Gotthard Odermatt — Trauminstrument Oboe World Band Festival

Werbung
14. Jhg.
Mit
Ausgabe 11/05
€ 2.90 E-14205
großem
Länderteil
Gotthard Odermatt — Trauminstrument Oboe
World Band Festival — mit Spitze zur Breite
Felix Hauswirth — ein Weltreisender wird 50
Thorsten Wollmann — »Northern Thai Suite«
I n h a l t
Instrumental
Spitzenmusiker und ihr Instrument: Gotthard Odermatt
6
Performance
Titelbild:
Ein Lob von Maestro
Karajan adelte den ehemaligen Sängerknaben
Gotthard Odermatt bereits
in jungen Jahren. Die
wahre Liebe aber galt
nicht dem Gesang, sondern
der Oboe. Heute widmet
sich der Orchestermusiker,
Pädagoge und Dirigent
gerne ausgiebig seinem
kompositorischen Schaffen.
Noch werden die Werke als
Geheimtip gehandelt, was
sich nach der Aufführung
seines Oktetts durch das
Zürcher Kammerorchester
aber sicher schnell ändern
wird. Der junge Schweizer
überzeugt nämlich nicht
nur durch Kreativität,
sondern weiß auch ganz
genau, was Bläser sich
wirklich wünschen.
Die Spitze kommt in der Breite an:
7. World Band Festival in Luzern mit 16.000 Besuchern
16
»Für mich war das eigentlich nur Spaß«:
1. Preis für Szabolcs Zempléni bei ARD-Wettbewerb
28
Portrait
Mit
Ein Weltreisender in Sachen
Bläsermusik: Der Dirigent
und Dozent Felix Hauswirth
feiert 50. Geburtstag
20
Länderteil 31
großem
ab
Seite
Ganz nah dran am sinfonischen Klangideal:
Das Blasorchester Siebnen unter Tony Kurmann
44
55 Jahre Rundfunk-Blasorchester Leipzig:
»RBO« besticht durch Vielfalt und Tradition
47
Theorie & Praxis
»Northern Thai Suite«: Südostasiatische Impressionen
aus der Werkstatt des Komponisten Thorsten Wollmann
48
Verein
— Geschäftsführender Vorstand automatisch haftbar?
— Was darf eine kleine Aufmerksamkeit kosten?
— Sozialversicherungsbeiträge ab 2006 früher fällig
48
49
49
Special
»Geist–reiche« Spirituals: Jan von Klewitz’ neue CD
64
Was macht eigentlich ...?
... Prof. Dr. Friedrich Weyermüller?
66
Rubriken
Ouvertüre
Medley
Musikladen
Musikerbörse
Termine
Scheibenkleister
3
12
22
53
56
60
Inserentenverzeichnis
Impressum
51
59
Fotos: Tenzer
(Gotthard Odermatt)
I n s t r u m e n t a l
6
M – MUSIK ZUM LESEN 11 | 05
I n s t r u m e n t a l
N
Nicht wenige Oboisten-Karrieren haben damit begonnen, daß sich im Früherziehungskurs schlußendlich jemand fand, der sich der
gefräßigen und mit weiteren, wenig schmeichelhaften Eigenschaften ausgestatteten
„Ente“ erbarmte. Wenngleich es sich nicht
um „Peter und der Wolf“ handelte, so war es
doch eine Oboe auf einer Hörspielkassette,
die den damals siebenjährigen Gotthard
Odermatt komplett verzauberte. Aber auch
der Beginn einer anderen Passion zeichnete
sich bereits im zarten Alter ab, denn bereits
als Grundschüler wagte der Schweizer seine
ersten Kompositionsversuche. Mit der Aufführung seines Bläseroktetts op. 15 durch
das Zürcher Kammerorchester scheint der
junge Instrumentalist und Dirigent jetzt
auch als Komponist endgültig in der Profiliga angekommen zu sein.
