Kapitel 3 (Die reellen und die komplexen Zahlen)

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3
Die reellen und die komplexen Zahlen
3.1
Die ganzen Zahlen, Gruppen
In den natürlichen Zahlen können wir beliebig addieren: Zu n, m 2 N ist auch stets
n + m 2 N. Wenn wir die Addition aber umkehren (und damit zur Subtraktion
kommen), führt dies allerdings aus den natürlichen Zahlen heraus. So besitzt etwa
die Gleichung
x+5=0
keine Lösung x in den natürlichen Zahlen.
Definition 3.1 (Ganze Zahlen) Die Menge Z der ganzen Zahlen ist definiert als
Z := N [
N := N [ { n : n 2 N } = {. . . , 2, 1, 0, 1, 2, . . . }.
Satz 3.2 Die Menge Z ist abzählbar.
Beweis: Wir haben Z = N [ N mit N = { n : n 2 N}. Sowohl N als auch
sind abzählbar, also nach Korollar 2.38 auch Z.
N
2
In den ganzen Zahlen können wir jede Gleichung der Form x + a = b mit vorgegebenen a, b 2 Z lösen (die Lösung ist hier natürlich b a). Was unterscheidet jetzt
die Struktur von Z von der von N? Die Beantwortung dieser Frage führt uns zur
Definition von sogenannten Gruppen:
Definition 3.3 ((Kommutative) Gruppe) Eine Gruppe (G, •) besteht aus einer Menge G und einer Abbildung („Verknüpfung“) • : G ⇥ G ! G mit folgenden
Eigenschaften:
Assoziativität Für alle x, y, z 2 G gilt: (x • y) • z = x • (y • z); wir schreiben dann
x • y • z, da die Reihenfolge der Klammerung irrelevant ist;
Existenz eines neutralen Elements Es gibt ein e 2 G mit der Eigenschaft, dass
e • x = x für alle x 2 G gilt; man nennt e dann neutrales Element der
Gruppe G;
Existenz von inversen Elementen Für jedes x 2 G gibt es ein x0 2 G mit
x0 • x = e; man nennt x0 dann ein inverses Element zu x.
22
Die reellen und die komplexen Zahlen
Gilt darüberhinaus noch
Kommutativität x • y = y • x für alle x, y 2 G, so heisst (G, •) eine kommutative
Gruppe oder abelsche Gruppe.
Beispiel 3.4
(i) (Z, +) ist eine abelsche Gruppe mit neutralem Element 0 und inversem Element x zu x 2 Z.
(ii) (Z, ·) ist keine Gruppe. Das einzig mögliche neutrale Element ist die Zahl 1
und es gibt beispielsweise zu 2 kein inverses Element x 2 Z mit 2x = 1.
(iii) Die Menge G = {0, 1} wird mit den Operationen + gemäß der folgenden
Tabelle zu einer Gruppe mit neutralem Element 0:
+
0 1
0
1
0
1
1
0
C
Lemma 3.5 Sei (G, •) eine Gruppe und e 2 G ein neutrales Element. Mit x0 2 G
bezeichnen wir ein inverses Element zu x 2 G.
(i) Gilt x0 • x = e, so gilt auch x • x0 = e.
(ii) Ist e ein neutrales Element, so gilt x • e = x für alle x 2 G.
(iii) Das neutrale Element einer Gruppe ist eindeutig bestimmt.
(iv) Das inverse Element x0 zu x 2 G ist eindeutig bestimmt.
Beweis:
(i) Zu x0 gibt es ein inverses Element x00 2 G mit x00 • x0 = e. Damit folgt
x • x0 = e • (x • x0 ) = (x00 • x0 ) • (x • x0 ) = x00 • ((x0 • x) • x0 )
= x00 • (e • x0 ) = x00 • x0 = e.
(ii) Wir haben
(i)
x • e = x • (x0 • x) = (x • x0 ) • x = e • x = x.
(iii) Sind e und e⇤ beides neutrale Elemente, so haben wir:
e • e⇤ = e0 = e⇤ • e,
da e neutrales Element ist, wobei wir für die letzte Gleichheit (ii) ausgenutzt
haben. Andererseits haben wir, da e⇤ ebenfalls neutrales Element ist:
e⇤ • e = e
und es ergibt sich e = e⇤ • e = e⇤ .
3.2 Die rationalen Zahlen, Körper
23
(iv) Seien x0 2 G und x⇤ 2 G beide inverse Elemente zu x, also x0 • x = x⇤ • x = e.
