„In fünfzig Jahren wird Ihr Konzert ein Klassiker sein wie diejenigen

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Abonnement E, 4. Konzert
Freitag 16.06.2017 · 19.00 Uhr
Sonntag 18.06.2017 · 16.00 Uhr
Großer Saal
KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN
IVÁN FISCHER Dirigent
PATRICIA KOPATCHINSKAJA Violine
CANTUS DOMUS
RALF SOCHACZEWSKY Choreinstudierung
„In fünfzig Jahren wird
Ihr Konzert ein Klassiker
sein wie diejenigen von
Beethoven, Brahms und
Tschaikowsky.“
ROSA NEWMAN AN JEAN SIBELIUS ÜBER DESSEN VIOLINKONZERT, 1912
PROGRAMM
Jean Sibelius (1865 – 1957)
„Valse triste“ op. 44 Nr. 1
Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47
ALLEGRO MODERATO
ADAGIO DI MOLTO
ALLEGRO
PAUSE
Béla Bartók (1881 – 1945)
„Der wunderbare Mandarin“ – Pantomime in einem Akt
nach einem Libretto von Menyhért Lengyel op. 19
VORSPIEL – DIE DREI STROLCHE UND DAS MÄDCHEN
ERSTE SZENE: DER ALTE KAVALIER
ZWEITE SZENE: DER SCHÜCHTERNE JÜNGLING
DRITTE SZENE: DER MANDARIN – TANZ DES MÄDCHENS – VERFOLGUNG UND
KAMPF – ERSTER MORDVERSUCH: ERSTICKEN – ZWEITER MORDVERSUCH:
ERSTECHEN – DRITTER MORDVERSUCH: ERHÄNGEN – DAS MÄDCHEN GIBT
SICH DEM MANDARIN HIN – TOD DES MANDARINS
PREMIUMPARTNER
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Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und / oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind. Zuwiderhandlungen sind nach dem Urheberrechtsgesetz strafbar.
Die Bühne
Kompositionen für die Bühne rahmen das heutige Programm.
Jean Sibelius’ „Valse triste“ wurde zu einem Schauspiel, Béla
Bartóks „Wunderbarer Mandarin“ als Ballettmusik geschrieben. Dazwischen steht mit Sibelius’ Violinkonzert ein Werk
der Gattung, die mit der Profilierung eines Protagonisten vor
dem gesellschaftlichen Hintergrund des Orchesters dem
Theater besonders nahe kommt. Das Finale des Werkes gleicht
in vielerlei Hinsicht einer Tanzszene.
Valse triste
JEAN SIBELIUS
Gelegenheit schafft Erfolg. Jean
Sibelius’ „Valse triste“ wurde rasch
zum bekanntesten Stück des finnischen Komponisten und hielt diesen Rang bis in die jüngste Zeit. Geschrieben wurde es nicht als eines
der Hauptwerke, sondern als angewandte Tonkunst, als Teil einer
Bühnenmusik zu Arvid Järnefelts,
seines Schwagers, Drama „Kuolema“ (Der Tod). Dort grundiert es
die erste Szene, in der die Mutter
des Protagonisten aus der Welt
scheidet. Eine Tanzmusik, die sich aus der Ferne nähert, gewinnt in vier aufeinander folgenden, dann miteinander kombinierten Themen zunehmende Präsenz; sie kündigt der Halluzinierenden eine Gesellschaft an, in deren Mitte der Tod
erscheint. Er führt sie tanzend zur Tür aus dieser Zeit hinaus.
JEAN SIBELIUS
ENTSTEHUNG 1903/04 · URAUFFÜHRUNG 2.12.1903 Helsinki (unter Leitung des Komponisten)
bzw. 25.4.1904 Helsinki (Konzertfassung) · BESETZUNG Flöte, Klarinette, 2 Hörner, Pauken,
Streicher · DAUER ca. 6 Minuten
Die Musik bewegt sich „in einem Schwebezustand zwischen
der traurig-düsteren Todesatmosphäre und dem beschwingten Gestus des Walzers“ (Hanno Ehrler), zwischen beiden
vermittelt die Andeutung einer Sarabande mit ihrem gemessenen Schritt (zweites Thema), der sich zum langsamen Walzer (drittes Thema) wendet. Das Stück verabschiedet sich
nach Erinnerungen an das erste und zweite Thema in die
Höhe.
