vom täglichen Umgang mit Computern auf »Icons« als Leitlinien der Welt konditioniert, speichert unser Gedächtnis Frankfurt als die Stadt der Skyline und damit als Nabel des Banken- und Börsen­ wesens. Für Leipzig dagegen steht (trotz seiner Umnutzung zum City-Hochhaus) Hermann Henselmanns Universitätsturm von 1968, den jedermann als ein Architektur gewordenes aufgeblättertes Buch kennt. Ob Gabriele Glöckler sich 2002 bei ihrem Entwurf für den Erweiterungs­ bau der Deutschen Nationalbibliothek an Henselmann erinnerte, sei dahingestellt. Sicher ist, dass auch sie eine »architecture parlante« geschaffen und sich damit gegen die Neutralität entschieden hat, die der nach Plänen von Dieter Seidlitz zwischen 1976 und 1982 entstandene, aus fünf fensterlosen Vierkanten gebildete Magazinturm der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig ausstrahlt. Unschwer ist ihr Erweiterungs­ bau als Doppelfigur zweier einander zugewandt liegender Bücher zu identifizieren, bestehend aus Umschlag respektive Schuber, Hülle bezie­ hungsweise Buchdeckel und den stoßweise gebundenen Seiten. Die Großform erläuternd, lassen auf den gläsernen Fassaden farbig ge­ tönte senkrechte Streifen endlos gereihte Buchrücken assoziieren – nicht Ornament oder Kunst am Bau, sondern Kunst als Bau. Auch der zur Regel gewordenen zerstreuten Wahrnehmung unserer Zeit wird der Neubau gerecht. Mit seiner metallisch flimmernden, Wände und Dächer überziehenden (Klima-)Hülle, den rasanten Kurven statt her­ kömmlicher rechter Winkel und einer dynamisch geknickten Rampe an der Schaufront prägt er sich selbst dem flüchtigsten Blick als Sensation ein. Dennoch wäre es verfehlt, ihn jenen öffentlichen Gebäuden zuzu­ rechnen, die seit einigen Jahren im Zeichen des sogenannten BilbaoEffekts Städten und Institutionen Spitzenplätze im europäischen Stand­ ortwettbewerb sichern sollen. Anders nämlich als beispielsweise das Porsche- (Delugan Meissl Associated Architects) und das Mercedes­Benz-Museum (UNStudio) in Stuttgart oder das neue Centre Pompidou in Metz (Shigeru Ban), die – wie Frank O. Gehrys Guggenheim-Dependance in Bilbao – ihre Gebäudehülle als dramatische Wirbel um einen aus­ tauschbaren Inhalt rotieren lassen, ist die Gestalt der Deutschen Natio­ nalbibliothek aus ihrem Inhalt und ihrer Funktion entwickelt. Damit lässt sie, getreu der überkommenen antiken Vitruv-Regel, Nutzform und Schmuckform eins werden. Und so ist der Neubau Gabriele Glöcklers im besten Sinn des Wortes konservativ. Obwohl äußerlich extrem unterschiedlich, schließt er dadurch dennoch an sein Frankfurter Pendant (Arat, Kaiser, Kaiser) an. Dieses wurde im Jahr 1982 als Wettbewerbssieger noch zum Paradebau der Spätmoderne erhoben und während der extrem langen Bauzeit von der damals triumphierenden Postmoderne als Anachronismus verhöhnt. Bei seiner Einweihung 1997 wurde der Bau jedoch als Glücksfall einer Architektur beurteilt, die modischen Tendenzen widerstanden hatte. Dass er als klassisches Beispiel des International Style eher Frankfurts architektoni­ sches Profil als kosmopolitische Metropole denn als Bücherstadt schärft, liegt in der Natur der Sache. Gleichwohl eignet sich auch Leipzigs Bücherbau für das globale Parkett. Mehr noch: Dank seiner sinnfällig buchbezogenen Gestaltung fordert er den Vergleich mit der weltweit gefeierten, spektakulären neuen Biblio­ thek von Alexandria (Snøhetta Hamza Consortium) heraus. 