Dann folgt
(ii)
(i)
x⇤ = x⇤ • e = x⇤ • (x0 • x) = x⇤ • (x • x0 ) = (x⇤ • x) • x0 = e • x0 = x0 .
2
Notation 3.6 Die Gruppenoperation haben wir bislang „neutral“ mit • bezeichnet.
Oft verwendet man auch + oder ·. Wenn man + verwendet, so schreibt man das
nach Lemma 3.5 eindeutig bestimmte neutrale Element oft mit 0 und das zu einem
x 2 G (ebenfalls nach Lemma 3.5 eindeutig bestimmte) inverse Element mit x.
Verwendet man für die Gruppenverknüpfung das Symbol „·“ der Multiplikation, so
bezeichnet man das neutrale Element mit 1 und das inverse Element zu x mit x 1 .
Lemma 3.7 Ist (G, •) eine Gruppe und bezeichnen wir mit x0 das nach Lemma 3.5
eindeutig bestimmte inverse Element zu x 2 G, so gelten folgende Eigenschaften:
(i) Aus x • y = x • z folgt y = z.
(ii) Es gilt (x0 )0 = x für alle x 2 G.
Beweis:
(i) Wir haben x • y = x • z und damit x0 • x • y = x0 • x • z. Wegen x0 • x = e
folgt y = e • y = e • z = z.
(ii) Nach Lemma 3.5 gilt e = x0 • x = x • x0 . Damit ist x ein inverses Element
zu x0 . Da das inverse Element (x0 )0 zu x0 ebenfalls nach Lemma 3.5 eindeutig
bestimmt ist, folgt (x0 )0 = x.
2
3.2
Die rationalen Zahlen, Körper
In den ganzen Zahlen können wir zwar alle Gleichungen der Form x + a = b mit
a, b 2 Z lösen, aber bei Gleichungen der Form ax = b mit a, b 2 Z klappt das im
Allgemeinen nicht. Beispielsweise hat 2x = 1 keine Lösung in den ganzen Zahlen
wie wir bereits gesehen haben.
Auf der Menge Z ⇥ Z \ {0} definieren wir eine Relation wie folgt:
(p, q) ⇠ (p0 , q 0 ) :, pq 0 = p0 q.
(3.1)
Man rechnet leicht nach, dass die in (3.1) definierte Relation in der Tat eine Äquivalenzrelation (siehe Definition 2.40) ist. Wir schreiben die Äquivalenzklasse [(p, q)]⇠
auch als den Bruch p/q. Mit dieser (zunächst etwas kompliziert aussehenden) Definition gilt dann etwa 3/5 = 6/10 = 18/30, was unseren bekannten „Bruchregeln“
bzw. „Kürzungsregeln“ entspricht. Damit können wir jetzt die rationalen Zahlen
einführen:
Definition 3.8 (Rationale Zahlen) Die Menge Q der rationalen Zahlen ist definiert durch:
⇢
p
Q=
: p 2 Z, q 2 Z \ {0} .
q
Vorlesung vom:
27.04.2017
Video zur
Vorlesung:
24
Die reellen und die komplexen Zahlen
Wir identifizieren für p 2 Z die Äquivalenzklasse [(p, 1)]⇠ mit der Zahl p. Mit dieser
Identifikation wird Z zu einer Teilmenge von Q.
Definition 3.9 (Körper) Ein Körper (K, +, ·) besteht aus einer Menge K und
zwei Verknüpfungen + : K ⇥ K ! K und · : K ⇥ K ! K mit folgenden Eigenschaften:
(i) (K, +) ist eine abelsche Gruppe. Wie in Notation 3.6 bezeichnen wir das
neutrale Element in (K, +) mit 0.
(ii) (K \ {0} , ·) ist eine abelsche Gruppe. Das neutrale Element in (K \ {0} , ·)
bezeichnen wir wie in Notation 3.6 mit 1.
(iii) Es gilt das Distributivgesetz :
x(y + z) = xy + yz für alle x, y, z 2 K.
(iv) Es gilt 1 6= 0.
Notation 3.10 Man schreibt normalerweise für Körperelemente x und y:
x
x
y, , x + y + z, xyz, x2 , x3 , 2x, 3x, . . .
y
anstelle von
x + ( y), x · y
1
, (x + y) + z, (xy)z, xx, xxx, x + x, x + x + x . . .
Weiterhin setzen wir x0 := 1 und x
n
:= (x
) für n 2 N.
