§5 Sphärische Trigonometrie

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Mathematische Probleme, SS 2015
Donnerstag 9.7
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§5
Sphärische Trigonometrie
5.3
Geographische Koordinaten
N
N
γ
a
b
β
P
c
α
P2
P1
M
M
ϕ
ϕ2
λ
Längengrad λ und Breitengrad ϕ
Abstand auf Großkreis
Wir betrachten wieder eine Kugel, die wir uns diesmal als die Erdkugel vorstellen.
Wir wollen die Punkte auf K durch Koordinaten beschreiben. Eine Gerade durch den
Mittelpunkt M der Kugel sei vorgegeben, im Fall der Erde nimmt man hierfür die
Rotationsachse der Erde. Die beiden Schnittpunkte der Achse mit K sind die beiden Pole, einen nennen wir Nordpol N , den anderen den Südpol S. Die Großkreise
durch Nord- und Südpol, heißen dann die Längenkreise, oder Meridiane. Einer von
diesen wird willkürlich als Nullmeridian ausgewählt, im Fall der Erde wurde hierfür
der durch Greenwich laufende Meridian gewählt. Die erste geographische Koordinate λ eines Punktes P ist nun der Längengrad, dies ist der Winkel den der Meridian
durch P mit dem Nullmeridian bildet. Dabei zählen wir die östliche Richtung als positiv, also mit steigenden Längengrad. Die Ebene senkrecht auf der Achse durch M
schneidet die Kugel K in einem Großkreis der der Äquator genannt wird, die Ebene
heißt entsprechend die Äquatorebene. Die zweite Koordinate eines Punktes P ist nun
der Breitengrad ϕ, d.h. der Winkel den M P mit der Äquatorebene bildet. Die Punkte
konstanten Breitengrades bilden einen zum Äquator parallelen Kleinkreis, einen sogenannten Breitenkreis.
Für die folgenden Beispiele schauen wir uns zwei Punkte an, der Punkt
P1 ist Kiel mit λ1 = 10◦ 080 , ϕ1 = 54◦ 200 ,
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und der Punkt
P2 ist Peking mit λ2 = 116◦ 280 , ϕ1 = 39◦ 540 .
Die Nachkommastellen bei solchen geographischen Koordinaten werden traditionell sexagesimal zur Basis 60 dargestellt, d.h. 280 meint 28/60 Grad, weitere Nachkommastellen werden dann mit mehreren Strichen markiert. In dezimales Gradmaß umgerechnet
sind auf vier Nachkommastellen
λ1 = 10, 1333◦ , ϕ1 = 54, 3333◦ , λ2 = 116, 4666◦ , ϕ2 = 39, 9◦ .
Angenommen wir haben zwei Punkte P1 mit Koordinaten λ1 , ϕ1 und P2 mit Koordinaten λ2 , ϕ2 . Um den Abstand dieser beiden Punkte auszurechnen, betrachte des
sphärische Dreieck P1 P2 N mit Seiten wie im obigen Bild markiert. Gesucht ist die Seite c. Setzen wir den Meridian durch P2 bis zum Äquator fort, so entstehen insgesamt
90◦ und der Teil zwischen P2 und dem Äquator ist dabei der Breitengrad ϕ2 , also haben
wir
π
π
a = − ϕ2 und analog b = − ϕ1 .
2
2
Der Winkel γ ist der Winkel zwischen den Meridianen durch P1 und P2 , und da der
Längengrad der Winkel zum Nullmeridian ist, folgt
γ = λ2 − λ1 .
Damit haben wir genug Daten zusammen unser Dreieck zu berechnen. Mit dem Seitencosinussatz Satz 3 folgt
cos c = cos a cos b + sin a sin b cos γ
π
π
π
π
− ϕ2 cos
− ϕ1 + sin
− ϕ2 sin
− ϕ2 cos γ
= cos
2
2
2
2
= sin ϕ1 sin ϕ2 + cos ϕ1 cos ϕ2 cos(λ2 − λ1 ).
Mit dieser Formel lassen sich Abstände von in Längengrad und Breitengrad gegebenen
Punkten berechnen. In unserem obigen Beispiel Kiel–Peking wird
cos c ≈ 0, 395334 also c ≈ 1, 164365.
Dies ist der Winkelabstand, um den metrischen Abstand zu kriegen müssen wir noch
mit dem Radius unserer Kugel multiplizieren, also mit dem Erdradius R = 6371, 2km
und der Abstand Kiel–Peking längs des verbindenden Großkreises wird
|P1 P2 | = Rc ≈ 7418, 4km.
