regisseur und bühnenbildner gustav manker

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REGISSEUR UND BÜHNENBILDNER GUSTAV MANKER
Von Rudolf W e y s (Wien)
Im Anfang war das Bühnenbild, dann erst kam das W o r t . Wohl hatte Gustav
Manker im Reinhardtseminar 1933/35, also zu Zeiten, da dort auch noch
Max Reinhardt seine Vorlesungen hielt, alle drei möglichen Fächer inskribiert:
Schauspiel, Regie und Bühnenbild. Doch seine erste Arbeit in der Praxis waren
Bühnenbilder für das „Theater in der Praterstraße", eine kleine, sehr ambitionierte Bühne, die Anfang der dreißiger Jahre unter der Direktion Ernst Lönner
zur Avantgarde zählte und schon deshalb kein Geld hatte. Also hieß es die
Kulissen selber basteln für Oedön von Horvaths „Casimir und Caroline". In
dem tschechischen Schauspiel „Die Moldauschiffer" — deutsdie Bearbeitung von
Merz und Grindel — wirkte Manker auch als Schauspieler mit. Ein Start wie
heute in Kellerbühnen. Danach ging Manker zwei Jahre nach Bielitz (1936/38);
engagiert als Schauspieler, stand für ihn zum erstenmal das W o r t im Vordergrund. Aber dabei sollte es nicht bleiben, D i r e k t o r J a h n holte ihn wieder nach
Wien zurück, und zwar als Bühnenbildner für das Deutsche Volkstheater.
B r u n o Walter Ilz, der nach dem Umbruch 1938 als Intendant das Haus übernahm, bestätigte den Vertrag, obwohl er bereits zwei prominente Bühnenbildner verpflichtet hatte. Entwürfe zu den „Räubern", die Manker zunächst
lediglidi als „Talentprobe" zu zeichnen hatte, wurden jedoch, da sie dem Intendanten gut und richtig schienen, zu der als Saisoneröffnung angesetzten Neuinszenierung des Schillerdramas tatsächlich eingesetzt. „Robinson soll nicht sterb e n " folgte fast anschließend, Mankers Entwürfe gefielen abermals, seine Position als Bühnenbildner war damit gesichert.
Schon in jenen Tagen begegnete Gustav Manker seinem heutigen Direktor
Leon Epp, der damals im Volkstheater als Regisseur fungierte. Neben den
Volkstheater-Inszenierungen besorgte Manker in Kriegsjahren aber auch die
gesamte Ausstattung der Exlbühne und zeitweilig lieh er seine Hand auch dem
unter R o b e r t Valberg 1942 neueröffneten Bürgertheater. Soweit die Vorgeschichte. Mankers eigentliche Stärke, die Doppelfunktion als Regisseur und
Bühnenbildner, ließ sich erst nach 1945 erkennen.
Als nach Kriegsende das von Fliegerbomben angeschlagene Volkstheater unter
der Direktion Günther Haenel im September 1945 wieder zu spielen begann,
zählte Manker zu jenen, die das Haus aus der nationalen Ära übernahm. Audi
da blieb seine Aufgabe zunächst weiterhin die Bühnenbildnerei. Es lag mutmaßlich an Mankers eigenem Wunsch und Drängen, daß Haenel ihm nebenbei
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Regisseur und Bühnenbildner Gustav Manker
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auch probeweise die Regie zu Stefan Zweigs „Volpone" überließ, der Priestleys
„Gefährliche Wahrheit" und Molnars „Gläserner Pantoffel" alsbald folgten.
Schon bei diesen ersten Versuchen überwand Manker jenes begreifliche Mißtrauen, das Schauspieler Neulingen der Regie stets entgegenzubringen pflegen.
Sie erkannten jedoch sogleich, daß er sie richtig führte und so hatte er bald alle
ui der Hand. Er besorgte pro Saison zirka 2 bis 3 Inszenierungen, daran sollte
sich audi unter der nachfolgenden Direktion Barnay (1948/52) nichts ändern.
