Christophorus Haus

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Thema
Ein Verwaltungsgebäude
in Passivhausbauweise
Das ChristophorusHaus ist ein multifunktionales Passivhaus-Bürogebäude in
Holzbauweise mit einer Nutzfläche von über 2.000 m2. Es wurde in einer
Bauzeit von nur neun Monaten in Stadl-Paura in Oberösterreich errichtet.
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Grundriss von Erd- und Obergeschoß
ie konsequente Entwicklung von
Niedrigenergie- und Passivhausstandards im Wohnbau machte es möglich, dass mittlerweile auch zahlreiche Büround Verwaltungsbauten mit geringstem
Wärmebedarf errichtet wurden. Im Vergleich zu Wohngebäuden benötigen Büround Verwaltungsgebäude bei meist geringerem Wärmebedarf durch die Anforderungen an Beleuchtung, EDV und Klimatisierung wesentlich mehr elektrische Energie.
Somit müssen in Büro- und Verwaltungsgebäuden grundsätzlich andere Ansätze zur
Reduktion des Primärenergiebedarfs und
zur Schaffung von behaglichen Raumbedingungen verfolgt werden. Sämtliche Maßnahmen müssen nicht nur für den Winterfall, sondern auch für den Sommerfall
betrachtet werden.
Anforderungen an das Gebäude
Das Christophorus-Haus beherbergt die Missions-Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft (MIVA)
und ihren Beschaffungsbetrieb (BBM). Die
österreichische MIVA ist ein Hilfswerk der katholischen Kirche mit dem Ziel, Fahrzeuge aller Art für den Einsatz in Mission und Entwicklungshilfe zu finanzieren. Der BBM sorgt
für die kostengünstige Beschaffung der Produkte und dafür, dass die Produkte auch
beim Empfänger ankommen. In den letzten
zehn Jahren beschäftigte man sich auch mit
dem Thema der ökologisch verträglichen Energie- und Wasserversorgung in Dritte-WeltLändern. Die Auseinandersetzung mit dieser
Thematik war auch der Grund für die Geschäftsführung sich zum Bau eines Gebäudes
in Passivhausbauweise zu entscheiden.
Als Zielvorgaben wurden nachfolgende
Punkte festgelegt
• Multifunktionale Nutzung (Büro, Veranstaltungen, Mini-Shop, Schauräume, Lager- und Logistikzentrale)
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Holzkonstruktion
Heizwärmebedarf < 15 kWh/m2a
Drucktest-Luftwechsel n50 < 0,6 h-1
Energiekennwert Primärenergie < 80
kWh/m 2a (inkl. Strombedarf der Haustechnik)
Keine Kompressionskältemaschine für
Kühlzwecke bei gleichzeitig maximalen
Raumtemperaturen von 26 °C
Deckung des Energiebedarfes mit möglichst erneuerbaren Energieträgern
Höchste Behaglichkeit für MitarbeiterInnen bei geringsten Betriebskosten
Zertifizierung des Gebäudes als „qualitätsgeprüftes Passivhaus“ durch das
Passivhaus-Institut in Darmstadt
Architektur und Konstruktion
Aus der Situation des Bauplatzes und der
Philosophie des Bauherrn ergab sich ein
kreisförmiger Baukörper, welcher von einem
Zwischenbaukörper durchdrungen wird. Die
Zweiteilung des Hauptbaukörpers entspricht
der Nutzung durch die Verwaltungsorganisation. Dieser Hauptbaukörper ist dreigeschoßig und birgt in seiner Mitte eine über
alle Geschoße reichende Aula mit Galerien,
welche durch ihr Glasdach bis in das Erdgeschoß belichtet wird. Das Erdgeschoß der
Aula dient als Veranstaltungs- und Kulturstätte für bis zu 100 Personen. Das Logistikzentrum (Verladezonen und ein KFZ-Lagerplatz) schließt im Süden an und wird als
eigenständiger Baukörper ausgeführt.
