Psychische Störungen im Säuglingsalter

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Psychische Störungen im
Säuglingsalter
Jana Friese, Cornelia Overs
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und
Psychotherapie
- Spezialambulanz für Säuglinge und Kleinkinder Universitätsklinikum des Saarlandes
Homburg
Gliederung
Einleitung
Besonderheiten psychischer Störungen im
Säuglingsalter
Klassifikationen
Diagnostik – allgemein
Therapie – allgemein
Regulationsstörungen
Schlafstörungen
Fütterstörungen
•
•
•
•
•
•
Definition/Klassifikation
Prävalenz/Komorbiditäten
Ätiologie
Diagnostik/Differenzialdiagnosen
Therapie
Verlauf und Prognose
Einleitung
Definitionen (deutscher Sprachraum):
Neugeborene:
0 - 4 Wochen
Säuglinge:
1 -12 Monate
Kleinkinder:
1 - 5 Jahre
Vorschulalter:
gesamte Zeitspanne
von 0 bis 5 Jahren
Einleitung
Definitionen (englischer Sprachraum):
Infants:
ca. 0 - 18 Mte
Toddlers:
ca. 18 Mte - 3 Jahre
Preschoolers:
ca. 4 - 5 Jahre
Einleitung
Säuglings- und Kleinkindpsychiatrie
Wichtiges, junges Teilgebiet der Kinder- und
Jugendpsychiatrie (KJP)
Befindet sich auf dem gleichen Stand wie die
Kinder- und Jugendpsychiatrie im Jahr 1970
Prognose: ähnliche Entwicklungen wie die
allgemeine KJP in den nächsten 20 Jahren
Enorme Forschungstätigkeit seit 2004
Einleitung
Einleitung
Psychische Störungen im Vorschulalter :
Differenzierte Erkennung im Vorschulalter möglich
Häufigkeit wie bei älteren Kindern
(Egger & Arnold, 2006: bei 14 – 25% aller Vorschulkinder
klin. relevante Störungen)
Teilweise andere Symptomatik, werden übersehen
(Egger & Arnold, 2006: nur 11 – 25% der Kinder mit
Verhaltensstörungen werden vorgestellt)
Große Belastung für Kinder und Eltern
Große Bedeutung von rechtzeitiger Diagnose,
Beratung und Behandlung
Besonderheiten psychischer
Störungen des Säuglingsalters
Intensität und Dynamik der Reifungs-, Anpassungsund Lernprozesse (Entwicklungsaufgaben)
Enge Wechselseitigkeit von somatischen und
psychischen Funktionen
Untrennbarkeit der psychischen Entwicklung des
Kindes von der Entwicklung der Eltern-KindBeziehungen
Komplexität des ätiologischen Bedingungsgefüges,
das mehrere Generationen einschließt (das Kind,
seine Eltern und deren Herkunftsfamilien)
Klassifikationen
Besonderheiten von Störungen im Vorschulalter
gegenüber denen älterer Kinder und Jugendlicher
Ungenügende Erfassung von psychischen
Störungen des Alters von 0-5 Jahren durch tradit.
Klassifikationsschemata (ICD 10, DSM IV bzw. V)
Verschiedene Reformschritte
Klassifikationen
Verschiedene Reformschritte:
Deutsche Leitlinien (Schmidt & Poustka 2007)
RDC-PA (2002): Revision/ Modifikation der DSM-IVKriterien für das Vorschulalter; kategoriale Diagnosen
vieler Störungen ab dem Alter von 2 Jahren möglich,
eher für ältere Vorschulkinder geeignet
DC:0-3R (2005): Alternatives Klassifikationssystem
speziell für das Säuglings-/ junge Kleinkindalter
Entwicklungs- und beziehungsorientierte Klassifikation
einzelner Störungsbilder (z.B. Fütterstörung, Chatoor,
1997)
Klassifikationen:
Dt. Leitlinien (Schmidt & Pouska, 2007)
Drei spezifische Regulationsstörungen im
Säuglingsalter:
1) Exzessives Schreien
2) Schlafstörungen
3) Fütterstörungen
Deutliche Abweichungen der dt. Leitlinien von
internationalen Entwicklungen, z.B. Zero-toThree (2005)!