■ Von Sandra Sinsch
Entgegen landläufigen Trends betrachtete der in
Zürich aufgewachsene Innerschweizer die Blockflöte nicht als notwendiges Übel. Der Unterricht
machte ihm sogar solchen Spaß, daß er seine erste Komposition gleich für ein kleines Ensemble
des zu Unrecht als „Anfängertröte“ verschrieenen
Instruments anfertigte. Weitaus mehr als der
Blockflötenunterricht hat Odermatt jedoch seine
Zeit bei den Zürcher Sängerknaben geprägt. Den
Kontakt zu dem Spitzennachwuchsensemble hatte seine Flötenlehrerin hergestellt. „Von diesem
Superniveau fühlte ich mich gleich in den Bann
gezogen“, berichtet Odermatt von seinem ersten
Probenbesuch. Der vor 45 Jahren gegründete
Chor unter der Leitung von Alphons von Aarburg
zählt zu den besten Nachwuchsklangkörpern in
Europa. Schon bei den Allerjüngsten werden mit
schrittweisen, an die kindliche Entwicklung angepaßten Stimmbildungsübungen Grundlagen
der richtigen Singtechnik erarbeitet. Höhepunkte
in der Karriere eines Sängerknaben bilden neben
regelmäßig stattfindenden Konzertreisen in europäische Metropolen und nach Übersee die Mitwirkung bei Produktionen in der Zürcher Oper.
Besonders begabte Buben, zu denen einst auch
Gotthard Odermatt zählte, dürfen gar solistische
Partien wie die der drei Knaben in Mozarts „Zauberflöte“ übernehmen.
Trauminstrument
In diesem Kontext fand das mit Sicherheit eindrücklichste Erlebnis in der musikalischen Laufbahn des Oboisten statt. Die Sängerknaben wirkten anläßlich der Salzburger Festspiele in Puccinis
Tosca mit. Die Leitung hatte kein Geringerer als
Herbert von Karajan, der überlegte, das berühmte Hirtensolo im dritten Akt mit einem Knabensopran zu besetzen. Odermatt wurde ausgewählt,
dem Maestro persönlich vorzusingen: „Ich habe
vor lauter Aufregung sogar kurzzeitig den Text vergessen, was mir vorher niemals passiert war.“ Am
Ende gab Karajan zwar einer Frauenstimme den
Vorzug, weil diese aufgrund ihres Volumens das
riesige Festspielhaus besser zu füllen vermochte,
doch Odermatt genoß es auch im Chor unter der
Leitung des berühmten Dirigenten mit Weltstars
wie Pavarotti auf der Bühne zu stehen. Karajans
Satz „Du hast eine sehr schöne Stimme“ wird er
sein Leben lang bestimmt nicht vergessen.
In punkto Blasorchester ein »Spätzünder«
Mit beginnendem Stimmbruch neigte sich die
Knabenchor-Karriere jedoch zwangsläufig dem
Ende zu und das musikalische Schwerpunkt verlagerte sich vollends auf die Oboe. Mit zwölf Jahren
hatte Odermatt sein Trauminstrument beginnen
dürfen und vermutlich ist es der guten sängerischen Vorbildung zu verdanken, daß der Jugendliche so rasche Fortschritte auf dem Instrument
machte. Der in Thalwil bei Zürich lebende Künstler erinnert sich gerne an seine Lehrjahre bei verschiedenen Jugendorchestern mitsamt den gemeinschaftlichen Erlebnissen auf Orchesterlagern.
