MIDI - Max-Planck

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Jahrbuch 2003/2004 | Bührke, Thomas; Staude, Jakob | MIDI - Infrarot-Interferometrie an großen Teleskopen
MIDI - Infrarot-Interferometrie an großen Teleskopen
MIDI - Infrared-Interferometry at large Teleskopes
Bührke, Thomas; Staude, Jakob
Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Nach
dem
ersten
erfolgreichen
Test
des
interferometrischen
Messinstruments
MIDI
(Mid-Infrared
Interferometric Instrument) Ende 2002 am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternw arte ESO
erfolgte im Berichtsjahr die Phase, in der die sichere Funktionsfähigkeit getestet w urde. MIDI erfüllte voll und
ganz die hoch gesteckten Erw artungen und eröffnet damit ein neues Feld astronomischer Beobachtungen:
Erstmals lässt sich im mittleren Infraroten eine Auflösung bis zu einer hundertstel Bogensekunde erreichen.
Beobachtungen von zirkumstellaren Scheiben um junge Sterne sow ie des Staubrings im Zentrum einer aktiven
Galaxie zeigen die enorme Leistungsfähigkeit des Instruments. MIDI w urde unter der Federführung des MPIA
von einem Konsortium deutscher, niederländischer und französischer Teams gebaut.
Summary
After the first successful tests of the mid-infrared interferometric instrument MIDI at the ESO Very Large
Telescope at the end of 2002, the phase of Science Demonstration follow ed in the year under report. MIDI fully
met the high expectations and thus opened up a new field of astronomical observations: for the first time a
resolution of one hundredth of an arc second can be achieved in the mid-infrared spectral range. Observations
of circumstellar disks around young stars as w ell as of the dust ring in the center of an active galaxy
demonstrate the enormous pow er of the instrument. MIDI w as built by a consortium of German, Dutch, and
French teams under the leadership of MPIA.
Jahrzehntelang w ar optische Interferometrie eine Spielw eise für Tüftler und unbeirrbar optimistische
Astronomen. Bei dieser Technik w ird das Licht von zw ei oder mehreren Teleskopen so zusammengeführt, als
käme es von einem Einzelteleskop. Beträgt die größte Entfernung zw ischen diesen Teleskopen beispielsw eise
hundert Meter, so lässt sich mit dem Interferometer dieselbe Auflösung erzielen w ie mit einem Einzelteleskop
mit einem 100-m-Spiegel. So w ird eine überragende Bildschärfe von w enigen tausendstel Bogensekunden im
nahen Infrarot und einer hundertstel Bogensekunde bei 10 µm Wellenlänge erreicht. Das ist mehr als zehnmal
so gut w ie mit einem einzelnen 8-m-Teleskop des VLT theoretisch möglich ist und übertrifft die natürliche,
durch die Luftunruhe (Seeing) begrenzte Bildschärfe um das Hundertfache. Diese Zahlen demonstrieren das
enorme astronomische Potenzial der Interferometrie. Überdies w erden derzeit die Möglichkeiten der
Interferometrie am VLT durch den Aufbau kleinerer Zusatzteleskope erw eitert (Abb. 1), w obei finanzielle
Beiträge aus der Max-Planck-Gesellschaft kamen.
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Beiträge aus der Max-Planck-Gesellschaft kamen.
Da s VLT (Ve ry La rge Te le scope ) a uf de m C e rro P a ra na l.
Hinte n dre i de r vie r 8-m -Te le sk ope , im Vorde rgrund da s e rste
de r zusä tzliche n 1.8-m -Te le sk ope , die zur Inte rfe rom e te rAnordnung ge höre n we rde n (Bild: ESO ).
© ESO
Nach dem ersten erfolgreichen Test von MIDI Ende 2002 nahm die ESO das Instrument im September 2003 in
den offiziellen Beobachtungsbetrieb auf, sodass es nun allen Astronomen zur Verfügung steht. Damit w urde
ein sehr ehrgeiziges Ziel planmäßig erreicht. MIDI ist das erste Instrument an großen Teleskopen, das
interferometrisch das mittlere Infrarot bei W ellenlängen um 10 µm abdeckt.
