24 2004 ifo Schnelldienst 57. Jg., 52.–53. KW, 30. Dezember 2004 Zur Diskussion gestellt Barbara Hendricks, Dieter Ondracek, Udo Ludwig ■ Ein Konzept zur mittelfristigen Haushaltssanierung Forschungsergebnisse Horst Rottmann und Franz Seitz ■ Credit Spreads und ihre Determinanten in Deutschland Daten und Prognosen G. Flaig, W. Nierhaus, O.-E. Kuntze et al. ■ ifo Konjunkturprognose 2005: Abgehängt von der Weltkonjunktur Johann Wackerbauer ■ Entsorgungswirtschaft: Verhaltene Erwartungen für 2005 Im Blickpunkt Hans G. Russ ■ ifo Konjunkturtest Dezember 2004 Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München ifo Schnelldienst ISSN 0018-974 X Herausgeber: ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V., Poschingerstraße 5, 81679 München, Postfach 86 04 60, 81631 München, Telefon (089) 92 24-0, Telefax (089) 98 53 69, E-Mail: [email protected]. Redaktion: Dr. Marga Jennewein. Redaktionskomitee: Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn, Prof. Dr. Gebhard Flaig, Dr. Gernot Nerb, Dr. Wolfgang Ochel, Dr. Heidemarie C. Sherman, Dr. Martin Werding. Vertrieb: ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V. Erscheinungsweise: zweimal monatlich. Bezugspreis jährlich: Institutionen EUR 225,– Einzelpersonen EUR 96,– Studenten EUR 48,– Preis des Einzelheftes: EUR 10,– jeweils zuzüglich Versandkosten. Layout: Pro Design. Satz: ifo Institut für Wirtschaftsforschung. Druck: Fritz Kriechbaumer, Taufkirchen. Nachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise): nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplars. ifo Schnelldienst 24/2004 Zur Diskussion gestellt Feiertagsstreichung, 40-Stunden-Woche, Steuererhöhung – ein Konzept zur mittelfristigen Haushaltssanierung? 3 Fehlt der Bundesregierung ein mittelfristiges Konzept zur Haushaltssanierung? Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerium der Finanzen, erläutert mit ihrem Beitrag das Haushaltskonzept der Bundesregierung für das Jahr 2005 und unterstreicht, dass das Konzept einen Weg aus dem Konflikt zwischen notwendigem Defizitabbau einerseits und konjunkturellen Erfordernissen andererseits weist. Dieter Ondracek, Deutsche Steuer-Gewerkschaft, sieht vor allem eine Notwendigkeit darin, dass Bewegung in die Struktur der Finanzpolitik gebracht wird: »Eine Steuervereinfachung durch Verzicht auf steuerliche Vergünstigungen und Sonderregelungen ist neben der konsequenten Anwendung geltender Steuergesetze ein wirksamer Beitrag zur Sanierung der öffentlichen Haushalte.« Für Dr. Udo Ludwig, Institut für Wirtschaftsforschung Halle, ist eine Arbeitszeitverlängerung kein Mittel zur Haushaltssanierung. Forschungsergebnisse Credit Spreads und ihre Determinanten in Deutschland Horst Rottmann und Franz Seitz 10 Für Unternehmen kann die Analyse von Credit Spreads, d.h. der Differenz zwischen den Renditen von Unternehmensanleihen und laufzeitäquivalenten risikolosen Anlagen, nützliche Informationen erbringen, da sich Veränderungen im Credit Spread auf ihre Finanzierungskonditionen auswirkt. Prof. Dr. Horst Rottmann, Fachhochschule Amberg-Weiden und Forschungsprofessor am ifo Institut, und Prof. Dr. Franz Seitz, Fachhochschule Amberg-Weiden, untersuchen hier die Bestimmungsfaktoren der Credit Spreads für nicht-finanzielle DAX-Unternehmen. Sie zeigen, dass neben den traditionellen Determinanten Rating und Restlaufzeit auch die Volatilität und der risikolose Zinssatz eine wichtige Rolle bei der Erklärung von Spreads spielen. Daten und Prognosen ifo Konjunkturprognose 2005: Abgehängt von der Weltkonjunktur Gebhard Flaig, Wolfgang Nierhaus, Oscar-Erich Kuntze, Andrea Gebauer, Steffen Henzel, Oliver Hülsewig, Anita Kaltschütz, Erich Langmantel, Monika Ruschinski, Hans-Werner Sinn und Timo Wollmershäuser 15 Am 21. Dezember stellte das ifo Institut im Rahmen seines vorweihnachtlichen Pressegesprächs seine Prognose für das Jahr 2005 vor: Die Weltwirtschaft boomt wie seit 28 Jahren nicht mehr, doch die deutsche Wirtschaft macht nicht mit. Es gibt zwar einen Aufschwung, doch ist er angesichts der hohen Verflechtung der deutschen Wirtschaft mit der Weltwirtschaft enttäuschend schwach. Deutschland ist von der Weltkonjunktur entkoppelt und liegt nach wie vor beim Wachstum unter dem Durchschnitt der alten EU-Länder. Insgesamt ist das reale Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2004 nach heutiger Einschätzung nur um 1,7% höher als im Jahr 2003, wobei allein 0,5 Prozentpunkte auf einen Sondereffekt bei den Arbeitstagen zurückzuführen sind. Nur der Export hat sich im Jahr 2004 gut entwickelt. Getrieben durch die Weltkonjunktur wuchs er um stattliche 9,3% in realer Rechnung. Vielen ist es ein Rätsel, warum sich dieses Wachstum in solch geringem Umfang in das gesamte Bruttoinlandsprodukt übertragen hat. Die Lösung des Rätsels liegt zum einen darin, dass ein Teil der Exporte aus importierten Vorleistungen sowie importierter Handelsware bestand, also insofern nur ein durchlaufender Posten war. Zusätzliche Exporte führen nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes nur noch zu etwa 45% zu einer zusätzlichen inländischen Wertschöpfung; 55% der marginalen Exporte sind exportinduzierte Importe (Basareffekt). Zum anderen liegt die Lösung im Schrumpfen der Binnennachfrage. Der private Konsum ging um 0,3% zurück, und die Bruttoanlageinvestitionen verringerten sich um 0,5%. Als gemeinsame Erklärung für die schwache Binnennachfrage kommt das hohe deutsche Lohnkostenniveau in Betracht, das hinter Norwegen die Spitzenposition in der Welt einnimmt und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Arbeitnehmer immer mehr beeinträchtigt. Ungeachtet der strukturellen Schwächen der deutschen Wirtschaft, die noch lange nicht überwunden sind, hängen die weiteren Konjunkturaussichten in hohem Maße von der Entwicklung der Weltkonjunktur ab. Für das Jahr 2005 ist deshalb eine Abschwächung der weltwirtschaftlichen Dynamik zu erwarten, ohne dass diese Abschwächung schon einen Abschwung bedeuten würde. In Deutschland dürfte im Jahresdurchschnitt 2005 das reale Bruttoinlandsprodukt um 1,2% steigen, nach Ausschaltung von Kalenderschwankungen sogar um 1,4%. Die Inflationsrate wird im nächsten Jahr voraussichtlich mit 1,4% etwas niedriger sein als in diesem (1,6%). Die Lage am Arbeitsmarkt bleibt trotz der leichten konjunkturellen Erholung angespannt. Im Durchschnitt des Jahres 2005 wird die Arbeitslosenzahl noch um rund 85 000 höher als in diesem sein, wenn man die aus Hartz IV resultierenden Effekte noch nicht berücksichtigt. Die Arbeitslosenquote wird im Jahresdurchschnitt 10,4% betragen, nach 10,3% in diesem Jahr. Entsorgungswirtschaft: Mit verhaltenen Erwartungen in das Jahr 2005 Johann Wackerbauer 54 Die Konzentration schritt in der traditionell mittelständisch geprägten Entsorgungsbranche in 2002 nach wie vor voran. Bei kaum veränderter Größenstruktur wuchsen die Umsatzanteile der Unternehmen in der höchsten Größenklasse weiter: Nur 5,3% der Entsorgungsunternehmen erzielten einen Jahresumsatz von mehr als 10 Mill. p; sie vereinten aber 65,4% des Jahresumsatzes auf sich. 69,7% der Unternehmen wiesen dagegen einen Jahresumsatz von weniger als 1 Mill. p aus; auf sie entfielen aber nur 6,6% des Branchenumsatzes. Im mittleren Bereich zwischen 1 und 10 Mill. p Jahresumsatz befanden sich 25,0% der Unternehmen mit knapp 28,0% Umsatzanteil. Für das Jahr 2005 erwarten, nach einer Umfrage des Bundesverbandes der deutschen Entsorgungswirtschaft, rund 25% der Befragten steigende, aber fast 40% zurückgehende Umsätze. Insgesamt rechnet rund die Hälfte der Unternehmen für das erste Halbjahr 2005 wie auch für die kommenden Jahre mit einer weiteren Verschlechterung der Gesamtsituation in der Entsorgungswirtschaft. Die Stimmung in der Branche bleibt angesichts der schwer einzuschätzenden Entwicklung der Rahmenbedingungen weiterhin angespannt. Im Blickpunkt ifo Konjunkturtest Dezember 2004 in Kürze Hans G. Russ 57 Das Geschäftsklima in der gewerblichen Wirtschaft Deutschlands hat sich nach dem Rückgang im Vormonat wieder deutlich verbessert. Dabei fielen sowohl die Urteile der Unternehmen zur aktuellen Geschäftslage als auch ihr Erwartungen für die nächsten sechs Monate günstiger aus als im November. In Ostdeutschland stieg der Klimaindikator nur wenig an, hier stand einer leichten Aufhellung der Perspektiven eine etwas negativere Beurteilung der gegenwärtigen Situation gegenüber. Feiertagsstreichung, 40-Stunden-Woche, Steuererhöhung – ein Konzept zur mittelfristigen Haushaltssanierung? 3 Die Situation der deutschen Staatsfinanzen wird immer bedrohlicher – ausgeglichene Haushalte gehören seit langem der Vergangenheit an, und die Belastungen zukünftiger Generationen wird immer größer. Fehlt der Bundesregierung ein mittelfristiges Konzept zur Haushaltssanierung? Finanzpolitischer Dreiklang der Bundesregierung: Strukturreformen, Konsolidierung, Impulse für Wirtschaftswachstum Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat in seinem neuen Jahresgutachten die außerordentlich schwierige Situation, in der sich die deutsche Finanzpolitik gegenwärtig befindet, klar und deutlich umrissen: Einerseits muss die Konsolidierung der Staatsfinanzen fortgesetzt werden, um die nationalen und europäischen Vorgaben zur Begrenzung der öffentlichen Defizite zu erfüllen und die mittel- und langfristigen finanzpolitischen Ziele zu sichern. Andererseits verbieten sich kurzfristig weitere massive Ausgabeneinsparungen oder Steuer- bzw. Abgabenerhöhungen mit Blick auf die immer noch schwache Binnennachfrage. Tatsächlich hat sich die deutsche Wirtschaft endgültig aus der dreijährigen Stagnation gelöst und ist endlich wieder auf Erholungskurs. Aber der Konjunkturaufschwung ist noch nicht ausreichend gefestigt: Die aktuelle Lage ist durch eine Spaltung zwischen lebhafter Exportentwicklung einerseits und unzureichender inländischer Nachfrage andererseits geprägt. Die günstige Exportentwicklung zeigt, dass deutsche Unternehmen in den vergangenen Jahren die Chancen der internationalen Arbeitsteilung erfolgreich genutzt haben. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ist allen Unkenrufen zum Trotz hervorragend. Das für Deutschland so typische Konjunkturverlaufsmuster, wonach die Exportbelebung rasch zunächst auf die Investitionsnachfrage und dann auch auf die Konsumnachfrage übergreift, hat sich allerdings bisher noch nicht eingestellt. Die exportgetragene Konjunkturerholung allein führt auch nicht zu einer durchgreifenden Belebung auf dem Arbeitsmarkt. Dies hat entsprechend anhaltende Mehrbelastungen bei den Arbeitsmarktausgaben der öffentlichen Haushalte zur Folge. Darüber hinaus profitieren die Haushalte der Gebietskörperschaften von einer exportgetragenen Wirtschaftsbelebung weniger als von einer stärker binnenwirtschaftlich getragenen wirtschaftlichen Erholung. Vor allem bei den Einnahmen aus der Umsatzsteuer wird dies spürbar, wie auch die jüngste Steuerschätzung bestätigt. In dieser Situation muss die Finanzpolitik alles vermeiden, was zu einer Gefährdung der konjunkturellen Erholung führen könnte. Im laufenden Jahr wird die Bundesregierung deshalb im Sinne einer konjunkturgerechten Finanzpolitik die automatischen Stabilisatoren wirken lassen. Die Nettokreditaufnahme des Bundes in Höhe von 431⁄2 Mrd. t überschreitet die Summe der veranschlagten Investitionen um knapp 19 Mrd. t. Die erhöhte Kreditaufnahme ist ein geeignetes Instrument, um der gegenwärtigen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts entgegenzuwirken. Unter dieser Prämisse ist es nicht zu vermeiden, dass die Defizitobergrenze des Maastricht-Vertrages beim gesamtstaatlichen Defizit im Jahr 2004 überschritten wird. Barbara Hendricks* Durch das Haushaltskonzept der Bundesregierung ist es gelungen, die Nettokreditaufnahme im Bundeshaushalt 2005 auf 22 Mrd. t zu begrenzen. Da die Investitionsausgaben knapp 23 Mrd. t betragen, wird die Regelgrenze des Art. 115 GG wieder eingehalten. Der Haushalt 2005 ist damit verfassungsgemäß. Die Maßnahmen des Haushaltskonzepts 2005 sind so austariert, dass die immer noch fragile Entwicklung von Wirt- * Dr. Barbara Hendricks ist Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium der Finanzen. 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 4 Zur Diskussion gestellt schaftswachstum und Beschäftigung nicht beeinträchtigt wird. Die Bundesregierung setzt dabei auf Maßnahmen, die der Bund ohne die Zustimmung des unionsdominierten Bundesrates umsetzen kann. Das Haushaltskonzept 2005 umfasst folgende Einzelmaßnahmen: • Die Pensionsverpflichtungen der privatisierten Postnachfolgeunternehmen werden kapitalisiert. Dadurch kann der Bund von Transferzahlungen an die Postbeamtenpensionskasse entlastet werden – um rund 51⁄2 Mrd. p im Jahre 2005. • Die Privatisierung wird konsequent weitergeführt. • Subventionen und konsumtive Leistungen werden – trotz schwieriger politischer Diskussion – insbesondere durch die zweite Stufe der Umsetzung der Koch-SteinbrückVorschläge zum Subventionsabbau und das Haushaltsbegleitgesetz 2005 weiter abgebaut. Die Finanzhilfen des Bundes sinken gegenüber 2004 um etwa 1 Mrd. p auf rund 6 Mrd. p. Gegenüber 1998 werden die Finanzhilfen damit nahezu halbiert. Auch die jährliche prozentuale Rückführung des Stellenbestandes im öffentlichen Dienst wird konsequent fortgesetzt. • Im Bundeshaushalt 2005 ist eine Globale Minderausgabe von 2 Mrd. p ausgebracht. Dieser zusätzliche Einsparbetrag muss von den Ressorts im Haushaltsvollzug erbracht werden. • Die Bundesregierung ergreift die Initiative für eine Nullrunde im öffentlichen Dienst für das kommende Jahr. Die Wochenarbeitszeit für Bundesbeamte ist bereits zum 1. Oktober 2004 auf 40 Stunden erhöht worden. • Im Hinblick auf das gesamtstaatliche Defizit erwarten wir darüber hinaus Entlastungen aus der Entscheidung der EU-Kommission, dass sieben Landesbanken an die jeweiligen Länderhaushalte Zahlungen zu leisten haben, die aus der Verzinsung von in den neunziger Jahren eingebrachtem Kapital resultieren. Zweifellos sind Maßnahmen – wie der dauerhafte und umfassende Abbau von Steuersubventionen – zu bevorzugen, die zu längerfristigen und strukturellen Haushaltsentlastungen führen. Aber auch der Sachverständigenrat sieht hierzu gegenwärtig keine Möglichkeiten und findet deutliche Worte hinsichtlich der Mitverantwortung der Länder. Er fordert nicht zuletzt vor diesem Hintergrund eine umfassende Reform des bundesdeutschen Föderalismus. Auch die Bundesregierung sieht die Notwendigkeit einer solchen Reform. Die gemeinsam von Bundestag und Bundesrat eingesetzte Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung hat es sich zum Ziel gesetzt, noch in diesem Jahr Einvernehmen über geeignete Reformschritte herzustellen und das parlamentarische Verfahren zur Änderung des Grundgesetzes noch in dieser Legislaturperiode zum Abschluss zu bringen. Im Ergebnis sollen eine Reduzierung der Zustimmungserfordernisse durch den Bundesrat, die Entflechtung von Zuständigkeiten des Bundes und der Länder und eine effizientere Organisation des Steuervollzugs erreicht werden. ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang In den letzten Jahren hat die Bundesregierung mehrfach einen umfassenden Abbau von Steuervergünstigungen vorgeschlagen. Es hat sich aber deutlich gezeigt, dass die Mehrheit im Bundesrat ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung nicht gerecht wird. Regelmäßig wurden konkrete Konsolidierungsschritte der Bundesregierung be- bzw. verhindert. Allein die Weigerung des Bundesrates, dem Gesetzentwurf zum Abbau von Steuervergünstigungen zuzustimmen, hat für 2005 Konsolidierungsbeiträge von über 9 Mrd. p gekostet. Jüngstes Beispiel für die Blockadepolitik der Ländermehrheit im Bundesrat ist die erneute Ablehnung des Gesetzes zur Abschaffung der Eigenheimzulage. Entgegen der übereinstimmenden Empfehlung der wirtschaftswissenschaftlichen Institute, des Sachverständigenrates, der Bundesbank und wichtiger internationaler Institutionen verweigert die Länderkammer, diesem wirtschafts- und finanzpolitisch gebotenen Abbau einer überkommenen Steuervergünstigung ihre Zustimmung. Zur Umsetzung des Haushaltskonzepts 2005 gibt es vor diesem Hintergrund keine Alternative. Das Konzept weist einen Weg aus dem oben beschriebenen Konflikt zwischen notwendigem Defizitabbau einerseits und konjunkturellen Erfordernissen andererseits. Zugleich können Blockaden und langwieriges Gezerre um Kompromisse im Bundesrat vermieden werden. Insgesamt wird durch das Maßnahmenpaket eine Entlastung beim gesamtstaatlichen Defizit um rund 1/2 Prozentpunkt des BIP möglich. Das Haushaltskonzept der Bundesregierung leistet damit einen wichtigen Beitrag dazu, dass Deutschland die Defizitgrenze des Maastricht-Vertrages im kommenden Jahr wieder einhalten kann. Die Bundesregierung erwartet ein Staatsdefizit von 2,9% des BIP in 2005, wie die Aktualisierung des deutschen Stabilitätsprogramms vom Dezember 2004 zeigt. Auch nach Auffassung des Sachverständigenrates ist das Paket geeignet, die Einhaltung der Defizitgrenze des Maastricht-Vertrages zu ermöglichen. Die Bundesregierung hat bewiesen, dass die Ausgabenseite des Bundeshaushalts auch in konjunkturell schwierigen Zeiten konsolidiert werden kann. Trotz erheblicher Zusatzbelastungen auf dem Arbeitsmarkt und im Sozialbereich ist die Ausgabenlinie des Bundes mit einem Rückgang der Ausgaben im Haushalt 2005 um 0,5% gegenüber 2004 – wie schon in den Vorjahren – sehr restriktiv. Die Konsolidierungsmaßnahmen der Bundesregierung stellen eine wichtige Säule der Gesamtstrategie der Bundesregierung dar. Wachstumsstärkende Strukturreformen und konjunkturstabilisierende Impulse sind die beiden anderen Säulen des wirtschafts- und finanzpolitischen »Dreiklangs«. Mit der Agenda 2010 hat die Bundesregierung ein umfassendes Paket grundlegender struktureller Reformen auf den Weg gebracht, das die Bedingungen für mehr Wachstum Zur Diskussion gestellt und mehr Beschäftigung in Deutschland mittel- und langfristig entscheidend verbessert. Zentrale Elemente des Reformpaketes sind Reformen auf dem Arbeitsmarkt und im sozialen Sicherungssystem, die darauf abzielen, mittel- und langfristig die Sozialbeitragslast und damit auch die Lohnnebenkosten zu begrenzen und zu verringern: Die Reformen des Gesundheitswesens und der Rentenversicherung sind insbesondere erforderlich, um eine nachhaltige Finanzierung der sozialen Sicherung vor dem Hintergrund des absehbaren demographischen Wandels zu erreichen. In der Arbeitsmarktpolitik wird das Prinzip des »Fördern und Fordern« gestärkt, d.h. sozialer Schutz und die Verbesserung der Eingliederungschancen werden mit dem Einfordern von Eigeninitiative der Arbeitssuchenden verknüpft. Die Strukturreformen tragen auch dazu bei, die öffentlichen Haushalte dauerhaft zu entlasten und Handlungsspielräume insbesondere zur Bewältigung der Herausforderungen des demographischen Wandels zu gewinnen – schließlich stellen allein die Leistungen an die Rentenversicherungen den größten Ausgabenblock im Bundeshaushalt dar. Der »Dreiklang« wird vervollständigt durch gezielte Impulse zur weiteren Kräftigung des Wirtschaftswachstums. Deshalb wurde die dritte Steuerreformstufe teilweise auf das Jahr 2004 vorgezogen. Mit Beginn des nächsten Jahres folgen zusätzliche Steuerentlastungen durch die letzte Stufe der Steuerreform. Die Eingangs- und Höchststeuersätze bei der Einkommensteuer erreichen dann mit 15 und 42% die niedrigsten Werte seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Bürger und Unternehmen werden dadurch nochmals um etwa 7 Mrd. p entlastet, womit sich auch die Aussichten für einen Anstieg der Investitionstätigkeit und des privaten Konsums weiter verbessern. Die Bundesregierung wird ihren verantwortungsvollen finanzpolitischen Kurs auch in Zukunft konsequent fortsetzen. Dabei wird sich das Ineinandergreifen von Strukturreformen und mittelfristig ausgerichteter Konsolidierung verstärkt auszahlen. Vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Erholung wird die Finanzpolitik weiterhin darauf ausgerichtet, das Ausgabenwachstum zu begrenzen und die staatlichen Defizite abzubauen. Dieter Ondracek* Steuerrecht konsequent anwenden statt Flickschusterei Die Situation der deutschen Staatsfinanzen wird immer bedrohlicher – ausgeglichene Haushalte gehören seit langem der Vergangenheit an. Schulden sind der Normalfall, denn seit den siebziger Jahren gehören Kredite zur Haushaltspolitik jeder Bundesregierung. Die durch diese Politik auf Pump verursachte Belastung wird für kommende Steuerzahlergenerationen immer größer, auch weil das Wirtschaftswachstum und damit die Steuereinnahmen der Zunahme des Schuldenbergs hinterherhinken. Der Basar der Vorschläge zur Sanierung der Staatsfinanzen war eröffnet, nachdem Bundesfinanzminister Eichel den Haushalt 2005 vorgestellt hatte und sich gleichzeitig ein Nachtragshaushalt für dieses Jahr abzeichnete, der insgesamt zu einer Rekordverschuldung von 43,5 Mrd. k führen wird. Peanuts-Effekt Besonders in den Fokus der politischen Diskussion rückte dabei die von Bundeskanzler Schröder und Finanzminister Eichel vorgeschlagene Streichung des 3. Oktobers als Nationalfeiertag. Angeblich hätte ein Tag Mehrarbeit einen Effekt von 0,1% Wirtschaftswachstum oder 500 Mill. k Steuermehreinnahmen gebracht. Die hitzig geführte Debatte und der mürrische Rückzieher verfestigten den Eindruck, dass mit der Frage der Streichung eines Feiertages der gesamte Bundeshaushalt stehen oder fallen würde. Gebracht hat diese Diskussion, dass sich Politiker und Bevölkerung im 14. Jahr der Wiedervereinigung mit der nationalen Identität dieses Landes auseinandersetzen konnten, * Dieter Ondracek ist Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 5 6 Zur Diskussion gestellt abgelenkt hat der Vorstoß um die Feiertagsstreichung jedoch von buchhalterischer Kosmetik, die in ihrer langfristigen Wirkung sehr viel einschneidender ist als der Wegfall eines arbeitsfreien Tages. Dies sind neben kurzfristigen Schuldenverkäufen, mit denen Finanzminister Eichel in diesem Jahr 5 Mrd. k locker machte und künftige Einnahmen in Höhe von rund 1,5 Mrd. verliert, Verkäufe von Forderungen für Pensionsansprüche der Post- und Bahnbeamten, die in den Folgejahren fehlen. Vor diesen kommenden Haushaltsbelastungen in dreistelliger Milliardenhöhe wirkt der durch Streichung eines Feiertages bedingte Effekt als Marginalie. 40-Stunden-Woche bringt Wirtschaft, nicht Eichel, mehr Nachdem der Plan zur Streichung eines Feiertages gescheitert war, schien der freie Wettbewerb der Ideen zur Haushaltssanierung eröffnet zu sein. Unter anderem wurden Urlaubskürzungen und die Erhöhung der Wochenarbeitszeit als Rettung für die Staatsfinanzen ins Feld geführt. Fraglich ist jedoch, ob Mehrarbeit auch mehr Geld in Eichels klamme Kassen spült, denn diese bringt zwar Einsparungen bei den Lohnkosten, nicht aber automatisch höheres Wachstum und mehr Steuereinnahmen. Auch kann eine deutlich längere Arbeitszeit für alle ohne Lohnausgleich leicht zum Abbau von Arbeitsplätzen führen, statt zu mehr Wachstum. Der statistisch berechnete zusätzliche Wachstumseffekt durch Streichung von Urlaub oder durch Mehrarbeit ist mit Vorsicht zu handhaben, weil der Effekt bei den Arbeitstagen in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen anders zu Buche schlägt. Betriebe mit kontinuierlicher Produktion profitieren am ehesten, wenn Bänder länger laufen, die Lohnkosten jedoch nicht steigen. Überall aber, wo Monatsgehälter gezahlt werden, bleibt der Effekt gering. Auch birgt eine 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich die Gefahr sinkender Konsumneigung. Längere Arbeitszeit macht daneben eine konstante Produktion mit weniger Arbeitskräften möglich, was Entlassungen und steigende Arbeitslosigkeit zur Folge hätte. Bestes Beispiel für die negativen Auswirkungen einer längeren Arbeitszeit ist der öffentliche Dienst, wo Beamtinnen und Beamte überwiegend 40 Stunden – in Bayern und Hessen sogar 42 Stunden – arbeiten. Die Mehrarbeit wird nicht dazu genutzt, die »Produktion« zu steigern, was z.B. bei der Steuerverwaltung eine positive Wirkung auf die Steuereinnahmen hätte, sondern es werden Planstellen eingespart. Für den staatlichen Haushalt ist mit Arbeitszeitverlängerungen in der Wirtschaft nichts gewonnen, denn die Kostenersparnis der Unternehmen muss meist von den Sozialkassen und damit der Allgemeinheit getragen werden. maroden Bundeshaushaltes sind Mehrarbeit und Urlaubskürzung nicht. Besser für Unternehmen und Staat ist eine mit Betriebsräten vereinbarte flexible Arbeitszeit. Anzumerken bleibt zu diesem Vorschlag, dass eine generelle Verlängerung der Wochenarbeitszeit Sache der Tarifpartner und nicht der Regierung ist und das »Einmischen« der Politik eher kontraproduktiv ist. Mehrwertsteuererhöhung würgt Konsum ab Die ins Spiel gebrachte Mehrwertsteuererhöhung bringt zwar Geld in die Kassen der Finanzminister, ist jedoch kein Königsweg, weil dadurch die schon jetzt schwache Binnennachfrage weiter belastet wird. Die Erhöhung der Tabaksteuer hat eindrucksvoll vor Augen geführt, wie sich Steuererhöhungen auf das Konsumverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher auswirken. Mit welchen Maßnahmen könnte man stattdessen kurzfristig die öffentlichen Haushalte sanieren? Starke Finanzverwaltung schafft Mehreinnahmen Die Finanzverwaltungen der Länder befinden sich seit längerem in organisatorischen Umbrüchen. Regional unterschiedlich werden unter dem Stichwort Risikoorientierung Verfahren entwickelt und versucht, die Bearbeitung der Steuervorgänge an wirtschaftlichen Kriterien auszurichten. Diese organisatorischen Maßnahmen sind Folge des Personalabbaus in den öffentlichen Verwaltungen. Allein die Finanzverwaltung wurde in den letzten fünf Jahren personell um rund 10% ausgedünnt, die Arbeit hingegen hat zugenommen. Neue Bearbeitungsverfahren und ein verringerter Personaleinsatz haben jedoch direkten Einfluss auf die Steuererhebung. Statistisch ist es nachweisbar, dass sich in der Finanzverwaltung jeder Beschäftigte mehr als rechnet. Jeder Außendienstmitarbeiter bringt ein Vielfaches dessen, was er kostet. So betragen die kalkulatorischen Kosten beispielsweise eines Betriebsprüfers 65 000 k, während er 600 000 k Mehrergebnis bringt, ein Steuerfahnder kommt sogar auf 700 000 k Mehrergebnis. Untersuchungen von Rechnungshöfen, Leistungsvergleichen und Kosten-Leistungs-Rechnungen belegen, dass auch die Innendienstmitarbeiter mit ihrer Tätigkeit wesentlich mehr Geld einbringen, als sie kosten. In Zeiten knapper Kassen ist die einzige Einnahmeverwaltung des Staates nicht zu schwächen, sondern zu stärken. Dies ist bei wirtschaftlicher Betrachtung lohnend. Finanzverbund entwirren Inklusive Überstunden arbeiten Vollzeitarbeitnehmer ohnehin annähernd 40 Stunden die Woche, in den neuen Bundesländern sogar noch länger. Effektive Mittel zur Sanierung des ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang Um kommende Haushalte nicht auf Sand zu bauen, muss Bewegung in die Struktur der Finanzpolitik gebracht wer- Zur Diskussion gestellt den. Der Bund hat den Ländern in der Föderalismuskommission angeboten, die volle Kompetenz für Steuerarten zu übernehmen, für die sie bisher schon die Ertragshoheit haben. Damit können sie selbst bestimmen, inwieweit sie diese Finanzquellen ausschöpfen. Dies wäre jedoch nur sinnvoll, wenn gleichzeitig das komplizierte System des Finanzausgleiches reformiert werden würde. Ansonsten lohnt sich die Steuererhebung für die Länder nicht, da sie die Mehreinnahmen fast gänzlich abführen müssten – auch an jene Länder, die ihre eigenen Möglichkeiten nicht voll ausschöpfen. Es ist darüber hinaus notwendig, das unterschiedliche Engagement der Länder bei der Sachund Personalausstattung ihrer Finanzverwaltungen im Rahmen des Länderfinanzausgleiches angemessen zu berücksichtigen. Unabdingbar dabei ist, den Personalkosten der Länder für eine erhöhte Außendienstdichte angemessene Erträge gegenüberzustellen, die im Land verbleiben. Das Angebot des Bundes, die Steuerverwaltung komplett als Bundesverwaltung zu übernehmen, haben die Länder unisono abgelehnt, weil sie den »Machtverlust« nicht hinnehmen wollten. den erst zur Steuerhinterziehung, da sie eine nur vermeintliche Sicherheit vor dem Fiskus vorgaukelt. Eine Steuervereinfachung durch Verzicht auf steuerliche Vergünstigungen und Sonderregelungen ist neben der konsequenten Anwendung geltender Steuergesetze ein wirksamer Beitrag zur Sanierung der öffentlichen Haushalte. Nicht zuletzt müssen die Haushalte seriöser geplant werden, denn es kann nicht sein, dass Haushaltsvorlagen in der Papierform gerade noch verfassungsgemäß sind, im Vollzug jedoch sofort aus den Fugen geraten. Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung verbessern Die Umsatzsteuer gehört in Deutschland zu den betrugsanfälligsten Steuerarten. Die Steuerausfälle durch Betrügereien werden jährlich auf 16 bis 21 Mrd. k geschätzt. Der Gesetzgeber hat das Problem des Umsatzsteuerbetruges erkannt und gehandelt, die bisherigen Maßnahmen haben jedoch nur begrenzten Erfolg gezeigt. Verfahrensoptimierungen bei der Organisation der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung mit länderübergreifenden Datensammlungen und Schaffung fachbezogener Beratungsmöglichkeiten durch den Bund sowie der Aufbau einer Bundessteuerfahndung sind unabdingbares Mittel im Kampf gegen diese Art der Steuerkriminalität. Das bestehende Umsatzsteuersystem ist vor allen Planspielen und Systemwechselüberlegungen konsequent anzuwenden, administrative und gesetzliche Schwachstellen müssen geschlossen und der für die Umsatzbesteuerung zuständige Personalkörper in der Finanzverwaltung deutlich aufgestockt werden. Änderung des Steuerrechts notwendig Zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung und zur wirksamen Durchsetzung des Steueranspruches sind Änderungen des Steuerrechts notwendig. Hierbei ist unter anderem § 30 a AO (Schutz von Bankkunden) ersatzlos zu streichen. Schutzwürdige Belange des ehrlichen Steuerzahlers gegenüber dem Finanzamt gibt es nicht, diese Norm schützt nur den unehrlichen Steuerzahler und verleitet unter Umstän57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 7 8 Zur Diskussion gestellt also ein kräftiger, von der Lohnpolitik mit verantworteter Wandel der Beschäftigungsverhältnisse hin zur Geringfügigkeit. Die durch Entlassungen bewirkten Produktivitätszuwächse sind so zu einem großen Teil in die Unternehmensgewinne geflossen. Ist es dann noch gerechtfertigt, eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich zu fordern? Ließe sich allein durch mehr Arbeit die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland stärken? Udo Ludwig* Verlängerung der Arbeitszeiten am Markt vorbei? Laut jüngster Umfrage des DIHKT wollen westdeutsche Industriebetriebe mehrheitlich die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich verlängern. Warum eigentlich? Doch wohl, um die im verschärften Wettbewerb unter Druck geratene Ertragslage zu stabilisieren oder zu verbessern. Doch wie passt dies zur Entwicklung der Gewinne in den letzten vier Quartalen in Deutschland? Die Berechnungen des Volkseinkommens durch das Statistische Bundesamt signalisieren seit Mitte des vergangenen Jahres deutliche Anstiege der Unternehmens- und Vermögenseinkommen, und dies überwiegend mit zweistelligen Zuwachsraten. Sind die Gewinne nicht schon hoch genug, zumal, wenn man bedenkt, dass gleichzeitig die Arbeitnehmerentgelte im Schnitt stagnierten? Die jüngsten Entwicklungen bei den Gewinnen sind Ergebnis der Konsolidierung der Unternehmensbilanzen nach dem Überschreiten des konjunkturellen Höhepunktes im Jahr 2000 und dem Platzen der Spekulationsblase an den Aktienmärkten. Ausschlaggebend für die Gewinnzuwächse waren nicht, wie gelegentlich behauptet wird, übertrieben moderate Lohnabschlüsse, sondern der Abbau von Arbeitsplätzen, und zwar fast ausschließlich im Bereich der Vollzeitbeschäftigung. Die Tariflöhne stiegen nämlich kräftig, über die Kürzung von tariflichen und außertariflichen Sonderzahlungen koppelte sich aber der Anstieg der tatsächlich gezahlten Löhne und Gehälter von den Tarifen ab, und die bisherige Beschäftigungsbasis erodierte. Die Lohnkosten erwiesen sich noch als zu hoch und veranlassten viele Unternehmen, Arbeitskräfte zu entlassen oder Normalarbeitsverhältnisse in so genannte flexible umzuwandeln, mit denen auch eine geringere Entlohnung einhergegangen ist. Hinter der Stagnation der Arbeitnehmerentgelte verbirgt sich * Dr. Udo Ludwig ist Leiter der Abteilung Konjunktur und Wachstum des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle. ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang So einfach ist dies aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht. Richtig ist, dass Arbeitszeitverlängerungen zunächst eine Entlastung der Unternehmen auf der Kostenseite bedeuten, wenn die hinzugewonnene Arbeitszeit ohne Lohnausgleich zur Verfügung steht. Wird bei gleichem Lohn länger gearbeitet, verteilen sich die Arbeitskosten auf eine größeres Produktionsergebnis, und die Stückkosten sinken. Die Produktion kann bei gleichen Arbeitskosten ausgeweitet werden. Bei gleichem Lohn werden aber die Arbeitnehmer nicht mehr als zuvor aus den laufenden Erwerbseinkommen für den Konsum ausgeben können, es sei denn, die Kosteneinsparung bei der Produktion wird über die Preise an die Verbraucher weiter gereicht. Preisabschläge hätten aber zur Folge, dass die Stückgewinne der Unternehmen komprimiert würden und von daher ein Teil des zusätzlich geschaffenen Produktionswertes nicht realisiert wird. Bliebe noch das Ausland, das als Abnehmer der zusätzlichen Produktion in Frage kommt. Expandieren die äußeren Absatzmärkte und wertet der Euro nicht auf, so bestünden gute Chancen, die hinzugewonnene Produktion preisgünstig zu vermarkten. Damit könnte auch der im internationalen Vergleich hohe Lohnkostendruck in Deutschland gemildert und die Verlagerung lohnintensiver Produktion in das Ausland abgebremst werden. Den deutschen Unternehmen böte sich zumindest die Chance, ihre Wettbewerbsposition gegenüber Anbietern aus dem Ausland zu festigen und auszubauen. Und dies wäre im Interesse der Sicherung der Arbeitsplätze in Deutschland gut so. Diese unternehmensbezogene Betrachtung kann sich jedoch als eine Rechnung ohne den Wirt erweisen, wenn Reaktionen auf die neue Kostensituation ausbleiben. Die Unternehmen könnten mit der Verbesserung der Gewinnsituation mehr Arbeitnehmer beschäftigen und so für Konsumzuwachs sorgen. Sie können aber auch einen Teil der Kostenersparnis über die Preise an die Verbraucher weiter reichen. In dem Falle zieht das Güterangebot aus einheimischer Produktion mehr Nachfrage auf sich, und Importgüter würden Marktanteile verlieren, selbst wenn die Konsumbudgets der Arbeitnehmerhaushalte infolge der Arbeitszeitverlängerung nicht größer werden. Außerdem bliebe noch das Ausland, das als Abnehmer der zusätzlichen Produktion in Frage kommt. Auch hier sind kostengünstigere Güterangebote in der Lage, neue Nachfrage zu attrahieren. Zur Diskussion gestellt All dies und mehr ist auf der Nachfrageseite möglich. Damit die Möglichkeit zur Wirklichkeit wird, müssen allerdings auch alle Akteure in der Wirtschaft ihren Beitrag leisten. Ein Teil der Kostenersparnis müsste über die Preise an Konsumenten und Investoren weitergegeben, die zusätzlichen Gewinne müssten für die Schaffung neuer Arbeitsplätze eingesetzt werden. Wird das durch eine zentrale Verordnung längerer Arbeitszeiten gelingen? Wohl kaum. Abgesehen davon, dass sich Preise am Markt bilden und Investitionsentscheidungen auch von anderen Rahmenbedingungen abhängen, dürfte ein radikaler Schnitt bei den Arbeitszeiten in der Gesamtwirtschaft die gegenwärtige Situation nur auf einem anderen Niveau reproduzieren. Lediglich gegenüber dem Ausland würde sich die Situation verbessern. Deutschland ist aber schon Exportweltmeister, und zuletzt wurden die Gewinnzuwächse vor allem durch den Auslandsabsatz erzielt. Eine Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung bedarf aber auch einer Stärkung der Binnennachfrage. Ein dezentraler Suchprozess der Unternehmen nach der marktgerechten Länge der Arbeitszeiten würde dagegen Reibungsverluste beim Übergang in ein neues Zeitregime vermeiden. Angesichts der institutionellen Verkrustungen auf dem Arbeitsmarkt ist dies derzeit schwer vorstellbar, oder doch? Die Beiträge sind auszugsweise in englischer Sprache im CESifo Internet Forum auf unserer Website www.cesifo.de zu finden. 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 9 Credit Spreads und ihre Determinanten in Deutschland 10 Horst Rottmann und Franz Seitz* Sowohl für Unternehmen als auch für externe Beobachter kann die Analyse von Credit Spreads, d.h. der Differenz zwischen den Renditen von Unternehmensanleihen und laufzeitäquivalenten risikolosen Anlagen, nützliche Informationen erbringen. Im vorliegenden Beitrag werden fundamentale Bestimmungsfaktoren dieser Credit Spreads für nicht-finanzielle DAX-Unternehmen herausgearbeitet und einer empirischen Überprüfung unterzogen. In der ökonometrischen Umsetzung wird speziell Wert darauf gelegt, empirisch beobachtbare Marktcharakteristika adäquat zu berücksichtigen. Dabei wird ein strukturelles Modell mit einem Reduzierte-Form-Ansatz kombiniert. Es ergibt sich eine signifikant bessere Erklärung anhand ökonomisch begründbarer Variablen als in traditionellen Ansätzen. In den letzten Jahren gewann bei Finanzmarktanalysen die Untersuchung von Credit Spreads, vor allem auch in Europa, zunehmend an Bedeutung. Dies hatte verschiedene Ursachen: Erstens entwickelte sich der Markt für Unternehmensanleihen recht dynamisch. So betrug Mitte 2004 der Umlauf von von Kapitalgesellschaften (ohne Monetäre Finanzinstitute) im Euro-Währungsgebiet begebenen Wertpapieren ca. 1 300 Mrd. n (1994: etwa 400 Mrd. n). In Deutschland beläuft sich dieses Volumen auf 143 Mrd. n (Stand: September 2003). Dort betrug das Marktwachstum seit 1993 über 900%, seit 1998 über 600%. Im Vergleich zu den USA (26%) oder Großbritannien (26%), aber auch zu Frankreich (23%) oder Italien (12%) ist der Marktumlauf in Deutschland relativ zum BIP mit 6% aber immer noch gering ausgeprägt (Deutsche Bundesbank 2004, 16). Der Markt für Unternehmensanleihen spielt allerdings auch in Deutschland eine immer größere Rolle bei der Unternehmensfinanzierung. Zweitens haben Unternehmen ein ureigenstes Interesse an der Spread-Analyse, da sich Veränderungen im Credit Spread unmittelbar auf ihre Finanzierungskonditionen auswirken. Drittens lässt sich anhand eines Credit-Spread-Modells ein Fair Value von Anleihen bestimmen, der dann für Prognose- und Anlagezwecke verwendet werden kann. Viertens können von Veränderungen des Credit Spreads Rückschlüsse über Ausfall- bzw. Konkurswahrscheinlichkeiten gezogen werden (Manning 2004). Diese Funktion findet vor allem vor dem Hintergrund der neuen Eigenkapitalvorschriften gemäß Basel II und der Notwendigkeit einer risikoadäquaten Bepreisung von Krediten verstärkt Beifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang achtung. Und schließlich hat sich gezeigt, dass Credit Spreads in vielen Ländern gute Indikatoreigenschaften für makroökonomische Entwicklungen, wie z.B. das BIP-Wachstum und die Inflation, besitzen (siehe für den Fall Deutschlands Ivanova et al. 2000). In diesem Beitrag steht der zweite und dritte Aspekt im Vordergrund. Speziell sollen die wichtigsten ökonomischen Determinanten von Credit Spreads in Deutschland herausgearbeitet und einer empirischen Analyse unterzogen werden. Darum geht es vor allem darum, welche Variablen neben dem Rating und der Restlaufzeit einen signifikanten Einfluss ausüben. Determinanten von Credit Spreads: Theorie Für unsere Analyse sind Credit Spreads definiert als die Renditedifferenz zwischen einer Unternehmensanleihe und einer laufzeitkongruenten risikolosen Anleihe mit ansonsten gleichen Charakteristika (z.B. gleichem Kupon). Der klassische Ansatz zur Bewertung von Bonds geht zurück auf Black und Scholes (1973) und Merton (1974). Diese betrachten die Verbindlichkeiten eines Unternehmens als kontingente Ansprüche auf den Firmenwert bzw. die Assets des Unternehmens und stellen einen Zusammenhang zwischen der * Prof. Dr. Horst Rottmann ist Forschungsprofessor am ifo Institut und lehrt Volkswirtschaftslehre, Finanzmärkte und Statistik an der Fachhochschule Amberg-Weiden; Prof. Dr. Franz Seitz ist Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Geldpolitik und Finanzmärkte, an der Fachhochschule Amberg-Weiden und der WSB Poznan (Polen). Forschungsergebnisse Bewertung einer Anleihe und der Optionspreistheorie her. Dementsprechend ist der unsichere Unternehmenswert der entscheidende Faktor bei der Bestimmung des Kreditrisikos. Diese Überlegungen sollen im Folgenden für den Fall dargestellt werden, dass das Unternehmen sich nur durch die Ausgabe von Aktien und eines Zero-Bonds zum Nominalwert B mit Laufzeit T finanziert. Die Eigenkapitalbesitzer erhalten dann in T entweder den Unterschied zwischen dem Marktwert des Unternehmens VT und B oder nichts. Sobald zum Zeitpunkt T B größer als der Unternehmenswert ist, erhalten die Eigenkapitalgeber nichts, da der gesamte Unternehmenswert an die Anleihegläubiger ausgezahlt wird. Der Wert des Eigenkapitals ET entspricht von der Auszahlungsstruktur genau derjenigen einer Kaufoption (Call C). (1) ET = max(0;VT – B) <–> ET = CT Die Fremdkapitalgeber erhalten den Unterschied zwischen VT und ET. Dieser Wert ist gegeben durch (2) DT = VT – ET = VT – max(0;VT – B) = 0 – max(–VT;– B) = B – max(0;B – VT). Wie man anhand von (2) sieht, lassen sich die Zahlungsansprüche der Fremdkapitalgeber so darstellen, dass sie äquivalent derjenigen aus der Kombination einer risikolosen Anleihe mit Nominalwert B und Laufzeit T sowie der Stillhalterposition bei einer Verkaufsoption (Put P) auf die Assets des Unternehmens mit Ausübungspreis B und Laufzeit T ist. (3) DT = B – PT <–> D = B –P (1+i)T Es ist nun aus der Optionspreistheorie bekannt (siehe Hull 2003, Kap. 8), dass der Wert eines Puts bestimmt wird vom Preis des zugrunde liegenden Basisinstruments, dem Ausübungspreis, der Laufzeit der Option, der Volatilität des Basisinstruments, dem risikolosen Zinssatz und den Dividendenzahlungen während der Laufzeit. Auf unseren Fall übertragen entsprächen diese Größen dem Firmenwert, dem Nominalwert der Fremdkapitalansprüche B, der Restlaufzeit der Anleihe, der Volatilität des Unternehmenswertes und der Rendite einer risikolosen Anleihe. Aus D und B in (3) lässt sich der Renditespread errechnen, der dann vom Wert des Puts und seinen Determinanten bestimmt wird. Neben diesen Größen wird als Maß für die Ausfallwahrscheinlichkeit bzw. die »Recovery Rate« in der Regel auf das Rating großer Ratingagenturen wie Moody’s and Standard & Poor’s zurückgegriffen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass das Rating mehrere Unternehmen in größeren Klassen zusammenfasst (z.B. AAA, A+). Dadurch entsteht innerhalb ei- Tab. 1 Spread, Restlaufzeit und Rating Spread RLZ 196 33,87 73,21 AA 129 66,74 85,03 AA 147 48,05 70,20 A+ 435 55,23 59,26 A 69 125,62 78,20 Rating AAA Häufigkeit A– 469 99,22 44,49 BBB+ 197 169,21 54,88 BBB 72 140,96 64,08 BBB– 82 139,82 54,43 ner Klasse eine gewisse Unternehmensheterogenität. Auch verwenden die Ratingagenturen in der Regel für ihre Beurteilung vor allem Bilanzdaten statt der besser geeigneten Marktdaten (Löffler 2004). Und schließlich ist das Rating nur ein ordinal skaliertes Maß, es ist nur relativ in dem Sinne zu interpretieren, dass ein negativer Schock, der alle Unternehmen trifft, nicht dazu führt, dass alle Unternehmen schlechter eingestuft werden, und es weist eine hohe Persistenz im Zeitablauf auf (Altman und Rijken 2004). Folglich dürften Ratings allein zur Bestimmung von Bondpreisen bzw. Bondspreads, wie häufig aus Modellen der reduzierten Form abgeleitet, unzureichend sein (siehe auch Elton et al. 2004; Perraudin und Taylor 2004). Dies ist auch anhand der Tabelle 1 für den hier verwendeten Datensatz erkenntlich. Man sieht deutlich, dass sich der durchschnittliche Spread nicht monoton mit der Verschlechterung des Ratings erhöht (siehe die fett hervorgehobenen Zahlenwerte). Verwendete Daten Unser Anleihedatensatz bezieht sich auf monatliche Beobachtungen von Nichtbanken-Unternehmen aus dem DAX. Für diese haben wir alle Euro-Festkuponanleihen ohne Zusatzrechte, die am 24. September 2003 existierten, ein Rating aufwiesen und für die mindestens zwölf Beobachtungen vorlagen, verwendet. Insgesamt handelt es sich dabei um 59 Anleihen von 13 Unternehmen, für die seit ihrer Emission Daten vorhanden sind. Die älteste Anleihe wurde im April 1996 ausgegeben; der letzte Beobachtungsmonat ist August 2003. Das Volumen dieser Anleihen machte am 24. September 2003 62,5 Mrd. m aus und entsprach damit knapp 45% des gesamten Anleihemarktes in Deutschland (vgl. Deutsche Bundesbank 2004). Als risikolosen Zins verwenden wir einen interpolierten Punkt auf der EuroBenchmark-Kurve europäischer Staatsanleihen, wie sie von Bloomberg bereitgestellt wird. Neben der historischen Volatilität, gemessen anhand der Standardabweichung, untersuchen wir auch das theoretisch plausiblere Maß der impli57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 11 12 Forschungsergebnisse ziten Volatilität, die aus Optionspreisen abgeleitet wird. Da in den Optionspreisen eine Prognose des Marktes über die zukünftige Entwicklung der Volatilität enthalten ist, würde man erwarten, dass sich die implizite besser als die historische Volatilität für die Prognose der Volatilität eignet. Latane und Rendleman (1976) waren die ersten, die dies empirisch nachgewiesen haben. Beckers (1981) zeigte wiederum, dass sich für die Prognose der impliziten Volatilität am besten Optionen eignen, die nahe »am Geld« sind. Deshalb nehmen wir einen gewichteten Durchschnitt von drei Optionen, die am nächsten »am Geld« sind. Es kann auch gezeigt werden, dass die implizite Volatilität ein unverzerrter Schätzer der zukünftigen Volatilität ist (Day und Lewis 1992). Die Restlaufzeit ist in Monaten gemessen. Dabei wird auch überprüft, ob ein nicht-linearer Zusammenhang zwischen Credit Spread und Restlaufzeit vorliegt. Der Verschuldungsgrad wird gemessen durch das Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital, wobei aus Datenverfügbarkeitsgründen das Fremdkapital im Gegensatz zum Eigenkapital nicht in Marktwerten, sondern nur zu Bilanzwerten gemessen ist. Zusätzlich verwenden wir noch die beiden von Standard & Poor’s und Moody’s ermittelten Größen »Rating« und »Outlook«. Erstere ist eher gegenwarts-, zweitere eher zukunftsbezogen zu interpretieren. Um genügend Beobachtungen pro Ratingklasse zu haben, werden die Ratingkategorien zu vier größeren Einheiten gemäß der Klassifikation von Standard & Poor’s (AAA, AA, A, BBB) aggregiert.1 In den Tabellen 2 und 3 sind einige statistische Kennzahlen des Datensatzes dargestellt. Tabelle 2 veranschaulicht, dass es sich beim Spread insgesamt um 1796 Beobachtungen handelt, wobei der Mittelwert und die Standardabweichung 87,13 bzw. 56,61 Basispunkte betragen. Der Spread schwankt zwischen 17 und 1 Die Zusätze + und – werden im Folgenden also der entsprechenden Klasse zugeschlagen, also z.B. BBB-, BBB und BBB+ zur Klasse BBB. Tab. 2 Spead, Laufzeit und Volatilität Perzentile Prozentpunkte Tab. 3 Statistische Kennziffern ausgewählter Spread-Determinanten Variable Min. Max. 1 796 Obs 3.98 0.87 1.91 6.13 euribor 1 796 3.37 0.84 2.06 5.31 rlz 1 796 59.89 34.45 1.00 180.00 vola_imp 1 640 40.80 12.31 14.42 80.53 vola 1 785 40.40 14.75 10.64 97.14 outlook 1 796 0.09 0.29 0.00 1.00 DtoE 1 796 1.56 2.62 0.04 33.04 274 Basispunkten. Da der Mittelwert (87,13) größer als der Median (72) ist, haben wir den typischen Fall einer rechtsschiefen Verteilung. Tabelle 3 zeigt zunächst, dass die Benchmark-Anleihe (bench) eine durchschnittliche Rendite von knapp 4% aufweist, die zwischen 1,91 und 6,13% schwankt. Gemessen am Drei-Monats-Euribor lag also im Durchschnitt eine normale Zinsstruktur vor. Die durchschnittliche Restlaufzeit beträgt fünf Jahre, die sich aus individuellen Laufzeiten zwischen einem Monat und 15 Jahren zusammensetzt. Jeweils knapp 30% der Anleihen haben eine Laufzeit bis zu 36 Monate bzw. über 72 Monate Die annualisierte implizite Volatilität (vola_imp) schwankt weniger stark als die historische Volatilität (vola). Gemessen an der impliziten Volatilität weisen 23% der Beobachtungen eine Volatilität von bis zu 30% und 36% der Beobachtungen von über 45% aus. Der Outlook ist eine 0-1-Variable; »0« steht dabei für »unverändert«, »1« für »schlecht«.2 Nur bei 9% der Beobachtungen liegt ein negativer Outlook vor. Die letzte Eintragung gibt den Verschuldungsgrad (DtoE) an. Im Durchschnitt beträgt der Verschuldungsgrad das 1,5-Fache des Eigenkapitals, wobei die Spanne von 0,04 bis 33 reicht. Da alle Variablen eine hohe Variabililtät aufweisen, sind prinzipiell die Voraussetzungen für eine ökonometrische Analyse erfüllt. Die ökonometrische Schätzung Beobachtungen 1 796 1 17 Mittelwert 87,13 5 27 Std.abw. 56,61 10 33 25 46,5 50 72 75 110 90 167 95 211 99 274 Der Credit Spread (spread) wird mit Hilfe folgenden Ansatzes geschätzt, bei welchem das obige strukturelle Modell mit einem Ansatz der reduzierten Form kombiniert wird: (4) mit z ≡ AA, A, BBB. 2 ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang Mean Std.Dev. bench Im Beobachtungszeitraum gab es keinen positiven Outlook. Forschungsergebnisse Der Spread der Anleihe i zum Zeitpunkt t soll von einem Vektor an Regressoren x’ abhängen. In diesen Vektor gehen die drei Ratingklassen AA, A und BBB relativ zur besten Ratingkategorie ein (ra_AA, ra_A und ra_BBB), der Outlook (outl), die Restlaufzeit (rlz) linear und quadratisch, die Volatilität (vola), die Benchmark-Rendite (bench) stellvertretend für den risikolosen Zins und der Verschuldungsgrad (DtoE) ein. Der Störterm ε soll so modelliert werden, dass sich darin die spezifischen Charakteristika des Anleihemarktes widerspiegeln. Erstens ist dabei zu berücksichtigen, dass die verschiedenen Anleihen unterschiedlich liquide sind. Dies führt technisch zu einer Heteroskedastizität der Anleiherenditen und damit der Spreads, d.h. die Varianz des Störterms kann nicht als konstant unterstellt werden. Zweitens berücksichtigen wir fixe Unternehmenseffekte, da je nach Unternehmen die Risikoneigung unterschiedlich sein dürfte, es branchenspezifische Eigenarten gibt, das Management unterschiedliche Qualität aufweist und auch je nach Größe des Unternehmens differenzierte Effekte zu erwarten sind. Sowohl die Nullhypothese der Nichtexistenz von unbeobachteten unternehmensspezifischen Effekten als auch die Nullhypothese der Homoskedastizität können eindeutig verworfen werden. Es zeigt sich darüber hinaus, dass die implizite Volatilität, wie theoretisch zu erwarten war, der historischen Volatilität auch bei der Erklärung der Spreads statistisch überlegen ist. Deshalb werden in der folgenden Tabelle 4 nur die Ergebnisse für diesen Fall dargestellt. Man sieht deutlich, dass mit verschlechtertem Rating der Spread signifikant ansteigt. Wenn man z.B. in der Ratingklasse BBB eingestuft ist, ist der Spread relativ zu einem Tab. 4 Schätzergebnisse Methode: Fixed Effects mit Heteroskedastie Koeffizient t-Wert ra_AA 14,44 2,07 ra_A 54,17 6,06 ra_BBB 107,98 11,32 outlook 14,70 6,04 rlz 0,62 10,21 rlz2 – 0,002 – 6,02 vola_imp 0,98 19,35 bench 5,93 7,25 DtoE 0,19 0,56 R2: 0,75a) a) Beim Schätzen eines Verallgemeinerten Regressionsmodells (Heteroskedastie und/oder Autokorrelation der Residuen, GLS ) gibt es kein dem normalen Regressionsmodell entsprechendes R2. Im Allgemeinen ist beim GLS-Modell das R2 nicht auf das Intervall von 0 bis 1 beschränkt und nur schwer interpretierbar (vgl. Greene 2003, 209). Deswegen geben wir hier das R2 für eine Schätzung ohne Berücksichtigung der Heteroskedastie, aber ansonsten identischer Spezifikation, an. AAA-Rating um fast 110 Basispunkte höher. Die entscheidende Frage dabei ist allerdings, ob durch das Rating die Markterwartungen richtig abgebildet werden oder nicht. So hat man z.B. immer wieder festgestellt, dass Ratingklassifikationen sowohl vor- als auch nachlaufend sind, d.h. manchmal reagieren die Märkte vor einer Änderung des Ratings, manchmal erfolgt eine Reaktion erst nach erfolgter Ratingumklassifikation (Felsenheimer 2003; Norden und Weber 2004). Der Einfluss der Restlaufzeit ist insgesamt signifikant positiv und eindeutig nichtlinear. So weist eine Anleihe mit einer Restlaufzeit von 150 Monaten einen um 6 Basispunkte höheren Spread als eine Anleihe mit einer Restlaufzeit von 100 Monaten auf ((0,62·150-0,002·1502) – (0,62·100-0,002·1002)). Deren Spread wiederum ist 16 Basispunkte höher als der einer Anleihe mit einer Restlaufzeit von 50 Monaten. Es handelt sich also um einen konkaven Zusammenhang zwischen Spread und Restlaufzeit. Eine Erhöhung des risikolosen Zinses um einen Basispunkt erhöht den Spread um fast 6 Basispunkte. Die Erhöhung steht im Widerspruch zum Merton-Modell, in welchem der risikolose Zins für das erwartete Unternehmenswachstum steht, ist allerdings kein unübliches Ergebnis in empirischen Untersuchungen (Longstaff und Schwartz 1995; Duffee 1998; Morris et al. 1998). Es kann mit dem Verhalten der Anleger, die z.B. einen Risikoaufschlag auf den risikolosen Zins verlangen, oder mit dem Einfluss des Zinses auf den Unternehmenswert bzw. den Gegenwartswert der zukünftigen Cashflows, begründet werden. Ein höherer Zins reduziert ceteris paribus den Unternehmenswert und erhöht damit den Spread. Eine Erhöhung der impliziten Volatilität um einen Prozentpunkt lässt den Spread um nahezu einen Basispunkt ansteigen. Da die Volatilität zwischen 14 und 80 Prozentpunkten schwankt, ergeben sich daraus deutliche Effekte. Der Verschuldungsgrad dagegen ist insignifikant. Dies dürfte jedoch daran liegen, dass diese Größe bereits durch das Rating mit aufgefangen wird, da die Ratingagenturen bei ihrer Bewertung die Bilanzdaten der Unternehmen intensiv analysieren. Zudem ist der hier verwendete Verschuldungsgrad aus Bilanz- und Marktwerten errechnet und nicht ausschließlich aus Marktwerten. Die Verwendung von Bilanzstatt Marktwerten kann Spreadanalysen deutlich beeinflussen, wie z.B. Löffler (2004) gezeigt hat. Diese Analyse kann nun dafür eingesetzt werden, einen Fair Value für den Credit Spread zu berechnen, mit dem der aktuelle Spread verglichen wird. Der Erklärungsgehalt, gemessen am Bestimmtheitsmaß, von 75% dürfte hierfür ausreichend sein. Der hier verwendete Ansatz könnte natürlich noch dahingehend verfeinert werden, dass weitere Anleihe-, Unternehmens- und Marktcharakteristika mit aufgenommen werden. In diesem Zusammenhang könnte man z.B. an Makrofaktoren, wie die Konjunktur, oder Mikrofaktoren, wie z.B. Marktliquidität, Schiefe und Kurtosis in den 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 13 14 Forschungsergebnisse Anleiherenditen, steuerliche Gesichtspunkte oder die Rolle des »Volatility Smiles« denken. Auch wäre es interessant, Interaktionen zwischen den erklärenden Faktoren, z.B. gerade zwischen Rating und dem Verschuldungsgrad, zu untersuchen oder Banken in die Untersuchung mit aufzunehmen. Für diese könnte eine Spreadanalyse vor allem vor dem Hintergrund des Einflusses auf die Refinanzierungskosten von Interesse sein. Literatur Altman, E.I. und H.A. Rijken (2004), »How Rating Agencies Achieve Rating Stability«, Journal of Banking and Finance 28, 2679–2714. Beckers, S. (1981), »Standard Deviations Implied in Option Prices as Predictors of Future Stock Price Variability«, Journal of Banking and Finance 5, 363–381. Black, F. und M. Scholes (1973), »The Pricing of Options and Corporate Liabilities«, Journal of Political Economy 81, 81–98. Day, T.E. und C.M. Lewis (1992), »Stock Market Volatility an the Information Content of Stock Index Options«, Journal of Econometrics 52, 267–287. Duffee, G.R. (1998), »The Relation between Treasury Yields and Corporate Bond Yield Spreads«, Journal of Finance 53, 2225–2241. Deutsche Bundesbank (2004), »Neuere Entwicklungen am Markt für Unternehmensanleihen«, Monatsbericht April, 15–26. Elton, E.J., M.J. Gruber, D. Agrawal und C. Mann (2004), »Factors Affecting the Valuation of Corporate Bonds«, Journal of Banking and Finance 28, 2747–2767. Felsenheimer, J. 