Theater- Festhalten und loslassen - badische-zeitung.de

Werbung
11.4.2017
Theater: Festhalten und loslassen - badische-zeitung.de
11. April 2017
Festhalten und loslassen
Das in Berlin ansässige Theaterensemble "Familie Flöz" mit "Infinita" im Theater
Freiburg.
Szene aus „Infinita“ Foto: S.Fossi
Nach 90 Minuten fühlt man sich beschenkt. Das passiert ja gar nicht selten im Theater – es
gibt wunderbare Geschichten, beeindruckende Schauspieler, faszinierende Bühnenbilder,
betörende Musik. Doch diesmal ist es noch ein bisschen anders: Man fühlt sich nicht nur
beschenkt durch das, was da auf der großen Bühne des Theaters Freiburg passiert ist.
Sondern auch durch die Gemeinschaft mit dem altersgemischten Publikum – Menschen, die
einfach so mit einem dicken blauen Ball spielen.
Dieser blaue Ball gehört natürlich den Kindern da auf der Bühne. Die Kinder – und auch alle
anderen Figuren des Stücks – werden gespielt von Björn Leese, Benjamin Reber, Hajo Schüler
und Michael Vogel vom Theaterensemble Familie Flöz. Sie tragen Masken, das ist ein
Markenzeichen der in Berlin beheimateten Familie Flöz, die auf Einladung von Vorderhaus und
Stadttheater am Sonntagabend ihr Stück "Infinita" aufführten. Diese Masken sind sehr
ausdrucksvoll, aber natürlich können die vier Schauspieler sich nicht durch wechselndes
Minenspiel ausdrücken. Jede Maske ist starr. Dafür agiert der Rest des Schauspielkörpers –
ungeheuer präzise und ungeheuer typgerecht. Und so gerät auch die ganze Figur ungeheuer
lebendig – im Publikum vergisst man einfach, dass das Gesicht nicht lebt und der Mund nicht
redet.
http://www.badische-zeitung.de/theater-2/festhalten-und-loslassen--135554329.html
1/2
11.4.2017
Theater: Festhalten und loslassen - badische-zeitung.de
Vor mehr als zehn Jahren fand die Uraufführung von "Infinita" (Regie: Hajo Schüler und
Michael Vogel) bereits statt. Doch das spielt keine Rolle; Inszenierung und Thema sind zeitlos
schön und poetisch. Es geht um das große Ganze, um das Leben und die Beziehungen von
Menschen untereinander. Den Lebensbeginn, in dem das Menschlein in einem Biene­Maja­
Ganzkörperanzug zu krabbeln beginnt und seine Welt hinter den Gitterstäben des Laufstegs
erkundet. Und dann um das Leben im mutmaßlich letzten Zuhause, einem Altersheim, das
vier Männer und eine resolute Krankenschwester bewohnen. Die Kostüm­ und Kulissenwechsel
werden von eingespielten Schattentheaterszenen überbrückt – auch sie erzählen von diesem
Leben, von Liebe und Berührung, Festhalten und Loslassen, Bedürfnissen und Widerständen.
Um eine einzelne, zu Ende erzählte Geschichte geht es dennoch nicht: Zwar ist da ein Paar –
sie haben sich in jungen Jahren durch die Musik kennengelernt, nun bringt die Frau ihren
Mann in das Altersheim und nimmt melancholisch Abschied – doch fächert sich das Dasein
mehrerer Figuren über viele einzelne Szenen auf: die Neugier der Jungs auf das, was das
Mädchen da unter seinem Rock hat. Die kindliche Unerreichbarkeit eines Kofferradios auf dem
Tisch. Die Gier des Alten nach der Tablettendosis für den Tag. Wem die Puppe gehört – und
wem der blaue Ball, den die Jungs ansatzlos in den Zuschauerraum werfen und damit das
Publikum sofort zum Mitspielen bewegen. Herrlich. Komisch. Bewegend. Ein Geschenk eben!
Autor: Heidi Ossenberg
WEITERE ARTIKEL: THEATER
Die Dirigenten Petrenko und Rattle in Baden­Baden
Dem Dirigenten geht’s wie dem Fußballtrainer. Die Tore müssen andere machen. Den
perfekten Klang auch. Inwiefern konnten die Herren Petrenko und Rattle in Baden­Baden
überzeugen? MEHR
Boris Nikitins „Martin Luther Propagandastück“ beendet die
Dokumentartage Basel
Die im Theater Roxy in Birsfelden als Schlusspunkt gezeigte Produktion oszilliert fragmentarisch und
collagehaft zwischen moderiertem Unterhaltungsabend, messianistischem Motivationsstück,
Wutpredigt und bizarrer Liebeserklärung ans Publikum. MEHR
Barbara Mundel und Olga Motta inszenierten Jules Massenets
Oper „Cendrillon“ in Freiburg
Klar, „Le Cid“ ist ihm zu danken, „Don Quichotte“, der geniale „Werther“. Dennoch, Jules Massenet
(1842 bis 1912) geht es wie Puccini. MEHR
http://www.badische-zeitung.de/theater-2/festhalten-und-loslassen--135554329.html
2/2
Herunterladen