Bühnenbilder schuf er in jenen Jahren freilich noch immer ungleich mehr, zum
Teil auch für andere Theater wie etwa für die „Kammerspiele" und die
damals von Leon Epp geleitete „Insel". Ebenso stellte er für das „Theater in
der Josefstadt" Ausstattungen, dort inszenierte er auch „Rebecca", den dramatisierten Thriller von Daphne Maurier und als Gastspiel der Josefstadt im
Bürgertheater „Menschen in Weiß", das berühmte Ärztestück der dreißiger
Jahre. Auch die erste Gastregie nach Kriegsende im Ausland wurde Gustav
Manker anvertraut: Nestroys „Talisman" im Zürcher Schauspielhaus (1952).
Doch sein Stern sollte noch höher steigen. Leon Epp übernahm 1952 die
Volkstheaterdirektion und überließ schon im ersten Spieljahr Gustav Manker
die Regie zu „Frau Warrens Gewerbe", Goldonis „Mirandolina", Nestroys
„Haus der Temperamente" und Camus' „Belagerungszustand". Speziell die
zwei letztgenannten Inszenierungen zählen zu Mankers größten Erfolgen. Beide
Male stellte er auch das Bühnenbild, Optik und Schauspielerführung konnten
sich so optimal ergänzen.
Gustav Manker geht nach genauem Studium des von ihm zu inszenierenden
Stückes wohl überhaupt zumeist vom Optischen aus, auch wenn er nicht persönlich das Bühnenbild dazu stellt. Will sagen, er überdenkt den reibungslosen
Ablauf des Abends, die Konzentration der Schauplätze auf deren wesentliche
Aussagefunktion, kurzum, er steckt in seinem Regiebudi zunächst den „Spielraum" ab. Erst dann — im zweiten Arbeitsstadium — überdenkt er Aktion
und Wort. Hier läßt er sich gerne die Möglichkeit offen „elastisch" zu bleiben,
noch auf den Proben weiterzudenken. Einfällen der Schauspieler durchaus nicht
abgeneigt, nimmt er auch niemals einem Darsteller die persönliche Eigenart.
Auf Detailakzenten besteht Manker nur dort, wo sie ihm als Stückaussage
wesentlich scheinen. Ansonst mag der Schauspieler sein Trinkglas in die Hand
nehmen, wann und wie er will, ein Buch ergreifen oder auch nicht, seine
Schritte verknappen oder ausdehnen, in Nebensächlichkeiten soll jedenfalls nie
ein Regiekorsett den Darsteller beengen. Manker hält es in solcher Hinsicht
wohl mit Heinz Hilperts Devise: „Einfälle sind Läuse des Regisseurs".
Nach Mankers Arbeitsrezept erstand denn 1953/54 Nestroys äußerst selten
gespielte sozialkritische Posse „Der Sdiützling" fast als eine „Pièce noire", die
„Lysistrata" des Aristophanes hingegen präsentierte sich erotisch-drastisch.
Daran schlossen sich in klar präziser Zeichnung Dürrenmatts „Die Ehe des
Herrn Mississippi" und Cocteaus „Bacchus". Kontrastreicher kann sich eine
Spielzeit für einen Regisseur wohl kaum gestalten.
In der Saison darauf überragte O'Neills „Der Eismann kommt" turmhoch
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Rudolf Weys
den belanglosen „Garten Eden" und audi Horvaths „Dorf ohne M ä n n e r " . Der
„Eismann" war eine Aufführung von beklemmender Wudit, im Detail minutiös gefeilt, im Ganzen fast einem amerikanischen „Nachtasyl" vergleichbar.
1955/56 stachen Nestroys „Mein Freund" und die überaus schwierige, traumreale Darstellung von Tennessee Williams „Camino real" hervor, 1956/57 „Die
chinesische Mauer" von Max Frisch.
Durchschnittlich haben drei bis vier, manchmal auch fünf Inszenierungen
pro Saison Manker zum Spielleiter. So etwa 1957: „Lumpazivagabundus",
„Ein Ausgangstag", Unterhaltungsvolksstück mit Annie Rosar, Sartres „Der
Teufel und der liebe G o t t " , Kingsleys Anklagedrama „Sonnenfinsternis" und
als fünfte Inszenierung „Der Milchwald", die als Hörspiel verfaßte Dichtung
von Dylan Thomas. Weißgott kein leichtes Programm. Aber gerade die schwierig darzustellenden Schauspiele sind es, die Manker reizen. Da ist er in seinem
Element. An solchen Brocken schärfen sich sein malerisches und sein geistiges
Auge. Er packt das Kernproblem und bemüht sich, dessen Darstellung klar
faßbar herauszuarbeiten. Jeder Billigkeit und Sentimentalität ist er abhold.