Entsprechend der Architektur und der Zielvorgaben mussten neue produktionstechnische Lösungen gefunden werden:
• Gekrümmte Außenwände in Elementbauweise (Wärmebrückenfreiheit)
• Tragende Passivhaus-Wandelemente für
Belastung aus drei Vollgeschoßen
• Rundstützen aus Rundholz
• Stahlteilfreie Deckenauflager
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Integrale Gebäudeplanung
Der Planungsprozess des ChristophorusHauses
wurde integral umgesetzt. Die integrale Gebäudeplanung vereint alle Aspekte zur Schaffung
höchster Behaglichkeit und höchster ökologischer
Vertretbarkeit bei gleichzeitig definierten ökonomischen Rahmenbedingungen. Aus energetischer
Sicht wird in integralen Planungsprozessen die
Wechselwirkung zwischen dem Gebäude, dem
Nutzenden und der Bereitstellung behaglicher Arbeitsbedingungen (Temperatur, Luft, Licht, Arbeitsbehelfe, etc.) behandelt und optimiert.
Die Erfahrung zeigte bei derart innovativen Bauprojekten die Notwendigkeit eines übergeordneten „Energieverantwortlichen“ deutlich auf. Dieser
behandelt nicht nur, wie in konventionellen Planungsprozessen üblich, die Haustechnik, sondern
besitzt den Überblick über alle energierelevanten
Bereiche und ist das Bindeglied zwischen den Einzelgruppen (Bauherr, Architekt, Haustechnikplanung, Elektroplanung, Statik, Bauphysik, Bauleitung, etc.). Die Verantwortung in diesem Planungsprozess wurde der AEE INTEC (in Kooperation mit dem Institut für Wärmetechnik IWT der TU
Graz) übertragen.
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Zeichnungen: Arch. Böhm
Konstruktionsdetails der Fensterfassade
und der Wand und Deckenanschlüsse
Daten
Nutzfläche: 180 m2
Nettobaukosten: 162.000 Euro
Aufbauten
Boden: U = 0,16 W/m2K
Wand: U = 0,15 W/m2K
Dach: U = 0,14 W/m2K
Vertikalverglasung: U = 0,8 W/m2K
Schrägverglasung: U = 0,9 W/m2K
Abbildungen: AEE Intec
Nordostansicht
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Ein Verwaltungsgeäude in
Passivhausbauweise
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Energetischer Optimierungsprozess
Vom Energie-Planungsteam wurde als Werkzeug
zur Optimierung des Gebäudeverhaltens bei klimatischen Spitzenbelastungen die dynamische Simulationsumgebung TRNSYS gewählt. Zur verbesserten Übersicht und Analyse des thermischen
Verhaltens wurde das Gebäude in 20 thermische
Zonen geteilt.
Die erste vollständige Simulation zeigte eine hohe
Überhitzungssensibilität des Gebäudes mit
Spitzentemperaturen über 50°C in exponierten Zonen bei gleichzeitig relativ geringem Heizwärmebedarf von ca. 30 kWh/m2a).
Tab. 1: Theoretischer Heiz- und Kühlenergiebedarf für die gewählten Klimaextreme der Jahre 1994 und 1996
Heizenergiebedarf
Spezifischer Heizenergiebedarf
Kühlenergiebedarf
Spezifischer Kühlenergiebedarf
Klimadatensatz 1996
(Heizextrem)
23.640 kWh/a
19 kWh/m2NGFa
5.140 kWh/a
4,5 kWh/m2NGFa
Klimadatensatz 1994
(Kühlextrem)
9.740 kWh/a
8 kWh/m2NGFa
12.150 kWh/a
10 kWh/m2NGFa
Innerhalb von mehr als 20 Variationsrechnungen
wurde nun das Gebäude hinsichtlich Energiebedarf und Behaglichkeit mittels dynamischer Gebäudesimulation optimiert. Dadurch konnte eine
stetige Reduktion des Heiz- und Kühlenergiebedarfes erreicht werden.
Abb. 2: Überblick über den Jahresverlauf der Heiz- bzw. Kühllasten der
Ausführungsvariante bei den extremen Klimadatensätzen (Y-Extrem
„Kühlen“ und Z-Extrem „Heizen“)
Um die Bandbreite der Ergebnisse der dynamischen Gebäudesimulation zu erweitern, wurde
weiters jede einzelne Variation (Wandaufbauten,
Speichermassen, Luftwechsel, externe Lasten, interne Lasten, etc.) einmal für das Extrem „Heizen“
(1996 war für den Standort das kühlste Jahr der
letzten Dekade) und einmal für das Extrem
Variante Y
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„Kühlen“ (1994 war für den Standort das heißeste Jahr der letzten Dekade) durchgeführt.
