Übungsklausur zur Vorlesung „Morphologie und Syntax“ Aufgabe 1

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Übungsklausur zur Vorlesung „Morphologie und Syntax“
Aufgabe 1
Zerlegen Sie die folgenden Wörter des Deutschen in ihre morphologischen Bestandteile:
a. Unwetter Un­wetter (1)
b. Begräbnis Be­gräb­nis (1)
c. Abstimmungsverfahren Ab­stimm­ung­s­ver­fahr­en (2)
d. Grundordnung Grund­ordn­ung (1)
e. Immatrikulationsbescheinigung Im­matrik­ul­ation­s­be­schein­ig­ung (2)
Zu a: Warum nicht Wett­er? Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte: Das Suffix ­er geht ja mit einer bestimmten Bedeutung einher, es bezieht sich auf das agentivische Argument das suffigierten Verbs. Ein „Wett­er“ ist demzufolge jemand, der wettet, oder eine Wette abschliesst, aber das hat nichts mit dem Wort „Wetter“ zu tun, das in „Un­wetter“ steckt, und so etwasd bedeutet wie „meteorologische Umgebungsbedingungen“. Zu b.: Hier steckt das Verb „begraben“, in dem wiederum das Verb „graben“ drinsteckt. „be­“ und „nis“ sind Derivationsaffixe, Das Präfix „be­“ ist bedeutungsverändernd, das Suffix „­nis“ verändert die Kategorie (macht aus einem Verb ein Nomen). Zu c: Dies ist ein Kompositum aus den beiden Nomen „Abstimmung“ und „Verfahren“, die selbst wiederum morphologisch komplex sind. Bei dem zwischen ihnen stehenden „­s­“ handelt es sich um ein sogenanntes „Fugenmorphem“. Dies findet sich häufig in deutschen Komposita (arbeit­s­los, Haushalt­s­hilfe etc.). Zu d: Grund­ordn­ung:
Man sieht hier, dass eine Morphem­Analyse nicht mit einer Silbenanalyse gleichgesetzt werden darf, denn die wäre ja Grund­ord­nung. Das erste 'n' in der letzten Silbe '­nung' gehört aber zur Wurzel (Stamm). Das sieht man an anderen morhphologischen Ableitungen dieser Wurzel wie „ordn­en“, „Ordn­er“. Die Suffixe „­en“ „­er“ und „­ung“ sind gut dadurch identifizierbar, dass sie auch an anderen Wörtern zu finden sind. („spalt­en, Spalt­er, Spalt­ung“). Zu e: Im­matrik­ula­tion­s­be­schein­ig­ung
Bei entlehnten Wörtern wie dem lateinisch­stämmigen „Immatrikulation“ ist es besonders schwierig, eine Morphem­Analyse zu machen. Schließlich geht es ja nicht um lateinische Morphologie, sondern um deutsche. Auch hier müssen andere Wörter zu Rate gezogen werden, bspw. kann man an dem Kontrast mobil­immobil, das präfix „im­“ als Morphem erkennen. Das Wortpaar „Immatrikulation­Exmatrikulation“ leistet hier dasselbe für „Im­“ und „Ex­“. Anhand des Wortes „Matrik­elnummer“ lässt sich „­matrik­“ als Morphem identifizieren. Anhand von anderen latienisch­stämmigen Wörtern wie „Organis­ation“ können wir „­ation“ als Suffix erkennen und somit auch das zwischen „­matrik­“ und „­ation­“ stehende „­ul­“.
Aufgabe 2
Bestimmen Sie die Kategorie und Funktion der unterstrichenen Morpheme in den folgenden Wörtern:
Welche Kategorien und Funktionen können wir bestimmen? Affixe werden zunächst anhand ihrer Position relativ zur Wurzel als Präfixe oder Suffixe klassifiziert. Wurzeln (oder Stämme) bleiben Wurzeln (oder Stämme), auch wenn sie in Komposita stehen. Affixe werden weiter als Derivationsaffixe oder als Flexionsaffixe klassifiziert. Derivationsaffixe können bedeutungsverändernd sein, wie bspw. „un­“ in „un­möglich“, oder kategorienverändernd, wie „­er“ in „Sprech­er“. Mit einem Kategorienwechsel ist oft auch eine Bedeutungsveränderung verbunden: „sprechen“ bezeichnet die Handlung des Sprechens, „Sprecher“ bezeichnet eine sprechende Person. Unter den Flexionsaffixen unterscheiden wir zwischen inhärenter Flexion und Kongruenzflexion. Inhärente Flexion bezieht sich auf Flexionsmerkmale, die nur bei einer bestimmten Wortkategorie existieren wie Kasus bei Nomen, die Komparation bei Adjektiven, und bei Verben Tempus (Zeit), Modus (Indikativ­Konjunktiv), Aspekt (vollendet, andauernd), und genus verbi (Aktiv­Passiv), sowie ferner den Status (Infinitive wie „lauf­en“ und „ein­zu­schlaf­en). Kongruenzflexion bezieht sich auf diesen Wortklassen gemeinsame Merkmale. Das sind im Deutschen Numerus, Person und Genus (nur für Adjektive und Nomen). Die Morpheme in der Übungsaufgabe sind Derivationsaffixe, bis auf die Wurzel „Mond“, und das Affix „­en“ in verbergen:
a. Ver­brech­er
b. Mond­land­ung
c. Starr­e, Lag­e,
d. ver­berg­en
ver­: Derivationsaffix, bedeutungsverändernd
­er: Derivationsaffix, kategorienverändernd ­ Verb zu Nomen
Mond: Wurzel (Stamm)
„­ung“: kategorienverändernd – Verb zu Nomen
­e: Derivationsaffix: Adjektiv zu Nomen („starre“) bzw. Verb zu Nomen („Lage“)
ver­: s.o. ­en: Flexionsaffix (3. Person Plural Präsens)
­en: Flexionsaffix (Infinitiv, „sie will es verbergen“)
­en: Derivationsaffix (z.B. „Das Laufen zu dritt“ ) ­ Verb zu Nomen
Aufgabe 3
Analysieren Sie die morphologische Struktur der folgenden Wörter aus dem Swahili. Identifizieren Sie die Morpheme und ihre Funktion. Handelt es sich um eine flektierende, eine analytische oder eine agglutinierende Sprache? Begründen Sie Ihre Entscheidung! (5)
ni­li­pata ­ 'ich bekam'
nili­k­i­pata ­ 'ich bekam es'
wa­li­pata
­ 'sie bekamen'
u­li­k­i­pata ­ 'du bekamst es'
u­li­pata
­ 'du bekamst'
ni­ta­k­u­pata ­ 'ich werde dich bekommen/kriegen'
wa­ta­k­i­piga ­ 'sie werden es schlagen'
wa­ta­k­u­piga­ 'sie werden dich schlagen'
Hier war die Fragestellung sehr unglücklich, da sie den vierten Sprachtyp, die inkorporierenden Sprachen, nicht erwähnte. Bei inkorporierenden Sprachen Finden wir so etwas wie „Ein­Wort­
Sätze“. Das haben wir hier natürlich auch. Allerdings haben wir hier auch nur Pronomen als Subjekt und Objekt. So etwas lässt sich auch in anderne Sprachtypen finden. Typisch für inkorporierende Sprachen ist, dass bspw. auch lexikalische Nomen inkorporiert werden, bspw. Grönländisch: illu­mi­niip­puq (Haus­sein­drinsein­3_Sg_indikativ), „er ist in seinem (eigenen) Haus“. Man kann allerdings diese Sprache auch als agglutinierend bezeichnen, da wir hier Sequenzen von Affixen vorfinden, für die sich jeweils eine eindeutige Bedeutung feststellen lässt. Wie machen wir das? Wir kontrastieren die Wörter:
1. ni­lipata – wa­lipata ; ni= ich(1.Person, Singular,subjekt?), wa=sie (3.person,Plural,subjekt?)
2. u­lipata; u=du(2. Person Singular,subjekt?)
3. wata­k­i­paga; wata­k­u­paga;
k=objekt, i=3.Person Singular, Neutrum, u=du, 2.person Singular
4. ni­ta­kupata – wa­li­pata ; ta=Futur, li=Vergangenheit
5. paga= schlagen; pata=bekommen
Eine isolierende oder analytische Sprache hat hauptsächlich freie Morpheme, eine flektierende Sprache unterscheidet sich von einer agglutinierenden dadurch, dass wir Morphemen keine eindeutige Bedeutung zuordnen können (wie im Deutschen). Es liegt hier also eine agglutinierende Sprache vor. Ob sie darüber hinaus auch inkorporierend ist, lässt sich mittels dieser Daten nicht sicher sagen, aber wir wissen, dass dies nicht so ist. Wenn überhaupt, könnte man hier von Pronomen­Inkorporation sprechen, aber das ist umstritten.
Aufgabe 4
Analysieren Sie die folgenden Sätze in ihre Konstituenten unter Verwendeng der Konstituententests!
a.
Der Maler | besuchte | die Bildhauerin | gestern | in ihrem Atelier. (2)
Der Test, der sich am Besten eignet, ist der Voranstellungstest:
Die Bildhauerin besuchte der Maler ...
Gestern besuchte der Maler ...
In ihrem Atelier besuchte ...
Das finite Verb an zweiter Stelle lässt sich durch diesen Test selbst auch als Konstituente festlegen, quasi im Ausschlussverfahren: das einzige Element, dass sich nicht voranstellen lässt, ist das finite Verb und selbst eine Konstituente.
b.
Die Zeugin,| die wir befragten, hat |uns | angelogen. (2)
Angelogen hat uns ...
Uns hat ...
Weglassstest oder Verschiebetest:
Die Zeugin hat uns angelogen (die wir befragt haben)
­> der Relativsatz „die wir befragten“ ist eine Konstituente
im Relativsatz können wir die Pronomen „die“ und „wir“ als Konstituenten festlegen (da sich ja der Pronominalisierungstest auf Konstituenten bezieht, müssen Pronomen Konstituenten sein), sowie das finite Verb „befragten“.
c.