Was das Blasorchester betrifft, kann man Gotthard
Odermatt jedoch als einen echten Spätzünder bezeichnen. „Meine Wurzeln liegen eindeutig in der
sinfonischen klassischen Musik. Daneben haben
mich jedoch schon immer alle anderen Musikstile, wie zum Beispiel der Jazz interessiert. Meine erste Freundin spielte Klarinette in einem Blasor-
Oboe
M – MUSIK ZUM LESEN 11 | 05
7
I n s t r u m e n t a l
»Das Armeespiel ist mit das Beste, was die Schweiz
in der Blasmusik zu bieten hat. Doch gerade
professionell ausgebildete Holzbläser haben mit diesem
Genre oft überhaupt keine Berührungspunkte«
■Instrumental
chester. Das hat mich neugierig gemacht und so
lernte ich schließlich mit 18 Jahren das sinfonische
Blasorchester kennen.“ Sich an einen Verein zu
binden stand jedoch nicht zur Debatte. Odermatt
spielte gerne und oft bei projektbezogen arbeitenden Leistungsträgern der Schweizer Szene. Diese
Aktivitäten hat er bis heute beibehalten, wenngleich er mittlerweile nicht nur hinter einem Orchesterpult zu finden ist. Als Solist führte Odermatt unter anderem das Konzert von Johann
Nepomuk Hummel mit dem auf hohem Niveau
und innovativ arbeitenden sinfonischen Blasorchester Allegra auf.
Daß die Oboe einmal zu seinem Beruf werden
würde, hat der 31jährige schon immer geahnt. Als
Abiturient schnupperte der Nachwuchsmusiker
bei so manchem Dozenten in den Unterrichtsbetrieb hinein. Als er bei der in seiner Heimatstadt
lehrenden Louise Pellerin eine Probelektion nahm,
wußte er sofort, daß er nur dort seine Ausbildung
absolvieren wollte: „Der berühmte Funke sprang
gleich über. Louise Pellerin fordert einen musikalisch bis aufs Letzte“, faßt Odermatt die Essenz seiner Studienjahre zusammen.
8
M – MUSIK ZUM LESEN 11 | 05
Pellerin hatte als Meisterschülerin des großen Virtuosen Heinz Holliger natürlich wie kaum eine andere von den profunden Kenntnissen des wohl
größten Oboisten aller Zeiten profitieren können.
Bei ihren Studenten setzt sie den Fokus auf eine
fundierte oboistische Ausbildung im Spiegel der
jeweiligen Epoche von der Barockzeit bis zur
Avantgarde. Auch Orchesterstellen wurden im
Kontext erarbeitet. Die Betreuung durch seine
Lehrerin hat Odermatt als sehr intensiv erlebt:
„Die Klasse war mit etwa fünf bis sieben Studenten relativ überschaubar. Jeder wurde individuell
gefördert und konnte auf diese Weise seinen eigenen musikalischen Berufsweg verwirklichen.“
1998 wurde der junge Oboist mit dem ersten Preis
des Kiwanis-Musikwettbewerbs ausgezeichnet und
brillierte im Anschluß daran als Solist mit dem
Zürcher Kammerorchester. Blut geleckt sein Kön-
■ Vorweg sei erst einmal festgestellt, daß die Entscheidung für ein Instrument eine Grundsatzentscheidung ist. Es sollte daher kein Thema sein, daß
man regelmäßig übt, sondern eher, wie man in der
zur Verfügung stehenden Zeit das für sich optimale Ergebnis erreicht. Hilfreich hierfür ist es, die
Zeit mit dem Instrument fest in das persönliche
Wochenpensum einzubauen. Gerade Kinder
benötigen unbedingt diese Konstante, damit das
Instrument und ihr Alltag sinnhaft miteinander
verknüpft werden. Diese Strategie können sich jedoch auch Hobbymusiker zunutze machen und
zum Beispiel die halbe Stunde vor dem Abendessen für sich nutzen.
Jedem Musiker, ob Laie oder Profi, sollten die Begriffe Metronom und Stimmgerät nicht nur ein
Begriff sein, sondern auch der Umgang mit ihnen
beherrscht werden. Das Metronom ist ganz bewußt zum Einstudieren von technisch schwierigen
Passagen zu nutzen, was die Tonleitern natürlich
beinhaltet. Ausgehend von einem langsamen
Grundtempo sollte man sich schließlich in meh-
nen auch weiterhin mit anderen Nachwuchskünstlern auf derartigen Veranstaltungen zu messen hat er indes nicht: „Ich bin kein Wettbewerbstyp.“
Odermatts Blickwinkel richtete sich gegen Ende
des Studiums vielmehr auf die Verwirklichung seines Jugendtraumes vom Orchestermusiker. Und
die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten.
