Vergessene Opfer – Zwangsarbeit im

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Cord Pagenstecher: Vergessene Opfer - Zwangsarbeit im Nationalsozialismus auf öffentlichen und privaten Fotografien, in:
Fotogeschichte, 17, H. 65 (1997), S. 59 – 72.
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Vergessene Opfer – Zwangsarbeit im Nationalsozialismus auf
öffentlichen und privaten Fotografien
Inhalt
Inhalt ..................................................................................................................................................... 1
Abstract ................................................................................................................................................. 1
‘Vergessene Lager’ - Zur Einführung...................................................................................................... 1
‘Arbeit als Beute’ - Das System der Zwangsarbeit im Dritten Reich........................................................ 2
‘Vergessene Opfer’ in Öffentlichkeit und Forschung............................................................................... 3
Versuch einer systematischen Bestandsgliederung................................................................................ 4
Ausländische Profi-Bilder....................................................................................................................... 5
Deutsche Erfassungsfotos ..................................................................................................................... 5
Deutsche Propagandabilder................................................................................................................... 5
Deutsche Knipserbilder.......................................................................................................................... 7
Ausländische Knipserbilder.................................................................................................................... 8
Zusammenfassung ................................................................................................................................ 9
Liste der Abbildungen ............................................................................................................................ 9
Anmerkungen ...................................................................................................................................... 11
Abstract
Die mehr als acht Millionen ZwangsarbeiterInnen, die während des Zweiten Weltkrieges ins
Deutsche Reich verschleppt wurden, zählen in der Öffentlichkeit, der Forschung und der bisher
bekannten fotografischen Überlieferung zu den ‘vergessenen Opfern’ des Nationalsozialismus.
Als ersten Schritt zu einer Fotogeschichte der Zwangsarbeit gibt der Artikel einen Überblick über
die verstreuten Quellenbestände.
Wesentliche Gruppen sind die in öffentlichen Archiven zugänglichen Erfassungs- und Propaganda-Fotografien von offiziellen deutschen Stellen, die Privatfotos von Deutschen, auf denen
freilich kaum ZwangsarbeiterInnen zu sehen sind, sowie die zahlreichen privaten Erinnerungsfotos der betroffenen ZwangsarbeiterInnen selbst und schließlich unterschiedliche Profi-Bilder von
alliierter Seite. Deutsche Bildarchive besitzen damit hauptsächlich Täter-, teilweise auch Gegnerfotos; der Blick der ZuschauerInnen, vor allem aber der Opfer muß dagegen erst noch erschlossen werden. Entsprechend ihrer jeweiligen Funktion werden wichtige Motive der jeweiligen Kategorien exemplarisch beschrieben.
Berücksichtigt man den jeweiligen Entstehungs-, Aufbewahrungs- und Veröffentlichungskontext der Bildquellen, so bietet die vorgeschlagene Typologie von Täter-, Zuschauer-, Opfer- und
Gegnerfotos trotz aller nötigen Differenzierungen eine geeignete Grundlage für die dringend erforderliche weitere Materialsuche und Analyse. Die fotografische Erinnerung an die Zwangsarbeit
im Nationalsozialismus war schon zu lange verschüttet.
‘Vergessene Lager’ - Zur Einführung
Mitten in Berlin wurde 1993 etwas entdeckt: das letzte Berliner Zwangsarbeiterlager. Zwischen
den Mietskasernen des Ostberliner Arbeiterviertels Niederschöneweide erstreckt sich ein Gelände
aus dreizehn symmetrisch angelegten Steinbaracken, das seit Jahrzehnten von verschiedenen
kleinen Werkstätten, Autohändlern, Kindergärten, einer Sauna, einer Kegelbahn und einem medizinischen Forschungsinstitut genutzt wurde (Abb. 1). An den ursprünglichen Zweck des Barackenkomplexes erinnerte sich bis zur Wende – zumindest öffentlich – niemand. Erst im Zusammenhang mit Abriß- und Sanierungsplänen begannen ArchitektInnen und HistorikerInnen mit der
Spurensuche. Gebaut ab 1943 vom Generalbauinspektor, der Behörde Albert Speers, für über
2000 ausländische Arbeitskräfte, ist das Barackengelände in Treptow heute das letzte noch als
Gesamtkomplex erhaltene von einst über 700 Lagern in Berlin. In der Reichshauptstadt und Rüstungsschmiede lebten während des Zweiten Weltkriegs zeitweise bis zu 400 000 ZwangsarbeiterInnen.
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Fotogeschichte, 17, H. 65 (1997), S. 59 – 72.
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Seit 1994 streitet die Projektgruppe „Zwangsarbeit im Nationalsozialismus“ der Berliner Geschichtswerkstatt mit Forschungen, Ausstellungen, Öffentlichkeitsarbeit und Informationsveranstaltungen für den Erhalt der Baracken und ihre Nutzung als historische Bildungs- und Gedenkstätte. Im Mai 1995 präsentierte eine Open-Air-Ausstellung vor Ort unter dem Titel „Das vergessene Lager“ die ersten Forschungsergebnisse. Bei ihrer Vorbereitung fiel die völlig unzureichende
Erschließung fotografischer Quellen zur Zwangsarbeit auf.
Im August/September 1995 organisierte die Projektgruppe dann die Übernahme der Ausstellung „‘Euch, die ihr das nicht erlebtet...’ Erinnerungen tschechischer FremdarbeiterInnen an
Deutschland 1939-45“. Sie wurde konzipiert und gestaltet vom Verband ehemaliger tschechischer
ZwangsarbeiterInnen, und war damit die erste Ausstellung überhaupt, in der sich die Betroffenen
selbst in Deutschland zu Wort meldeten.
Bei der Archivrecherche, vor allem aber durch die Kontakte zu ehemaligen ZwangsarbeiterInnen und ihren Verbänden im Ausland, besonders in Tschechien und den Niederlanden, wurden
wir auf umfangreiche, weitgehend unbekannte Fotobestände von ZwangsarbeiterInnen aufmerksam, die ich hier vorstellen möchte.
Nach einer zeithistorischen Einführung will ich eine systematische Bestandsübersicht geben,
die die wichtigsten Gattungen von überlieferten öffentlichen und privaten Fotos nach ihren Urhebern und Funktionen charakterisiert. Allgemeinere theoretisch-methodische Überlegungen müssen dabei aus Platzgründen gegenüber dem zum Verständnis wichtigen zeithistorischen Hintergrund stark gekürzt werden.
In einem ergänzenden Spezialbeitrag über Privatfotos betroffener ZwangsarbeiterInnen werde
ich später anhand des Fotoalbums eines Niederländers ausloten, was die Fotografie als historische Quelle zur Erforschung der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus leisten kann. Bei diesen
Beiträgen handelt es sich nur um eine erste Annäherung an ein umfangreicheres fotohistorisches
Archivierungs- und Forschungsprojekt, in dessen Rahmen die Berliner Geschichtswerkstatt unter
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anderem ein elektronisches Spezialinventar ‘Fotografie und NS-Zwangsarbeit’ plant.
‘Arbeit als Beute’ - Das System der Zwangsarbeit im Dritten Reich
Nie lebten und arbeiteten so viele Fremde in Deutschland wie in den letzten beiden Kriegsjahren: Über acht Millionen ausländische Zivilarbeitskräfte, KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene aus
20 europäischen Ländern lebten im Sommer 1944 in über 30000 Lagern im Reich. Die meisten
ZwangsarbeiterInnen kamen aus militärisch besetzten oder in Abhängigkeit gehaltenen Ländern.
Ein Drittel von ihnen waren Frauen und Mädchen. 85 % der Frauen, die manchmal auch Kinder
mitbrachten oder im Lager gebaren, kamen aus der Sowjetunion und Polen. Nicht nur bei Daim2
ler-Benz arbeiteten sogar neunjährige russische Jungen.