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Sinn und T. Wollmershäuser Die Weltwirtschaft boomt wie seit 28 Jahren nicht mehr, doch die deutsche Wirtschaft macht nicht mit. Es gibt zwar einen Aufschwung, doch ist er angesichts der hohen Verflechtung der deutschen Wirtschaft mit der Weltwirtschaft enttäuschend schwach. Deutschland ist von der Weltkonjunktur entkoppelt und liegt nach wie vor beim Wachstum unter dem Durchschnitt der alten EU-Länder. Insgesamt ist das reale Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2004 nach heutiger Einschätzung nur um 1,7% höher als im Jahr 2003, wobei allein 0,5 Prozentpunkte auf einen Sondereffekt bei den Arbeitstagen zurückzuführen sind. Nur der Export hat sich im Jahr 2004 gut entwickelt. Getrieben durch die Weltkonjunktur wuchs er um stattliche 9,3% in realer Rechnung. Vielen ist es ein Rätsel, warum sich dieses Wachstum in solch geringem Umfang in das gesamte Bruttoinlandsprodukt übertragen hat. Die Lösung des Rätsels liegt zum einen darin, dass ein Teil der Exporte aus importierten Vorleistungen sowie importierter Handelsware bestand, also insofern nur ein durchlaufender Posten war. Zusätzliche Exporte führen nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes nur noch zu etwa 45% zu einer zusätzlichen inländischen Wertschöpfung; 55% der marginalen Exporte sind exportinduzierte Importe (Basareffekt). Zum anderen liegt die Lösung im Schrumpfen der Binnennachfrage. Der private Konsum ging um 0,3% zurück, und die Bruttoanlageinvestitionen verringerten sich um 0,5%. Als gemeinsame Erklärung für die schwache Binnennachfrage kommt das hohe deutsche Lohnkostenniveau in Betracht, das hinter Norwegen die Spitzenposition in der Welt einnimmt und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Arbeitnehmer immer mehr beeinträchtigt. Ungeachtet der strukturellen Schwächen der deutschen Wirtschaft, die noch lange nicht überwunden sind, hängen die weiteren Konjunkturaussichten in hohem Maße von der Entwicklung der Weltkonjunktur ab. Für das Jahr 2005 ist eine Abschwächung der weltwirtschaftlichen Dynamik zu erwarten, ohne dass diese Abschwächung schon einen Abschwung bedeuten würde. In Deutschland dürfte im Jahresdurchschnitt 2005 das reale Bruttoinlandsprodukt um 1,2% steigen, nach Ausschaltung von Kalenderschwankungen sogar um 1,4%. Die Inflationsrate wird im nächsten Jahr voraussichtlich mit 1,4% etwas niedriger sein als in diesem (1,6%). Die Lage am Arbeitsmarkt bleibt trotz der leichten konjunkturellen Erholung angespannt. Im Durchschnitt des Jahres 2005 wird die Arbeitslosenzahl noch um rund 85 000 höher als in diesem sein, wenn man die aus Hartz IV resultierenden Effekte noch nicht berücksichtigt. Die Arbeitslosenquote wird im Jahresdurchschnitt 10,4% betragen, nach 10,3% in diesem Jahr. Überblick: Weltwirtschaft verliert an Fahrt Im Laufe des letzten Jahrzehnts haben sich die Wachstumsperspektiven für die Weltwirtschaft in bemerkenswerter Weise verbessert. Gründe dafür sind zum einen die Integration der ehemaligen Ostblockländer sowie vieler Schwellenländer, vor allem China, in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung, die das Wachstumspotential in diesen Ländern gewaltig erhöht hat. Weiterhin haben neue technologische Entwicklungen auf dem IT-Sektor neue Produktivitäts- und Wachstumspotentiale erschlossen. Die Auswirkungen auf die einzelnen Länder und Weltregionen sind jedoch sehr unterschiedlich. Beide Faktoren sind mit einem hohen strukturellen Anpassungsprozess auch in den Indus- trieländern verbunden. Inwieweit es gelingt, daran zu partizipieren, hängt entscheidend von der Flexibilität der einzelnen Volkswirtschaften ab, insbesondere auch auf dem Arbeitsmarkt. Zusätzlich getrieben von einer sehr expansiven Geld- und Fiskalpolitik in den USA hat die Weltwirtschaft im Jahr 2004 das höchste Wachstumstempo seit fast drei Jahrzehnten erreicht. Seit Mitte 2004 hat die Weltkonjunktur allerdings nun wieder etwas an Fahrt eingebüßt. Nach den Ergebnissen des ifo World Economic Survey (WES) ist der ifo-Indikator für das Weltwirtschaftsklima im vierten Quartal deutlich gesunken, wenngleich er noch immer über dem langjährigen Durchschnitt liegt (vgl. Abb. 1). Die Erwartungen für die nächsten sechs Monate sind erneut etwas 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 16 Daten und Prognosen Abb. 1 zurückgeschraubt worden, während sich die Urteile zur aktuellen Lage noch weiter verbesserten. Für das Jahr 2005 ist zwar eine Abschwächung der weltwirtschaftlichen Dynamik zu erwarten, ein Abschwung ist aber nicht zu befürchten. Im Gegenteil, im nächsten Jahr werden die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter relativ günstig bleiben. In den USA hat sich die Konjunktur im bisherigen Jahresverlauf nur wenig abgeschwächt. Zwar ebbte der massive finanzpolitische Stimulus ab. Auch hat sich der Preisauftrieb infolge der Verteuerung von Energieträgern zuletzt merklich beschleunigt (+ 3,2% im Vorjahresvergleich). Die monetären Rahmenbedingungen sind allerdings immer noch sehr günstig, obwohl die Fed die Federal Funds Rate seit Juni schrittweise um 125 Basispunkte auf 2,25% angehoben hat. Im dritten Quartal betrug das Wachstum der USWirtschaft im Vergleich zum Vorquartal 3,9% (laufende Jahresrate), bei negativem Realzins nach wie vor getragen vom privaten Konsum und dem Export. In Japan dagegen hat sich die Konjunktur im Sommerhalbjahr deutlich abgekühlt, die gesamtwirtschaftliche Produktion war zuletzt nur unwesentlich höher als ein Quartal zuvor (0,2% laufende Jahresrate). Die inländische Verwendung expandierte sehr verhalten¸ der Exportüberschuss nahm sogar ab. Auch in der europäischen Währungsunion (EWU) verlangsamte sich die Konjunktur; der hohe Ölpreis und die Euroaufwertung fordern inzwischen ihren Tribut. Nach ersten Schätzungen von Eurostat expandierte die gesamtwirtschaftliche Produktion im dritten Quartal 2004 mit einer laufenden Jahresrate von 1,1%, im ersten Halbjahr war das durchschnittliche Wachstumstempo mehr als doppelt so hoch gewesen. Zugpferd war weiterhin die Auslandsnachfrage, die sich trotz der kräftigen neuerlichen Aufwertung ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang des Euro behauptete. Die bislang stagnierende Investitionstätigkeit zog erstmals etwas an, der private Konsum blieb allerdings schwach. Die Arbeitslosigkeit nahm bis zuletzt saisonbereinigt zu, die Arbeitslosenquote betrug im September 8,9%. In Deutschland ist die moderate Expansion des realen Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Vierteljahr 2003 nahezu wieder zum Stillstand gekommen, nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes ergab sich im Vergleich zum Vorquartal saisonbereinigt nur noch ein Plus von 0,1% (laufende Jahresrate: 0,4%). Auf der Verwendungsseite kehrten sich die bisherigen Auftriebskräfte um: Die im ersten Halbjahr sehr kräftig gestiegenen Exporte waren im dritten Quartal wieder rückläufig. Zugleich nahmen die Importe stark beschleunigt zu. Per saldo ging vom Exportüberschuss im dritten Quartal ein negativer Beitrag auf die gesamtwirtschaftliche Produktion aus. Die zuvor rückläufige inländische Binnennachfrage zog dagegen etwas an¸ getragen von den Investitionen in Ausrüstungen und vor allem auch in Vorräte. Die Stagnation des realen privaten Konsums hielt aber an; der marginale Realeinkommenszuwachs im dritten Quartal ist von den Haushalten zur Gänze gespart worden. Insgesamt waren die heimischen Auftriebskräfte nicht stark genug, um den Rückgang der Exporte auszugleichen. Auf dem Arbeitsmarkt blieb die Lage desolat. Zwar ist die Zahl der Erwerbstätigen nach revidierten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes seit Jahresanfang 2004 leicht gestiegen. Doch handelt es sich hierbei primär um eine Ausweitung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (Minijobs) sowie zusätzlichen Ich-AGs. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten war saisonbereinigt dagegen bis zuletzt rückläufig. Das Vorjahresniveau wurde im September um 320 000 unterschritten. Die Zahl der Arbeitslosen, die im Laufe des vergangenen Jahres bis einschließlich Januar 2004 als Folge von Änderungen in der statistischen Erfassung und verschärften Anforderungen an die Verfügbarkeit im amtlichen Rechenwerk um etwa 230 000 Personen gesunken war, hat seither wieder deutlich zugenommen. Im November belief sie sich saisonbereinigt auf 4,46 Mill.; die saisonbereinigte Arbeitslosenquote betrug 10,8%. Der Anstieg der Lebenshaltungskosten hat sich im laufenden Jahr wieder merklich erhöht. Seit Mai pendelt die Inflationsrate knapp unterhalb der 2-Prozentmarke, im Dezember 2003 hatte sie noch bei 1% gelegen. Maßgeblich für den Preissprung waren die starke Verteuerung von Energieträgern, kräftige Preisanhebungen für Gesundheitsdienstleistungen im Zuge der Gesundheitsreform und die zweimalige Erhöhung der Tabaksteuer. Daten und Prognosen Weltwirtschaft Zunächst weiter abgeschwächtes Wachstum Die Weltwirtschaft hat sich im Jahr 2004 so kräftig entwickelt, wie seit 1976 nicht mehr, wesentlich getragen durch die konjunkturelle Entwicklung in den Schwellenländern und deren sprunghaft gestiegenen Handel untereinander. Das reale Bruttoinlandsprodukt dürfte um 5,0% gestiegen sein, nach 3,9% im Jahr 2003, auch weil sich bei den Bruttoanlageinvestitionen der kräftige zyklische Aufschwung fortsetzte. Im Verlauf ließ die weltwirtschaftliche Dynamik allerdings seit dem Frühjahr in allen Weltregionen ziemlich simultan, aber in unterschiedlichem Ausmaß nach. Im dritten Quartal hat die Produktion in Japan und in einigen westeuropäischen Volkswirtschaften gegenüber dem Vorquartal sogar unerwartet annähernd stagniert, während sie in den übrigen Weltregionen deutlich aufwärts gerichtet blieb. Ursächlich für die allgemeine Wachstumsverlangsamung waren die weniger expansive Wirtschaftspolitik (in Japan und in den westeuropäischen Volkswirtschaften dämpfte zudem die erhebliche Abwertung des US-Dollar die Exportkonjunktur) sowie der bis in den Herbst hinein sehr kräftige Ölpreisanstieg, der bei den privaten Haushalten einen spürbaren Kaufkraftentzug bewirkte. Der Ölpreis erreichte am 22. Oktober auf der Basis des Composite Index (errechnet aus den Preisen für die Sorten Arabian Light, Brent, West Texas Intermediate) mit 48,6 US-Dollar pro Barrel seinen bisherigen Höchststand, gab anschließend jedoch deutlich nach. Inflationär wirkten ferner die haussierenden Preise für Industrierohstoffe sowie die extrem stark erhöhten Raten für Seefrachten; der Baltic Dry Index erreichte im Herbst den höchsten Stand seit 1985. Die Verbraucherpreise waren, vor allem getrieben von der Energieverteuerung, bis in den Herbst hinein deutlich gestiegen, doch dürfte sich der Preisauftrieb anschließend mit der Verbilligung des Öls wieder verlangsamt haben. Die Weltwirtschaft wird im Jahr 2005 ganz wesentlich davon bestimmt, wie sich die Rohöl- und Rohstoffpreise sowie der Wechselkurs des Dollar entwickeln und wie die Geldund Finanzpolitik in den großen Weltregionen ausgerichtet sein wird. Der Ölpreis dürfte bei ausreichendem Angebot tendenziell im Zuge der bis weit in das Jahr hineinreichenden Verlangsamung des Aufschwungs weiter sinken. Hier wird im Jahresdurchschnitt ein Rohölpreis in der Größenordnung von 37 Dollar pro Barrel – bezogen auf den Composite Index – angenommen, nach etwa 38 Dollar 2004. Die OPEC scheint jüngst ihre längerfristigen Preisvorstellungen auf diese Größenordnung angehoben zu haben, womit die derzeitige offizielle Marge von 22 bis 28 Dollar obsolet werden dürfte. Da die OPEC hinter dem jüngsten Preisrückgang ein Überangebot vermutet, wurde unlängst eine Kürzung der über dem offiziellen Förderlimit von 27 Mill. Barrel täglich liegenden Produktion beschlossen. Ein Risiko für Ver- sorgung und Preisentwicklung bleibt die labile politische Lage im Mittleren Osten. Die Preise für Industrierohstoffe, welche im Schnitt des laufenden Jahres gegenüber 2003 um rund ein Viertel gestiegen waren, dürften allmählich zurückgehen, weil die Weltwirtschaft langsamer wächst, die Förderkapazitäten bei der Rohstoffgewinnung sukzessive ausgeweitet und damit auch die Spekulationsprämien geringer werden. Auch die Frachtraten sinken. Ein erhebliches Risiko für die internationale Wirtschaftsentwicklung bildet der Wechselkurs des US-Dollar. Vor allem gegenüber den westeuropäischen Währungen hat er derzeit ein für den Export bedrohliches Tief erreicht. Entscheidend ist, ob Japan und die ostasiatischen Schwellenländer fortfahren, die amerikanische Valuta zur Förderung ihrer Exporte zu stützen und ihre Dollarguthaben weiter zu erhöhen. Geschieht das nicht und entschließen sich die an den Dollar gebundenen ostasiatischen Währungen nicht zu einer Aufwertung – China lässt trotz Drängens ausländischer Regierungen hierfür derzeit noch keine Neigung erkennen –, dann käme der Dollarkurs und mit ihm die weltwirtschaftliche Entwicklung in erhebliche Turbulenzen. Aber auch die amerikanische Finanzpolitik, und damit die Konjunktur, geriete wegen der bei null liegenden Sparquote der privaten Haushalte in eine Krise, da die Finanzierung des bei 4 bis 41/2% des BIP liegenden Haushaltsdefizits dann nicht mehr wesentlich durch die Käufe von Bonds durch ostasiatische Zentralbanken erfolgen kann. Interventionen zur Stützung des Dollarkurses haben vermutlich den größten Erfolg, wenn sie im internationalen Verbund unter Mitwirkung der USRegierung, die dafür zumindest jetzt noch wenig Neigung zeigt, durchgeführt werden. Hier wird angenommen, dass der Wechselkurs des Dollar im Durchschnitt des Jahres 2005 bei 1,33 Dollar je Euro liegen wird, was gegenüber einem Kurs von 1,24 im Jahr 2004 und 1,13 im Jahr 2003 nochmals eine Aufwertung bedeutet. Von der Geld- und Finanzpolitik wird die Weltwirtschaft weniger als bisher stimuliert. So lässt die expansive Wirkung der Geldpolitik allmählich nach, zumal in den USA der Leitzins über den im Dezember 2004 von 2 auf 2,25% angehobenen Satz hinaus weiter erhöht wird. In China sind allerdings kaum weitere monetäre Restriktionen zu erwarten. Die Finanzpolitik der westlichen Industrieländer wird etwa konjunkturneutral wirken. Im Jahr 2005 bleibt die Weltkonjunktur deutlich aufwärts gerichtet. Bei schwächer werdenden wirtschaftspolitischen Anstößen und dem Durchwirken der zurückliegenden Verteuerung von Erdöl und Industrierohstoffen verliert sie allerdings, und das gilt wiederum annähernd simultan für alle großen Regionen, bis über die Jahresmitte hinaus allmählich weiter an Dynamik. Hierauf lassen auch die mittels Befragungen erhobenen Indikatoren für das Konjunkturklima – z.B. der vom ifo Institut erhobene World Economic Survey – schließen. Anschließend machen sich die Wirkungen der Energie- und Rohstoffverbilligung zunehmend stimulie57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 17 18 Daten und Prognosen rend bemerkbar, da sinkende Teuerungsraten steigende Reallöhne und damit eine Stützung des privaten Konsums bedeuten. Die Investitionen werden weiter von den immer noch niedrigen Zinsen und der im Allgemeinen günstigen Ertragslage stimuliert sowie von der Notwenigkeit, auf den härter werdenden internationalen Wettbewerb mit Rationalisierungs- und Ersatzinvestitionen zu reagieren und auch in Produktinnovationen zu investieren. Im weiteren Verlauf des zweiten Halbjahres dürfte die Weltkonjunktur wieder anziehen, wiederum maßgeblich angeregt durch die Entwicklung in den ostasiatischen Schwellenländern. Das reale Bruttoinlandsprodukt expandiert vermutlich um 4,3%. In den westlichen Industrieländern ist eine Veränderungsrate von 23/4%, in den USA von 3%, im Euroraum von 11/2% und in Japan von 11/4% zu erwarten. Der Preisauftrieb wird bei fortgesetzter Erdölverbilligung im Laufe des Jahres schwächer. Auch erschwert der schärfere Konkurrenzkampf eine Ausweitung der Gewinnmargen. Doch bilden sich die Inflationsraten im Jahresdurchschnitt wegen des Anfang 2005 bestehenden Überhangs gegenüber 2004 im Allgemeinen nur wenig zurück. Der Welthandel nimmt in einer Größenordnung von 71/2% zu, nach ungefähr 10% im Jahr 2004. Vereinigte Staaten: Konjunkturelle Verlangsamung bei weiter hohem »Zwillingsdefizit« Der kräftige Aufschwung der amerikanischen Wirtschaft hat im Verlauf des Jahres 2004 allmählich an Dynamik verloren. Das reale Bruttoinlandsprodukt dürfte um 4,4% gestiegen sein, unterstützt durch weiterhin deutlich expansive Impulse von Seiten der Geld- und Finanzpolitik. Die Zunahme des Bruttoinlandsprodukts wurde von einer sehr starken Binnennachfrage getragen. So wurde der private Konsum bei leicht verbesserter Arbeitsmarktlage – die Beschäftigung stieg um ca. 1% im Jahresdurchschnitt, und die Arbeitslosenquote sank auf 51/2% – wiederum sehr lebhaft ausgeweitet. Mit 3,8% übertraf sein Anstieg denjenigen der realen verfügbaren Einkommen zum wiederholten Male deutlich, so dass die Sparquote auf einen historischen Tiefstand von nahe null gesunken ist. Noch dynamischer als der Konsum entwickelten sich die privaten Investitionen. Die gewerblichen Investitionen expandierten vor dem Hintergrund der Ende 2004 auslaufenden Sonderabschreibungsmöglichkeiten (erfahrungsgemäß führt derlei zu einem Vorziehen der Investitionen), des aus den Flautejahren 2001 und 2002 resultierenden Nachholbedarfs und der eingeläuteten Zinswende mit zum Teil zweistelligen Jahresraten. Der Wohnungsbau nahm bei immer noch günstigen Finanzierungsbedingungen und steigenden Immobilienpreisen nochmals erheblich zu. Der öffentliche Konsum expandierte schwach, obwohl die Militärausgaben deutlich erhöht worden waren. Gebremst wurde die konjunkturelle Entwicklung durch den ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang nochmals erhöhten negativen Außenbeitrag. Zwar stieg die amerikanische Ausfuhr dank kräftig anziehender Auslandsnachfrage und nachgebendem Dollarkurs so stark wie zuletzt 2000, doch expandierte die Einfuhr infolge der dynamischen Binnennachfrage noch kräftiger, so dass in nominaler Rechnung das Defizit der amerikanischen Leistungsbilanz, ca. 670 Mrd. Dollar bzw. 53/4% des Bruttoinlandsprodukts, den höchsten bisher erreichten Stand erreichte. Die Verbraucherpreise sind im Jahresverlauf vor allem infolge stark verteuerter Energie tendenziell beschleunigt gestiegen. Im Jahresdurchschnitt lagen sie um 2,5% über dem Niveau von 2003. Auch die Kerninflationsrate stieg rascher. Die US-Notenbank hat ihren Ende Juni 2004 eingeläuteten Kurs der graduellen Straffung fortgesetzt und den Leitzins in fünf gleichen Schritten von 1,0% auf 2,25% im Dezember erhöht. Der kurzfristige Realzins liegt damit weiter nahe bei null Prozent. Bis zum Ende des Prognosezeitraumes könnte die Federal Funds Rate sukzessive auf ein konjunkturneutrales Niveau von 3,0 bis 3,5% erhöht werden. Damit wirkt die Notenbank aufkommenden Inflationserwartungen nicht nur entgegen, sondern nutzt die günstige Konjunkturentwicklung, sich für die Zukunft einen Zinssenkungsspielraum zu verschaffen. Die Unterstützung des Dollar steht hingegen nicht im Vordergrund, zumal eine schwache Inlandswährung die Verringerung des hohen Leistungsbilanzdefizits unterstützen sollte. Die Geldpolitik stimuliert die Konjunktur zunächst weiter, wenn auch mit schwächer werdender Intensität. Gegen Ende des Prognosezeitraumes dürfte sie auf einen konjunkturneutralen Kurs einschwenken. Die Finanzpolitik wird wieder restriktiver. Zwar haben die ersten Amtshandlungen der wieder gewählten Regierung gezeigt, dass die offiziell geplante Halbierung des Budgetdefizits in den nächsten fünf Jahren in der Praxis nicht zu realisieren ist. So wurden die ursprünglich Ende 2004 auslaufenden Steuervergünstigungen für private Haushalte verlängert. Doch wird der Zuwachs der öffentlichen Ausgaben begrenzt, wobei die Etats für Heimatschutz und Verteidigung allerdings ausgenommen sind. Berücksichtigt man, dass militärische Operationen und der Wiederaufbau in Afghanistan und im Irak weiterhin zunehmende Aufwendungen erfordern, ist zu erwarten, dass das strukturelle gesamtstaatliche Defizit im kommenden Jahr in Relation zum Bruttoinlandsprodukt nach 4,6% im Jahr 2004 eine Größenordnung von 4% erreicht. Es wird also insofern ein leicht negativer konjunktureller Impuls ausgelöst. Die Teilprivatisierung der staatlichen Rentenversicherung stellt nur eine optische Belastung für die Staatsausgaben dar. So soll zwar der beim Übergang vom Umlage- zum Kapitaldeckungsverfahren entstehende Finanzierungsbedarf von 1 000 bis 2 000 Mrd. Dollar zur Vermeidung von Steu- Daten und Prognosen Abb. 2 ererhöhungen zunächst über zusätzliche Schulden finanziert werden. Da hierbei jedoch nur die implizite Staatsschuld der Rentenversicherung in eine explizite Schuld umgewandelt wird, sind keine besonderen ökonomischen Effekte zu erwarten. Mit dem weiteren Anstieg der Fehlbeträge in Leistungsbilanz und Staatshaushalt, dem so genannten »Zwillingsdefizit«, in Zusammenhang mit der weiter gesunkenen und für eine hoch entwickelte Volkswirtschaft völlig ungenügenden Sparquote ist nicht nur der Balanceakt für die amerikanische Wirtschaftspolitik, sondern auch das Risiko für die weltwirtschaftliche Entwicklung noch größer geworden. Bei weiterhin – wenn auch abgeschwächt – expansiver Wirtschaftspolitik dürfte die Konjunktur bis weit ins Jahr 2005 hinein langsam an Tempo verlieren. Im späteren Verlauf des Jahres werden anziehende Weltkonjunktur und durch verbilligte Energie entstehende Kaufkraftgewinne eine neuerliche Beschleunigung einleiten. Das reale Bruttoinlandsprodukt wächst im Jahresdurchschnitt mit 3,0%, eine Rate nahe dem Potentialzuwachs (vgl. Abb. 2). Dabei verliert die Binnennachfrage an Schwung, während der Außenbeitrag bei stetig steigendem Export und langsamer zunehmendem Import weniger negativ wird. Der private Konsum expandiert verlangsamt, um etwa 3%, da sich die Sparquote bei steigenden Zinsen erhöht und eine nennenswerte Entspannung auf dem Arbeitsmarkt ausbleibt; die Beschäftigung dürfte kaum noch steigen und die Arbeitslosenquote auf 51/4% im Jahresdurchschnitt zurückgehen. Die privaten Investitionen nehmen erneut stärker zu als das Bruttoinlandsprodukt, expandieren aber deutlich weniger dynamisch als im laufenden Jahr. Der Wegfall der Sonderabschreibungen Ende 2004, sukzessiv steigende Zinsen sowie zunächst nicht mehr so günstiger Absatz- und Ertragserwartungen reduzieren das Wachstum auf etwa 6%. Die Nachfrage der öffentlichen Hand dürfte weiterhin um etwa 2% steigen. Günstiger als bisher entwickelt sich der Außenbeitrag. Trotz des bis weit in das Jahr 2005 hinein nachlassenden weltwirtschaftlichen Aufschwungs, gewinnt der Export an Dynamik, stimuliert durch den deutlich niedriger bewerteten Dollar. Aus dem gleichen Grund sowie infolge der weniger lebhaften Einkommensentwicklung im Inland verlieren die Importe an Tempo. Wegen der kurzfristigen Anomalität der Leistungsbilanzreaktion, die durch bloße Preiseffekte zustande kommt, wird das Leistungsbilanzdefizit jedoch zunächst noch weiter steigen. Es könnte einen Wert von 6% des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Der Anstieg der Verbraucherpreise wird bei sinkenden Energiepreisen und weniger dynamischer Konjunkturentwicklung allmählich langsamer. Im Jahresdurchschnitt beläuft sich die Inflationsrate vermutlich auf 21/2%. Japan: Binnenwirtschaft wächst langsam, aber stetig Der starke Aufschwung der japanischen Volkswirtschaft, der nach einem Jahrzehnt der Stagnation im Frühjahr 2003 eingesetzt hatte, fand im zweiten Quartal 2004 ein abruptes Ende. Im Sommerhalbjahr haben eine deutlich langsamer wachsende Ausfuhr sowie ein schwächer expandierender privater Konsum zu einer von den Klimaindikatoren nicht signalisierten Stagnation der Produktion geführt. Verstärkt wurde die wirtschaftliche Schwäche durch ein weniger günstiges wirtschaftpolitisches Umfeld. Der weiterhin expansiven Zinspolitik der Zentralbank standen eine nominale Aufwertung des Yen sowie deutlich rückläufige staatliche Investitionen gegenüber. Das reale Bruttoinlandsprodukt dürfte im Jahresdurchschnitt 2004 dank eines hohen Überhanges zu Jahresbeginn und eines starken ersten Quartals um 2,9% gewachsen sein.1 Den kräftigsten Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Nachfrage leistete weiterhin die Ausfuhr vor allem in die asiatischen Schwellenländer. Ebenfalls kräftig, wenngleich langsamer als der Export, stieg die Einfuhr, so dass sich wieder ein positiver Außenbeitrag ergab. Der Leistungsbilanz1 Mit der zweiten vorläufigen Schätzung für das dritte Quartal 2004 wurde die japanische volkswirtschaftliche Gesamtrechnung auf Vorjahrespreisbasis umgestellt (Referenzjahr 2000). Aufgrund der konzeptionellen Unterschiede zur bisherigen VGR auf Festpreisbasis sind die neuen amtlichen Ergebnisse mit den früher veröffentlichten Angaben nur eingeschränkt vergleichbar. 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 19 20 Daten und Prognosen Abb. 3 überschuss stieg auf reichlich 4% im Verhältnis zum BIP. Anregend wirkten weiterhin die privaten Investitionen. Die gewerblichen Investitionen sind, wenngleich nicht ganz so lebhaft wie im Vorjahr, stark überdurchschnittlich gewachsen, stimuliert durch niedrige Zinsen, eine verbesserte Ertragslage und eine deutlich erhöhte Kapazitätsauslastung in der verarbeitenden Industrie. Der Wohnungsbau nahm moderat zu, nachdem er zuvor über mehrere Jahre hinweg zurückgegangen war. Demgegenüber hat die öffentliche Hand ihre Investitionen abermals stark reduziert, vor dem Hintergrund des nach wie vor sehr hohen Haushaltsdefizits und der auf rund 165% des BIP gestiegenen Staatsverschuldung. Der öffentliche Verbrauch hat sich weiterhin leicht erhöht. Der private Konsum ist verlangsamt gestiegen. Zum einen machte sich die leichte Entspannung auf dem Arbeitsmarkt beim realen verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte kaum bemerkbar, zum anderen ist die seit langem rückläufige Sparquote der privaten Haushalte wegen der unsicheren Finanzierung der staatlichen Altersversorgung sowie der hohen Staatsschulden deutlich gestiegen. Die Beschäftigung nahm leicht zu, und die Arbeitslosenquote sank im Jahresdurchschnitt auf 4,8%. Die japanische Deflation ist trotz der Konjunkturbelebung noch nicht ganz überwunden. Die Konsumentenpreise lagen im Jahresdurchschnitt um 0,1% unter dem Niveau des Vorjahres. Stabil gehalten wurde das Preisniveau durch die Aufwertung des Yen, den weiteren Rückgang der Arbeitskosten sowie die konjunkturbedingt beschränkte Möglichkeit zur Überwälzung gestiegener Vormaterialpreise. Auch ist die japanische Wirtschaft der Liquiditätsfalle, in der sie nun schon seit Jahren steckt, noch nicht entkommen. Für einen Abbau des Liquiditätsüberhangs der Wirtschaft war die bisherige Expansion noch nicht stark genug. Allerdings kündigt sich ein Ende der Nullzinsphase insofern an, als die langfristigen Zinsen seit Anfang 2003 wieder etwas gestiegen sind. Bei einer weiteren deutlichen Aufwertung des Yen ist zu erwarten, dass die japanische Zentralbank erneut an den Devisenmärkten intervenieren wird. Dies, obwohl sie infolge jahrelanger Interventionen weltweit die mit Abstand größten Devisenreserven angehäuft hat. Das Dilemma der Finanzpolitik besteht weiterhin darin, den Staatshaushalt konsolidieren zu müssen, ohne dabei durch zu restriktive Maßnahmen die Konjunktur stärker zu dämpfen. Das strukturelle Staatsdefizit liegt weiterhin über 6%. Die besorgniserregende Schuldenpolitik des japanischen ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang Staates, die die Schuldenstandsquote auf inzwischen 160% erhöht hat, wird derweil noch fortgesetzt. Das reale Bruttoinlandsprodukt dürfte im Jahr 2005 um 1,2% expandieren (vgl. Abb. 3). Die weltwirtschaftliche Entwicklung sowie Klimaindikatoren – wie die neueste Tankan-Umfrage – lassen zunächst auf eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums schließen. Danach wird die jüngste konjunkturelle Schwächephase von einer allmählichen Ausweitung der gesamtwirtschaftlichen Produktion abgelöst. Der private Verbrauch wächst moderat, gestützt von mäßigen Reallohnzuwächsen, weiterhin niedrigen Zinsen und einer verbesserten Arbeitsmarktlage. Die Beschäftigung dürfte leicht zunehmen und die Arbeitslosenquote auf 41/2% sinken. Die Bruttoanlageinvestitionen steigen kaum noch. Zwar expandieren die Unternehmensinvestitionen weiter, angeregt durch nach wie vor günstige Finanzierungsbedingungen, eine weiter verbesserte Ertragslage und im späteren Verlauf des Jahres günstigere Absatzerwartungen. Auch der Wohnungsbau wird weiterhin durch niedrige Zinsen und die sich allmählich verbesserte Einkommenssituation der privaten Haushalte gestützt. Dagegen fährt der unter Konsolidierungszwängen stehende Staat seine Anlageinvestitionen weiter stark zurück. Deutlich sinken wird auch die Zunahme des Außenbeitrags. Die schwächere Auslandsnachfrage und der stärkere Yen bewirken zunächst einen langsameren Anstieg der Exporte. Mit der im späteren Verlauf des Jahres anziehenden Weltkonjunktur ist jedoch wieder eine Beschleunigung der Ausfuhr zu erwarten. Die moderate Konjunkturentwicklung, stabile oder sinkende Einfuhrpreise sowie weiter rückläufige Arbeitskosten sprechen für eine im Jahresdurchschnitt neuerlich bei null liegenden Veränderungsrate der Konsumentenpreise. Daten und Prognosen Ostasiatische Schwellenländer: Etwas weniger rasantes Wirtschaftswachstum In den ostasiatischen Schwellenländern hatte die Konjunktur im zweiten Halbjahr 2003 sprunghaft Tritt gefasst, nachdem die in der ersten Jahreshälfte stark dämpfenden Faktoren (SARS, Irak-Konflikt) rasch abgeklungen waren. Gestützt wurde die Entwicklung vor allem durch eine zumeist expansiv ausgerichtete Wirtschaftspolitik, einen dynamischen Prozess gegenseitiger konjunktureller Aufschaukelung und durch den weltwirtschaftlichen Aufschwung im Allgemeinen sowie in den USA und in Japan im Besonderen. Im Jahr 2004 setzte sich die von einer deutlichen Beschäftigungszunahme begleitete sehr dynamische Entwicklung aller Nachfrageaggregate (lediglich in Südkorea lahmte die Inlandsnachfrage) fort, weiterhin stimuliert durch das weltwirtschaftliche Wachstum, aber allmählich gedämpft durch die neuerliche starke Verteuerung von Rohöl und Industrierohstoffen, sowie verschiedentlich – etwa in China und Thailand – leicht gebremst durch eine weniger expansive Wirtschaftspolitik und zunehmende Probleme verschiedenster Art. Die Zentralbanken blieben um einen möglichst stabilen Wechselkurs ihrer Währungen gegenüber dem US-Dollar bemüht, um die preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Dies führte zu enormen Interventionen an den Devisenmärkten zur Stützung des Dollarkurses, begleitet von rekordhohen Käufen amerikanischer Staatsanleihen. Motor des wirtschaftlichen Wachstums der Region mit Sogwirkung auch auf Lateinamerika, Australien und die westlichen Industrieländer blieb China, wo zunehmend Symptome wirtschaftlicher Überhitzung – Schwierigkeiten bei der Energieversorgung und im Transportwesen sowie bis weit in das Jahr hinein ein kräftiger Preisanstieg – auftraten. Bereits im Sommer 2003 waren Maßnahmen zur Dämpfung der rasanten Kreditexpansion ergriffen und, da sie so gut wie nicht gefruchtet hatten, im laufenden Jahr verstärkt worden; zuletzt wurde im Oktober der Schlüsselzins für Bankkredite von 5,31 auf 5,58% und der Zins für Bankeinlagen von1,98 auf 2,25% angehoben. Zudem galten für Mai/Juli Preiskontrollen, große Investitionsprojekte wurden überprüft und die Genehmigung