CD-TIPPS Berliner Sinfonie-Orchester / Kurt Sanderling, Dirigent / Aufnahme 1972 (Label: Berlin Classics); Sinfonia Lahti /
Osmo Vänskä, Dirigent / Aufnahme 1997 (Label: BIS)
Sibelius’ Violinkonzert
Unglück hilft. Für Jean Sibelius konnte es 1903 mit der Uraufführung seines Violinkonzerts nicht schnell genug gehen
– Zeit ist auch bei Künstlern manchmal Geld. Er wollte nicht
warten, bis Willy Burmester, der um das virtuose Werk gebeten hatte, einen Termin für die Uraufführung fand, er ließ sie
vom Konzertmeister der Philharmoniker in Helsinki spielen.
Zeit gewann er dadurch kaum, aber er erntete ein Desaster.
Die Komposition geriet dadurch selbst in die Kritik. Sibelius
nutzte die Chance im Scheitern und überarbeitete sein Opus
47, es gewann an Qualität und erlangte nach und nach den
Status, den es bis heute als Virtuosen- und Publikumsliebling genießt. So kann man Niederlagen in Siege verwandeln.
Im Œuvre des Komponisten blieb das d-Moll-Konzert allerdings ein Solitär. Er schrieb danach kein Solokonzert mehr.
JEAN SIBELIUS
ENTSTEHUNG 1903-05 · URAUFFÜHRUNG 8.2.1904 Helsinki (unter Leitung des Komponisten)
BESETZUNG Solo-Violine, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken, Streicher · DAUER ca. 33 Minuten
FINNISCHE LANDSCHAFT: AKSELI GALLEN-KALLELA – GEWITTERWOLKEN, 1897
Sibelius war selbst ein hervorragender Geiger. Hätte ihn das
Lampenfieber nicht so geplagt, dann hätte er vielleicht sogar
die Virtuosenlaufbahn eingeschlagen. Er musste ein Violinkonzert schreiben. Willy Burmesters Anfrage und seine rege
Anteilnahme an den Fortschritten im Schaffensprozess gaben dem Vorhaben die nötige Dynamik. Sibelius setzte sich
in seinem Werk mit der Geschichte der Gattung auseinander,
griff sie beziehungsvoll auf, um in entscheidenden Momenten eigene Wege einzuschlagen. Sein Violinkonzert beginnt
ähnlich wie das Mendelssohnsche: Aus einem zarten Klangteppich hebt sich als Hauptstimme der Solopart heraus. Im
Aufbau des ersten Satzes richtete sich der finnische Komponist nach der zeitgenössischen Sinfonik, die an Anton Bruckner Maß nahm. Drei klar unterschiedene Themen führt er ein,
JEAN SIBELIUS
weitet sie zu ganzen Komplexen, zu eigenen Charakterstücken.
Das energische erste breitet sich nach dem Beginn in enger
Höhe schließlich über den ganzen Tonraum der Geige und des
Orchesters aus. Der Solist behält die Initiative. In das zweite,
gesangliche Thema, das sich aus der Tiefe hocharbeitet, schaltet er sich erst nach einiger Zeit ein und treibt es dem Höhepunkt zu. Das dritte Thema aber – ein kräftiger, stilisierter
Tanz – bleibt zunächst eine rein orchestrale Angelegenheit.