Es w ar noch ein anstrengender Weg von der ersten Beobachtung eines hellen Sterns am 15. Dezember 2002
bis zum heutigen Routinebetrieb. Fehler im Instrument und in der komplexen Infrastruktur der VLTGroßteleskope mussten erkannt und behoben w erden; Belichtungszeiten mussten ermittelt, die Abfolge der
Messschritte
optimiert
und
das
reibungslose
Zusammenspiel
der
Instrumentsteuerung
mit
den
interferometrisch gekoppelten Teleskopen sichergestellt w erden. Erheblichen Aufw and verlangte auch die bei
der
ESO
übliche
Speicherung
und
Schnellausw ertung
der
Daten.
Hier
w aren
in
erster
Linie
die
Softw arespezialisten des Instrumententeams und der ESO gefragt. Nach teilw eise hektischer Tag- und
Nachtarbeit im Februar, Mai und Dezember konnte das Ziel kurz vor Jahresende 2002 erreicht w erden ( Abb.
2).
Kle ine Disk ussionspa use für C hristoph Le ine rt, Thom a s
He nning und R a ine r Köhle r (sitze nd v.l.n.r.), wä hre nd die
Te le sk opope ra te ure Lore na Fa unde z und He ctor Ala rcon da s
O bje k t e inste lle n.
©
Der Routinebetrieb von MIDI ist ein Durchbruch in der astronomischen Beobachtungstechnik. Jetzt kann jeder
Astronom, und nicht nur w enige Spezialisten, von der enormen Bildschärfe dieser Methode profitieren. Dies
darf nicht darüber hinw egtäuschen, dass Interferometrie im Infraroten aufw ändig und kompliziert ist.
Zunächst muss für die beiden von MIDI genutzten Teleskope das Infrarotbild auf dem Detektor gefunden
w erden. Dies ist nicht immer einfach, w eil manche der untersuchten Objekte auf den im sichtbaren Bereich
empfindlichen Bildschirmen gar nicht zu sehen sind und beim Anfahren des Objekts nicht immer gleich auf den
Infrarotdetektor des Instruments fallen. Als nächstes müssen erst Bedingungen geschaffen w erden, dass es
so w irkt, als kämen die Lichtbündel der interferometrisch gekoppelten Teleskope von einem großen
Einzelteleskop. Dazu müssen die Bilder der Einzelteleskope genau so an eine bestimmte Stelle des Detektors
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geschoben w erden, dass sie zu einem ununterscheidbaren Bild verschmelzen. Außerdem müssen die Wege,
die das Licht über die einzelnen Teleskope zum Detektor zurücklegt, auf w enige hundertstel Millimeter genau
gleich lang sein. Dazu dienen die mit fahrbaren Spiegeln aufgebauten Verzögerungsstrecken (delay lines), die
in einem Tunnel unterhalb der Teleskope aufgebaut sind.
Jetzt kommt die Nagelprobe: Tritt die zum Erreichen der hohen Bildschärfe nötige Interferenz auf? Dann sehen
w ir das Interferenzmuster als Folge dunkler und heller Streifen, hervorgerufen durch destruktive und
konstruktive
Überlagerung
der
Lichtw ellen. Ein
kurzer
Test
genügt, dann
kann
die
Messung
des
Streifenmusters beginnen. Bei einer raschen Ausw ertung der Daten w ährend der Messung stellt man fest,
w ann
die
Weglängen
des
Lichts
über die
beiden
Teleskope
aufgrund
atmosphärischer Störungen
auseinanderlaufen. Dann korrigiert man die aufgetretenen Weglängendifferenzen mit einem Befehl an die
delay line und fährt mit der Messung fort, bis eine ausreichende Datenmenge vorhanden ist.
Die astronomisch relevante Information liegt im Kontrast des Streifenmusters. Gemeint ist damit der
Intensitätskontrast zw ischen den Maxima und Minima im Interferenzmuster. Diese Größe nennt man
Sichtbarkeit oder englisch Visibility. Ihr Wert schw ankt zw ischen 1 und 0. Eine nicht aufgelöste Punktquelle hat
den Visibility-Wert 1, bei aufgelösten Objekten ist er kleiner als 1, w obei er mit w achsender Ausdehnung der
Objekte abnimmt.
Im nahen Infrarot behindert die thermische Emission der Teleskope und auch des Nachthimmels die
Beobachtungen erheblich. Sie kann die Helligkeit eines Himmelskörpers um das Tausendfache übersteigen.