1 n
Die Menge Q wird mit der üblichen Addition und Multiplikation:
p
+
q
p
·
q
p0
pq 0 + p0 q
:=
q0
qq 0
0
0
p
pp
:= 0
q0
qq
zu einem Körper. Das additiv inverse Element zu p/q ist p/q, das neutrale Element
der Addition ist 0 = 0/1. Das multiplikativ inverse Element zu p/q 6= 0 ist q/p, das
neutrale Element die 1 = 1/1.
Satz 3.11 Die Menge Q der rationalen Zahlen ist abzählbar.
Beweis: Jede rationale Zahl ist von der Form p/q mit p 2 Z und q 2 Z \ {0}. Für
jedes feste q 2 Z \ {0} ist die Menge
⇢
p
Bq :=
:p2Z
q
abzählbar, da Z abzählbar ist (siehe Satz 3.2). Da wir nur abzählbar
S viele Mengen
Bq haben (nämlich für q 2 Z \ {0}), ist Q als die Vereinigung Q = q2Z\{0} Bq nach
Korollar 2.38 höchstens abzählbar. Da jedes Bq aber unendlich ist, ist Q auch nicht
endlich, also abzählbar.
2
Wir zeigen, dass in Körpern gewohnte Rechenregeln aus Q gelten:
3.3 Summationen und Produkte in Körpern
25
Satz 3.12 (Rechenregeln in Körpern) Sei (K, +, ·) ein Körper. Dann gilt für
alle x, y 2K:
(i) 0x = 0.
(ii) Ist x 6= 0 und y 6= 0, dann ist xy 6= 0.
(iii) ( x)y =
(xy) = x( y).
(iv) ( x)( y) = xy.
Beweis:
(i) Wir haben 0x + 0x = (0 + 0)x = 0x, wobei wir die Distributivität für die erste
Gleichheit ausgenutzt haben. Wenn wir jetzt von rechts das additiv inverse
Element 0x von 0x addieren, so erhalten wir 0x = 0.
(ii) Sei x 6= 0 und y 6= 0, aber xy = 0. Dann ist
1=y
1
x
1
xy = y
1
x
1
(i)
0 = 0,
was einen Widerspruch darstellt.
(i)
(iii) Wir haben wegen der Distributivität ( x)y + xy = ( x + x)y = 0y = 0.
Also ist xy das eindeutig bestimmte inverse Element zu ( x)y. Die zweite
Gleichheit folgt analog.
(iv) Es gilt
(iii)
( x)( y) =
(iii)
(x( y)) =
( xy) = xy.
2
3.3
Summationen und Produkte in Körpern
Notation 3.13 (Summationen, Produkte) Sei (K, +, ·) ein Körper. Möchte
man mehrere Körperelemente aufsummieren oder multiplizieren, die durch eine
ganzzahlige „Laufvariable“ i indiziert werden, die von einem m 2 Z bis zu einem
n 2 Z (mit n m) läuft, so schreibt man:
n
X
i=m
n
Y
i=m
xi := xm + xm+1 + · · · + xn
xi := xm · xm+1 · · · · · xn
Für n < m setzen wir
n
X
i=m
xi := 0
und
n
Y
xi := 1.
i=m
Satz 3.14 (Endliche geometrische Reihe) Sei (K, +, ·) ein Körper, q 2 K\{1}
und n 2 N. Dann gilt
n
X
1 q n+1
qi =
.
(3.2)
1 q
i=0
26
Die reellen und die komplexen Zahlen
Beweis: Wir führen eine Induktion über n. Für n = 0 haben wir Aussage q 0 =
1
1 = 11 qq = 1, die offenbar richtig ist. Im Induktionsschritt nehmen wir an, dass die
Gleichung (3.2) für ein n 2 N gilt. Wir haben dann:
n+1
X
qi =
i=0
n
X
q i + q n+1
i=0
q n+1
+ q n+1
1 q
1 q n+1
q n+1 (1 q)
=
+
1 q
1 q
1 q n+1 + q n+1 q n+2
=
1 q
1 q n+2
=
.
1 q
=
1
(nach Induktionsvoraussetzung)
Dies war zu zeigen.
2
Definition 3.15 (Fakultät und Binomialkoeffizienten) Für n 2 N definieren
wir die Fakultät von n durch:
n
Y
n! :=
i = 1 · 2 · · · · n.
i=1
Man beachte, dass mit unseren Konventionen aus Notation 3.13 gilt: 0! = 1. Für
n, k 2 N mit n k setzen wir
✓ ◆
n
n!
(n k + 1) · (n k + 2) · · · · · n
:=
=
.
k
k!(n k)!
