Atemgasklimatisierung 9.6

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9 Beatmung in der Neonatologie und ­pädiatrischen Intensivmedizin
einer ausgeprägten Kreislaufdekompensation führen kann. Ein Pneumoperikard muss durch eine
Perikardpunktion entlastet werden.
1
9.6
a
4
4
4
b
9
4
4
4
Grundsätzlich können bei Kindern aktive und passive Systeme zur ▶ Klimatisierung der Inspirationsluft eingesetzt werden. ▶ HME (Heat and Moisture Exchanger, sog. „künstliche Nasen”) werden
aufgrund ihres Totraums und der Erhöhung des
Atemwegswiderstandes nicht bei Kindern mit einem Körpergewicht unter 3 kg verwendet. Die
Größe des HME muss abhängig vom erwarteten
Tidalvolumen ausgewählt werden. Für alle Altersgruppen jenseits der Neugeborenenperiode stehen
adäquate Größen zur Verfügung.
Merke
Keine HME bei Neugeborenen unter 3 kg KG.
4
4
Atemgasklimatisierung
Abb. 9.6 Extrapulmonale Luftansammlungen
unter Beatmung.
aAsymmetrisches pulmonal-interstitielles Emphysem
(PIE) bei einem Frühgeborenen der 23. Schwanger­
schaftswoche. Links ausgeprägte streifig-feinflecki­
ge Aufhellungen, rechts kleinfleckige Aufhellungen
durch freie Luft.
bSignifikantes Pneumoperikard und PIE der rechten
Lunge bei einem Frühgeborenen der 26. Schwan­
gerschaftswoche. Kreislaufdepression mit arteri­
eller Hypotonie und Tachykardie. Rasche Rekom­
pensation nach einmaliger Punktion mittels einer
24-G-Braunüle.
Adäquate Tidalvolumina zwischen 6 und 8 ml/kg
KG werden ggf. durch PIP-Reduktion und niedrigere PEEP-Einstellung unter Tolerierung höherer
FiO2 erreicht. Ein Pneumoperikard (Abb. 9.6b) ist
eine seltene Komplikation bei Frühgeborenen, die
jedoch – anders als bei älteren Patienten – durch
eine diastolische Funktionsstörung des Herzens zu
Zur Ontogenese der Atemgasklimatisierung bei
Früh- und Neugeborenen ist wenig bekannt. Der
Wasserverlust pro Atemzug ist bei Neu- und Frühgeborenen weitgehend konstant, so dass die relativ hohe „Perspiratio insensibilis“ in dieser Altersgruppe in erster Linie auf die hohe Atemfrequenz
zurückzuführen ist. Daten zu Temperatur- und
Wassergradienten im Verlauf der Atemwege Frühgeborener fehlen. Im Tiermodell ist bei verschiedenen Spezies der mukoziliäre Transport langsamer
als bei reifen Tieren. Die ▶ mukoziliäre Clearance
wird durch zu kalte oder heiße Atemgase wie auch
durch trockene oder übersättigte Gase oder freies Wasser empfindlich gestört. Gelangt Wasser
als Aerosol oder Kondenswasser in die peripheren Atemwege, kann die Lungenfunktion erheblich beeinträchtigt werden. Im Tiermodell waren
histologische Veränderungen wie Gefäßwandhypertrophie sowie interstitielle und intraalveoläre
Ödeme nachweisbar. Störungen des mukoziliären
Transports führen zu Sekretretention und begünstigen die Ausbildung von Atelektasen und pulmonalen Infektionen.
Bei Früh- und Neugeborenen werden zur
Atemgasklimatisierung fast ausschließlich aktive ­Systeme (HH, ▶ Heated Humidifier) eingesetzt.