Neben die seit dem Kaiserreich übliche Arbeitsmigration vor allem aus Polen und Italien nach
Deutschland traten schon 1938 Zwangsverpflichtungen von Tschechen; 1939 rückten Kommissionen des Arbeitsamtes gemeinsam mit der Wehrmacht in Polen ein, um Arbeitskräfte für die
Landwirtschaft auszuheben. Die große Wende brachte aber das Jahr 1942, als das Deutsche
Reich nach dem Scheitern der „Blitzkrieg“-Strategie auf den „totalen“ Abnutzungskrieg umstellte. Er
war angesichts der Einberufung fast aller deutschen Männer nur mit der massenhaften Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte durchzuführen. Sie stellten mehr als ein Viertel, in manchen Abteilungen der AEG bis zu 60 % der Belegschaft. Nur mit ihnen wurde die landwirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung und die Rüstungsproduktion aufrechterhalten (Abb. 2). Groß- und
Kleinunternehmen forderten immer mehr AusländerInnen an und waren so mitverantwortlich für
das System der Zwangsarbeit. Die Industrie profitierte von der dadurch möglichen starken Ausweitung und Modernisierung der Produktion, mit der die Grundlage für das ‘Wirtschaftswunder’
nach dem Krieg gelegt wurde.
Der häufig verwendete Begriff ‘Fremdarbeiter’ vernachlässigt den Zwangscharakter des ganzen Systems. Fritz Sauckel, Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz, erklärte 1944: „Von
fünf Millionen Arbeitern, die nach Deutschland gekommen sind, sind keine 200 000 freiwillig ge3
kommen.“ Die meisten WesteuropäerInnen waren nach Deutschland dienstverpflichtet worden.
Aus der Sowjetunion wurden 1942 pro Woche 40000 Menschen von der Straße weg verschleppt.
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Die deutschen ‘Herrenmenschen’ planten die systematische Unterwerfung der ‘rassisch minderwertigen’, osteuropäischen ‘Arbeitsvölker’ – Arbeit als Beute des rassistischen Vernichtungskrieges.
Zwischen den Extremen eines todgeweihten Sklavendaseins und eines gewöhnlichen Lebens
als WanderarbeiterIn gab es aber zahlreiche Schattierungen. ZivilarbeiterInnen hatten einen anderen, nicht unbedingt aber besseren Status als Kriegsgefangene. Menschen aus Polen und aus
der Sowjetunion (sogenannte „Ostarbeiter“) waren durch diskriminierende Sondererlasse besonders wehrlos der Denunziation und damit der Willkür der Gestapo und anderer Dienststellen ausgeliefert. Sie durften ihre Lager nur zur Arbeit verlassen und mußten entsprechende Kennzeichen
auf der Brust tragen. Alle AusländerInnen wurden streng überwacht durch einen rassistisch-bürokratischen Kontrollapparat aus Wehrmacht, Arbeitsamt, Werkschutz, SS und Gestapo. Viele
Frauen litten unter zusätzlichen Schikanen wie Vergewaltigung und Zwangssterilisierung. Am
schlimmsten war das Schicksal der jüdischen ZwangsarbeiterInnen in den zahlreichen KZAußenlagern.
Anders als die Vernichtungslager lagen die Zwangsarbeiterbaracken direkt vor den Fenstern
der deutschen Bevölkerung. Auf ihren langen täglichen Arbeitswegen durch Städte und Dörfer
waren die Fremden ebenso unübersehbar wie auf den Feldern und in den Fabriken (Abb. 3). Wie
gingen NachbarInnen und – zu Vorgesetzten aufgestiegene – KollegInnen mit dem abgestuften
Diskriminierungs- und Ausbeutungssystem um? ZeitzeugInnen nennen das Brot-zu-stecken immer wieder als einzigen Kontakt mit der meist anonym bleibenden Masse fremder Arbeitskräfte
– Indiz für die Sichtbarkeit des Hungers, auch für ein schlechtes Gewissen? Die meisten Deutschen waren mit sich beschäftigt und interessierten sich nicht für das Schicksal der AusländerInnen. Nicht selten wurden freilich auch Ermittlungsverfahren eingeleitet gegen Deutsche, die
verbotenen Kontakt mit Ausländern hatten. Bei sexuellen Verbindungen mit ‘Fremdvölkischen’
wurden Frauen bestraft und gedemütigt; männliche Lagerführer oder Vorarbeiter konnten Polinnen und ‘Ostarbeiterinnen’ dagegen meist straflos vergewaltigen – Rassismus ist nicht geschlechtsneutral.
Der Historiker Ulrich Herbert schreibt: „Die Diskriminierung der Arbeiter aus Osteuropa wurde
ebenso als gegeben hingenommen wie die Kolonnen halbverhungerter Menschen, die täglich
durch die Straßen der Städte in die Fabriken marschierten [...], eben das aber machte das Funktionieren des nationalsozialistischen Arbeitseinsatzes aus: daß die Praktizierung des Rassismus
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zur täglichen Gewohnheit, zum Alltag wurde.“
‘Vergessene Opfer’ in Öffentlichkeit und Forschung
Nach ihrer Befreiung lebten viele Fremd- und ZwangsarbeiterInnen als sogenannte „Displaced
persons“ weiterhin in Lagern und warteten auf ihre Repatriierung oder Ausreise (Abb. 4). Für viele, insbesondere sowjetische ZwangsarbeiterInnen war der Leidensweg 1945 noch nicht zu Ende.
Sie wurden in ihrer Heimat pauschal der Kollaboration mit den Deutschen verdächtigt; einige verschwanden in den stalinistischen Lagern. Die meisten dieser in Ost und West ‘vergessenen Opfer’ leiden noch immer und besonders im Alter unter den psychischen und physischen Folgeschäden des „Totaleinsatzes“; in vielen osteuropäischen Ländern leben sie am Rand des Existenzminimums. Bis heute werden den Menschen individuelle Entschädigungsansprüche oder wenigstens Lohnnachzahlungen verweigert; nicht einmal ihre Rentenansprüche können sie stets nachweisen. Mit Pauschalzahlungen an einige der jeweiligen Regierungen sieht die Bundesrepublik ihre Verantwortlichkeit erfüllt. Die von dem Sklaveneinsatz profitierenden Betriebe lehnen –
von eher symbolischen Ausnahmen abgesehen – jede Verantwortung ab.
Die deutsche Öffentlichkeit erinnerte den „Ausländereinsatz“ meist nur als bedauerliche Begleiterscheinung des Krieges, nicht aber als das brutale Verbrechen gegen die Menschlichkeit,
als das die „Sklavenarbeit“ im Zentrum der Nürnberger Prozesse stand. Auch die Forschung vernachlässigte das Thema Zwangsarbeit im Nationalsozialismus lange Zeit; erst seit rund zehn Jahren liegen grundlegende Analysen vor allem von Ulrich Herbert sowie zahlreiche Lokalstudien
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vor.
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Während die akademische, eher strukturgeschichtliche Forschung hauptsächlich Akten auswertete, suchten die von Schülerwettbewerben, Geschichtswerkstätten oder Heimatmuseen getragenen lokalen Forschungs-, Ausstellungs- und Bildungsprojekte nach ZeitzeugInnen und
sammelten zahlreiche Fotografien, um auch den Lebensalltag der Betroffenen anschaulich zu
machen. Davon abgesehen, wurde die Fotografie aber meist zur bloßen Illustration verwendet,
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kaum jedoch als erfahrungs- und wahrnehmungshistorische Quelle interpretiert. Gerade über die
schichten-, kultur- und geschlechtsspezifischen Wahrnehmungs-, Deutungs-, Verdrängungs- und
Verarbeitungsformen bei Opfern, TäterInnen und ZuschauerInnen könnte aber besonders die
Fotoanalyse Aufschluß geben. Wie die Oral History vor allem Erinnerungs- und Erzählstrukturen
berücksichtigt, entspräche die noch zu entwickelnde Visual History der erheblichen Bedeutung
visueller Vorstellungen „als symbolische Verdichtung eines ganzen Bündels von analytischen
Diskursen, Begriffskonstellationen, unbewußten oder bewußten emotionalen Haltungen und mo7
ralischen Wertungen“.