Wie Bruckner seine Themen oft durch Pausen trennte, so verband Sibelius sie durch eine Art von Gelenken. Ihre Ausgestaltung übertrug er ganz dem Solisten und erweiterte dessen
Rolle dadurch um die Regiefunktion, denn er beherrscht alle
Stellen, an denen sich der Lauf der Dinge entscheidet. – Nachdem die Hauptgedanken des Kopfsatzes ausgiebig vorgestellt
wurden, durften kundige Hörer ihre Durchführung im Spannungsverhältnis zwischen Solist und Orchester erwarten. Sibelius aber traf eine andere Entscheidung. In der Geschichte
war sie ohne Beispiel, aber sie wirkte in die Zukunft. Er überantwortete den Abschnitt der Themenreflexionen allein dem
Solisten. Der spielte traditionell seine Kadenz gegen Ende des
ersten Satzes. Hier rückt sie ins Zentrum. Sie besteht vor allem
aus virtuosen Betrachtungen des ersten Themas. Danach kehren die drei Themenkomplexe in Umfang und innerer Dramatik geweitet, aber direkt und ohne „Scharniere“ aneinander gefügt, als Reprise im überlieferten Sinne wieder.
„In den leichteren und lockereren Konzertformen, die Mendelssohn und Schumann kultivierten, habe ich bisher kein originelleres, mit größerer Meisterschaft geschriebenes und auch
kein anregenderes gefunden als das Violinkonzert von Sibelius.“
SIR DONALD TOVEY, 1925
JEAN SIBELIUS
Im ersten und längsten Satz beansprucht das eröffnende
Hauptthema den größten Raum. Das zweite und das dritte
führt Sibelius auf andere Art aus. Den gesanglichen Charakter des zweiten Themas nimmt er im langsamen Mittelstück
des Konzerts wieder auf und konfrontiert ihn dort mit drei
Gegenspielern: dem einleitenden Motto der Holzbläser, der
virtuosen Geläufigkeit, die auch auf das Orchester übergreift,
und einem pochenden Rhythmus, der als musikalischer Typus bereits auf das Finale vorausweist. – Das führt mit neuem
Rhythmus und gesteigerter Virtuosität den stilisierten Tanzcharakter des dritten Themas aus dem Kopfsatz weiter. Auf
den britischen Musikologen Sir Donald Tovey wirkte der brillante Kehraus wie die „Polonaise eines Eisbären“. Der Pianist
und Theoretiker, der selbst auch komponierte, liebte drastische Vergleiche. Die Polonaise macht jedoch nur eine Komponente des virtuell Tänzerischen aus; sie bestimmt die Ritornelle in Sibelius’ Schlussrondo. Die Episoden zwischen ihnen
weisen weiter nach Süden. Der spanische Ton war in Europa
um 1900 allenthalben in Mode, vor allem in Frankreich und
Russland. Von dort wirkte er auch weiter Richtung Norden.
Finnland gab in der jüngeren Geschichte ein viel bestauntes
Beispiel dafür, wie Musik aus heißen Zonen dieses Planeten
rund um den Polarkreis heimisch werden kann. Sibelius
wählte für den Abschluss seines Opus 47 noch nicht den Tango, sondern den Fandango. – Adagio und Finale beanspruchen in seinem Violinkonzert zusammen ungefähr so viel
Zeit wie der Kopfsatz allein. Auf ähnliche Weise hatten so verschiedene Meister wie Brahms und Tschaikowsky in ihren Solokonzerten Einheit in Vielfalt erreicht.