Die Varianten „Y“ (Sommerextrem – Klimadatensatz 1994) und „Z“ (Winterextrem – Klimadatensatz 1996) stellen das Endergebnis des Optimierungsprozesses für das ChristophorusHaus dar.
Der Lastenverlauf für Heizung und Kühlung für die
beiden Klimaextreme 1994 und 1996 der letzten
zehn Jahre ist in Abb. 2 dargestellt.
Die Nettogeschoßflächen betragen für den Bürotrakt etwa 1.215 m2 (Raumtemperatur: 20 °C), für
den Lagerbereich etwa 255 m2 (Raumtemperatur:
10 °C), für die Fahrzeug-Waschbox etwa 70 m2
(Raumtemperatur: 5 °C) und für den unbeheizten
Keller etwa 550 m2. Die Kühlgrenztemperatur wurde entsprechend der Vorgaben des Auftraggebers
mit 26°C definiert. Für die zwei unterschiedlichen
Klimate liegt der spezifische Heizenergiebedarf
zwischen 8 und 19 kWh/m2a und der Kühlenergiebedarf zwischen 4,5 und 10 kWh/m2 (Tab.1).
Die Energie- und Frischluftversorgung
Die schrittweise Reduktion des Energiebedarfes für
Heizen und Kühlen ist die Voraussetzung für eine
nachhaltige und gleichzeitig kostengünstige Energieversorgung. Aufgrund des doch erheblichen
Kühlenergiebedarfes spielte hier vor allem die Kälteversorgung eine entscheidende Rolle. Neben den
Vorgaben einer Energieversorgung aus erneuerbaren Energieträgern galt es auch den betriebswirtschaftlichen Vorgaben zu entsprechen. Um
diese Vorgaben zu erfüllen, wurde vom EnergiePlanungsteam ein monovalentes System ausgearbeitet, das sowohl Wärme- als auch Kälteversorgung in einem ermöglicht (Abb. 4).
Heizen und Kühlen
Die Energieversorgung des Bürogebäudes erfolgt
im Winter über eine Wärmepumpe (mit Erdsonden
als Wärmequelle) gepaart mit einer hocheffizienten Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung.
Variante Z
Dabei wird dem Erdreich Wärme entzogen und
somit ein günstiges Temperaturprofil im Erdreich
für den sommerlichen Kühlfall hergestellt.
Im Sommer wird dann zu Kühlzwecken das Erdreich über dasselbe System als Wärmesenke genutzt. Dabei wurden die Tiefensonden so dimensioniert, dass die Austrittstemperaturen aus dem
Erdreich im Kühlfall ein sogenanntes „direct cooling“ ermöglichen und somit ein passives Kühlsystem ohne Einsatz von Energie zum Betrieb des
Kompressors erreicht wird.
Unterstützt wird das Kühlsystem durch eine natürliche Massenentwärmung des Atriums während
der Nachtstunden. Diese wird durch eine freie
Luftströmung die durch Dichteunterschiede zwischen warmer und kalter Luft hervorgerufen wird
sowie den geöffneten Strömungsquerschnitten
ausgelöst.
Heiz- und Kühlflächen
Aufgrund des erreichten Passivhausstandards wäre für die Wärmeversorgung eine ausreichende
und behagliche Beheizung des Gebäudes über die
Lüftungsanlage möglich gewesen. Da für den
Kühlfall einerseits aus Behaglichkeitsgründen die
Absenkung der Zulufttemperaturen begrenzt ist
und andererseits das „direct-cooling“ auch bei
Sondenvorlauftemperaturen knapp unter den maximalen Raumtemperaturen von 26 °C möglich ist,
wurden als Wärmesenke des Raums wasserdurchströmte Kühlflächen vorgesehen. Diese sind je
nach Zonenbelastung und konstruktiven Rahmenbedingungen als Deckenpaneele (siehe Abb. 5)
bzw. als Fußbodenelemente (Aktivierung der Estrichmassen) ausgeführt.
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serbedarfes eine 6 m2 große thermische Solaranlage mit einem solaren Deckungsanteil von über
70 % installiert. Die Nachheizung an sonnenarmen Tagen erfolgt mittels elektrischem Strom.
