Klimaschutzprojekt „Start Clim“ – Erste Analysen extremer

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Klimaschutzprojekt „Start Clim“ – Erste Analysen extremer
Wetterereignisse und ihrer Auswirkungen in Österreich
Einleitung
Das verstärkte Auftreten extremer Wetterereignisse – anhaltender Hitze- und Dürreperioden,
Überschwemmungen – in Österreich in den letzten Jahren machte den Handlungsbedarf
offenkundig: Um in Zukunft rascher und besser vorbereitet auf die Klimaveränderung
reagieren zu können und Präventivmaßnahmen zu setzen, sind weitere Informationen zum
Klimawandel unbedingt vonnöten.
Ein erstes Forschungsprojekt, „Start Clim“, das sich mit den Auswirkungen extremer
Wetterereignisse befasst, wurde daher 2002 vom Umweltbundesamt, den Bundesministerien
für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, sowie für Wirtschaft und Arbeit
und dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, der Österreichischen
Nationalbank und der Österreichischen Hagelversicherung in Auftrag gegeben und wurde in
Zusammenarbeit verschiedener Institutionen unter der Projektleitung des Instituts für
Meteorologie und Physik der Universität für Bodenkultur Wien ausgeführt.
Aufbauend auf den Handlungsempfehlungen des Projekts soll weitere, vertiefende
Forschung im Rahmen der umfassenden Forschungsstrategie „Austro Clim“ erfolgen.
Ziel des Klimaschutzprojektes „Start Clim“ ist es, konkrete Ergebnisse zur Frage des
Auftretens von Extremereignissen im Klimawandel und deren wirtschaftlichen Dimensionen
zu liefern.
Im Besonderen befasst sich „Start Clim“ mit den folgenden drei Themengebieten:
A) Analyse extremer Wetterereignisse der Vergangenheit, ihrer Auswirkungen und
wirtschaftlichen Dimensionen, sowie Elemente zukünftiger Szenarien für Österreich;
B) Synopsis der das Hochwasser 2002 auslösenden Wetterfaktoren und dessen
wirtschaftliche Auswirkungen;
C) Erstellung eines Rohkonzeptes für ein langfristiges Klima-KlimafolgenForschungsprogramm in Österreich.
Erste Ergebnisse wurden der Öffentlichkeit Ende Januar 2003 von Bundesminister Pröll
vorgestellt. Im folgenden soll ein kurzer Überblick über die Ergebnisse, gegliedert nach
Forschungsschwerpunkten, gegeben werden.
A) Erfassung und Auswirkungen wetterbedingter Extremereignisse
Im Rahmen der Erfassung der Klimaereignisse wurde erstmals ein qualitätsverbesserter, von
Inhomogenitäten befreiter Datensatz der Klimaelemente Lufttemperatur (Mittel und Extreme),
Niederschlagssumme und Schneehöhe auf Tageswertbasis für 71 österreichische Stationen
für die Periode 1948 bis 2002 bereitgestellt. Diese 50-jährige Datenreihe lässt bereits
ausreichend genaue Schätzungen auf wetterbedingte Extremereignisse zu.
Für die Integration und Aufbereitung meteorologischer Daten für die Zukunft an einer
zentralen Stelle wurde die Datenbank MEDEA (Meteorological extreme Event Data
information system for the Eastern Alpine region) entwickelt.
Die Analyse der Häufigkeit von Frost-, Eis-, Sommer- und heißen Tagen zeigt einen Anstieg
der Sommertemperaturen in den letzten 50 Jahren – die höchsten Tagesmaxima liegen jetzt
um 2° höher als noch vor 50 Jahren. Die Analyse ergibt allerdings eine wesentlich geringere
Erwärmung für das Temperaturminimum im Winter (etwas über +1°C für die Periode 19512000).
Für die Häufigkeit von Sommertagen (über 25°) im Sommer kann ein bedeutender Anstieg
prognostiziert werden: Diese wird in der Periode 2026-2050 auf nahezu 70% ansteigen – in
der Periode 1961-1990 lag sie nur bei 46%. Gleichzeitig werden sich die Tropentage (über
30°) in den nächsten 25-50 Jahren mehr als verdoppeln.
Umgekehrt nimmt die Zahl der Frost- und Eistage um etwa 6 bzw. 20 % ab.