CD-TIPPS Ivry Gitlis, Violine / Wiener Symphoniker / Jascha
Horenstein, Dirigent / Aufnahme 1955 (Label: Brilliant Classics); Leonidas Kavakos, Violine / Sinfonia Lahti / Osmo
Vänskä, Dirigent / Aufnahme 1990 (Label: BIS)
BÉLA BARTÓK
Der wunderbare
Mandarin
BÉLA BARTÓK
Ein Skandal hilft nicht unbedingt
zum Erfolg. 1917 fand Béla Bartók
in der Januarausgabe der ungarischen Literaturzeitschrift „Nyugat“
(„Westen“ oder „Abendland“) das
Szenario für eine Ballettpantomime „A csodálatos mandarin“ (Der
wunderbare Mandarin). Es stammte von Menyhért Lengyel (1880–
1974), einem Mitarbeiter des Periodikums, das sich für eine neue
ungarische Dichtkunst nach dem
Vorbild der Surrealisten, Symbolisten und Expressionisten einsetzte,
vergleichbar etwa mit Herwarth Waldens Berliner Zeitschrift „Der Sturm“. Der Dichter, Sohn einer jüdischen
Bauernfamilie aus dem heutigen Ostungarn, hatte 1909 mit
„Taifun“ das meistgespielte ungarische Drama im Aufbruch
zur Moderne geschrieben; zweieinhalb Jahrzehnte später –
er wählte noch vor Bartók das US-Exil – tat er sich unter anderem durch Vorlagen und Drehbücher für Ernst Lubitsch
hervor („Engel“, „Ninotschka“, „Sein oder Nichtsein“); kurz:
ein Mann, der Künste gern vernetzte. Die Geschichte von
drei notorisch klammen Großstadtganoven, die eine junge
Frau (Ver- oder Entführte?) dazu bringen, Männer in ihre
Bude im ersten Stock eines Wohnhauses an einer belebten
Straße zu locken, um sie auszurauben, hatte er als Mischung
aus Pantomime und Tanztheater konzipiert und ursprünglich für die Ballets Russes gedacht. Die wollten nicht, Bartók
dagegen interessierte sich. Er stand damals den Pionieren
BÉLA BARTÓK
des modernen Balletts nahe, hatte er doch eben in jenem
Jahr 1917 ihr Glanz- und Skandalstück, Igor Strawinskys „Le
Sacre du printemps“, kennengelernt. Im Juni 1918 besprach
er mit Lengyel das „Mandarin“-Projekt, dann begann er zu
entwerfen, Ende 1919 schloss er die Komposition als Particell, als Partiturkurzschrift ab. Die Orchestrierung zog sich
hin, denn lange fehlte ein Uraufführungsdatum als terminlicher Zielpunkt. 1923 begann er mit der Orchestrierung; am
27.11.1926 dirigierte der Kölner Generalmusikdirektor Eugen
Szenkár an der Oper der Domstadt die Uraufführung.
„‚Der wunderbare Mandarin‘ ist eine der originellsten Partituren in der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts.“
TADEUSZ A. ZIELIŃSKI
Weitere Vorstellungen ließ der damalige Oberbürgermeister
Konrad Adenauer verbieten, das Stück sei ziemlich unziemlich. Gut vier Jahre später wiederholte sich die Staatsintervention in Ungarn: Zu Bartóks 50. Geburtstag am 25. März
1931 wurde eine Neuinszenierung nach deutlich „gemildertem“ Libretto vorbereitet. Der Zensor besuchte die Kostümprobe – und verbot die Aufführung. Bartók hörte das Werk,
das er zu seinen besten Kompositionen zählte, als Ganzes
nie mehr. Die einzige Aufführung, die noch zu seinen Lebzeiten stattfand (in Prag), besuchte er nicht. Für ihn und seinen
„Mandarin“ wurde der Skandal nicht zum Treibmittel des
Erfolgs. Köln war und ist eben nicht Paris.
ENTSTEHUNG 1918/19 und 1923-26 · URAUFFÜHRUNG 27.11.1926 Köln (Ballett), 15.10.1928 Budapest (Suite) · BESETZUNG 3 Flöten (2. und 3. auch Piccolo), 3 Oboen (3. auch Englischhorn),
3 Klarinetten (2. auch Kleine Klarinette, 3. auch Bassklarinette), 3 Fagotte (2. und 3. auch
Kontrafagott), 4 Hörner (2. und 4. auch Tenortuba), 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug (Große und Kleine Trommel, Triangel, Becken, Tamtam, Tamburin, Xylophon), Celesta, Orgel, Klavier, Harfe, Streicher – Gemischter Chor · DAUER ca. 35 Minuten
BÉLA BARTÓK
DAS ALTE KÖLNER OPERNHAUS, ORT DER URAUFFÜHRUNG
Der durchkomponierte Einakter beginnt mit einem rein orchestralen, gefolgt von einem szenischen Vorspiel. Als instrumentale Einleitung komponierte Bartók Großstadtmusik, hart, energiegeladen, scharf im Tempo, „Geklirre, Gepolter,
Getue“, wie er selbst kommentierte. Die Introduktion auf der
Tanzbühne stellt die drei „Strolche“ vor, alle im schnellen
Sechsachteltakt (er bleibt ihr musikalisches Erkennungszeichen), jeden mit einem eigenen Thema. Man hört förmlich
die Gestik dessen, der seine Taschen umdreht, dessen, der
nervös die Schubladen durchwühlt, und dessen, der sich vom
Bett erhebt und das Mädchen kommandiert. Sie zögert, sich
zu prostituieren. Die Kerle machen Druck.