Pünktlich zum mit Auszeichnung absolvierten
Lehr- und Konzertdiplom wurde er 1999 nach erfolgreichem Probespiel als Volontär in die Oboengruppe des Zürcher Opernhauses engagiert. Kontakte zu diversen anderen Berufsorchestern in der
Schweiz folgten. Heute ist Odermatt neben seiner
reren Etappen bis hin zu einem flüssigen Tempo
steigern. Allzu oft kommt es vor, daß der Knopf
aus Bequemlichkeit schnell nach oben gedreht
wird, obwohl Zunge und Finger bereits der letzten
Metronomeinstellung hinterherhinken. Hier ist
die alte Regel im Kopf zu behalten: „Was langsam
nicht tiptop funktioniert, wird im schnellen Tempo erst recht nicht laufen.“
Ich bin ein großer Fan ausgehaltener Töne. Einerseits der klanglichen Kontrolle wegen, andererseits
kann auf diese Weise dynamisches Spiel in vielen
Schattierungen trainiert werden. Das Stimmgerät
sollte in diesem Bereich übrigens ebenfalls keine
unbekannte Größe sein. Fortgeschrittenen empfehle ich gerne, sich selbst auf Band aufzunehmen,
sei es bei Einspielübungen oder bei Vortragsstücken. Man hat sich beim Üben ja ganz anders
im Ohr und es ist immer wieder erstaunlich, was
auf der Aufnahme plötzlich „Unerhörtes“ zum
Vorschein kommt. Meiner Erfahrung nach hat es
sich bestens bewährt, Konzertsituationen en detail
zu Hause einzustudieren. Dazu gehören natürlich
I n s t r u m e n t a l
»Erstklassischer« Grenzgänger –
das Krommer-Bläserensemble
pädagogischen Tätigkeit, die wie bei Oboe oft üblich, in mehrere kleine Pensen an Musikschulen
im Zürcher Raum aufgesplittet ist, unter anderem
als Zuzüger am Opernhaus Zürich, dem Sinfonieorchester St. Gallen und dem Musikkollegium
Winterthur tätig. Das Ideal der Festanstellung hat
er für sich mittlerweile relativiert: „Ich sehe heute
klar den Vorteil als Freischaffender.“
Als Dirigent vorankommen
Diese berufliche Flexibilität nutzt Odermatt ganz
bewußt, um als Dirigent voranzukommen. Der
Einstieg in dieses Fach gelang ihm, als die Stadtmusik Illau-Effretikon einen Aushilfsdirigenten
suchte. „Das traf sich gut, denn ich hatte gerade
parallel zu meinem Konzertreifediplom bei Simon
Fuchs das Nebenfachstudium Direktion bei Marc
Kissoczy in Zürich aufgenommen.“ Das Vororchester, ein Ensemble von elf- bis 15jährigen
Nachwuchsmusikern der Knabenmusik Zürich,
hatte Odermatt bereits seit 1999 geleitet. Die Suche nach einer weiteren beruflichen Herausforderung brachte ihn 2003 mit der Jugendmusik Oberrieden zusammen. Das ambitionierte Jugendorchester legt den programmatischen Schwerpunkt
auf eine gelungene Mischung zwischen Unterhaltungsmusik und sinfonischem Repertoire.
Darüber hinaus kann Odermatt mit Fug und
Recht als passionierter Kammermusiker bezeichnet werden. Neben seiner Mitwirkung in Forma-
Fortsetzung auf Seite 10
die Durchläufe mit dem jeweiligen Programm,
aber auch die Probe des Auftrittes an sich, inklusive Hereinkommen, Verbeugen, Noten plazieren,
Einstimmen.
Nicht fehlen darf an dieser Stelle die ein oder andere Bemerkung über den Dauerbrenner Rohre,
was für Doppelrohrbläser oft mehr Frust als Lust
■ Im klassischen Wien gehörte die Harmoniemusik „zum guten Ton“, mit der vor allem Adelshäuser ihre Gesellschaften mit Bearbeitungen aus
Opern, aber auch eigens komponierten Werken
aus der Militär- und Promenadenmusik erfreuten.