Klassifikationen:
Zero to Three:
Diagnostic classification of mental health
and developmental disorders of infancy and childhood (DC:0-3R)
DC: 0-3R (2005)
Multiaxiales Klassifikationssystem:
Achse I:
Klinische (psychische) Störung
Achse II: Beziehung
Achse III: Medizinische Diagnosen nach
ICD-10 und DSM IV
Achse IV: Psychosoziale Stressoren
Achse V: Emotionales und soziales
Funktionsniveau
DC: 0-3R (2005)
Achse I: Klinische Störungen
Posttraumatische Belastungsstörung (100)
Deprivations-/Misshandlungsstörung (150)
Störungen des Affekts (200)
Anpassungsstörung (300)
Regulationsstörungen der sensorischen
Verarbeitung (400)
Schlafstörungen (500)
Fütterstörungen (600)
DC: 0-3R (2005):
Deutliche Unterschiede vom Zero-to-Three zu den
dt. Leitlinien
Regulationsstörungen: Auffälligkeiten der
sensorischen Reizverarbeitung
Schlaf- und Fütterstörungen als eigenständige
Störungen
Exzessives Schreien häufiges, oft belastenden
Symptom, aber nicht als Störung klassifiziert, da
keine ausreichende Forschungslage
DC: 0-3R (2005)
Achse II: Beziehung
Unterscheidung folgender Beziehungsstörungen:
Überinvolviert
Unterinvolviert
Ängstlich/angespannt
Ärgerlich/ablehnend
Verbal misshandelnd
Körperlich misshandelnd
Sexuell misshandelnd
Beurteilung von: Qualität des interaktiven Verhaltens,
affektiver Ton, psychische Involvierung
Diagnostik - allgemein
Ziel der Diagnostik: Erfassung von
Art, Schweregrad und Entwicklungsfolgen der
kindlichen Verhaltensauffälligkeiten
Funktionseinschränkungen und subjektives Leid
für Kind und Familie
Aufbau einer weiterführenden therapeutischen
Beziehung mit Eltern
Setting:
Familiensitzungen, Elterngespräche,
Kindersitzungen (ab ca. 18 Monaten)
Diagnostik - allgemein
Vorstellungsanlass, akt. Symptomatik
Entwicklungs-/ Eigen- und Familienanamnese
(auch: Anamnese elterlicher Belastungen)
Pädiatrische (entwicklungsneurologische)
Untersuchung
Schrei-, Schlaf- und Fütterprotokolle
Verhaltensbeobachtung (auch videogestützt)
von z.B. kindlichem Temperament, Eltern-KindInteraktion
z.T. Entwicklungstests (z.B. ET6-6)
Therapie - allgemein
Entwicklungsberatung
Störungsspezifische Beratung
Videogestützte Beratung und Therapie
Eltern-Kind-Interaktions-Therapie (z.B.
PCIT)
u.U. Psychotherapie der Eltern, Paar-/
Familientherapie
u.U. Jugendhilfemaßnahmen
Therapie - allgemein
Allgemeine Therapieziele:
Verbesserung kindlicher Verhaltensprobleme
Verbesserung der Funktionalität und Qualität in
der Interaktion
Entlastung und Stärkung der Beziehungsqualität
Prävention von Misshandlung und
Vernachlässigung
Prävention von sekundären emotionalen und
Verhaltensstörungen
Ausgewählte Störungsbilder
im Säuglingsalter (DC 0-3R)
Regulationsstörungen der sensorischen
Verarbeitung (400)
Schlafstörungen (500)
Fütterstörungen (600)
Regulationsstörungen der sensorischen
Verarbeitung (DC: 0-3R: 400)
Anlagebedingte Störung der Antwort auf
sensorische Reize
Persistierende, einschränkende Schwierigkeit in
der adäquaten Regulation von Emotionen,
Verhalten und Motorik als Antwort auf sensorische
Reize
Regulationsstörungen der sensorischen
Verarbeitung (DC: 0-3R: 400)
Überempfindlicher Typ (410)
Überschießende Antwort auf Reize wie Berührung,
laute Geräusche, helles Licht, ungewohnte
Gerüche und Geschmack, taktil raue Oberflächen
oder räumliche Bewegungen
Subtypen:
Typ A: Ängstlich/Vorsichtig (411)