Den kurzen Vorspielen schließen sich drei größere Teile an,
jeder ist einem Freier-Opfer gewidmet. Alle beginnen mit
einem Lockspiel der Frau, musikalisch einem Klarinettensolo, das sich aus dem reinsten Intervall, der Quinte über Sehn-
BÉLA BARTÓK
suchtsseufzer zu munterem Tirilieren und virtuosen Verrenkungen steigert. Von Mal zu Mal setzt es höher an, expandiert,
erweitert den klanglichen Aktionsraum auf andere Instrumente. Jedem Locksolo erliegt ein Freier. Der erste, ein alter
Stutzer, stapft zu einem Dumpfmarsch die Treppe herauf,
tritt ins Zimmer (gehaltener Akkord), gestikuliert hörbar
seltsam. Außer Potenzanmaßung hat er nichts. Seine Zudringlichkeit – musikalisch eine Mischung aus Stampfrhythmus und schmierigen Gebärden – brechen die Strolche ab
und expedieren ihn die Treppe hinab. – Zweiter Kunde: ein
Jüngling, in aller Unschuld von Oboe und Harfe charakterisiert. Auch er hat kein Geld, aber er gefällt dem Mädchen. Ihr
anfangs scheuer Tanz im Fünfvierteltakt (das Metrum erfordert von den Tanzenden besondere gegenseitige Achtsamkeit) wird immer leidenschaftlicher. Doch ehe sie dem erotischen Novizen das letzte Kapitel des Liebeskurses öffnet,
werfen ihn die Strolche hinaus. Mit ihrer aggressiven Sechsachtelmusik beenden sie die einzig wahrhaftige Liebesszene
des Stückes.
Knapp ein Drittel des Werkes ist bis hierher vorbei. Der große Rest gehört der Titelfigur. Die Handlung schwenkt vom
stilisiert Realistischen ins Psychologisch-Fantastische und
märchenhaft Archetypische. In sich reproduziert der dritte
Teil den Gesamtaufbau des Werkes. Instrumentale Einleitung: das Lockspiel der Klarinetten wird besonders weit ausgebaut. Prolog mit Szene: der Mandarin und das Mädchen
checken die Situation. Sie schaudert, er glotzt. Sie lockt auf
Befehl der Strolche, er setzt sich. Sie tanzt, erst zaghaft, dann
mutiger, schließlich wild-erotisch. Ihr Ekstase-Crescendo im
Walzertakt ist die zentrale Tanzszene des Stücks. Auf dem
Höhepunkt sinkt sie in seinen Schoß. Er zittert vor Erregung.
Ihr graust vor seiner Umarmung, sie reißt sich los, er jagt ihr
BÉLA BARTÓK
nach, holt sie ein, sie kämpfen zu wild stampfender Musik
zwischen Marsch- und Maschinengewalt. Die Strolche (wieder an ihrem Rhythmus erkennbar) überwältigen ihn und
rauben ihm Schmuck und Gold. Dann folgen die drei Szenen
dieses Teils, jede von ihnen nicht einem Liebesbegehren, sondern einem Mordversuch gewidmet.