Wir | vermuten,| dass es morgen besseres Wetter gibt. (2)
Dass es morgen besseres Wetter gibt, vermuten wir
Der Nebensatz ist eine Konstituente. Innerhalb des Satzes können wir durch den Verschiebetest weitere Konstituenten festlegen:
dass morgen es besseres Wetter gibt
dass | besseres Wetter | es | morgen | gibt
Die Konjunktion „dass“ und das Verb „gibt“ sind als durch diesen Test isolierte Elemente an den Rändern des Satzes auch als Konstituenten indirekt bestimmbar.
Aufgabe 5
a) DieserSyntax­Baum verstößt an vier Punkten gegen die X­bar­Theorie. Finden Sie die Fehler! (4)
CP
DP
C'
C°
I'
I°
NP
NP
D°
V°
N°
I' muss unterhalb von IP stehen!
NP kann nicht Schwester von I° sein (CP­IP­VP­Schema!)
V° kann nicht Kopf von NP sein bzw. wo ein V°­Knoten ist, muss auch ein VP­Knoten sein!
Die unterste NP hat zwei Köpfe! D° kannn nicht Kopf von NP sein, und wo ein D°­Knoten ist, muss auch ein DP­Knoten sein!
b) Der folgende fehlerhafte Baum stellt folgenden Satz dar:
Im August habe ich vermutlich wenig Zeit zum Ausspannen
Finden Sie die vier in ihm gemachten Fehler!
IP
PP
im August
I'
I°
habe
VP
DP
ich
V'
AdvP
Adv°
vermutlich
V'
DP
D°
wenig
NP
N°
PP
Zeit
zum Ausspannen
Im Spezifikator von IP muss das Subjekt stehen, nicht eine PP!
I° steht im Deutschen auf der rechten Seite seines Schwesterknotens (wegen den Nebensätzen: weil ich vermutlich im August wenig Zeit zum Ausspannen habe)
Das Subjekt darf nicht in VP stehen (nach unserer Analyse)
Die VP hat keinen Kopf, V° fehlt!
Aufgabe 6
Zeichnen Sie Syntax­Bäume nach dem X­bar­Schema, wie wir es für das Deutsche entwickelt haben, für die S­Struktur der folgenden beiden Sätze!
a)
Gestern hat der Lehrer einen alten Stuhl zerbrochen. (4)
b)
Was glaubst du, dass die Experten empfehlen
werden? (4)
a) CP
AdvP C'
gestern C°i IP
hat DP I'
der Lehrer VP I°
DP V° ti
D° NP zerbrochen
einen AdjP NP
alten N°
Stuhl
b) CP
DPk C'
Was C°i IP
glaubst DP I'
du VP I° i
CP V°i
C° IP
dass DP I'
die Experten VP I°
tk V werden
empfehlen Aufgabe 7
Erklären Sie aufgrund der Beschränkungen für syntaktische Bewegung, die Sie kennen, die Ungrammatikalität der folgenden Sätze!
a)
*Wen hast [IP du gestern[NP t und den Dichter ] besuchen wollen?
Koordinations­Insel / Subjazenz­Verletzung b)
*Was spielt [NP der Umstand, dass [ IP du t magst, keine Rolle?
Komplexe NP­Insel / Subjazenz
c)
*Was [IP wollte Peter wissen, warum [IP wir t gekauft haben?
W­Insel / Subjazenz
d)
*Dahinten steht übrigens der Künstler, den [IP ich nicht weiß, wer [IP mir t gestern empfohlen hat.
W­Insel / Subjazenz
Aufgabe 8
Erklären Sie mithilfe der Bindungstheorie die Ungrammatikalität der folgenden Sätze mit den angzeigten Interpretationen:
a) *John's sisteri gave heri a new haircut. (2)
Es liegt c­kommando vor, also ist das Pronomen gebunden, und Antezdens ist das nöchste Subjekt: also Bindung innerhalb der Bindungsdomäne, Prinzip B ist verletzt: weil ein Pronomen muss in der Domäne frei sein.
b)
*[John and Mary]i enjoyed Peter's picture of themselvesi. (2)
Themselves ist eine Anapher, das Antezedens „John and Mary“ ist Subjekt des Satzes, aber die NP, in der „themselves“ steht, hat ein Subjekt und ist somit Bindungsdomäne für die Anapher. Deshalb ist Prinzip A verletzt.
c)
*Paul's parentsi think that each otheri will be able to get tickets for the concert. (2)
Ein Reziprok­Pronomen wie „each other“ ist eine Anapher in der Bindungstheorie. Es ist hier Subjekt des Satzes, somit das höchste relevante Element in der Bindunsdomäne, dem Nebensatz, und kann nicht in dieser Domäne gebunden werden, also ist Prinzip A verletzt.
d)
*Shei enjoyed heri in the shop. (2)
Hier ist ein Pronomen in Objekt­Position vom Subjekt desselben Satzes gebunden. Der Satz ist Bindungsdomäne, das nächste Subjekt ist „She“. Das Pronomen ist also in der Domäne gebunden: Prinzip B ist verletzt.
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