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cand. med. vet.
11. Semester
Gießen, den xxx.2012
Befundbericht
Bei dem vorliegenden Organ handelt es sich um die Lunge eines Schweins, was durch
das Vorhandensein des Bronchus trachealis sowie der artspezifischen Form des Lobus
cranialis sinister, des Lobus cranialis dexter und des Lobus medius zu erkennen ist. Das
Präparat stammt aus dem Sektionsgut des Institutes für Veterinärpathologie der JustusLiebig Universität in Gießen. Der Befundbericht wird im Rahmen der
Staatsexamensprüfung Pathologie unter der Leitung von Dr. Köhler angefertigt.
Die Lunge ist frisch (riecht kaum) und insgesamt etwa 40 cm lang, 30 cm breit und 15
cm hoch bei einem Gewicht von etwa 1 kg. Die Trachea ist der Länge nach bis in die
Bronchien eröffnet. An der Trachea befinden sich noch ein etwa 20 cm langes Stück
Oesophagus, ein etwa 10 cm langes Stück einer Arterie sowie daran befindlich drei je
etwa 0,5 x 0,3 cm messende Lymphknoten. Ein etwa 10 x 15 cm großes Stück Pleura
befindet sich noch am Lobus dexter.
In der Trachea befindet sich von den Bronchien ausgehend bis zur Bifurcatio eine
schaumig-transparent-weiße, teils leicht rötlich verfärbte Flüssigkeit. Die cranioventralen Anteile der Lunge sind ungleichmäßig von hellrot, grau und dunkelrot bis ins
Schwarze reichend verfärbt. Die Konsistenz der verfärbten Anteile ist teils knotig, teils
weich. Im Anschnitt sind die Bereiche feucht, es lässt sich eine gelb-graue, dicke
Flüssigkeit herauspressen; in einigen Bereichen ist die Flüssigkeit eher rötlichtransparent. Die Oberfläche der genannten Lobi ist glatt, teils etwas eingesunken. Der
Lobus dexter ist stellenweise mit der Pleura fest verbunden und nicht ohne
Substanzverlust ablösbar.
Pathologisch-anatomische Diagnose
1. Mittelgradige akute multifokale katarrhalisch-eitrige Pneumonie
2. Mittelgradiges akutes alveoläres Lungenödem
3. Mittelgradige chronische multifokale fibroplastisch-adhäsive Pleuritis
Pathologisch-anatomische Differentialdiagnosen
zu 1.: Mittelgradige chronische multifokale katarrhalisch-eitrige Pneumonie
Mittelgradige akute multifokale fibrinöse Pneumonie
mittelgradige akute multifokale interstitielle Pneumonie
Atelektasen
zu 2.: Mittelgradiges akutes interstitielles Lungenödem
Brühwasserlunge
zu 3.: mittelgradige chronische multifokale fibrinöse Pleuritis
Epikrise
Bei der vorliegenden Lungenerkrankung handelt es sich mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit um eine katarrhalisch-eitrige Pneumonie. Diese ist gekennzeichnet
durch multiple, unregelmäßig verteilte rote Herde und dazwischen normales,
emphysematöses oder atelektatisches Lungengewebe. Die veränderten Bereiche finden
sich vor allem cranioventral. Diese Merkmale treffen bei der vorliegenden Lunge zu. Bei
Druck fließt aus dem Anschnitt Exsudat, was hier als Eiter näher definiert werden kann.
Da nur wenig Eiter und teils seröse Flüssigkeit abpressbar war, handelt es sich
vermutlich um ein akutes Geschehen. Ätiologisch sind bei der katarrhalischen-eitrigen
Pneumonie vor allem bakterielle Infektionen zu nennen. In aller Regel handelt es sich
beim Schwein um Mischinfektionen mit verschiedenen fakultativ pathogenen Bakterien.