verschiedentlich verweigert. Daraufhin ließ das Wirtschaftswachstum allmählich nach. Die Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts dürfte mit rund 9% nur wenig geringer als 2003 (9,3%) gewesen sein, wobei sich der Außenbeitrag spürbar verschlechterte und die Leistungsbilanz zuletzt in die roten Zahlen rutschte. Das Wirtschaftswachstum aller ostasiatischen Schwellenländer dürfte bei 8% gelegen haben. Bis ins Jahr 2005 hinein ist eine allmähliche konjunkturelle Abschwächung abzusehen, die erst im späteren Verlauf in eine neuerliche Beschleunigung umschlägt. Die Zunahme der Produktion dieser Region liegt nach wie vor weit höher als in der übrigen Welt. Damit bleibt auch der starke Im- portsog erhalten, nur etwas weniger ausgeprägt; in Südkorea hingegen bringt die bis zuletzt verstärkt expansive Wirtschaftspolitik die Inlandsnachfrage in Schwung. Retardierend wirken zunächst das langsamere Wirtschaftswachstum in China, in den USA sowie in Japan und das zunächst noch kaufkraftmindernde Durchwirken der sehr starken vorjährigen Preissteigerungen bei Erdöl und Industrierohstoffen. Eine verschiedentlich befürchtete »harte Landung« der chinesischen Konjunktur ist wenig wahrscheinlich, auch weil Kreditrestriktionen zunehmend durch ein Ausweichen auf den grauen Kreditmarkt umgangen werden. Zu groß ist die Notwendigkeit eines weiterhin sehr hohen Wirtschaftswachstums mit Blick auf zahlreiche großen Probleme wie: Stromknappheit und Transportengpässe, marode Staatsbetriebe, mit uneinbringlichen Krediten schwer belastete Banken, hohe Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, große Armut in weiten Gebieten, Umweltschäden, etc. Amtlicherseits wird eine Steigerung der Produktion um rund 8% als Minimum angesehen, um die Situation im Griff zu behalten. Auch werden die Kapazitätsengpässe vor allem bei der Energieversorgung und im Transportwesen nicht mehr so ausgeprägt sein. Der in den letzten Monaten deutlich verlangsamte Preisanstieg verringert zudem die Notwendigkeit weiterer wirtschaftspolitischer Bremsmanöver. Offiziell wird für 2005 eine Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts in der Größenordnung von 7% angestrebt. In den neunziger Jahren wurden die Produktionszahlen von den Provinzialverwaltungen nach oben »geschönt«, um den Vorgaben der Zentralregierung zu entsprechen. Nun dürften die Zahlen aus dem gleichen Grund nach unten frisiert werden. Vermutlich liegt die Veränderungsrate bei 8%. Mit Blick auf das geringere Wirtschaftswachstum, die erheblichen Strukturprobleme und die beträchtliche Arbeitslosigkeit dürfte man dem Drängen nach größerer Flexibilität des Yuan-Kurses, wenn überhaupt, nur so zögerlich nachgeben, so dass die preisliche Wettbewerbsfähigkeit annähernd gewahrt bleibt. Für die übrigen südostasiatischen Schwellenländer (sie haben jüngst die Bildung einer Freihandelszone unter Einschluss Chinas beschlossen, was den Investitionen schon kurzfristig Auftrieb geben dürfte), deren Inlandskäufe nicht wesentlich an Schwung verlieren, bedeutet das immer noch sehr starke chinesische Wirtschaftswachstum eine wesentliche Stütze der Exportdynamik, da nun die Lieferungen nach Nordamerika weniger lebhaft ausgeweitet werden. Das reale Bruttoinlandsprodukt der ostasiatischen Schwellenländer dürfte um 63/4% expandieren, wobei die Beschäftigung weiter steigt und der Preisauftrieb mit sinkenden Ölpreisen allmählich schwächer wird. Russland: Wirtschaftspolitik stimuliert kräftig In Russland blieb die Konjunktur bis Mitte 2004 stark aufwärts gerichtet, stimuliert von der stark gestiegenen Ausfuhr und einer deutlich expansiven Geldpolitik; die Finanz57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 21 22 Daten und Prognosen politik war hingegen etwa neutral ausgerichtet. Da Energieträger und Industrierohstoffe den mit weitem Abstand größten Anteil am Export stellen, profitierte die Volkswirtschaft sehr erheblich sowohl von der ausgesprochen lebhaften Nachfrage nach diesen als auch von deren rasant gestiegenen Preisen. Hierdurch wurde nicht nur der Import, sondern auch die Binnennachfrage angeregt. Das galt zunächst besonders für die Bruttoanlageinvestitionen, die bei kräftig verbesserten Erträgen und günstigen Finanzierungsbedingungen nun auch außerhalb des Energie- und Rohstoffsektors deutlich an Dynamik gewannen. Hier kam es indes im dritten Quartal zu einem Einbruch, ausgelöst von den Geschehnissen um den Erdölkonzern Yukos, aber auch als Folge der erheblich gesunkenen Wettbewerbsfähigkeit des Nichtrohstoffsektors im Zuge der starken Aufwertung des Rubel. Gleichzeitig setzte sich die Verschlechterung des Außenbeitrags fort bei dynamisch steigendem Import und nachlassendem Schwung bei den Ausfuhren. Da sich die Terms of Trade erneut wesentlich verbesserten, wies die Leistungsbilanz gleichwohl ein in Relation zum BIP auf rund 91/2% erhöhtes Aktivum aus. Obwohl der zuvor schon sehr rasch zunehmende private Verbrauch beschleunigt ausgeweitet wurde – die Reallöhne wurden sehr kräftig erhöht, und die Beschäftigung ist bei sinkender Arbeitslosenquote spürbar ausgeweitet worden –, wuchs die Wirtschaft im zweiten Halbjahr merklich langsamer als zuvor. Das reale Bruttoinlandsprodukt dürfte um 63/4% zugenommen haben. Der Preisauftrieb blieb auf der Verbraucherstufe im zweistelligen Bereich, obwohl zu Jahresbeginn die Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte auf 18% gesenkt und die Verkaufssteuer abgeschafft wurden und sich die Importe wegen des steigenden RubelKurses verbilligten. Das reale Bruttoinlandsprodukt dürfte im Jahr 2005 mit rund 51/4% erheblich langsamer zunehmen als in den Jahren zuvor. Dies ist im Wesentlichen auf eine deutliche Verschlechterung des Außenbeitrags zurückzuführen, da die Diskrepanz zwischen Import- und Exportwachstum noch größer wird, auch weil die Weltwirtschaft langsamer wächst. Die Inlandsnachfrage expandiert ebenfalls bis weit in das Jahr hinein nicht mehr so lebhaft, obwohl die Geldpolitik weiterhin kräftig stimuliert und die Finanzpolitik deutlich expansiv wirkt; die öffentlichen Haushalte weisen gleichwohl immer noch einen Finanzierungsüberschuss aus. Das regt die Investitionstätigkeit vor allem dort an, wo öffentliche Aufträge hin fließen – u.a. in die Rüstung. Im Erdöl- und Erdgassektor sowie in anderen Bereichen dürfte die Investitionsflaute bald überwunden werden. Der private Verbrauch nimmt bei nach wie vor sehr hohen Reallohnsteigerungen, wachsender Beschäftigung und weiter rückläufiger Arbeitslosigkeit erneut stark zu. Der Preisauftrieb dürfte trotz weiterer Importverbilligungen kaum unter 10% sinken, was wesentlich auf die vorherrschenden Monopole und Kartelle zurückzuführen ist. Das Aktivum der Leistungsbilanz verifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang ringert sich nochmals erheblich, auch weil sich die Terms of Trade infolge rückläufiger Erdöl- und Rohstoffpreise erheblich verschlechtern. Lateinamerika: Exportdynamik hat Binnensektoren erfasst Die Volkswirtschaften Lateinamerikas waren im zweiten Halbjahr von einer konjunkturellen Belebung erfasst worden, die einer mehr als dreijährigen Phase annähernder Stagnation ein Ende setzte. Bis weit in das Jahr 2004 hinein verstärkte sich das Wirtschaftswachstum, auch weil die Ausfuhr dynamisch expandierte. Diese erhielt vom weltweiten Wirtschaftsaufschwung, vor allem aber von den Lieferungen nach Südostasien im Allgemeinen und nach China im Besonderen kräftige Anstöße. Der Absatz nicht nur von Industrierohstoffen, sondern auch von Agrargütern erlebte einen Boom. Da gleichzeitig die Weltmarktpreise für Industrierohstoffe haussierten, verbesserten sich die Terms of Trade wichtiger lateinamerikanischer Länder nochmals erheblich. Verschiedentlich wurde an den Devisenmärkten interveniert, um den Dollarkus nicht zu weit abgleiten zu lassen. Die zusammengefasste Leistungsbilanz wies neuerlich einen Überschuss aus, auch weil der Export immer noch rascher stieg als der Import, welcher von der binnenwirtschaftlichen Erholung kräftig stimuliert wurde. Diese erfasste alle großen Nachfrageaggregate. Exportsog, zunehmend verbesserte Absatzaussichten im Inland, steigende Kapazitätsauslastung und günstigere Ertragsentwicklung ließen die Bruttoanlageinvestitionen trotz nach wie vor hoher Zinsen spürbar steigen. Der private Konsum gewann langsam an Schwung, angeregt durch etwas höhere Reallöhne und die allmählich zunehmende Beschäftigung. In Brasilien stimulierten neben dem Exportboom die 2003 erfolgten monetären Lockerungen, während die Finanzpolitik auf konsolidierungsorientiertem Kurs blieb. Allerdings schwankte das Vertrauen ausländischer Anleger zeitweilig stark, mit Auswirkungen auch auf die Zins- und Wechselkursentwicklung. Mexiko profitierte nun kräftig vom Aufschwung in den USA, wohin ca. 90% der Warenausfuhr gingen, bis weit in das Jahr hinein gestützt durch eine stetige Abwertung des Peso. Die argentinische Wirtschaft, belastet mit einer hohen Auslandsverschuldung, konnte das vorjährige Expansionstempo zwar nicht halten, doch war die konjunkturelle Dynamik immer noch erheblich. In Venezuela klang die krisenhafte Situation allmählich ab, bedingt durch die politische Stabilisierung und sehr stark erhöhte Exporterlöse. Das reale Bruttoinlandsprodukt der Region dürfte um rund 5% gestiegen sein, nach 1,7% im Jahr 2003. Die Konsumentenpreise erhöhten sich zuletzt mit zeitlicher Verzögerung gegenüber den Großhandelspreisen wieder rascher, als Folge sowohl der erheblich gestiegenen Erdöl- und Rohstoffpreise als auch der kräftigeren Inlandsnachfrage. Daten und Prognosen Für das Jahr 2005 ist im Verlauf eine nur allmähliche Verlangsamung des Wirtschaftswachstums zu erwarten. Der durch die nachlassende weltwirtschaftliche Expansion bedingt abgeschwächte Ausfuhranstieg wird durch die Zunahme der Inlandskäufe nicht ganz kompensiert. Besonders der Absatz in den USA wächst schwächer, während die hohe Dynamik der Lieferungen in die ostasiatischen Schwellenländer nur wenig nachlässt. Da zudem die Hausse bei den Rohstoffpreisen endet und die Rohölpreise weiter sinken, während die Einfuhr zunächst noch beschleunigt ausgeweitet wird, geht das Aktivum der zusammengefassten Leistungsbilanz erheblich zurück. Die inländische Verwendung bleibt auf breiter Front robust aufwärts gerichtet. Der private Konsum wird besonders von der steigenden Beschäftigung stimuliert. Weiter verbesserte Absatz- und Ertragserwartungen, steigende Auslastung der Kapazitäten sowie anhaltend günstige wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen stützen trotz langsam anziehender Zinsen die Zunahme der Bruttoanlageinvestitionen. Namentlich die längerfristig bei auskömmlichen Preisen deutlich zunehmende Nachfrage nach Industrierohstoffen und Agrargütern – besonders aus China, das sich jetzt energisch in der Rohstoffgewinnung und in anderen Sektoren vor allem in Argentinien, Brasilien und Chile engagiert – regt nicht nur Investitionen in diesen Bereichen, sondern auch den Ausbau der Infrastruktur an. Das gilt besonders für Brasilien, vorausgesetzt, dass es nicht wieder zu wirtschaftspolitischen Irritationen kommt. Auch in Venezuela dürfte bei anhaltender politischer Konsolidierung verstärkt in die Förderung von Bodenschätzen investiert werden, zumal im Erdölsektor diesbezüglich jahrelang nur wenig passiert ist. Die mexikanische Wirtschaft wird von der gegenüber 2004 deutlich schwächeren Konjunktur in den USA erheblich getroffen. Zudem leidet die Investitionstätigkeit unter der Reformunwilligkeit und den Unsicherheiten im Vorfeld der 2006 fälligen Präsidentschaftswahlen. Und das Anfang des Jahres auslaufende Quotensystem im internationalen Textilhandel wirkt nachteilig auf Textilproduktion und -export. In Argentinien festigt sich die Inlandsnachfrage bei anhaltend lebhaften Agrarexporten weiter. Das zusammengefasste Bruttoinlandsprodukt Lateinamerikas dürfte um rund 4% expandieren, bei kaum verlangsamtem Preisauftrieb. differierten. So bildeten Italien und Portugal mit Raten von rund 1% die »Schlusslichter« (vgl. Tab. 1), während die Volkswirtschaften Griechenlands (bedingt durch die Olympiade), Irlands, Finnlands und Spaniens am lebhaftesten expandierten. Die inländische Verwendung stieg bei annähernd neutraler Finanz- und weiterhin expansiver Geldpolitik mäßig. In Spanien, aber auch in Frankreich, Griechenland und in Irland erhöhte sie sich besonders kräftig. In Deutschland hat diese hingegen auf dem Niveau von 2003 stagniert – es war das schlechteste Resultat aller westlichen Industrieländer. Euroraum: Vorübergehende Konjunkturverlangsamung Von der Wirtschaftspolitik sind im Jahr 2005 kaum noch anregende Wirkungen auf die Konjunktur im Euroraum zu erwarten. Zwar stimuliert die Geldpolitik weiterhin, doch bleibt die Finanzpolitik konjunkturneutral, und der gestiegene Wechselkurs des Euro wirkt retardierend. Die Lohnpolitik steht einer nachhaltigen Belebung der Investitionsgüternachfrage noch immer im Weg. Die Europäische Zentralbank setzte ihren expansiven geldpolitischen Kurs fort und beließ den maßgeblichen Leitzins bei 2%. Bei einer Kerninflationsrate von zuletzt 1,9% bedeutet dies einen kurzfristigen Realzins von nahe null. Die Rendite 10-jähriger Staats- Im Euroraum setzte sich die vor allem von der Ausfuhr getragene Erholung der Produktion im Frühjahr 2004 in beschleunigtem Tempo fort. Anschließend ließ das Wachstum jedoch nach, bedingt durch die starke Aufwertung des Euro, die erhebliche Verteuerung des Rohöls sowie die verlangsamte konjunkturelle Gangart in einigen anderen Weltregionen. Das reale Bruttoinlandsprodukt nahm um 13/4% zu, wobei die Wachstumsraten von Land zu Land erheblich Der private Konsum im Euroraum tendierte verhalten aufwärts. Vor allem infolge der erheblichen Energieverteuerung sind die realen verfügbaren Einkommen im Sommerhalbjahr verlangsamt gestiegen, und die Beschäftigung erhöhte sich nur wenig. Die Bruttoanlageinvestitionen, deren mehrjährige Rezession erst Mitte vergangenen Jahres zum Stillstand gekommen war, haben sich noch nicht wirklich erholt. Die Bauinvestitionen gingen, wenn auch verhaltener, immer noch zurück, und die Ausrüstungsinvestitionen entwickelten sich trotz der Exportdynamik kaum. Auch ist die Auslastung der Kapazitäten in der verarbeitenden Industrie nur langsam gestiegen und lag weiterhin nur noch leicht unter dem langfristigen Durchschnitt. Der Export, stimuliert vom kräftigen Wirtschaftswachstum in anderen Weltregionen, stieg deutlich stärker als die Einfuhr, so dass sich der Außenbeitrag verbesserte. Obwohl sich die Terms of Trade infolge stark erhöhter Energie- und Rohstoffpreise spürbar verschlechterten, ergibt sich im Jahresergebnis in der Leistungsbilanz erneut ein Überschuss. Die Erwerbslosenquote verharrte das ganze Jahr über bei 9%, obwohl die Beschäftigung weiter leicht zunahm. Die Konsumentenpreise (HVPI) stiegen im Euroraum vor allem infolge der neuerlichen kräftigen Verteuerung von Mineralölprodukten im Herbst beschleunigt, obwohl die Aufwertung des Euro den Importpreisanstieg dämpfte. Im Jahresmittel lagen sie um rund 2% über dem vergleichbaren Vorjahresstand – nach 2,1% im Durchschnitt 2003 –, wobei erneut vielfach indirekte Steuern, Gebühren, Abgaben und administrierte Preise heraufgesetzt worden waren. 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 23 24 Daten und Prognosen Tab. 1 Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote in Europa Gewicht (BIP) in % Bruttoinlandsprodukt Verbraucherpreise 3) Arbeitslosenquote Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in % 2003 2004 2005 2003 2004 2005 4) in % 2003 2004 2005 Deutschland 21,9 -0,1 1,7 1,2 1,0 1,6 1,4 9,6 9,7 9,8 Frankreich 15,9 0,5 2,1 1,6 2,2 2,4 1,9 9,4 9,6 9,6 Italien 13,4 0,3 1,2 1,2 2,8 2,3 2,2 8,6 8,1 7,9 Spanien 7,6 2,5 2,6 2,4 3,1 3,1 3,0 11,3 11,0 10,7 Niederlande 4,7 -0,9 1,4 1,1 2,2 1,5 1,4 3,8 4,8 5,2 Belgien 2,8 1,3 2,6 2,3 1,5 1,9 1,7 8,0 8,6 8,7 Österreich 2,3 0,8 1,8 2,1 1,3 1,9 1,7 4,3 4,2 4,0 Griechenland 1,6 4,5 3,7 2,6 3,4 3,1 3,4 9,3 8,9 9,0 Finnland 1,5 2,0 3,0 2,6 1,3 0,1 1,6 9,0 9,0 8,8 Irland 1,4 3,7 4,5 4,1 4,0 2,3 2,8 4,6 4,5 4,5 Portugal 1,3 -1,2 1,1 1,0 3,3 2,5 2,3 6,3 6,4 6,5 Luxemburg 0,2 2,9 2,8 2,8 2,5 3,3 2,9 3,7 4,3 4,7 1) 74,5 0,5 1,8 1,5 2,1 2,1 1,9 8,9 8,9 8,8 16,3 2,2 3,2 2,4 1,4 1,3 1,8 5,0 4,7 4,7 Schweden 2,7 1,5 3,5 3,0 2,3 1,2 1,6 5,6 6,4 6,5 Dänemark 1,9 0,4 2,1 2,0 2,0 0,9 1,7 5,6 6,0 6,0 95,5 0,8 2,2 1,7 1,9 1,9 1,9 8,1 8,0 8,0 Polen 1,9 3,8 5,4 4,4 0,7 3,5 3,1 19,2 18,8 18,5 Tschechien 0,8 3,7 3,8 3,3 -0,1 2,6 2,7 7,8 8,8 8,9 Ungarn 0,8 3,0 3,9 3,5 4,7 6,8 5,0 5,8 5,9 6,0 Slowakei 0,3 4,0 4,9 4,6 8,5 7,5 4,1 17,5 16,0 15,5 Slowenien 0,2 2,5 3,8 3,5 5,7 3,8 3,3 6,5 6,3 6,1 Litauen 0,2 9,7 7,0 6,6 -1,1 1,0 2,5 12,7 11,3 10,8 Zypern 0,1 1,9 3,3 3,0 4,0 2,1 2,5 4,4 4,5 4,5 Lettland 0,1 7,5 6,5 5,9 2,9 6,2 5,5 10,5 10,6 10,6 Estland 0,1 5,1 5,7 5,4 1,4 2,9 3,1 10,1 9,0 8,7 Malta 0,0 -0,3 0,9 1,1 1,9 2,9 2,7 8,2 8,9 9,2 4,5 3,8 4,7 4,1 2,1 4,1 3,4 14,4 14,1 13,9 100,0 0,9 2,3 1,8 2,0 2,0 2,0 9,1 9,0 8,9 1,3 2,5 2,1 2,1 2,3 2,2 Euroraum Großbritannien EU15 1) EU-Beitrittsländer EU25 1) nachrichtlich: 2) exportgewichtet 1) Summe der aufgeführten Länder. Bruttoinlandsprodukt und Verbraucherpreise gewichtet mit dem Bruttoinlandsprodukt von 2003 in US-Dollar; Arbeitslosenquote gewichtet mit der Zahl der zivilen Erwerbspersonen von 2) 2002. – Summe der aufgeführten Länder. Gewichtet mit den Anteilen an der deutschen Ausfuhr von 2003. – 3) 4) EU25: Harmonisierter Verbraucherpreisindex.– Standardisiert. Quelle: OECD, ILO, IMF, Statistisches Bundesamt, Berechnungen des ifo Instituts; 2004 und 2005: Prognose des ifo Instituts. ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang Daten und Prognosen Abb. 4 resmitte weniger günstig wurden (vgl. Abb. 4). Da der Euro vor allem gegenüber den Währungen des Dollarraums aufwertete (von 1,22 im September auf durchschnittlich 1,30 USDollar je Euro im November, was einem Anstieg um 6,6% entspricht), fiel die reale effektive Aufwertung nur relativ gering aus (nur 2,4% im selben Zeitraum, vgl. Abb. 5). Die Ausstattung des Euroraums mit Liquidität ist weiterhin reichlich gewährleistet. Nachdem sich die durchschnittliche Wachstumsrate des Geldmengenaggregats M3 bis Jahresmitte dem Referenzwert der Europäischen Zentralbank von 4,5% näherte, ist seither wieder ein beschleunigtes Wachstum zu verzeichnen. Diese Entwicklung spiegelt sich vor allem in einer Zunahme des Wachstums der Konsumentenkredite und – wenn auch nicht ganz so deutlich – der Kredite an Unternehmen wider. Abb. 5 Tab. 2 Inflationserwartungen aus Umfragen in % Consensus Economics Survey of Professional Forecasters Umfrage des „Economist“ Quelle: EZB, The Economist. Datum der Veröffentlichung November 2004 November 2004 November 2004 anleihen, die in der ersten Jahreshälfte anzog, fiel seit Mitte des Jahres von 4,4% auf zuletzt unter 3,8%. Diesem zinspolitischen Expansionskurs wirkte allerdings die seit September andauernde Aufwertung des Euro entgegen, so dass insgesamt die monetären Rahmenbedingungen seit Jah- Insbesondere vor diesem Hintergrund dürfte die Europäische Zentralbank die Leitzinsen im Prognosezeitraum nicht senken und bei 2% belassen, obwohl die jüngste Aufwertung des Euro und die hohen Ölpreise deutliche realwirtschaftliche Spuren im Euroraum zur Folge haben werden (vgl. Exkurs: VAR-Analyse für den Euroraum). Zwar machte die Europäische Zentralbank wiederholt deutlich, dass eine hohe Liquiditätsausstattung potentiell mit Risiken für die Preisstabilität verbunden ist, doch sind bislang Anzeichen für eine mittelfristige Verfehlung des Inflationsziels der Europäischen Zentralbank nicht erkennbar. Dies signalisieren auch Umfragen zu den Inflationserwartungen privater Akteure (vgl. Tab. 2) im Euroraum. Nach der Prognose des ifo Instituts wird der Anstieg des HVPI im dritten Quartal 2005 unter die 2-Prozentmarke sinken, so dass sich 2005 im Jahresdurchschnitt 2005 eine Inflations1,9 rate von 2,0% ergeben dürfte (vgl. Abb. 6). 1,9 Preisdämpfend wirkt sich insbesondere die Aufwertung des Euro gegenüber dem US1,8 Dollar aus, die die Auswirkungen des Rückgangs des Dollar-Ölpreises auf das allgemeine Preisniveau im Euroraum noch verstärkt (siehe Annahmen der Prognose). Hinzu kommt, dass mit einer konjunkturellen Belebung im Euroraum erst im späteren Verlauf von 2005 zu rechnen ist und somit ein nachfrageseitiger Preisdruck eher unwahrscheinlich ist. 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 25 26 Daten und Prognosen Abb. 6 Die Finanzpolitik dürfte im Jahr 2005 bei fortgesetzter Konsolidierungsorientierung annähernd neutral bleiben, wobei die Regierungen vor allem auf nur moderat steigende Ausgaben abstellen. Die Staatshaushalte basieren allerdings überall auf zu optimistisch erscheinenden Annahmen bezüglich des Wirtschaftswachstums. Und es ist fraglich, ob die geplanten Haushaltssalden mit Hilfe von Nachtragshaushalten eingehalten werden können. In einigen Fällen (z.B. in Frankreich, Portugal und Deutschland) wird versucht, Defizite dadurch zu reduzieren, dass in Staatsbesitz befindliche Unternehmen gegen Zahlung beträchtlicher Summen Pensionsverpflichtungen auf die staatlichen Pensionskassen übertragen werden. Einkommensteuersenkungen (u.a. in Belgien, Deutschland, Finnland, Italien und Österreich) werden verschiedentlich durch Erhöhungen anderer Steuern, Gebühren und Abgaben ganz oder teilweise kompensiert. Steuersenkungen beschränken sich allerdings nicht auf die privaten Haushalte, sondern es werden verschiedentlich auch die Sätze von Unternehmenssteuern herabgesetzt. Trotz etwas besserer Entwicklung der Einnahmen dürften u.a. die gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizite in Deutschland, Frankreich, Italien und Portugal die 3%Grenze des Stabilitäts- und Wachstumspakts verfehlen. Den höchsten Fehlbetrag registriert wiederum Griechenland. Ein nennenswerter Überschuss zeichnet sich nur in Finnland ab. Für den Euroraum dürfte sich ein Defizit in der Größenordnung von 3% des nominalen Bruttoinlandsprodukts bei wenig veränderter Verschuldungsquote abzeichnen. Die Nominallöhne im Euroraum werden im bisherigen insgesamt mäßigen Tempo steigen (wichtigste Ausnahme bleibt Spanien). »Zweitrundeneffekte«, also Kompensationszahlungen für die unvorhergesehen rasche Verteuerung von Erdöl und Industrierohstoffen, zeichnen sich nicht ab. Die Reallöhne werden folglich wiederum geringfügig steigen. Lohnentwicklungen analog zu den von Erdölpreisschocks ge- ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang prägten siebziger Jahren sind nicht zu erwarten. Damals waren fast überall LohnPreis-Indexierungen etabliert, Geld- und Finanzpolitik waren stark expansiv, und die Gewerkschaften hatten sehr viel mehr Macht. Aber bereits bei den Ölpreisschüben der Jahre 1999 und 2000 wurde nicht mit Lohnaufschlägen auf derartige Veränderungen der relativen Preise reagiert; in Belgien, dem einzigen durchindexierten Land Europas, sind u.a. Mineralölprodukte aus dem für die Lohnentwicklung relevanten Index ausgeklammert. Außerdem stehen der scharfe internationale Preiswettbewerb einer inflationistischen Lohnentwicklung ebenso entgegen wie der Umstand, dass bei den Beschäftigten mittlerweile die Sicherung der Arbeitsplätze Vorrang vor Entgeltaufbesserungen bekommen hat. Die Zunahme der Produktion dürfte sich im Jahr 2005 zunächst in etwas verlangsamtem Tempo fortsetzen. Hierauf deuten die Klimaindikatoren sowie die Entwicklung der Auftragseingänge hin. Entscheidend hierfür ist die gegenüber 2004 weniger ausgeprägte Ausfuhrexpansion infolge des zunächst weiter abgeschwächten Wirtschaftswachstums in Nordamerika, in Mittel- und Osteuropa sowie in den meisten asiatischen Schwellenländern. Zudem wirkt die kräftige Abwertung der Währungen des Dollarraumes gegenüber dem Euro dämpfend. Allerdings wird der exportgewichtete Wechselkurs des Euro nur moderat steigen. Außerdem hat sich immer wieder gezeigt, dass die Entwicklung des Welthandels, und nicht die Veränderung von Wechselkursen die entscheidende Determinante der Ausfuhrentwicklung ist. Da die Einfuhr in wenig verändertem Tempo zunimmt, verringert sich der im Jahr 2004 merklich gestiegene Außenbeitrag wieder. Bei im Jahresdurchschnitt verbesserten Terms of Trade dürfte die zusammengefasste Leistungsbilanz mit einem Überschuss in der Größenordnung des Vorjahres abschließen. Die inländische Verwendung expandiert zunächst annähernd stetig, im späteren Verlauf jedoch allmählich beschleunigt. Stimulierend wirken die Kaufkraftgewinne infolge sinkender Energiepreise, weiterhin niedriger Zinsen und reichlicher Liquiditätsversorgung. Dies dürfte vor allem zur Festigung der Investitionskonjunktur beitragen, zumal sich die Ertragslage der Unternehmen bei kaum noch steigenden Arbeitskosten und nur langsam anziehenden Langfristzinsen neuerlich verbessert. Zudem werden die Absatzund Ertragserwartungen im weiteren Verlauf des Jahres günstiger. Ferner ist die Bilanzkonsolidierung im Finanzsektor vorangekommen, so dass die Kreditvergabe wieder weitgehend normal sein wird, wenn man von den durch Basel II bedingten Einschränkungen für bestimmte Unternehmensgruppen absieht. Die Ausrüstungsinvestitionen gewinnen nur zögerlich an Schwung, weil nach wie vor Produktions- Daten und Prognosen verlagerungen in Drittländer stattfinden. Die Auslastung der Kapazitäten in der verarbeitenden Industrie steigt tendenziell langsam weiter. Es ist allerdings während der letzten Jahre als Folge einschneidender Sparmaßnahmen bei den Unternehmen vielfach Nachholbedarf entstanden, der zunehmend gedeckt werden muss. Auch erfordert der schärfere Konkurrenzkampf kräftige Rationalisierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Produktivität. Bei den Bauinvestitionen setzt sich die schleppende Entwicklung fort. Das gilt nicht nur für den Wohnungs-, sondern auch für den Wirtschaftsbau; bei Büro- und Gewerbeflächen belasten erhebliche Leerstände den Markt. Die öffentliche Hand schränkt ihre Investitionen nur noch wenig ein. Der öffentliche Verbrauch stagniert annähernd infolge der auf Sparsamkeit abstellenden Finanzpolitik. Der private Konsum expandiert weiterhin sehr verhalten. Die Reallöhne steigen zunächst weiter schwach, später jedoch bei stetig erhöhten Nominallöhnen leicht beschleunigt infolge des nachlassenden Preisauftriebs. Ein möglicher positiver Effekt auf den Konsum wird durch die wachsende Angst um Arbeitsplatzverluste überkompensiert. Steuererleichterungen und die Verringerung von Sozialabgaben werden vielfach durch höhere Gebühren, Abgaben und indirekte Steuern zumindest teilweise kompensiert. Die Beschäftigung erhöht sich bei weiter steigender Teilzeitbeschäftigung erst sehr langsam, auch weil der Produktivitätsfortschritt kaum geringer als das Wirtschaftswachstum sein wird. Die Arbeitslosenquote könnte im Jahresdurchschnitt auf 83/4% sinken. Die Inflation lässt im Verlauf des Jahres vermutlich nach, da die Preise für Rohöl und Industrierohstoffe sinken, der höher bewertete Euro Importe verbilligt und die Löhne nur relativ wenig steigen. Zudem bieten verschärfter Preiswettbewerb und verhaltenes Wirtschaftswachstum kaum Spielräume für Preiserhöhungen. Die Konsumentenpreise (HVPI) dürften im Jah- Abb. 7 resdurchschnitt 2005 um 2,0% steigen. Das reale Bruttoinlandsprodukt nimmt um 11/2% zu (vgl. Abb. 7). Diese gegenüber der Herbstprognose der Institute vorgenommene Abwärtsrevision ist auch eine Folge der schlechten Produktionsentwicklung im dritten Quartal 2004, welche den Überhang Anfang 2005 spürbar drückt. Dabei liegen die Veränderungsraten Finnlands, Griechenlands und Irlands über dem Durchschnitt, während sie in Deutschland, Italien und den Niederlanden nach unten abweichen. Übriges Westeuropa: Leichtes Nachlassen der konjunkturellen Auftriebskräfte Im übrigen Westeuropa festigte sich die Zunahme der Produktion in das laufende Jahr hinein, angeregt vom weltwirtschaftlichen Aufschwung und von der Wirtschaftspolitik. Anschließend begann der Schwung allmählich nachzulassen, auch weil die ausgeprägte Ölverteuerung die Kaufkraft der Konsumenten langsamer steigen ließ und verschiedentlich die Leitzinsen heraufgesetzt wurden. Die Entwicklung verlief allerdings in Großbritannien in vieler Hinsicht anders als in Dänemark, Norwegen, Schweden und der Schweiz. In den letztgenannten Ländern expandierte nämlich die Ausfuhr weit überdurchschnittlich (ihr Anstieg verlangsamte sich ab der Jahresmitte jedoch deutlich), doch legten auch die anderen großen Aggregate der Nachfrageseite zu, mit Ausnahme des öffentlichen Verbrauchs, der nur in Norwegen kräftig stieg. Bei einer ebenfalls stark anziehenden Einfuhr waren die positiven Leistungsbilanzsalden in Relation zum BIP verglichen mit 2003 meist wenig verändert. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt verschlechterte sich noch, bei meist steigenden Arbeitslosenquoten. Der jüngste Ölpreisschub bewirkte überall eine deutliche Beschleunigung der Inflation. In Großbritannien haben alle Komponenten der inländischen Verwendung bis weit in das Jahr hinein vom Aufschwung profitiert. Doch verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum ab der Jahresmitte auch hier infolge der monetären Straffung, die zunächst die Investitionskonjunktur und gegen Jahresende das Konsumklima spürbar dämpfte. Die Ausfuhr nahm hingegen im Vergleich zu 2003 nur mäßig zu und auch schwächer als der Import, so dass die Leistungsbilanz auch in Relation zum BIP einen nochmals erhöhten Passivsaldo auswies. Großbritannien absorbierte für seine Investitionen nach wie vor erhebliche Ersparnisse aus dem Ausland. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt blieb günstig; verschiedentlich waren Arbeitskräfte sogar knapp. Trotz der starken Energieverteuerung im Herbst blieb der Preisauftrieb schwach. 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 27 28 Daten und Prognosen Von der Wirtschaftspolitik gehen im kommenden Jahr schwächere Anregungen aus als bisher. In Großbritannien wirken die Erhöhungen des Schlüsselzinses (von 3,5% im November 2003 auf 4,75% im August 2004), welche die Preisblase am Immobilienmarkt abkühlen und inflationären Tendenzen vorbeugen sollen, weiter bremsend. Die Schweiz ging im vergangenen Sommer behutsam vom stark expansiven monetären Kurs ab. Hier wie in den skandinavischen Ländern ist mit keinen Zinserhöhungen zu rechnen, solange die Fortsetzung des konjunkturellen Aufschwungs von der Erdölverteuerung bedroht bleibt und die Preisentwicklung nicht aus dem Ruder läuft. Die Wechselkurse dürften sich gegenüber dem Euro nach wie vor wenig verändern. Die Finanzpolitik wird in etwa neutral ausgerichtet sein mit Ausnahme Großbritanniens, wo mit Blick auf die Parlamentswahlen 2006 die expansive Linie nur eine leichte Abschwächung erfahren wird. Die Produktion wird im Jahr 2005 infolge der ölpreisbedingten Kaufkraftverluste, nachlassender monetärer Impulse (bzw. bremsender Wirkungen in Großbritannien) und der weniger ausgeprägten weltwirtschaftlichen Dynamik bis in das kommende Jahr hinein etwas verlangsamt steigen. Erst im weiteren Verlauf des Jahres 2005 ist eine Tendenzwende als Folge sinkender Ölpreise zu erwarten. Das Exportwachstum lässt zunächst allmählich nach, auch weil die kräftige Aufwertung des Euro nachwirkt. In Großbritannien könnte die Ausfuhr indes etwas an Schwung gewinnen, wenn bei weniger lebhafter Binnennachfrage Kapazitäten für die Ausfuhr frei werden. Während die Leistungsbilanz Großbritanniens, wo eine »sanfte Landung« bei allen großen Aggregaten der inländischen Verwendung zu erwarten ist, deutlich passiv bleibt, weisen die anderen Länder wenig veränderte Überschüsse aus. In den beiden skandinavischen Ländern und in der Schweiz bleibt die inländische Verwendung hingegen in wenig verändertem Tempo aufwärts gerichtet, getragen vom privaten Konsum und von den Bruttoanlageinvestitionen. Die Ausrüstungsinvestitionen werden von zunehmender Kapazitätsauslastung, immer noch günstigen Finanzierungskosten und sich im weiteren Verlauf wieder bessernden Absatz- und Ertragsaussichten angeregt. Die Beschäftigung nimmt etwas zu, und die Arbeitslosigkeit geht langsam zurück. Zunächst wirken die stark gestiegenen Ölpreise weiter auf die Verbraucherpreise durch. Im weiteren Verlauf des Jahres schwächt sich die Inflation bei sinkenden Ölpreisen allmählich ab. Die Konsumentenpreise dürften im Jahresdurchschnitt gleichwohl meist stärker steigen als 2004. EU-Beitrittsländer: Vorübergehende Verlangsamung des breit basierten Aufschwungs In den EU-Beitrittsländern setzte sich die im Vergleich zum restlichen Europa deutlich überdurchschnittliche Expanifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang sion der Produktion 2004 fort; allerdings war auch hier ab der Jahresmitte eine Verlangsamung des Aufschwungs zu beobachten. Das reale Bruttoinlandsprodukt stieg um 43/4%; nach 3,7% im Jahre 2003. Dabei wurden die interregionalen Disparitäten nochmals geringer. Der private Konsum expandierte weiterhin sehr lebhaft, im Verlauf allerdings etwas verlangsamt, da die während der ersten Monate erheblich beschleunigte Inflation den Anstieg der Reallöhne bremste. Die Erholung der Bruttoanlageinvestitionen war auch deshalb breit angelegt. Das gilt vor allem für die Ausrüstungsinvestitionen. Die Auslastung der schnell wachsenden Kapazitäten stieg, die Absatz- und Ertragserwartungen der Unternehmen verbesserten sich bis in die Sommermonate hinein (anschließend begannen sie langsam weniger günstig zu werden), die Finanzierungsmöglichkeiten waren insgesamt günstig, der Modernisierungsbedarf blieb auf vielen Gebieten beträchtlich, und ausländische Investoren engagierten sich weiterhin in erheblichem Umfang. Das hohe Wachstum des Kapitalstocks und damit der Produktionskapazität in den Beitrittsländern wird nach wie vor finanziert durch erhebliche Leistungsbilanzdefizite, die vielfach über 4, ja in einigen Ländern über 10% des Bruttoinlandsproduktes liegen und im Wesentlichen einen Kapitalfluss aus den westlichen Ländern widerspiegeln. Während der ersten Monate dieses Jahres vergrößerte sich das Defizit in der Leistungsbilanz abermals, denn die Einfuhr nahm noch schneller zu, da im Vorfeld des Beitritts zur EU in größerem Umfang Güter aus Drittländern importiert wurden, die seit dem Beitritt mit höheren Zöllen belegt werden. Anschließend flaute der Einfuhrboom kräftig ab, doch normalisierte sich die Entwicklung gegen Ende des Jahres wieder. Auf dem Arbeitsmarkt besserte sich die Lage trotz der hohen Wachstumsdynamik nur wenig, da der rasche Produktivitätsanstieg eine deutliche Ausweitung der Beschäftigung verhinderte. Die Arbeitslosenquote dürfte leicht auf ungefähr 14% gesunken sein. Der Preisauftrieb hat sich insgesamt beschleunigt, womit die jahrelange Tendenz sinkender Teuerungsraten ein Ende nahm. Im Schnitt des Jahres stiegen die Verbraucherpreise um ca. 4%, nach 2,1% im Jahre 2003. Administrierte Preise wurden heraufgesetzt, indirekte Steuern harmonisiert, die Ölpreisinflation wirkte durch, und die Ernten waren weniger günstig als im witterungsbedingt sehr guten Vorjahr. Von der Wirtschaftspolitik erhält die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weiterhin Anregungen. Die Verringerung der gerade in den größeren Ländern im Verhältnis zum BIP sehr hohen Finanzierungsdefizite der öffentlichen Hand wird kaum nennenswert vorankommen. Daher dürfte die Geldpolitik trotz gestiegener Inflationsraten kaum gestrafft werden. Sollte die preisliche Wettbewerbsfähigkeit inflationsbedingt spürbar sinken, wird man die Wechselkurse abgleiten lassen. Ausnahmen von dieser akkommodierenden Wirtschaftspolitik werden Estland, Litauen und Slowenien bilden, die am 28. Juni 2004 dem Wechselkursmechanismus (WKM II) Daten und Prognosen beigetreten sind (seit dessen Schaffung Anfang 1999 gehören diesem der Euroraum sowie Dänemark an) und so bald wie möglich den Euro bei sich einführen wollen. Damit unterliegen sie nicht nur erheblichen Zwängen zur Konsolidierung und Stabilisierung, sondern besitzen auch kaum noch Spielraum für Währungsabwertungen. Die anderen, vor allem die größeren Länder haben ihre EuroAmbitionen wesentlich herabgeschraubt und streben die Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung erst zum Ende dieses Jahrzehnts an. Abb. 8 Im Jahr 2005 bleibt die konjunkturelle Dynamik breit basiert, lässt allerdings vorübergehend allmählich weiter nach, da der weltwirtschaftliche Aufschwung bis über die Jahresmitte hinaus an Tempo verliert und die vorangegangene Hausse der Energie- und Rohstoffpreise zunächst noch dämpfend wirkt. Das reale Bruttoinlandsprodukt dürfte wegen der stürmischen Kapazitätsausweitungen dennoch um rund 4% expandieren. Der private Konsum expandiert bei weiter steigenden Realeinkommen kräftig. Auch nimmt die Beschäftigung langsam zu, und die Arbeitslosenquote geht weiter – auf annähernd 14% im Jahresdurchschnitt – zurück. Die Einfuhr expandiert im Sog der Produktion weiter sehr zügig, wenngleich nicht ganz so rasch wie im Jahr 2004, als Sondereinflüsse wirksam waren. Das zusammengefasste Leistungsbilanzdefizit und damit der Kapitalzufluss bleiben sehr hoch Auch bei der Preisentwicklung sind keine Sondereinflüsse mehr wirksam, so dass die Inflation allmählich wieder schwächer wird. Dazu tragen wieder sinkende Energiepreise bei. Im Jahresdurchschnitt dürften die Konsumentenpreise um 31/2% steigen. Deutschland Das deutsche Exporträtsel – Zur Schwäche der Binnenkonjunktur Die deutsche Konjunktur zeigt sich am Jahresende 2004 weiterhin labil. An dem geradezu dramatischen Boom der Weltwirtschaft, der alles in den Schatten stellt, was während des letzten Vierteljahrhunderts beobachtet werden konnte, hat die deutsche Wirtschaft noch immer nicht wirklich Anteil. Es gibt zwar einen Aufschwung, doch ist er angesichts der hohen Verflechtung der deutschen Wirtschaft mit der Weltwirtschaft enttäuschend schwach. Deutschland ist von der Weltkonjunktur entkoppelt und liegt nach wie vor beim Wachstum unter dem Durchschnitt der alten EU-Länder. Die Wachstumskrise, die nun schon seit Mitte der neunziger Jahre anhält, ist noch nicht überwunden. Auch wenn es im laufenden Jahr einige Länder gibt, die noch langsa- mer als Deutschland gewachsen sind, behält unser Land die Schlusslichtposition beim Gesamtwachstum seit 1995. Es gibt in West- und Mitteleuropa kein anderes Land, das in den letzten neun Jahren so langsam gewachsen ist, wie Deutschland. Selbst die Schweiz und Italien, die auch ihre Probleme haben, zeigten eine bessere Entwicklung. Abbildung 8 verdeutlicht dies. Auch das Jahr 2004 hat noch keine Trendwende gebracht. Insgesamt ist das reale Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2004 nach heutiger Einschätzung um 1,7% höher als im Jahr 2003, wobei allein 0,5 Prozentpunkte auf die 11/2% zusätzlichen Arbeitstage zurückzuführen sind, die es in diesem Jahr im Vergleich zum vorigen gibt. Konnte man das geringe Wachstum der Jahre 2001 bis 2003 noch auf einen weltwirtschaftlichen Nachfragemangel schieben, scheidet diese Erklärung heute aus. Das fünfprozentige Rekordwachstum der Weltwirtschaft wird sogar noch von dem Wachstum der deutschen Exporte übertroffen, das in diesem Jahr mit 9,3% veranschlagt werden kann. Da Deutschland sich auf die Produktion von Investitions- und Vorleistungsgütern spezialisiert hat, profitiert die deutsche Konjunktur von dem Umstand, dass die Industrieproduktion und die Investitionen der Welt noch schneller wachsen als das Weltsozialprodukt. Dank der guten Exportentwicklung konnte Deutschland seine Vizeweltmeisterschaft beim Export hinter den USA auch im Jahr 2004 erfolgreich verteidigen. Das enorme Exportwachstum scheint nicht zu dem geringen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts zu passen, denn es bedeutet wegen der Exportquote von gut 37% für sich genommen bereits einen Wachstumsbeitrag von 3,5% beim realen Bruttoinlandsprodukt. Vom Ausland kam im Jahr 2004 ein gewaltiger Nachfrageschub auf das Land zu, so groß, 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 29 30 Daten und Prognosen wie er bei einer schuldenfinanzierten Ausweitung der Staatsausgaben für Güter und Dienste um rund 70 Mrd. Euro entstanden wäre. Es ist für viele ein Rätsel, warum dieser Nachfrageschub nicht zu mehr Wachstum geführt hat. Ein Teil der Lösung des Rätsels liegt in dem starken Anstieg der Importe von über 7%, das gleichzeitig stattfand. Dieses Wachstum wird zum einen durch die internationale Spezialisierung bei der Produktion von Endprodukten erklärt, die zwangsläufig mit der Globalisierung einhergeht und im Durchschnitt der Länder Ex- und Importe wesentlich schneller wachsen lässt als das Weltsozialprodukt. So richtet sich wegen dieses Effektes ein ständig wachsender Anteil der deutschen Nachfrage nach Endprodukten auf Importgüter. Diese Nachfrage geht der heimischen Wirtschaft verloren. Zum anderen führt die Mehrnachfrage nach Exportgütern unmittelbar zu zusätzlichen Importen von Zwischenprodukten, die bei der Produktion in Deutschland benötigt werden, sowie zu Importen von Handelswaren, die direkt exportiert werden. Der Sachverständigenrat hat, gestützt auf Zahlen der Input-Output-Analyse des Statistischen Bundesamtes, in seinem neuesten Jahresgutachten den Anteil dieser direkt mit den Exporten verbundenen Importe für das Jahr 2004 wertmäßig auf 40% geschätzt.2 Zugleicht hat er festgestellt, dass dieser Anteil im Laufe der Zeit erheblich gewachsen ist, nämlich von 28% im Jahr 1991 über 31% im Jahr 1995 und 39% im Jahr 2000 auf die genannten 40% im Jahr 2002. Das ifo Institut, das diesen Effekt zuvor bereits für die Klasse der Industriegüter festgestellt hatte, hat dafür den Namen Basareffekt geprägt.3 Die vom Sachverständigenrat in seinem Gutachten genannten Zahlen implizieren, dass der marginale Effekt der Exporte auf die Vorleistungsimporte noch höher als die genannten Durchschnittswerte ist. Regressiert man die Vorleistungsimporte auf die Exporte, erhält man einen marginalen Effekt von etwa 0,55. Mit anderen Worten: Von einer Erhöhung der Exporte um 1 Euro werden im Inland nur 45 Cent nachfragewirksam.4 Angewandt auf den Zuwachs der Exporte von 9,3%, der im Jahr 2004 zu verzeichnen ist, impliziert dies, dass der unmittelbare Wachstumsbeitrag der Exporte nicht 3,5% beträgt, wie es sich 2 3 4 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Erfolge im Ausland – Herausforderungen im Inland, Jahresgutachten 2004/05, November 2004. Vgl. H.-W. Sinn, Basarökonomie, ifo Standpunkt Nr. 50, 2003. Auch erschienen als: 4,5 Millionen Verlierer, Die Zeit, 22. Dezember 2003, S. 28, sowie R. Hild, Produktion, Wertschöpfung und Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe, ifo Schelldienst 7, 2004. Noch anders ausgedrückt bedeutet dieser Befund, dass die Elastizität der exportorientierten inländischen Wertschöpfung bezüglich der Exporte etwa drei Viertel ist. Ein Prozent Steigerung der Exporte lässt die exportinduzierte inländische Wertschöpfung, die selbst nur 60% der Exporte ausmacht, um etwa 0,75% steigen. ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang ohne die Berücksichtigung der Direktimporte ergibt, sondern nur 1,6%. Zieht man zudem die Verlagerung inländischer Nachfrage nach Fertigprodukten auf ausländische Produkte in Betracht, wie sie sich aus der wachsenden internationalen Spezialisierung ergibt, kommt man zu einem noch geringeren Nachfrageeffekt aus dem Ausland. Das ifo Institut schätzt, dass im Jahr 2004 der Beitrag des Exportüberschusses zum realen Bruttoinlandsprodukt nur bei 1,2 Prozentpunkten gelegen hat (vgl. Tab. 6.). Aber der Basareffekt und der Spezialisierungseffekt sind nur ein Teil der Erklärung dafür, dass der ausländische Nachfrageimpuls sich konjunkturell nur wenig in Deutschland ausgewirkt hat. Es kommt hinzu, dass im Jahr 2004 weder die private Investitionsnachfrage noch die private Konsumnachfrage irgendwelche Wachstumsimpulse geliefert haben. Der private Konsum schrumpfte real sogar um 0,3%, und die Bruttoanlageinvestitionen gingen um 0,5% zurück. Dass dennoch insgesamt ein Wachstum von 1,7% herauskam, liegt im Wesentlichen an einer starken Zunahme der Lagerinvestitionen. Der Wachstumsbeitrag der Lagerinvestitionen liegt für sich genommen bereits bei 0,9% des Bruttoinlandsprodukts. Es gibt unterschiedliche Hypothesen dafür, warum die Binnennachfrage so schwach war. Eine populäre Hypothese führt dies auf den schwachen Konsum infolge der nur schwachen Lohnentwicklung des Jahres 2004 zurück. In der Tat stiegen die realen Nettolohneinkommen je Arbeitnehmer im Durchschnitt nur um 0,2%. Diese Hypothese hält das ifo Institut aber schon deshalb nicht für überzeugend, weil sie nicht erklärt, wieso der reale Konsum fiel, während der durchschnittliche Nettoreallohn, wenn auch nicht kräftig, zunahm. Vor allem aber lässt sie unberücksichtigt, dass die Sparquote seit einigen Jahren ständig gestiegen ist, was durch die wachsende Zukunftsangst der deutschen Arbeitnehmer erklärt werden kann. Die Angst hat viele Ursachen. Das Spektrum reicht von der Erkenntnis wachsender Finanzierungsprobleme des Staates über den daraus resultierenden Sozialabbau bis hin zur Häufung von Negativmeldungen über die Schließung und Verlagerung von Betrieben und den damit einhergehenden Verlust des Arbeitsplatzes. Die Angst veranlasst die Konsumenten, den Kauf langlebiger Konsumgüter zurückzustellen und sich auf das Nötigste zu beschränken. Sie dominiert vermutlich den bloßen Einkommenseffekt auf den Konsum. Eine zurückhaltende Lohnpolitik kann für diese Angst nicht verantwortlich gemacht werden, im Gegenteil. Es ist ein Faktum, dass die Lohnpolitik der vergangenen Jahrzehnte deutlich über die Entwicklung der Vollbeschäftigungsprodukti- Daten und Prognosen Abb. 9 vität hinausging und die auf diese Weise selbst erzeugte »Entlassungsproduktivität« zum Maßstab weiterer Lohnerhöhungen genommen hat.5 Auch die üblichen Lohnstückkostenberechnungen kranken an diesem Fehler; sie blenden die Nullproduktivität der Entlassenen aus der Berechnungsgrundlage aus und verdunkeln auf diese Weise den Blick auf die Fakten. Wenn die in diesem Sinne ausufernden Lohnsteigerungen der Vergangenheit die Arbeitslosigkeit und die Finanzierungsprobleme des Staates verursacht haben, sind sie es, die heute die Angst der Menschen und ihre Konsumschwäche maßgeblich erklären. So gesehen, kann man den Versuch, den Fehler der Vergangenheit rückgängig zu machen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Arbeitnehmer durch Lohnzurückhaltung zu steigern, schwerlich als Erklärung der Konsumschwäche ins Feld führen. Im Gegenteil: Würden die Gewerkschaften wieder zur einer aggressiven Lohnpolitik zurückkehren, müsste man befürchten, dass die Forcierung der Entlassungen, die dies provozieren würde, das Konsumklima nur noch stärker beeinträchtigen würde, ungeachtet der positiven Einkommenseffekte, die eine solche Politik kurzfristig vielleicht hätte. Im Übrigen würde eine aggressive Lohnpolitik der Gewerkschaften die Binnennachfrage auch deshalb beeinträchtigen, weil sie die Investitionsneigung verringern würde. Investitionen sind genau so und im gleichen Sinne Binnennachfrage, wie privater Konsum es ist. Sie hängen von Gewinnerwartungen ab, und Gewinnerwartungen werden durch hohe Lohnforderungen zerstört. Selbst wenn Lohnerhöhungen in der heutigen Zeit noch einen positiven Effekt auf den privaten Konsum ausüben würden, so wäre doch völlig unklar, ob dadurch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage vergrößert werden könnte. Angesichts der hohen Sensitivität der unternehmerischen Gewinnerwartungen ist zu erwarten, dass die Investitionen stärker reagieren würden und auch in diesem Fall per saldo ein Nachfrageverlust entstünde. Die Schwäche der Investitionen ist das eigentliche Problem in dieser konjunkturellen Phase, nicht die Schwäche des Konsums. Frühere Expansionsphasen der Weltwirtschaft übertrugen sich üblicherweise mit nur geringer Verzögerung in die inländische Investitionsgüternachfrage, und der Konsum folgte nach. Im Gefolge verzeichnete man damals Wachstumsraten der Ausrüstungsinvestitionen bis zu 10%, 5 Vgl. H.-W. Sinn, Ist Deutschland noch zu retten?, Econ, Berlin 2004, 8. Auflage, S.113-117. und selbst das Gesamtaggregat der Bruttoanlageinvestitionen einschließlich der Bauinvestitionen stieg um die 6%. Dass der gegenwärtige Boom der Weltwirtschaft die deutschen Investitionen nicht mitzieht, ist in historischer Perspektive ein ungewöhnliches Ereignis. Der Attentismus der Investoren ist großenteils auf die Niedriglohnkonkurrenz zurückzuführen, die sich in Osteuropa, China und anderswo etabliert hat. Riesige Massen williger Arbeitnehmer konkurrieren mit den deutschen Arbeitnehmern um das Kapital, das früher durch den Eisernen Vorhang daran gehindert wurde, sich über die Welt zu verbreiten. Sie bieten den Investoren trotz aller Standortnachteile in vielen Fällen die ertragreichere Investitionsalternative und veranlassen sie, zumindest darüber nachzudenken, ob sie die Weltnachfrage nach den eigenen Produkten wirklich von Deutschland aus befriedigen sollen. Westdeutschland hat nach Norwegen und Dänemark die höchsten Lohnkosten für Industriearbeiter auf der Welt (vgl. Abb. 9). Die Lohnkosten liegen mit 27 Euro noch über dem Niveau von Schweden, wo 23 Euro gezahlt werden, oder über jenen von Großbritannien und Frankreich, wo gut 18 bzw. 20 Euro anfallen. Deutschland ist von der Standortkonkurrenz der Niedriglohnländer stärker als andere Länder des Westens betroffen, weil seine Lohnkosten höher sind und es näher an den Niedriglohngebieten in Osteuropa liegt. Die Lohnkosten in den zehn Ländern, die in diesem Jahr der EU beigetreten sind, liegen im Durchschnitt bei 14% der westdeutschen Lohnkosten (vgl. Abb. 10). Angesichts der Zollfreiheit und Rechtssicherheit, die Standorte in diesen Ländern bieten, erwägen viele deutsche Unter57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 31 32 Daten und Prognosen Abb. 10 nehmen, die Kapazitätsausweitung für einen etwaigen Aufschwung in Europa dort vorzunehmen. Die deutschen Unternehmen reagieren auf die Lohndifferenzen zunehmend durch die Verlagerung arbeitsintensiver Teile ihrer Produktionsketten in Niedriglohnländer. Outsourcing und Offshoring ermöglichen ihnen eine Mischkalkulation bei den Löhnen, die sie in die Lage versetzt, ihren Konkurrenten aus Asien und anderen Teilen der Welt die Stirn zu bieten. Sie verringern die Fertigungstiefe in Deutschland zugunsten einer Produktion in Niedriglohnländern und exportieren nach wie vor auf dem Wege über dieses Land. Weil sie einen Weg gefunden haben, sich vor dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Arbeitnehmer zu schützen, bleiben sie selbst wettbewerbsfähig und exportstark. Aber Deutschland wächst nur noch wenig und bleibt europäisches Schlusslicht, weil die KaAbb. 11 pazitäten hier zu Lande nur noch wenig ausgeweitet werden und Investitionsgüterkäufe bei deutschen Unternehmen unterbleiben, die einen unmittelbaren konjunkturellen Effekt entfalten könnten. Die Konjunkturentwicklung im Einzelnen Die weitere Entwicklung der Konjunktur im Jahr 2005 hängt entscheidend von der Binnennachfrage, und hier insbesondere von den Investitionen ab. Obwohl die Investitionen im Jahr 2004 im Jahresvergleich, wie erwähnt, vermutlich um 0,5% geschrumpft sind, zeigte sich im zweiten und dritten Quartal des Jahres nun doch eine schwache Belebung. Auch konnte der schwache Einzelifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang handel zuletzt etwas zulegen. Dafür dreht sich nunmehr der Exportmotor merklich langsamer als in den ersten sechs Monaten des Jahres. Die Weltkonjunktur hat auf die Binnennachfrage nach wie vor nicht nachhaltig übergegriffen. Zwar ist die inländische Verwendung im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal saisonbereinigt um 2,1% gestiegen, davon entfallen aber allein auf den Lageraufbau 1,7 Prozentpunkte. Die Ausrüstungsinvestitionen lieferten einen Wachstumsbeitrag von 0,3 Prozentpunkten. Der private Konsum stagnierte im dritten Quartal aber lediglich; der Rückgang der Bauinvestitionen hat sich fortgesetzt. Die Konsumentenstimmung ist trotz neuerlicher Steuersenkungen im Keller geblieben; Hoffnungen auf eine durchgreifende Besserung in der zweiten Jahreshälfte erfüllten sich nicht. Stattdessen stieg die Sparquote im dritten Quartal weiter an. Die eingetrübten Einkommensperspektiven haben die Konsumentenstimmung maßgeblich beeinträchtigt (vgl. Abb. 11). Wie erwähnt, liegt dies unter anderem an der hohen Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosigkeit ist bis zuletzt weiter gestiegen, und die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ist abermals stark gesunken. Diese war im September um 1,2% niedriger als ein Jahr zuvor. Der Arbeitsmarkt ist nach wie vor in einem desolaten Zustand. Der Tariflohnanstieg wird von vielen Unternehmen nicht mehr getragen. Auch in diesem Jahr ist die Zunahme der Effektivlöhne hinter dem Tariflohnanstieg zurückgeblieben; die Lohndrift ist deutlich negativ. Die Unternehmen sind wegen der Daten und Prognosen Abb. 13 Standortoptionen in Osteuropa und anderswo nicht mehr in dem Maße auf Arbeitnehmer in Deutschland angewiesen, wie es früher der Fall war. Die Nutzung innerbetrieblicher Öffnungsklauseln sowie der Abbau von übertariflichen Lohnbestandteilen und Sonderzahlungen stärken zwar die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Arbeitnehmer. Aber in ein paar Jahren können Fehlentwicklungen der Vergangenheit nicht kompensiert werden, worauf in zahlreichen Gutachten des Sachverständigenrates und der Wirtschaftsforschungsinstitute hingewiesen worden ist. Der Weg einer Lohnmoderation bietet die Möglichkeit, die Gewinnerwartungen der Unternehmen für ihre deutschen Standorte so zu stärken, dass sie es wieder attraktiv finden, in Deutschland Arbeitsplätze zu schaffen. Der Weg ist mühsam, und er führt nicht in kurzer Frist zum Ziel. Alternativen gibt es dennoch nicht. Ähnliches gilt auch für die Wirkungen der begonnenen Arbeitsmarktreformen, die dringend erforderlich waren, um eine flexiblere Reaktion der Märkte auf die Kräfte der Globalisierung zu ermöglichen. Auch wenn hiervon keine besonderen konjunkturellen Effekte zu erwarten sind, werden die Reformen mittel- und längerfristig die Wachstumskräfte wieder stärken. Wenn es ein Problem mit diesen Reformen gibt, dann das, dass sie nicht weit genug gingen. Richtig waren sie allemal, denn man kann ein stabiles Konsumentenvertrauen letztlich nur auf eine nachhaltig wirksame Politik gründen. Zur Konsumzurückhaltung hat auch beigetragen, dass das Realeinkommen der privaten Haushalte über eine höhere Inflationsrate gedämpft wurde, welche durch den neuerlichen Abb. 12 Höhenflug der Rohölpreise verursacht wurde (vgl. Abb. 12). Zwar wurde der Anstieg der Ölrechnung in heimischer Währung durch die weitere Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar abgeschwächt; nominal und real ist Rohöl aber nicht teurer als bei der letzten Ölpreisexplosion im Jahr 2000. Ohne Heizöl und Kraftstoffe gerechnet wäre aber der Anstieg der Verbraucherpreise in der zweiten Jahreshälfte 2004 um etwa 0,4 Prozentpunkte geringer gewesen, was einem Kaufkraftverlust von 21/2 Mrd. Euro entspricht. Die Aussichten für das Jahresendquartal 2004 sind zwar wieder etwas besser als für das dritte Vierteljahr einzuschätzen, insgesamt bleiben sie aber doch noch gedämpft. Produktion und Auftragseingang sind von der Grundtendenz gegenwärtig leicht aufwärts gerichtet, sofern das für die Saisonbereinigung von Zeitreihen aus der amtlichen Statistik in Deutschland üblicherweise benützte Verfahren Census X-12-ARIMA zugrunde gelegt wird (vgl. Abb. 13). Im Vormonatsvergleich nahmen die Bestellungen um 1,1% zu; allerdings dürfte der Zuwachs durch einige Großaufträge überzeichnet sein. Insbesondere der Bestelleingang aus dem Inland zog sehr kräftig an, die Aufträge aus dem Ausland gingen jedoch zurück. Hier dürfte die Aufwertung des Euro zuletzt dämpfend gewirkt haben. Ungünstiger fällt jedoch die Entwicklung des Auftragseingangs aus, wenn man andere Saisonbereinigungsverfahren wie beispielsweise BV4.1 oder ASA-II einsetzt. Nach diesen Verfahren sind im Oktober die Auftragseingänge sogar leicht zurückgegangen.6 6 Die Saisonbereinigungsverfahren Census X-12-ARIMA, ASA-II und BV4.1 beruhen auf unterschiedlichen mathematisch-statistischen Methoden und können daher zu divergierenden Ergebnissen führen. 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 33 34 Daten und Prognosen Kasten Zum Zusammenhang zwischen Geschäftslage und Erwartungen 1) Das ifo Geschäftsklima ist der Mittelwert aus den Komponenten »Geschäftslage« und »Geschäftserwartungen für die nächsten 6 Monate«. Der Zusammenhang zwischen den beiden Komponenten kann in einem 4-Quadranten-Schema dargestellt werden (»ifo Konjunktur-Uhr«). Auf der Abszisse der Konjunkturuhr werden die Meldungen der befragten Unternehmen zur Geschäftslage (Salden aus den Meldungen »gut« bzw. »schlecht«) aufgetragen, auf der Ordinate die Geschäftserwartungen (Salden aus den Meldungen »günstiger« bzw. »ungünstiger«). Durch das Fadenkreuz der beiden Nulllinien wird das Diagramm in vier Quadranten geteilt, die die vier Phasen der Konjunktur markieren (vgl. Abb. 14). Sind die Urteile der im ifo Konjunkturtest befragten Unternehmen zur Geschäftslage und zu den Geschäftserwartungen per saldo schlecht, d.h. im Minus, so befindet sich die Konjunktur in der Rezession (Quadrant links unten). Gelangen die Geschäftserwartungen ins Plus (bei noch schlechter Geschäftslage), so gerät man in die Aufschwungsphase (Quadrant links oben). Sind Geschäftslage und Geschäftserwartungen gut, d.h. im Plus, so herrscht Boom (Quadrant rechts oben). Drehen die Geschäftserwartungen ins Minus (bei noch guter Geschäftslage), so ist die Abschwungsphase erreicht (Quadrant rechts unten). Idealtypisch bewegt sich die Konjunktur in diesem Diagramm im Uhrzeigersinn im Kreis; die Erwartungen laufen dabei der Lage voraus. der deutlich gestiegen ist, nachdem er zuvor zweimal in Folge gesunken war. Sowohl die Lagebeurteilung als auch die Erwartungen waren besser als im Vormonat (vgl. Kasten: Zum Zusammenhang zwischen Geschäftslage und Erwartungen). Erfreulich war, dass die Produktionspläne der befragten Unternehmen im Plus blieben; auch wenn seit einigen Monaten von der Grundtendenz her eine Abschwächung zu konstatieren ist. Die Perspektiven für das Exportgeschäft wurden trotz der jüngsten kräftigen Aufwertung des Euro weiterhin als gut eingestuft. Allerdings ist ein Ende des Stellenabbaus bei den befragten Unternehmen noch nicht in Sicht. Alles in allem dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion im vierten Quartal 2004 sai1) Das ifo Geschäftsklima GK ergibt sich aus der Formel sonbereinigt gegenüber dem dritten Quar1/2 GK = [(GL+200)(GE+200)] - 200, wobei GL den Saldo aus den positiven und tal mit einer laufenden Jahresrate von 1,4% negativen Meldungen zur aktuellen Geschäftslage bezeichnet und GE den Saldo aus den positiven und negativen Meldungen zu den Geschäftsaussichten in den nächsten gestiegen sein, gegenüber dem vergleichsechs Monaten. Zur Vermeidung von negativen Werten in der Wurzel werden die baren Vorjahreszeitraum ergab sich ein Plus beiden Variablen GL und GE jeweils um die Konstante 200 erhöht. von 2,2%. Im Jahresdurchschnitt 2004 expandierte das reale Bruttoinlandsprodukt um Auch die Industrieproduktion konnte, saisonbereinigt mit 1,7% (vgl. Abb. 15). Damit hat sich die Prognose des ifo Census X-12-ARIMA, zuletzt ein leichtes Plus verbuchen; Instituts vom Dezember 2003, in der für dieses Jahr ein sie nahm gegenüber dem Vormonat um 0,9% leicht zu (vgl. Wachstum 1,8% veranschlagt worden war, weitgehend beAbb. 