Für die Vorhersage von extremen Niederschlägen ergibt die Analyse weniger verlässliche
Ergebnisse, vor allem was die unterjährige Verteilung extremer Wetterereignisse betrifft, als
die der Temperaturenwicklung.
Im Allgemeinen kann für die nächsten 50 Jahre von einem leichten Rückgang der jährlichen
Niederschlagsmenge ausgegangen werden, die Prognose der Niederschlagsummen für
Wien ergibt so einen Anstieg der regenfreien Tage um 6%.
Im Rahmen der Analyse konnten sieben Niederschlagsregionen in Österreich identifiziert
werden, welche ähnliches Verhalten bezüglich Niederschlägen aufweisen. Diese Information
kann in Zukunft in Katastrophenpläne miteinbezogen werden.
Die Niederschlagsregionen können unterteilt werden in:
Westösterreich (Vorarlberg, Großteil Nordtirols);
Nordstau (Tiroler Unterland, Teile von Salzburg und Oberösterreich);
Wald- u. Mühlviertel (Teile Ober- und Niederösterreichs);
Ostregion ( Wien, Nordburgenland, Teile Niederösterreichs);
Ennstal - Semmering (Nordsteiermark und südliches Niederösterreich bis etwa zur
Rax);
Südosten (Südburgenland, mittlere und südliche Steiermark, Unterkärnten) und
Südstau (Osttirol, Oberkärnten).
Parallel dazu konnten sieben für Österreich typische Wetterlagen beschrieben werden; für
die Häufigkeit und geographische Verteilung, sowie der mit den Wetterlagen einhergehende
Niederschlag in Dauer und Intensität, berechnet wurden. Auf diese Art und Weise können die
Wetterlagen, die extrem starke Niederschläge in Österreich verursachen könnten, identifiziert
werden.
Ein weiterer wichtiger Bereich der Analyse von Wetterextremen befasst sich mit deren
Auswirkungen auf die Landwirtschaft: Für sieben landwirtschaftliche Kulturpflanzenarten in
drei Regionen Österreichs wurde untersucht, welche Art von extremem Wetter Missernten
verursacht:
Milde Winter ohne Extremtemperaturen, besonders im Februar, sind für
Wintergetreide und Wein vorteilhaft.
Trockene Frühjahrswitterung ist besonders nachteilig für Sommergetreide.
Trockene Witterung in den Erntemonaten von Getreide vermeidet Verluste bei der
Ernteeinbringung.
Trockene, heiße Sommer sind ungünstig für Zuckerrübe und Mais, in geringerem
Ausmaß für Kartoffel.
Grund der zunehmend öfter auftretender extremen Wetterereignisse ist der Klimawandel:
Auch in früheren Zeiten konnte in Phasen klimatischen Umbruchs eine Häufung von
Extremereignissen beobachtet werden. Die durch den Anstieg der durchschnittlichen
Erdtemperatur angeheizte Erdatmosphäre und ein dadurch aufgeheizter Wasserkreislauf
sind der Grund, dass auch größere Niederschlagsmengen in kurzer Zeit anfallen können und
somit zu Überschwemmungen führen.
Zudem zeigen Untersuchungen, dass der alpine Raum besonders sensibel auf den
Klimawandel reagiert – so liegt z.B. die Temperaturerhöhung der letzten 140 Jahre in
Österreich etwa doppelt so hoch wie im globalen Mittel.
Die Resultate des Forschungsprogramms lassen ersehen, dass das volkswirtschaftliche
Risikomanagement in Österreich verbesserungsbedürftig ist. Vor allem Versicherungen, die
Schutz vor allzu großen wirtschaftlichen Verlusten durch Extremereignisse bieten sollen,
werden derzeit in Österreich aufgrund von mangelnden oder kontraproduktiven
Staatseingriffen nur in unzureichendem Ausmaß angeboten.
Konkret lassen sich folgende Problemfelder abgrenzen:
Regulierungsbedürftiger Markt ist unreguliert und staatlicher Eingriff verstärkt
Marktversagen (mangelnde Verfügbarkeit von Versicherungen, Überbeanspruchung
durch besonders risikoreiche Vorhaben, steigendes Risiko durch Klimawandel);
Fehlender Anreiz zur Risikovermeidung für Individuen und Gebietskörperschaften;
Diffuse
Verteilungswirkung
(geringe
soziale
Verträglichkeit
der
Vorbeugemaßnahmen);
Risiko für Staatshaushalt (Budgetrisiko).