2002 eröffnet, ist auch sie einerseits ein unverkennbar zeitgenössischer Bau des telematischen Zeitalters. Doch wie Leipzigs Deutsche Nationalbiblio­ thek erlangt sie gleichfalls durch die Prinzipien der »architecture parlante« schlagende Identität. Ihre geschwungene Großform evoziert die Schriftrollen, die im legendären antiken Vorgänger aufbewahrt wurden. So wie die metallische strukturierte Dachhülle die Papyri der Antike zitiert und der geböschte und granitverkleidete Sockelbau die Großarchi­ tekturen Altägyptens memoriert. Gleiches gilt für die Zentralbibliothek in Dubai (asp Architekten), die sich seit 2006 als gemäßigt neoexpressio­ nistischer, weißer Beton-Glas-Bau, den die Chiffre eines liegenden 100 aufgeschlagenen Buchs als wörtliche Übersetzung der Funktion krönt, in der Planung befindet. Indem der neue Leipziger Erweiterungsbau sich statt an modischen Trends eher an zeitlosen Prinzipien der Moderne orientiert, besteht er auch vor dem internationalen Anspruchsniveau. Nicht weniger verblüfft, dass er, entgegen den Gepflogenheiten zeitgenössischer Architekten, auch auf die unmittelbaren örtlichen Gegebenheiten Rücksicht nimmt. Denn trotz aller radikalen gestalterischen Unterschiede harmoniert Gabriele Glöcklers Architektur gut mit dem 1916 eingeweihten monumen­ talen Altbau von Oskar Pusch. Zustande kommt dies durch ein Parado­ xon: Gerade weil das Neue sich nicht vom Alten gängeln lässt, erweist es ihm Respekt. Das gilt ebenso für das Verhältnis zum Magazinturm von 1982, der, versehen mit einer neuen Außenhaut, als nicht gewinnendes, aber doch anerkennenswertes Bauzeugnis der kubistischen Spätmo­ derne in der Tradition eines Louis Kahn oder, bezogen auf die ehemalige DDR, eines Kurt Diestel und Fritz Oske in das Miteinander von Alt und Neu einbezogen wurde. Sie habe, schreibt Gabriele Glöckler, den Bücherturm »als zeit- und architekturgeschichtliches Zeugnis respektieren und ihn in seiner 101 prägnanten Eigenart stärken« wollen. Dieses Prinzip gilt für das gesam­ te, nun riesige Ensemble der Deutschen Nationalbibliothek: Hinter den behutsam sanierten Neorenaissancefassaden des Altbaus sind die grandiosen Innenräume und Säle mit ihrer hinreißenden Mischung aus Jugendstil, Byzantinik und Arts-and-Crafts-Anklängen sorgfältig wieder­ hergestellt und (wo möglich) ergänzt. Auch die Erweiterungen der Jahre 1934 bis 1936 in ihrem für den »Heldenstil« des NS-Regimes erstaun­ lichen Festhalten an der Neuen Sachlichkeit sind in ihrer Eigenart bewahrt und restauriert worden. Ebenso die Charakteristika der zweiten Erweiterung, die zwischen 1959 und 1963 durchgeführt wurde. Mit dem lichten, schwerelos wirkenden Lesesaal für Technik von Gerhart Helmer ist dabei einer der elegantesten unbeschwerten Räume zurückgewonnen, der die Wiederaufbaumoderne der DDR dem architektonischen »Swing« der westlichen »Nierentisch-Ära« ebenbürtig zeigt. Dass daraus im Verbund mit der jetzigen vierten Erweiterung kein (oder kaum ein) notgedrungenes Flickwerk entstand, ist dem Organisations­ genie und dem daraus resultierenden Konzept Gabriele Glöcklers zu verdanken. Man kann ihren eigenen Worten folgen, um das Geleistete zu würdigen: Wissend, dass »das Einzigartige einer Nationalbibliothek« darin besteht, den »Aufgabenschwerpunkt auf das Verwahren, Bewahren und Archivieren« zu verlagern, gelang es ihr dennoch, auch den für sonstige Bibliotheken »typischen hohen Anteil an Besucherbereichen und Lesesälen« nicht zu vernachlässigen. Im Gegenteil: Neben riesigen Magazinflächen bieten Alt- und Neubau »in organischer Weise« durch­ weg »kurze, möglichst kreuzungs- und barrierefreie Verbindungswege für Mitarbeiter und Besucher sowie die Buchtransportanlage«. Obwohl sie durch die nachträglich notwendig gewordene