Auch die beiden Winkel α und β in unserem sphärischen Dreieck P1 P2 N haben eien
Bedeutung. Unter dem Kurswinkel einer Kurve auf K in einem Punkt versteht man
den Winkel zum durch den Punkt laufenden Meridian, dann sind α der Kurswinkel im
Startpunkt P1 der Strecke P1 P2 und β der Kurswinkel im Endpunkt P2 , man nennt
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α den Abfahrts- und β den Ankunftswinkel. Wir können diese beispielsweise mit dem
sphärischen Sinussatz Satz 6 berechnen, es ist sin c/ sin γ ≈ 0, 95716698 und somit
sin α =
sin a
cos ϕ2
=
≈ 0, 80149562
0, 95716698
0, 95716698
und der Abfahrtswinkel wird α ≈ 53, 273162◦ . Für den Ankunftswinkel berechnen wir
analog β ≈ 37, 528888◦ .
N
b
γ
a
β
P2
α
P1
M
5.4
Berechnung der Tageslänge
In diesem letzten Abschnitt wollen wir als eine weitere Anwendung der sphärischen
Trigonometrie die Berechnung der Tageslänge durchführen. Angenommen wir haben
eine Kugel E mit Mittelpunkt M und Radius R > 0 die von einer Lichtquelle in
der Entfernung S beleuchtet wird. Denken wir uns der Einfachheit halber das alle
Lichtstrahlen vom Mittelpunkt der Quelle ausgehen, so bilden wir einen Kegel mit
Spitze in S der tangential an der Kugel anliegt, und der beleuchtete Teil unserer Sphäre
ist dann das Innere des Kleinkreises in dem der Kegel die Kugel berührt.
Ekliptik
H
R
M
φ
S
δ0
Äquator
F
Lichtquelle
Ekliptik
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Dieser Kleinkreis bildet mit M S einen Winkel φ und lesen wir den Cosinus von φ im
oben links gezeigten rechtwinkligen Dreieck ab, so ergibt sich
cos φ =
R
.
S
Sind nun E die Erde und unsere Lichtquelle die Sonne, so ist R der Erdradius R =
6371, 2 km und S ist der Abstand zur Sonne. Der genaue Wert von S hängt von der
Jahreszeit ab, der kleinste auftretende Wert sind S = 147 099 000 km. Für den Winkel
φ ergibt sich φ ≈ 89, 997599◦ , und für alle praktischen Zwecke sind dies 90◦ .
Wir können also davon ausgehen das immer auf einer Hälfte der Erdoberfläche
Tag ist. Wenn wir einen einzelnen Tag betrachten, so können wir uns die Sonne als
im Raum fixiert denken. Durch die Drehung der Erde um ihre Achse ändert sich die
Hälfte der Erde auf der gerade Tag ist. Die Verbindungsstrecke von Erdmittelpunkt
und Sonnenmittelpunkt trifft die Erdoberfläche in einem Punkt Q und der Großkreis k
der die Grenze zwischen Tag und Nacht markiert hat Q als einen Pol. Liegt Q auf dem
Äquator, so ist die Tag–Nacht Grenze k ein Meridian, also wird jeder Breitenkreis von k
genau halbiert und damit sind Tag und Nacht in jedem Punkt der Erdoberfläche gleich
lang. Da wir allerdings wissen das die Länge des Tages mit der Jahreszeit variiert kann
Q in der Regel nicht auf dem Äquator liegen. Die Bewegung der Erde um die Sonne
findet in einer Ebene statt, und diese Ebene nennt man die Ekliptik. Schneiden wir die
Ekliptik mit der Erdoberfläche so entsteht ein Großkreis q auf dem sich unser Punkt Q
bewegt. Wäre die Drehachse der Erde senkrecht auf der Ekliptik, so wäre q der Äquator
und Tag und Nacht wären immer gleich lang. In der Wirklichkeit sind die beiden aber
verschieden, der Großkreis q bildet mit dem Äquator einen Winkel δ0 , und dies führt
dazu das sich die Tageslänge mit der Jahreszeit ändert. Den Winkel δ0 kann man genau
messen, er hat auf zwei Nachkommastellen den Wert
δ0 = 23, 44◦ .