Erste Art: Unter Decken und Kissen ersticken. Längst müsste
das Opfer an Sauerstoff mangel gestorben sein. Doch nach
einer Weile hebt der Mandarin seinen Kopf zwischen den
Kissen hervor und fi xiert das Mädchen. – Zweiter Versuch:
einer sticht drei Mal mit einem rostigen Schwert auf ihn ein.
Der Mandarin wankt, torkelt, scheint zu stürzen, fängt sich
wieder und jagt dem Mädchen erneut nach. Dritte Art: Am
Lampenhaken erhängen. Die Leuchte stürzt herunter, der
Mandarin strahlt grün und blau (hier setzt der Chor ein und
speist mit seinem textlosen Gesang neue Wunderfarben ein).
Dem Mädchen kommt die rettende Idee: „Nehmt mir den
Mandarin herab!“ – Er stürzt sich auf sie, sie gibt sich ihm hin.
Sein Verlangen ist gestillt. Er stirbt und mit ihm die Musik.
CD-TIPPS Budapest Festival Orchestra / Hungarian Radio Chorus / Iván Fischer, Dirigent / Aufnahme 1997 (Label: Philips);
Chicago Symphony Orchestra / Chicago Symphony Chorus /
Pierre Boulez, Dirigent / Aufnahme 1994 (Label: Deutsche
Grammophon)
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Im Porträt
KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN
1952 als Berliner Sinfonie-Orchester (BSO) gegründet, erfuhr
es unter Chefdirigent Kurt Sanderling (1960-1977) seine entscheidende Profilierung und internationale Anerkennung.
1977 wurde Günter Herbig zum Chefdirigenten berufen, 1984
gefolgt von Claus Peter Flor. In diesem Jahr bekam das Orchester als eigene Spielstätte das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. Unter Michael Schønwandt (1992–1998) wurde das BSO offiziell zum Hausorchester des Konzerthauses
Berlin. Nach vier Spielzeiten unter Eliahu Inbal (2001-2005)
begann 2006 die Amtszeit von Lothar Zagrosek. Im selben
Jahr wurde aus dem Berliner Sinfonie-Orchester das Konzerthausorchester Berlin. Seit der Saison 2012/13 ist Iván Fischer Chefdirigent des Konzerthausorchesters. Ihm zur Seite
steht noch bis zum Ende der Saison Dmitrij Kitajenko als
Erster Gastdirigent.
Das Konzerthausorchester Berlin gehört mit seinen über
12.000 Abonnenten zu den Klangkörpern mit der größten
Stammhörerschaft in Europa. Es ist nicht nur in über 100
Konzerten pro Saison im Konzerthaus Berlin zu erleben,
sondern war auf Konzertreisen in die USA, nach Japan,
Großbritannien, Österreich, Dänemark, Griechenland, Holland, Belgien, Italien, Türkei, China und Spanien eingeladen.
Regelmäßig gastiert es bei nationalen und internationalen
Musikfestivals. Ein besonderes Anliegen ist die Nachwuchsförderung. So wurde 2010 die Orchesterakademie am Konzerthaus Berlin gegründet, in der junge Musiker über den
Zeitraum von mindestens einem Jahr eine praxisorientierte
Förderung durch die Orchestermusiker erhalten.
IM PORTRÄT
IVÁN FISCHER
Seit der Saison 2012/13 ist Iván Fischer Chefdirigent des Konzerthausorchesters Berlin. Mit neuen Konzertformaten sowie außergewöhnlichen und spannenden Projekten begeistert er seit seinem Antritt das Publikum, darunter
Überraschungskonzerte, eine neue Orchesteraufstellung,
spontane Wunschkonzerte, Marathon-Konzerttage, öffentliche Proben und szenische Konzerte. In der Saison 2014/15
führt er die Konzertreihe „Mittendrin“ ein, bei der das Publikum im Orchester Platz nimmt und so der Musik ganz nah
kommt. In jüngster Zeit ist Iván Fischer auch als Komponist
aktiv: Seine Werke waren bereits in Holland, Ungarn,
IM PORTRÄT
Deutschland und Österreich zu erleben. Im Juni 2014 wurde
seine Oper „Die rote Färse“ im Konzerthaus Berlin zum ersten Mal in Deutschland aufgeführt.