Integration des Deutschen Musikarchivs vor eine zusätzliche Herausforderung gestellt worden war, entwarf Gabriele Glöckler geradezu verschwende­ risch wirkende Foyers, Schausäle, Ruhe- und Nutzungszonen für alle drei Bereiche: Bibliothek, Deutsches Musikarchiv und Deutsches Buchund Schriftmuseum. Die Art, in der sie die Räume gleiten und schwingen, eins ins andere übergehen und doch separiert sowie mittels gläserner Wände das Außen mitspielen lässt, erinnert spontan an die Kreationen von Zaha Hadid oder schneider+schumacher. Sie selbst, allem Illustrati­ ven abgeneigt, spricht lieber nüchtern vom funktionierenden »Gesamt­ organismus Deutsche Nationalbibliothek«. Damit aber verweist Gabriele Glöckler indirekt doch auf eine Inspirationsquelle – das experimentelle organische Bauen des Architekten Hugo Häring. Wie er in den Zeiten der klassischen Moderne lässt nun sie Wände und Strukturen gleiten und sich biegen, als seien ihre Tragegerüste nicht aus Stahl, sondern aus Schilf. Wie bei Häring scheinen Räume und Volumina zwanglos gruppiert, obwohl sie einem ausgeklügelten Funktionsplan und konstruktiven Anforderungen unterworfen sind, die man so nur noch bei Brückenbau­ werken kennt – Lasten und Tragen als zusätzliches beiläufiges Funktio­ nalismusspiel der Architektur. Dass die Formensprache des Erweiterungsbaus zugleich den Erforder­ nissen und Gegebenheiten des digitalen Zeitalters Ausdruck gibt, dem sich die Bibliothek längst angepasst hat, versteht sich von selbst. Nicht aber, dass dies auf derart ansprechende und entspannte Weise ge­ schieht. Das gilt ebenso für die Klimatisierung des Ensembles, die dem aktuellen energetisch-ökologischen Standard entspricht. Bleibt die Frage nach der städtebaulichen Einordnung des Neubaus. Eine heikle, denn sie betrifft die vielleicht schwierigste Aufgabe, vor die Gabriele Glöckler gestellt war: Ihr Neubau musste auf zwei markante städtebauliche Figuren eingehen – den ovalen Deutschen Platz sowie die als Prunk­ achse zwischen Neuem Rathaus und Völkerschlachtdenkmal geplante Straße des 18. Oktober. Beide typischen, Leipzig bis heute prägenden Motive des Monumentalismus der Zeit um 1900 erforderten von dem Neubau die Quadratur des Kreises – er muss sich als Solitär behaupten und dennoch als Teil eines künftigen Ganzen fungieren. »Ganz am Anfang steht die Herausforderung, sich für ein dominierendes oder reagierendes Gebäude entscheiden zu müssen«, kommentierte die Architektin. Was sie baute, ist ein Sowohl-als-Auch: Dominant, ja geradezu triumphal erhebt sich, wirkungssteigernd hinterfangen vom Bücherturm, ihr Neubau als Platzeingang, während er sich längs der Straße des 18. Oktober geschmeidig zu einer Randbebauung senkt. Zum Platzoval hin überspielt er die vorgezeichnete Kurve der Baufluchten, ohne sie zu verletzen. So bleibt künftigen Architekten die Wahl, ob sie ähnlich ungezwungen agieren oder sich dem Vorgegebenen anpassen. Dem einstigen und dem heutigen Leipzig kann man kaum selbstbewusster und einfühlsamer seine Reverenz erweisen. 102 103 104 105 The German National Library’s Extension Building in Leipzig Elisabeth Niggemann By linking the historical buildings to its modern architecture, the new fourth annex building at the German National Library’s Leipzig site symbolizes what the library tries to achieve in its daily work: the com­ bining of traditional book culture with the world of digital media and communication. In 2002 Gabriele Glöckler from Stuttgart won the pan-European architectural competition for this new building and was commissioned to realize her concept “Umschlag—Hülle—Inhalt”: “cover—shell—content.” Its characteristic features add a new architectural element to the Deutsche Platz, the location of the German National Library in Leipzig. At the same time, the building connects both functionally and architec­ turally to the historic main building (built 1914–16) and the stack towers. The “cover,” a shiny, silvery weather coat embraces the “shell,” the exterior structure that defines the building’s shape. The “content” is the skeleton of beams and floors. The façade is the building’s opening towards the Deutsche Platz. Translucent, colorful glass elements reflect light, mirroring the sky, the buildings, and the natural surroundings. The building not only provides the space necessary for the library’s collections, users, and staff; it is also impressive in its functionality and sustainability and the striking iconography, transparency, and aesthetic of its design. This is an innovative building in many respects. The excavation pit, with a depth of twelve meters, made it necessary to stabilize the grounds of the historical main building and the book tower through use of a high-­pressure concrete injection technology. To sustain the extraordi­ nary load of the stacks and the exhibition hall on the nine floors above, the foundation of the new building is two meters high. The elabo­ rate fire-protection system is based on a smoke exhaust system. Geothermal energy enables an environmentally friendly heating and cooling of the building. The city of Leipzig contributed to this by allowing the use of the Deutsche Platz for the installation of the technical system and appliances below ground. With a total floor space of 14,000 square meters, the new building primarily serves three purposes. First, the German Museum of Books and Writing (Deutsches Buch- und Schriftmuseum) of the German National Library—the oldest and richest museum of its kind worldwide— received new exhibition halls. Second, the German Music Archive (Deutsches Musikarchiv) of the German National Library was integrated into the historic main building, and both—the Museum and the Music Archive—received new state-of-the-art reading rooms. Third, storage and preservation purposes, which occupy most of the space. Four upper levels and three basement levels offer ideal climate conditions for the collections. They provide space for the growing collection and guarantee the long-term preservation of the objects in accordance with the public mandate of the German National Library. The library’s growth rate of 1000 titles per day makes these new stacks an absolute necessity. The Federal Republic of Germany allocated fifty-nine million euros for the construction of this new annex. The Federal Ministry of Transport, Building, and Urban Development and the Saxon State Office for Taxes and Finances (Landesamt für Steuern und Finanzen) commissioned the public enterprise Saxon Property and Construction Management (Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement) with the project management. Construction started in the summer of 2007. The German National Library collects, records, archives, and offers its users access to Germany’s scientific and cultural heritage. Founded as an initiative of the Association of German Publishers and Booksellers (Börsenverein des Deutschen Buchhandels) on October 3, 1912, the historical main building, the Deutsche Bücherei (German Library), was inaugurated in 1916 and has been extended several times. The book tower, which is the third annex building, was finished in 1982. 