Der Großkreis q schneidet den Äquator in zwei diametralen Punkten F und H, in
diesen beiden Punkten fällt der Einstrahlpunkt Q auf den Äquator und Tag und Nacht
sind überall auf der Erde gleich lang. Man nennt F den Frühlingspunkt und H den
Herbstpunkt, diese sind die beiden Äquinoktien oder Tagundnachtgleichen.
Wir betrachten nun einen fixierten Tag und an diesem Tag habe die Sonne zum
Äquator den Winkel δ, d.h. ist Q der Einstrahlpunkt so hat die Strecke M Q zur Äquatorebene den Winkel δ. Man nennt δ die Deklination. Ist Q der Frühlingspunkt, so
ist δ = 0 und mit fortschreitenden Jahr läuft Q den Großkreis q entlang und δ wird
größer. Dies geht bis die Deklination ihren maximalen Wert δ = δ0 erreicht, dies geschieht wenn die senkrecht auf dem Äquator stehende Ebene durch M Q auch senkrecht
auf der Ekliptik ist, dann ist die Deklination der Winkel zwischen Äquator und Ekliptik und die sogenannte Sommersonnenwende ist erreicht. Danach wird δ wieder kleiner
bis der Herbstpunkt erreicht wird und δ = 0 ist. Nach Durchlaufen des Herbstpunktes wird δ negativ, d.h. ab diesem Punkt ist die Südhalbkugel der Sonne zugewandt.
Der kleinste Wert der Deklination wird dann bei δ = −δ0 erreicht und dann ist die
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Wintersonnenwende erreicht. Anschhließend läuft Q zurück zum Frühlingspunkt, die
Deklination steigt also wieder bis δ = 0, und alles geht von vorne los.
Wir wollen die Tageslänge in Abhängigkeit von Deklination und Breitengrad berechnen. Nehme einmal an das δ ≥ 0 ist das also die Nordhalbkugel der Sonne zugewandt
ist. Ab einem gewissen Breitengrad ϕ ist der Tag dann volle 24 Stunden lang und um
ϕ zu berechnen schauen wir uns den unten rechts gezeigten Querschnitt an.
N
H
ϕ
Q
P
Q
ϕ
M
δ
ϕ∗
δ
M
S
Deklination
Querschnitt zu den Polarkreisen
Die Strecke M Q bildet mit dem Äquator den Winkel δ, senkrecht zu dieser Strecke ist
die Tag–Nacht Grenze k und alle Breitenkreise oberhalb des Schnitts von k mit der
Sphäre liegen ganz im beleuchteten Teil der Erde. Die Grenze ϕ ergibt sich damit zu
δ+
π
π
+ ϕ = π, also ϕ = − δ.
2
2
Im Frühlingspunkt δ = 0 gibt es noch keinen solchen Breitenkreis und zur Sommersonnenwende δ = δ0 ist nördlich des Breitenkreises π/2 − δ0 = 66, 56◦ volle 24 Stunden
lang Tag. Man nennt den Breitenkreis ϕ = π/2 − δ0 den nördlichen Polarkreis. Symmetrisch dazu ist der südliche Polarkreis, südlich des Breitenkreises −(π/2 − δ) ist 24
Stunden lang Nacht. Wird die Deklination negativ, so ist die Südhalbkugel der Sonne
zugewandt und die südlichen Breitenkreise haben permanenten Tag und die nördlichen
permanente Nacht. Für die Breitenkreise ϕ mit |ϕ| < π/2 − δ gibt es dagegen einen
Wechsel von Tag und Nacht und wir betrachten jetzt einen solchen Breitengrad ϕ. Sei
P der westliche Schnittpunkt des Breitenkreises zum Breitengrad ϕ mit der Tag–Nacht
Grenze k, d.h. im Punkt P haben wir den Sonnenaufgang auf unserem Breitenkreis. Ist
N der Nordpol so bilden wir das oben links gezeigte sphärische Dreieck P QN und sein
Winkel H bei N heißt der Stundenwinkel, dies ist der Winkel zwischen dem Sonnenaufgang in P und der Mittagszeit wenn der Meridian durch Q erreicht wird. Insbesondere
bildet der Teil des Breitenkreises der von der Sonne beschienen wird mit N den Winkel
2H. Der Punkt P ist auf dem Großkreis k mit Pol in Q, also haben P und Q den
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Winkelabstand
π
,
2
es liegt ein sogenannte rechtsseitiges sphärisches Dreieck vor. Da P den Breitengrad ϕ
und Q den Breitengrad δ hat, ist
|P Q| =
|P N | =
π
π
− ϕ und |QN | = − δ.
