Auto-Antikörper gegen Proteine des Nervensystems und ihre

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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Sind psychische Erkrankungen
biologisch determiniert?
Klaus Lieb
Universitätsmedizin Mainz
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Folien im Internet
www.uniklinik-mainz.de/psychiatrie
unter Klinische Partner/
Fortbildungsveranstaltungen
2
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Der Bundes-Gesundheitssurvey (G HS-MHS)
12- Monatsprävalenz nach Diagnose
(Wittchen et al 2001 [5 ])
DSM-IV Diagnosen
In Mill. der
Bevölkerung
2,6
Psychotische
0,6
Drogen
Zwangsstörungen
2,11
Substanzstörungen
3,7
Alkohol
0,7
Eßstörungen
0,3
Bipolare
1,3
5,82
Affektive Störungen
4,5
Dysthymie
8,3
Depression
12,6
Phobien
GAE
2,5
Panikstörungen
Angststörungen
6,91
2,3
Somatoforme
11
0
2
4
6
8
10
12
Prävalenz
(%)
14
Nach: Wittchen HU & Jacobi F (2001). Die Versorgungssituation psychischer
Störungen in Deutschland - Eine klinisch-epidemiologische Abschätzung anhand
des Bundesgesundheitssurveys ´98. Bundesgesundheitsblatt 2001; 44:993-1000
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Prävalenz psychischer Störungen
Lebenszeit
(lifetime)
12-MonatsPrävalenz
ca. 40%
ca. 30%
1-MonatsPrävalenz
ca. 20%
Wittchen HU, Jacobi F, Hoyer J (2003). Die Epidemiologie psychischer Störungen in
Deutschland. Vortrag im Rahmen des Kongress: Psychosoziale Versorgung in der
Medizin, Hamburg, 28.-30.9.2003.
4
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Verlust an Lebensqualität
(World Health Report, 2001)
Unipolare Depression
Alkohol
Schizophrenie
Eisenmangelanämie
Bipolare Störung
Hörverlust
HIV/AIDS
COPD
Osteoarthritis
Verkehrsunfall
Panikstörung
Geburtshindernis
Altersgruppe
15 - 44 Jahre
Chlamydien
Stürze
Asthma
Drogen
Abort
Migraine
Zwangsstörung
Sepsis
0
5
10
15
Mit Behinderung gelebte Jahre
20
5
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
„Global Burden of disease“ im Jahr 2020
(nach: Murray CJL, Lopez AD: The global burden of disease. Harvard University Press)
Depression, unipolar
Alkoholmissbrauch
Osteoarthritis
Demenz/andere Degenerative Erkr.
Schizophrenie
Häufigkeit verschiedener
Erkrankungen, Erkrankungsjahre
pro Bevölkerung, gewichtet mit der
Schwere der Beeinträchtigung
Bipolar affektive Störung
Zerebrovaskuläre Erkrankung
Obstr. pulmonale Erkrankung
Autounfälle
Diabetes mellitus
0
2000
4000
6000
8000
10000 12000
6
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Operationalisierte Diagnostik depressiver Störungen nach
ICD-10
Hauptsymptome
h gedrückte, depressive Stimmung
=2
=2
=3
+
+
+
=2
= 3-4
>4
und
und
h Interessenverlust, Freudlosigkeit
h Antriebsmangel, erhöhte Ermüdbarkeit
Zusatzsymptome
h Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
h Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
h Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit
und
h Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
h Suizidgedanken / -handlungen
Symptome > 2 Wochen
h Schlafstörungen
h Verminderter Appetit
Schweregrad
leichte
mittelgradige
schwere
Depressive Episode
Verlaufsaspekte
ICD-10
monophasisch
F 32.xx
rezidivierend
F 33.xx
im Rahmen
eines bipolaren
Verlaufs
F 31.xx
7
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Häufigkeit depressiver Erkrankungen
ca.
5%
•
Bundesgesundheitssurvey 1998
aktuelle Prävalenz: 6,3%
•
Frauen : Männer = 2 : 1, alle
Altersgruppen
•
10% der Hausarztpatienten
•
25% aller Behandlungen in
Fachkliniken
Ca. jede 4. Frau und jeder 8. Mann erkranken im
Laufe des Lebens an einer Depression
8
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Sind Depressionen biologisch
determiniert?