Bordetella bronchiseptica ist ein Gram negatives, bewegliches, aerobes Bakterium. Es ist
regelmäßig im oberen Atemtrakt von Schweinen zu finden, wo es sich vermehrt. Aus
einer durch Bordetellen ausgelösten Rhinitis kann es bei für den Erreger günstigen
Bedingungen zur katarrhalisch-eitrigen Pneumonie kommen. Betroffen sind vor allem
Ferkel. Bei Toxin bildenden Bordetellen und bei gleichzeitiger Infektion mit Pasteurellen
kann daraus auch eine Rhinitis atrophicans entstehen.
Ein weiterer potenzieller Pneumonie-Erreger ist Streptococcus suis, ein Gram positives
Bakterium. Typ 1 kommt vor allem bei Saugferkel vor (selten), Typ 2 betrifft vorwiegend
Absetzer und Mastschweine. Die Bakterien werden meist von latent infizierten Sauen
auf die Ferkel übertragen. Streptococcen sind zur α-Hämolyse fähig, siedeln sich neben
vielen anderen Geweben in Alveolarmakrophagen an und lösen dort eine Pneumonie
aus.
Seltener kommen beim Schwein als Ursache für katarrhalisch-eitrige Pneumonien auch
Staphylokokken, Arcanobacterium pyogenes, Escherichia coli oder Salmonellen vor.
Katarrhalisch-eitrige Pneumonien können vollständig ausheilen, als Komplikation aber
auch abszedieren, fibrosieren oder bei Sekundärinfektion mit Fäulniserregern selten
gangräneszieren.
Alternativ kann eine katarrhalisch-eitrige Pneumonie auch durch eine bakterielle
Sekundärinfektion nach einer primär viralen Infektion der Lunge entstehen (siehe
interstitielle Pneumonien). Ob dies bei der vorliegenden Lunge der Fall war, ist
makroskopisch nicht mehr nachzuvollziehen.
Differentialdiagnostisch könnte es sich auch um eine fibrinöse Pneumonie handeln. Bei
der fibrinösen Pneumonie unterscheidet man vier Stadien entzündlichen Gewebes
unterschiedlichen Alters: Das Anschoppungsstadium (Statium incrementi), die rote
Hepatisation (Hepatisatio rubra), die graue Hepatisation (Hepatisatio grisea) sowie die
Organisation (Carnifikation). Makroskopisch werden die verschiedenen Stadien in der
„bunten Marmorierung“ sichtbar. Im Stadium incrementi ist der Lungenlappen
vergrößert, dunkelrot, die Schnittfläche ist feucht und entlässt rote Flüssigkeit. Während
der roten Hepatisation verbleibt der Lungenlappen rot, fühlt sich aber eher an wie
Lebergewebe, die Schnittfläche ist trocken-brüchig. Das Interstitium wird breit und
sulzig. Bei der grauen Hepatisation wird das betroffene Gewebe graugelb, voluminös, die
Schnittfläche ist nach wie vor trocken. Im letzten Stadium organisiert sich das Gewebe
mittels Granulation, es wird „fleischartig“. Bei der vorliegenden Lunge konnten zwar
unterschiedlich gefärbte Lungenläppchen gefunden werden, jedoch fand sich auch bei
verschiedenen Anschnitten keine trockene Schnittfläche. Der auspressbare Eiter spricht
ebenfalls gegen das Vorliegen einer fibrinösen Pneumonie.
Pasteurella multocida ist ein Gram negatives, fakultativ anerobes Bakterium und beim
Schwein Erreger der Lungenpasteurellose (Typ A und D), die meistens eine fibrinöse
Pneumonie darstellt. Dieses Bakterium lebt physiologisch im oberen Respirationstrakt,
siedelt sich in der Lunge aber erst bei Immunsuppression an. Betroffen sind Läufer und
Jungsauen. Die Erkrankung tritt aktuell nur noch selten auf.
Actinobacillus pleuropneumoniae, ebenfalls ursächlich für die genannten Pneumonie, ist
ein Gram negatives, fakultativ anaerobes Bakterium mit sehr geringer Infektionsdosis.
Die Infektion erfolgt vor allem aerogen, aber auch indirekt. Die Bakterien vermehren
sich in Tonsillen und Atemtrakt und bilden Endotoxine. Betroffen sind alle
Altersgruppen ab etwa dem 3. Lebensmonat, das Krankheitsbild nennt sich kontagiöse
Pleuropneumonie. Typisch sind scharf abgegrenzte Nekroseherde, Sequesterbildung,
auch adhäsive Pleuritis kann vorkommen.