Die Gestaltungsvorschläge für das Design eines anreizkompatiblen, effizienten und sozial
verträglichen Risikotransfermechanismus umfassen:
Allgemein-politische Maßnahmen (Förderung des Problembewusstseins der
Bevölkerung, Umsetzung des Kyoto-Protokolls,...);
Fiskalische und ordnungspolitische Maßnahmen (integrierte Raumplanung,
Förderung der Eigenvorsorge durch Abschluss von Versicherungen,...);
Konkrete Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung im Katastrophenfall
(Harmonisierung der Katastrophenhilfsdienstgesetze der Länder, Finanzierung der
Krisenintervention durch die öffentliche Hand,...).
B) Hochwasser 2002 – Gründe und Auswirkungen
Der zweite Teil des Forschungsprojektes befasst sich mit der meteorologischen Situation
und den wirtschaftlichen Auswirkungen des Hochwasserereignises im August 2002.
Anhand des Ereignisses konnten verschiedene meteorologische Vorhersagemodelle auf ihre
Vorhersagegüte hin untersucht werden; dabei ergab sich, dass alle Modelle das Ausmaß des
Hochwasser unterschätzt hatten.
Zur Verbesserung der lokalen Vorhersage extremer Ereignisse wurde die Analysenmethode
VERA (Vienna Enhanced Resolution Analysis, Steinacker et.al., 2000) entwickelt, mit der
über Untersuchung einer Vielzahl unterschiedlicher Wetterlagen Kennzahlen gefunden
werden konnten, die eine Verbesserung der Kurzfristprognose extremer Wetterereignisse
ermöglichen.
Die Untersuchung der wirtschaftlichen Folgen des Hochwassers ergab, dass seine
makroökonomischen Folgen als gering einzustufen sind.
Lokal stieg das Ressourcenkonsumniveau kurzfristig um etwa 60% gegenüber einem
Referenzort, der Energiekonsum um 11%.
Bemerkenswert ist, dass die Chance der Nutzung möglicher Potentiale zur Energieersparnis
aufgrund von Restrukturierungsmaßnahmen im Zuge des Wiederaufbaus praktisch nicht
genutzt wurde, der Wiederaufbau zielte auf eine reine Wiederherstellung der
Ursprungssituation ab. Somit stellen die erhobenen Material- und Energieflüsse eine reine
Zusatzbelastung dar, denen keine nennenswerte langfristige Reduktion gegenübersteht.
Das Bewusstsein über die Auswirkung wirtschaftlicher Aktivitäten auf den globalen
ökologischen Kreislauf ist nur bei wenigen Befragten ausgeprägt, Vorsorgemaßnahmen im
Hinblick auf weitere Katastrophen werden nur vereinzelt getroffen.
Es sind daher offenbar sowohl Information als auch zusätzliche Anreize notwendig, um die
einer derartigen Katastrophe innewohnenden Chancen besser zu nutzen.
Der wirtschaftliche Schaden des Hochwassers entfiel vor allem auf die Länder
Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg und betrug rund
1 517 000 000. Die
Folgekosten werden mit rund 900 000 000 angenommen.
Durch die Überführung der Daten hinsichtlich Schadensmeldungen in ein
Geoinformationssystem (GIS) sollten die Datenerfordernisse aller bisherigen Nutzer –
Antragsteller, Gemeinden, Länder, Bund, Hilfsorganisationen etc. – künftig rascher und
problemloser befriedigt werden können. Zugleich wäre eine Basis für wissenschaftliche
Analysen bereit gestellt.
C) Überführung in ein langfristiges Klimaforschungsprogramm
Das Startprojekt „Start Clim“ kann als Vorarbeit für eine Reihe weiterer Forschungsvorhaben
angesehen werden.
Die primären Fragestellungen eines solchen Klimaforschungsprogramms sollten lauten:
Wie wird sich das Klima auf der regionalen Ebene entwickeln und welche
Wechselwirkungen mit natürlichen Systemen sind zu erwarten?
Welche Risiken und Chancen ergeben sich für Wirtschaft und Gesellschaft durch
Klimawandel und Klimapolitik?
Welche in Österreich gewonnenen Erkenntnisse über Alpine Klimate, deren Wandel
und Auswirkungen können Ländern in Afrika, Südamerika und Asien zugute
kommen?
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