1 · 2 · ··· · k
Lemma 3.16 Seien n, k 2 N.
(i) Es gilt
n
0
= 1 und für n
(ii) Für n, k 2 N mit n
k
k:
n
k
=
n
n k
.
1 gilt:
✓ ◆ ✓
◆ ✓
◆
n
n
n+1
+
=
.
k
k 1
k
Beweis:
(i) Offensichtlich.
(ii) Es gilt:
✓ ◆ ✓
◆
n
n
n!
n!
+
=
+
k
k 1
k!(n k)! (k 1)!(n k + 1)!
n!(n k + 1)
n!k
=
+
k!(n k + 1)! k!(n k + 1)!
n!n n!k + n! + n!k
=
k!(n + 1 k)!
n!n + n!
=
k!(n + 1 k)!
n!(n + 1)
=
k!(n + 1 k)!
✓
◆
(n + 1)!
n+1
=
=
.
k!(n + 1 k)!
k
3.4 Geordnete Mengen und geordnete Körper
27
2
Satz 3.17 (Binomischer Satz) Sei (K, +, ·) ein Körper. Für a, b 2 K und n 2 N
gilt:
✓ ◆
✓ ◆
✓ ◆
✓
◆
n n 1
n n 2 2
n n 3 3
n
n
n
abn 1 + bn
(a + b) = a +
a
b+
a
b +
a
b + ··· +
1
2
3
n 1
n ✓ ◆
X
n n i i
=
a b.
(3.3)
i
i=0
Beweis: Wieder führen wir eine Induktion nach n. Für n = 0 ist die linke Seite
der Gleichung (3.3) (a + b)0 = 1 (vgl. Notation 3.10). Die rechte Seite von (3.3) ist
0 0 0
0 a b = 1. Dies ist die gewünschte Gleichheit.
Im Induktionsschritt nehmen wir an, dass die Gleichung (3.3) für ein n 2 N erfüllt
ist. Wir haben dann:
(a + b)n+1 = (a + b)(a + b)n
n ✓ ◆
X
n n i i
= (a + b)
a b
(nach Induktionsvoraussetzung)
i
i=0
n ✓ ◆
n ✓ ◆
X
n n+1 i i X n n i i+1
=
a
b +
a b
i
i
i=0
i=0
◆
n ✓ ◆
n+1 ✓
X
n n+1 i i X
n
an+1 i bi
=
a
b +
i
i
1
i=0
i=1
✓ ◆
◆
✓ ◆
n ✓ ◆
n ✓
n n+1 0 X n n+1 i i X
n
n 0 n+1
n+1 i i
a b
=
a
b +
a
b +
a
b +
0
i
i 1
n
i=1
i=1
✓
◆◆
n ✓✓ ◆
X
n
n
= an+1 b0 +
+
an+1 i bi + a0 bn+1
i
i
1
i=1 |
{z
}
=(n+1
i ) nach Lemma 3.16
n+1
X ✓n + 1 ◆
=
an+1 i bi .
i
i=0
2
3.4
Geordnete Mengen und geordnete Körper
Definition 3.18 (Ordnung, geordnete Menge) Sei X eine Menge. Eine Ordnung auf X ist eine transitive Relation < mit folgender Eigenschaft: Sind x 2 X
und y 2 X, so gilt genau eine der Aussagen
x < y,
x = y,
y < x.
Eine Menge X auf der eine Ordnung definiert ist, heißt geordnete Menge.
Die Aussage „x < y“ lesen wir als „x ist kleiner als y“ oder „y ist größer als x“. Oft
schreiben wir bequemer y > x anstelle von x < y. Die Schreibweise x  y bedeutet,
dass x < y oder x = y gilt.
28
Die reellen und die komplexen Zahlen
Beispiel 3.19
(i) Auf den ganzen Zahlen Z haben wir unsere übliche Ordnung „<“.
(ii) Die Menge Q geordnet mit der Ordnung
p
p0
< 0 :, pq 0
q
q
p0 q < 0,
wobei hier das „<“ auf der rechten Seite die Ordnung auf Z aus (i) bezeichnet.
Wir werden sehen, dass Q sogar ein sogenannter geordneter Körper ist.
C
Die Menge Q hat neben der Eigenschaft, ein Körper zu sein, noch eine weitere
Eigenschaft, die sie von den natürlichen Zahlen N unterscheidet:
Beobachtung 3.20 Zwischen zwei rationalen Zahlen x und y mit x < y liegt immer (mindestens) eine weitere rationale Zahl z, also x < z < y.