Daher sind spezielle Zusatzmessungen nötig, um die Visibility der Objekte von dieser störenden Emission zu
befreien. Dennoch bleiben unvermeidbare Unzulänglichkeiten der zahlreichen optischen Elemente in den
Strahlengängen und die W irkung der Turbulenzen in der Atmosphäre, die das Interferenzmuster verschmieren.
Diese Störungen lassen sich korrigieren, indem man eine Referenzquelle beobachtet, von der man w eiß, dass
sie selbst bei der hohen interferometrischen Auflösung punktförmig erscheint.
Dies ist in der Tat ein erheblicher Aufw and, der insgesamt eine Stunde erfordern kann, und dies nur, um eine
einzige Größeninformation über das zu untersuchende Objekt zu erhalten. Allerdings gibt es bei MIDI eine
Zusatzfunktion, die den Informationsgehalt enorm steigert. Das Instrument verfügt über ein Prisma, in dem
das
Licht
spektral
zerlegt
w ird.
Dadurch
erhält
man
die
Größeninformation
gleichzeitig
in
30
Wellenlängenbereichen um die zentrale Wellenlänge von 10 µm herum. Dies macht, w ie die unten
aufgeführten Beispiele zeigen, den besonderen W ert dieser interferometrischen Beobachtungen aus.
Zirkumstellare Scheiben um junge Sterne
Zirkumstellare Scheiben sind in den letzten Jahren in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, da in ihnen nach
dem heutigen Kenntnisstand Planeten entstehen. Die meisten jungen Sterne geringer oder mittlerer Masse bis
etw a zw ei Sonnenmassen (T-Tauri-Sterne) sind von zirkumstellaren Scheiben aus Gas und Staub umgeben.
Seit
gut
zehn
Jahren
w erden
sie
intensiv
untersucht,
am MPI
für
Astronomie
bilden
sie
einen
Forschungsschw erpunkt.
Massereichere Sterne standen bislang in dieser Hinsicht nicht so sehr im Blickpunkt der Astronomen, obw ohl
es keinen Grund gibt, dass nicht auch viele dieser Sterne Scheiben besitzen können. In der Tat hat man bei
einigen jungen Sternen vom Spektraltyp A und B (so genannten Herbig-Ae- und -Be-Sternen) intensive
Emission im Infraroten oder im Millimeter-Wellenlängenbereich gefunden. Diese lässt sich auf zirkumstellaren
Staub zurückführen, der ebenfalls in Form einer Scheibe angeordnet zu sein scheint.
Aus der Intensität der Strahlung bei verschiedenen Wellenlängen haben Theoretiker Modelle für solche
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Scheiben entw ickelt. Die meisten gehen davon aus, dass die Millimeteremission von kalten Staubteilchen
stammt, die sich in der Mittelebene der Scheibe angesammelt haben. Die darüber und darunter liegende
»Haut« der Scheibe w ird vom Zentralstern erw ärmt, sodass dort die Partikel im mittleren Infrarot strahlen. Die
Aufw ärmung ist besonders w irksam, w enn sich die Scheibe mit w achsender Entfernung vom Stern immer
stärker aufbläht (Fachausdruck: flaring disk).
Genauere Computersimulationen legen folgendes Szenario nahe: Der zentrale, heiße Ae- oder Be-Stern heizt
seine unmittelbare Umgebung so stark auf, dass sich dort keine Staubteilchen aufhalten können, sie w ürden
verdampfen. An die dadurch gebildete Lücke schließt sich die Staubscheibe an. Deren Innenrand w ird
besonders stark auf Temperaturen von 1200 K bis 1500 K aufgeheizt und bläht sich dadurch zu einem
ringartigen Torus auf, der den dahinter liegenden Bereich bis in einigen Astronomischen Einheiten (AE)
Entfernung vom Stern abschatten kann. Je nach Größe des Torus und Geometrie der Scheibe beeinflusst der
Schatten den Temperaturverlauf und damit die Emission im mittleren Infraroten.
Direkt durch Beobachtungen bestätigen ließen sich diese geometrischen Vorgaben für die Scheiben allerdings
bislang nicht. MIDI ist für diese Aufgabe indes ideal geeignet: Es erreicht die nötige räumliche Auslösung von
einigen AE ( 1 AE = 149 Mio km) bei typischerw eise 100 pc bis 300 pc (320 bis 1000 Lj) von uns entfernten
Objekten.