106 107 Daten und Fakten Zeittafel Juli 2001 Bedarfsbeschreibung / Bauantrag vierter Erweiterungsbau Juni bis November 2002 Offener, zweiphasiger baulicher Realisie­ rungswettbewerb mit 209 Teilnehmern Juli 2003 Vorlage Optimierungsstudie / Vorplanung September 2004 Vorlage der Machbarkeitsstudie und Wirtschaftlichkeitsberechnung zur Inte­ gration des Deutschen Musikarchivs am Standort Leipzig Juni 2005 Baufachliche Genehmigung und Kosten­ festsetzung durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Juni 2006 Vorlage Entwurfsplanung Gesamtmaß­ nahme Dezember 2006 Planungsauftrag für Ausführungsplanung Januar 2007 Baubeginn für bauvorbereitende Maßnah­ men Juli 2007 Baubeginn Gesamtbaumaßnahme Dezember 2007 Grundsteinlegung März 2009 Richtfest Juni 2010 Teilübergabe an die Deutsche National­ bibliothek Mai 2011 Übergabe Gesamtmaßnahme Mai 2011 Feierliche Eröffnung Kosten Gesamtbaukosten 59,125 Mio. Euro Am Projekt beteiligte Büros und Fachingenieure: Architektur / Entwurf Gabriele Glöckler Bauherr Bundesrepublik Deutschland vertreten durch: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Oberfinanzdirektion Chemnitz / seit 1.1.2011: Landesamt für Steuern und Finanzen des Freistaates Sachsen Baudirektor Bernd Aschauer Bauoberrätin Heike Krenkel Astrin Rose Sächsisches Immobilien- und Baumanage­ ment, NL Leipzig I Baudirektorin Gerlind Berndt Bauoberrätin Simone Richter Kerstin Jahn Bedarfsträger Beauftragter für Kultur und Medien (BKM) Nutzerin und Eigentümerin Deutsche Nationalbibliothek, Anstalt des öffentlichen Rechts Generaldirektorin Dr. Elisabeth Niggemann Direktor in Leipzig Michael Fernau Planung und Realisierung ARGE – Deutsche Nationalbibliothek Gabriele Glöckler / ZSP Architekten, Stuttgart Gabriele Glöckler, Peter Vorbeck Tragwerksplanung ARGE – Tragwerksplanung 4. Erweiterung Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Schlaich Bergermann und Partner, Stuttgart ERFURTH & Mathes, Chemnitz Matthias Stengler, Sven Plieninger Energiekonzept, Entrauchungskonzept INNIUS GTD GmbH, Dresden Dr. Peter Vogel Brandschutz KMS Beratungs- und Planungsgesellschaft mbH, Berlin Lutz Henske Fachplanung Heizung, Lüftung, Klima, Sanitär, Gebäudeleittechnik WINTER Beratende Ingenieure für Gebäude­ technik Leipzig GmbH Uwe Hampel Fachplanung Starkstrom-, Schwachstrom- und Sicherheitstechnik Ingenieurbüro Schlegel & Reußwig GmbH, Leipzig Uwe Hipke Geothermieplanung HGC Hydro-GEO-Consult GmbH, Freiberg Dr. Torsten Abraham Prüfung Standsicherheit Prüfingenieur Georg Lochas, Leipzig Prüfingenieur Andreas Forner, Leipzig Straßen- und Tiefbauplanung DELTA-Planungsgesellschaft mbH, Delitzsch Kathrin Zeidler Freianlagenplanung ARGE – Deutsche Nationalbibliothek Gabriele Glöckler / ZSP Architekten, Stuttgart mit Glück Landschaftsarchitektur, Stuttgart Baugrundgutachten Ingenieurbüro Dr. Michael Kerreit, Leipzig Vermessung Vermessungs- und Ingenieurbüro Kessler, Leipzig Beweissicherung Ingenieurbüro Bauwerkserhaltung GmbH Stöckel & Schmidt, Leipzig Prüfung Brandschutz Jürgen Hahn, Leipzig Lichtplanung ARGE – Deutsche Nationalbibliothek Gabriele Glöckler / ZSP Architekten, Stuttgart mit Edgar Schläfle, Berlin Fassadenplanung ARGE – Deutsche Nationalbibliothek Gabriele Glöckler / ZSP Architekten, Stuttgart mit Mosbacher + Roll Beratungs- und Planungsgesellschaft für Fassadentechnik mbH, Friedrichshafen Museumsgestaltung und Raumbildender Ausbau ARGE – Deutsche Nationalbibliothek Gabriele Glöckler / ZSP Architekten, Stuttgart Ausstellung: Beratung, Planung und Koordinierung Iglhaut + von Grote, Berlin Leit-und Orientierungssystem ARGE – Deutsche Nationalbibliothek Gabriele Glöckler / ZSP Architekten, Stuttgart mit Benjamin Dahl – Visuelle Kommunika­ tion, Weimar Gesundheits- und Arbeitsschutz (SiGeKo) DEKRA Umwelt GmbH, Leipzig Beratung für Strahlenschutz und Schadstoffbelastung Büro Freier Ingenieure, Petersberg / OT Gutenberg Rolf Sandner Schallschutz, Bauakustik, Raumakustik Ingenieurbüro für Bauphysik Horstmann + Berger, Altensteig Fachplanung Fördertechnik MMG Ingenieurgesellschaft für Material­ management mbH, Berlin Setzungsmessung Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Rückert, Leipzig Am Projekt beteiligte Firmen Baufeldfreimachung Reif Baugesellschaft mbH & Co KG, Schkeuditz LAKUWA GmbH, Großböhla Baugrube / Verbau Bilfinger & Berger AG – NL Spezialtiefbau, Arnstadt Rohbauarbeiten Wolff & Müller GmbH & Co. KG, Dresden Gerüst Thyssen Krupp Xervon GmbH, Halle Konstruktiver Holzbau Fa. Merkle GmbH, Bissingen an der Teck Dachabdichtungsarbeiten Werder Bedachungen GmbH, Leutersdorf Metallfassade Henke AG Dächer & Fassaden, Hagen Stahlbauarbeiten STAHLBAU GmbH Krippehna-Eilenburg, Zscheppin Helling & Lindner GmbH, Bad Dürrenberg Fliesenarbeiten Oppermann Bau GmbH, Halle / Saale Wärmedämmverbundsystem Neue Torgauer Maler GmbH, Torgau Fahrregalanlagen bruynzeel archiv & bürosysteme gmbh, Neuss Steuerungstechnik Siemens Building Technologies GmbH & Co. oHG, Leipzig Gebäudeautomation Elektro-Wesser, Oberwiera Entrauchungssteuerung Siemens Building Technologies GmbH & Co. oHG, Leipzig Brandschutztüren Jaeger Ausbau GmbH & Co. KG, Zwenkau Außenanlagen – Verkabelung Elektro Löffler GmbH, Geithain Brandschutzverglasung Jaeger Glas- und Metallbau GmbH & Co. KG, Zwenkau Außenanlagen Umwelt 2000 GmbH, Naunhof Kai-Uwe Gutseel Straßenbau- und Tiefbau, Leipzig Estler Straßen- und Tiefbau GmbH, Hartha GQS Garten- und Landschaftsbau GmbH, Grimma Bauhauptgewerke Braun Bau GmbH, Leipzig Hensel Bau, Süptitz Estricharbeiten Asphalt Schleiz GmbH, Schleiz Geothermie Bau Grund Süd mbH, Bad Wurzach Trockenbauarbeiten Plesch & Seidel GmbH, Klingenthal Heizung und Sanitär Rieck & Kessler – Sanitär und Heizungs­ technik GmbH, Markkleeberg Bodenbelagsarbeiten Raumgestaltung Schandert GmbH, Jüter­ bog Blitzschutz Schmidt & Jankowsky GbR, Zschillichau Vitrinenbau Sehner GmbH, Deckenpfronn Glasfassaden MBM Metallbau Dresden GmbH, Dresden Systemböden Lindner AG, Arndorf Aufzugsarbeiten ELMA Elektro- und Maschinenbau GmbH, Naumburg Lüftungs- und Klimatechnik Zimmer & Hälbig GmbH, Leipzig Kältetechnik REIMA & Co. GmbH, Jessen (Elster) Tischlerarbeiten Uwe Eberth – Innenausbau, Altenberg Loschke – Tischlerei GmbH, Oppach VHB Vereinigte Holzbaubetriebe, Mem­ mingen Isolierungen Mock Isoliertechnik GmbH, Bad Langensalza Malerarbeiten Farbe und Raumgestaltung Plaußig GmbH, Leipzig Maibaum – Malermeister, Gneisenaustadt Schildau Schwachstrom- und Sicherheitstechnik ELSIBA GmbH, Leipzig Starkstromtechnik R+S Solutions GmbH, Dresden Buchtransportanlage Swisslog Telelift GmbH, Berlin Möblierung HPO Hein-Pole-Objekteinrichtung GmbH, Löbau Smow GmbH, Leipzig Verdunklungssysteme Schreckenbach, Jalousie- & Rolladenbau, Hohenossig Schließanlage sbb stahl, Stahl- und Anlagenbau, Leipzig Baustellenbewachung HECTAS Sicherheitsdienst GmbH, Nieder­ lassung Chemnitz Gebäudereinigung HECTAS Gebäudedienste Stiftung & Co. KG, Leipzig Fotodokumentation foto+design, Klaus-D. Sonntag, Leipzig 108 Flächen innerhalb des Bauv­or­ habens 109 Wissenswertes Angaben zur Deutschen Nationalbibliothek Wettbewerbsfläche 12 450 m² Baugrube 12 m tief, 115 m lang, 30 m breit (= 3 450 m²) Entstehungsgeschichte