Wenn wir nämlich z = (x + y)/2 wählen, so haben wir mit x = p/q, y = p0 /q 0 dann
0
+p0 q
z = pq2qq
und
0
p
|{z}
·
2qq 0
|{z}
Zähler von x Nenner von z
(pq 0 + p0 q) ·
| {z }
Zähler von z
q
|{z}
= 2pqq 0
pqq 0
p0 q 2
Nenner von x
= q (pq 0 p0 q) < 0.
|{z} | {z }
>0 <0 wegen x < y
Dabei haben wir für die letzte Ungleichung ausgenutzt, dass das Produkt aus einer
negativen und einer positiven Zahl negativ ist. Analog rechnet man z < y nach.
Trotzdem hat Q gewisse „Lücken“. Beispielsweise gibt es kein x 2 Q mit x2 = 2.
Gäbe es ein solches x, so könnten wir es in der Form x = p/q schreiben mit ganzen
Zahlen p und q > 0, von denen wir annehmen können, dass sie nicht beide gerade
sind. Aus x2 = 2 ergibt sich dann
x2 = 2 ,
p2
= 2 , p2 = 2q 2 .
q2
(3.4)
Dies zeigt, dass p2 gerade ist. Daher muss auch p gerade sein (ist nämlich p = 2k + 1
ungerade, so ist p2 = 4k 2 + 4k + 1 und hat Teilrest 1 beim Teilen durch 2, ist also
ungerade). Damit ist p = 2k für ein k 2 Z. Aus (3.4) folgt dann
2q 2 = p2 = (2k)2 = 4k 2 , q 2 = 2k 2 .
(3.5)
Also ist auch q 2 gerade. Wie für p2 können wir jetzt schließen, dass daher auch q
gerade sein muss. Dies widerspricht aber unserer Voraussetzung, dass nicht p und q
beide gerade sind.
Wir betrachten diese „Lückensituation“ etwas genauer. Dazu definieren wir zunächst
die Beschränktheit von Mengen:
Definition 3.21 (Beschränktheit) Sei M eine geordnete Menge und E ✓ M .
Falls es ein 2 M gibt, so dass x  (bzw. x
) für alle x 2 E gilt, so heißt
eine obere Schranke (untere Schranke) für E und wir sagen, dass M nach oben
beschränkt (nach unten beschränkt) ist.
Beispiel 3.22
(i) Die Menge N ist nach unten beschränkt (z.B.) durch 0.
3.4 Geordnete Mengen und geordnete Körper
29
(ii) Die Menge Z ist weder nach unten noch nach oben beschränkt.
C
Wir untersuchen jetzt die folgenden Teilmengenengen von Q:
A := x 2 Q : x > 0 und x2 < 2
2
B := x 2 Q : x > 0 und x > 2 .
(3.6a)
(3.6b)
Offenbar ist A nach oben beschränkt und B nach unten beschränkt: jedes Element
aus A ist kleiner als jedes Element aus B; umgekehrt ist jedes Element aus B größer
als jedes Element aus A. Zudem sind weder A noch B leer, da z.B. 0 2 A und 4 2 B.
Wir werden zeigen, dass A kein größtes Element besitzt und B kein kleinstes. Genauer werden wir zeigen, dass wir zu jeder Zahl x 2 A eine Zahl y 2 A existiert, mit
x < y. Analog können wir zu jeder Zahl x 2 B eine Zahl y 2 B finden mit y < x.
Sei x 2 Q mit x > 0. Wir betrachten nun die Zahl
y := x
x2 2
x2 + 2x x2 + 2
2x + 2
=
=
.
x+2
x+2
x+2
(3.7)
Für diese Zahl y 2 Q gilt dann:
y2
4x2 + 8x + 4
(x + 2)2
2(x2 2)
=
.
(x + 2)2
2=
2=
4x2 + 8x + 4 2(x2 + 4x + 4)
2x2 4
=
(x + 2)2
(x + 2)2
(3.8)
Ist x 2 A, also x2 < 2, so haben wir daher y 2 2 < 0, also y 2 < 2 und damit y 2 A.
Nach Konstruktion in (3.7) ist außerdem für x2 < 2 dann y > x.
Ist x 2 B, so ist wegen (3.8) dann y 2
y < x.