Bislang konzentrierte sich die Fotogeschichte des Nationalsozialismus auf die Funktion von
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Propagandabildern, auf die Ästhetik und Faszination des Regimes. Daneben traten erst wenige
Untersuchungen privater Bilder, die in Frage stellten, wie weit dem Regime die Gleichschaltung
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der Bilder gelang. Verschiedentlich - auch in der Fotogeschichte - wurden Fotografien aus Kon10
zentrationslagern thematisiert. Während Fotos von Kriegsgefangenen häufiger veröffentlicht,
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allerdings nur vereinzelt auch analysiert wurden , sind nirgends ausländische ZwangsarbeiterIn12
nen thematisiert worden. Die Millionen von ZivilarbeiterInnen blieben für FotohistorikerInnen
bislang so unsichtbar, daß man zweifelt, ob es überhaupt Fotos von ihnen gibt. So scheint es nun
an der Zeit, sich einen Überblick über die vorhandenen Quellenbestände zu verschaffen, neue
Bildmaterialien zu erschließen und sie fotohistorisch zu interpretieren.
Versuch einer systematischen Bestandsgliederung
Versucht man eine systematische Gliederung von Bildquellen zur nationalsozialistischen
Zwangsarbeit, so bietet sich zunächst eine Unterteilung der Bestände nach ihrer Urheberschaft
an. Dabei ist insbesondere zwischen professionellen und privaten sowie zwischen deutschen und
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ausländischen FotografInnen zu unterscheiden. Dementsprechend lassen sich Bildquellen zur
nationalsozialistischen Zwangsarbeit unterteilen in Fotografien von offiziellen deutschen Stellen,
in Privatfotos von Deutschen, Privatfotos der betroffenen ZwangsarbeiterInnen und in Profi-Bilder
von alliierter Seite. Diese Differenzierung erlaubt bereits Vermutungen über die historische Funktion der Bilder.und entspricht zugleich weitgehend den unterschiedlichen heutigen Fundorten.
Amtliche deutsche Fotografien waren entweder Erfassungs- oder Propagandafotos. Die zu
zigtausenden erstellten kriminalistischen Paßbilder dienten der Registrierung und Verfolgung; sie
befinden sich vor allem in - nicht immer zugänglichen - Betriebsarchiven und Ordnungsämtern.
Die Propagandabilder für die Presse machen dagegen den wohl einige hundert Bilder umfassenden einschlägigen Hauptbestand der großen historischen Bildarchive aus. Dort liegen aber auch
einige 1945 entstandene Bilder von alliierter Seite. Privatfotos finden kaum den Weg in öffentlich
zugängliche Archive. Während ZwangsarbeiterInnen offenbar nur auf verschwindend wenigen
Bildern deutscher KnipserInnen auftauchen, haben erstaunlich viele ehemalige ZwangsarbeiterInnen selbst fotografiert. Diese bisher völlig unbekannten Bestände sind nur über Kontakte zu
ehemaligen Betroffenen und ihren Verbänden zugänglich.
In einer zugespitzt formulierten Typologie waren die deutschen Werks- und PressefotografInnen im System der Zwangsarbeit die fotografischen TäterInnen, die deutschen KnipserInnen entsprachen den ZuschauerInnen, die ausländischen KnipserInnen den Opfern und die ausländischen ProfifotografInnen schließlich den GegnerInnen des Nazi-Regimes. Deutsche Bildarchive
besitzen hauptsächlich Täter-, teilweise auch Gegnerfotos; der Blick der ZuschauerInnen, vor
allem aber der Opfer muß dagegen erst noch erschlossen werden. Begonnen sei der Überblick
über die verschiedenen Gattungen mit der eher heterogenen Kategorie der Gegnerfotos.
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Ausländische Profi-Bilder
Nichtdeutsche konnten während des Krieges in Deutschland nur offiziell fotografieren, wenn
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sie in speziellen Missionen unterwegs waren. Wichtig für die Spurensuche sind jedoch die Luftbilder der alliierten Aufklärungsflugzeuge, auf denen etwa die genaue topographische Lage, die
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Art der Umzäunung oder der Zerstörungsgrad einzelner Lager erkennbar ist. Von angloamerikanischen oder sowjetischen Armee- und PressefotografInnen stammen schließlich teilweise sehr
eindrucksvolle Fotos von ZwangsarbeiterInnen bei ihrer Befreiung 1945. Darunter befinden sich
auch die einzigen Bilder, die nachweislich von Frauen fotografiert wurden; alle anderen hier un16
tersuchten Fotos widerspiegeln einen - wie auch immer zu definierenden - männlichen Blick.
Nach dem Krieg warben die für die Betreuung der Displaced Persons zuständigen Vereinten
Nationen mit Bildern von DP-Lagern, in denen viele ehemalige ZwangsarbeiterInnen lebten, um
mehr finanzielle Mittel (Abb. 4).
Deutsche Erfassungsfotos
Die offiziellen Paßfotos in Werkausweisen, Arbeitskarten oder Polizeiakten versinnbildlichen
die umfassende und erniedrigende Kontrolle, die die Struktur des Zwangsarbeitssytems kennzeichnete, vor allem aber auch die Erinnerung der Betroffenen bis heute prägt (Abb. 5). Fotografisch ähneln die Erfassungsfotos anderen staatlichen Registrierungsfotos vorher oder später,
dienten in ihrem Gebrauch aber nicht nur der Erfassung, sondern auch der rassistischen Selektion und Stigmatisierung. Die nationalsozialistische Mischung aus primitivem Rassismus und effektiver Arbeitsorganisation vermeinte in den Gesichtern Charaktereigenschaften wie ‘fleißig’ oder
‘aufsässig’ zu erkennen. Wie gerade der Nasenrücken, wie betont die Backenknochen, wie voll
die Lippen auf den Frontal-, Halb- und Ganzprofil-Porträts wirkten, prägte den ‘rassemäßigen
Wert’ des Fotografierten und konnte bei eventuellen Strafverfahren über Leben und Tod ent17
scheiden.
Die erhaltenen Paßfotos sind so verschieden wie ihre Entstehungsbedingungen: Manche
ZwangsarbeiterInnen hatten sich in einem Fotostudio lächelnd und gepflegt ablichten lassen oder
Porträts von zuhause mitgebracht. Andere Erfassungsfotos entstanden unter äußerst demütigenden Bedingungen. Ein Bild von der Zwangsrekrutierung ukrainischer Frauen 1942 erinnert an die
Schreibmaschinen und Klapptischchen zur Erstellung von Schindlers Liste (Abb. 6): Vor einer
langen Reihe von Baracken warten hunderte von Frauen und Mädchen, während ein neben dem
Tisch mit Formularen und Stempeln sitzender Wehrmachtsfotograf die drei Meter entfernt sitzenden Frauen ablichtet. Indem dieses Bild die Verbindung aus gewaltsamer Verschleppung und
ordnungsgemäßer Registrierung zeigt, demonstriert es eindrucksvoll die Funktionsweise der
hochmobilen, effizienten und gewalttätigen Bürokratie des nationalsozialistischen Deutschlands.
Deutsche Propagandabilder
Die großen deutschen Bildarchive besitzen überwiegend professionelle Pressefotos, die sich
unter den Bedingungen von Zensur und Selbstzensur meist im NS-Propagandakontext entstanden. Aus dieser begrenzten und einseitigen Auswahl speisen sich bis heute die Illustrationen
nicht nur der zahllosen Bildbände voller Landser-Nostalgie, sondern auch kritischer Standardwerke und Schulbücher. Kaum einmal wird der Entstehungskontext der Täterfotos thematisiert.
