tom eines Siegelring-Karzinoms - Lymphologie Sachsen

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Kasuistik
Genitallymphödem als Frühsymptom eines Siegelring-Karzinoms
T. Hirsch1; H. Uhlemann2
1Praxis
für Innere Medizin und Gefäßkrankheiten, Halle a.d.S.; 2Klinik für Innere Medizin/Angiologie, Klinikum Altenburger Land GmbH
Schlüsselwörter
Keywords
Genitallymphödem, Kardiakarzinom, Erysipelas carcinomatosum, Siegelring-Karzinom
Genital lymphedema, carcinoma of the cardia, erysipelas carcinomatosum, signet-ring
cell carcinoma
Zusammenfassung
Summary
Ein 51-jähriger Mann stellt sich wegen eines
rasch progredienten Bein- und Genitallymphödems vor. Die komplexe physikalische
Entstauung bleibt ohne Erfolg. Nach ergebnisloser Bildgebung wird in der endoskopischen Exploration ein metastasierendes Siegelring-Karzinom der Kardia als Ursache
nachgewiesen.
A 51-year-old male patient presents with a
fast progressing leg and genital lymphedema. Complex physical decongestive therapy
was performed without success. After unsuccessful imaging, endoscopic exploration
identified the cause to be a metastasizing
signet-ring cell carcinoma of the cardia.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Tobias Hirsch
Praxis für Innere Medizin und Gefäßkrankheiten
Venen Kompetenz-Zentrum®
Leipziger Straße 5, 06108 Halle (Saale)
E-Mail: [email protected]
Zitierweise des Beitrages/Cite as:
Genital lymphedema as an early symptom of a
signet-ring cell carcinoma
Phlebologie 2014; 43: ■■■
DOI: http://dx.doi.org/10.12687/phleb2206-4-2014
Eingereicht: 04. Mai 2014
Angenommen: 21. Mai 2014
English version available at:
www.phlebologieonline.de
Spontan auftretende, proximale Bein- und
Genitallymphödeme geben oft Rätsel auf.
Die übliche physikalische Entstauung führt
dabei häufig nicht zu dem gewünschten Effekt und die betroffenen Patienten sind
sehr stark kompromittiert aufgrund elementarer hygienischer und auch sexueller
Probleme. Die Suche nach dem Auslöser
verlangt nach einer ganzheitlichen diagnostischen Strategie und interdisziplinärer
Offenheit.
Eine seltene Ursache stellen gastrointestinale Malignome dar, die in der Literatur
nur in wenigen Fallbeispielen beschrieben
sind.
© Schattauer 2014
Anamnese und Befunde
In der lymphologischen Sprechstunde stellte sich ein 51-jähriger Mann wegen eines
Bein- und Genitalödems vor, welches innerhalb eines Vierteljahres erheblich zugenommen habe. Eine stationäre Diagnostik
hatte weder in der sonografischen und radiologischen Bildgebung, noch im Labor
relevante Auffälligkeiten ergeben. Anamnestisch war eine benigne Prostatahyperplasie zu erheben. Durch die behandelnde Urologin wurde eine Neoplasie ausgeschlossen.
In der klinischen Untersuchung zeigte
sich ein oberschenkelbetontes, stark indu-
riertes Beinlymphödem beidseits. Das
Stemmersche Zeichen an den Füßen war
negativ. Ein massives Penis- und Skrotallymphödem war bis zum Nabel zu beobachten (▶ Abb. 1).
Sonografisch erfolgte der Ausschluss einer Phlebothrombose, zur Darstellung kamen erweiterte Marshallsche Lymphspalten sowie eine Prostatahyperplasie ohne
Malignitätsverdacht und eine Hydrozele.
Die parenchymatösen Oberbauchorgane
und die Echokardiografie waren unauffällig.
Die Lymphabstrom-Szintigrafie ergab
einen seitendifferenten Lymphabstrom der
Beine zu Ungunsten der linken Extremität.
Pelviner und abdomineller Abstrom waren
nicht beurteilbar.
Im Labor war eine leicht beschleunigte
BSR (47/79) festzustellen. Pathologisch waren darüber hinaus Alpha-2-Globulin
14,3 % (6,8–13,4), Gamma-Globulin 10,0 %
(10,6–19,8) und die Alkalische Phosphatase 2,84 µkat/l (Normalbefunde: IgG4, CRP,
ANA, p-ANCA, c-ANCA, PSA, ß2-Mikroglobulin, Thymidinkinase).
Da differenzialdiagnostisch neben einem Morbus Ormond auch Morbus Crohn
als Auslöser des Lymphödems in Betracht
zu ziehen war, erfolgte letztendlich die zur
Diagnose führende Endoskopie mit Darstellung eines Tumors im Bereich der Kardia (▶ Abb. 2 und ▶ Abb. 3).
Erst die dritte CT des Abdomens sicherte den Tumor auch radiologisch (▶ Abb.
4). Dabei zeigte sich lediglich eine geringfügige Wandverdickung mit einem suspekten lokoregionären Lymphknoten.
Eine MRT der Wirbelsäule brachte eine
vertebragene Metastasierung zum Nachweis.
Aufgrund eines bekannten Bandscheibenleidens wurde in einer bereits zuvor erfolgten PET die inhomogene NuklidverteiPhlebologie 4/2014
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T. Hirsch; H. Uhlemann: Genitallymphödem als Frühsymptom eines Siegelring-Karzinoms
Abb. 1
Massives Penis- und
Skrotalödem. Das
Ödem am Oberschenkel ist besser tast- als
sichtbar.
Abb. 2
Gastroskopie: fibrinbelegtes, exulzeriertes
Karzinom im KardiaBereich.
lung im Knochenmark der Wirbelsäule
entzündlichen Veränderungen zugeordnet.