Audi in leichter wiegenden Stücken. Deshalb ist seine Hand zuweilen für
charmante Gesellsdiafts- und Unterhaltungsstücke audi zu schwer. „Willst
schon wieder ein lieber, sympathischer, guter Mensch sein?" herrscht er den
Schauspieler an, der mehr auf Charmeausstrahlung und Lachwirkung bedacht
ist, statt den Kern der darzustellenden Figur zu fassen. Bei Nestroy schürft
Manker schon gar nicht nach possenhaft-verbindlichem Altwiener H u m o r ; er
sieht ihn schärfer und ernster als landesüblich, sucht in ihm den kritischen
Spötter und stellt die ätzende Bitterkeit des Nestroy-Witzes ins Rampenlicht.
Anders gesagt: Manker zeigt das proletarische Herz der Nestroyfiguren. Hier
funktioniert der kritische H u m o r des Regisseurs präzise richtig, hier wiegt kein
W o r t zu schwer.
„Blick zurück im Z o r n " inszenierte Manker 1958 im selbstgeschaffenen,
dumpf bedrückenden Bühnenbild fast wie eine Studie zur Psychohygiene. Aus
der pietätvollen Grillparzerausgrabung „Blanka von Kastilien" — einer Uraufführung! — war nicht viel herauszuholen und audi Anzengrubers „Kreuzelschreiber" stellten Manker so wenig vor Regieprobleme wie Hermann Bahrs
„Josephine", die ihm nur allzu grob geriet. Dem aber folgte 1959/60 eine verblüffend unorthodoxe Räuber-Inszenierung auf geteilter Bühne — links das
Spiel Karl Moors und seiner Räuber, rechts Franz Moor und das Schloß — ,
die klar, intensiv und modern wirkte und dennoch Schillers Feueratem hatte.
Es war eine dialektische Interpretation, die Funken sprühte.
Sartres Filmentwurf „Das Spiel ist aus", als Bühnenstück inszeniert, war
Mankers nächste Regietat. Er wählte betont einen schemenhaft filmischen Stil.
Die Lebenden und Toten, neben- und durcheinander auftretend, erschienen „wie
bei Kafka und Kubin angesiedelt", meinte die Kritik. „Sartre hat seinen Manker
gefunden. Der vom Bild her kommende, sehr persönliche Regisseur ist der
berufene Nachdichter dieser Vision gescheiter Melancholie und pessimistischer
Scheinhintergründigkeit. "
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Regisseur und Bühnenbildner Gustav Manker
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Wedekinds Wiedererweckung, die Manker mit der „Büchse der P a n d o r a "
(1960/61) einleitete, krönte seine Erfolge. Die Richtigkeit und prägnante Geschlossenheit der im Geiste des Dichters nachgezeichneten Inszenierung bleibt
beispielgebend. Ergänzendes hiezu kann man im Kapitel „Volkstheater" nachlesen. Desgleichen Angaben zu allen seither im Stammhaus inszenierten Stücken.
Z u r Jahreswende 1961/62 führte Manker in Stuttgart Gastregie bei Scribes
„Ein Glas Wasser" und O'Neills „Eines langen Tages Reise in die N a c h t " .
D a r a n Schloß sich in Wien „Die J ü d i n von T o l e d o " in psychologisch moderner,
auf Charakterforschung bedachter Darstellung. Danach abermals eine Gastregie:
N e s t r o y in Basel. Der Rest der Saison gehörte der Arbeit im Volkstheater.
Daß G u s t a v Manker zu den stärkst akzentuierten Regisseuren Wiens zählt,
steht außer Zweifel. J e d e Inszenierung zeigt ein unverwechselbares Profil, selbst
jene, über die sich streiten ließe. Dennoch hat Manker sich nie einem bestimmten Stil, schon gar nicht einer Manier verschrieben. Für ihn bildet sich „ S t i l "
von Fall zu Fall; jeweils gültig ist der, den das Werk fordert. Wohl gerade
deshalb weiß m a n Manker im In- und Ausland zu schätzen. Im Volkstheater
läßt sich jedenfalls eine Saison ohne ihn k a u m denken.
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