Die Klimatisierung wird durch unterschiedliche
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Umgebungs- und Inkubatortemperaturen sowie
durch den Einsatz von Wärmestrahlern bei offener
Pflege kompliziert. Die Einstellung der Verdampfertemperatur und der Schlauchheizung erfolgt
weitgehend empirisch und unterscheidet sich von
­Klinik zu Klinik z. T. erheblich. In einigen Einrichtungen werden die Verdampfertemperaturen bis
auf 40 °C eingestellt, um tubusnahe Temperaturen von 37 – 38 °C mit entsprechend hohem Wassergehalt zu erreichen. Hierdurch sollen insbesondere bei sehr kleinen Kindern Temperatur- und
­damit Energieverluste über die Atemwege verhindert werden. Hohe Wassertemperaturen bergen
jedoch das Risiko thermischer Schäden bei gerätebedingten Fehlfunktionen und führen zudem fast
zwangsläufig zu Kondensation und freiem Wasser
im Schlauchsystem. Auf vielen neonatologischen
Intensivstationen wird daher eine Einstellung von
37 °C mit einer Temperaturkompensation von –
2 °C favorisiert. Bei korrekter Platzierung der Temperaturmesssonde knapp außerhalb des Inkubators ­resultiert eine tubusnahe Atemgastemperatur
von 33 – 35 °C mit einem Wassergehalt von 35 –
38 mg/l, wodurch eine weitgehend physiologische
Klimatisierung der Atemgase sichergestellt wird.
Hinweis
Der Einfluss der Atemgastemperatur auf die Kör­
pertemperatur wird weit überschätzt. Aus ener­
getischer Sicht wichtiger ist die Vermeidung von
Wasserverlusten aus den Atemwegen durch zu
trockene Atemgase.
In der Praxis ist darauf zu achten, dass der patientennahe Temperatursensor möglichst wenig durch
äußere Wärmequellen (Inkubator, Wärmelampen,
Heizstrahler) beeinflusst werden kann. Er ist außerhalb des Inkubators zu platzieren, sofern die
Inkubatortemperatur über der Atemgastemperatur liegt.
Transportinkubatoren sind in der Regel nicht
mit einer aktiven AGK ausgestattet. Es ist daher
sinnvoll, beatmete Früh- und Neugeborene zum
Transport mit einem HME zu versorgen. Dafür eignen sich in den Tubuskonnektor integrierte HME,
wodurch kein zusätzlicher Totraum entsteht. Der
­erhöhte Atemwegswiderstand spielt unter kontrollierter maschineller Beatmung ohnehin keine
wesentliche Rolle.
9.7
Monitoring der Beatmung
Die Besonderheiten der Beatmungstherapie von
Kindern stellen hohe Anforderungen an die Überwachung. Aufgrund der geringen Reserven kleiner
Kinder sind die Alarmgrenzen eng zu setzen. Ziele
des Monitorings ist die sofortige und exakte Erfassung und Vermeidung von:
●● Hyperoxie (Sauerstofftoxizität!),
●● Hypoxämie,
●● Hypoventilation,
●● Hyperventilation.
Die Genese der Retinopathia praematurorum des
Frühgeborenen ist multifaktoriell (Tab. 9.9). Neben
der Unreife spielt Sauerstoff offenbar eine Hauptrolle: Rasch ansteigende und inadäquat hohe arterielle Sauerstoffpartialdrücke in der postpartalen
Phase schädigen die Netzhaut, die intrauterin nur
einem paO2 von ca. 30 mmHg ausgesetzt war.
Auch eine ▶ Hyperventilation muss bei ­unreifen
Frühgeborenen strikt vermieden werden, da sie
aufgrund der fehlenden zerebralen Gefäß­auto­
regulation zu einer Minderperfusion des Gehirns führen kann. Niedrige arterielle pCO2-Werte
< 30 mmHg sind mit der Entwicklung von Leukomalazie und einer erhöhten Inzidenz von Zerebralparesen assoziiert. Große Tidalvolumina und hohe
Inspirationsdrücke führen zu ▶ Volu- und ▶ Barotrauma.
9.7.1
Monitoring der O2- und
CO2-Partialdrücke
Die kontinuierliche ▶ transkutane Messung der
O2-Partialdrücke (siehe Abb. 2.30, S. 90) ist zur sicheren Vermeidung der Hyperoxie unerlässlich
und gehört damit zum Standardmonitoring. Wichtig ist die regelmäßige Kalibration der transkutanen Sonde anhand arterieller BGA.
Tabelle 9.9 Bedeutsame pathogenetische Faktoren
für die Entwicklung einer Retinopathie.
Geburtsgewicht < 1000 g
Dauer der O2-Exposition
Hyperoxie mit transkutanem pO2 > 80 mmHg
Wechsel von Hyperoxie und Hypoxie z. B. bei
Apnoe
●● Hyperkapnie
●●
●●
●●
●●
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9.7 Monitoring der Beatmung
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