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ARD-MORGENMAGAZIN – SERVICE 12.09.2012
THEMA:
KOPFSCHMERZ UND MIGRÄNE
Autorin:
Uschi Müller
EXPERTE IM STUDIO: PROF. DR. HANS-CHRISTOPH DIENER
Funktion:
Neurologe, Universität Essen
Mehr als die Hälfte der Deutschen werden zumindest zeitweise von Kopfschmerzen geplagt.
Wetteränderung, Stress, Alkohol, Muskelverspannungen oder auch eine Erkältung sind häufige
Auslöser. Wissenschaftler unterscheiden mehr als zweihundert Arten von Kopfschmerzen. In
den meisten Fällen sind sie harmlos und am nächsten Tag wieder verschwunden.
Nicht so bei den Menschen, die unter Migräne leiden: In Deutschland sind das etwa 3,7 Millionen Frauen und rund zwei Millionen Männer. Aber auch eine Vielzahl von Kindern und Jugendlichen leiden unter Kopfschmerzen und Migräne.
Spannungskopfschmerz
Die meisten Menschen, die Kopfschmerzen haben, leiden unter Spannungskopfschmerzen.
Dies sind dumpf-drückende Kopfschmerzen mittlerer Intensität im ganzen Kopf. Wer täglich mit
verkrampften Schultern vor dem Schreibtisch oder am Computer hockt, wird früher oder später
an Muskelverspannungen leiden. Regelmäßige kurze Pausen mit kleinen Lockerungsübungen
können hier Wunder wirken.
Auch Menschen, die unter Stress stehen und nicht abschalten können, leiden häufiger unter
Kopfschmerzen. Mit Entspannungsübungen und Ausdauersport können sie gegensteuern. Immer, wenn die Schmerzen ungewöhnlich stark oder häufig auftreten, sollten Betroffene einen
Arzt aufzusuchen. Auch bei weniger starken, aber lang anhaltenden Kopfschmerzen, ist ein
Arztbesuch zu empfehlen.
Migräne
Migräne gilt leider immer noch als typisches Frauenleiden, da Frauen häufiger als Männer über
Migräneattacken klagen. Die Annahme, dass Frauen wehleidiger seien, ist allerdings falsch.
Denn Migräne ist eine unangenehme Krankheit, die das tägliche Leben stark beeinträchtigen
kann.
Unterschieden wird zwischen der Migräne mit und der Migräne ohne Aura. Symptome der Migräne ohne Aura sind wiederkehrende Kopfschmerzattacken, die in der Regel mehrere Stunden
anhalten, aber auch bis zu drei Tagen andauern können. Bei den meisten Patienten ist nur eine
Kopfseite betroffen. Der meist pochende und pulsierende Schmerz kann jedoch während einer
Attacke und von Anfall zu Anfall die Seite wechseln. Typische Begleiterscheinungen sind Übelkeit, Erbrechen sowie Licht- und Lärmempfindlichkeit.
Von der Migräne mit Aura sind bis zu 15 Prozent der Menschen mit Migräne betroffen. Der
Schmerzattacke gehen neurologische Ausfallerscheinungen (z.B. Seh- und Sprachstörungen)
voraus, die bis zu einer Stunde anhalten können. Manche Betroffene haben ein eingeschränktes Gesichtsfeld mit Flimmern und Blitzen vor den Augen, Drehschwindel, Lähmungserscheinungen und Sensibilitätsstörungen.
Anzeichen
Die Anzeichen einer beginnenden Attacke können sehr unterschiedlich sein. Manche Patienten
bemerken bereits ein bis zwei Tage vorher einen Stimmungsumschwung oder verschiedene
körperliche Symptome wie vermehrtes Wasserlassen oder Heißhunger auf Süßigkeiten. Die
Ursachen der Migräne sind noch nicht vollständig erforscht. Als sicher wird jedoch angesehen,
dass die Veranlagung zu Migräne vererbt werden kann.
