Das Letzte, was ich will, sind grosse gleichförmige

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Datum: 12.09.2010
«Das Letzte, was ich will, sind
grosse gleichförmige Bauten»
Der Grundlagenforscher Hansruedi Preisig sieht keinen Widerspruch
zwischen nachhaltigem Bauen und der Gestaltungsfreiheit des Architekten
VON CHRISTOPH DOSWALD ITEXT) UND NIK HUNGER (FOTO)
Erkenntnis ist Snarc entwickelt worden,
«KUNST AM BAU
eine Systematik zur Beurteilung von
Architekturprojekten für den Bereich
gehört auch zur
Umwelt.
Klingt sehr technisch. Worum geht es?
Nachhaltigkeit»
Mit diesem Instrument werden heute
Als Architekt und Grundlagenforscher hat sich Hansruedi
Preisig seit Anfang der Neunzigerjahre umfassend mit der
Nachhaltigkeitsthematik befasst. Preisig vertritt einen
multidisziplinären Ansatz und betont im Gespräch mit der
SonntagsZeitung, dass nachhaltige Architektur keine rein
technische, sondern ebenso eine ästhetische und vor allem
gesellschaftliche Frage sei.
2000-Watt-Gesellschaft, Minergie-P-Eco,
Alternativenergie, Recycling - solche Schlagworte sind
allgegenwärtig. Wie steht es aber wirklich um die
Nachhaltigkeit?
Mitte der Neunzigerjahre begann sich der SIA intensiv mit
der Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Dabei galt es, nebst den
umwelttechnischen auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Kriterien zu erarbeiten. Entstanden ist die Empfehlung
SIA 112/1 «Nachhaltiges Bauen - Hochbau» (2004) mit 36
Kriterien, denen klare Zielformulierungen und Vorgehenshinweise zugeordnet sind.
Wieso hat es so lange gedauert, bis das Thema integral
diskutiert wurde?
Die Nachhaltigkeit und die Sorge um die Umwelt war kein
Thema. Nur eine kleine Gruppe von Baubiologen kümmerte sich um natürliche Materialien und ein gesundes Innenraumklima. Und diese Pioniere wurden gerne und öfters zu
Unrecht in die Kupfer-Wolle-Bast-Ecke gestellt. Heute setzt
mehr als die Hälfte aller Wettbewerbe und
Studienaufträge beurteilt. Die Jury bekommt klare Hinweise, was die verschiedenen Projekte zu
leisten vermögen, und berücksichtigt dies in ihrer Gesamtbeurteilung. Die Nachhaltigkeit ist heute nebst StädtebauArchitektur, Funktionalität und Wirtschaftlichkeit zu einem
eigenständigen Beurteilungskriterium geworden.
Ist die Umsetzung von nachhaltigen Kriterien eine
philantropische Luxusfrage?
Nein, überhaupt nicht. Nachhaltigkeit ist bereits sehr viel
breiter verankert. So bauen die Genossenschaften in der
Stadt Zürich nur noch in diesem Kontext; und viele Gemein-
den, Städte und Kantone haben die Nachhaltigkeit zum
Programm erklärt. Spannend ist die Frage, ob nachhaltig
wirklich teurer sein muss.
Was antworten Sie darauf?
Wir wissen, dass nachhaltiges Bauen automatisch etwas
kompaktere Volumen und einfachere Gebäudestrukturen
generiert - und das ist ressourcensparend, führt zu niedrigeren Kosten in Erstellung und Betrieb.
Wird dadurch die Entwurfsmöglichkeiten des
Architekten eingeschränkt?
Es ist eine kreative Herausforderung - die Fragen der Nachhaltigkeit im Entwurfsprozess zu berücksichtigen und unter
dieser neuen Prämisse eine spannende Architektur zu ent-
wickeln. Das Letzte, was ich will, sind grosse gleichförmige
die Nachhaltigkeitsdiskussion schon bei der Projekt- Bauten.
Haben Sie Positiv-Beispiele?
definition des Investors und beim Entwurf ein.
Klar. Etwa die neue Überbauung von Pool-Architekten an
Warum ist gerade das so wichtig?
Mit der Gebäudestruktur und der Gebäudeform sowie der
Systemtrennung werden die wichtigsten Weichen des nachhaltigen Bauens gestellt. Im Nachhinein einen Entwurf auf
Nachhaltigkeit zu trimmen, verursacht immer Mehrkosten
und ist vielfach nicht mehr möglich. Basierend auf dieser
Medienbeobachtung
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der Badenerstrasse in Zürich mit der Baugenossenschaft
Zurlinden als Investor. An der Fassade des Gebäudes hat
die Künstlergruppe Superflex den Vertrag der Nutzer mit
dem «Rest der Welt» als programmhaftes Beispiel für die
2000-Watt-Gesellschaft angebracht. Auch Kunst am Bau gehört für uns zur nachhaltigen Qualität dieser Architektur.
ARGUS der Presse AG
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Datum: 12.09.2010
Momentan boomen in der Schweiz aber die Hochhäuser,
quasi die Antithese von dem, was Sie propagieren. Was
sagen Sie dazu?
Es ist möglich, auch hohe Gebäude nachhaltig zu gestalten.
Der Wettbewerb des Life Sciences Gebäude der Universität
Basel hat dies bestätigt. Es sind Projekte mit ansprechender
Architektur, hoher Flexibilität, einfacher Struktur, konsequenter Systemtrennung und reduziertem Glasanteil.
Wie ist die Vision der 2000-Watt-Gesellschaft? Müssen
alle Menschen künftig in der Stadt leben, um die
Synergien der Verdichtung, des öffentlichen Verkehrs
etc. zu nutzen?
Wir müssen uns damit anfreunden, dass wir keinen zusätzlichen Raumbedarf entwickeln können, dass auch unser Mobilitätsverhalten auf dem jetzigen Niveau bleibt und dass
wir ein 3-Liter-Auto bzw. einen Wagen mit äquivalentem
CO2-Ausstoss fahren. Und dass alle Neu- und Umbauten
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Architekt Preisig in
seinem Zürcher
Büro: »Spannend
st die Frage, ob
nachhaltig wirktich
teuer sein muss»
den Anforderungen des SIA Effizienzpfad Energie für
2000-Watt-kompatibles Bauen entsprechen.
Brauchts dafür neue Strategien?
Aus Sicht der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit von primärer
Bedeutung sind die Lebenszykluskosten. Durch einfachen
Unterhalt und Ersatzvornahme, hohe Flexibilität und geringen Energieverbrauch lassen sie sich niedrig halten. Bedenken wir, dass ein Bauherr innert 20 Jahren für Betrieb und
Unterhalt mehr ausgibt, als das Gebäude gekostet hat. Da-
rauf nicht zu achten und die Planung nicht darauf auszurichten, ist wirklich dumm.
Was müsste der Staat leisten?
Durch das Füllen von Baulücken, den Ausbau von Dachstockräumen haben wir schon einiges erreicht. Förderprogramme sind hilfreich. Damit soll ein gesamtheitliches Denken im Entwerfen und Konstruieren unterstützt werden und
nicht nur ein blosses Abholen von Subventionsbeiträgen,
wie dies in anderen Ländern weit verbreitet ist.
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