Das Bundesarchiv Koblenz etwa übernahm große Bestände von den Propagandakompanien
(PK) bzw. den großen Bildagenturen wie dem Scherl Bilderdienst. Die Rückseite mancher Fotos
erzählt ihre Überlieferungsgeschichte mit dem Umweg über das Ostberliner ADN-ZentralbildArchiv: Neben und über den Stempeln und Bilderklärungen aus dem Scherl-Bilderdienst vor 1945
(„Frei OKW“ oder „PK-Bild!“, „Im Gemeinschaftsraum [...] sorgt ein Rundfunkempfänger für Musik,
nach der gern getanzt wird“) stehen die Beschriftungen aus dem ADN-Archiv nach 1945 („Im faschistischen Deutschland. Ausländische Arbeiterinnen, die für die deutsche Rüstungsindustrie
zwangsverpflichtet wurden“) sowie die knappen Kennzeichnungen des Bundesarchivs von nach
1990. Leider werden diese für die Quellenanalyse wichtigen Rückseiten-Angaben von den Archi-
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ven nicht immer konserviert und den NutzerInnen auch zugänglich gemacht. Im ganzen liegen
sehr wenig konkrete Informationen zu den einzelnen Archivbildern vor.
Der erste Eindruck einer durchgängigen Idyllisierung und Verfälschung müßte freilich anhand
der Veröffentlichungsgeschichte einzelner Bilder genauer analysiert werden. Die zur ‘Anwerbung’
von ArbeiterInnen gedachten Fotografien hatten wohl einen anderen, von Land zu Land wiederum verschiedenen, Charakter als Bilder, die die deutsche Bevölkerung von der Unbedenklichkeit
des Ausländereinsatzes überzeugen sollten. Manche allzu positive Bilder erhielten daher den
rückseitigen Stempel „Nur für Ausland freigegeben“. Welche Bilder aber mit welcher Kommentierung wo veröffentlicht wurden, ist nur durch eine Medienanalyse herauszufinden. Neben speziel18
len Publikationen wie Sauckels Jubelband „Europa arbeitet in Deutschland“ wären dazu ausgewählte Zeitschriften wie der parteiamtliche „Illustrierte Beobachter“, die eher ‘normale’ „Berliner
Illustrierte Zeitung“ oder die Auslandsillustrierte „Signal“ zu untersuchen. Aus dieser noch laufen19
den Arbeit können hier nur erste Eindrücke angedeutet werden.
Kriegsgefangene nahmen in der - je nach Zeit und Gegner unterschiedlichen - Propagandadarstellung einen breiteren Raum ein als ZivilarbeiterInnen. Goebbels wies am 29.5.1940 an: „Die
ritterliche Behandlung englischer Kriegsgefangener soll nicht mehr wie bisher herausgestellt werden. Auch Gefangenenbilder sollen nur dann gezeigt werden, wenn die Gefangenen einen zer20
schmetterten Eindruck machen.“ An der Ostfront demonstrierten von Beginn an immer wiederkehrende Bilder von Gefangenenkolonnen die Gefährlichkeit der bolschewistischen Massen, aber
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auch den überwältigenden deutschen Sieg. Solche Bilder wurden in eroberten Orten der Sow22
jetunion als Plakat angeschlagen, um Widerstand zu ersticken. Für die Deutschen dagegen
wurde der Feind dadurch zu einer anonymen, gesichtslosen Masse gemacht, der gegenüber
Wachsamkeit, aber keinerlei Skrupel erforderlich schienen.
Daneben mobilisierten Einzelporträts gezielt rassistisch-antikommunistische Emotionen. 1941
verlangte Goebbels „eine gute Bildauswahl, in der die vertierten, bolschewistischen Typen dem
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freien und offenen Blick des Deutschen [...] gegenübergestellt werden“. Den rassistischen Text
unterstützten fotografische Tricks, indem der deutsche ‘Herrenmensch’ hell gekleidet war, gut
ausgeleuchtet wurde und lächelte, der fremde ‘Untermensch’ dagegen dunkel gekleidet war und
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in die Sonne blinzeln mußte. Gefangengenommene Rotarmistinnen wurden häufig als beson25
ders verschlagene ‘Flintenweiber’ abgelichtet. Porträts von afrikanischen Soldaten westlicher
Armeen, bevorzugt solcher mit Zahnlücken, sollten nicht nur die multiethnischen Truppen der
Alliierten diffamieren, sondern auch die Angst gerade der deutschen Frauen vor einer Niederlage
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schüren und so die ‘Heimatfront’ stärken.
Teilweise benutzte die Bildpropaganda das von den Deutschen verursachte Elend der Opfer
zu deren Stigmatisierung: Schon innerhalb des ersten Jahres hatte die Wehrmacht unzählige
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sowjetische Kriegsgefangene in ihren Lagern systematisch verhungern lassen. Im Illustrierten
Beobachter dienten die Bilder der ausgehungerten Russen, die auf Bäume kletterten, um sich
vom Harz zu ernähren, aber dazu, sie als primitive Tiere zu diffamieren. Der darunter abgebildete
angebliche Kommissar suggerierte schließlich die politische Gefährlichkeit dieser ‘Tiere’, deren
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schonungslose Vernichtung damit gerechtfertigt schien.
Die ganz überwiegende Mehrzahl der Bilder von Kriegsgefangenen wurde bis 1941, stets während oder kurz nach der Gefangennahme, noch im Frontbereich aufgenommen. Nur wenige Bilder zeigen Kriegsgefangenenlager, erst recht nicht in Deutschland zwangsarbeitende Gefangene
oder ZivilarbeiterInnen.
Voller antisemitischer Häme zeigte der Illustrierte Beobachter aber schon 1939 unter dem Titel
„Die Juden müssen arbeiten!“ jüdische Zwangsarbeiter im besetzten Polen. Die sichtbare Erniedrigung und Erschöpfung der halbnackten, teilweise älteren Männer, die in langen Reihen Steine
schleppen mußten, suchte nicht Mitleid zu erregen, sondern die Opfer als elende ‘Untermen29
schen’ zu denunzieren, die zurecht Opfer waren.
Die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der nichtjüdischen ZwangsarbeiterInnen im Reich selbst
wurden dagegen im allgemeinen beschönigt. Lächelnde Menschen, vor allem Frauen, aßen,
tranken und feierten in gepflegten und wohlausgestatteten Unterkünften, nur gelegentlich arbeiteten sie auch - stets an hellen, sauberen Arbeitsplätzen. Die Fotos zeigen bevorzugt den gemütlichen Feierabend im wohlorganisierten Lager; Menschen schreiben Briefe oder spielen Karten
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(Abb. 7). Hunger, Enge, Arbeit, Repression, Schmutz und Läuse, all das bleibt ausgeblendet.
Bilder mit der Beschriftung „Frohes Kinderlachen im Ostarbeiterlager. Spielzeug aller Art für die
Jungen und Mädchen ist reichlich vorhanden“ sprechen der gerade für Kinder grausamen Wirk30
lichkeit hohn.
Nicht immer aber gelang es zumindest aus heutiger Sicht, die Freiwilligkeit und gute Organisation des ‘Arbeitseinsatzes’ zu demonstrieren: Fotos von teilweise barfüßigen Jugendlichen in
Menschenmengen, die in langen Reihen unter der Aufsicht deutscher Uniformierter zum Bahnhof
marschieren, wo sie in geschlossene Güterwaggons verladen werden, lassen sich heute verwenden, um die Schrecken der Zwangsarbeit zu illustrieren (Abb. 8). Daß die damaligen FotografInnen und RedakteurInnen gerade solche Bilder für ihre Werbekampagnen machten, zeigt die Interpretierbarkeit der Bilder, aber auch die Selbstverständlichkeit von Rassismus und Ausbeutung
im Umgang mit den ZwangsarbeiterInnen. Die deutschen ‘Herrenmenschen’ fanden nichts an
einer ‘väterlich-strengen’ Behandlung der ‘Ostvölker’; diese hatten sich, soweit sie ‘gutwillig’ waren, ebenfalls nicht zu beklagen. Wenngleich in vielen Aufrufen die angebliche Minderwertigkeit,
Gefährlichkeit oder ‘Aufsässigkeit’ der ‘Fremdvölkischen’ beschworen wurde, dienten offenbar
kaum Bilder von ausländischen ZivilarbeiterInnen zur Illustration dieser Artikel. Bemerkenswert
viele, auch russische, Frauen wurden vielmehr durchaus positiv porträtiert. Entsprechend der
angestrebten Segregation sind Deutsche dabei nur als Lagerführer oder Vorgesetzte zu sehen.
