Kombiniertes Silent-Sinus-Syndrom der Kiefer

Werbung
Kombiniertes Silent-Sinus-Syndrom der Kiefer- und
Stirnhöhle
Einleitung
▼
Radiologische Untersuchungen der Nasennebenhöhlen zur Klärung rezidivierender
und chronischer Sinusitiden gehören zur
klinischen Routine, wobei neben dem klinischen Verlauf auch eventuell vorhandene
Voraufnahmen in die Beurteilung der Erkrankung und der daraus resultierenden
Therapieempfehlung mit einfließen müssen.
Fallbeschreibung
▼
Ein 65-jähriger Patient stellt sich mit einem
seit ca. 3 Monaten bestehenden einseitigen Enophthalmus des linken Auges mit
begleitender Lidretraktion in der HNOärztlichen Ambulanz vor. Die Veränderungen seien zunächst seiner Ehefrau aufgefallen, Seheinschränkungen habe er nicht
bemerkt. Ein unter der Verdachtsdiagnose
eines Horner-Syndroms durchgeführtes
MRT des Halses blieb unauffällig, auch ein
MRT des Gehirns ergab keine Ursache für
die Beschwerden des Patienten. Nebenbefundlich fielen jedoch Schleimhautschwel-
lungen der linksseitigen Nasennebenhöhlen, insbesondere des Sinus frontalis sowie
Sinus maxillaris auf, die medikamentös
behandelt wurden. Im letzten Jahr seien
mehrfach grippeähnliche Episoden mit geringem Druckgefühl an der linken Stirn
aufgetreten, die unter spontanem Sekretabgang abgeklungen seien.
Eine vor ca. 11 Monaten ambulant durchgeführte Computertomografie der Nasennebenhöhlen ergab keinen pathologischen
Befund. Abgesehen von einer Tonsillektomie war die HNO-ärztliche Anamnese leer,
internistische Vorerkrankungen lagen nicht
vor.
Inspektorisch zeigten sich ein einseitiger
Enophthalmus des linken Auges mit begleitender Lidretraktion sowie eine Anisokorie zugunsten des rechten Auges. Abgesehen von einer leichten Diplopie beim
Blick nach links blieb der übrige orthoptische Befund unauffällig.
Nach laborchemischem Ausschluss einer
endokrinen Ursache wurde zur weiteren
Abklärung des Enophthalmus eine native
Computertomografie der Nasennebenhöhlen angefertigt (Philips iCT SP, 120 kV,
50 mAs, primäre Rekonstruktionsschicht-
dicke 1 mm, Inkrement 1 mm, 3 mm
Schichtdicke in den multiplanaren Rekonstruktionen). Diese zeigte einen linksseitigen Enophthalmus um ca. 4 mm sowie einen geringen Hypoglobus. Ferner
waren die linksseitigen Nasennebenhöhlen, insbesondere der Sinus frontalis und
Sinus maxillaris, geringer die Cellulae ethmoidales subtotal verlegt. Die linke mittlere Nasenmuschel war gering lateralisiert. Weiterhin zeigten sich diffuse, teils
sklerosierende, teils lytische knöcherne
Veränderungen insbesondere des linken
Orbitadachs und -bodens mit Vorwölbung
in die angrenzende Stirn- sowie Kieferhöhle. Konsekutiv fand sich eine zunehmende kraniokaudale Ausdehnung der
▶ Abb. 1). Eine ergänzend
Orbitahöhle (●
durchgeführte MRT der Orbitae zeigte keine intraorbitalen Läsionen sowie einen
unauffälligen Fettkörper.
Der Vergleich mit der zwischenzeitlich vorgelegten auswärtigen CT zeigte, dass sowohl die Volumenzunahme der linken
Orbita als auch die Volumenabnahme der
Kiefer- und Stirnhöhle in kurzer Zeit neu
▶ Abb. 2).
aufgetreten waren (●
Diskussion
▼
Das Silent-Sinus-Syndrom ist eine seltene
Erkrankung der Nasennebenhöhlen, die
charakterisiert ist durch asymmetrische
Gesichtszüge mit einseitigem Enophthal-
Goldstein J et al. Kombiniertes Silent-Sinus-Syndrom der … Fortschr Röntgenstr 2016; 188: 583–584 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-101252
583
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
The Interesting Case
The Interesting Case
Abb. 1 1. Aufnahmebefund: Erhöhtes Orbitavolumen und Atelektase des linken Sinus
maxillaris und frontalis.
mus aufgrund einer chronischen, typischerweise subklinischen Entzündung
des Sinus maxillaris mit konsekutiver Atelektase des Sinus, häufig in Kombination
mit einem Hypoglobus (Numa WA et al.
