Leistungsnachweis VL1 Roman Niedermann

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 Kommunitarismus: Eine grundlegende Theorie des Sozialkapitals nach dem Konzept von Robert Putnam? Master in Sozialer Arbeit, Bern/ Luzern/ St.Gallen/ Zürich Vertiefungsrichtung Luzern: Sozialpolitik und Sozialökonomie Modul: Soziale Arbeit im Kontext von Politik, Ökonomie und Recht Leistungsnachweis von: Roman Niedermann, Mättli 2712, 9100 Herisau 6.7.2012 Inhaltsverzeichnis Grafikverzeichnis .................................................................................................................................. 2 Ausgangssituation und Fragestellung ............................................................................................ 3 Kommunitarismus ................................................................................................................................ 3 Tugend und Moral ........................................................................................................................................... 4 Sozialkapital ............................................................................................................................................ 6 Putnams Konzept ............................................................................................................................................. 6 Bezüge des Sozialkapitels zum Kommunitarismus ................................................................... 8 Sozialpolitik ....................................................................................................................................................... 8 Solidarität ........................................................................................................................................................... 9 Bürgerschaftliches Engagement ................................................................................................................. 9 Aktivierender Staat ....................................................................................................................................... 10 Bewertung der Fragestellung ......................................................................................................... 10 Bezüge zur Sozialen Arbeit ......................................................................................................................... 11 Fazit ......................................................................................................................................................... 11 Literaturverzeichnis .......................................................................................................................... 12 Grafikverzeichnis Grafik: Sozialpolitische Entwicklungstrends .............................................................................5 Tabelle: Putnams Sozialkapitalkonzept ......................................................................................7 2 Ausgangssituation und Fragestellung Die Förderung des positiven Sozialkapitals ist eine Kernaufgabe der Sozialen Arbeit und die Messung der erfolgreichen Intervention, z.B. in der Gemeinwesenarbeit, könnte übers vorhandene Sozialkapital im Handlungsfeld erfolgen. Sozialpolitisch ist es ein explizites Ziel, ein möglichst grosses, vielfältiges und verteiltes Sozialkapital zu erreichen. Die Frage der fördernden politischen Theorie für die Bildung von Sozialkapital liegt nahe. Der Kommunitarismus als politische Theorie beinhaltet die soziale Vernetzung. Daher diese Frage: Ist der Kommunitarismus eine grundlegende Theorie des Sozialkapitals? Definitionen vom Sozialkapital gibt es viele. Für diese Fragestellung macht es Sinn, wegen den weitreichenden, unten aufgezeigten Dimensionen, das