Bruttorauminhalt (BRI) 90 346 m³ 42 000 m³ ausgehobenes Erdreich Deutsche Bücherei, Leipzig, gegründet 1912 Hauptnutzflächen 14 000 m² Gründung auf einer 1,9 m dicken Boden­ platte Deutsche Bibliothek, Frankfurt am Main, gegründet 1946 davon Magazinbereiche gesamt 10 600 m² (136 000 lfm. Regalfachböden) 14 000 m³ verbauter Beton davon allg. Magazin 6 390 m² 3 500 t verbauter Stahl Deutsches Buch- und Schriftmuseum, 1884 gegründet, seit 1950 Abteilung der damaligen Deutschen Bücherei Nebennutzfläche (NNF) 809 m² 4 700 m² Dachschalung Verkehrsfläche (VF) 5 024 m² 1 500 m Stahlbetonträger Bruttogeschossfläche (BGF) 23 601 m² 3 000 m² Holzverbau Vortragsraum und Foyer 229 m² Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek Magazine 1 750 m² Büroräume 434 m² Lesesaal mit 20 Arbeitsplätzen 250 m² Unterfangung der Bestandsgebäude mittels rückverankerter Hochdruckinjek­ tion (zur Stabilisierung wurden 2 200 m³ Beton unter die bestehenden Fundamente gepumpt), 1 300 m Rückverankerung in horizontalen Lagen, 3 800 m (250 Stück) Sicherungsanker Geothermienutzung über 48 Erdwärme­ sonden in einer Tiefe von 124 m und 5 952 Bohrmeter Deutsches Musikarchiv, gegründet 1970 in Berlin als Abteilung der damaligen Deutschen Bibliothek, ab Dezember 2010 Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Aufgrund des Einigungsvertragsgesetzes vom 23.9.1990 Vereinigung der beiden Bibliotheken unter dem Namen »Die Deutsche Bibliothek«, die 2006 einen erweiterten gesetzlichen Auftrag und den neuen Namen erhielt: Deutsche National­ bibliothek Baugeschichte der Deutschen National­ bibliothek in Leipzig Hauptgebäude 1914–1916 Dauer- und Wechselausstellung 1 350 m² Deutsches Musikarchiv der Deutschen Nationalbibliothek Magazine 2 460 m² Temperatur- und Feuchtewerte Magazine allgemeiner Bestand Rel. Luftfeuchte: 50 % ± 5 Temperatur: 18° C ± 2 K Tonträgermagazin Rel. Luftfeuchte: 30 % ± 5 Temperatur: 18° C ± 2 K Ausstellung 150 m² Ausstellung Rel. Luftfeuchte: 50 % ± 5 Temperatur: 20–23° C im Winter 20° C ± 2 K im Sommer 23° C ± 2 K Dritter Erweiterungsbau (Bücherturm) 1976–1982 Gebäudeflächen Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig (Gesamtkomplex) Hauptnutzfläche 62 022 m² Museumslesesaal und Musiklesesaal Rel. Luftfeuchte: 50 % ± 5 Temperatur: 20–24° C im Winter 20° C ± 2K im Sommer 24° C ± 2K Autorinnen und Autoren Gesamtbestand (alle Medien) 26 160 516 Bernd Aschauer ist Architekt und leitet die Bauabteilung im Landesamt für Steuern und Finanzen des Freistaates Sachsen. davon am Standort Leipzig (alle Medien) 16 229 857 Deutsches Musikarchiv: Musiktonträger und Musikalien 1 684 388 Deutsches Buch- und Schriftmuseum: Studiensammlungen 781 991 Fachbibliothek 88 614 davon Magazinfläche 48 482 m² Lesesaalplätze 535 Dieter Bartetzko ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, zuständig für Architektur, Denkmalpflege und Archäologie. Michael Fernau ist der Direktor der Deutschen Nationalbiblio­ thek in Leipzig und ständiger Vertreter der Generaldirektorin. Gabriele Glöckler ist die Architektin des vierten Erweite­ rungsbaus der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig. Burkhard Jung ist der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig. Medienzugang insgesamt / Jahr 761 573 Elisabeth Niggemann ist die Generaldirek­torin der Deutschen Nationalbibliothek mit ihren Standorten in Leipzig und Frankfurt am Main. Benutzung (Stand: 31.12.2010) Astrin Rose ist Bauingenieurin und Sachbearbeiterin im Landesamt für Steuern und Finanzen des Freistaates Sachsen. Angemeldete Benutzer / Jahr 20 787 