Typ B: Negativ/Oppositionell (412)
Regulationsstörungen der sensorischen
Verarbeitung (DC: 0-3R: 400)
Unterempfindlicher/Unterreagierender Typ (420)
Ruhig und zurückhaltend
Benötigen eine hohe Intensität an Reizen, um
adäquat zu reagieren
Stimulationssuchender/Impulsiver Typ (430)
Suchen aktiv ein hohes Maß an sensorischen
Reizen
Kann mit ADHD und Störung des Sozialverhaltens
assoziiert sein
Regulationsstörungen: Prävalenz
Emde & Wise, 2003: bei 1083 Kindern aus 5
Zentren wurden Regulationsstörungen mit 21%
am häufigsten diagnostiziert
Allerdings sehr große Spanne zwischen 5-43%
Frankel et al., 2004: retrospektive Analyse bei
177 Kindern: 14% Regulationsstörungen
Skoovgard et al., 2007: dänische
epidemiologische Studie
7,1% der 18 Monate alten Kinder erfüllen Kriterien der
Regulationsstörung
Regulationsstörungen: Ätiologie
Multifaktorielle Erklärung, aber Datenlage zur
Ätiologie unzureichend
Konstitutionelle Defizite in Informationsverarbeitung
verschiedener sensorischer Modalitäten
Modulation dieser Schwierigkeiten durch Interaktion mit
Bezugspersonen
Begleitende physiologische (v.a. kardiale)
Veränderungen, nur an kleinen Gruppen nachgewiesen
(Barton & Robins, 2000)
Regulationsstörungen: Diagnostik
Diagnose aufgrund unklarem Konstrukt
sehr schwierig
In DC: 0-3R fehlen spezifische Kriterien
(Intensität, Häufigkeit etc.)
Anamnese wichtig
V.a. Fähigkeiten des Kindes zur
Selbstregulation wichtig
Regulationsstörungen:
Differenzialdiagnosen
Unterscheidung zwischen ODD/ADHS und
Regulationsstörungen schwierig
Auch aufgrund des unklaren Konstruktes der
Regulationsstörungen
Frankel et al., 2004:
41% der Kinder, die in DSM-IV die Diagnose ODD
erhalten haben, werden in DC: 0-3R als
Regulationsstörungen diagnostiziert
Umgekehrt: 63% der Kinder mit Regulationsstörung
erhalten gemäß DSM-IV die Diagnose ADHS/ODD
Regulationsstörungen: Therapie
Beratung der Eltern bzgl. sinnvoller Dosierung
der Umwelteinflüsse
Steigerung der Empathie der Eltern für die Kinder
Einübung von Grenzsetzung, Struktur und
Konsistenz
Ergotherapeutische Techniken
z.B. vestibuläre Stimulation durch rhythmische
Bewegungen
Graduierte Exposition an neue Reize
Regulationsstörungen:
Verlauf und Prognose
Verlaufsstudien von Kindern mit gesicherter
Diagnose Regulationsstörung nach DC: 0-3R bis
ins Schul- oder Jugendalter sind noch nicht
vorhanden
Inwiefern Regulationssymptome als
Vorläufersymtome von späterem HKS anzusehen
sind, ist umstritten (Barton & Robins, 2000;
Petermann & Koglin, 2008; Becker et al., 2004)
Schlafstörungen (DC: 0-3R: 500)
Schlafstörungen bei jungen Kindern häufig und oft
sehr belastend
Viel Forschung zu Schlafstörungen, sehr gute
Datenlage, Empfehlungen bzgl. Diagnostik und
Therapie auf hohem Evidenzgrad
Schlafstörungen (DC: 0-3R: 500)
Erst ab Alter von 12 Monaten diagnostizierbar,
Persistenz von mindestens 4 Wochen
Einschlafstörungen (510)
Verlängerte Einschlafzeit und/ oder Notwendigkeit
der Anwesenheit der Eltern
Durchschlafstörungen (520)
Mehrfaches nächtliches Aufwachen
Elterliche Interventionen nötig und/oder
Weiterschlafen im elterlichen Bett
Schlafstörungen (DC: 0-3R: 500)
Ergänzungen durch RDC-PA-Kriterien:
Einschlafstörungen:
5-7 Episoden/ Woche für mind. 1 Monat
Einschlafdauer:
> 30 Minuten (Alter 12-24 Mte)
> 20 Min. (Alter > 24 Mte)
Anwesenheit der Eltern erforderlich bzw.