Sozialkapitalkonzept von Robert Putnam zu fokussieren. Folgende These ergibt sich: Für das Konzept des Sozialkapitals von Putnam lässt sich die politische Theorie des Kommunitarismus als grundlegend sehen. Nach einer Begriffseingrenzung erfolgt eine Gegenüberstellung von Kommunitarismus und Sozialkapitel, um abschliessend eine Bewertung der These vornehmen zu können. Kommunitarismus Beim Kommunitarismus geht es um die Gleichrangigkeit von Individuum und Gemeinschaft und die Solidarität steht im Zentrum der Funktion von Gesellschaft. Der Kommunitarismus sieht sich als vermittelnd zwischen dem Liberalismus und dem Konservatismus und hat das Ziel, eine Symbiose und das Gleichgewicht herzustellen. Der kommunitaristische Ansatz nach Amitai Etzioni geht von einem verantwortungsvollen Ich innerhalb der Gesellschaft aus, das sich über Werte definiert, wie Demokratie, Respekt und Grundrechte. Recht und Pflicht, Individuum und Gemeinschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Staat stehen dabei im ausgewogenen Verhältnis. Die Reihenfolge der Hilfequellen ist im kommunitaristischen Gemeinwesen folgendermaßen definiert: Jeder und jede muss sich im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst helfen. Freunde, Nachbarn und andere Gemeinschaftsmitglieder müssen bedürfnisorientiert unterstützen. Zuletzt ist auch der Staat gefordert, seinen Bürgerinnen und Bürgern zu helfen und den Gemeinschaften beizuspringen, die ihren Mitgliedern nicht helfen können. (vgl. Etzioni 1998, S. 169-­‐172) Den Kommunitaristen geht es um die gesellschaftliche Balance mit dem Ziel einer aktiven Gesellschaft freier und gleicher Bürgerinnen und Bürger, die auf der Würde aller 3 Menschen, gegenseitiger Toleranz, sowie der friedlichen Austragung von Konflikten beruht und mit den Tugenden von Fürsorge, sozialer Gerechtigkeit und Verantwortung. Eine ‚gute Gesellschaft’ setzt die Abkehr vom Etatismus voraus. Der moderne Dienstleistungs-­‐ und Wohlfahrtsstaat ist nicht nur überfordert, er demotiviert wirtschaftliches und soziales Engagement. Die Anonymität des administrativ-­‐bürokratischen Systems verhindert zu einem guten Teil die Entfaltung mit-­‐ und zwischenmenschlicher Tugenden. Kommunitaristen denken an die Wiederbelebung der Traditionen von Selbsthilfe und an die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, auf die Familie, die Nachbarschaft und die Gemeinde und ihre Problemlösungskapazitäten zu vertrauen. Die Bildung von lokalen und regionalen Netzwerken ist wichtig und entscheidend. Nicht im Staat liegt das Heil, sondern in den Selbstheilungskräften der vielfältigen Gemeinschaften und Assoziationen der Bürgerinnen und Bürger. (vgl. Vorländer 2001, S. 20) Tugend und Moral Als gemeinsame Kernaussage aller kommunitarischen Autoren kann gelten: „Menschen werden nicht als individuelle Akteure, die ihren eigenen Nutzen verfolgen, sondern als nicht isolierbare Teile einer normativ integrierten Gemeinschaft gesehen. Kommunitarier bestehen darauf, dass soziale Ordnung notwendigerweise auf moralischen Grundlagen beruhen muss“ (Haug 2000, S. 322). Als ein wichtiger Teil des Gemeinwesens wird die Moral als gemeinsames Gut gesehen. Positive Verhaltensregeln oder Gebote – diese werden nach Robert Bellah „habits of the heart“ (vgl. Etzioni 1993, S. 24) genannt– sind eine wesentliche Grundlage der Gemeinschaft. Allein durch individuelle Rechte oder staatlichen Zwang kann demnach keine Gemeinschaft bestehen. Das freie Individuum wiederum kann seine Identität nur in einer solchen Gesellschaft und Kultur entwickeln und aufrechterhalten, weshalb es sich um die Gestalt dieser Gesellschaft und Kultur als Ganzes zu kümmern hat (vgl. Taylor 1985, S. 207). Die moralische Erneuerung der Gesellschaft führt zur Stärkung des sozialen Kapitals und schützt