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Abb. 4: Blockschaltbild zur Wärme-, Kälte- und Frischluftversorgung
Abb. 5: Montage der Heiz- und Kühldecken
Um die Behaglichkeit in den Büroräumen im Heizbetrieb zu steigern, erfolgt auch die Wärmeversorgung – in Abstimmung mit dem zentralen Lüftungssystem – über die Flächenelemente. Sowohl
die Regelung des Heiz- als auch des Kühlbetriebs
erfolgt getrennt für zwei thermische Zonen. So bilden bei der Ermittlung der nötigen Vorlauftemperatur die südorientierten und die nordorientierten Räumlichkeiten jeweils eine eigene thermische Zone.
Frischluftversorgung
Die Frischluftversorgung erfolgt mit zwei getrennten, kontrollierten Zu- und Abluftanlagen mit Wärmerückgewinnung über Rotationswärmetauscher.
Die gemeinsame Außenluftansaugung erfolgt über
einen Erdkollektor. Zusätzlich zu dieser Vorkonditionierung existiert eine Erdsondenauskopplung
zur Vorwärmung der Frischluft im Winter.
Brauchwasser
Der Brauchwasseranteil ist in Büro- und Verwaltungsgebäuden grundsätzlich gering. Im ChristophorusHaus wurde zur Deckung des Brauchwas-
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Passivhausbauweise
Elektrischer Strom
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Um den Strombedarf für die Wärmepumpe bzw. für
die Antriebsenergie von Pumpen und Ventilatoren
im Jahresschnitt größtenteils CO2-neutral bereitzustellen, wurde eine netzgekoppelte Photovoltaikanlage mit einer Spitzenleistung von 9,8 kWpeak installiert. Dabei wurden etwa 3,6 kWpeak in der Fassade und etwa 6,2 kWpeak um 40° geneigt am Dach
der Lagerhalle angebracht.
Ausblick
Das ChristophorusHaus wurde im Oktober 2003 von
den rund 20 Mitarbeitern der MIVA und dem BBM
bezogen. Die Gesamtkosten für das Gebäude beliefen sich auf rund 2,4 Millionen Euro, die haustechnischen Anlagen auf etwa 310.000 Euro. Bezogen
auf eine Nutzfläche von etwa 1.550 m2 (ohne Kellergeschoß) ergeben sich spezifische Gesamtbaukosten von rund 1.548 Euro/m2NGF.
Anhand eines umfangreichen Monitoringkonzeptes,
das vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation
und Technologie beauftragt wurde – die Arbeiten
daran wurden bereits im Jänner 2004 gestartet –
soll einerseits das Zusammenspiel aller wesentlichen
haustechnischen und nutzerspezifischen Parametern
gezeigt sowie anderseits eine Validierung des gesamten Energiekonzeptes durchgeführt werden.
Das ChristophorusHaus wurde mit einem durchschnittlichen Heizwärmebedarf von 14 kWh/m2a, einem
gesamten Primärenergiebedarf von 49 kWh/m2NGF
(alle Ergebnisse aus PHPP) und einer Luftwechselzahl
n50 von 0,4 h-1 (50 Pascal Druckdifferenz, bezogen auf
das Gebäudeluftvolumen) vom Passivhausinstitut in
Darmstadt als „qualitätsgeprüftes Passivhaus“ zertifiziert.
Informationen
Christian Fink, Ernst Blümel
Arbeitsgemeinschaft ERNEUERBARE ENERGIE
Institut für Nachhaltige Technologien AEE INTEC
A-8200 Gleisdorf, Feldgasse 19
Tel.: +43-3112-5886-0, Fax: DW 18
[email protected], http://www.aee.at
Ein Teil des Strombedarfes wird mit einem 90° geneigten
Sonnensegel (3,6kWpeak) gedeckt
Thomas Mach
Instituts für Wärmetechnik
TU Graz, 8010 Graz
Tel.: +43-316-873-7814
[email protected]
Nordostansicht und Pultdachdetail
Einblicke in die über das Glasdach belichtete Aula und in
einen Arbeitsbereich
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Architektur
Arch. DI Albert P. Böhm
4020 Linz, Stelzhammerstr. 10/2
Tel.: +43-732-603013-0
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