Zahlreiche Archivbilder zeigen russische und polnische ZwangsarbeiterInnen bei der ärztlichen
Untersuchung und beim Duschen. Offensichtlich sollte hier ‘hygienischen’ Ängsten und rassistischen Vorbehalten der deutschen Bevölkerung gegen den ökonomisch notwendigen ‘Ausländereinsatz’ vorgebeugt werden. Selbst wenn man heute sich einstellende Assoziationsketten zu
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Gaskammern abbricht, zeigen diese Bilder das Entwürdigende der Verschleppungs-Prozedur.
Anders allerdings wurde die Verpflichtung westeuropäischer Arbeitkräfte gezeigt: Das Schaufenster eines Meldebüros und der Einstieg in den Personenzug in Frankreich, der Marsch ins
Sammellager und die Verladung in den Güterwaggon in der Ukraine – die Bilder geben nicht nur
die in der Tat unterschiedliche Behandlung von ‘West-’ und ‘OstarbeiterInnen’ wieder, sondern
zeigen auch, wie normal und gerechtfertigt diese Diskriminierung den FotografInnen schienen.
Über die konkrete Wirksamkeit der nationalsozialistischen Bildpropaganda ist außer generellen
Vermutungen wenig bekannt. In den besetzten Ländern konnte sie offenbar nicht überzeugen:
Sauckel und die Arbeitsämter fanden kaum Freiwillige für den Arbeitseinsatz im Reich und gingen
immer stärker zur Rekrutierung duch Razzien und Deportationen über. Dennoch hatte die NSPropaganda eine langfristige, für die Betroffenen verheerende Wirkung: Ihre Bilder vom herrlichen Leben der FremdarbeiterInnen im fernen Deutschland prägten das Mißtrauen der Daheimgebliebenen, die unter Krieg und Besatzung gelitten hatten, gegen die 1945 zurückkehrenden
ZwangsarbeiterInnen. Vor allem, aber nicht nur in der Sowjetunion glaubte man den NS-Bildern
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mehr als ihren Erzählungen und bezichtigte die RückkehrerInnen der Kollaboration.
Unklar ist, wie die Propaganda das Bild formte, das die Deutschen von den Fremden hatten.
Hier könnte ein Vergleich der offiziellen Profibilder mit den privaten Knipserfotos weiterführen.
Deutsche Knipserbilder
Die rund acht Millionen AusländerInnen, die während des Krieges unter den Deutschen lebten
und arbeiteten, scheinen auf Privatfotos von Deutschen kaum präsent zu sein. Doch könnten
genauere Nachforschungen bei Privatleuten, etwa mittels eines Zeitungsaufrufes, das bisherige
Bild hier möglicherweise korrigieren. Die große Sammlung deutscher Knipserbilder des 20. Jahrhunderts im Münchner Fotomuseum enthält zwar gut zwei Dutzend Bilder von Kriegsgefangenen,
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nicht aber von ZivilarbeiterInnen im Reich, zumindest soweit dies erkennbar ist. Nur selten wurden ZwangsarbeiterInnen fotografiert – am ehesten aus der Distanz als vorbeigehende Gruppe
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oder beim Trümmerräumen.
Oft kamen Ausländer oder ihre Lager nur zufällig aufs Bild – so entdeckte die Geschichtswerkstatt Lichtenrade auf einem privaten Bild einer deutschen Familienfeier im Hintergrund Zwangsarbeiterbaracken (Abb. 9). Bei anderen Familienfotos ist ohne Kontextinformationen nicht er35
kennbar, daß unter den Abgebildeten auch ZwangsarbeiterInnen sind (Abb. 10). Diese Bilder
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Fotogeschichte, 17, H. 65 (1997), S. 59 – 72.
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zeigen das dem Regime unliebsame, vergleichsweise enge Zusammenleben zwischen Deutschen und AusländerInnen gerade in bäuerlichen Betrieben. Trotz mancher Vorteile dieser räumlichen Nähe für die ZwangsarbeiterInnen bleibt in Interviews und Fotos aber sichtbar: Die Toleranz gegenüber den Fremden hing direkt von deren Arbeitsleistung ab.
In den Alben deutscher Soldaten wurden Kriegsgefangene häufig in Frontnähe, kaum aber wie noch im Ersten Weltkrieg - in Lagern oder im Reich abgebildet. Um so bemerkenswerter sind
die Privatfotos, die die Realität im Lager Wietzendorf in der Lüneburger Heide schonungslos offen zeigen: Die unter freiem Himmel zusammengedrängten sowjetischen Kriegsgefangenen frieren in Erdhöhlen im verschneiten Waldboden und stürzen sich ausgehungert auf jedes Stück Brot
(Abb. 12). Diese Knipserbilder sind erschreckende Dokumente dafür, wie die Wehrmacht ihren
Vernichtungskrieg gegen Menschen aus der Sowjetunion auch auf deutschem Boden führte.
Wie verbreitet der neugierige Blick über den Stacheldrahtzaun war, belegen Akten im Kreisarchiv Soltau-Fallingbostel. Landrat und Lagerkommandant beklagten im September 1941, daß „die
Bevölkerung aus der weiteren Umgebung [...] besonders Sonntags Besichtigungsfahrten nach
diesem Lager“ unternehme, und forderten, die Zugangswege für „schaulustige Zivilisten“ zu sperren. Während sie Kontakte mit den Gefangenen verhindern wollten, wollte der Bürgermeister die
eingesperrten „Bestien“ der Bevölkerung als abschreckendes „Anschauungsmaterial“ vorführen.
Wie die Schaulustigen auf das Gesehene reagierten, ob die Fotos bewußt als kritische Dokumentation eines Verbrechens oder aus bloßem Voyeurismus aufgenommen wurden, ist allerdings
unbekannt.
Im allgemeinen wurden die in der Friedenszeit eher seltenen rassistischen Töne nach
Kriegsausbruch häufiger, etwa bei den Bildern von Juden oder französischen Gefangenen afri36
kanischer Herkunft. Die Propagandabilder der ‘asiatischen’ oder ‘bolschewistischen’ Untermenschen fanden dagegen weniger Resonanz. An der Ostfront dominierte das in der Propaganda
ebenfalls häufig verwendete Triumphbild der anonymen Masse besiegter Gegner (Abb. 11). Ausnahmen bleiben die vom Maler und Sanitäter Hermann Junker angefertigten, sehr persönlichen
37
Porträtzeichnungen sowjetischer Kriegsgefangener.
Verschiedentlich fertigten aber Mitglieder von Widerstandsgruppen Fotos und Zeichnungen
von Zwangsarbeiterlagern und Kriegsgefangenen an (Abb. 13). Nur wenige dieser Fotos, die
Zweifelnde von der Unmenschlichkeit des NS-Regimes überzeugen oder nach dessen Sturz als
38
Beweismittel dienen sollten, haben aber die Repression überstanden.