langfristig Individualrechte. Der Kommunitarismus wird nicht als Gegenentwurf zum kapitalistischen Handeln in den Gesellschaften gesehen, sondern vielmehr als seine Fortsetzung in das Soziale, ja das Private hinein, liefert er doch „die legitimatorische Basis für die Diskussion über den angeblich notwendigen ‚Umbau’ des Sozialstaates mit unübersehbaren Tendenzen zum Rückzug aus staatlicher Verantwortung, zur (Re-­‐) Privatisierung von Risiken ….. und zur ‚Vermarktwirtschaftlichung’ des Sozialsektors“ (Depner/ Trube 2001, S. 223). Dieser marktwirtschaftliche Teil des Kommunitarismus steht in einem Spannungsverhältnis zu einer ‚Familienähnlichkeit’ (vgl. Haus 2003, S. 14), mit dieser Kommunitarismus in Verbindung gebracht wird. In dieser Spannung stehen der Konservativismus, der Kommunitarismus und der Liberalismus. Die folgende Grafik gibt den notwendigen Prozess zu einer kommunitaristischen Fundierung der Gesellschaft vereinfacht wieder: 4 Kommunitarismus und Gesellschaft „als eine intellektuelle und politische Gegenbewegung zu Tendenzen moderner Grossgesellschaften wie sozialer Desintegration, moralischer Desorientierung und überzogenem Egoismus“ (www.socialinfo.ch) Kritik an der fortschreitenden Ökonomisierung und Individualisierung der Gesellschaft und dem Wertezerfall Paralleler Prozess der Ablehnung des als überzogen betrachteten Sozialstaates in der Gesellschaft infolge von Missbrauch Neue politische Konzepte: Sozialdemokratie: Dritter Weg zwischen Sozialismus, Konservati-­‐
vismus und Kapitalismus Liberale Politik: Abfederung der Folgen der Globalisierung; Eindämmung der Staatsbürokratie, Risikomanagement Konzept der Aktivierender Staat Bürgergesellschaft • Fördern und Fordern Bürgerschaftliches • Unterstützung von Strukturen Engagement der Ermöglichung • Ehrenamt/ bürgerschaftlichen Freiwilligenarbeit Engagements •
Selbsthilfe • Neue politische Steuerung • Stiftungen/ Sponsoring • Quartiersmanagement Grafik: Sozialpolitische Entwicklungstrends (in Anlehnung an Gerhardinger 2012, S. 3) 5 Sozialkapital Der Begriff des Sozialkapitals wurde nicht ausgehend von einer speziellen Veröffentlichung oder Konzeption entwickelt, sondern vielmehr von verschiedenen Personen in unterschiedlichen Kontexten und Dekaden, was eine Erklärung für die definitorische Vielfalt und nicht vorhandene klare Operationalisierung des Begriffs sein kann (vgl. Haug 1997, S. 9). Klar unterscheidet sich das Sozialkapital vom Humankapital, von kulturellem und von finanziellem Kapital. Nach Bourdieu (vgl. 1997, S. 63) handelt es sich beim Sozialkapital um Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen. Das Gesamtkapital der Gruppenmitglieder dient als Sicherheit und verleiht ihnen Kreditwürdigkeit. Das Beziehungsnetz des Individuums basiert auf einer fiktiven Sozialkapitalschuld und auf dem Prinzip des Gebens und Nehmens. Sozialkapital beschreibt dabei zusammenfassend zwischenmenschliche Vernetzung, gegenseitiges Vertrauen und Normen generalisierter Reziprozität innerhalb von Ge-­‐ meinschaften. Die zentrale Behauptung lautet: Je höher der Bestand an Sozialkapital eines Kollektivs desto besser die demokratische und ökonomische Performanz dieses Kollektivs (vgl. Koob 2007, S. 16). Praktisch: Je zahlreicher die Bürgerinnen und Bürger eines Staates in Vereinen organisiert sind, je stärker das Vertrauen, das die Menschen sich untereinander, aber auch den politischen Institutionen entgegenbringen und je mehr Normen effektiv auf kooperatives Handeln hinwirken, desto grösser das soziale, politische und ökonomische Handeln. In verschiedenen individualistischen und netzwerktheoretischen Ansätzen wird soziales Kapital als instrumentell einsetzbare, individuelle, von anderen Personen verfügbare Ressource aufgefasst. In der Debatte um politische Kultur wird das Sozialkapital oder Vertrauensniveau einer Gesellschaft als positiv bewertete Ressource der Gemeinschaft betrachtet, die zur Lösung von Kollektivproblemen beiträgt (vgl. Haug 1997). Putnams Konzept Der Fokus in diesem Essay liegt auf Putnams Verständnis des Konzeptes (vgl. Putnam 2001): Sozialkapital ist eine Summenbezeichnung für mindestens drei verschiedenartige, soziale Gegenstände bzw. Gegenstandsbereiche: Netzwerke, Normen und Vertrauen. Verschiedene Typenpaare werden mit Beispielen bezeichnet, die eine vorhandene Vielfalt veranschaulichen: -­‐