Als weitere Möglichkeit kommt eine interstitielle Pneumonie („Pneumonitis“) in
Betracht. Typisch dafür ist eine verdichtete, „puffige“ Konsistenz der Lunge durch das
Emphysem, die Lunge „steht“ und kollabiert nicht. Bei der vorliegenden Schweinelunge
war das jedoch nicht der Fall, weshalb eine interstitielle Pneumonie unwahrscheinlich
ist. Ursachen für interstitielle Pneumonien sind vor allem virale Infektionen.
Ein Virus, das dabei in Frage kommt, ist das Influenza-Virus Typ A (RNA-Virus,
Orthomyxoviridae), wobei beim Schwein die Subtypen H1N1, H1N2 und H3N2 eine
Rolle spielen. Die daraus folgende Krankheit ist die Schweineinfluenza (hog flu). Die
Infektion erfolgt aerogen, das Virus vermehrt sich im Epithel des Atemtraktes. Als
Einzelinfektion kommt es in der Regel noch nicht zur Pneumonie, aber in Kombination
mit z.B. Haemophilus parasuis können seuchenhafte Herdenerkrankungen auftreten.
Ebenfalls Erreger einer interstitiellen Pneumonie ist das RNA-haltige PRRS-Virus
(porcine reproductive and respiratory syndrome, Arterivirus). Die Infektion mit dem
Virus erfolgt oronasal, seltener aerogen. Betroffen sind vor allem Absatzferkel und
Mastschweine. Das Virus vermehrt sich in Lungenmakrophagen. Die Tenazität des Virus
ist gering, dennoch ist es in vielen Beständen persistent.
Des Weiteren zu nennen ist das porzine respiratoirsche Coronavirus (PRCV-1), das bei
Sekundär- und Mischinfektionen eine Rolle spielen kann. Als alleinige Infektion verläuft
die Erkrankung in der Regel nur mild.
Ein viertes zu nennendes Virus bei Schweinen ist das porzine Circovirus (PCV-2). Es
führt zu PMWS (post weaning multisystemic wasting syndrome), das neben etlichen
anderen Symptomen auch zur interstitiellen Pneumonie führen kann.
Mycoplasma hypopneumoniae ist Erreger der enzootischen Pneumonie der Schweine
und führt ebenfalls unter anderem akut zur interstitiellen Pneumonie vor allem in den
Spitzenlappen. Pleuritis kann vorkommen. Die zuletzt genannten Faktoren würden zum
vorliegenden Fall passen. Ob hier eine Sekundärinfektion erfolgte und die ursprünglich
interstitielle Pneumonie überdeckte, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Auf Grund
des akuten Geschehens scheint es aber eher unwahrscheinlich. Mycoplasmen besitzen
keine Zellwand, sind sehr stark wirtsspezifisch und vermehren sich auf den
Schleimhäuten des Schweins. Die Infektion erfolgt aerogen oder oral. Sie sind weit
verbreitet, besitzen aber nur eine geringe Tenaziät.
Als Sonderform der Pneumonien kommt auch beim Schwein differentialdiagnostisch die
Aspirationspneumonie in Betracht. In der Regel handelt es sich hierbei um eine anfangs
katarrhalisch-eitrige, später nekrotisierend-eitrige Entzündung des Lungengewebes.
Auslöser ist das Einatmen von Fremdkörpern oder –stoffen, z.B. Futter nach
Regurgitation oder während Bewusstlosigkeit. Als „Eingusspneumonie“ bezeichnet man
iathrogen durch falsche Eingabe in die Lunge verbrachte Flüssigkeit (z.B. Medikamente).
Im vorliegenden Fall konnten weder Fremdkörper noch –flüssigkeiten in der Lunge
gefunden werden. Aspirationspneumonien nur im cranioventralen Teil scheinen auch
untypisch, weshalb diese Differentialdiagnose eher ausscheidet.