2
2
Wenden wir in P QN den Seitencosinussatz Satz 3 an, so ergibt sich
π
π
π
π
− ϕ cos
− δ + sin
− ϕ sin
− δ cos H
0 = cos |P Q| = cos
2
2
2
2
= sin ϕ sin δ + cos ϕ cos δ · cos H,
also ist
sin ϕ sin δ
= − tan ϕ tan δ.
cos ϕ cos δ
Wir hatten schon festgehalten das der in der Sonne liegende Teil des Breitenkreises den
doppelten Stundenwinkel 2H einnimmt, und da die Drehung der Erde um ihre Achse
konstante Winkelgeschwindigkeit hat ist die Tageslänge auf dem Breitengrad ϕ damit
gegeben als
2H
24
· 24 =
arccos(− tan ϕ tan δ).
T1 = T1 (ϕ, δ) =
2π
π
Diese geometrische Tageslänge“ weicht aber noch recht deutlich von der wirklich be”
obachteten Tageslänge ab. Dies liegt an zwei Hauptgründen. Zum einen ist die Sonne
keine punktförmige Lichtquelle sondern hat eine Ausdehnung und nimmt eine Winkel von etwa 160 ein. Die Sonne ist also schon um den Winkel 160 vor Erreichen des
Punktes P sichtbar. Weiter hat die Erde eine Atmosphäre an der sich die eingehenden
Lichtstrahlen brechen, und Messungen dieses Effekts ergeben einen weiteren Korrekturwinkel 340 . Insgesamt kommen wir auf den Korrekturwinkel
◦
5
0
0
0
:= 16 + 34 = 50 =
≈ 0, 83◦ .
6
cos H = −
In unserem Dreieck P QN haben wir bei Sonnenaufgang also tatsächlich |P Q| = π/2+
und der Seitencosinussatz ergibt
π
− sin = cos
+ = sin ϕ sin δ + cos ϕ cos δ cos H
2
und somit
sin .
cos ϕ cos δ
Als genaueren Wert für die Tageslänge erhalten wir
24
sin T2 =
arccos − tan ϕ tan δ −
,
π
cos ϕ cos δ
cos H = − tan ϕ tan δ −
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und um diesen Wert mit T1 zu vergleichen machen wir eine kleine Approximationsüberlegung. Zunächst erinnern wir uns daran das die Differenzierbarkeit einer Funktion f
in einem Punkt x bedeutet das für kleine Inkremente h die Näherung
f (x + h) ≈ f (x) + f 0 (x)h
gilt. Die Ableitung des Arcus Cosinus ist
d
1
arccos x = − √
,
dx
1 − x2
also haben wir
arccos(x + h) ≈ arccos x − √
h
.
1 − x2
Der Wert sin /(cos ϕ cos δ) ist vergleichsweise klein, also wird
sin 24
T2 ≈ T1 + p
.
·
π 1 − tan2 ϕ tan2 δ cos ϕ cos δ
Weiter haben wir für kleine Winkel φ die übliche Näherung sin φ ≈ φ und es wird
◦
5
5 π
π
sin ≈ =
= ·
=
,
6
6 180
216
und somit
T2 ≈ T1 +
1
1
1
1
= T1 + · p
.
·p
2
2
2
2
2
9
9
cos ϕ cos δ − sin ϕ sin δ
cos ϕ − sin2 δ
Wir wollen uns dies einmal am Beispiel des durch Kiel laufenden Breitenkreises anschauen, dieser hatte den Breitengrad ϕ = 54◦ 200 . Dies ist südlich des Polarkreises bei
66, 56◦ also gibt es stets eine Tag und eine Nachtphase. In der folgenden Tabelle geben
wir die Tageslänge in Kiel als Funktion der Deklination δ für einige Werte von δ an
δ
T1
T2
0◦
4, 69◦ 9, 37◦ 14, 06◦ 18, 75◦ δ0 = 23, 44◦
12 : 00 12 : 52 13 : 46 14 : 43 15 : 45
16 : 57
12 : 11 13 : 03 13 : 58 14 : 55 15 : 59
17 : 12
Diese Tabelle gibt uns Werte zwischen dem Frühlingsanfang und der Sommersonnenwende, für andere Werte der Deklination δ lassen sich die Werte durch Symmetrieüberlegungen gewinnen.
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