Ausländische Knipserbilder
Noch unzugänglicher als die deutschen sind die ausländischen Privatfotos; nur vereinzelt wur39
den sie im Kontext von Erinnerungsliteratur oder lokalen Spezialstudien veröffentlicht. Die bisherige Projektarbeit konnte aber die ursprüngliche Vermutung, es seien unter den Kriegs- und
Lagerbedingungen ohnehin kaum Fotos entstanden, widerlegen. In erstaunlich großer Zahl sind
Fotografien, aber auch Zeichnungen angefertigt worden und vor allem über die nationalen Betroffenenverbände zugänglich. So verfügt die Berliner Geschichtswerkstatt allein über gut 600 Fotos
von TschechInnen in Berlin und Brandenburg; dabei handelt es sich um Reproduktionen aus den
wesentlich umfangreicheren Beständen des tschechischen Verbandes ehemaliger Zwangsarbeiter. Dieser erst 1990 gegründete Verband hat über 42 000 Mitglieder. Gemeinsam mit den aus
Briefen und Interviews noch recherchierbaren Hintergrundinformationen liegt hier ein außerordentlicher Bestand von Fotografien vor. Er ist jedoch in ihrem weiteren Bestand gefährdet, da die
EigentümerInnen, die allein weitere Informationen geben könnten, mittlerweile betagt sind. Darüber hinaus hat das Verbandsarchiv auf dem Dachboden eines engagierten, aber fotoarchivalisch nicht ausgebildeten Verbandsmitgliedes nur minimale Ressourcen. Angesichts der langjährigen Vernachlässigung des Themas drängt nun die Zeit für eine archivalische Sicherung, praktikable Erschließung und fotohistorische Erforschung dieser Bestände. Gerade angesichts der
gegenwärtigen deutsch-tschechischen Schwierigkeiten mit der gemeinsamen Geschichte käme
dieser Arbeit auch aktuelle Bedeutung zu.
Die Motivwelt der Zwangsarbeiterbilder wirkt auf den ersten Blick eher verharmlosend: Die begrenzten Fotografiermöglichkeiten bewirkten, daß wesentliche Sphären des Alltags und der Er-
Cord Pagenstecher: Vergessene Opfer - Zwangsarbeit im Nationalsozialismus auf öffentlichen und privaten Fotografien, in:
Fotogeschichte, 17, H. 65 (1997), S. 59 – 72.
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fahrung von ZwangsarbeiterInnen wie Arbeit, Gewalt, Widerstand und Flucht auf Knipserbildern
der Betroffenen weitgehend ausgeblendet bleiben. Da die privaten Fotografien der ZwangsarbeiterInnen - wie alle privaten Knipserbilder - zudem in erster Linie der individuellen Erinnerung dienten, zeigen sie nur einen bestimmten, eher positiven Ausschnitt aus der damaligen Lebensrealität: Freizeit, KameradInnen, Feiern, Vergnügungen (Abb. 14).
Dies widerspricht den gängigen - und vielfach historisch belegten und gerechtfertigten Schreckensvorstellungen vom ‘Lager’. Solche Vorstellungen legen freilich die Opfer zu sehr auf
das bloße passive Leiden fest, ohne die Vielfältigkeit ihrer individuellen Erfahrungen und Verarbeitungsmethoden zu berücksichtigen. Erst bei einer genaueren Analyse sieht man die bezeichnenden Unterschiede zwischen Propaganda- und Erinnerungsbildern, erkennt man auch die
Selbstbehauptungsstrategien der Opfer, die Versuche der individuellen Bewältigung und der kritischen Dokumentation.
Manchen ZwangsarbeiterInnen ermöglichte die Kamera sogar einen mindestens symbolischen
Widerstand: Der tschechische Fotograf Tmej fotografierte ein Hitlerporträt so, daß ein Strick um
seinen Hals lag; dieses Bild sei bei einer Kontrolle dem Lagerführer in die Hände geraten, der die
Anspielung aber gar nicht verstand. Den Fotografen erfüllt dieser gelungene Akt des Widerstan40
des – oder zumindest der Widerständigkeit – bis heute mit einem gewissen Stolz.
In einem zweiten Teil dieses Aufsatzes folgt eine exemplarische Motiv- und Funktionsanalyse
der Fotografien eines jungen niederländischen Zwangsarbeiters im nationalsozialistischen Berlin.
Zusammenfassung
Faßt man zusammen, so zeigte die NS-Bildpropaganda Kriegsgefangene im besetzten Ausland als anonyme, besiegte Masse oder als abscheulicher ‘Neger’ oder ‘asiatischer Untermensch’; im Reich wurden sie ignoriert. Die Darstellung von ZivilarbeiterInnen betonte dagegen
die angeblich hervorragende Organisation und Fürsorge der deutschen Betriebe und Behörden
für die im allgemeinen als zufrieden und anspruchslos dargestellten ZwangsarbeiterInnen. Das in
seiner Färbung und Aussage sehr heterogene Bildmaterial in den Archiven kann jedoch ohne
eine detailliertere Untersuchung seines Veröffentlichungskontextes nicht zuverlässig interpretiert
werden.
Die wenigen vorliegenden deutschen Knipserbilder ähneln den veröffentlichten Bildern:
Kriegsgefangene wurden nur in Frontnähe wahrgenommen; die ZivilarbeiterInnen wurden dagegen völlig ignoriert. Im allgemeinen tauchen die zahlreichen AusländerInnen in den deutschen
Städten und Dörfern in der fotografischen Wahrnehmung der Deutschen ebenso wenig auf wie in
ihren Erinnerungen. Nur wenn die Fremden in der eigenen privaten Sphäre leben und arbeiten
mußten, gelangten sie auf die Knipserbilder. Sehr wenige, dem Widerstand verbundene Deutsche nutzten die Kamera zur kritischen Dokumentation von nationalsozialistischen Verbrechen.
Die Knipserbilder der betroffenen ZwangsarbeiterInnen dürften die aufschlußreichste Quelle für
die Alltagsgeschichte des Lagerlebens sein. Ohne eine Analyse von Bedingungen und Funktionen des ‘Knipsens im Lager’ machen sie allerdings zunächst einen verharmlosenden Eindruck.
Berücksichtigt man den jeweiligen Entstehungs- und Überlieferungskontext der verschiedenen
Arten von Bildquellen, so bietet die Typologie von Täter-, Zuschauer-, Opfer- und Gegnerfotos
trotz aller nötigen Differenzierungen eine geeignete Grundlage für die dringend erforderliche weitere Materialsuche und Analyse. Die fotografische Erinnerung an die Zwangsarbeit im Nationalsozialismus war schon zu lange verschüttet.
Liste der Abbildungen
Abb. 1: Cord Pagenstecher, Berlin: Die Baracken des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers in
Berlin-Niederschöneweide, April 1995 (Archiv Berliner Geschichtswerkstatt).
Abb. 2: Anonym: „Gewindeschneiden“. Propagandabild einer ‘Ostarbeiterin’ mit vorgeschriebenem Kennzeichen im Industrie-Einsatz, ca. 1943 (aus: Didier [Anm. 18], S. 42).
Cord Pagenstecher: Vergessene Opfer - Zwangsarbeit im Nationalsozialismus auf öffentlichen und privaten Fotografien, in:
Fotogeschichte, 17, H. 65 (1997), S. 59 – 72.
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Abb. 3: Siegel (Ulmer Pressefotograf): Eine vom Bahnhof kommende Kolonne von ZwangsarbeiterInnen in den Straßen von Neu-Ulm, 1943 (aus: Lechner [Anm. 5], S. 73).
Abb. 4: Anonym (im Auftrag des United High Commissioner for Refugees): „World Refugee
Series - Germany (Camps) 3338“. Die Baracken des Displaced Persons-Lagers Bad Cannstatt
Ende der fünfziger Jahre; im Hintergrund ein neues Hochhaus von Daimler-Benz, einem der
Hauptprofiteure der Zwangsarbeit (Bundesarchiv Koblenz, Rubrik ‘Flüchtlinge, ausländische’).
Abb. 5: Werksausweis eines 20jährigen tschechischen Zwangsarbeiters bei den HermannGöring-Werken, ausgestellt am 3.10.1942 vom Abwehrbeauftragten. Das „A“ steht für Ausländer
(Archiv Berliner Geschichtswerkstatt).
Abb. 6: Zwangsrekrutierung ukrainischer Frauen, 1942 (Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz,
Sign. unbekannt) Abgedruckt in Herbert (Anm. 3), S. 154.
Abb. 7: Anonym: Stark idyllisiertes Propagandabild des Barackeninneren - auf keinem einzigen
Privatbild waren etwa Tischdecken zu sehen. Umso zynischer wirkt die herablassende OriginalBildunterschrift: „Zu solcher Ordnung werden die Ukrainerinnen angehalten.“ (aus: Didier [Anm.