2 > 0, also y 2 B. Wegen (3.7) ist auch
Definition 3.23 (Supremum, Infimum, Maximum, Minimum) Sei M eine
geordnete Menge und E eine nach oben beschränkte Teilmenge von M . Es existiere
ein ↵ 2 M mit folgenden Eigenschaften:
(i) ↵ ist eine obere Schranke von E;
(ii) ist
< ↵, so ist
keine obere Schranke von E.
Dann nennen wir ↵ die kleinste obere Schranke (es kann wegen (ii) nur ein solches
↵ geben) oder das Supremum von E und schreiben
↵ = sup E.
Analog definiert man die größte untere Schranke, auch Infimum:
↵ = inf E.
Gilt ↵ = sup E 2 E, so nennen wir ↵ das Maximum von E und schreiben ↵ =
max E. Analog schreiben wir ↵ = min E, falls ↵ = inf E in E liegt, und nennen ↵
das Minimum von E.
Beispiel 3.24
(i) Wie wir oben gesehen haben, hat die Menge A aus (3.6a) kein Supremum in Q
und die Menge B aus (3.6a) kein Infimum in Q.
30
Die reellen und die komplexen Zahlen
(ii) Falls ↵ = sup E existiert, so kann ↵ 2 E gelten oder ↵ 2
/ E. Betrachten wir
die Mengen
C = {x 2 Q : x < 0}
D = {x 2 Q : x  0} .
Wir haben dann sup C = sup D = 0, aber 0 2
/ C jedoch 0 2 D. Damit hat die
Menge C kein Maximum, aber max D = sup D = 0.
(iii) Sei E = {1/n : n 2 N}. Dann ist sup E = 1 2 E und inf E = 0 2
/ E.
(iv) Sei M ✓ Z eine nach oben beschränkte und nichtleere Menge. Dann existiert
sup M 2 Z und es gilt sup M = max M . Analog gilt für jede nichtleere und
nach unten bechränkte Teilmenge M von Z auch inf M = min M 2 Z.
C
Definition 3.25 (Supremums-Eigenschaft) Eine geordnete Menge M besitzt
die Supremums-Eigenschaft, wenn für jede nichtleere nach oben beschränkte Teilmenge E ✓ M das Supremum sup E in M existiert.
Vorlesung vom:
02.05.2017
Video zur
Vorlesung:
Wie wir gesehen haben, hat Q auf jeden Fall nicht die Supremums-Eigenschaft.
Andererseits hat N (und auch Z) die Supremums-Eigenschaft, ist aber kein Körper.
Das Hauptziel dieses Kapitels wird es sein, zu zeigen, dass es den Körper der reellen
Zahlen R gibt, der die Supremums-Eigenschaft besitzt. Dazu zeigen wir aber zunächst, dass aus der Supremums-Eigenschaft auch analog die Infimums-Eigenschaft
folgt:
Satz 3.26 Sei M eine geordnete Menge mit der Supremums-Eigenschaft und B ✓
M nichtleer und nach unten beschränkt. Sei U die Menge aller unteren Schranken
von B aus M . Dann existiert ↵ = sup U in M und es gilt:
↵ = sup U = inf B
in M . Insbesondere existiert also das Infimum von B in M .
Beweis: Da B nach Annahme nach unten beschränkt ist, gilt U 6= ?. Wir wählen
b 2 B beliebig (dies ist möglich, da B 6= ?). Für alle u 2 U gilt u  b, da u eine
untere Schranke für B ist. Also ist b umgekehrt eine obere Schranke für U und die
Menge U nach oben beschränkt.
Da M die Supremums-Eigenschaft besitzt, existiert für die nichtleere nach oben
beschränkte Menge U folglich ↵ = sup U in M . Es verbleibt zu zeigen, dass ↵ = inf B
ist. Dazu müssen wir zwei Dinge zeigen, nämlich, dass ↵ eine untere Schranke für B
ist und dass es keine größere untere Schranke gibt.
Wir zeigen zunächst die Schrankeneigenschaft, also ↵  x für alle x 2 B. Ist < ↵,
so ist keine obere Schranke für U nach Definition des Supremums. Folglich existiert
u 2 U mit < u. Daher folgt 2
/ B (da U ja aus unteren Schranken für B besteht).
Jetzt zeigen wir, dass es keine größere untere Schranke für B gibt. Ist ↵ < , so
folgt 2
/ U , da ↵ eine obere Schranke für U ist. Nach Definition von U ist also
keine untere Schranke für B. Dies wollten wir zeigen.