Bevorzugt wurden die in der Regel aus paarweise
besetzten Oboen, Klarinetten, Hörnern und Fagotten bestehenden Ensembles, zu denen bei Bedarf noch ein Kontrabass hinzutrat, auch zu nächtlichen Ständchen im öffentlichen Raum bestellt.
Viele Komponisten, darunter kein Geringerer als
Mozart, bearbeiteten ihre Werke eigenhändig für
die Gattung. Einer, der sich jedoch besonders um
die Solo- und Kammermusikliteratur für Bläser
verdient gemacht hat, war der Böhme Franz
Krommer. Dieser Komponist stand Pate für die
vor einigen Jahren aus Angehörigen verschiedener
Militärorchesterformationen der Schweizer Armee
gegründeten Harmoniemusik, die auf stimmige
Weise die Tradition der im 18. Jahrhundert so beliebten Feldmusiken fortführt.
Das Krommer-Bläserensemble tritt gewöhnlich in
der klassischen Oktettbesetzung plus Kontrabass
sowohl bei militärischen als auch zivilen Anlässen
auf. Je nach programmatischem Hintergrund
stockt man sich mit befreundeten Musikern jedoch gerne bis zur stattlichen Größe der Mozartschen „Gran Partita“ oder den wunderbaren
spätromantischen Serenaden eines Richard Strauss
auf. Bei Bedarf steht ebenfalls die etwas intimere
Sextett-Variante zur Wahl, die Erinnerungen an
den Vorläufer des Krommer-Bläserensembles, das
bis 1999 bestehende Holzbläserquintett, wach-
sich in Geduld zu üben. Irgendwann wird es mit
Sicherheit klappen. Wenn man dann aber seinen
Weg gefunden hat, sollte man den auch beibehalten. Es kann durchaus verführerisch sein, neue
Hülsen oder eine neue Fassonform auszuprobieren, wenn es mal klemmt. Doch um sich nicht
vollständig dem Material auszuliefern, ist eine
Übetips von Gotthard Odermatt
bedeutet. Sicher gibt es Adressen, bei denen man
fertige Mundstücke beziehen kann. Doch das Anfertigen von eigenen Blättern gehört für jeden ambitionierten Oboisten über kurz oder lang unbedingt dazu. Hier macht Übung einfach den Meister und daher kann ich nur immer wieder raten,
Konstanz in diesen Dingen unabdingbar. Denn
erst, wenn ich eine Holzsorte oder eine Hülse
wirklich gut kenne, bin ich auch in der Lage, zu
beurteilen.
Wer sich zum Thema Rohrbau weiterbilden will,
dem sei das bei Moeck erschienene Buch „Das
werden läßt. Dem Repertoire sind naturgemäß enge Grenzen gesetzt, konnte die Formation, historisch gesehen, doch nur im schmalen Zeitfenster
der Klassik bis circa 1830 ihren Platz in der Alltagskultur behaupten. Auch die Musiker um Gotthard Odermatt haben in ihrer Ensemblegeschichte mittlerweile den gewichtigsten Teil des ohnehin
recht schmalen, aber dennoch musikalisch wie
technisch anspruchsvollen Repertoires erarbeitet
und aufgeführt. Wie gut, daß der Oboist auch
noch über eine überdurchschnittliche Begabung
als Komponist verfügt, und dem Krommer-Bläserensemble sein Oktett in D-Dur op. 15 geradezu
auf den Leib schneiderte. An der in französischer
Tradition elegant parlierenden Musik hätte der
Musiktheoretiker Heinrich Christoph Koch mit
Sicherheit seine Freude gehabt, denn der fühlte
sich in seinem 1802 erschienenen Musikalischen
Lexikon genötigt, über die Harmoniemusiken festzustellen, daß „(...) es bis jetzt noch an einer hinlänglichen Anzahl guter Tonstücke fehlet.“
Oboenrohr“ von Karl Hentschel empfohlen. Eine
Publikation, die ich unbedingt noch erwähnen
möchte, ist der im Egge-Verlag publizierte
„Oboendoktor“ von Marc Schaeferdiek. Hier wird
auf unkomplizierte Art und Weise kompetente
Hilfestellung für kleine und große mechanische
Probleme gegeben. Detaillierte Pläne der gebräuchlichsten Oboenfabrikate machen es auch
Ungeübten leicht, kleinere Reparaturen selbst auszuführen. Ob beim Rohrbau oder beim Üben –
ich bin der festen Überzeugung, daß sich jeder
Einsatz in diesem Bereich auszahlt. Denn Musik
vermag wie kaum etwas anderes Gefühle von echter Freude im Menschen hervorzurufen und wahrhaftiges, tiefes Glück zu schenken.