Auslöser
Bei Menschen mit einer Veranlagung für Migräne können so genannte Triggerfaktoren (biologische Faktoren sowie Umwelteinflüsse) eine Attacke auslösen. Zu den möglichen Auslösern der
Migräne gehört bei Frauen auch das Schwanken der Geschlechtshormone. Als Ursache wird
dabei der Abfall des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen diskutiert. Ebenso gibt es Hinweise, dass die weiblichen Geschlechtshormone die Verarbeitung schmerzhafter Reize im Ge-
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hirn beeinflussen. Das könnte eine Erklärung dafür sein, warum Jungen und Mädchen bis zur
Pubertät gleich häufig an Migräne leiden, danach aber die Anzahl der Frauen mit Migräne
steigt. Erst nach den Wechseljahren verändert sich das Geschlechtermuster wieder, aber dennoch leiden auch dann noch doppelt so viele Frauen wie Männer unter Migräne.
Weitere Faktoren, die einen Migräne-Anfall auslösen können, sind beispielsweise Veränderungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, Stress, emotionale Belastungen. Aber auch wenn die Anspannung nachlässt, können Kopfschmerzen auftreten. Außerdem kann Migräne durch Alkohol
und - selten - durch bestimmte Nahrungsmittel ausgelöst werden. Auch Schwankungen des
Koffein-Spiegels bei regelmäßigem Kaffeegenuss können zu Migräne-Attacken führen.
Kopfschmerz-Tagebuch
Wer öfter unter Kopfschmerzen leidet, sollte zunächst versuchen, den Auslöser dafür herauszufinden. Hilfreich dabei ist ein Kopfschmerz-Tagebuch. Darin notieren Betroffene über einen
längeren Zeitraum hinweg, wann und in welchen Situationen die Attacken auftreten, wie schwer
sie sind und durch welche Symptome sie begleitet werden. Damit erkennen Patienten ihre persönlichen Auslösefaktoren und der Arzt kann die Behandlung optimieren.
Akupunktur zur Migräne-Vorbeugung sinnvoll
Akupunktur hilft vielen Migräne-Patienten, die Häufigkeit der Kopfschmerz-Attacken zu vermindern und die Schmerzintensität bei Anfällen zu reduzieren. Deshalb kann dieses alternative
Behandlungsverfahren in den beschwerdefreien Intervallen zur Vorbeugung eingesetzt werden.
Die prophylaktische Wirkung ist dann mit der Wirkung vorbeugender Medikamente vergleichbar
und daher eine wirksame Alternative zur Vorbeugung von Migräne. Weil Medikamente gegen
Migräne oft Nebenwirkungen haben und manchmal selbst Ursache für anhaltende Kopfschmerzen sein können, wenn sie übermäßig eingenommen werden, ist die Anwendung anderer Therapieverfahren bei chronischen Kopfschmerzen auf jeden Fall zu empfehlen. Um positive Effekte bei der Vorbeugung von Migräne zu erzielen, ist eine klassische, chinesische NadelAkupunktur ähnlich wirkungsvoll wie die so genannten Sham-Akupunktur-Verfahren. Bei der
Sham-Akupunktur werden die Nadeln nicht exakt auf den traditionellen Akupunktur-Punkten
aufgesetzt und auch nicht so tief in die Haut gestochen. Das bedeutet dass Akupunktur offenbar über den Placeboeffekt wirkt. Akupunktur wird von den gesetzlichen Krankenkassen nicht
bezahlt.
Bei der Akupunktur der Migräne wird in der Regel zweimal in der Woche therapiert. Eine Sitzung dauert 20 bis 30 Minuten. Im Durchschnitt sind rund 15 Akupunktur-Behandlungen
erforderlich, wobei erste Erfolge meist nach der Hälfte der Sitzungen eintreten. In extremen
Einzelfällen kann es erst nach 30 bis 40 Behandlungen zu einer dauerhaften Besserung
kommen. Einige Monate nach Beendigung der Therapie sollte eine Auffrischungsbehandlung
mit wenigen Akupunktur-Sitzungen erfolgen, um den Langzeiterfolg zu sichern.