Im Juni 2003 beobachteten Astronomen des Teams und anderer Institute am VLT-Interferometer sieben
solcher Herbig-Ae/Be-Sterne, deren Alter drei bis sieben Millionen Jahre beträgt. Bei ihnen bestand auf Grund
bereits
zuvor im nahen und mittleren Infraroten erhaltener Spektren der Verdacht, dass
sie
von
zirkumstellaren Scheiben umgeben sind. Einige von ihnen zeigen ausgeprägte Emission im Bereich von 10 µm,
die von Silikatteilchen amorpher oder kristalliner Struktur stammen muss. In manchen fand man auch die
typische Emissionen aromatischer polyzyklischer Kohlenw asserstoffe (PAHs), w ie sie in der Umgebung heißerer
Sterne häufiger vorkommen.
Die interferometrischen Beobachtungen mit MIDI w urden im dem oben beschriebenen spektroskopischen
Modus mit geringer spektraler Auflösung betrieben. Hierfür kombinierten die Astronomen das Licht der beiden
102 m auseinander stehenden 8-m-Teleskope Antu (»Sonne«) und Melipal (»Kreuz des Südens«). Bei 10 µm
W ellenlänge ergab dies eine maximale Auflösung von 0.01 bis 0.02''.
Da sich die untersuchten Sterne in einem Entfernungsbereich von 100 bis 250 pc befinden, ließen sich bei
ihnen noch Strukturen bis herunter zu etw a 2 AE auflösen. Der oben beschriebene spektroskopische Modus
ermöglichte es, etw a 30 Größenbestimmungen bei unterschiedlichen Wellenlängen vorzunehmen. Darüber
hinaus w urden die Sterne auch bei 8.7 µm Wellenlänge mit einem Einzelteleskop direkt abgebildet. Das oben
beschriebene interferometrische Messverfahren umfasst daneben auch die Aufnahme von Spektren über den
W ellenlängenbereich um 10 µm.
Diese Spektren sind in Abbildung 3 im Vergleich zu älteren Daten gezeigt. Die gute Übereinstimmung dieser
Messungen, die bei MIDI nicht primäres Ziel der Beobachtung sind, sondern mehr in dienender Funktion
aufgenommen w erden, ist ein erster Beleg für das einw andfreie Funktionieren des Instruments. Alle Spektren
zeigen die besprochene Silikatemission, w ie man es bei Scheiben erw artet, deren Oberfläche von Sternlicht
erw ärmt w ird.
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Spe k tre n de r sie be n He rbig-Ae /Be -Ste rne , ge wonne n m it MIDI
(schwa rze Kurve ) im Ve rgle ich zu ä lte re n Da te n, die m it de m
Instrum e nt TIMMI 2 a m 3.6-m -Te le sk op de r ESO a uf La Silla
e rha lte n wurde n (gra u).
©
Das eigentliche Ergebnis besteht aber darin, dass die interferometrische Messung an allen Objekten
erfolgreich w ar, dass also die Trennschärfe ausreichte, die Infrarotstrahlung dieser Objekte räumlich
aufzulösen. Dies demonstrieren die gemessenen Visibilities im Bereich von 7.5 µm bis 13.5 µm Wellenlänge
(Abb. 4). Typisch für alle Objekte ist, dass die Visibility-Kurven im Bereich der Silikatemission keine besonderen
Merkmale aufw eisen. Hierin spiegelt sich eine etw a gleichmäßige Verteilung der Emission der kleinen und
großen Silikatteilchen in der Scheibe w ider. Der generelle Abfall der gemessenen Visibility-Werte mit
zunehmender Wellenlänge kommt dadurch zustande, dass bei größeren Wellenlängen die Emission kühlerer
Teilchen stärker w ird und damit größere, w eiter außen liegende Bereiche erfasst w erden.
Die be oba chte te n Visibility-Kurve n (R a ute n) de r sie be n
Ste rne . Zum Ve rgle ich dre i Mode lle : Schrä ga ufsicht a uf die
Sche ibe (ge striche lt), Blick a uf die Ka nte (durchge zoge n) und
se nk re chte r Blick a uf die Sche ibe (ge punk te t).