Ann Otol Rhinol Laryngol 2005; 114:
688 – 694). Pathophysiologisch kommt es
durch eine chronische Belüftungsstörung
über eine Resorption der Luft zu einem
persistierenden Unterdruck mit der Folge
einer Osteopenie sowie einer sogenannten Implosion der knöchernen Begrenzungen, insbesondere des dünnen Orbitabodens. Strengere Definitionen setzen die
Abwesenheit von Voroperationen, traumatischen Ereignissen oder akuten oder
chronischen Sinusitiden voraus (Hobbs
CG, Saunders MW, Potts MJ. Br J Ophthalmol 2004; 88: 974 – 975). Die Erkrankung
betrifft Männer und Frauen etwa zu gleichen Teilen, typischerweise in der 3. bis
5. Lebensdekade (Numa WA et al. Ann
Abb. 2 2. Voruntersuchung: Unauffällige Abbildung der Orbitae sowie der Nasennebenhöhlen.
höhtem Orbitavolumen und Atelektase der
betroffenen Nasennebenhöhlen zur Diagnose eines Silent-Sinus-Syndroms. Insbesondere die unauffällige Voruntersuchung
erleichterte dabei die Diagnosestellung.
Aufgrund der letztlich unspezifischen
Symptomkonstellation muss vor der Diagnose eines Silent-Sinus-Syndroms an
eine Vielzahl anderer Ursachen gedacht
werden. Hierzu zählen traumatische Defekte und Erkrankungen des Skelettsystems (M. Paget, Osteolysen, Osteomyelitis), Lipodystrophien und Kollagenosen
(SLE, M. Wegener, Sklerodermie), aber
auch intraorbitale Raumforderungen wie
Metastasen (typisch: szirrhöses Mammakarzinom), Orbitavarizen sowie angeborene Skelettfehlbildungen.
Kernaussagen
Otol Rhinol Laryngol 2005; 114: 688 –
694), bis 2005 wurden in der Literatur circa 84 Einzelfälle beschrieben (Numa WA
et al. Ann Otol Rhinol Laryngol 2005;
114: 688 – 694). Während das Krankheitsbild zunächst für den Sinus maxillaris beschrieben wurde und definitionsgemäß dessen Beteiligung voraussetzt
(Illner A et al. AJR 2002; 178: 503 – 506),
wurden später auch Fallberichte über ethmoidale (Heilmeier U et al. Radiologe
2010; 50: 902 – 906) und frontale Formen
veröffentlicht (Naik RM, Khemani S, Saleh
HA. Otolaryngol Head Neck Surg 2013;
148: 354 – 355).
Die im vorliegenden Fall kombinierte Beteiligung von Stirn- und Kieferhöhle stellt
somit eine Rarität dar. Hier führten die typische klinische Befundkonstellation sowie
das computertomografische Bild mit er-
▼
1. Zu den seltenen Ursachen eines einseitigen Enophthalmus gehört das
Silent-Sinus-Syndrom, das computertomografisch durch eine orbitale Volumenzunahme sowie Atelektase der Nasennebenhöhlen gekennzeichnet ist.
2. Das klassische Silent-Sinus-Syndrom
befällt den Sinus maxillaris, es existieren jedoch Fallberichte über ethmoidale
und frontale Formen. Die Therapie besteht in der operativen Beseitigung der
Belüftungsstörung der betroffenen Nasennebenhöhlen.
3. Aufgrund der unspezifischen Symptomkonstellation muss vor der Diagnosestellung eine Vielzahl weiterer Ursachen
eines einseitigen Enophthalmus ausgeschlossen werden.
J. Goldstein, D.R. Hadizadeh, F. Bootz, Bonn,
Germany
Hierholzer J. Erfolgreiche perkutane Behandlung … Fortschr Röntgenstr 2016; 188: 584–586 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-102790
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
584
Herunterladen