Therapie und Verlauf
Zur Therapieübernahme bestand das
Ödem seit drei Monaten. Da ein Zusammenhang zur Gabe des Alphablockers im
Rahmen der Behandlung der Prostatahyperplasie zu bestehen schien, wurde diese
beendet.
Neben dem indurierten, oberschenkelbetonten Beinödem hatte sich ein massives
Lymphödem im Symphysenbereich mit
Beteiligung des Skrotums, des Penis und
des Präputiums ausgebildet. Für den Patienten ergaben sich daraus neben hygieniPhlebologie 4/2014
schen Problemen auch zunehmend
Schwierigkeiten beim Wasserlassen. Aufgrund der erforderlichen Bandagierung
konnte er zum Teil seine Hosen nicht mehr
tragen. Unter der verordneten KPE1 ließ
sich eine Stabilisierung des Befundes bewerkstelligen, aber keine Regredienz des
Ödems im Schambereich.
Da die wiederholte Diagnostik schwache Hinweise auf eine entzündliche Erkrankung (BSR) lieferte und die Lymphostase im Bereich des Retroperitoneums
darzustellen war, wurde unter der Verdachtsdiagnose Morbus Ormond zunächst
mit einer Steroidtherapie begonnen (Prednisolon 50 mg/d). Darunter konnte nur eine geringe Regredienz des Ödems bewirkt
werden. Intensive manuelle Lymphdraina-
ge und Bandagierung waren weiterhin erforderlich.
In der endoskopischen Diagnostik ließ
sich letztlich ein Adenokarzinoms der Kardia nachweisen, welches histologisch einem
Siegelring-Karzinom zuzuordnen war
(uT3, N1,M1,G3, Mischtyp nach Lauren,
UICC-Stadium IV). Es erfolgte der Beginn
einer palliativen Chemotherapie mit 5-FU,
Oxaliplatin, Taxotere.
In Abhängigkeit vom aktuell noch ausstehenden Rezeptorenstatus kommt im
weiteren Verlauf eine Herzeptin-Therapie
in Betracht.
Diskussion
Bei lediglich diskretem Lymphknotenbefund bleibt die pathomorphologische Ursache des Lymphödems unklar. Eine Peritonealkarzinose als Folge des Kardiakarzinoms mit lymphogener Streuung und konsekutiver zentraler Lymphabflussstörung
ist anzunehmen.
Der Tumor selbst ist erst in der dritten
Computertomografie und unter Kenntnis
des gastroskopisch gesicherten Befundes
radiologisch auffällig gewesen. Die Positronen-Emissionstomografie hatte typische
Befunde im Sinne der Knochenmetastasierung erbracht, welche aber aufgrund des
nicht klaren Bezuges als degenerativ-entzündlich fehlgedeutet wurden.
In der Zusammenschau aller anamnestischen Angaben, klinischen und apparativen Befunde muss drei Faktoren besondere
Bedeutung beigemessen werden:
• der sehr stark proximalen Lokalisation
des Lymphödems,
• der rasanten Geschwindigkeit seines
Auftretens sowie
• dem schlechten Ansprechen auf die
physikalische Entstauung.
Sie legen eine maligne Ätiologie nahe und
sollten grundsätzlich als Anlass zur erweiterten internistischen Diagnostik betrachtet werden mit endoskopischer Exploration
des Gastrointestinaltraktes.
Hegemann et al. hatten 2001 (1) in einem ähnlich gearteten Fall aufgrund eines
begleitenden Erysipels eine Hautbiopsie
entnommen, die zur Diagnose Erysipelas
carcinomatosum führte. Eine erysipeloide
© Schattauer 2014
T. Hirsch; H. Uhlemann: Genitallymphödem als Frühsymptom eines Siegelring-Karzinoms
Abb. 3 Endosonografischer Befund des Tumors. Größe: 33,8 mm x
20,0 mm.
Ausprägung der Metastasierung wurde
auch im Zusammenhang mit Prostata- und
Mamma-Karzinom (2) sowie Melanomen
(3) beschrieben.
Das Lymphödem des Patienten wies klinisch keine Entzündungszeichen auf und
auch die Laborkonstellation war nicht wegweisend. In PubMed sind drei Veröffentlichungen gelistet mit Kasuistiken, die einen
Chylothorax bzw. Beinlymphödeme im
Zusammenhang mit einem Siegelring-Karzinom beschreiben (4–6). In allen Fällen
geht die symptomatische Lymphostase der
Diagnosestellung Magenkarzinom ebenfalls deutlich voraus.
Ethische Richtlinien
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Die Datenaufnahme
© Schattauer 2014
Abb. 4 CT des Abdomens: Pfeil links – verdickte Wand der Kardia; Pfeil
rechts – pathologischer Lymphknoten.
erfolgte in Übereinstimmung mit den nationalen Gesetzen, der aktuellen HelsinkiDeklaration und der Zustimmung der jeweiligen Patienten.
Fazit
Idiopathische Bein- und Genitallymphödeme mit rasch progredientem Verlauf sind
immer verdächtig hinsichtlich einer paraneoplastischen Genese. Eine erweiterte internistische Diagnostik inklusive Endoskopie ist insbesondere bei hoch-proximalen
Lymphödemen essenziell. Maligne Lymphödeme kennzeichnen eine sehr schlechte
Prognose. Eine Umdeutung von Befunden
der Bildgebung sollte stets geprüft werden.
Literatur
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2. Cox SE, Cruz PD Jr. A spectrum of inflammatory
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4. Majoor CJ, Aliredjo RP, Dekhuijzen PN, Bulten J,
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5. Arcuri V, Ardoino S, Ceppa P, Patrone F. Lymphedema of the lower limbs secondary to neoplastic
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Phlebologie 4/2014
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