Atelektasen stellen eine weitere Differentialdiagnose bei der vorliegenden
Schweinelunge dar. Als atelektatisch bezeichnet man einen Bereich der Lunge, der
luftleer ist. Atelektasen entstehen durch Kompression (z.B. bei Pleuraerguss),
Obstruktion eines Bronchus oder Entspannung beim Pneumothorax. Die Lunge
erscheint makroskopisch lobulär eingesunken, kompakt und blaurot. Im hier
untersuchten Organ sind einige Bereiche der Lunge diesem Bild ähnlich, eine
vollständige Atelektase kann jedoch durch den abpressbaren Eiter und die
unterschiedliche Färbung ausgeschlossen werden. Es ist aber möglich, dass einige
Alveolen oder Bronchioli durch Eiter verlegt und so einzelne Lobuli innerhalb der
katarrhalisch-eitrigen Pneumonie atelektatisch sind. Eine Schwimmprobe zum Beweis
einer Atelektase (betroffenes Lungengewebe geht unter) wurde nicht durchgeführt.
Die schaumige Flüssigkeit in der Trachea ist mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit ein Lungenödem. Es entsteht durch Austritt von Blut in Alveolen
oder Interstitium. Mischt die Flüssigkeit sich mit Luft, wird sie durch die
„Waschmittelwirkung“ des Surfactant schaumig, was auch bei der vorliegenden Lunge
der Fall ist. Dass es sich um ein akutes Lungenödem handelt, ist deutlich an der noch
nicht eingetrübten Flüssigkeit, die teils sogar transparent ist, zu erkennen. Auf den
Schnittflächen der hier befundeten Lunge sind keinerlei verbreiterte Interstitien zu
sehen, weshalb von einem alveolären Lungenödem ausgegangen werden kann.
Für die Entstehung eines Lungenödem gibt es entzündliche, onkotische, toxische (z.B.
Fusarien), hydrostatische (z.B. nach Enterotoxämie) oder allergische Gründe. Hier ist es
am wahrscheinlichsten, dass es sich um ein im Zuge des Schlachtens oder Tötens
entstandenes Lungenödem durch Kreislaufversagen handelt. Unterschieden werden
muss das Lungenödem von der Brühwasserlunge, die bei Schlachtschweinen häufig
auftritt. Wird das Schwein mangelhaft betäubt in den Brühwasserkessel getaucht, kann
ein Atemreflex ausgelöst werden. Das eingesogene Wasser ist in der Regel trüb, enthält
Borsten, Bakterien und abgeschilfertes Epithel. Die bei der besprochenen Lunge
vorgefundene Flüssigkeit entspricht dem nicht, es sind keine Frembestandteile oder
Trübung zu sehen.
Zuletzt ist die vorgefundene fibroplastisch-adhäsive Pleuritis des Lobus dexter
differentialdiagnostisch von einer fibrösen Pleuritis zu unterscheiden. Bei der fibrösen
Pleuritis wäre der Lobus noch ohne Substanzverlust von der Pleura lösbar gewesen. Bei
der vorliegenden Lunge war dies jedoch nicht möglich, weshalb es sich um eine
fibroplastisch-adhäsive Pleuritis handelt. Fibrinöse Bereiche sind nicht sichtbar. Es wäre
möglich, dass trotzdem beim nicht mehr vorhandenen Teil der Pleura fibrinöse
Entzündungen vorliegen. Dies ist an Hand des vorliegenden Präparats nicht mehr
nachvollziehbar.
Haemophilus parasuis (Pasteurellaceae) ist der Erreger der Glässer’schen Erkrankung,
die durch Polyserositis gekennzeichnet ist. Das Bakterium ist Gram negativ und
besiedelt physiologisch die Schleimhäute des oberen Atemtraktes. Betroffen sind
vorwiegend Absatzferkel, die Krankheit tritt sporadisch auf. Diese Erkrankung passt gut
zur vorliegenden Pleuritis, auch die katarrhalisch-eitrige Pneumonie kann durch
Haemophilus parasuis verursacht worden sein. Rein makroskopisch ist dies hier nicht
nachzuweisen, aber auch nicht auszuschließen.
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