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individuelles/ kollektives Sozialkapital (Bildung und Wirkungen von Netzwerken) formelles/ informelles Sozialkapital (Vereine/ spontane Zusammentreffen) dichtes/ dünnes Sozialkapital (Beziehungen/ Begegnungen) innen-­‐/ aussenorientiertes Sozialkapital (Selbsthilfegruppen/ Gewerkschaften) brückenbildendes/ bindendes Sozialkapital (Hilfebeziehungen/ Familie) 6 Für Putnam ist die Zivilgesellschaft eine Gesellschaft, die über ein gewisses Ausmass von Sozialkapital verfügt. Dieses Sozialkapital hat wiederum positive Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit von Ökonomie und Politik (vgl. Putnam 2001). Jegliches durch menschliche Interaktion entstandenes Sozialkapital bildet das gesellschaftliche Sozialkapital und ist messbar. Dieses braucht in negatives und positives Sozialkapital unterschieden und bewertet zu werden. Definition Norm der Reziprozität (Gegenseitigkeit) und Vertrauen Netzwerke zivilen Engagements Ressource für einen Akteur/Akteurin soziales Zugehörigkeitsgefühl funktional und informell Ebene Mikro, Meso, Makro Lokalisierung innerhalb von Beziehungsrelationen Privatgut und öffentliches Gut Entstehung Tauschbeziehungen Vertrauen entsteht durch Reziprozitätsnormen oder zivilem Engagement
dichte soziale Interaktion lässt robuste Normen der Gegenseitigkeit entstehen bürgerliche Tugend und gesellschaftliche Verantwortung Wirkung Reduzierung von Transaktionskosten Lösung kollektiver Dilemmata ökonomische Modernisierung good governance und Partizipation physische Gesundheit und persönliches Glück Operationalisierung informelle Soziabilität (insbesondere Vereinsleben und Engagement für öffentliche Angelegenheiten) soziales Vertrauen solidarischer Sozialraum Wissenschaftstheoretischer theorieintegrativ Status Empirisch (historisch, politologisch, sekundäranalytisch) quantitatives Realmodel Tabelle: Putnams Sozialkapitalkonzept (vgl. Koob 2007, S. 265) 7 Die tabellarisch dargestellten Faktoren zeigen Charakteren und Bedeutungsebenen des Sozialkapitals und geben Kriterien, um dieses überhaupt benennen und beurteilen zu können. In der Sozialkapitalforschung wird oft das Konzept von Putnam verwendet. Für den Vergleich mit dem Kommunitarismus eignet es sich gut, da die Mikro-­‐, Meso-­‐ und Makroebenen einbezogen und das bürgerliche Engagement und die bürgerlichen Tugenden wichtig sind. Beim Handeln in sozialen Netzwerkbeziehungen entsteht automatisch gesellschaftliches Sozialkapital, das für die Ausgestaltung der Sozialpolitik von Relevanz ist. Im Vergleich zum Begriff von sozialem Kapital bei Bourdieu sind drei Schwachpunkte hervorzuheben: die Vermischung von Ursachen und Wirkungen sozialen Kapitals, so dass Putnam zirkulär argumentiert; die theoretisch unausgearbeitete Ausdehnung des Begriffs soziales Kapital auf Regionen und Staaten; die Idealisierung der positiven und die weitgehende Ignorierung der negativen Effekte sozialen Kapitals, sofern man von einem normativen Begriffsverständnis ausgeht, das soziales Kapital mit Demokratie und ‚Gemeinwohl’ assoziiert (vgl. Braun 2003, S. 11). Bezüge des Sozialkapitels zum Kommunitarismus Seit einiger Zeit werden die Positionen der Kommunitarier eher im Kontext der