2
Definition 3.27 (Geordneter Körper) Ein geordneter Körper ist ein Körper
(K, +, ·), für den auf der Menge K eine Ordnung (siehe Definition 3.18) definiert
ist, so dass folgende Eigenschaften erfüllt sind:
3.4 Geordnete Mengen und geordnete Körper
31
(i) Falls y, z 2 K und y < z, so folgt x + y < x + z für alle x 2 K.
(ii) Sind x, y 2 K mit x > 0 und y > 0, so folgt xy > 0.
Notation 3.28 (Intervalle) In einem geordneten Körper (K, +, ·) verwendet man
üblicherweise die folgenden Schreibweisen:
[a, b] := {x 2 K : a  x und x  b}
(abgeschlossenes Intervall)
(a, b] := {x 2 K : a < x und x  b}
(halboffenes Intervall)
(a, b) := {x 2 K : a < x und x < b}
(offenes Intervall)
[a, b) := {x 2 K : a  x und x < b}
(halboffenes Intervall)
Daneben definiert man noch die uneigentlichen Intervalle
[a, 1) := {x 2 K : x
a}
( 1, b] := {x 2 K : x  b}
sowie analog (a, 1) und ( 1, b).
Die Menge Q ist mit unserer üblichen Ordnung ein geordneter Körper. Wir zeigen, dass in einem geordneten Körper (und zwar in jedem beliebigen) uns vertraute
Rechenregeln gelten:
Satz 3.29 Sei (K, +, ·) ein geordneter Körper. Dann gelten folgende Aussagen:
(i) Ist x > 0, so ist
x < 0 und umgekehrt.
(ii) Ist x > 0 und y < z, dann ist xy < xz.
(iii) Ist x < 0 und y < z, dann folgt xy > xz.
(iv) Ist x 6= 0, dann ist x2 > 0. Insbesondere ist 1 > 0.
(v) Ist 0 < x < y, dann folgt 0 < 1/y < 1/x.
Beweis:
(i) Falls x > 0, so ist 0 = ( x) + x > x + 0 = x, also
haben wir analog 0 = x + x < x + 0, also x > 0.
x < 0. Ist x < 0, so
(ii) Falls y < z, so folgt 0 = y y < z y. Also ist wegen Eigenschaft (ii) aus
Definition 3.27 dann x(z y) > 0. Daraus ergibt sich
xz = xz
xy + xy = x(z y) +xy > 0 + xy = xy.
| {z }
>0
(iii) Wir haben z y > 0 und x > 0 nach (i). Daher ist nach (ii) dann 0 <
( x)(z y) = (x(z y)) (wobei wir Satz 3.12 benutzt haben). Nach (i) folgt
x(z y) < 0, d.h. xz < xy.
(iv) Ist x > 0, so haben wir nach Eigenschaft (ii) aus Definition 3.27 dann 0 <
x · x = x2 . Falls x < 0, so ist nach (i) x > 0 und damit analog ( x)2 > 0.
Da aber ( x)2 = x2 nach Satz 3.12 haben wir auch hier x2 > 0. Da 1 6= 0
und 1 = 1 · 1 = 12 > 0 folgt letztendlich 1 > 0.
32
Die reellen und die komplexen Zahlen
(v) Wir haben y 1 · y = 1 > 0 nach (iv). Für v  0 ist vy  0 (entweder ist v = 0
und dann vy = 0 nach Satz 3.12 oder v < 0 und dann vy < 0 nach (iii)).
Daher folgt y 1 > 0. Analog folgt x 1 > 0. Wenn wir die Ungleichung x < y
mit x 1 y 1 > 0 auf beiden Seiten multiplizieren, erhalten wir y 1 < x 1 wie
gefordert.
2
Mit Hilfe des letzten Satzes können wir eine wichtige Eigenschaft der rationalen
Zahlen beweisen:
Lemma 3.30 (Archimedische Eigenschaft von Q) Sind x, y 2 Q mit x > 0,
so existiert eine natürliche Zahl n 2 N mit nx > y. Dies nennt man die archimedische Eigenschaft von Q.
Beweis: Ist y < 0, so können wir n = 0 wählen. Falls y = 0, so erfüllt n = 1 die
Bedingung. Wir können also im Folgenden annehmen, dass y > 0 gilt. Seien x =
p/q > 0 und y = p0 /q 0 mit natürlichen Zahlen p, q, p0 , q 0 > 0. Wähle n := qp0 +1 2 N.
Dann gilt
p
p
p
p0
nx = (qp0 + 1) = pp0 +
p0 + > p0
= y.
q
q
q
q0
Dies war zu zeigen.