Literaturempfehlungen:
• Salviani, Studi per Oboe (vor allem
Band 2, für die Geläufigkeit), Ricordi
• Ferling, 48 Etudes, G. Billaudot
(besonders die langsamen Etüden
zur Entwicklung der Klangkultur)
I n s t r u m e n t a l
Fortsetzung von Seite 9
W
tionen wie der Banda Classica und dem Ensemble
Armonico rief er mit Kollegen aus dem Schweizer
Armeespiel, dem er seit 2001 angehört, das Krommer-Bläserensemble ins Leben. Gezielt möchte
man hier einen Kontrapunkt zu den gängigen Klischees setzen, mit denen die Militärmusik gewöhnlich behaftet ist. „Meiner Meinung nach ist
das Armeespiel mit das beste, was die Schweiz in
der Blasmusik zu bieten hat. Doch gerade professionell ausgebildete Holzbläser haben mit diesem
Genre oft überhaupt keine Berührungspunkte.“
Da freut es Odermatt natürlich besonders, daß seine Ambitionen seitens der Armee soviel Unterstützung erfahren haben. Das durch hohe Spielkultur bestechende Ensemble hat sich mit seinem
klassisch ausgerichteten Repertoire zwischen
Haydn über Mozart bis hin zu Beethoven, Hoffmeister und Hummel mittlerweile nicht nur bei
militärischen Anlässen sondern auch im zivilen
Musikbetrieb einen Namen gemacht.
Wieviel Zeit verbringen Sie mit Musik?
Also wenn ich alles zusammenzähle, was einen direkten Zusammenhang mit Musik und nicht nur
mit Oboe üben zu tun hat, können gut und gerne einmal mehr als acht Stunden am Tag zusammenkommen. Als Freischaffender ergibt es sich jedoch immer wieder, daß ich an manchen Tagen
keinerlei musikalischen Verpflichtungen nachzukommen habe. Wenn ich es mir aussuchen kann,
arbeite ich lieber im Block und freue mich danach
auf eine kleine Auszeit von zwei bis drei Tagen.
Welche Musik hören Sie am liebsten?
■Kurzinterview
Ich habe alle musikalischen Epochen gerne, doch
die Romantik liebe ich besonders. Hier sind Dvorak, Mahler und Puccini meine bevorzugten Komponisten. Darüber hinaus zählen Mozart und Bach
für mich zu den größten Komponisten aller Zeiten. Musik für sinfonisches Blasorchester höre ich
mir ebenfalls gerne an. Da wäre, neben vielen hervorragenden Bearbeitungen, Alfred Reed als mein
Favorit zu nennen.
Welche Musik spielen Sie am liebsten?
Die ganze Palette vom Barock bis hin zu gewissen
Teilbereichen der Moderne.
Welches war Ihr positivstes, welches
Ihr negativstes musikalisches Erlebnis?
Mein eindrücklichstes Erlebnis war sicher die Mitwirkung in der Tosca unter der Leitung von Herbert von Karajan bei den Salzburger Festspielen
während meiner Zeit bei den Zürcher Sängerknaben. Ungute Gefühle kommen bei mir meist dann
auf, wenn Unprofessionalität und Macht eine Allianz miteinander eingehen.
10
M – MUSIK ZUM LESEN 11 | 05
Als Komponist bewußter Autodidakt
Welche Instrumente spielen Sie?