©
Zum Vergleich w urden in die Abbildung auch die Vorhersagen aufgrund des Eingangs beschriebenen Modells
eingetragen, w obei als zusätzlicher unbekannter Parameter die Neigung der Scheibe zum Sehstrahl zu
berücksichtigen ist. Drei Fälle (Schrägaufsicht auf die Scheibe, Blick auf die Kante und unmittelbar auf die
Scheibe) sind in 4 als Linien eingezeichnet.
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Qualitativ stimmen Modelle und Beobachtungen der w ellenlängenabhängigen Visibility (Abb. 4) überein:
zw ischen 8 µm und 9 µm Wellenlänge erfolgt ein steiler Abfall, gefolgt von einem Plateau bis zu 13 µm.
Quantitativ zeigen sich hingegen Abw eichungen von mehreren zehn Prozent. Im Allgemeinen lassen sich diese
Unterschiede durch veränderte Scheibengrößen erklären. Bei HD 163296 beispielsw eise ließe sich die
Abw eichung zw ischen Modell und Beobachtung von bis zu 80 % durch eine etw a 15 % größere Scheibe
ausgleichen. Es zeigt sich also eindeutig, dass erst die räumlichen Informationen, w ie sie zurzeit nur die
Interferometrie liefen kann, w eitere Aufschlüsse über die tatsächliche Struktur der Scheiben ergeben.
Die aus den gemessenen Werten der Visibility berechneten Scheibenradien liegen im Bereich von 1 AE bis 10
AE. Diese Werte beziehen sich nur auf Staub, der im mittleren Infraroten strahlt. Es zeigte sich in diesen
erschlossenen Größen ein interessanter Trend: je röter ein Stern ist (d.h., je stärker er bei Wellenlängen um
25 µm im Vergleich zum Wellenlängenbereich um 10 µm strahlt), desto größer ist die Scheibe, d.h., um so
w eiter ist die Emission im mittleren Infrarot ausgedehnt. Dieser Effekt ist eine erste direkte Bestätigung der
geforderten Scheibengeometrie mit dickem Innenrand und sich aufblähendem Außenbereich. Dieses Modell hat
bei näherer Betrachtung genau diese Beziehung als unverzichtbare Konsequenz.
Es lohnt sich, zw ei Objekte genauer zu betrachten. Das Objekt HD 100546 ließ sich als einziges bereits auf
Direktaufnahmen räumlich auflösen (Abb. 5). Die
schräg
liegende
Scheibe
zeigt
in
beiden
Achsen
Ausdehnungen von 0.28" und 0.18", entsprechend 29 und 19 AE bei einer Entfernung von 103 pc (310 Lj). Es
ist auch das röteste der beobachteten Objekte. Die Untersuchung der für die interferometrische Messung
aufgenommenen Spektren zeigt, dass hier der w arme Staub bis mindestens 40 AE vom Stern etw a gleiche
Eigenschaften hat, w as nur zu verstehen ist, w enn schon in dieser frühen Phase das den Stern umgebende
Scheibenmaterial
bis
w eit
hinaus
gut
durchmischt
ist
-
ein
w ichtiger
Hinw eis
für
Theorien
der
Planetenentstehung.
Einze lte le sk opa ufna hm e m it MIDI von HD 100546. Die
Konturlinie n ze ige n, da ss die Sche ibe in a lle n R ichtunge n
rä um lich a ufge löst ist.
©
Besonders interessant ist auch das Beispiel HD 144432 (Abb. 6). Hier demonstrieren zw ei Spektren die Stärke
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der interferometrischen Messung. Im oberen Teil von Abbildung 6 ist das Spektrum des gesamten Objekts
gezeigt. Erkennbar ist die typische Silikatemission bei 10 µm. Der hier gefundene spektrale Verlauf rührt von
der Strahlung kleiner amorpher Teilchen her, w ie man sie auch im interstellaren Raum findet. Der untere Teil
von Abbildung 6 zeigt das entsprechende Spektrum für den »interferometrisch herausvergrößerten« etw a 2 AE
großen inneren Teil der Scheibe. Der viel flachere Intensitätsverlauf zeigt hier das Überw iegen größerer,
teilw eise kristalliner Teilchen. Möglicherw eise sehen w ir hier den ersten Schritt des Wachstums von
Staubteilchen, das in seiner Fortsetzung dann zur Bildung von Planetesimalen und letztlich von Planeten
führen kann.