Diskussion des Sozial-­‐Kapital-­‐Begriffs und dort vor allem im Zusammenhang mit der Stärkung des dritten Sektors und der Zivil-­‐ bzw. Bürgergesellschaft rezipiert (vgl. Euler 2006, S. 49). Lässt sich darin eine konkrete gesellschaftliche Umsetzung des Kommunitarismus sehen? Und ist dies ein Beweis, dass dem Sozialkapital der Kommunitarismus zu Grunde liegt? Verschiedene zusammenhängende Aspekte der beiden Ansätze werden diskutiert: Sozialpolitik Die Funktion der Sozialpolitik besteht in einer optimalen und effektiven Gestaltung der sozialen Verhältnisse in der Gesellschaft. Sind die grundlegenden Bedingungen im Sozialraum so ausgestattet, dass sich die sozialen Qualitäten der Menschen positiv entwickeln und entfalten können, ist dies im Sinne des Kommunitarismus und Sozialkapitalkonzeptes. Der Staat muss die Möglichkeit zur Einforderung von Gerechtigkeit herstellen und garantieren, als Voraussetzung für freie und von Vertrauen geprägte Gemeinschaften. Bei beiden Ansätzen ist als staatliche Aufgabe primär die Sozialpolitik adressiert. Ist diese kommunitaristisch geprägt, hat dies vernetzende Auswirkungen auf die soziale Interaktion und somit auf die Förderung des Sozialkapitals. Hingegen hat eine explizit liberal geprägte Politik oder eine konservative, hierarchische Staatsform negative Auswirkungen auf das gegenseitige Vertrauen und die Sicherheit in der Gesellschaft und 8 kann eine negative oder verminderte Sozialkapitalbildung zur Folge haben. Es könnte die These aufgestellt werden, dass das vorhandene Sozialkapital in einer Gesellschaft eine Referenz ist für die aktuelle und vorhergehende sozialpolitische Ausrichtung dieser. Solidarität Im Kommunitarismus ist die Solidarität grundlegend und beim Sozialkapital ist diese eine Voraussetzung für dessen Entstehung. Diese soziale Bindung auf Gegenseitigkeit erfordert beim Sozialkapitel dichte soziale Interaktion. Auch bei beiden Ansätzen ist bürgerliche Tugend und gesellschaftliche Verantwortung voraussetzend zu finden. Damit soll das für beide Ansätze grundlegende Vertrauen hergestellt werden. Der Normbegriff ist beim Kommunitarismus breiter gefasst, beim Sozialkapital beschränkt er sich auf die Gegenseitigkeit. Die Qualität des Sozialen in Gemeinschaften ist den gesellschaftlichen Veränderungen unterworfen. Die Netzwerkverbindungen sind tendenziell offener, spontaner oder freier wählbar geworden. Deshalb ist das Sozialkapital nicht unbedingt geringfügiger. In diesem Prozess zeigt sich die Wichtigkeit, die Entstehung von Sozialkapitel kontinuierlich zu reflektieren. Die Solidarität im Sozialraum ist eine weitere Fokussierung auf die Qualität der Vernetzung. Staatliche Solidarität drückt sich in der Subsidiarität zu Regionen und Gemeinde aus, was im Sinne des Kommunitarismus ist. Bürgerschaftliches Engagement Das soziale und gesellschaftliche Zugehörigkeitsgefühl soll nach dem Kommunitarismus, gemäss dem Konzept der Bürgergesellschaft, durch bürgerschaftliches Engagement entstehen. Zivilgesellschaftes Engagement ist die Voraussetzung der Bildung von Sozialkapital. Aber das Mass an vorhandenem Sozialkapital drückt das soziale Zugehörigkeitsgefühl aus. Der grundlegende Pfeiler des bürgerschaftlichen Engagements im Kommunitarismus ist mit der Herstellung und Förderung der sozialen Ordnung durch Tugend und Moral unterlegt. Beim Sozialkapital nach Putnam werden mehr das soziale Vertrauen und die Tugend unterstrichen als Grundlage für dessen Entstehung. Es kann die These aufgestellt werden, dass zu viel Moral und Normen in Gemeinschaften die Bildung von Sozialkapital verhindern. Bürgerschaftliches Engagement setzt gesellschaftliche Verantwortungseinnahme voraus. Wenn die sozialpolitischen Strukturen und Rahmenbedingungen so verlaufen, dass Engagement mit Anreiz zu Mehrwertbildung und der Förderung von Reputation verbunden wird, ist dies auch ganz im Sinne des Kommunitarismus. 