Biopsychosoziale Erklärungsmodelle
Vulnerabilitäts-Stress-Modell
Biologische Therapieansätze
Pharmakogenetik
Zusammenfassung
9
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Entstehungsfaktoren von Depressionen
Annahmen in der Allgemeinbevölkerung
(Hegerl et al., 2000)
Als Ursachen von Depressionen werden angesehen:
unwichtig
etwas
wichtig
wichtig
Störung des GehirnStoffwechsels
Verlust von SelbstKontrolle
Charakter-Schwäche
10
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Entstehungsfaktoren von Depressionen
Annahmen in der Allgemeinbevölkerung
(Hegerl et al., 2000)
Als Ursachen von Depressionen werden angesehen:
unwichtig
Störung des GehirnStoffwechsels
13%
etwas
wichtig
22%
wichtig
Verlust von SelbstKontrolle
Charakter-Schwäche
45%
27%
28%
60%
20%
20%
65%
11
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Multifaktorielle Genese von Depressionen
Biograph.
Belastung
Somatische
Stressoren
Soziale
Faktoren
Genetische
Belastung
Neurobiologie
Psychosoziale
Stressoren
Intrapsychische
Konflikte
Psychische
Faktoren
12
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
„Organische“ Ursachen depressiver Störungen
• Hypothyreose:
- 5% der Allg.-Bevölkerung
- 8-17% der depressiven Patienten
- >50% der therapieresistent depressiven Patienten
13
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Medikamente als Ursache depressiver Störungen
• Reserpin
• alle hirngängigen Med., die anti-noradrenerg wirken (α-MethylDopa, Propanolol, Prazosin, Clonidin)
• einzelne Berichte über kardiotrope Med. (Digitalis, Lidocain)
• Glucocorticoide
• orale Kontrazeptiva
• Antibiotika (insb.) Gyrasehemmer
• Zytostatika (insb. Vinca-Alkaloide wie Vincristin, Vinblastin)
• L-Dopa (kann auch akute Psychosen auslösen)
• Entzug von BZD, Barbituraten, Nikotin, Koffein
14
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Erblichkeit psychischer Erkrankungen
Erblichkeit
Psychische Erkrankungen
Andere
Erkrankungen
oder
Normvarianten im Vergleich
20 – 40 %
Depression, Angststörung,
Bulimie,
Persönlichkeitsstörung
Herzinfarkt
40 – 60 %
Alkohol- und
Drogenabhängigkeit,
Blutdruck, Asthma
60 – 80 %
Bipolare Störung,
Schizophrenie
Gewicht, Knochendichte
80 – 100 %
Autismus
Größe, Gehirnvolumen
100%
Seltene genetische Formen
der Alzheimer-Demenz
Chorea Huntington
15
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Erblicher Faktor bei psychischen Erkrankungen
(% der genetisch erklärbaren Varianz, nach W. Maier, 2003 )
Schizophrenie
Manisch-Depressiv
Depression (unipol.)
Suchtkrankheiten
Angststörungen
Zwangsstörung
Posttraumat. Belast.
Persönlichkeits-St.
0%
10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%16
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Der erbliche Faktor
Hemingway: Teil des Stammbaums
Clarence
Marcelline
Hadley
Ursula
Ernest
Grace Hall
MadelaineCarol Leicester
Pauline
Manic-depressive
Illness
Suicide
John
Patrick Gregory
Post head-trauma
Psychosis
17
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Genetische Faktoren bei affektiven Störungen
Erkrankungsrisiko
in % für
Verwandte von
Patienten, die an
einer unipolaren
Depression oder
bipolaren
affektiven Störung
leiden.
70
70
60
50
40
40
30
20
15
20
10
0
Eltern,
Kinder,
Zweieiige
Kinder,
wenn beide Zwillinge
Geschwister Eltern krank
Eineiige
Zwillinge
18
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Vulnerabilitäts-Stress-Modell
Stressoren
maximal
minimal
Schwelle
krank
gesund
niedrig
Vulnerabilität
hoch
Zubin und Steinhauser, 1981
19
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Psychische Faktoren, die als Ursache für seelische
Störungen eine große Rolle spielen

Fehlen stabiler Bindungen

Mißbrauch und Gewalt, besonders sex. Gewalt

ein „nicht-wertschätzendes Umfeld“

Stress/Überforderung
Erste
Lebensjahre
Kindheit
Erwachsenenalter
20
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Zusammenwirken genetischer und Umweltfaktoren
Beispiel: Serotonin-Transporter (5HT-T)
Promotor
5-HT-T
Chr. 17
-1255
-1212
Insertion
–
Short variant (s)
+
long variant (l)
 2-fach höhere Serotonin-Transporter-Expression
 2-fach höhere Serotonin-Wiederaufnahme
21
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Zusammenwirken genetischer und Umweltfaktoren
Beispiel: Trauma, Genotyp und Depressionsrisiko
Erhöhtes DepressionsRisiko bei TraumaVorgeschichte bei
Vorliegen des s-Genotyps
Fig. 2
Caspi et al., Science, 2003
22
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Epigenetik
Epigenetik beschreibt vererbliche Änderungen des Erbgutes, die
nicht die Sequenz der DNA betreffen
Epigenetische Mechanismen umfassen vor allem:
DNA Methylierung
Histon Modifikation
Diese Mechanismen dienen der Regulation der Aktivität eines
Genes
23
Der „epigenetische“ Schalter
Transkription möglich
Gen „eingeschaltet“