Lesesaalbesucher / Jahr 226 863 Peter Vorbeck ist Freier Architekt, Inhaber des Büros ZSP Architekten und Partner in der »ARGE – Deutsche National­ bibliothek Gabriele Glöckler / ZSP Architekten«, die das Gebäude geplant und realisiert hat. Bestellungen aus den Magazinen / Jahr 685 261 Katalogzugriffe / Jahr 111 600 800 Zweiter Erweiterungsbau 1959–1963 Vierter Erweiterungsbau 2007–2011 Büroräume einschl. Tonstudio 422 m² Lesesaal mit 20 Arbeitsplätzen 251 m² Erster Erweiterungsbau 1934–1936 Bestandszahlen (Stand 31.12.2010) Haushalt 2010 Beschäftigte 721 Stellen / Planstellen 608,4 Haushaltsvolumen in T Euro 48 513 Maix Mayer lebt und arbeitet als Fotograf und Konzeptkünst­ ler in Leipzig. Seine fotografische und filmische Werkgruppe »RAUMBUCH« entstand im Zeitraum 2009 bis 2011. 110 111 08. 08. 2007 01. 10. 2007 16. 11. 2007 04. 02. 2008 28. 08. 2009 09. 10. 2009 09. 10. 2009 06. 11. 2009 07. 02. 2008 29. 02. 2008 13. 03. 2008 28. 04. 2008 06. 11. 2009 21. 12. 2009 23. 01. 2010 25. 01. 2010 14. 05. 2008 30. 06. 2008 03. 07. 2008 01. 08. 2008 27. 02. 2010 27. 02. 2010 19. 03. 2010 17. 04. 2010 01. 08. 2008 13. 09. 2008 13. 09. 2008 15. 09. 2008 17. 04. 2010 17. 04. 2010 17. 04. 2010 27. 05. 2010 24. 10. 2008 14. 12. 2008 22. 01. 2009 04. 03. 2009 24. 08. 2010 24. 08. 2010 24. 08. 2010 24. 08. 2010 23. 03. 2009 02. 04. 2009 12. 05. 2009 10. 06. 2009 22. 09. 2010 22. 09. 2010 23. 10. 2010 23. 10. 2010 27. 07. 2009 27. 07. 2009 27. 07. 2009 28. 08. 2009 22. 12. 2010 28. 01. 2011 28. 01. 2011 06. 03. 2011 Bildlegenden S. 41: Museumsfoyer S. 42–49: Dauerausstellung Deutsches Buch- und Schrift­ museum S. 50 oben: Wechselausstellung Deutsches Buch- und Schriftmuseum S. 50 unten: Museumsfoyer S. 51–53: Freitreppe S. 54–57: Museumslesesaal S. 58: Freitreppe S. 59: Foyer Vortragsraum S. 60 oben: Vortragsraum S. 60 unten: Musikfoyer S. 61: Musikfoyer S. 62/63: Musiklesesaal S. 64: Musiklesesaal im Innenhof S. 72–75: Magazine S. 76–78: Büroräume Herausgegeben von der Deutschen Nationalbibliothek und dem Landesamt für Steuern und Finanzen des Freistaates Sachsen Redaktion: Bernd Aschauer, Gerlind Berndt, Michael Fernau, Barbara Fischer, Gabriele Glöckler, Annett Koschnick, Elisabeth Niggemann, Simone Richter, Astrin Rose Verlagslektorat: Birte Kreft, Vajra Spook Grafische Gestaltung: Christina Hackenschuh, Markus Braun, hackenschuh communication design, Stuttgart Schrift: Aaux Pro Verlagsherstellung: Ines Sutter Reproduktionen: Schwabenrepro GmbH, Stuttgart Papier: Profi Silk, 170 g/m2 Bildnachweis Luftbild S. 4: Luftbildpilot Harald Anders Fotografien S. 6–13, 18/19, 41–65, 70–79, 87–97, 102/103: Maix Mayer Skizzen S. 16, 20, 24, 30, 33, 80, 98, 100, 104: Gabriele Glöckler Visualisierungen S. 27–29: Jan Forner, Di-Vision 3 Fotografien S. 32–34: Gabriele Glöckler Architekturzeichnungen S. 22, 25, 34, 36–40, 66–69, 81, 84/85: Arbeitsgemeinschaft – Deutsche Nationalbibliothek Gabriele Glöckler / ZSP-Architekten Schaubilder S. 82: Benjamin Dahl Fotografien S. 110/111: foto+design Klaus-D. Sonntag Buchbinderei: Kunst- und Verlagsbuchbinderei GmbH, Leipzig Druck: Dr. Cantz’sche Druckerei, Ostfildern © 2011 Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, und Autoren Erschienen im Hatje Cantz Verlag Zeppelinstraße 32 73760 Ostfildern Tel. +49 711 4405-200 Fax +49 711 4405-220 www.hatjecantz.de ISBN 978-3-7757-2763-1 Printed in Germany Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publika­ tion in der Deutschen Nationalbibliografie; detailierte bib­ liografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Maix Mayer