9 Aktivierender Staat Die Verständigung von Mächtigen und Ohnmächtigen in der Gesellschaft, durch gesetzliche Rahmenbedingungen zur Bildung von Sozialkapital und bürgerschaftlichen Engagement, ist durch den Staat und eine entsprechende Sozialpolitik zu fördern. Der Kommunitarismus schlägt explizit den aktivierenden Staat in einem liberalen Politiksinn vor. Beim Sozialkapital wird die Funktion von Netzwerken vorausgesetzt und die Förderung dieser als gesellschaftliche und staatliche Aufgabe gesehen. Die Relevanz des Sozialkapitals für die Sozialpolitik steht in einer fruchtbaren Wechselwirkung. Diese Kausalität ist auch beim Kommunitarismus gegeben: Die Sozialpolitik funktioniert nur durch bürgerschaftliches Engagement. Der aktivierende Staat ist bei beiden Ansätzen präventiv und subsidiär vorgesehen. Der Unterschied kann in der Einordnung gesehen werden: Kommunitarismus geht von einem politischen System aus, beim Sozialkapital gehen wir von sozialer Interaktion aus. Gut lässt sich im Sozialkapital die konkrete Messbarkeit oder Implementierung des kommunitaristischen Gedankengutes in einer Gemeinschaft erkennen. Bewertung der Fragestellung Aufgrund der obigen Ausführungen kann der Kommunitarismus als ideal für eine grosse Sozialkapitalentwicklung in der Gesellschaft gesehen werden. Das bürgerschaftliche Engagement entwickelt dieses. Für das Konzept des Sozialkapitals von Putnam lässt sich die politische Theorie des Kommunitarismus als grundlegend sehen. Diese eingehende These kann allgemein als wahr bezeichnet werden. Im Bezug auf die Sozialpolitik, die Solidarität, das bürgerschaftliche Engagement und den aktivierenden Sozialstaat lassen sich keine fundamentalen Abweichungen festhalten. Als kritisch zu betrachten ist die starke Norm-­‐ und Moralorientierung des Kommunitarismus und derer gesellschaftliche Umsetzbarkeit. Für eine Förderung des Sozialkapitals ist ein optimaler gesellschaftlicher Umsetzungsprozess zu entwickeln. Denn zu viele Einschränkungen und Vorgaben in Gemeinschaften widersprechen sich mit dem Recht der Freiheit und der Selbstverwirklichung von Menschen. Dass eine kommunitaristisch geprägte Gesellschaft ein Augenmerk auf ein wachsendes Sozialkapital haben muss, ist nachvollziehbar. Das Sozialkapital könnte für die Sozialpolitik als Messgrösse und Indikator für die soziale Entwicklung und Zufriedenheit und die gesellschaftliche Integration gesehen werden. Die Frage stellt sich: Welche andere politische Theorie kann besser geeignet sein als Grundlage fürs Sozialkapitalkonzept? Keine soweit bekannte, da die Aspekte des bürgerschaftlichen Engagements und des aktivieren Sozialstaates nicht gemeinsam vertreten sind. 10 Ist der Kommunitarismus eine grundlegende Theorie des Sozialkapitals? Die verschieden existierenden Konzepte zum Sozialkapital widersprechen sich nicht, aber fokussieren andere Themen, Qualitäten und gesellschaftliche Bezugsgrössen. Wenn die These stimmt, dass der Kommunitarismus zu keinem dieser Konzepte im Widerspruch steht, könnte der Kommunitarismus als grundlegend für das Sozialkapital gesehen werden. Dies festzustellen sprengt den Rahmen dieses Essays. Bezüge zur Sozialen Arbeit Kurz einige ausgewählte Bezüge vom Kommunitarismus und dem Sozialkapital zur Sozialen Arbeit. Die Gemeinwesenarbeit und die sozialräumliche Soziale Arbeit beschäftigen sich mit Netzwerken und bürgerschaftlichem Engagement und wirken aktivierend und fördernd. Eine kooperative und vernetzende Kultur im Gemeinwesen herzustellen ist ein übergeordnetes Ziel. Die Soziale Arbeit kann ein stabiles Umfeld für brückenbildendes Sozialkapital fördern. Förderung von Tugend und Verantwortung hat einen pädagogischen Aspekt, den die Soziale