13). Allerdings ergibt sich bei Verwendung des Verstätigt. Da, wie schon erwähnt, 1/2 Prozentpunkt der Mehrfahrens ASA II bzw. BV4.1 auch hier ein leichter Rückgang. produktion im laufenden Jahr auf die überdurchschnittlich Dies alles mahnt bei der Beurteilung der aktuellen konjunkgroße Zahl an Arbeitstagen zurückgeht7, wird die konjunkturellen Situation in Deutschland zur Vorsicht. turelle Grundtendenz besser von der Veränderung der kalenderbereinigten Produktion wiedergegeben, die bei nur Positiv ist indes zu vermerken, dass der Geschäftskli1,2% liegt. maindex für das verarbeitende Gewerbe im Dezember wieIm kommenden Jahr dürfte sich das konjunkturelle Bild allmählich etwas aufhellen. Die Abb. 14 Investitionen werden wieder steigen, auch der private Konsum dürfte sich beleben. Die Exporte werden angesichts des immer noch günstigen internationalen Umfelds weiterhin eine wichtige Stütze der Konjunktur sein; ihr 7 ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang Das Jahr 2004 weist eine besondere Kalenderkonstellation auf. So fallen vier mindestens regional geltende Feiertage auf einen Sonntag (Mariä Himmelfahrt, 3. Oktober, Reformationstag und 26. Dezember), zwei weitere (1. Mai und 25. Dezember) auf einen Samstag, hinzu kommt der Schalttag. Dies hat zur Folge, dass 11/2% mehr Arbeitstage zur Verfügung stehen als 2003. Nach dem hier verwendeten Verfahren zur Zeitreihenanalyse (Census X-12-ARIMA) geht von der größeren Zahl von Arbeitstagen ein positiver Impuls auf das reale Bruttoinlandsprodukt – über ein volles Jahr gerechnet – von 0,5 Prozentpunkten aus. Bei den einzelnen Verwendungsaggregaten des realen BIP kann der kalendarische Einfluss numerisch größer (Investitionen, Außenhandel) oder auch kleiner sein (privater und öffentlicher Konsum). Daten und Prognosen Abb. 15 Anstiegstempo wird sich aber verringern. Im Jahresdurchschnitt 2005 dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt um 1,2% steigen, nach Ausschaltung von Kalenderschwankungen sogar um 1,4%. Da das Trendwachstum der gesamtwirtschaftlichen Produktion in Deutschland lediglich bei gut 1% liegt, wird damit für den Prognosezeitraum eine Verbesserung des gesamtwirtschaftlichen Auslastungsgrads prognostiziert. Im Jahresdurchschnitt dürfte das Output-Gap aber immer noch negativ sein. Die Arbeitsmarktsituation wird desolat bleiben; zu Jahresanfang wird die Arbeitslosenzahl aufgrund der Umsetzung der Hartz-IV-Reform8 sogar auf 5,1 Mill. klettern (vgl. Tab. 3). Die Inflationsrate wird im nächsten Jahr voraussichtlich mit 1,4% etwas niedriger sein als in diesem (1,6%). Exportklima kühlt sich ab Abb. 16 Kasten Annahmen der Prognose • • • • • • Der Welthandel nimmt im Jahr 2005 in einer Größenordnung von 7% zu, nach 10% im Jahr 2004. Der Ölpreis wird – bezogen auf den Composite Index – im Jahresdurchschnitt 2005 rund 37 US-Dollar pro Barrel betragen, nach etwa 38 Dollar in diesem Jahr. Der Wechselkurs des Euro liegt im Durchschnitt des Jahres 2005 bei 1,33 Dollar je Euro, im Jahr 2004 hatte er 1,24 betragen. Die Europäische Zentralbank (EZB) belässt die Leitzinsen bis Ende 2005 auf dem gegenwärtigen Niveau. Die Kapitalmarktzinsen ziehen im Laufe des Prognosezeitraums wieder etwas an. Die Tariflöhne in Deutschland erhöhen sich im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt auf Stundenbasis im kommenden Jahr um 1%, nach 1% in diesem Jahr. Die Finanzpolitik in Deutschland ist im Prognosezeitraum restriktiv ausgerichtet. Die deutschen Exporteure profitierten im ersten Halbjahr im Vergleich zu anderen europäischen Handelspartnern – insbesondere gegenüber französischen und italienischen Exporteuren – überdurchschnittlich von der weltwirtschaftlichen Dynamik. Zum einen wurde im einsetzenden weltwirtschaftlichen Aufschwung vorrangig die Nachfrage nach Vorleistungs- und Investitionsgütern ausgeweitet, so dass die Stärke der deutschen Exportstruktur voll zum Tragen kam, zum anderen konnten nun die bereits gut ausgebauten Handelsbeziehungen zu den neuen Mitgliedsländern der Europäischen Union und den asiatischen Schwellenländern genutzt werden. Dazu hat beigetragen, dass die Wirtschaftsschwäche in Deutschland die Preise langsamer als in anderen europäischen Ländern hat ansteigen lassen. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirt8 Das ifo Institut hat in der vorliegenden Prognose versucht, wesentliche Wirkungen von Hartz IV näherungsweise zu erfassen. Die Darstellung der Ergebnisse folgt dem Vorgehen im jüngsten Gemeinschaftsgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute. Die voraussichtlichen kurzfristigen Folgen für die Zahl der registrierten Arbeitslosen und die Erwerbstätigkeit werden gesondert dargestellt (vgl. Kasten: Arbeitsmarkteffekte von Hartz IV). Die finanz- und gesamtwirtschaftlichen Wirkungen der Reform wurden in Höhe der von der Bundesregierung erwarteten Einsparungen in den öffentlichen Haushalten sowie der öffentlichen Finanzen als auch der Einkommen der privaten Haushalte berücksichtigt Darüber hinausgehende Einkommenseffekte bei den Beziehern von Arbeitslosengeld II wurden nicht eingestellt, was nicht bedeuten soll, dass das ifo Intitut auf mittlere Sicht hier keine Einkommenswirkungen erwartet. Die Erwerbstätigenrechnung für das Jahr 2005 wird weitgehend entsprechend dem 2004 geltenden Recht dargestellt, d.h. die von Hartz IV ausgehenden Arbeitsmarktwirkungen wurden nicht berücksichtigt. So ist eine bessere Vergleichbarkeit wichtiger gesamtwirtschaftlicher Kennziffern gewährleistet. 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 35 36 Daten und Prognosen Tab. 3 Eckdaten der Prognose für die Bundesrepublik Deutschland Eckdaten der Prognose für die Bundesrepublik Deutschland 2002 2003 Veränderung in % gegenüber dem Vorjahra Private Konsumausgaben -0,7 0,0 Konsumausgaben des Staates 1,9 0,1 Bruttoanlageinvestitionen -6,4 -2,2 Ausrüstungen und sonstige Anlagen -7,2 -0,9 Bauten -5,8 -3,2 Inländische Verwendung -1,9 0,5 Exporte 4,1 1,8 Importe -1,6 4,0 Bruttoinlandsprodukt (BIP) 0,1 -0,1 Erwerbstätigeb) (1000 Personen) 38696 38314 Arbeitslose (1000 Personen) 4061 4377 c) Arbeitslosenquote (in %) 9,5 10,3 Verbraucherpreised) (Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr) 1,4 1,1 Finanzierungssaldo des Staates e) – in Mrd. EUR -77,5 -81,3 – in % des Bruttoinlandsprodukts -3,7 -3,8 f) Erlaubter Finanzierungssaldo (in Mrd. Euro) -63,2 -63,8 Zinslasten des Staates (in Mrd. Euro)g) 66,0 66,7 2004 (1) 2005 (1) -0,3 0,1 -0,5 0,8 0,4 1,0 1,3 -2,0 0,6 9,3 7,1 1,7 38372 4379 10,3 3,8 -1,5 0,9 5,0 4,8 1,2 38517 4466 10,4 1,6 1,4 -85,6 -3,9 -65,6 67,7 -70,0 -3,1 -66,9 70,4 1,8 1,5 nachrichtlich: Reales Bruttoinlandsprodukt im Euroraum (Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr) 0,9 0,5 Verbraucherpreisindex im Euroraumh) 2,3 2,1 2,1 2,0 1) Prognose des ifo Instituts. – a) In Preisen von 1995. – b) Inlandskonzept. – c) Arbeitslose in % d) e) der inländischen Erwerbspersonen (Wohnortkonzept). – Verbraucherpreisindex (VPI). – In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG 95). – f) Nach dem Stabilitäts- und Wachstumspakt. – g) Geleistete Vermögenseinkommen. – h) HVPI-EWU (1996=100). Quelle: Eurostat, Statistisches Bundesamt, Bundesanstalt für Arbeit, Prognose des ifo Instituts. (Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr) schaft hat sich im Vergleich zur Konkurrenz im Euroraum seit Ende 2002 spürbar verbessert (vgl. Abb. 16). Deutschland befindet sich in einer mühsamen und sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Phase der realen Abwertung auf dem Wege der Senkung seiner relativen Preise, die eine im Euroverbund nicht mehr mögliche nominale Abwertung ersetzen muss. Parallel zur Abschwächung der Weltkonjunktur verringerte sich die Auslandsnachfrage im dritten Quartal deutlich. Hinzu kam die neuerliche Aufwertung des Euro, die die relativen deutschen Preise außerhalb der Euroländer erhöhte. Aus diesen Gründen ging die deutsche Ausfuhr vorübergehend sogar zurück. Sie sank im dritten Quartal saisonbereinigt um 1,1% gegenüber dem Vorquartal. Nicht nur asiatische Schwellenländer wie China oder die ASEAN-Staaten drosselten ihre Nachfrage nach deutschen Produkten. Auch die Exporte in die USA sowie in die neuen EU-Länder waren stark rückläufig (vgl. Abb. 17). Die Warenlieferungen der deutschen Exporteure in die bisherigen EU-Staaten, der wichtigsten Handelsregion für deutsche Waren, weiteten sich im dritten Quartal zwar noch aus, aber die Ausfuhrdynamik verlor an Schwung. Allein die Exporte nach Japan und Indien nahmen in den letzten Monaten noch deutlich zu. ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang Für das Jahr 2005 wird angenommen, dass sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen aufgrund der Aufwertung des Euro gegenüber dem USDollar und anderen an den Dollar gebundenen Währungen durchschnittlich um 2,3% verschlechtert und dadurch die Exportnachfrage nach deutschen Produkten spürbar gedämpft wird. Vom weltweiten Boom bei den Investitionsgütern wird der deutsche Export weiterhin profitieren, auch wenn dieser Boom schwächer wird. Alles in allem werden die deutschen Exporteure 2005 nicht mehr in gleichem Maße an der weltwirtschaftlichen Nachfrage partizipieren können wie in diesem Jahr, als zu Jahresbeginn ein regelrechter Exportboom einsetzte. Die reale Ausfuhr wird sich nach einem Wachstum von 9,3% in diesem Jahr im kommenden Jahr um weitere 5,0% ausweiten (vgl. Abb. 18). Die Nachfrage nach Importen nahm in der ersten Jahreshälfte ebenfalls deutlich zu und gewann im dritten Quartal nochmals an Dynamik. Die Einfuhr stieg saisonbereinigt um 4,3% gegenüber dem Vorquartal. Stark ausgeweitet wurde dabei die Nachfrage nach Vorleistungsgütern und nach Energieträgern, die vornehmlich dem Lageraufbau dienten. Von daher ist für das vierte Quartal mit einem vorübergehenden Rückgang der Einfuhren zu rechnen. Im Jahr 2005 werden die Importe bei moderatem Exportwachstum und mit der Belebung der inländischen Investitionstätigkeit wieder zunehmen. Die realen Importe haben im laufenden Jahr mit einer durchschnittlichen Rate von 7,1% zugenommen. Für das Jahr 2005 wird mit einer Rate von 4,8% gerechnet (vgl. Abb. 19). Gegenüber dem Vorjahr ist mit einer Zunahme des realen Außenbeitrags um 7 Mrd. Euro zu rechnen, nominal erhöht sich der Exportüberschuss um 41/2 Mrd. Euro. Die Importpreise werden im Verlauf des Jahres 2005 wieder langsamer steigen, weil der Ölpreis annahmegemäß im Prognosezeitraum eher sinkt. Ebenfalls moderat wird die Ausfuhrpreisentwicklung sein, weil sich die heimischen Arbeitskosten kaum erhöhen und zudem die deutschen Exporteure nach wie vor ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Preisnachlässe zu sichern suchen. Während sich die Terms of Trade in diesem Jahr noch leicht verbessern, verschlechtern sie sich im nächsten Jahr etwas. Daten und Prognosen Abb. 17 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 37 38 Daten und Prognosen Abb. 18 Abb. 19 Abb. 20 ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang Wenig Dynamik bei den Ausrüstungsinvestitionen Die Investitionen der Unternehmen in Ausrüstungsgüter haben sich in diesem Jahr leicht erholt. Saisonbereinigt standen einem kräftigen Rückgang im ersten Quartal Zuwächse im zweiten und dritten Quartal gegenüber. Der deutliche Anstieg der Investitionsausgaben im dritten Quartal ist aber eher als Reaktion auf den Nachholbedarf zu werten, der sich in den vergangenen Quartalen aufgestaut hat, denn als Anzeichen für eine jetzt anspringende verstärkte Investitionsdynamik. Darauf deuten sowohl die Inlandsaufträge bei den Investitionsgüterproduzenten hin, die trotz eines guten Oktoberwertes im Trend seit dem Frühjahr stagnieren, als auch der schon seit Monaten zunehmende Pessimismus bei den Geschäftserwartungen des verarbeitenden Gewerbes. Dass diese Erwartungen sich bei der jüngsten Umfrage des ifo Instituts wieder verbessert haben, kann noch nicht als Trendänderung interpretiert werden. Negativ schlägt auch zu Buche, dass sich das Geschäftsklima der Leasingbranche, das sich in den vergangenen Jahren als recht guter vorlaufender Indikator für die Investitionsneigung erwiesen hat, im dritten Quartal 2004 wieder überraschend stark verschlechtert hat. Bis zum Frühjahr 2005 ist deshalb nicht mit einer weiteren Belebung der Investitionstätigkeit zu rechnen. Der kräftige Exportzuwachs löste bisher keinen Investitionsaufschwung aus, weil die Kapazitäten unterausgelastet waren und es angesichts der schwachen Absatzperspektiven im Inland und des niedrigeren Kostenniveaus im benachbarten EU-Ausland nicht rentabel war, sich in Deutschland stärker zu engagieren. An diesen Rahmenbedingungen wird sich auch im Jahr 2005 nichts Wesentliches ändern. Ein verstärkter Ersatzbedarf, günstige Finanzierungsbedingungen und die verbesserte Gewinnlage der Unternehmen lassen jedoch eine moderate Ausweitung der Ausrüstungsinvestitionen im Verlaufe des nächsten Jahres erwarten. Auch bei den Investitionen in sonstige Anlagen ist nach der annähernden Stagnation in den Jahren 2002 und 2003 mit einem verstärkten Nachholbedarf zu rechnen. Zusammengenommen dürften die Investitionen in Ausrüstungen und sonstige Anlagen in diesem Jahr um real 1,3% und 2005 um 3,8% zunehmen (vgl. Abb. 20). Daten und Prognosen nen. Sie dürften im laufenden Jahr das Niveau des Vorjahres um 4,2% und 2005 um 4,3% unterschreiten. Tab. Tab. 44 Bruttoinvestitionen inin Preisen vonvon 1995 Bruttoinvestitionen Preisen 1995 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %in % Veränderung gegenüber dem Vorjahr 2003 2004 2005 -3,2 -2,0 -1,5 Wohnungsbau -2,7 -0,2 -0,1 Nichtwohnungsbau -4,0 -4,5 -3,4 Gewerblicher Bau -1,0 -4,2 -4,3 -10,4 -5,2 -1,4 Bauten Öffentlicher Bau Ausrüstungen und sonstige Anlagen -0,9 1,3 3,8 Ausrüstungen -1,4 1,0 3,5 Sonstige Anlagen 1,7 3,1 5,7 Bruttoanlageinvestitionen -2,2 -0,5 1,0 Bruttoinvestitionen 2,4 4,0 1,6 Quelle: Statistisches Bundesamt, 2004 und 2005: Prognose des ifo Instituts. Bauinvestitionen bleiben schwach Eine größere Bedeutung für die Entwicklung der inländischen Verwendung als die Ausrüstungsinvestitionen haben die Bauinvestitionen. Im Wohnungsbau sind die Investitionen in den ersten drei Quartalen dieses Jahres deutlich zurückgegangen und folgten damit weiter dem langjährigen Abwärtstrend. Die privaten Haushalte hatten zwar in den letzten Jahren vermehrt Baugenehmigungen beantragt, um sich den Anspruch auf die Eigenheimzulage nach altem Recht zu sichern. Angesichts der Arbeitsplatzrisiken und der stagnierenden Realeinkommen wurde jedoch bisher davon nur wenig in Bauaktivitäten umgesetzt. Es ist damit zu rechnen, dass im kommenden Jahr ein Teil der genehmigten Bauvorhaben realisiert wird, so dass die Abwärtstendenz im Wohnungsbau von leicht positiven Impulsen überlagert wird. Die Wohnungsbauinvestitionen werden in diesem Jahr das Niveau von 2003 geringfügig unterschreiten und im Abb. 21 kommenden Jahr in etwa auf dem Niveau von 2004 bleiben (vgl. Tab. 4). Bei den öffentlichen Bauinvestitionen zeichnet sich ebenfalls noch kein Ende der Talfahrt ab. Der Rückgang dürfte im nächsten Jahr aber geringer ausfallen, weil die Gemeinden steigende Einnahmen aus der Gewerbesteuer verzeichnen und die Einnahmen aus der LKW-Maut wieder mehr Mittel für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur frei machen werden. Für das laufende Jahr ist mit einem Rückgang der öffentlichen Bauinvestitionen um 5,2% und für das nächste um 1,4% zu rechnen. Alles in allem werden die Bauinvestitionen im Jahr 2004 um 2% und im Jahr 2005 um 1,5% abnehmen (vgl. Abb. 21 und Tab. 4). Privater Konsum bessert sich nur langsam Der private Konsum hat im Jahr 2004 erneut enttäuscht; im Durchschnitt dürfte das Vorjahresniveau um 0,3% unterschritten worden sein. Zwar trat zu Jahresanfang eine neue Entlastungsstufe der Steuerreform 2000 in Kraft (vgl. Tab. 5). Dämpfend wirkte aber die Gesundheitsreform, in deren Gefolge für private Hauhalte die Preise von Gesundheitsdienstdienstleistungen kräftig stiegen. Da der durchschnittliche Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur wenig sank, kam es per saldo zu einer merklichen Einbuße an Kaufkraft. Die gewerblichen Bauinvestitionen sind nach vorübergehender Stabilisierung im Vorjahr im Verlaufe dieses Jahres wieder spürbar gesunken. Die negative Grundtendenz bei den gewerblichen Bauinvestitionen ist eine Folge des in Leerständen zum Ausdruck kommenden Angebotsüberhangs, der bei dem derzeit gegebenen schwachen gesamtwirtschaftlichen Wachstum nicht so rasch abgebaut werden kann. Deshalb ist auch im kommenden Jahr mit einem weiteren Rückgang der gewerblichen Bauinvestitionen zu rech9 Bisher wurde der Beitrag zur Pflegeversicherung je zur Hälfte von den Rentenversicherungsträgern und von den Rentenbeziehern getragen. 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 39 40 Daten und Prognosen Tab.55 Tab Maßnahmen der Bundesregierung im Bereich private Haushalte Maßnahmen der Bundesregierung im Bereich private Haushalte 1998 Grundfreibetrag (in Euro) Eingangssteuersatz (in %) Allgemeiner Spitzensteuersatz (in %) Solidaritätszuschlag (in %) Spitzensteuersatz mit Solidaritätszuschlag (in %) Beginn der oberen Proportionalzone (in Euro) b) Steuerersparnis gegenüber 1998 (in Euro) bei einem zu versteuerndem Einkommen von 15 000 Euro von 25 000 Euro von 50 000 Euro nachrichtlich: Sparerfreibetrag (in Euro) c) Kinderfreibetrag (in Euro) Betreuungsfreibetrag für Kinder c) unter 16 Jahren (in Euro) Freibetrag für Betreuung und Erziehung c) oder Ausbildung (in Euro) nachrichtlich: Kindergeld für das erste und zweite Kind pro Monat (in Euro) Kinderzuschlag d) pro Kind und Monat maximal (in Euro) a) 1999 a) 2000 a) 2001 a) 2002 2003 2004 2005 6322 25,9 53,0 5,5 6681 23,9 53,0 5,5 6902 22,9 51,0 5,5 7206 19,9 48,5 5,5 7235 19,9 48,5 5,5 7235 19,9 48,5 5,5 7664 16,0 45,0 5,5 7664 15,0 42,0 5,5 55,92 55,92 53,81 51,17 51,17 51,17 47,48 44,31 61377 61377 58643 54999 55008 55008 52152 52152 - 111 72 22 283 283 29 525 703 745 534 707 751 534 707 751 814 1100 1524 845 1193 2095 3068 3534 3068 3534 1534 3534 1534 3534 1550 3648 1550 3648 1370 3648 1370 3648 - - 1546 1546 - - - - - - - - 2160 2160 2160 2160 112 128 138 138 154 154 154 154 - - - - - - - 140 a) DM-Beträge umgerechnet und auf ganze Euro-Beträge gerundet. – b) Jahreswerte nach Grundtabelle, ohne Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags. – c) Unter Anrechnung des Kindergelds. – d) Für Eltern, die mit eigenem Einkommen ihren (elterlichen) Bedarf abdecken, jedoch ohne den Kinderzuschlag wegen des Bedarfs der Kinder Anspruch auf Arbeitslosengeld II hätten. Die Zahlung ist auf 36 Monate begrenzt. Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Berechnungen des ifo Instituts. Zusätzlich bremsten höhere Arbeitnehmersozialbeiträge zur privaten Altersvorsorge (Verdoppelung des Eigenbeitragssatzes zu Altersvorsorgeplänen im Rahmen der Riesterrente, verstärkte Entgeltumwandlung). Außerdem mussten die Rentner ab April die Beiträge voll zur Pflegeversicherung übernehmen.9 Nach der Jahresmitte schlug zu Buche, dass das Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld verschiedentlich gekürzt bzw. sogar vollständig gestrichen worden war. Überdies unterblieb die turnusmäßige Erhöhung der Altersrenten. Zudem hat der erneute Höhenflug der Ölpreise Kaufkraft gebunden. Auch im dritten Quartal hat sich der zu beobachtende trendmäßige Anstieg der Sparquote fortgesetzt. Die Erhöhung der Sparquote ist für die Zukunftssicherung wegen der drohenden demographischen Krise unerlässlich. Sie sichert den Sparern einen höheren Lebensstandard im Alter. Aber aus konjunktureller Sicht führt das zusätzliche Sparen zu Nachfrageausfällen, die das kurzfristige Wirtschaftswachstum senken. Umso wichtiger ist es, dass die Investitionsgüternachfrage in Deutschland in ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang Abb. 22 die Bresche springt. Dass sie das nicht tut, ist das eigentliche Problem dieser Zeit. Im kommenden Jahr werden die Bruttolöhne und -gehälter wieder etwas stärker expandieren. Die Nettobezüge dürften allerdings verlangsamt zunehmen. Zwar wird ab Januar Daten und Prognosen nochmals der Steuertarif korrigiert (der Eingangssteuersatz wird um 1 Prozentpunkt zurückgenommen, der Spitzensteuersatz sogar um 3 Prozentpunkte). Auch dürfte der durchschnittliche Beitragssatz zur GKV im Jahresverlauf nochmals leicht reduziert werden. Kinderlose haben jedoch einen Zuschlag zur Pflegeversicherung in Höhe von 0,25 Prozentpunkten zu leisten. Ab Juli sollen zudem Zahnersatz und Krankengeld ausschließlich durch die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden; dazu wird ein Sonderbeitrag in Höhe von 0,9% des beitragspflichtigen Einkommens eingeführt. Obwohl die Beitragssätze zur gesetzlichen Krankenversicherung in dieser Höhe zurückgenommen werden sollen, ergibt sich für die Arbeitnehmer per saldo eine Mehrbelastung. Ebenfalls nur mäßig werden sich im kommenden Jahr die Sozialtransfers erhöhen, sie steigen nur um 0,4%. Die ausgezahlten Renten werden wegen der schwachen Lohnentwicklung, des Nachhaltigkeitsfaktors, der in der Rentenformel der demographischen Entwicklung Rechnung tragen soll, und des auch von Rentnern zu leistenden Zusatzbeitrages für Zahnersatz und Krankengeld zur Jahresmitte sinken. Außerdem kommt es zu Leistungskürzungen durch das neu eingeführte Arbeitslosengeld II, obwohl für bedürftige Familien ein Kinderzuschlag in Höhe von maximal 140 Euro pro Kind eingeführt wird. Unter Einrechnung der wieder stärker expandierenden Gewinn- und Vermögenseinkommen dürften die verfügbaren Einkommen im nächsten Jahr um 2,3% steigen, real um 0,9%. Bei leicht zunehmender Sparquote wird sich der reale private Konsum um 0,8% erhöhen (vgl. Abb. 22); er trägt damit am stärksten zum Wachstum der Binnennachfrage bei (vgl. Tab. 6). Moderater Anstieg der Verbraucherpreise Der Anstieg der Verbraucherpreise hat sich im Verlauf des Jahres 2004 beschleunigt. Am Jahresanfang wurden im Rahmen der Gesundheitsreform Praxisgebühren für Arztbesuche eingeführt, Zuzahlungen für Medikamente bzw. therapeutische Mittel erhöht und die bisherigen Zuschüsse der Krankenkassen für Brillengläser gestrichen. Im März wurde überdies die Tabaksteuer zur Finanzierung versicherungsfremder Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung erhöht. Im April führte die Neuregelung der Kostenübernahme für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel durch die gesetzlichen Krankenkassen nochmals zu einer starken Verteuerung von Medikamenten, auch wurden die Preise für Verkehrsdienstleistungen angehoben. Im Herbst erhöhten sich die Preise für Mineralölerzeugnisse sehr kräftig; auch wurde im Dezember die Tabaksteuer ein zweites Mal angehoben, und die Deutsche Bahn erhöhte die Tarife im Schnitt um bis zu 3,9%. Zuletzt belief sich die Inflationsrate auf 1,8%; die Kerninflationsrate, aus der in Abgrenzung des ifo Instituts u.a. der Einfluss der stark gestiegenen Preise für Energie und Gesundheitsleistungen herausgerechnet ist, betrug dagegen nur 0,7% und war damit nicht höher als im Jahr 200 (vgl. Tab. 7).10 10 Die Preise von Energieträgern (Kraftstoffe, Heizöl sowie Gas) und von Saisonwaren (Fische, Fischwaren, Obst, Gemüse) sind überdurchschnittlich volatil und können die Ergebnisse der Preisstatistik auf kurze Sicht verzerren. Aufgrund der in Deutschland besonders großen Bedeutung von Gütern mit administrierten Preisen schließt das ifo Institut bei der Berechnung der Kerninflationsrate diese Gütergruppe zusätzlich aus. Tab. Tab.6 6 Wachstumsbeiträge der Verwendungskomponenten zum Bruttoinlandsprodukt in der Bundesrepublik Deutschland Wachstumsbeiträge der Verwendungskomponenten zum Bruttoinlandsprodukt in der in Preisen von 1995 Bundesrepublik Deutschland in Preisen von 1995 2003 1.Hj 2.Hj 2004 Jahr 1.Hj (s) 2005 2.Hj (s) Jahr (s) 1.Hj (s) 2.Hj (s) Jahr (s) Beiträge zur Veränderung des Bruttoinlandsprodukts gegenüber Vorjahrin Prozentpunkten Private Konsumausgaben 0,3 -0,3 0,0 -0,3 -0,1 -0,2 0,2 0,6 0,4 Konsumausgaben des Staates 0,1 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,1 0,1 0,1 0,2 Anlageinvestitionen -0,7 -0,1 -0,4 -0,1 -0,1 -0,1 0,2 0,2 Ausrüstungen, sonstige Anlagen -0,2 0,0 -0,1 -0,1 0,3 0,1 0,4 0,3 0,3 Bauten -0,6 -0,1 -0,4 -0,1 -0,4 -0,2 -0,2 -0,1 -0,1 Vorratsveränderung 1,0 0,8 0,9 0,2 1,5 0,9 0,8 -0,5 0,1 Inländische Verwendung 0,6 0,3 0,5 -0,2 1,3 0,6 1,3 0,3 0,8 -0,8 -0,4 -0,6 1,9 0,4 1,2 -0,1 0,8 0,4 0,8 0,5 0,7 3,7 3,3 3,5 1,4 2,5 2,0 -1,6 -0,9 -1,3 -1,8 -2,8 -2,3 -1,6 -1,7 -1,6 -0,2 -0,1 -0,1 1,7 1,7 1,7 1,2 1,2 1,2 Außenbeitrag Exporte Importe Bruttoinlandsprodukt a) s) Schätzungen des ifo Instituts. – a) Veränderung in % gegenüber Vorjahr. Das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts ergibt sich aus dem Wachstumsbeitrag der Inlandsnachfrage und des Außenbeitrags. Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen. Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts. 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 41 42 Daten und Prognosen Tab. 7 Tab. 7 Verbraucherpreisindex für Deutschlanda) Verbraucherpreisindex für Deutschlanda) Wägungsschema in Promille 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 November Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % Kerninflationb) 744,98 0,9 0,5 0,8 1,4 1,4 0,7 0,7 Übrige Lebenshaltung davon: Saisonabh. Nahrungsmittel 255,02 1,1 0,8 3,5 3,7 1,2 2,1 4,9 16,26 2,1 -0,7 -0,9 7,9 -0,8 -1,3 -6,8 51,01 7,90 33,70 9,41 187,75 -5,7 -17,0 -5,2 0,2 2,5 6,5 19,5 7,0 -2,1 -0,2 22,8 53,6 18,9 16,3 -0,4 3,6 -5,9 1,0 21,2 3,3 -1,0 -9,1 2,3 -5,6 2,0 4,6 3,8 4,6 5,1 1,8 9,2 26,4 8,0 2,1 4,7 18,65 10,37 20,96 35,46 8,91 6,08 0,0 -2,4 -1,3 5,2 4,5 8,9 3,9 -4,8 -11,5 -3,3 3,3 6,8 -4,9 16,4 -12,5 0,2 3,7 2,6 4,0 19,4 -6,9 1,3 3,5 23,4 4,5 -0,9 2,1 0,6 3,6 0,0 5,0 -0,2 1,1 0,5 3,3 0,6 3,8 3,3 -1,7 20,3 2,8 4,8 Heizöl, Kraftstoffe und Gas Heizöl Kraftstoffe Gas Güter mit administrierten Preisen darunter: Strom Umlagen für Fernwärme u.ä. Telefondienstleistungen Gesundheitspflege Beiträge zur Krankenversicherung Kraftfahrzeugsteuer Lebenshaltung insgesamt 1000,00 0,9 0,6 1,4 2,0 1,4 1,1 1,8 davon: c) Kerninflation 0,7 0,4 0,6 1,0 1,1 0,5 0,5 Übrige Lebenshaltung 0,3 0,2 0,9 0,9 0,3 0,6 1,3 Saisonabh. Nahrungsmittel 0,0 0,0 0,0 0,1 0,0 0,0 -0,1 Heizöl, Kraftstoffe und Gas -0,2 0,3 1,0 0,2 -0,1 0,2 0,5 Güter mit administrierten Preisen 0,5 0,0 -0,1 0,6 0,4 0,3 0,9 a) Alle privaten Haushalte, 2000 = 100. – b) In der Abgrenzung des ifo Instituts. – c) Beiträge der Teilindizes zur Veränderung des Verbraucherpreisindex in Prozentpunkten. Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen. Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen des ifo Instituts. Der Preisauftrieb wird im Prognosezeitraum etwas geringer. Die an die Ölpreisentwicklung mit zeitlicher Verzögerung gekoppelten Gaspreise werden zwar noch steigen; dies gilt auch für die Umlagen für die Fernwärme. Zu berücksichtigen sind außerdem die indirekten Preiseffekte, die sich daraus ergeben, Abb. 23 dass teuerer gewordenes Öl als Vorleistung in die heimische Produktion eingeht. Auch wird im September 2005 die Tabaksteuer erneut angehoben. Von der Entwicklung der Arbeitskosten geht aber weiter kaum Druck auf die Preise aus. Zudem bleibt der internationale Wettbewerbsdruck hoch. Insgesamt dürfte sich die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt 2005 auf 1,4% belaufen. Lage am Arbeitsmarkt bleibt prekär Die Lage am Arbeitsmarkt bleibt trotz der konjunkturellen Erholung angespannt. Zwar ist die Zahl der Erwerbstätigen seit Beginn des Jahres saisonbereinigt um knapp 100 000 gestiegen, dies ist jedoch sehr dififo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang ferenziert zu sehen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist nämlich im gleichen Zeitraum um mehr als 100 000 gesunken. Der Zuwachs der Erwerbstätigkeit resultiert damit überwiegend aus Minijobs und Ich- Daten und Prognosen Abb. 24 um 0,3% steigen und im nächsten Jahr um 0,1% leicht sinken. Arbeitstäglich bereinigt wird das Arbeitsvolumen allerdings in diesem Jahr um 0,1% zurückgehen und im nächsten Jahr in ähnlichem Ausmaß steigen (vgl. Abb. 24). Die Zahl der Arbeitslosen war im Laufe des vergangenen Jahres bis einschließlich Januar 2004 als Folge von Statistikbereinigungen und einer geänderten Abgrenzung von Arbeitslosigkeit im amtlichen Rechenwerk rechnerisch um 230 000 Personen verringert worden. Inzwischen hat sie aber wieder deutlich zugenommen. Im November belief sie sich saisonbereinigt auf 4,46 Mill.; die saisonbereinigte Arbeitslosenquote (in % der zivilen Erwerbspersonen nach Abgrenzund der Bundesagentur für Arbeit) betrug 10,8%. Im Vergleich zum Vorjahr war die Zahl der Arbeitslosen zuletzt um 74 000 höher; ohne die erwähnten Maßnahmen wäre der Vorjahresvergleich noch deutlicher ungünstiger ausgefallen. AGs. Viele Minijobs entstanden dabei im Handel, im Gastgewerbe und bei privaten Haushalten. In Deutschland gibt es inzwischen mehr als 4,8 Mill. ausschließlich geringfügig Beschäftigte, was mehr als 12% aller Erwerbstätigen ausmacht. Im nächsten Jahr wird die Zahl der Erwerbstätigen mit fortschreitender Belebung der Konjunktur weiter zunehmen (vgl. Abb. 23). Sie werden im Jahresdurchschnitt 2005 – ohne Berücksichtigung der Auswirkungen der Hartz-IV-Reform – schätzungsweise um 145 000 Personen steigen (2004: 58 000 Personen). Das Arbeitsvolumen wird im Jahresdurchschnitt 2004 Abb. 25 Die Zahl der registrierten Arbeitslosen wird ohne Berücksichtigung der aus der Umsetzung der Hartz-IV-Reform resultierenden Arbeitsmarkteffekte zunächst noch leicht zunehmen. Erst ab dem Frühsommer 2005 wird sie leicht sinken (vgl. Abb. 25). Im Durchschnitt des Jahres 2005 wird die Arbeitslosenzahl aufgrund des starken Anstiegs in der zweiten Jahreshälfte 2004 allerdings noch um rund 85 000 höher als in diesem sein. Die Arbeitslosenquote (in % der inländischen Erwerbspersonen) wird im Jahresdurchschnitt 10,4% betragen, nach 10,3% in diesem Jahr. Einschließlich der aus der Einführung des Arbeitslosengelds II (Alg II) folgenden Effekte (vgl. Kasten: Arbeitsmarkteffekte von Hartz IV) wird die Arbeitslosenzahl zunächst sehr stark steigen, dem Ursprungswert nach wird die 5-Millionenmarke im Februar 2005 überschritten (vgl. Abb. 25). Im weiteren Jahresverlauf dürfte sie dann aber stärker sinken, als es unter rein konjunkturellem Blickwinkel der Fall gewesen wäre. Im Jahresdurchschnitt 2005 wird die Arbeitslosenzahl unter Berücksichtigung der Hartz-IV-Reform voraussichtlich um rund 225 000 höher sein als im Jahr 2004, d.h. die Arbeitslosigkeit steigt durch die Einführung des Arbeitslosengelds II ohne Berücksichtigung von Zweitrundeneffekten um 140 000 Personen. Die Finanzlage der öffentlichen Hand bleibt weiter angespannt Nachdem auch im Jahr 2004 eine nachhaltige Konjunkturbelebung ausgeblieben ist, hat sich die desolate Finanzlage der öffentlichen Haushalte trotz der Tatsache, dass die Ausgaben auf Vorjahresniveau verharren, keineswegs verbessert. Vielmehr beträgt das Defizit im laufenden Jahr sogar 3,9% des prognostizierten nominalen Bruttoinlands- 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 43 44 Daten und Prognosen Kasten Arbeitsmarkteffekte von Hartz IV Mit dem »vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt« (Hartz IV) werden ab ersten Januar 2005 die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe für Erwerbstätige zum Arbeitslosengeld II verschmolzen. Die Reform soll die Eigenverantwortung des Bürgers stärken; zugleich wird versucht, Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor zu schaffen. Unabhängig von möglichen längerfristigen Wirkungen sind hiervon bestimmte Effekte auf die Arbeitslosigkeit und die Erwerbstätigkeit zu erwarten. Ab Januar 2005 müssen erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, um weiter eine 1 Grundsicherung (Alg II) zu erhalten. Dies wird nach Schätzungen des IAB ca. 300 000 Personen betreffen und damit die Arbeitslosenzahl zu Anfang des Jahres deutlich erhöhen. Außerdem könnten sich bisherige Leistungsempfänger nach § 428 SGB 2 III, die älter als 58 Jahre sind wieder arbeitslos melden, weil Leistungen eingeschränkt werden. Einen dämpfenden Effekt auf die Zahl der Arbeitslosen wird sich voraussichtlich durch die strengere Vermögensanrechnung für bisherige Arbeitslosenhilfebezieher ergeben. Ab Januar werden auch Vermögen und Einkommen von Angehörigen der so genannten Bedarfsgemeinschaften angerechnet, was dazu führt, dass die Leistungen aus Alg II niedriger ausfallen als bei der bisherigen Arbeitslosenhilfe oder der Anspruch sogar vollständig erlischt. Als Folge könnte ein Teil der 500 000 davon betroffenen Personen die Arbeitslosmeldung im Laufe des Jahres unterlassen. Weiterhin können nun allen Alg-II-Empfängern so genannte Arbeitsgelegenheiten – insbesondere »1-Euro-Jobs« – angeboten 3 werden. Umfasst eine solche Tätigkeit mehr als 15 Stunden in der Woche, so werden die betroffenen Personen nicht mehr zu den Arbeitslosen gezählt. Bei optimistischer Betrachtung kann man davon ausgehen, dass eventuell 300 000 zusätzliche 4 Arbeitsgelegenheiten im Laufe des Jahres geschaffen werden können. Geht man weiter davon aus, dass 80% der fraglichen Arbeitsgelegenheiten einen Umfang von mehr als 15 Stunden in der Woche aufweisen, dann verringert dies die Arbeitslosen um ca. 240 000. Dabei eventuell auftretende Substitutionseffekte zwischen 1-Euro-Jobs mit traditionellen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und regulärer Erwerbstätigkeit sind in diesem Ansatz nicht berücksichtigt. Die Zahl der Erwerbstätigen wird sich im Rahmen von Hartz IV im Wesentlichen durch die zusätzlich geschaffenen Arbeitsgelegenheiten erhöhen. Im Jahresverlauf ergibt sich bei den hier getroffenen Annahmen ein Nettozuwachs durch 1-Euro-Jobs von 300 000 Personen. Im Kern liegt die Wirkung der Hartz-IV-Reform aber nicht in dem Versuch, Arbeitslose auf 1-Euro-Jobs zu beschäftigen. Vielmehr wird diese Reform den privaten Arbeitsmarkt beleben, weil der Staat seine Lohnkonkurrenz zum privaten Sektor verringert, indem er weniger Geld für die Nichtbeschäftigung zahlt. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe reduziert die Einkommen von je ca. einer Million Personen im Westen und im Osten des Landes. Die verminderte Lohnkonkurrenz des Staates senkt die Anspruchslöhne der Betroffenen und damit die tatsächlich von den Arbeitgebern zu zahlenden Löhne. Dies wird aus der Menge der technisch möglichen Stellen eine größere Teilmenge für die Arbeitgeber rentabel machen und insofern zu einer echten Verminderung der Arbeitslosigkeit beitragen. Die 1-Euro-Jobs dienen weniger dazu, kommunale Arbeit zu schaffen, als dem strategischen Ziel, zumutbare Arbeit mit staatlicher Hilfe nachzuweisen, ohne dass diese Arbeit selbst attraktiv wird. Von der Grundidee her bedeuten 1-Euro-Jobs, dass die Bezieher von Sozialhilfe für ihr Geld arbeiten müssen, denn der eine Euro ist für sich genommen nur ein unwesentlicher Hinzuverdienst. Diese Grundidee entspricht dem Vorschlag der Aktivierenden Sozialhilfe, der im Jahr 2002 5 vom ifo Institut unterbreitet worden war. Im Falle einer Ablehnung dieser Arbeit durch einen Arbeitslosen kann eine Kürzung des Arbeitslosengeldes II verfügt werden, und in der Konsequenz fallen dessen Lohnansprüche für eine Marktbeschäftigung. Die doppelte Konkurrenz zwischen den Niedriglohnanbietern auf den Absatzmärkten der Welt und den vom Staat gewährten Lohnersatzleistungen hat immer mehr Arbeit in Deutschland vernichtet und das Land in eine Zwickmühle geführt. Hartz IV ist ein sinnvoller Versuch, diese Zwickmühle aufzulösen. Ob der Versuch gelingt, hängt entscheidend von der flächendeckenden Bereitstellung der 1-Euro-Jobs ab, denn nur mit ihrer Hilfe lassen sich die Lohnansprüche hinreichend weit senken, um neue Stellen zu schaffen. Kommt es nicht zu einer solchen Bereitstellung, werden die Effekte von Hartz IV begrenzt sein, weil das Arbeitslosengeld II durch einen extrem hohen Transferentzug im Falle einer Arbeitsaufnahme gekennzeichnet ist. So muss ein Arbeitnehmer im Bereich von 50 bis 400 Euro von jedem über 50 Euro hinaus verdienten Euro 85 Cent an den Staat zurückgeben, und im Bereich von 400 bis 900 Euro muss er durch Transferentzug und Sozialabgaben auf etwa 80 Cent verzichten, wenn er brutto einen Euro mehr verdient. Im Bereich von 900 bis 1 600 Euro, der zum Beispiel auch für kinderlose Ehepaare relevant ist, liegt der Effekt des Transferentzugs und der Sozialabgaben im Durchschnitt bei 89 Cent für jeden zusätzlich verdienten Euro Bruttoeinkommen. Der hohe Transferentzug impliziert extrem hohe Lohnansprüche. Wenn z.B. ein Verheirateter ohne Kinder 5 Euro netto pro Stunde verlangt, dann liegt der verlangte Stundenlohn bei einem Bruttoeinkommen von 1600 Euro bei mindestens 28 Euro. Zu diesem Lohn gibt es kaum irgendwelche Arbeitgeber, die bereit wären, eine Stelle zu schaffen. Die extrem hohen Anspruchslöhne, die das Arbeitslosengeld II aufbaut, lassen sich nur durch eine konsequente Bereitstellung der 1-Euro-Jobs, eine rigorose Anwendung der Zumutbarkeitsregeln und eine Verbesserung der Hinzuverdienstmöglichkeiten verringern, was ebenfalls vom ifo Institut vorgeschlagen worden war. Damit Hartz IV nicht zu einer gigantischen staatlichen Beschäftigungsgesellschaft ausartet, muss der Gesetzgeber aufpassen, dass die 1-Euro-Jobs zusammen mit dem Arbeitslosengeld II nicht attraktiver werden als eine Beschäftigung im ersten Arbeits- 1 Vgl. Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung IAB Kurzbericht Nr. 17 (2004) und Deutsche Bundesbank Monatsbericht November 2004. 2 Arbeitslose, die älter als 58 Jahre sind und bereits einen Antrag auf Altersrente gestellt haben, müssen dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen, um Leistungen zu erhalten. Die strengere Vermögensanrechnung innerhalb von Bedarfsgemeinschaften im Zuge des Alg II kann diese Personen jedoch dazu veranlassen, eine erneute Beschäftigung anzustreben. Nach Schätzungen des IAB könnte dies die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt um 20 000 erhöhen. 3 Für die zusätzlich geschaffenen 1-Euro-Jobs muss nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch gelten, dass sie gemeinnützig und zusätzlich sind. Verdrängungseffekte können dennoch auftreten, da eventuell das Entstehen von regulären Arbeitsplätzen verhindert wird. 4 Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums sind bis zu 600 000 solcher 1-Euro-Jobs möglich. Da bereits ca. 210 000 solcher gemeinnütziger Arbeitsgelegenheiten bestehen und unter Mitwirkung der BA noch bis Jahresende 50 000 solcher Jobs vermittelt werden können (vgl. IAB Kurzbericht Nr. 17, 2004), müssten bis zum Jahresende 2005 noch 340 000 weitere 1-Euro-Jobs entstehen, was eine erhebliche Herausforderung für die betroffnen Behörden darstellen dürfte. Für Berlin bedeutet dies zum Beispiel, dass – gemessen an der Bevölkerung – ca. 24 000 1-Euro-Jobs unterhalten werden müssten. 5 H.-W. Sinn et al., Aktivierende Sozialhilfe – Ein Weg zu mehr Beschäftigung und Wachstum, ifo Schnelldienst, Sonderausgabe 55(9)/2002. ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang Daten und Prognosen markt. Deshalb dürfen die 1-Euro-Jobs nicht zu 2-Euro-Jobs mutieren, was nach dem gegenwärtigen Stand der Diskussion nicht ausgeschlossen ist. Außerdem sollte der Transferentzug für die 1-Euro-Jobs genauso greifen wie bei einer Beschäftigung in der privaten Wirtschaft. Ungelöst ist bei den 1-Euro-Jobs die Frage, wie der Staat die bei ihm beschäftigten Personen sinnvoll einsetzen soll, ohne zugleich das private Handwerk zu verdrängen. Im ifo-Modell der Aktivierenden Sozialhilfe wird dieses Problem gelöst, indem die Kommunen die ihnen anvertrauten Personen auf dem Wege eines Leiharbeitsverhältnisses meistbietend in der Privatwirtschaft unterbringen müssen. Mit einer solchen Ergänzung ließe sich die Verdrängung des privaten Handwerks vermeiden, weil die Handwerksbetriebe selbst die Leiharbeiter anheuern könnten. Hartz IV ließe sich dann geradezu als ein Programm zur Integration ehemaliger Schwarzarbeiter in das private Handwerk verstehen. Es ist unklar, welches die zeitliche Perspektive für die Wirksamkeit der Hartz-IV-Reformen ist. In den für konjunkturelle Fragestellungen relevanten Zeiträumen wird der Effekt dieser Reformen vermutlich gering sein. Umso wichtiger sind ihre Auswirkungen für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung des Landes. produkts, was den dritten Verstoß in Folge gegen die 3%Grenze des Stabilitäts- und Wachstumspaktes bedeutet. Auf die Entwicklung der Ausgaben haben sich insbesondere die Einmaleffekte der Gesundheitsreform dämpfend ausgewirkt. So hat die für private Haushalte seit 1. Januar dieses Jahres bestehende Gebühr für Arztbesuche und die erweiterte Zuzahlungspflicht bei Medikamenten sowie der reduzierte Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenkassen zu einem Rückgang der Sachausgaben um 1,6% geführt. Des Weiteren sind aufgrund der sinkenden Beschäftigung im öffentlichen Dienst und der Kürzungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld für Beamte leicht rückläufige Personalausgaben zu beobachten. Sinkende Investitionsausgaben (– 5,1%) tragen zur Budgetentlastung bei. Die Reduzierung der Investitionszuschüsse vor allem an die Deutsche Bahn AG haben zu einem Rückgang der Vermögensübertragungen um rund 4% geführt, und bei den Subventionen sind abermals Einsparungen (– 2,9%) festzustellen, wenngleich sie im Vergleich zu den Vorjahren geringer ausfallen. Auch die sonstigen Transferzahlungen sind nur wenig gewachsen (0,8%). Die Zinszahlungen haben infolge des in 2003 gestiegenen Schuldenstandes abermals zugenommen. Diese belaufen sich auf knapp 68 Mrd. Euro und liegen damit über der nach dem Stabilitäts- und Wachstumspakt erlaubten Nettoneuverschuldung (65,6 Mrd. Euro). Nur den niedrigen Zinssätzen ist zu verdanken, dass die Zinszahlungen lediglich um 1,5% zugenommen haben. Dieser Prozentsatz wird sich erheblich vergrößern, wenn sich die Europäische Zentralbank eines Tages veranlasst sieht, ihre Zinsen wieder auf das langfristige Normalniveau anzuheben. Die monetären Sozialleistungen sind wiederum gestiegen (1,2%). Da jedoch in diesem Jahr keine Erhöhung der Renten stattgefunden hat und außerdem die Rentenempfänger ihre Pflegeversicherungsbeiträge seit 1. April selbst tragen müssen, fällt die Zunahme verglichen zu vorangegangenen Jahren geringer aus. Den insgesamt stagnierenden Ausgaben stehen um 0,5% sinkende Staatseinnahmen gegenüber, welche aus nahezu unveränderten Steuereinnahmen und Sozialbeiträgen sowie einem deutlichen Rückgang der übrigen Einnahmen des Staates resultieren. Maßgeblich für den geringen Anstieg der Steuereinnahmen (0,3% in Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen) sind insbesondere die hohen Ausfälle im Rahmen der Lohnsteuer (rund 9 Mrd. Euro), die aus dem Inkrafttreten der Zweiten Stufe der Steuerreform 2000, dem Teilvorziehen der Dritten Stufe und der verhaltenen Einkommensentwicklung resultieren. Darüber hinaus schlagen die Aufkommenseinbrüche bei der Tabak- und Mineralölsteuer negativ zu Buche. Entgegen der erwarteten Mehreinnahmen von rund einer Mrd. Euro durch die Steuersatzerhöhungen im Rahmen der Tabaksteuer wird es wohl letztendlich infolge extremer Nachfragereaktionen gegenüber dem Vorjahr zu einem Aufkommensrückgang um ca. 400 Mill. Euro (2,8%) kommen. Der unerwartete Einbruch ist wohl neben dem tatsächlich gesunkenen inländischen Verbrauch vor allem auf ein Ausweichen auf niedriger besteuerte Tabakerzeugnisse, auf den gestiegenen Tabakschmuggel sowie legale Direktimporte zurückzuführen. Auch das Mineralölsteueraufkommen entwickelte sich aufgrund des hohen Öl- und Benzinpreises sowie des rückläufigen Energieverbrauchs infolge der gedämpften Inlandskonjunktur nicht gerade günstig. Im Jahr 2004 wird daher lediglich ein Aufkommen von knapp 42 Mrd. Euro erwartet. Das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit zeigt nicht die von der Regierung erhoffte Wirkung, obwohl es eine großzügige Steueramnestie anbietet. Vielmehr scheint die Skepsis gegenüber der zukünftigen Entwicklung der deutschen Steuerpolitik viele ehemalige Steuerflüchtlinge dazu bewogen zu haben, ihr im Ausland angelegtes Kapital nicht nach Deutschland zurückzuholen. Bis November summierten sich die Einnahmen aus der Steueramnestie lediglich auf 557 Mill. Euro, weshalb in dieser Prognose nur noch Gesamteinnahmen von 700 Mill. Euro unterstellt werden. Somit steigt das Aufkommen der veranlagten Einkommensteuer nur auf ca. 5 Mrd. Euro, was einem Plus von rund 7% entspricht. Bei den Steuern vom Umsatz wird es erstmals seit dem Jahr 2001 wieder einen leichten Aufkommenszuwachs geben. 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 45 46 Daten und Prognosen Zwar lässt sich die nur mäßige Zunahme zu einem guten Teil durch die schwache Binnennachfrage erklären, doch scheinen darüber hinaus nach wie vor Ausfälle infolge von Betrügereien im Rahmen der Umsatzbesteuerung eine gewichtige Rolle zu spielen. Für wirklich positive Überraschungen bei den Steuereinnahmen sorgten lediglich die Körperschaftsteuer (+ rund 65%) und die Gewerbesteuer (+ knapp 13%). Neben der verbesserten Ertragssituation der Unternehmen und hohen Nachzahlungen für vorangegangene Veranlagungszeiträume scheinen auch das Moratorium für noch bestehende Körperschaftsteuerguthaben und der seit diesem Jahr begrenzte Verlustvortrag zu deutlichen Mehreinnahmen zu führen. Trotz der Tatsache, dass Rentner seit Beginn des Jahres 2004 auf Betriebsrenten und andere Versorgungsbezüge den vollen Beitragssatz zur Gesetzlichen Krankenversicherung entrichten müssen, sinken die Sozialbeiträge infolge der ungünstigen Einkommens- und Beschäftigungsentwicklung leicht. Hinzu kommt eine schwache Absenkung des durchschnittlichen Beitragssatzes zur Gesetzlichen Krankenversicherung. Der Bundesbankgewinn, der früher im Bereich vieler Milliarden D-Mark gelegen hatte, beträgt in diesem Jahr lediglich 248 Mill. Euro. Der Rückgang ist zu einem Teil auf die mit der Aufwertung des Euro verbundenen Buchverluste bei den Devisenbeständen der EZB zurückzuführen. Zu einem anderen Teil ist er das Ergebnis der Sozialisierung der Zinserträge des von der Bundesbank eingebrachten Wertpapierbestandes, die mit der Schaffung der europäischen Zentralbank einherging.11 Obwohl die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen zur Einhaltung des Defizitkriteriums plant, ist auch im Jahr 2005 Abb. 26 nach wie vor keine nachhaltige Besserung der Situation in Sicht. Unter Berücksichtigung der Zahlungen der Landesbanken an die Bundesländer für zu Unrecht erhaltene Subventionen werden die Einnahmen um 1,9% zunehmen. Bei den Ausgaben kommt es trotz des geplanten Verkaufs der Forderungen der Postbeamtenversorgungskasse zu einem weiteren Anstieg, weil die Zinszahlungen weiter kräftig steigen und die Einmaleffekte der Gesundheitsreform entfallen. Daneben wird das Inkrafttreten der Hartz-IV-Reform per saldo eine Entlastung von rund einer Milliarde Euro bewirken. Dies führt zu einem erwarteten Defizit von knapp 70 Mrd. Euro, was noch immer 3,1% des für das Jahr 2005 prognostizierten nominalen Bruttoinlandprodukts entspricht (vgl. Abb. 26). Der moderate Ausgabenanstieg ist maßgeblich Folge der Entlastung des Bundes von Transferzahlungen in Höhe von rund 5 Mrd. Euro an die Pensionskassen der Postnachfolgeunternehmen. Durch diese finanzielle Transaktion werden die höheren Zahlungen der so genannten BNE-Eigenmittel an die EU überkompensiert, so dass die sonstigen Transfers im Jahr 2005 um 8,3% sinken. Positiv wirken sich auf der Ausgabenseite zudem die erwarteten moderaten Tarifabschlüsse und die rückläufige Beschäftigung im öffentlichen Dienst aus, was erneut sinkende Personalausgaben zur Folge hat. Auch die Vermögensübertragungen, Investitionsausgaben und Subventionen werden im kommenden Jahr abermals sinken. Dem stehen jedoch um 4% drastisch steigende Zinszahlungen gegenüber, die sich auf den im Jahr 2004 abermals deutlich gestiegenen Schuldenstand zurückführen lassen. Daneben entfallen die Einmaleffekte durch die Gesundheitsreform, so dass die sozialen Sachleistungen wieder zulegen. Die monetären Sozialleistungen sind nur durch eine geringe Zunahme von 0,4% gekennzeichnet, da es zum einen aufgrund der im Jahr 2004 kaum gestiegenen Löhne und der Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors in die Rentenanpassungsformel erneut zu einer Nullrunde bei den Renten kommen wird. Zum anderen reduziert die bessere Arbeitsmarktlage die Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung, und die Beitragspflicht der Rentner zur Pflegeversicherung besteht für das Gesamtjahr. Die Einnahmeentwicklung wird im nächsten Jahr maßgeblich durch ein Steuerwachstum von 1,3% (in Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen) und einen kräftigen Anstieg der empfangenen sonsti- 11 ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang H.-W. Sinn und H. Feist, Seignorage Wealth in the Eurosystem: Eurowinners and Eurolosers Revisited, in: M. Köthenbürger, H.-W. Sinn und M. Widgren, Hrsg., European Monetary Integration, MIT Press, Cambridge, Mass. 2004, S. 121–136. Daten und Prognosen gen laufenden Übertragungen infolge der Rückzahlungen der Landesbanken in Höhe von rund 4 Mrd. Euro geprägt. Positive Auswirkungen auf das Steueraufkommen werden der prognostizierte Anstieg der Körperschaftsteuer und der spürbarere Abbau von Steuervergünstigungen haben. Neben der Absenkung der Eigenheimzulage wird sich die Reduzierung der Entfernungspauschale zu gewissen Mehreinnahmen beim Fiskus führen. Auch wird für die Steuern vom Umsatz ein Anstieg von knapp 2% prognostiziert. Zwar wird sich der extreme Gewerbesteuerzuwachs des Jahres 2004 nicht in diesem Maße fortsetzen, doch ist immer noch eine Steigerung um rund 2% unterstellt. Auch die Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer werden unter anderem wegen des Wegfalls der Steuerbefreiung von schadstoffarmen Pkws kräftig expandieren. Abzuwarten bleibt allerdings, wie hoch die Nachfragereaktionen infolge der neuerlichen Anhebung der Tabaksteuer ausfallen und ob dementsprechend tatsächlich mit den unterstellten Mehreinnahmen von 1 Mrd. Euro gerechnet werden kann. Die Einnahmen aus der Lohnsteuer werden fallen. Maßgeblich hierfür sind zum einen die Ausfälle, die aus den verbliebenen Tarifsenkungen der Steuerreform 2000 resultieren, und zum anderen jene, die ihre Ursache in der nur gedämpften Einkommens- und Beschäftigungsentwicklung haben. Außerdem wird der Beginn des Übergangs zur nachgelagerten Besteuerung von gesetzlichen Renten im Rahmen des Alterseinkünftegesetzes bei den Einkommensteuern Ausfälle von rund einer Milliarde Euro zur Folge haben. Aus der aktuellen EuGHRechtsprechung erwachsen Einnahmerisiken (vgl. insbesondere das EuGH-Urteil zur Anrechnungspflicht im Ausland gezahlter Körperschaftsteuer). Die Sozialbeiträge werden trotz der zu erwartenden leichten Beitragssatzsenkungen bei der Gesetzlichen Krankenversicherung im kommenden Jahr zunehmen. Verantwortlich für diesen Anstieg ist unter anderem der ab Jahresbeginn fällige Zuschlag für Kinderlose von 0,25 Prozentpunkten auf den regulären Beitragssatz zur Pflegeversicherung. Darüber hinaus werden künftig aufgrund des Inkrafttretens der Hartz-IV-Regelungen zusätzliche Rentenversicherungs- und Krankenkassenbeiträge für diejenigen Alg-II-Empfänger abgeführt, die bisher Sozialhilfeempfänger sind. Zur Abdeckung der Kosten für Zahnersatz und Krankenhaustagegeld wird statt der paritätischen Finanzierung ab dem 1. Juli 2005 ein einkommensabhängiger Beitrag von 0,9 Prozentpunkten allein von den Versicherten erhoben. Die ursprünglich anvisierten privaten Absicherungsmöglichkeiten wurden jedoch nicht realisiert, so dass infolge der Umfinanzierung nur noch eine Abwanderung von freiwillig Versicherten in die Private Krankenversicherung droht und die Reform in der Summe weitgehend aufkommensneutral zu verlaufen scheint. Auch die übrigen Einnahmen des Staates werden zunehmen. Hauptverantwortlich ist hierfür der vermutlich wieder etwas höhere Bundesbankgewinn und die in dieser Prognose unterstellten Einnahmen in Höhe von 2 Mrd. Euro aus der Lkw-Maut. Insgesamt ist trotz des eingeleiteten Sparpakets der Bundesregierung eine vierte Verletzung des Defizitkriteriums des Maastricht-Vertrages sehr wahrscheinlich, sofern nicht von Seiten der Politik weiter ernsthaft gegengesteuert wird. Statt punktueller Erfolge durch Einmaleffekte und Verschiebung von Lasten in die Zukunft ist nach wie vor eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung erforderlich. Ohne die von der Bundesregierung einkalkulierten Zahlungen der Landesbanken und der finanziellen Transaktionen bzgl. der Postbeamtenversorgungskasse würde sich im Jahr 2005 ein Defizit von 3,4% des Bruttoinlandsprodukts einstellen. Wie bereits erwähnt beträgt das hier prognostizierte Defizit unter Berücksichtigung der Einmaleffekte voraussichtlich 3,1% in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt. Exkurs: VAR-Analyse zur Auswirkung eines Ölpreisanstiegs und einer Aufwertung auf den Euroraum In diesem Exkurs sollen die Auswirkungen eines Anstiegs der Ölpreise sowie einer realen effektiven Aufwertung auf das Bruttoinlandsprodukt und die Konsumentenpreise im Euroraum mit Hilfe eines vektorautoregressiven (VAR-) Modells dargestellt werden. Gegenüber der Konjunkturprognose vom Sommer dieses Jahres nahm das ifo Institut seine Wachstumsprognose für den Euroraum für das Jahr 2005 von 2,2% auf 1,5% zurück. In ähnlicher Größenordnung revidierten die Europäische Zentralbank und andere internationale Institutionen ihre Wachstumsprognosen nach unten. Entgegen unserer Annahme vom Sommer sind die Ölpreise nicht von 35 im zweiten Quartal auf 32 USDollar je Barrel bis Ende dieses Jahres gefallen, sondern werden im vierten Quartal mit etwa 43 US-Dollar und auch im Jahresdurchschnitt 2005 mit 36 US-Dollar deutlich über diesem Wert liegen. Darüber hinaus wird in der vorliegenden Prognose für 2005 ein durchschnittlicher Euro/USDollar Wechselkurs von 1,35 unterstellt, was einer kräftigen Anhebung gegenüber den im Sommer angenommenen 1,20 US-Dollar je Euro entspricht. VAR-Modelle stellen in der Konjunkturdiagnose ein gängiges Analyseinstrument dar, um die Effekte solcher Entwicklungen quantitativ zu erfassen. Das vom ifo Institut geschätzte VAR-Modell enthält fünf Variablen, die allesamt als endogen angenommen werden: die Veränderungsrate desder Ölpreises (Brent), in US-Dollar je Barrel) zum Vorquartal in Prozent, das Bruttoinlands57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 47 48 Daten und Prognosen produktes, der harmonisierte VerbraucherTab. 8 preisindex, der nominale Dreimonats-EURIAuswirkungen einer 10-prozentigen realen effektiven Aufwertung BOR-Interbankenzins in Prozent und der redes Euro ale effektive Wechselkurses (weiter Ländera) Nominalb) b) a) Öl BIP Inflation Wechselkurs c) kreis) des Euro. Als exogene Variable gezins hen eine Konstante und ein linearer Trend * * * 1. Jahr – 3,1 – 0,12 – 0,17 0,08 10,2 * ein. Die Daten stammen von Eurostat, der 2. Jahr 4,4 – 0,32 0,05 0,23 5,2 3. Jahr 0,9 0,25 0,37 – 0,09 – 2,0 Europäischen Zentralbank und der OECD. * a) Die Schätzung wurde mit Hilfe der MethoBeim gewählten Signifikanzniveau von null verschieden. – Durchb) schnittliche Abweichung vom langfristigen Trend in Prozent. – Durchde der kleinsten Quadrate auf Quartalsbaschnittliche Abweichung der Jahresveränderungsraten vom langfristigen c) sis für den Zeitraum I/1980 bis III/2004 vorTrendwachstum in Prozentpunkten. – Durchschnittliche Abweichung genommen. Die dynamischen Struktur des vom neutralen Nominalzins in Prozentpunkten. Quelle: Berechnungen des ifo Instituts. VAR-Modells wurde auf Basis eines Liklihood-Ratio-Tests und des Akaike-Informationskriteriums bestimmt und ergab eine mawird. Die wahre Impuls-Antwort-Funktion liegt daher mit ximale Verzögerung von fünf Quartalen. Die Residuen der einer Wahrscheinlichkeit von 80% innerhalb des KonfiSchätzung wiesen keine Autokorrelation auf, was mit Hilfe denzbandes. Die rote Linie errechnet sich als Median des des Korrelogramms und der Ljung-Box Q-Statistik überKonfidenzbandes. Das Konfidenzband ergibt sich aus prüft wurde. 