> 3 Kontakte mit Eltern (Alter 12 – 24 Mte)
> 2 Kontakte mit Eltern (Alter > 24 Mte)
Einschränkungen der Eltern (empirisch nicht
gesichert)
Schlafstörungen (DC: 0-3R: 500)
Ergänzungen durch RDC-PA-Kriterien:
Durchschlafstörungen:
5-7 Episoden/ Woche für mind. 1 Monat
Wiedereinschlafdauer:
> 30 Minuten (Alter 12-24 Mte)
> 20 Min. (Alter 24 – 36 Mte)
> 10 Min. (Alter > 36 Mte)
Anwesenheit der Eltern erforderlich bzw.
> 3x/ Nacht (ges. > 30 Min) (Alter 12 – 24 Mte)
> 1x/ Nacht (ges. > 20 Min.) (Alter 24 – 36 Mte)
> 1x/ Nacht (ges. > 10 Min.) (Alter > 36 Mte)
Einschränkungen der Eltern
Schlafstörungen: Prävalenz
Geringe Prävalenzangaben in klassischen
kinderpsychiatrischen Studien
Hypothese: Schlafstörungen werden oft übersehen
Sadeh et al. (2009)
5006 Eltern von Kleinkindern zwischen 0-36 Monaten
füllen standard. Internetfragebogen aus
23% der Eltern: Schlafprobleme = kleines Problem
2% der Eltern: Schlafprobleme = schwerwiegendes Problem
Reid et al. (2009)
3000 2-3j. Kinder: Schlafstörungen sind mit
internalisierenden und externalisierenden
Verhaltensauffälligkeiten verbunden
Schlafstörungen: Ätiologie
Multifaktoriell bedingt (Mindell et al., 2006)
Kindliche Faktoren
- biologische Faktoren
- temperamentsbedingte Faktoren
- medizinische Faktoren
Umgebungsvariablen
-
Elterliche psychische Störungen
Schwierigkeiten bei Grenzsetzung
Schuldgefühle
Enge Wohnverhältnisse
Sehr komplexe, sich gegenseitig verstärkende
Interaktionsabläufe
Schlafstörungen: Diagnostik
Ausschluss organischer Grunderkrankungen
Anfallsleiden, Obstruktion der Atemwege,
Schlafapnoen, neurologische Erkrankungen
Ausschluss anderer Schlafstörungen
Pavor nocturnus
Körperliche Untersuchung
Erfassung komorbider Erkrankungen
Fragebogen
Pediatric Sleep Questionnaire (2-18J)
Schlaftagebuch (mind. 2 Wochen)
Schlafstörungen: Therapie
Psychoedukation (z.B. Elternkurse)
Positive Schlafroutinen
Kinder müde aber noch wach ins Bett legen, damit
sie eigene Einschlaffähigkeiten entwickeln
Unmodifizierte Extinktion
Kinder ins Bett legen und Weinen, Rufen etc. bis
zum nächsten Morgen ignorieren
Eltern dürfen Kind aus Sicherheits- und med.
Gründen überwachen, aber nicht intervenieren
Hochwirksam, aber sehr belastend für Eltern
Schlafstörungen: Therapie
Graduierte Extinktion (Ferber-Methode)
Ignorieren von Weinen, Wutausbrüchen u.ä. für
einen vorher definierten Zeitraum
Kurze Beruhigung des Kindes durch Eltern in
regelmäßigen Abständen (15sec-1min)
Kind soll lernen, sich selbst zu beruhigen
Hohe Wirksamkeit
Faded bedtime
Kinder werden zu einer späteren Zeit ins Bett gelegt
als üblich
Schrittweise Vorverlegung der Schlafenszeit nach
vorne (jeweils um 15-30min)
Tagsüber keine Schlafenszeiten (z.B. Mittagsschlaf)
Schlafstörungen: Therapie
Schlafstörungen:
Verlauf und Prognose
Häufige, sehr belastende Störungen
Neg. Auswirkungen auf u.a.
kognitive Entwicklung (z.B. Lernen, Gedächtnis, etc)
Affektregulierung (z.B. chronische Irritabilität)
Aufmerksamkeit
Verhalten (z.B. Aggressivität, Hyperaktivität)
Gesundheit (z.B. Unfälle)
Lebensqualität
Hohe Komorbiditätsraten
Schlafstörungen:
Verlauf und Prognose
Sekundäre Betroffenheit der Eltern (z.B.