18], S. 81).
Abb. 8: Anonym (Propagandabild): Eine Gruppe von zum Teil sehr jungen Sowjets bei der Ankunft im Sammellager zur Deportation nach Deutschland, ca. 1943 (aus: Didier [Anm. 18], S. 29.
Abb. 9: Anonym (deutscher Knipser): Privates Einschulungsfest zu Beginn der vierziger Jahre
in Berlin-Lichtenrade, im Hintergrund die Baracken des Zwangsarbeiterlagers Steinstraße (Archiv
Geschichtswerkstatt Berlin-Lichtenrade).
Abb. 10: Anonym, Deutsche Bauernfamilie mit einem 21jährigen polnischen Zwangsarbeiter
bei Ulm, 1943. Von links: Großeltern, Bäuerin, Zwangsarbeiter, Bauerstochter (aus: Lechner
[Anm. 5], S. 156).
Abb. 11: Anonym (deutscher Soldat und Knipser): Russische Kriegsgefangene marschieren
durch Kowno, 1941 - 42 (Fotomuseum im Stadtmuseum München, Album K 124).
Abb. 12: Anonym (wohl Anwohner): Sowjetische Kriegsgefangene im Lager Wietzendorf,
Herbst 1941 (Kreisarchiv Soltau-Fallingbostel).
Abb. 13: Heinz Brenner (17jähriges Mitglied der ‘Weißen Rose’), Ulm: Zwangsarbeiterlager in
Ulm im Frühjahr 1942 (aus: Lechner [Anm. 5], S. 44).
Abb. 14: Anonym: Tschechische Zwangsarbeiter posieren in ihrer Stube im Hennigsdorfer
AEG-Borsig-Lager für ein Erinnerungsfoto, ca. 1943. Sie tragen stolz den böhmischen Löwen, ein
selbstgewähltes Abzeichen, auf der Hemdbrust. Wie auf vielen Privatbildern, wird ein Laib Brot
demonstrativ ins Bild gesetzt - die Gedanken kreisten häufig ums meist unzureichende Essen
(Archiv Berliner Geschichtswerkstatt).
Hinweis:
Der hier vorliegende Text kann leicht von der im Original abgedruckten Version abweichen.
Cord Pagenstecher: Vergessene Opfer - Zwangsarbeit im Nationalsozialismus auf öffentlichen und privaten Fotografien, in:
Fotogeschichte, 17, H. 65 (1997), S. 59 – 72.
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Anmerkungen
1 Die Berliner Geschichtswerkstatt, Goltzstr. 49, 10781 Berlin, sucht weitere Quellenbestände sowie Kooperationspartner.
2 Hans Pohl (Hrsg.), Zwangsarbeit bei Daimler-Benz, Stuttgart 1994, S. 117 (seltenes Beispiel der Aufarbeitung der
eigenen Unternehmensgeschichte).
3 Nach: Herrenmensch und Arbeitsvölker. Ausländische Arbeiter und Deutsche 1933 - 1945, Berlin 1986 (Beiträge zur
nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik, hrsg. v. Götz Aly u.a., 3), S. 9.
4 Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerbeschäftigung in Deutschland 1880 bis 1980. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Berlin 1986, S. 120 - 178, S. 177. Dies der beste Überblick zum Thema.
5 Grundlegend: Ulrich Herbert, Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft des
Dritten Reiches, Berlin/Bonn 1986. Ulrich Herbert (Hrsg.), Europa und der "Reichseinsatz": ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge in Deutschland 1938 - 1945, Essen 1991. Ein partieller Überblick bei:
Hans-Ulrich Ludewig, Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg. Forschungsstand und Ergebnisse regionaler und lokaler Fallstudien, in: Archiv für Sozialgeschichte, 31. 1991, S. 558 - 577. Eine gut bebilderte Lokalstudie: Silvester
Lechner (Hrsg.), Schönes, schreckliches Ulm. 130 Berichte ehemaliger polnischer Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter, die in den Jahren 1940 bis 1945 in die Region Ulm/Neu-Ulm verschleppt worden waren (Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg, KZ-Gedenkstätte, Manuskripte, 3), Ulm 1996.
6 Vgl. Sybil Milton, Argument oder Illustration. Die Bedeutung von Fotodokumenten als Quelle, in: Fotogeschichte, 8
(28). 1988. S. 61 - 90, S. 87.
7 Jürgen Hannig, Fotografien als historische Quelle, in: Bilder von Krupp. Fotografie und Geschichte im Industriezeitalter, hrsg. v. Klaus Tenfelde, München 1994, S. 269 - 287, S. 270, mit weiterer Literatur.
8 Hinkel, Hermann, Zur Funktion des Bildes im deutschen Faschismus. Bildbeispiele - Analysen - Didaktische Vorschläge, Gießen 1975. Herz, Rudolf, Hoffmann und Hitler. Fotografie als Medium des Führer-Mythos. Ausstellungskatalog Fotomuseum München, München 1994.
9 Dieter Reifahrth/Viktoria Schmidt-Linsenhoff, Die Kamera der Täter, und Bernd Hüppauf, Der entleerte Blick hinter
der Kamera, beide in: Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944, hrsg. v. Hannes Heer/Klaus
Naumann, Hamburg ²1995, S. 475 - 503, 504 - 530. Timm Starl, Knipser. Die Bildgeschichte der privaten Fotografie in Deutschland und Österreich von 1880 bis 1980. Ausstellungskatalog Fotomuseum München, München 1995,
S. 99ff. Thomas Deres u. a. (Hrsg.), Fotografieren verboten! Heimliche Aufnahmen von der Zerstörung Kölns.
Ausstellungskatalog Kölnisches Stadtmuseum (Schriftenreihe des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln,
2), Köln 1995.
10 Hoffmann, Detlef, Fotografierte Lager. Überlegungen zu einer Fotogeschichte deutscher Konzentrationslager, in:
Fotogeschichte, 14 (54).1994, S. 3 - 20, sowie die Artikel von Detlef Hoffmann, Cornelia Brink und Hanno Loewy
in: Fritz-Bauer-Institut (Hrsg.), Auschwitz: Geschichte, Rezeption und Wirkung. Jahrbuch 1996 zur Geschichte und
Wirkung des Holocaust, Frankfurt/New York 1996.
11 Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.), Kriegsgefangene. Sowjetische Kriegsgefangene in
Deutschland, deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion. Begleitbuch zur Ausstellung, Düsseldorf 1995. Porträtzeichnungen gibt wieder: Rüdiger Vossen, Freundbilder - Feindbilder. Portäts sowjetischer Kriegsgefangener
(1942-44). Gezeichnet von Hermann Junker, Hamburg 1991. Das Museum für Völkerkunde, Berlin, widmete Fotografien eines deutschen Offiziers von muslimischen Kriegsgefangenen des Ersten Weltkrieges eine Sonderausstellung: Margot Kahleyss, Muslimische Kriegsgefangene in Brandenburg, in: Mitteilungen des Völkerkundemuseums Hamburg, 1996.
12 Ausnahmen: Zdenek Tmej, 12 Fotos mit einem Text von Gustav Solar, in: Du, Oktober 1969, S. 760 - 773. Zdenek
Tmej, "Totaleinsatz". Breslau 1942 - 44 (Edition Photothek, hrsg. v. Kerbs, Diethart, XXV), Berlin 1989.
13 Vgl. Detlef Hoffmann, Die zwei Gesichter des Krieges. Offizielle und private Fotografie im 1. Weltkrieg, in: Fotogeschichte, 2 (5).1982, 21 - 28.
14 Ein schwedischer Mitarbeiter des YMCA aber besuchte und fotografierte als offizieller Beauftragter während des
Krieges zahlreiche Kriegsgefangenlager in Deutschland; 1500 dieser halboffiziellen Knipserbilder befinden sich im
Bundesarchiv Koblenz (Sammlung Berg).