Oboe, Oboe d’amore, Englisch Horn sowie Klavier. Zum Vergnügen spiele ich weiterhin Fagott.
Auch auf anderen Instrumenten wie Klarinette
und Saxophon kann ich spielen. Das Experimentieren mit Instrumenten bereitet mir prinzipiell
großen Spaß.
Wie oft kaufen Sie ein neues Instrument?
Alle Dekade einmal. Ich spiele derzeit meine insgesamt zweite Oboe. Die Variantinstrumente Englisch Horn und Oboe d’amore könnte man sogar
als Anschaffung fürs Leben bezeichnen.
Was wäre wohl aus Ihnen geworden,
wenn nicht Musiker?
Wahrscheinlich Elektrotechniker oder Informatiker. Ich arbeite gerne mit Computern und kann
diese Vorliebe auch im Zusammenhang mit Musik ausleben, etwa wenn ich Layout und Notensatz
für meine Kompositionen mache.
Geben Sie Ihr Wissen in Workshops
und Seminaren weiter?
Immer wieder einmal gebe ich Rohrbau-Workshops für Schüler und Amateurmusiker.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Ich bin passionierter Tischtennisspieler, spiele sogar Liga und Turniere. Auch in meinem Verein engagiere ich mich sehr, zur Zeit bin ich im Vorstand
mit den Funktionen des Nachwuchsbetreuers und
Spielleiters betraut. Das ist ein guter Ausgleich.
Daneben gehe ich gerne gut essen oder genieße es,
in der Natur unterwegs zu sein.
Ihre Zukunftspläne?
Ich möchte gerne als Dirigent weiterkommen. Vor
allem aber wünsche ich mir, daß es mit meiner
Tätigkeit als Komponist weiterhin aufwärts geht.
Kontakt: [email protected]
In seinem Oktett op. 15 nun gingen Odermatts
Liebe zur Kammermusik und zum kompositorischen Schaffen eine kongeniale Allianz ein. Ursprünglich für das Krommer-Bläserensemble geschaffen, wird das Werk am 20. November vom
Zürcher Kammerorchester aufgeführt. Die Antwort auf die Frage nach seiner kompositorischen
Ausbildung überrascht gehörig: „Ich bin ein reiner
Autodidakt und habe mich ganz bewußt gegen ein
ordentliches Kompositionsstudium entschieden.
Im Gegensatz zur Interpretation ist eine Komposition immer eine ureigene Schöpfung. Die Gefahr, daß hierbei die Einflüsse eines Lehrers auf
den individuellen Stil abfärben, ist mir viel zu
groß. Ich genieße meine absolute Freiheit in diesem Bereich, was mir natürlich auch durch die Tatsache erleichtert wird, daß ich nicht von meinen
Werken leben muß.“
Hier schreibt ein Bläser für Bläser
Während des Schaffensprozesses schottet sich
Odermatt am liebsten völlig von der Welt ab,
selbst ein simpler Radio-Jingle aus dem Nachbarhaus kann sich dabei zum massiven Störfaktor auswirken. „Die Musik existiert schon in mir, es ist
wie im Traum. Ich bin lediglich die Antenne, die
das Werk dann zu Papier bringt. Bis das Stück vollendet ist, lege ich es niemand vor und spreche auch
nicht darüber.“ Ein Blick auf die Partitur sowie das
Anhören eines Konzertmittschnitts zeigen nicht
nur eine ausgeprägte, von der französischen Tradition des 20. Jahrhunderts inspirierte, persönliche
Note, sondern machen auch deutlich, daß hier ein
Bläser für Bläser schreibt. Insofern sind dem jungen Schweizer noch viele inspirierende Stunden in
der Tradition Mahlerscher Zurückgezogenheit zu
wünschen. Befragt nach seinen Zukunftsplänen als
Komponist, gibt Gotthard Odermatt denn auch
Anlaß zur Hoffnung: „Wenn die Idee einmal da
ist, kann ich mich nur schwer zurückhalten.“ ❚
Herunterladen