mütterliche Depressivität, gestörte
Familieninteraktionen)
Fazit:
Unbehandelt Tendenz zu Chronifizierung und
Persistenz; Entwicklung komplexer,
differenzierter Schlafstörungen
Fütterstörungen (DC:0-3R: 600)
601: Fütterstörungen mit Beeinträchtigung der
homöostatischen Regulation
602: Fütterstörung mit unzureichender ElternSäuglings-Reziprozität
603: Infantile Anorexie
604: Sensorische Nahrungsverweigerung
605: Fütterstörung im Zusammenhang mit einer
bestehenden medizinischen Erkrankung
606: Posttraumatische Fütterstörung
Fütterstörungen nach DC: 0-3R
(Übersicht nach von Gontard, 2010)
Diagnose
Hauptsymptome
Beginn Beobachtung
RegulationsFS
Zu abgelenkt, zu
unruhig, zu schläfrig
NG
FS der
reziproken
Interaktion
Wachstumsdefizit,
Deprivation,
Vernachlässigung,
fehlende elterliche
Sorge, Defizite in
sozialer Interaktion
Erstes
Lj.
Wachstumsdefizit
Geringe Mutter- Ja
KindReziprozität
Ja
Fütterstörungen nach DC: 0-3R
(Übersicht nach von Gontard, 2010)
Diagnose
Hauptsymptome
Beginn
Beobachtung Wachstums
defizit
Frühkindliche
Anorexie
Geringer Appetit, oft
Nahrungsverweigerung, geringe
Gewichtszunahme
<3.Lj.
Mutter-KindKonflikt über
die kindliche
Nahrungsverweigerung
Ja
Einführung von
Beikost,
fester
Nahrung
Mutter-KindKonflikt wegen
selektiver
Nahrungsverweigerung
Spezifische
Ernährungsdefizite
Sensorische
Anhaltende
NahrungsNahrungsverweiverweigerung gerung bestimmter
Nahrungsmittel
Fütterstörungen nach DC: 0-3R
(Übersicht nach von Gontard, 2010)
Diagnose
Hauptsymptome
Beginn Beobachtung
Wachstums
defizit
FS assoziiert
m. med.
Erkrankungen
Kind beim Füttern
gestresst, keine
ausreichende
Nahrungsaufnahme
Jedes
Alter
Beginnt zu
essen, aber
zunehmender
Stress beim
Füttern
Ja
FS assoziiert
mit Insulten
d. gastrointestinalen
Traktes
Anhaltende
Verweigerung von
Flaschen, fester oder
jeder Nahrung
Jedes
Alter
Kind schon
beim Hinsetzen
zu Essen oder
beim Anbieten
von Nahrung
gestresst
Abhängig von
der Dauer
Fütterstörungen: Prävalenz
Wright, 2007
20 % (N=89) von 455 Kindern (Alter 2½ Jahre)
hatten nach Elternangaben eine Essstörung:
49 % aßen eingeschränkte Zahl von Nahrungsmitteln
39 % bevorzugten Getränke gegenüber fester
Nahrung
4% tranken nur Flüssigkeiten
23 % aßen zu langsam
18 % waren nicht an Essen interessiert
Fütterstörungen: Prävalenz
Wright, 2007
Elterliche Strategien:
85 % boten neue Nahrungsmittel an
67 % ließen Fernsehen oder Video beim Essen laufen
74 % spielten Spiele mit ihren Kindern
Strafende Maßnahmen:
55 % gaben ihren Kindern keinen Nachtisch
28 % nahmen das Essen weg
19 % zwangen ihre Kinder zum Essen
12 % drohten
3 % schlugen ihre Kinder
Fütterstörungen: Prävalenz
McDermott, 2008
Prospektive Langzeitstudie von 5122 Kindern:
Prävalenz: Essstörungen im Alter von 2-4 Jahren:
20,2 % aßen manchmal und 7,6 % oft unregelmäßig
Persistenz:
48 % der 6 Monate alten Kinder mit Fütterstörungen hatten im
Alter von 2-4 Jahren eine Essstörung
Risikofaktoren:
Kind: körperliche Erkrankungen, Schläfrigkeit und ängstlichdepressive Symptome
Mütter: körperliche Erkrankungen, Depression und Angst
Fütterstörungen: Diagnostik
Ernährungs- und Gewichtsanamnese
Pädiatrische (entwicklungsneurologische)
Untersuchung
Ernährungsprotokoll
Videogestützte Verhaltensbeobachtung und
Analyse der Fütterinteraktion
Interaktionsbeobachtung in weiteren
altersrelevanten Kontexten (Spielsituationen)
Anamnese elterlicher Belastungen und
Bedeutungszuschreibungen
Fütterstörungen: Diagnostik
Feeding Scale
1) Wechselseitigkeit
2) Konflikthafte Interaktion
3) Sprechen und Ablenkung während des
Fütterns
4) Kontroll-Konflikte
5) Fehlende mütterliche Kontingenz
Fütterstörungen: Ätiologie
Regulations-Fütterstörung (601.)
