Hyperthermie – Hitzeschock für Tumoren

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Forschung am Krankenbett
Hyperthermie
Hyperthermie – Hitzeschock für Tumoren
Mit seinen Arbeiten zum Nutzen der regionalen Tiefenhyperthermie (RHT)
für die Krebstherapie begann Prof. Rolf Issels, Leiter der Klinischen
Kooperationsgruppe „Hyperthermie“ in der GSF, bereits Mitte der 80er
Jahre. Seit 1993 wird die RHT als Behandlungsmethode im Rahmen eines
Modellvorhabens von den Krankenkassen durchgeführt. 1999 wurde die
KKG gegründet, deren Forschungsspektrum von der klinischen Forschung
zur Tiefenhyperthermie bis hin zur biologischen Forschung auf dem
Gebiet der Immunologie und der Zellbiologie reicht.
rhöhte Körpertemperaturen versetzen
Zellen in Stress, auch Tumorzellen:
Werden diese mit Hilfe elektromagnetischer Wellen auf 40-44 Grad Celsius
erwärmt, beginnt ab 42 Grad Celsius das kollektive Absterben der Zellen. Temperaturen
über 40 Grad machen Tumorzellen angreifbarer für natürliche Abwehrprozesse und
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Strahlen- oder Chemotherapie. „Aufgrund
des Abtransports von Wärme aus gut durchbluteten Stellen können wir den Tumor zwar
nicht gleichmäßig erhitzen,“ erläutert Professor Rolf Issels, Leiter der Klinischen Kooperationsgruppe Hyperthermie. „Die durchbluteten Bereiche werden aber dafür von Zytostatika besonders gut erreicht.“
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Hyperthermie
Symbiose von biologischer Forschung und Klinik
Ganz im Sinne des translationalen Forschungsansatzes der GSF
haben nicht nur die rein klinischen Untersuchungen, sondern
auch zugehörige biologische Forschungsaspekte in der Klinischen Kooperationsgruppe „Hyperthermie“ einen hohen Stellenwert. Verschiedene Arbeitsgruppen konzentrieren sich vor
allem auf zwei Bereiche: Den Einfluss von Hitzeschockproteinen
auf das Immunsystem und die Liposomenforschung.
Hitzeschockproteine – Aktivatoren des Immunsystems
Biologisch bedeutet eine Behandlung mit Hyperthermie, dass
im Tumor Hitzeschockproteine (HSP), auch Stressproteine genannt, induziert werden. Sie sind für die Krebsforschung interessant, weil sie auf verschiedene Weise in das körpereigene
Immunsystem eingreifen. Unter anderem markieren sie Tumorzellen und machen sie für die Killerzellen des Immunsystems
erkennbar. Zellen, die HSP bilden, können daher stärker von den
Killerzellen zerstört werden und das Immunsystem kann den
Tumor wirksamer bekämpfen. Issels und seine Mitarbeiter fanden bei ihren Untersuchungen, dass die Induktion des Proteins
HSP 70 die Immunantwort gegen den Tumor auf zweierlei
Weise verstärkt. Zum einen wirkt HSP 70 als Gefahrensignal für
natürliche Killerzellen und für dendritische Zellen, wodurch
deren Vermehrung und zytotoxische Aktivität verstärkt wird.
Zusätzlich zu dieser Zytokin-Funktion konnte mit HSP 70 aus
humanen Melanomzellen auch eine antigenspezifische T-Zellantwort erreicht werden: Werden HSP-Komplexe aus den Melanomzellen isoliert und auf dendritische Zellen gegeben, dann
reifen diese aus zu Antigen-präsentierenden Zellen (APC), die
Antigene so verarbeiten und auf ihrer Zelloberfläche vorführen,
dass sie von den T-Zellen erkannt werden können. Die Untersuchungen zu den dendritischen Zellen wurden in enger Kooperation mit Dr. Elfriede Nössner vom GSF-Institut für Molekulare
Immunologie durchgeführt.
Liposomen als Fähren
Das zweite wichtige Standbein der biologischen Forschung in
der KKG „Hyperthermie“ sind Liposomen. Diese künstlichen
Kügelchen aus Phospholipiden, in die Wirkstoffe eingebracht
werden können, sind „höchst interessant“, schwärmt Issels. In
Zusammenarbeit mit dem MPI für biophysikalische Chemie in
Göttingen gelang es seinem Mitarbeiter Dr. Lars Lindner, thermoempfindliche Liposomen herzustellen, die sich bei ganz
bestimmten Temperaturen (41-42°C) öffnen und ihren Inhalt
freigeben. Der Therapie mit Hyperthermie eröffnen sich dadurch
ungeahnte Möglichkeiten: Hochtoxische Zytostatika könnten
mit den Liposomen zum Tumor gebracht und dort durch Erwärmung gezielt freigesetzt werden. Dies wird für die KKG-eigenen
Liposomen am Modell des amelanotischen Melanoms beim
syrischen Goldhamster untersucht. Am selben Modell wird neuerdings auch eine weitere Einsatzmöglichkeit für die Liposomen geprüft: Temperaturempfindliche Liposomen, die mit einem
Kontrastmittel gefüllt sind, sollen die Temperaturkontrolle während der Hyperthermie-Behandlung vereinfachen. Wird das
Kontrastmittel bei definierten Temperaturen freigesetzt und im
Kernspin sichtbar, könnte die invasive Temperaturkontrolle über
Sonden überflüssig werden. Dies wäre eine wesentliche
Erleichterung für die Patienten, denn es würde „eine richtige
nicht-invasive Temperaturmessung erlauben, nicht nur das
Monitoring von Hot Spots“,
blickt Issels in die Zukunft.