100 Monte Carlo Simulationen der betrachteten strukturellen Schocks auf die Variablen des Modells über einen Die Auswirkungen eines unerwarteten Anstiegs der Ölpreise Zeitraum von 20 Quartalen. und des realen effektiven Wechselkurses werden anhand der Impuls-Antwort-Funktionen des geschätzten VAR-MoDie Impuls-Antwort-Folgen zeigen, dass nach einem Andells untersucht. Damit die implizit der reduzierten Form stieg des realen effektiven Wechselkurses um 10% das des Modells zugrunde liegenden Strukturkoeffizienten einBruttoinlandsprodukt und das Preisniveau unter ihren langdeutig aus den geschätzten Koeffizienten der reduzierten fristigen Trend sinken (vgl. Abb. 27). Die Auswirkungen Form ermittelt und somit Aussagen über strukturelle Zusind nach etwa vier Quartalen maximal und nach spätessammenhänge der Variablen des VAR-Modells getroffen tens sechs Quartalen nicht mehr signifikant von null verwerden können, bedarf es bestimmter »identifizierender« schieden. Bildet man die Jahresdurchschnitte aus den Annahmen. An dieser Stelle eröffnet sich die Möglichkeit, einzelnen Quartalswerten (vgl. Tab. 8), so ergibt sich für dem ansonsten atheoretischen VAR-Modell ein gewisses das Jahr, das unmittelbar auf die unerwartete AufwerMaß an Theorie aufzuerlegen. Im vorliegenden Beitrag wurtung folgt, ein Rückgang der Wachstumsrate des Bruttode ein rekursives Identifikationsschema gewählt, bei dem inlandsprodukts um 0,12 Prozentpunkte und ein Rückdie Variablen in oben angegebener Reihenfolge angeordgang der Inflationsrate um 0,17 Prozentpunkte im Vernet wurden. Die Impuls-Antwort-Funktionen, die in Abbilgleich zu ihren jeweiligen Trendraten. Die Reaktion der Nodung 27 dargestellt sind, stellen die Reaktion aller Variatenbank auf den Wechselkursschock ist nicht signifikant blen des Modells auf einen 20-prozentigen Anstieg des Ölvon null verschieden. preises bzw. auf eine 10-prozentige reale effektive Aufwertung in Periode 0 dar. Auf der horizontalen Achse sind Nach einem Anstieg des US-Dollar-Ölpreises um 20% die Quartale abgetragen, die auf eine exogene Störung folkommt es zu einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts gen. Da das Bruttoinlandsprodukt, die Inflationsrate, der Ölpreis und der reale effektive Wechselkurs logarithmiert als Niveaugrößen in das MoTab. 9 dell eingehen, kann die Abweichung dieAuswirkungen eines 20-prozentigen Anstieges der US-Dollar Ölpreise ser Variablen von null als prozentuale Abweichung vom langfristigen Trend interpreNominalb) b) a) a) BIP Inflation Wechselkurs Öl c) zins tiert werden. Der Nominalzins geht als Ni* * * * 1. Jahr 13,1 – 0,05 0,06 0,20 – 0,8 veaugröße mit der Einheit Prozent ins Mo* 2. Jahr dell ein. Somit werden die Abweichungen – 1,6 – 0,20 0,00 – 0,01 – 0,4 * dieser Impuls-Antwort-Folge von null als Ab3. Jahr – 1,0 – 0,12 – 0,10 – 0,14 0,5 * a) weichung vom durchschnittlichen NomiBeim gewählten Signifikanzniveau von null verschieden. – Durchb) schnittliche Abweichung vom langfristigen Trend in Prozent. – Durchnalzins in Prozentpunkten gelesen. Die beischnittliche Abweichung der Jahresveränderungsraten vom langfristigen den blauen Linien in Abbildung 27 stellen c) Trendwachstum in Prozentpunkten. – Durchschnittliche Abweichung vom das Konfidenzband dar, das aus dem 10neutralen Nominalzins in Prozentpunkten. und dem 90-Prozent-Perzentil gebildet Quelle: Berechnungen des ifo Instituts. ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang Daten und Prognosen Abb. 27 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 49 50 Daten und Prognosen und einem Anstieg der Verbraucherpreise. Signifikante Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt zeigen sich erst im zweiten Jahr nach der exogenen Störung und erreichen dann auch ihr Maximum. Das Preisniveau reagiert dagegen unmittelbar auf den Anstieg der Ölpreise und ist erst im dritten Jahr nicht mehr signifikant von null verschieden. Der maximale Effekt stellt sich bereits nach etwa vier Quartalen ein. In durchschnittlichen Jahreswachstumsraten ausgedrückt (vgl. Tab. 9) ergibt sich im zweiten Jahr nach dem Ölpreisschock im Vergleich zur langfristigen Trendwachstumsrate ein Rückgang beim Bruttoinlandsprodukt um 0,20 und im dritten Jahr um 0,12 Prozentpunkte. Die Inflationsrate steigt im ersten Jahr lediglich um 0,06 Prozentpunkte an. In Bezug auf die Geldpolitik zeigt die Analyse, dass bei vergangenen Ölpreisanstiegen die Notenbanken des heutigen Euroraumes (deren durchschnittliche Zinspolitik in der Zeit zwischen I/1980 und IV/1998 abgebildet wird) einen restriktiven Kurs einschlugen und die Nominalzinsen um 0,2 Prozentpunkte anhoben. Abgeschlossen am 20. Dezember 2004 Anhang: Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung für die Bundesrepublik Deutschland ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang Daten und Prognosen 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 51 52 Daten und Prognosen noch Bundesrepublik Deutschland: Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 2003 (1) 2004 (2) 2005 (2) 2004 1.Hj (1) 2.Hj (2) 4. Preisniveau der Verwendungsseite des Inlandsprodukts (1995=100) Veränderung in % gegenüber Vorjahr Konsumausgaben 1.0 Private Konsumausgaben 5) 1.0 Konsumausgaben des Staates 0.7 Anlageinvestitionen -0.9 Ausrüstungen und sonstige Anlagen -1.9 Bauten -0.1 Exporte -0.8 Importe -2.4 Bruttoinlandsprodukt 1.1 5. Einkommensentstehung und -verteilung a) Mrd. EUR Primäreinkommen der privaten Haushalte Sozialbeiträge der Arbeitgeber Bruttolöhne und -gehälter Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte Primäreinkommen der übrigen Sektoren Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen) Abschreibungen Bruttonationaleinkommen nachrichtlich: Volkseinkommen Arbeitnehmerentgelte Unternehmens- und Vermögenseinkommen b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr Primäreinkommen der privaten Haushalte Sozialbeiträge der Arbeitgeber Bruttolöhne und -gehälter Bruttolöhne und -gehälter je Beschäftigten Nettolöhne und -gehälter je Beschäftigten Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte Primäreinkommen der übrigen Sektoren Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen) Abschreibungen Bruttonationaleinkommen nachrichtlich: Volkseinkommen Arbeitnehmerentgelte Unternehmens- und Vermögenseinkommen b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr Masseneinkommen Nettolöhne und -gehälter Monetäre Sozialleistungen abz. Abgaben auf soziale Leistungen, verbrauchsnahe Steuern Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte Verfügbares Einkommen Private Konsumausgaben 5) Sparen ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang 2.Hj 1.2 1.7 -0.4 0.1 -1.1 1.2 -0.2 -0.8 1.0 1.1 1.4 0.0 0.4 0.0 0.9 0.4 0.8 0.7 1.1 1.5 -0.3 -0.1 -1.2 0.9 -0.8 -2.1 1.1 1.3 1.9 -0.6 0.3 -1.0 1.5 0.4 0.6 0.9 1.2 1.5 0.0 0.3 -0.4 1.1 0.4 1.3 0.6 1.0 1.3 0.0 0.5 0.4 0.7 0.4 0.3 0.9 1593.0 222.4 909.8 460.8 202.9 1795.9 318.3 2114.2 1601.9 220.7 910.8 470.4 253.6 1855.5 322.5 2178.0 1642.0 222.0 920.9 499.1 248.8 1890.7 328.7 2219.4 787.5 107.0 431.0 249.5 114.5 902.0 161.0 1063.0 814.3 113.7 479.7 220.9 139.1 953.5 161.5 1115.0 805.1 107.8 434.4 262.8 112.4 917.5 164.0 1081.5 836.9 114.2 486.4 236.3 136.4 973.2 164.7 1137.9 1569.3 1132.2 437.1 1623.6 1131.5 492.1 1654.4 1142.9 511.5 787.4 538.0 249.4 836.2 593.4 242.7 799.5 542.3 257.2 854.9 600.6 254.3 0.5 1.9 -0.2 1.2 0.5 1.0 9.2 1.4 0.5 1.2 0.6 -0.8 0.1 0.3 1.9 2.1 25.0 3.3 1.3 3.0 2.5 0.6 1.1 0.8 1.3 6.1 -1.9 1.9 1.9 1.9 0.3 -0.7 0.3 0.6 2.3 0.7 34.8 3.6 1.1 3.2 0.8 -0.9 0.0 0.0 1.6 3.7 17.9 3.0 1.6 2.8 2.2 0.8 0.8 0.6 1.3 5.3 -1.8 1.7 1.9 1.7 2.8 0.5 1.4 1.1 1.2 7.0 -2.0 2.1 2.0 2.1 1.1 0.2 3.5 3.5 -0.1 12.6 1.9 1.0 3.9 4.0 0.1 13.5 3.0 -0.2 11.7 1.5 0.8 3.1 2.2 1.2 4.8 468.7 281.1 228.0 506.6 319.6 228.1 472.4 285.4 229.0 510.7 324.5 228.9 40.4 249.5 -17.1 701.1 8.9 622.4 87.5 41.1 220.9 -17.7 709.8 9.7 650.1 69.3 42.0 262.8 -18.5 716.7 9.2 634.4 91.5 42.8 236.3 -20.5 726.5 10.2 665.7 70.9 6. Einkommen und Einkommensverwendung der privaten Haushalte und priv. Org. o.E. a) Mrd. EUR Masseneinkommen 964.4 975.2 983.1 Nettolöhne und -gehälter 590.5 600.7 609.9 Monetäre Sozialleistungen 450.8 456.0 457.9 abz. Abgaben auf soziale Leistungen, verbrauchsnahe Steuern 76.9 81.5 84.8 Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte 460.8 470.4 499.1 Sonstige Transfers (Saldo) -35.4 -34.8 -39.0 Verfügbares Einkommen 1389.8 1410.9 1443.1 Zunahme betriebl. Versorgungsansprüche 16.6 18.5 19.3 Private Konsumausgaben 5) 1255.3 1272.6 1300.1 Sparen 151.1 156.8 162.4 Sparquote 7) 2005 (2) 1.Hj 10.7 11.0 11.1 12.3 9.6 12.6 9.6 0.5 -0.8 2.6 1.1 1.7 1.2 0.8 1.5 0.4 1.3 1.9 1.3 1.0 1.6 1.0 0.8 1.5 0.4 0.8 1.5 0.4 2.4 1.0 1.2 1.1 3.3 6.1 2.1 1.5 1.4 3.8 3.9 6.1 2.3 2.2 3.5 5.8 0.7 1.0 1.0 2.5 6.3 3.7 2.0 1.8 5.5 3.9 5.3 2.2 1.9 4.5 4.0 7.0 2.3 2.4 2.3 Daten und Prognosen 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 53 Entsorgungswirtschaft: Mit verhaltenen Erwartungen in das Jahr 2005 54 Johann Wackerbauer Die Abfallwirtschaft in Deutschland machte im Jahr 2004 vor allem wegen der Turbulenzen um das Dosenpfand mit den unübersichtlichen Verfahren für die Rücknahme von Einweggetränkeverpackungen von sich reden. Zum Jahresende überraschte eine US-amerikanische Beteiligungsgesellschaft die Öffentlichkeit mit der beabsichtigten Übernahme des Dualen Systems Deutschlands, dem Unternehmen mit dem Grünen Punkt. Doch sind die im Brennpunkt des öffentlichen Interesses stehenden Verkaufsverpackungen für die deutsche Entsorgungswirtschaft nur ein Geschäftsbereich unter mehreren. Im folgenden Beitrag wird die aktuelle Entwicklung in den verschiedenen Sparten dieser Branche dargestellt (vgl. hierzu auch Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken 2004). Stagnation zum Beginn des neuen Jahrzehnts Die Branche »Entsorgungswirtschaft« entspricht der Gruppe 90 der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 1993 (WZ 93), die dort als »Abwasserund Abfallbeseitigung und sonstige Entsorgung« bezeichnet wird. Die Branchenzuordnung der WZ 93 gilt seit 1994; davor wurde die Entsorgungswirtschaft der Nummer 745 der Systematik der Wirtschaftszweige, Ausgabe 1979, zugeordnet (vgl. Statistisches Bundesamt 1992 bis 2002). In dieser Gruppe sind die Anbieter von Dienstleistungen der Abfallund Abwasserbeseitigung, der Städtereinigung und sonstigen Entsorgungseinrichtungen sowie der Bodensanierung und Rekultivierung von geschädigten Flächen zusammengefasst. Bei der Interpretation der hier verwendeten Daten ist daher besonders zu berücksichtigen, dass nach dieser Abgrenzung die Recyclingindustrie sowie die Hersteller von Anlagen und Maschinen zur Abfalloder Abwasserbeseitigung nicht zur Dienstleistungsbranche »Entsorgungswirtschaft« gehören, sondern zum verarbeitenden Gewerbe. Tab. 1 Unternehmen in der deutschen Entsorgungswirtschaft 1992–2002 Bereich 2000 2001 2002 Abfall2 590 2 843 2 918 3 312 3 027 beseitigung Abwasser819 730 700 737 745 beseitigung Sonstige 1 299 1 317 1 427 1 209 1 529 Entsorgunga) Insgesamt 4 708 4 890 5 045 5 258 5 301 a) Bis 2001: Städtereinigung und sonstige Entsorgung. 1992 1994 1996 1998 3 304 4 152 744 763 1 207 309 5 255 5 224 Quelle: Statistisches Bundesamt, Umsatzsteuerstatistik. ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang Nach einer Phase des starken Wachstums in den neunziger Jahren stagnierte die Branchenentwicklung zum Beginn des neuen Jahrzehnts: So ging die Gesamtzahl der Entsorgungsunternehmen im Jahr 2001 erstmals gegenüber dem Vorjahr um 0,9% auf 5 255 zurück und sank in 2002 nochmals um 0,6% auf 5 224 Unternehmen. Im Vergleich zum Jahr 1992 ist dies allerdings immer noch ein Zuwachs von 11% (vgl. Tab. 1). Die Zahl der Unternehmen in der Abwasserbeseitigung nahm in den letzten Jahren auf 763 wieder leicht zu, liegt aber immer noch um 7,3% niedriger als im Jahr 1992. In der Abfallentsorgung wuchs die Unternehmenszahl von 1992 bis 2001 um 27,5%; der Sprung um weitere 25,7% auf 4 152 im Jahr 2002 zu Lasten der sonstigen Entsorgungsunternehmen beruht lediglich auf einer neuen definitorischen Abgrenzung (die Städtereinigung wird nicht mehr separat ausgewiesen). In der sonstigen Entsorgung lag die Zahl der Unternehmen 2001 mit 1 207 im Jahr 2001 um 7,1% niedriger als 1992; bis 2002 fiel die Unternehmenszahl aufgrund des erwähnten statistischen Effekts um fast drei Viertel auf 309. Die Entsorgungswirtschaft konnte gemäß der amtlichen Statistik im Jahr 2002 ihren Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 3,5% auf 14,9 Mrd. n steigern. Davon entfielen 13,4 Mrd. n auf den Bereich Abfallbeseitigung, 1,0 Mrd. n auf die Abwasserbeseitigung und 0,5 Mrd. n auf die sonstige Entsorgung. In 2001 war noch eine Umsatzstagnation zu verzeichnen (vgl. Tab. 2). Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) schätzt den Umsatz seiner rund 900 Mit- Daten und Prognosen Umsatzkonzentration zu Gunsten der Großunternehmen setzt sich fort Tab. 2 Umsätze in der Entsorgungswirtschaft 1992–2002 in Mrd. (ohne Mehrwertsteuer) Bereich 1992 1994 1996 1998 Abfall7,1 8,7 9,5 10,5 beseitigung Abwasser0,9 0,6 0,6 0,7 beseitigung Sonstige 0,7 1,4 1,9 1,9 Entsorgunga) Insgesamt 8,7 10,7 12,0 13,1 a) Bis 2001: Städtereinigung und sonstige Entsorgung. Die Konzentration schritt in der traditionell mittelständisch geprägten Entsorgungsbranche in 2002 nach wie vor voran. Bei 0,9 1,0 kaum veränderter Größenstruktur wuchsen die Umsatzanteile der Unternehmen in der 2,3 0,5 höchsten Größenklasse weiter: Nur 5,3% der 14,4 14,9 Entsorgungsunternehmen erzielten einen Jahresumsatz von mehr als 10 Mill. n; sie vereinten aber 65,4% des Jahresumsatzes auf sich. 69,7% der Unternehmen wiesen dagegen einen Jahresumsatz von weniger als 1 Mill. n aus; auf sie entfielen aber nur 6,6% des Branchenumsatzes. Im mittleren Bereich zwischen 1 und 10 Mill. n Jahresumsatz befanden sich 25,0% der Unternehmen mit knapp 28,0% Umsatzanteil (vgl. Tab. 3). 2000 2001 2002 10,9 11,2 13,4 0,9 2,7 14,5 Quelle: Statistisches Bundesamt, Umsatzsteuerstatistik. gliedsfirmen für 2003 auf insgesamt 18 Mrd. n (vgl. www.bde.org). Das entspricht einem Rückgang von ca. 1 Mrd. n bzw. 5% gegenüber 2002 und gleichzeitig dem Niveau von 2001. Der wesentlich höhere Wert des BDE beruht darauf, dass die Branchenzuordnung in der amtlichen Statistik nach dem Schwerpunktprinzip erfolgt, wogegen die Verbandsstatistik eine Hochrechnung für die gesamten mit Entsorgungsdienstleistungen erzielten Umsätze vornimmt. Gegenüber 1992 liegt der Umsatz der Entsorgungswirtschaft gemäß der amtlichen Statistik in 2002 sogar um 71,3% höher. In der Abwasserbeseitigung liegt der Umsatz in 2002 mit 1 Mrd. n um rund 11% über dem Wert von 1992 wie auch gegenüber dem Vorjahr. In der Abfallbeseitigung nahm der Umsatz gegenüber 1992 um 88,7% zu; lediglich in der sonstigen Entsorgung liegt er mit 0,5 Mrd. n um 28,6% niedriger als im Ausgangsjahr. Abfallbeseitigung dominiert die Entsorgungswirtschaft Verhaltene Erwartungen für das Jahr 2005 Ab der Jahresmitte 2005 droht Deutschland laut einer neueren Prognos-Studie der Entsorgungsnotstand. Gemäß Technischer Anleitung Siedlungsabfall (TASi) ist ab dem 1. Juni 2005 die Ablagerung unbehandelten Restmülls verboten. Ziel der TA Siedlungsabfall ist der Ausstieg aus der Ablagerung von Abfällen auf herkömmlichen Hausmülldeponien, die eine Gefährdung für die Umwelt darstellen. Die TASi umfasst bundesweit gültige Vorschriften zur Verwertung von Abfällen, technischer Beschaffenheit von Deponien sowie zu den Eigenschaften von abzulagernden Restabfällen. Zwei Aspekte haben dabei einen gravierenden Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung der Entsorgungsbranche: Der eine betrifft die möglichst rasche Schließung von Mülldeponien, die nicht mehr den technischen Stan- Insgesamt stammen rund 80% der Unternehmen und 90% des erzielten Umsatzes der Entsorgungswirtschaft aus der Abfallbeseitigung. In der weitergehenden Differenzierung nach den Teilbereichen der amtlichen Wirtschaftsgliederung wies die Sammlung, Beförderung und Zwischenlagerung von Abfällen für 2002 mit 57,9% den weitaus höchsten Umsatzanteil aus, gefolgt von der sonstigen Abfallbeseitigung mit 21,5% Umsatzanteil. In der Abfallverbrennung wurden 5,9% des Branchenumsatzes erzielt und bei Kläranlagen 3,7%. Auf Sammelkanalisation, Abfalldeponien und die sonstige Entsorgung entfielen jeweils rund 3% Umsatzanteil. Den geringsten Anteil hatte die Kompostierung mit 1,6% des Branchenumsatzes (vgl. Abbildung). 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 55 56 Daten und Prognosen Die Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes der deutschen Entsorgungswirtschaft meldeten in einer aktuellen Brana) Größenklasse (x JahresUnternehmen Umsatz chenumfrage für das zweite Halbjahr 2004 umsatz von ... bis unter ...) Anzahl Anteil in % in 1 000 x Anteil in % zu 16,3% gestiegene und zu 29,2% gesun16 620 – 50 000 721 13,8 22,5 0,2 50 000 – 100 000 613 11,7 44,7 0,3 kene Preise. Für das erste Halbjahr 2005 er100 000 – 250 000 913 17,5 150,1 1,0 warten 19,2% der Befragten steigende, aber 250 000 – 500 000 681 13,0 246,3 1,7 500 000 – 1 Mill. 714 13,7 517,7 3,5 32,7% nachgebende Preise. Gleichzeitig stie1 Mill. – 2 Mill. 557 10,7 803,3 5,4 gen die Kosten bei 53,3% der Unternehmen, 2 Mill. – 5 Mill. 496 9,5 1 582,6 10,7 und rund 60% gehen von weiterhin zuneh5 Mill. – 10 Mill. 251 4,8 1 774,2 11,9 10 Mill. – 25 Mill. 156 3,0 2 332,3 15,7 menden Kostenbelastungen aus, die aber 25 Mill. – 50 Mill. 71 1,4 2 474,9 16,7 nur bedingt über Preissteigerungen an die 50 Mill. – 100 Mill. 42 0,8 2 993,0 20,2 100 Mill. – 250 Mill. } n.a. } n.a. Kunden weitergegeben werden können. Be250 Mill. und mehr züglich der konjunkturellen Entwicklung in Insgesamt 5 224 100 14 858 117 100 der Branche überwiegt damit Skepsis bei den a) Ohne Mehrwertsteuer. BDE-Mitgliedsunternehmen: Rund 25% der Quellle: Statistisches Bundesamt, Umsatzsteuerstatistik. Befragten erwarten im ersten Halbjahr 2005 steigende, aber fast 40% zurückgehende dards der TASi entsprechen. Der andere ist das Verbot, RestUmsätze. Insgesamt rechnet rund die Hälfte der Unternehmen für das erste Halbjahr 2005 wie auch für die kommenabfälle ab dem Jahr 2005 ohne eine entsprechende Vorbeden Jahre mit einer weiteren Verschlechterung der Gehandlung abzulagern. Das bedeutet, dass sämtliche Abfälsamtsituation in der Entsorgungswirtschaft (vgl. Bundesle, die nicht verwertet, sondern deponiert werden sollen, vorverband der deutschen Entsorgungswirtschaft, BDE 2004). her einem Behandlungsverfahren zu unterziehen sind. DaDie Stimmung in der Branche bleibt angesichts der schwer bei kommen die thermische Vorbehandlung und hochwereinzuschätzenden Entwicklung der Rahmenbedingungen tige mechanisch-biologische Verfahren in Betracht. Durch weiterhin angespannt. sie soll der organische Anteil in den Restabfällen möglichst gering gehalten werden, um für die Deponien die Nachsorgefreiheit zu gewährleisten. Literatur Tab. 3 Größenstruktur der Unternehmen der Entsorgungswirtschaft 2002 Die zur Vorbehandlung zur Verfügung stehenden Müllverbrennungsanlagen und mechanisch-biologischen Behandlungsanlagen haben eine Kapazität von 22,4 Mill. Tonnen, der aber eine Abfallmenge von mindestens 26,6 Mill. Tonnen (rund 20,5 Mill. t Haus- und Sperrmüll sowie Baustellen- und Gewerbeabfälle und 6,1 Mill. t Sekundärabfälle, die bei der Behandlung in mechanisch-biologischen Behandlungsanlagen sowie bei der Aufbereitung von Baustellen- und Gewerbeabfällen entstehen) gegenübersteht. Danach können ab dem kommenden Jahr 4,2 Mill. Tonnen Abfälle nicht ordnungsgemäß vorbehandelt werden (vgl. Prognos 2003). Wenn ab Juni 2005 nicht mehr genügend Entsorgungskapazitäten zur Verfügung stehen, ist nicht auszuschließen, dass manche Betriebe dazu übergehen werden, Abfälle, die bislang als Verwertungsabfälle deklariert wurden, wieder als Beseitigungsabfälle zu kennzeichnen. Aufgrund der Überlassungspflicht an die Kommunen würde das Problem der ordnungsgerechten Entsorgung damit auf diese verlagert. Gleichzeitig werden steigende Preise für die energetische Verwertung hausmüllähnlicher Gewerbeabfälle erwartet, da viele Müllverbrennungsanlagen ab Juni 2005 mit Restmüll aus den Kommunen ausgelastet sein werden. Noch im Jahr 2004 waren die Preise und Gebühren für die Entsorgung von gemischten Siedlungsabfällen im Vergleich zum Vorjahr weitgehend konstant geblieben (vgl. o.V. 2004). ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang Bundesverband der deutschen Entsorgungswirtschaft, BDE (2004), Entsorgungsbranche geht mit gedämpften Erwartungen in 2005!, Pressemitteilung vom 20. Dezember. Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (Hrsg., 2004), Branchen special Nr. 10: Entsorgungswirtschaft, Text und Redaktion: ifo Institut für Wirtschaftsforschung, Ausgabe 8. Prognos (2003), Entsorgung von 4 Mio. Tonnen Müll ab 2006 ungesichert – droht Deutschland der Entsorgungsnotstand?, Pressemitteilung vom 9. April 2003. Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 Finanzen und Steuern, Reihe 8 Umsatzsteuer, Jahrgänge 1992 bis 2002. o.V. (2004), »Entsorgungsmarkt für Siedlungsabfälle«, EUWID Europäischer Wirtschaftsdienst Recycling und Entsorgung (49), 18–19. ifo Konjunkturtest Dezember 2004 in Kürze1 57 Hans G. Russ Das Geschäftsklima in der gewerblichen Wirtschaft Deutschlands hat sich nach dem Rückgang im Vormonat im Dezember wieder deutlich verbessert und erreichte mit einem Saldo von – 8,5 Prozentpunkten wieder einen Wert, wie er zuletzt vor sieben Monaten zu beobachten war. Dabei fielen sowohl die Urteile der Unternehmen zu ihrer aktuellen Geschäftslage (Saldowert: – 13,1 Prozentpunkte) als auch ihre Erwartungen für das kommende halbe Jahr (Saldowert: – 3,8 Prozentpunkte) günstiger aus als im November. In Ostdeutschland stieg der Klimaindikator nur wenig an, hier stand einer leichten Aufhellung der Perspektiven eine etwas negativere Beurteilung der gegenwärtigen Situation entgegen. Erfreulicherweise tendierte das Geschäftsklima für Deutschland in allen vier erfassten Wirtschaftsbereichen nach oben. Am stärksten ausgeprägt war die Besserung im Einzelhandel, wenngleich in Ostdeutschland nach der Aufwärtsentwicklung vom November eine Verschlechterung zu beobachten war. Auch im Großhandel, sowohl in West- als auch in Ostdeutschland, hellte sich das Klima erkennbar auf. Die Besserung im Bauhauptgewerbe resultiert aus der Entwicklung in den alten Bundesländern, in den neuen ist der Klimaindikator leicht zurückgegangen. Im verarbeitenden Gewerbe hat sich das Klima nach dem Rückgang in den zurückliegenden vier Monaten ebenfalls wieder deutlich verbessert (vgl. Abbildung). Im verarbeitenden Gewerbe Deutschlands überwogen die positiven Geschäftslageurteile bereits etwas deutlicher als zuletzt. Vor allem im Vorleistungsgüterbereich, von dem üblicherweise die ersten Konjunktursignale ausgehen, besserte sich die aktuelle Lage. Im Durchschnitt stieg der Auftragseingang wieder erkennbar an, so dass auch die Auftragsbestände insgesamt weniger unter dem sonst üblichen Maß lagen. Wie schon in den letzten Monaten klagte nur knapp ein Zehntel der Testfirmen über zu große Fertigwarenlager. In den Geschäftserwartungen hat die Zuversicht, die sich zuletzt etwas abgeschwächt hatte, wieder deutlich zugenommen. Dabei setzten die Testteilnehmer unverändert große Hoffnungen auf das Exportgeschäft. Die Produktionspläne waren wieder etwas häufiger auf Expansion ausgerichtet, vor allem bei den Investitionsgüterproduzenten. Den Meldungen zufolge dürften die Verkaufspreise in den nächsten Monaten heraufgesetzt werden; dies gilt insbesondere trotz des sinkenden Ölpreises für die Vorleistungsgüterproduzenten. Ein Ende des Personalabbaus ist nach wie vor nicht in Sicht, der Anteil der Unternehmen, die von einer Abnahme der Belegschaftszahlen ausgingen, hat sogar wieder zugenommen. Die Geschäftslage im verarbeitenden Gewerbe in den neuen Bundesländern wurde abermals etwas positiver einge- stuft als im Vormonat, obwohl sich die Auftragssituation nach dem Urteil der Unternehmen wieder verschlechtert hat. Auch hinsichtlich der künftigen Geschäftsentwicklung hat sich die Skepsis wieder verringert, vom Export erwartete man allerdings nur geringe Impulse. Die Produktionspläne wurden leicht nach unten revidiert, und auch in den Beschäftigungserwartungen überwogen vermehrt die negativen Meldungen. Die Geschäftslage im westdeutschen Bauhauptgewerbe wurde sowohl im Hoch- als auch im Tiefbau wieder etwas weniger ungünstig bewertet. Die Geräte waren trotz schwacher Bautätigkeit ähnlich ausgelastet wie im Vormonat, mit 58% (saison- und witterungsbereinigt) wurde der vergleichbare Vorjahreswert um 2 Prozentpunkte unterschritten. Die Auftragsbestände reichten unverändert für 2,1 Produktionsmonate (Vorjahr 2,3 Monate), wobei die Unzufriedenheit der Unternehmen mit ihrer Auftragslage etwas nachgelassen hat. Während sich die Perspektiven für alle drei Hochbausparten weiter aufgehellt haben, sind die im Tiefbau tätigen Firmen eher wieder skeptischer geworden. Im Bauhauptgewerbe in den neuen Bundesländern dominierten dagegen die negativen Geschäftslageurteile wieder stärker; dies gilt sowohl für den Hochbau als auch den Tiefbau. Zwar hat der Auslastungsgrad des Maschinenparks geringfügig auf 68% zugenommen, er lag aber unter dem Wert vom Vorjahr. An der Reichweite der Auftragsreserven (1,9 Monate) änderte sich nichts, sie wurden aber nicht mehr so häufig als unzureichend empfunden. Während die Unternehmen im Westen vereinzelt davon ausgingen, künftig höhere Baupreise durchsetzen zu können, rechneten ihre ostdeutschen Kollegen mit einem weiteren Rückgang. Ein En- 1 Die ausführlichen Ergebnisse des ifo Konjunkturtests sowie Unternehmensbefragungen in den anderen EU-Ländern werden in den »ifo Konjunkturperspektiven« veröffentlicht. Die Zeitschrift kann zum Preis von 75,– EUR/Jahr abonniert werden. 57. Jahrgang – ifo Schnelldienst 24/2004 58 Im Blickpunkt de des Personalabbaus im deutschen Bauhauptgewerbe ist nicht in Sicht, wobei im Westen der Anteil der Unternehmen, die von einer Abnahme der Beschäftigtenzahl ausgingen (per saldo 42%), sogar etwas zugenommen hat, im Osten (44%) dagegen geringer geworden ist. Die Aufhellung des Geschäftsklimas im Großhandel Westdeutschlands ist neben einer weniger negativen Bewertung der aktuellen Situation auch auf eine weniger skeptische Einschätzung der Perspektiven zurückzuführen. Dies gilt gleichermaßen für den Produktionsverbindungshandel wie den Konsumgüterbereich (einschließlich Nahrungs- und Genussmittel). An den etwas überhöhten Lagerbeständen hat sich nichts verändert, die Orderpläne waren aber wieder deutlich weniger auf Kürzungen ausgerichtet als im Vormonat. Auch im ostdeutschen Großhandel besserten sich Geschäftslage und Erwartungen deutlich; hier hatten die ungünstigen Stimmen sogar nur noch ein geringes Übergewicht. Der Lagerdruck ist jedoch fühlbarer geworden. Trotzdem rechneten die Großhändler in den neuen Bundesländern häufiger mit einem Anstieg der Verkaufspreise in den nächsten Monaten als die westdeutschen. Andererseits ist in den neuen Bundesländern der Anteil der Firmen, die von einer Abnahme der Mitarbeiterzahl ausgingen, auf per saldo nur noch 6% gesunken, gegenüber 13% in den alten. Auf eine stark verbesserte, wenngleich immer noch unbefriedigende Geschäftslage lassen die Meldungen des Einzelhandels in Westdeutschland schließen. Ausschlaggebend für diese positive Tendenz war die Aufwärtsentwicklung im Nahrungs- und Genussmittelsektor sowie im Bereich der kurzlebigen Konsumgüter, während im Gebrauchsgüterbereich die ungünstigen Geschäftslageurteile sogar wieder an Gewicht gewannen. Der Lagerdruck konnte jedoch nicht vermindert werden. In den Geschäftserwartungen kam deutlich abgeschwächter Pessimismus zum Ausdruck, die Orderpläne zielten dementsprechend nicht mehr so verbreitet auf Einschränkungen ab. Die ostdeutschen Einzelhändler beurteilten dagegen ihre aktuelle Geschäftslage ebenso negativ wie im November. Zwar gelang es trotz schwacher Nachfrage die überhöhten Lager zumindest teilweise abzubauen, da sich aber die Perspektiven wieder erheblich eingetrübt haben, sahen die Unternehmen keinen Anlass zur Lockerung ihrer restriktiven Orderpolitik. Während man im Westen mit weiteren Zugeständnissen bei den Verkaufspreisen in den kommenden Monaten rechnete, hofften die Unternehmen im Osten, sie stabil halten zu können. In beiden Berichtskreisen beabsichtigten per saldo 13% der Testteilnehmer, künftig Personal abzubauen. ifo Schnelldienst 24/2004 – 57. Jahrgang International Spring Conference 2005 17 March 2005 11:00 Press conference 11:00 Cold buffet lunch 12:00 Welcome and Introduction Sir Peter J. Torry, British Ambassador, Berlin Hans-Werner Sinn, President, Ifo Institute, Munich 12:15 Challenges for European Economic Policy Bernd Pfaffenbach, Undersecretary of State, Federal Ministry for Economics and Labour, Berlin 18 March 2005 9:00 Welcome and Introduction Hans-Günther Vieweg, Ifo Institute, Munich 9:10 European Institutional FrameworkUnleashing Economic Growth Horst Reichenbach, Director General, DG Enterprise, Brussels 9:40 Discussion 10:10 Coffee break Major European Industries 12:45 Discussion 13:15 Global Economic Outlook John Llewellyn, Lehman Brothers, New York 13:45 10:25 Overview Sebastian de-Ramon, Cambridge Econometrics, Cambridge The European Economy Hans-Werner Sinn, Ifo Institute, Munich 10:50 Steel Industry Michael Harris, Corus, London (invited) 14:15 Threats to Eurozone Economic Stability Walton David, Goldman Sachs, London 11:10 Chemical Industry Peter Claes, FEDICHEM, Brussels 14:45 Discussion 11:30 15:45 Coffee break Mechanical Engineering Stephen Radley, EEF, London 16:15 Turkey Fahti Özatay, Central Bank of Turkey, Istanbul 11:50 Automotive Industry Peter Wells, Center for Automotive Industry Research, Cardiff 16:40 Central and Eastern Europe Michael Landesmann, WIIW, Vienna 12:10 Computers & Telecommunications Axel Pols, Bitkom, Berlin 17:05 PR China Sonja Opper, University of Lund, Lund 12:30 General discussion 17:30 General discussion 13:00 End of Session 19:30 Dinner at the British Embassy Hot buffet lunch 14:30 End of conference ifo Institut für Wirtschaftsforschung im Internet: http://www.ifo.de Englisch: http://www.cesifo.de/IfoInstitute