Arbeit nicht umgehen kann. Die Thematisierung und Auseinandersetzung mit Moral wird sinnvollerweise zu einem zu bearbeitenden Thema der Sozialen Arbeit. Eine kommunitaristisch geprägte Sozialpolitik verändert die Funktion der Sozialen Arbeit in Richtung des Empowerment der Bürgerinnen und Bürger. Die Befähigung und Legitimation zum Bearbeiten von Sozialen Problemen wird soweit möglich in die Zivilgesellschaft übertragen. Die Entwicklung des Sozialkapitals könnte zu einer Messgrösse der Wirksamkeit von Sozialer Arbeit werden. Fazit Für das Konzept des Sozialkapitals von Putnam lässt sich die politische Theorie des Kommunitarismus als grundlegend sehen. Der Kommunitarismus fördert, ja verlangt zugleich ein Wachstum von sozialem Kapital. Die Identifizierung von positivem und negativem Sozialkapital müsste vertiefend vorgenommen werden. Auch beim bürgerschaftlichen Engagement des Kommunitarismus ist die Bewertung von diesem und dessen Ergebnissen in diesem Essay nicht vorgenommen. Die Bewertung ist abhängig vom Gesellschaftskontext. Die Einhaltung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit muss immer gewährleistet sein. Ein Plädoyer für die Sozialpolitik: Eine Umsetzung der kommunitaristischen Theorie ist aus gesellschaftlichen und staatlichen Verantwortungsgründen unabdingbar und die Folgen lassen sich im wachsenden, besser verteilten individuellen und gesellschaftlichen Sozialkapital sehen. 11 Literaturverzeichnis Bourdieu, P. (1997). Ökonomisches Kapital – Kulturelles Kapital – Soziales Kapital. In: Die verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zur Politik und Kultur (S. 49-­‐79). Hamburg. Braun, S. (2003). Putnam und Bourdieu und das soziale Kapital in Deutschland. Der rhetorische Kurswert einer sozialwissenschaftlichen Kategorie. Forschungszentrum für Bürgerschaftliches Engagement, Humboldt Universität Berlin. Depner, R./ Trube, A. (2001). Der Wandel der Gesellschaft und die Qualitätsdebatte im Sozialsektor. In: Neue Praxis 3/ 2001, S. 217-­‐ 238. Etzioni, A. (1993). The Spirit of Community: Rights, Responsibilities and the Communitarian Agenda. New York: Crown. Etzioni, A. (1998). Die Entdeckung des Gemeinwesens. Das Programm des Kommunitarismus. Frankfurt. Euler, M. (2006). Ein Brückenschlag zwischen Individuum und Gesellschaft. Oldenburg: BIS-­‐
Verlag. Haug, S., (2000). Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser? Soziales Kapital und moralische Normen im Kommunitarismus. In: R. Metze/ K.-­‐D. Opp (Hg.): Normen und Institutionen: Entstehungen und Wirkungen. Leipzig, S. 321-­‐357. Haus, M. (2003). Kommunitarismus. Einführung und Analyse. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Haug, S. (1997). Soziales Kapital. Ein kritischer Überblick über den aktuellen Forschungs-­‐ stand. Mannheimer Zentrum für europäische Sozialforschung (MZES), Arbeitspapiere Arbeitsbereich II/15, Mannheim. Gerhardinger, G. (2012). Sozialpolitik in einer ökonomisierten Gesellschaft. Zugriff am 28.6.2012: www.gerhardinger-­‐online.de/Sozialpolitik_in_der_oekonomisierten_Gesellschaft Koob, D. (2007). Sozialkapital zur Sprache gebracht. Eine bedeutungstheore-­‐
tische Perspektive auf ein sozialwissenschaftliches Begriffs-­‐ und Theorieproblem. Universitätsverlag Göttingen. Putnam, R. (2001). Gesellschaft und Gemeinschaftssinn. Sozialkapital im internationalen Vergleich. Gütersloh. 12 Taylor, Ch. (1993). Aneinander vorbei: Die Debatte zwischen Liberalismus und Kommunitarismus. In: A. Honneth (Hg.): Kommunitarismus. Eine Debatte über die moralischen Grundlagen moderner Gesellschaften. Frankfurt a. M., S. 103-­‐130. Vorländer, H. (2001), Dritter Weg und Kommunitarismus. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 16 – 17/ 2001, S. 16 – 22. 13 
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