Spe k tre n von HD 144432, ge wonne n m it MIDI - obe n vom
ge sa m te n O bje k t, unte n vom »inte rfe rom e trisch
he ra usve rgröße rte n« inne re n Te il de r Sche ibe .
©
Das Herz der aktiven Galaxie NGC 1068
Aktive Galaxien unterscheiden sich von den normalen Galaxien, zu denen unser Milchstraßensystem gehört,
durch die außergew öhnlich große Energieproduktion im zentralen Bereich. Die Astronomen denken, dass sie
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die Quelle dieses Energieausstoßes gefunden haben: Nach heutiger Auffassung befinden sich im Zentrum
einer jeden aktiven Galaxie ein massereiches Schw arzes Loch, das von einer heißen Akkretionsscheibe
umgeben ist. Einfall von Materie zunächst auf diese Scheibe und dann in das Schw arze Loch setzt die
abgestrahlte Energie frei.
Die Akkretionsscheibe ist von einem dichten torusförmigen Gebilde aus Gas und Staub umgeben. Die gesamte
Struktur ist nur einige zehn Lichtjahre groß - in der Entfernung der nächsten aktiven Galaxien entspricht diese
Strecke einem W inkeldurchmesser von w eniger als 0.05 Bogensekunden. So groß erscheint eine Münze in 40
Kilometern Entfernung - nicht einmal die Bildschärfe der neuen Großteleskope der 10-Meter-Klasse ist
ausreichend, um so kleine Gebilde aufzulösen. Die Modellvorstellungen von dieser Struktur beruhen daher auf
indirekten Hinw eisen und sind entsprechend vage. Die torusförmigen Staubverteilungen könnten sehr dicht
und kompakt sein oder auch sehr ausgedehnt und von geringer Dichte.
Um das zu entscheiden, ist es nötig, solche Tori räumlich aufzulösen. Dies gelang erstmals im Juni 2003 bei der
aktiven Galaxie NGC 1068, die im historischen Katalog von Messier als M 77 aufgeführt ist (Abb. 7). Es ist dies
gleichzeitig die erste interferometrische Beobachtung eines extragalaktischen Objekts in dem von der
W ärmestrahlung des Staubs dominierten Bereich des mittleren Infraroten.
Die Se yfe rt-Ga la x ie NGC 1068 (M 77), a ufge nom m e n im
Be re ich de s sichtba re n Lichts.
©
NGC 1068 ist mit 17 Mpc (55 Mio. Lj) Entfernung eine der uns am nächsten gelegenen aktiven Galaxien und ist
daher sehr gut untersucht w orden. Galaxien dieses Typs zeichnen sich durch rasche Helligkeitsschw ankungen
in ihrem kompakten Kernbereich aus. Solche Galaxienkerne strahlen kräftig im ultravioletten und infraroten
Spektralbereich und sind zudem starke Röntgenquellen. Diese Röntgenstrahlung muss aus der unmittelbaren
Umgebung des Schw arzen Lochs im Zentrum von NGC 1068 kommen, dessen Masse man auf etw a hundert
Millionen Sonnenmassen schätzt.
Im Fall von NGC 1068 ist der Torus so dick, dass er den Blick auf die innere Akkretionsscheibe verdeckt. Der
Staub in dem Torus selbst w ird von der heißen Scheibe auf Temperaturen zw ischen 100 K und 1500 K
(letzteres ist die Sublimationstemperatur von Staub) erw ärmt und strahlt daher stark im Infraroten
Wellenlängenbereich um 10 µm. Außerdem entsteht im Zentrum ein Jet, der sich mit Radiobeobachtungen bis
sehr nahe an das Schw arze Loch heran zurückverfolgen lässt.