15 Sie liegen etwa in kommunalen Bauaktenarchiven, wahrscheinlich auch in Archiven in London, Washington oder
Moskau. Zu den polnischen Archiven vgl. den Beitrag von M. Yegane Arani in diesem Heft.
16 Vgl. Lee Miller, Der Krieg ist aus. Deutschland 1945, Berlin 1996, S. 57ff.
17 Vgl. Matthias Hamann, Erwünscht und unerwünscht. Die rassenpsychologische Selektion der Ausländer, in: Herrenmensch, (Anm. 3), S. 143 - 180, und die Hinweise an Betriebsleiter zur Auswahl russischer ArbeiterInnen nach
„rassischen Merkmalen“, nach Herbert, (Anm. 4), 156f. Wie ein KZ-Insasse seine Gefühle beim Erfaßt-Werden
künstlerisch verarbeitete, zeigt Hoffmann in Fritz-Bauer Institut, (Anm. 10), S. 227.
18 Friedrich Didier, Europa arbeitet in Deutschland. Sauckel mobilisiert die Leistungsreserven, Berlin 1943.
19 Bildmaterial abgedruckt bei Thomas Müller, Zur bildjournalistischen Verwendung des Fotos in der Presse des Hitlerfaschismus in Deutschland - eine kritische Untersuchung am Beispiel des „Illustrierten Beobachters“, Unveröff.
Diss. A an der Karl-Marx-Universität Leipzig, Sektion Journalistik, Leipzig 1983, und in: Signal 1940/41ff. Eine
kommentierte Auswahl abgeschlossener, völlig unveränderter Beiträge aus der Propaganda-Zeitschrift der Deutschen Wehrmacht, 5 Bde., Hamburg 1977, Bd. 5, o.P. Vgl. Katja Protte, Das „Erbe“ des Krieges. Fotografien aus
Cord Pagenstecher: Vergessene Opfer - Zwangsarbeit im Nationalsozialismus auf öffentlichen und privaten Fotografien, in:
Fotogeschichte, 17, H. 65 (1997), S. 59 – 72.
12
dem Ersten Weltkrieg als Mittel nationalsozialistischer Propaganda im Illustrierten Beobachter von 1926 bis 1939,
in: Fotogeschichte, 16 (60).1996, S. 19 - 42.
20 Nach Müller, (Anm. 19), S. 136.
21 „Unter den neunhunderttausend ...“ war die Überschrift der Bildseite: IB vom 21.8.1941, nach Müller, (Anm. 19), Bd.
2, S. 353.
22 „Unser Wagen hielt im Dorf ...“, Signal, Nr. 23/24, Dezember 1941, in: Signal, (Anm. 19), Bd. 2, S. 82.
23 Sonderpressekonferenz, 5.7.1941, nach Müller, (Anm. 19), S. 137.
24 Beispiele bei Müller, (Anm. 19), Bd. 2, S. 327, 368.
25 Vgl. das Bild einer offensichtlich gedemütigten und gequälten Frau mit einem hämisch grinsenden deutschen Soldaten daneben (Titel: „Der Ausweis beweist ihre Zugehörigkeit zur Sowjettruppe“, Bundesarchiv Koblenz, Bestand
Hauptref. Bildpresse VI/697, 71/11/3).
26 „Verteidiger der ‘Zivilisation’“, Datum nicht angegeben, in: Signal, (Anm. 19), Bd. 1, S. 73, 76, „‘Kultur-Träger’ der
anderen“ in IB, 25.6.1942, Müller, (Anm. 19), Bd. 2, S. 311.
27 Von insgesamt 5.7 Mio sowjetischen Kriegsgefangenen kamen 3.3 Mio ums Leben, 1.4 Mio schon bis September
1941: Streit, Christian, Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941 - 1945,
Bonn 1991, S. 136.
28 IB, 2.10.1941, nach Müller, (Anm. 19), S. 139, Bd. 2, S. 328.
29 „Die Juden müssen arbeiten“: IB, 12.10.1939, nach Müller, (Anm. 19), Bd. 2, S. 316.
30 Fotograf, Ort, Datierung unbekannt, (Bundesarchiv Koblenz, 94/112/13 A). Vgl. Raimond Reiter, "AusländerkinderPflegestätten" in Niedersachsen 1942 - 1945. Die Behandlung "fremdvölkischer" Kinder und Mütter im Spannungsfeld von kriegswirtschaftlichem Arbeitseinsatz und nationalsozialistischer Rassenpolitik, Diss. Hannover 1991.
31 Eine starke Ähnlichkeit haben diese Erfassungsbilder allerdings mit Fotografien der medizinischen Untersuchungen
bei der Anwerbung von ‘Gastarbeitern’ Anfang der siebziger Jahre in Istanbul, in: Berger, John/Mohr, Jean: Arbeitsemigranten. Erfahrungen, Bilder, Analysen, Reinbek 1976.
32 Bernd Bonwetsch, Sowjetische Zwangsarbeiter vor und nach 1945. Ein doppelter Leidensweg, in: Jahrbücher für
Geschichte Osteuropas (N. F.), 41 (4). 1993, S. 532 - 546.
33 Vgl. Starl (wie Anm. 9). Immerhin 15.9% aller Personenaufnahmen im Zweiten Weltkrieg waren (fast ausschließlich
gegnerische) Tote oder Gefangene (gegenüber 7% im Ersten Weltkrieg): Timm Starl, Die Bildwelt der Knipser. Eine empirische Untersuchung zur privaten Fotografie, in: Fotogeschichte, 14 (52).1994, S. 59 - 68, 65f.
34 Fotomuseum im Stadtmuseum München, Album K 244. Vgl. z.B. das Titelbild von Herrenmensch und Arbeitsvölker,
(Anm. 3) und Deres, (Anm. 9), Abb. 28, 133ff. und 180.
35 Vgl. Annekathrein Mendel, Zwangsarbeit im Kinderzimmer. „Ostarbeiterinnen“ in deutschen Familien 1939 - 1945.
Gespräche mit Polinnen und Deutschen, Frankfurt 1994, und ein sehr ähnliches Propagandabild „Ukrainerinnen
bei der Frühkartoffelernte“, 5.8.1943, Bundesarchiv Koblenz, o. S. 1943 verbot die Kölner Gestapo ausdrücklich,
OstarbeiterInnen zu fotografieren. Nach Deres, (Anm. 9), S. 92.
36 Vgl. die Abbildungen bei Starl, (Anm. 9), S. 115, 117. Ganz in Übereinstimmung mit der nationalsozialistischen
Propaganda wurden diese ‘Beutestücke’ als „Segenelneger“ [sic!] und zynisch als „Frankreichs Elite“ tituliert.
37 Vossen, (Anm. 11). Ein Beispiel nachträglicher Verarbeitung von Knipserbildern zeigt die 1996 erschienene Broschüre mit der Selbstdarstellung des Museums Berlin-Karlshorst: Der in der kirchlichen Friedensbewegung engagierte Privatmann Helmut Hoffmann kontrastierte 1993 in einer Ausstellung seine alten Knipserfotos von Kriegsgefangenen mit seinen heutigen, nachdenklichen Erinnerungen an deren Hunger und Sterben.
38 Libertas Schulze-Boysen etwa vernichtetedie heimlich gesammelten Knipserbilder von NS-Verbrechen kurz vor ihrer
Verhaftung: Diethart Kerbs/Walter Uka/Brigitte Walz-Richter (Hrsg.), Die Gleichschaltung der Bilder. Zur Geschichte der Pressefotografie 1930 - 36, Berlin 1983, S. 197f.
39 Etwa Vialli in Herrenmensch und Arbeitsvölker, (Anm. 3), S. 103ff. Tmej, (Anm. 12).
40 Nach dem tschechischen Fernsehfilm „Bylo nás 640 tisic - Wir waren 640000“, Regie Václav Sklenár, Ceska televize 1995 (Manuskript im Archiv Berliner Geschichtswerkstatt).
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