Homöostase, Vigilanz
Fütterstörung der reziproken
Interaktion (602.)
Interaktion, psychische Störung der
Eltern
Frühkindliche Anorexie (603.)
Hyperarousal
Sensorische Nahrungsverweigerung
(604.)
Sensorische Störung
Fütterstörung assoziiert mit
medizinischen Erkrankungen (605.)
Medizinische Grunderkrankung
Fütterstörung assoziiert mit Insulten
des gastrointestinalen Traktes (606.)
Konditionierter Reflex
Fütterstörung: Behandlung
Allgemeine Therapie:
• Ernährungsberatung
• Psychoedukation
• Pädiatrische Mitbehandlung
• Logopädische Behandlung
• Bei Bedarf kontrollierte Hungerversuche mit
Nahrungseinschränkung
Fütterstörung: Behandlung
Allgemeine Essensregeln (unvollständig)
Feste Mahlzeiten, nur geplante
Zwischenmahlzeiten
Max. 30 min. pro Mahlzeit
Kein Essen unter Zwang
Kein Spielen während der Mahlzeiten
Essen nie als Belohnung oder Geschenk
Beendigung der Mahlzeit, wenn das Kind Essen
in Wut umherschmeißt
Fütterstörungen:
spezifische Behandlung
Regulations-FS (601.)
Regulation d. Stimulationsausmaß während
des Essens, Erhöhung elterl. Feinfühligkeit
FS der reziproken Interaktion
(602.)
Bezugspflege mit Körperkontakt, Füttern,
Spielen, Eltern-Kind-Therapie, ggf. JH
Frühkindliche Anorexie (603.)
Psychoedukation zum Kindstemperament,
Struktur, Grenzsetzung, Erlernen von
Hunger- und Sättigungsgefühl
Sens. Nahrungsverweigerung
(604.)
Nahrungsergänzung bei Bedarf,
Modelllernen, Desensibilisierung
FS assoziiert m. med.
Erkrankungen (605.)
Behandlung d. Med. Grunderkrankung,
Modifikation von Abläufen, ggf. Sonde
FS assoziiert m. Insulten d.
gastrointestinalen Traktes (606.)
Ggf. Sonde, Sondenentwöhnung,
Desensibilisierung
Fütterstörungen:
Verlauf und Prognose
Tendenz zur Persistenz und Chronifizierung
Systematische Nachuntersuchungen für die sechs
Subtypen (DC:0-3R) liegen nicht vor
Gute Prognose: Fütterstörung assoziiert mit
Insulten des Gastrointestinaltraktes
Ungünstige Prognose: Frühkindliche Anorexie
Literatur
Bolten, M., Möhler, E. & von Gontard, A. (2013). Psychische Störungen
im Säuglings- und Kleinkindalter. Exzessives Schreien, Schlaf- und
Fütterstörungen. Göttingen: Hogrefe.
Dt. Ges. f. Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie u.a.
(Hrsg.) (2007). Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen
Störungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter, 3. überarbeitete
Auflage. Deutscher Ärzte Verlag.
Steinhausen, H.-C. (2006). Psychische Störungen bei Kindern und
Jugendlichen. Lehrbuch der Kinder- und Jugendpsychiatrie und –
psychotherapie. München: Elsevier U&S.
Von Gontard, A. (2010). Säuglings- und Kleinkindpsychiatrie. Ein
Lehrbuch. Stuttgart: Kohlhammer.
Zero to three (2005). Diagnostic classification of mental health and
developmental disorders of infancy and childhood: Revised edition (DC:
0-3R). Washington, D.C.: ZERO TO THREE Press.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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