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Die ersten interferometrischen Beobachtungen mit MIDI w urden im Juni durchgeführt, im Rahmen eines
Programms der ESO, mit dem die w issenschaftlichen Möglichkeiten des Instruments öffentlich demonstriert
w erden sollten. Im November folgten w eitere Beobachtungen. Auch hier w urde, w ie schon bei den HerbigAe/Be-Sternen, der spektroskopische Modus eingesetzt und eine Direktaufnahme mit einem Einzelteleskop bei
8.7 µm erhalten (Abb. 8 Mitte). Das Interferometer arbeitete bei Basislängen von 42 und 78 Metern, die
Auflösung betrug 0.026 bzw . 0.013 Bogensekunden. Die Beobachtung bei der größeren Basislänge erfolgte
längs der Symmetrieachse des Objekts, w ie sie durch den Radio-Jets markiert w ird.
NGC 1068 a uf unte rschie dliche n Sk a le n. O be n: Die ze ntra le
R e gion, a ufge nom m e n m it de m W e ltra um te le sk op HUBBLE;
Mitte : Einze lte le sk opa ufna hm e m it MIDI be i 8.7 µm ; unte n:
Sk izze de s inne rste n Te ils, wie e r sich a us de n
inte rfe rom e trische n Be oba chtunge n m it MIDI e rgibt.
©
Diese auf die Symmetrie des Objekts abgestellte Messung erlaubt die Analyse der mit MIDI erhaltenen
Spektren (Abb. 9) im Rahmen eines möglichst einfachen Modells. Man kommt mit nur zw ei Staubkomponenten
aus: Zum einen Emission von heißem, sehr kompakt verteiltem Staub bei einer Temperatur von 1000 K. Die
Ausdehnung längs der Beobachtungslinie lässt sich zu 0.8 pc (3 Lj) festlegen, w ährend die Breite nicht
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aufgelöst ist. Wahrscheinlich liegt sie zw ischen 0.3 und 1 pc (1 bis 3 Lj). Die zw eite, w arme Komponente
besitzt eine Temperatur von 320 K. Ihre Ausdehnung entlang beider Basislinien ergibt sich zu 2.5 pc x 4 pc (8
Lj x 13 Lj).
Spe k tre n von NGC 1068, e rha lte n m it MIDI. De r schra ffie rte
Be re ich k e nnze ichne t die Me sswe rte m it ihre n Fe hle rn, die
durchge zoge ne Linie gibt W e rte e ine s Mode lls wie de r. Die rote
und grüne Linie ze ige n die Ante ile de r he iße n bzw. wa rm e n
Kom pone nte . O be n: Einze lte le sk op-Spe k trum m it de r
typische n Silik a ta bsorption be i 10 µm , Mitte :
inte rfe rom e trische s »he ra usve rgröße rte s« Spe k trum be i 0.026
Boge nse k unde n Auflösung, unte n be i 0.013 Boge nse k unde n.
©
Die Spektren lassen einen w ichtigen Schluss auf die räumliche Anordnung dieser beiden Staubkomponenten
zu. Im vom w armen Staub beherrschten Gesamtspektrum (Abb. 9 oben) erscheint die Silikatabsorption
w eniger stark ausgeprägt als in dem interferometrisch herausvergrößerten Spektrum, das überw iegend
Strahlung des heißen Staubes aus einem kleineren Bereich des Zentrums zeigt. Dies deutet darauf hin, dass
die heiße Komponente in die w arme eingebettet ist, sodass natürlicherw eise das Licht von der heißen
Komponente im inneren Bereich des umgebenden w armen Staubs eine zusätzliche Absorption erfährt.
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Aufgrund dieser Beobachtungsdaten bevorzugen die Astronomen folgendes Modell: Die das zentrale Schw arze
Loch umgebende Akkretionsscheibe ist von einem ringförmigen Torus mit mindestens 2 pc (6.5 Lj) Radius
umgeben. Dieser Ring muss sehr dick sein: Das Verhältnis von Höhe zu Radius beträgt mindestens 0.6. Die
Wand der schmalen inneren Öffnung dieses Torus w ird von der zentralen Energiequelle aufgeheizt und bildet
eine Art schlanker Düse. Der umgebende w arme Staub lässt sich bis in 4 pc (13 Lj) Entfernung vom Zentrum
verfolgen.