Unmethylierte CpG
Histone acetyliert
Offenes Chromatin
Gen „ausgeschaltet“



Methylierte CpG
Histone deacetyliert
Geschlossenes Chromatin
Transkription unmöglich
Folie von Dr. Frieling, Erlangen
Epigenetik und Psychiatrie
Epigenetische Veränderungen
Essstörungen
Schizophrenie
Bipolare Störung
Rett-Syndrom
EKT Effekte
Folie von Dr. Frieling, Erlangen
Affektive Störungen
Stress-Antwort
Alkoholabhängigkeit &
Craving
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Biologisch veränderte Strukturen im Gehirn Depressiver
26
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Biologisch veränderte Strukturen im Gehirn Depressiver
27
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Beeinflussung neuronaler Plastizität durch Stress und Therapie
CA1
Hippocampus
CA3
Gyrus dentatus
normal
Stress
Antidepressiva/Lithium
Glukokortikoide ⇑
BDNF ⇓
Normales Überleben/Wachstum
Zelltod/Atrophie
5HT + NE ⇑
BDNF ⇑
Zellwachstum/Hypertrophie
Duman et al., 1999; Kempermann et al., 2002; Santarelli et al., 2003
28
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Behandlungsalternativen
Diagnose
Diagnose
Depression
Depression
Optionen
Optionen
Antidepressiva
Antidepressiva
Psychotherapie
Psychotherapie
(keine Behandlung)
Behandlung)
(keine
Antidepressiva +
Antidepressiva +
Psychotherapie
Psychotherapie
Beobachtendes
Beobachtendes
Abwarten
Abwarten
Andere Verfahren: Lichttherapie, Schlafentzugstherapie, Elektrokonvulsionstherapie, Soziotherapie, Sport
29
Wirkmechanismen von Antidepressiva
auf verschiedenen Ebenen
1. Enzym/Transporter
2. Prä-/postsynaptische Rezeptoren
3. Second messenger
2
1
2
3
4. Genexpression,
neuronale Plastizität
4
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Antidepressiva-Behandlung
fast alle Antidepressiva hemmen die
Rückaufnahme von Serotonin und/oder
Noradrenalin aus dem synaptischen Spalt
31
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Wirkung von Antidepressiva auf der Ebene
der second messenger und Genexpression
β1,2,3-R
Gs
5-HT1a-R
A-cyc.
5-HT2-R
Ca2+-abh- Kinasen
MAP-Kinasen
cAMP 
PKA 
CREB 
BDNF 
Neuronale Plastizität
32
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Antidepressiva (SSRI)-Wirkung abhängig
von genetischen Varianten im
Serotonin-Transporter-Promotor
Smeraldi et al., 1998
33
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Genvarianten von Enzymen, die
Medikamente verstoffwechseln
Oxidation (Monooxygenasen)
Konjugation
34
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Blutplasma-Spiegel des Antidepressivums
Nortriptylin in Abhängigkeit vom Genotyp
des Cytochrom P450-Enzyms
200
180
160
140
120
100
80
60
40
20
0
Nortriptylin-Plasmaspiegel
(ng/ml) bei einer oralen
Gabe von 150 mg/Tag in
Abhängigkeit vom Genotyp
EM
PM
Genotyp
35
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Chip-Diagnostik: Potentielle genetische Vorhersage
von Wirkung und Nebenwirkung von Medikamenten
Enzyme (- COMT)
Transporter
P 450
- Cyp2D6
- Cyp2C19
- NAT2
Rezeptoren
- 5-HT
- AR
-D
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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Individualisierte Pharmakotherapie morgen
Patient mit Depression
Gene-Chip: Individuelles genetisches Profil
Individuelles Wahrscheinlichkeitsprofil
(Wirkung, Nebenwirkung, Wechselwirkung)
Medikamentenauswahl
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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Zusammenfassung





Nur sehr seltene psych. Erkrankungen sind biologisch
(genetisch) determiniert
Biologische Faktoren sagen nur bedingt die Entstehung
der meisten psychischen Erkrankungen voraus
Psychische und soziale Faktoren können Krankheiten
fördern oder auch protektiv wirken
Biologische Therapieansätze stehen gleichberechtigt
neben psychotherapeutischen
Ein wichtiger Zukunftsbereich der Forschung ist die
Untersuchung von Gen-Umwelt-Interaktionen
38
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