Als Gründer und Musikdirektor des Budapest Festival Orchestra schrieb Iván Fischer eine der größten Erfolgsgeschichten in der Welt der Klassik der letzten 30 Jahre. Mit
internationalen Tourneen und einer Serie von gefeierten Aufnahmen für Philips Classics und Channel Classics erwarb er
sich den Ruf als einer der visionärsten Orchesterleiter der Welt.
Neben seiner Tätigkeit beim Budapest Festival Orchestra und
dem Konzerthausorchester Berlin arbeitete er als Gastdirigent
mit den angesehensten Sinfonieorchestern der Welt.
Iván Fischer studierte Klavier, Violine und Violoncello in Budapest, ehe er in Wien die Dirigierklasse des berühmten
Hans Swarowsky besuchte. Nach einer zweijährigen Assistenzzeit bei Nikolaus Harnoncourt startete er seine internationale Karriere mit dem Sieg beim Dirigentenwettbewerb
der Rupert Foundation in London.
PATRICIA KOPATCHINSKAJA
Patricia Kopatchinskaja wurde in Moldawien in eine Musikerfamilie geboren. Sie studierte Komposition und Violine in
Wien und Bern. In der Saison 2016/17 spielt die Künstlerin,
die für die Vielseitigkeit ihres Repertoires vom Barock bis zu
Auftragswerken bekannt ist, unter anderem mit dem SWR
Symphonieorchester Peter Eötvös’ Violinkonzert „DoReMi“
unter Leitung des Komponisten und mit der NDR Elbphilharmonie anlässlich der Eröffnung der neuen Konzerthalle
in Hamburg. Außerdem gibt sie ihr Debüt beim Rotterdam
Philharmonic Orchestra unter Krzysztof Urbański und beim
Gothenburg Symphony. Mit dem London Philharmonic Orchestra setzt sie ihre Zusammenarbeit fort und ist zu Konzerten in London und New York unter Vladimir Jurowski
IM PORTRÄT
eingeladen. Mit den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle, der Filharmonica della Scala unter Andrés Orozco-Estrada und mit dem Finnish Radio Symphony Orchestra
unter Teodor Currentzis führt sie in dieser Saison György Ligetis Violinkonzert auf. Patricia Kopatchinskaja ist Artist in
Residence des Konzerthauses Berlin, bei dem sie schon
mehrfach eingeladen war, außerdem der Wigmore Hall in
London sowie beim Kissinger Musiksommer. Daneben
unternimmt sie Europa-Tourneen mit dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg, den Wiener Symphonikern
und Musica Aeterna. Kammermusikalisch spielt sie regelmäßig mit Musikern wie Markus Hinterhäuser, Polina Leschenko, Anthony Romaniuk und Anu Komsi, unter anderem im
Konzerthaus Berlin, der Wigmore Hall, im Wiener Konzerthaus und in Amsterdam.
IM PORTRÄT
Patricia Kopatchinskaja hat einen Exklusivvertrag mit Naïve
Classique. Zu den jüngsten Aufnahmen für das Label gehören Violinkonzerte von Prokofjew und Strawinsky mit dem
London Philharmonic Orchestra/Vladimir Jurowski, Konzerte von Bartók, Ligeti und Peter Eötvös mit dem hr-Sinfonieorchester/Ensemble Modern sowie Schuberts „Der Tod
und das Mädchen“ mit dem Saint Paul Chamber Orchestra,
dessen künstlerische Partnerin sie ist. Sie ist good-will-Botschafterin der Stiftung „Terre des Hommes“ und unterstützt
damit speziell Hilfsprojekte für notleidende Kinder in Moldawien.