Neben der Akupunktur sind auch Entspannungsverfahren, wie die progressive Muskelrelaxation
nach Jacobson, und Ausdauersport wirksame Alternativen zur Vorbeugung von Migräne.
Zur Linderung akuter Migräne-Attacken eignet sich Akupunktur hingegen nicht. So konnten
Studien zwar eine Besserung der Schmerzen bei akuten Beschwerden beobachten, aber der
Effekt war minimal. Zudem ist es für Betroffene schwer umzusetzen, bei plötzlich
auftretenden Beschwerden umgehend eine Akupunktur wahrzunehmen.
Auch zur Vorbeugung von Spannungskopfschmerzen hat sich die Heilmethode aus der
traditionellen chinesischen Medizin als wirksam erwiesen. Bei Cluster-Kopfschmerzen
hingegen helfen die Akupunktur-Nadeln nicht, sondern können sogar die Schmerzattacken
erst auslösen. Grundsätzlich ist es daher sehr wichtig, dass zunächst neurologisch
abgeklärt wird, welche Kopfschmerzform vorliegt, damit diese auch gezielt behandelt werden
kann.
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TIPPS:
Kopfschmerz- und Migränepatienten können auch selbst dazu beitragen, dass ihre Schmerzattacken seltener auftreten und schwächer ausfallen:
 Viele Menschen trinken zu wenig. Der Körper leidet dann unter Flüssigkeitsmangel und das
kann Kopfschmerzen verursachen.
 Treiben Sie regelmäßig, aber nicht übermäßig Sport. Geeignet sind unter anderem Joggen,
Spazieren gehen, Radfahren oder Schwimmen;
 Lernen Sie, sich zu entspannen;
 Behalten Sie immer denselben Schlaf-Wachrhythmus bei – auch an Wochenenden. Änderungen können einen Migräne-Anfall auslösen;
 Meiden Sie Störfaktoren, die eine Migräne auslösen können, wie Alkohol. Bei manchen
Menschen sind auch zu viel Käse oder Schokolade Auslöser;
 Starke Temperaturschwankungen – z.B. bei Saunabesuchen – können bei vielen MigränePatienten zu einem Anfall führen;
 Der Tagesablauf sollte gut strukturiert sein. Migräne-Patienten sollten sich nicht überfordern,
indem sie sich zu viel auf einmal vornehmen;
 Bei einem akuten Migräne-Anfall hilft es dem Patienten, sich in einem abgedunkelten, geräuscharmen Raum hinzulegen. Auch ein kühlender Eisbeutel, der auf die Stirn gelegt wird,
kann helfen. Außerdem gibt es gut wirksame Migränemittel. Lassen Sie sich von Ihrem Arzt
oder Apotheker beraten.
Eine Migräne ist ursächlich nicht heilbar. Es ist nur möglich, akute Migräne-Attacken zu behandeln und bei häufigen Attacken vorbeugende Maßnahmen einzuleiten. Die Einnahme von
Schmerzmitteln sollte aber nur nach Absprache mit dem Arzt erfolgen. Wer Schmerzmedikamente längerfristig einnimmt, riskiert dauernden Kopfschmerz oder ein Nierenleiden.
NÄHERE INFORMATIONEN:
Kopfschmerzzentrum in Essen http: //www.uni-due.de/neurologie/WKZ/klinik.html
LITERATUR:
 Prof. Dr. med. Dr. med. Dipl. Psych. Hartmut Göbel: Kursbuch Migräne. Neue Wege zur
Vorbeugung und effektiven Behandlung, gebundenes Buch, 176 Seiten, ISBN 3-517-066745, 16,95 €
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