Jüngst erhielt die Arbeitsgruppe von Lindner einen
Preis beim Münchener Businessplan-Wettbewerb.
Klinik und Labor
befruchten sich
„Mit den klinischen Untersuchungen und der gleichzeitigen Anbindung an die Grundlagenforschung ist die KKG
ein ideales Instrument translationaler Forschung“ bilanziert Issels. „Ich glaube, dass
gerade die Einrichtung dieser
KKG für das Vorankommen
einer neuen Behandlungstechnik mit allen Facetten der
Forschung hier ganz entscheidend war.“
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Hyperthermie
Neue Form der Teilkörperbehandlung
Prof. Rolf Issels, Leiter der Klinischen Kooperationsgruppe „Hyperthermie“ in der GSF, begann als
einer der Pioniere auf seinem Gebiet erstmals 1986
mit Arbeiten zum Nutzen der regionalen Tiefenhyperthermie (RHT) für die Krebstherapie.
Kontakt
Prof. Dr. Rolf Issels
GSF-Institut für Molekulare
Immunologie
KKG „Hyperthermie“
Tel.: 0 89/70 95-47 69
rolf.issels@
med.uni-muenchen.de
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Issels begann als einer der Pioniere auf diesem Gebiet erstmals 1986 mit seinen Arbeiten zum Nutzen der regionalen Tiefenhyperthermie (RHT) für die Krebstherapie. Als Modelltumoren dienten Issels von Anfang an
Weichteil- und Knochentumoren, die vom
Binde- und Stützgewebe ausgehen und als
Sarkome bezeichnet werden. Im klinischen
Bereich interessierte Issels und seine Mitarbeiter besonders, wann ein bestimmtes
Weichteilsarkom durch die Kombination von
Hyperthermie mit anderen Therapiemethoden besser behandelbar ist. An HochrisikoWeichteilsarkom-Patienten wurde eine Phase-III-Studie begonnen, die zeigen soll, ob bei
diesen tief lokalisierten, großen Tumoren die
Kombination von Hyperthermie und Chemotherapie die Heilungschancen im Vergleich zu
alleiniger Chemotherapie verbessert. Eine
vorangegangene Phase-II-Studie brachte
hierzu ermutigende Ergebnisse: Es zeigte
sich, dass Patienten, die auf die Hyperthermiebehandlung ansprechen, eine signifikant
höhere Chance haben, nach einem Zeitraum
von fünf Jahren tumorfrei zu leben.
Issels übertrug das bei den Sarkomen erworbene Wissen mittlerweile auch auf Dick- und
Enddarmkrebs sowie zuletzt auf das Pankreaskarzinom im lokoregional fortgeschrittenen Stadium. Auch hier wird untersucht, ob
die Kombination von Chemotherapie bzw.
Radiochemotherapie und Hyperthermie den
Therapieerfolg verbessert. Für diese im
Bauch oder im Becken sitzenden Tumoren besitzt die KKG ein neuartiges Hybridsystem,
das aus dem Hyperthermiegerät und einem
Kernspintomographen besteht. Mit diesem
System kann der gesamte Bereich vom Becken bis unterhalb der Lunge auf einmal erwärmt werden. Mit Hilfe des Kernspintomographen wird dabei gleichzeitig verhindert,
dass in so genannten „Hot Spots“ gesundes
Gewebe durch zu hohe Temperaturen geschädigt wird. „In Deutschland sind unsere
KKG im Klinikum Großhadern und die Charité
in Berlin die einzigen Zentren, die als Modellvorhaben die Teilkörperhyperthermie durchführen“, berichtet Issels stolz. Unter Leitung
der GSF wurde zwischen beiden Zentren über
den Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft für vorerst drei Jahre ein
„Virtuelles Institut der Exzellenz“ eingerichtet.
Im SIGMA-EYE-MR-Applikator, einem Hybridsystem
aus Hyperthermiegerät und Kernspintomograph,
erhalten Tumorpatienten Teilkörperbehandlungen.
Die GSF ist neben der Charité in Berlin die einzige
Einrichtung, die diese erweiterte Methode zur Verfügung stellt.
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