CANTUS DOMUS
Der Berliner Chor Cantus Domus wurde im Jahr 1996 gegründet. Seither hat er sich unter der künstlerischen Leitung
von Ralf Sochaczewsky, der auch die Einstudierung für das
heutige Konzert übernahm, in der Berliner Chormusikszene
etabliert und auch über die Stadtgrenzen hinaus auf sich
aufmerksam gemacht. Sein Erfolg basiert auf einem umfangreichen Repertoire von der Renaissance bis zu zeitgenössischen Werken, aber auch auf Offenheit, Vielfalt und dem Mut
zu außergewöhnlichen Projekten.
Eine zentrale Säule der Chorarbeit sind die KonzeptKonzerte. Dabei bezieht der Chor die Zuhörer räumlich in die Konzerte ein. Die KonzeptKonzerte finden an Orten statt, die
bisher nicht als Konzertorte genutzt wurden, um neue Wechselwirkungen zwischen Musik und Architektur zu schaffen,
wie SINGINGPOOL im Stadtbad Steglitz, HOCHZEITEN im
Kesselhaus der Kulturbrauerei oder SYNTHESIS, ein Konzert
für Chor, Synthesizer und DJ in der ehemaligen KINDLBrauerei.
Als klassischer Konzertchor bringt Cantus Domus jedes Jahr
mehrere große Werke zur Aufführung wie Bachs h-Moll-
Messe im Berliner Kraftwerk (2015), Bizets „Carmen“ in der
Philharmonie Berlin (2012), „Das Klagende Lied“ von Mahler
im Herkulessaal der Residenz München (2011) und Mendelssohns „Elias“ in der Gethsemanekirche und im Konzerthaus
Berlin (2004/2011). Internationale musikalische Begegnungen fanden unter anderem mit dem nicaraguanischen Chor
In Crescendo, dem North London Chorus und Vox Humana
aus Oslo statt.
Neben den zahlreichen Konzerten in großer Besetzung treten verschieden besetzte Kammerensembles des Cantus Domus auch mit kleineren Projekten auf. Dabei bewegt sich der
Chor immer öfter in den Grenzbereichen zwischen Klassik
und Pop, zum Beispiel mit Auftritten beim Haldern Pop Festival sowie Kooperationen mit Bon Iver, Damien Rice und
The Slow Show.
Cantus Domus ist Mitglied im Chorverband Berlin und erhält eine Basisförderung durch die Kulturverwaltung des
Berliner Senats. Zusätzlich trägt sich der Chor durch das ehrenamtliche Engagement seiner Mitglieder und den Erfolg
seiner Konzerte. Das musikalische Profil des Chores, der
heute über 100 aktive Mitglieder hat, wird durch wöchentliche Registerproben, intensive Probenphasen mit zwei Dirigenten sowie regelmäßige Stimmbildung für alle Sängerinnen und Sänger geprägt.
Vorankündigung
Donnerstag 29.06.2017
12.00 Uhr · Großer Saal
Öffentliche Probe des Konzerthausorchesters Berlin
MARIO VENZAGO Dirigent
Robert Schumann Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61
Freitag 30.06.2017
Sonnabend 01.07.2017
20.00 Uhr · Großer Saal
KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN
MARIO VENZAGO Dirigent
TABEA ZIMMERMANN Viola
Michael Jarrell „Emergences – Résurgences“ –
Konzert für Viola und Orchester (DEA)
Robert Schumann Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61
19.00 Uhr · Konzerteinführung
19.40 Uhr · Blitzeinführung
DIE BLUMEN WURDEN ÜBERREICHT VON ZUKUNFT KONZERTHAUS E. V.
IMPRESSUM
HERAUSGEBER Konzerthaus Berlin, Intendant Prof. Dr. Sebastian Nordmann · TEXT Habakuk Traber · REDAKTION
Dr. Dietmar Hiller, Tanja-Maria Martens · KONZEPTION / GESTALTUNG Meta Design AG · ABBILDUNGEN Marco Borggreve (I. Fischer, P. Kopatchinskaja), Archiv Konzerthaus Berlin · SATZ UND REINZEICHNUNG www.graphiccenter.de
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