Diese Staubstruktur ist der starken Schw erkraft des zentralen Schw arzen Loches ausgesetzt und müsste sich
deshalb innerhalb einiger hunderttausend Jahre zur flachen Scheibe in der Symmetrieebene des Galaxie
umw andeln. Wenn man davon ausgeht, dass der Torus aber viel länger existiert, benötigt er eine
kontinuierliche Energiezufuhr, die ihn gegen diese W irkung der Schw erkraft stabilisiert. Auf w elche Weise dies
geschieht, ist bislang ungeklärt. So haben schon die ersten interferometrischen Beobachtungen des
Kernbereichs einer aktiven Galaxie alte Fragen zur geometrischen Anordnung und zur Dynamik der
Bew egungen beantw ortet und neue aufgew orfen.
Von MIDI zu APRÈS-MIDI
W ährend die ersten Messungen ausgew ertet und die Ergebnisse bei den w issenschaftlichen Fachzeitschriften
eingereicht sind, gehen die Planungen w eiter. Im Dezember 2003 fand in Heidelberg das konstituierende
Treffen zur Erw eiterung des Messbereichs von MIDI zu größeren Wellenlängen statt. In Zusammenarbeit mit
niederländischen Instituten soll das Instrument bis gegen Ende 2005 so ausgebaut w erden, dass
interferometrische Messungen auch im Bereich von 17 µm bis 26 µm möglich sind.
Schließlich w urde mit den Planungen für das Projekt APRÈS-MIDI begonnen, das von den französischen
Kollegen des MIDI-Teams in Nizza vorgeschlagen w urde, und dessen Name ein Wortspiel in ihrer Sprache
beinhaltet. (APRÈS-MIDI bedeutet sow ohl "nach MIDI " als auch "Nachmittag"). Im Rahmen dieses Projekts soll
es ein zusätzlicher optischer Aufbau ermöglichen, bis zu vier Teleskope anstatt der zw ei in der ursprünglichen
Version des Instruments zu kombinieren. MIDI w ürde damit zu einem Instrument, das auch richtige Bilder
liefert. Derzeit läuft eine gemeinsame Studie zur Untersuchung der technischen Machbarkeit und der
w issenschaftlichen Möglichkeiten des vorgeschlagenen Konzeptes.
Auch die Weiterentw icklung des VLT-Interferometers w ird sich günstig auf die zukünftigen Beobachtungen mit
dem Instrument ausw irken. Der demnächst in Betrieb gehende »Fringe Tracker« w ird das durch die Unruhe
der Atmosphäre bedingte Zittern und Wandern der Interferenzmuster ausschalten, so dass für schw ache
Quellen zahlreiche Messungen im Instrument »blind« aufintegriert w erden können, ohne dass eine
Verschmierung durch Bew egung der Interferenzmuster zu befürchten ist. Dies sollte die Empfindlichkeit des
Instruments auf gut das Zw anzigfache steigern und so eine große Zahl neuer Möglichkeiten erschließen. Die
Einführung der 1.8-m-Zusatztelekope, die ausschließlich für den Interferometerbetrieb gedacht sind, w ird für
die helleren Objekte w esentlich eingehendere Studien ermöglichen, als dies mit den anderw eitig stark
belegten 8-m-Teleskopen der Fall ist.
(Ch. Leinert, U. Graser, A. Böhm, O. Chesneau, B. Grimm, Th. Henning, T. M. Herbst, S. Hippler, R. Köhler, W. Laun,
R. Lenzen, S. Ligori, R. J. Mathar, K. Meisenheimer, W. Morr, R. Mundt, U. Neumann, E. Pitz, I. Porro, F. Przygodda,
Th. Ratzka, R.-R. Rohloff, N.Salm, P. Schuller, C. Storz, K. Wagner, K. Zimmermann. Beteiligte Institute:
Niederlande: Sterrenkundig Instituut Anton Pannekoek, Amsterdam; Sterrewacht Leiden; ASTRON, Dwingeloo;
Kapteyn Institut, Groningen; Frankreich: Observatoire de Meudon; Laboratoire d'Astrophysique, Observatoire de
Grenoble; Observatoire de la Côte d'Azur, Nizza; USA: National Radio Astronomy Observatory, Charlottesville;
Deutschland: Kiepenheuer-Institut für Sonnenforschung, Freiburg; Thüringer Landessternwarte Tautenburg; MaxPlanck-Institut für Radioastronomie, Bonn; Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching; ESO, Garching, als
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Jahrbuch 2003/2004 | Bührke, Thomas; Staude, Jakob | MIDI - Infrarot-Interferometrie an großen Teleskopen
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