2
Eine weitere Konsequenz aus der Ordnung in einem geordneten Körper ist die folgende nützliche Ungleichung:
Satz 3.31 (Bernoullische Ungleichung) Sei (K, +, ·) ein geordneter Körper
und x 2 K \ {0} mit x > 1 und n 2 N mit n 2, dann gilt
(1 + x)n > 1 + nx.
Beweis: Wir führen den Beweis durch Induktion nach n. Der Induktionsanfang
erfolgt für n = 2. Wir haben
x2 >0
(1 + x)2 = 1 + 2x + x2 > 1 + 2x.
Damit ist die Aussage für n = 2 bewiesen. Im Induktionsschritt nehmen wir an,
dass (1 + x)n > 1 + nx für alle x > 1, x 6= 0 und ein n 2 N gilt. Wenn wir beide
Seiten der Ungleichung mit 1 + x > 0 multiplizieren erhalten wir:
(1 + x)n+1 > (1 + nx)(1 + x) = 1 + nx + x + nx2
= 1 + (n + 1)x + nx2
Dies ist genau die Aussage für n + 1.
nx2 >0
>
1 + (n + 1)x.
2
Auch die bekannte Betragsfunktion können wir in naheliegender Weise für geordnete
Körper definieren:
Definition 3.32 (Absolutbetrag) Ist (K, +, ·) ein geordneter Körper, so definieren wir für x 2 K den Absolutbetrag (oder auch kurz: Betrag) von x durch:
(
x,
falls x 0
|x| :=
x, falls x < 0.
3.4 Geordnete Mengen und geordnete Körper
33
Die wichtigsten Eigenschaften des Betrags sind die folgenden:
Lemma 3.33 In einem geordneten Körper (K, +, ·) erfüllt die Betragsfuntion
|.| : K ! K folgende Bedingungen:
(i) |x|
0 für alle x 2 K und |x| = 0 , x = 0;
(ii) x  |x| für alle x 2 K;
(iii) |xy| = |x| · |y| für alle x, y 2 K (Verträglichkeit mit der Multiplikation);
(iv) |x + y|  |x| + |y| für alle x, y 2 K (Dreiecksungleichung).
Beweis:
(i) Klar nach Definition und Satz 3.29 (i).
(ii) Falls x 0, so ist |x| = x und die Aussage trivial. Falls x < 0, so ist
nach Satz 3.29 (i) und damit |x| = x > 0 > x.
x>0
(iii) Der Beweis erfolgt durch Fallunterscheidung nach den Vorzeichen von x und
y. Ist x = 0 oder y = 0, so ist xy = 0 (siehe Satz 3.12 (i)) und damit |xy| = 0
und auch |x|·|y| = 0, da entweder |x| = 0 oder |y| = 0 gilt. Ist x > 0 und y > 0,
so ist nach Satz 3.29 (iii) auch xy > 0. Damit ist |xy| = xy und |x| · |y| = xy.
Die anderen Fälle verlaufen analog.
(iv) Wir haben nach Eigenschaft (ii) x  |x| und y  |y| sowie
und y  | y| = |y|. Daher gilt:
x|
x| = |x|
x + y  |x| + |y|
(x + y) = ( x) + ( y)  |x| + |y|.
Da |x + y| 2 {x + y, (x + y)} folgt die Aussage.
2
Mit dem Betrag können wir somit einen „Abstand“ d : K ⇥ K ! K durch:
d(x, y) := |x
(3.9)
y|
definieren. Wegen Lemma 3.33(i) haben wir
d(x, y) = |x
y|
0 für alle x, y 2 K und d(x, y) = 0 , x = y.
(3.10)
Mit anderen Worten, der Abstand zwischen x und y ist genau dann gleich 0, wenn
x = y gilt. Der Abstand ist auch symmetrisch, d.h.
d(x, y) = |x
x| = d(y, x) für alle x, y 2 R.
y| = |y
(3.11)
Aus der Eigenschaft Lemma 3.33(iv) (der Dreiecksungleichung) erhalten wir:
d(x, z) + d(z, y) = |x
z| + |z
y|
|(x
z) + (z
y)| = |x
y| = d(x, y).
(3.12)
Dies spiegelt unsere Intuition von Abstand wieder: Der (direkte) Abstand von x
zu y ist nicht größer als der Umweg von x über z nach y. Wir fassen die Ergebnisse
für später zusammen:
34
Die reellen und die komplexen Zahlen
Lemma 3.34 Für den in (3.9) definierten Abstand d : K ⇥ K ! K gelten folgende
Aussagen:
(i) Für alle x, y 2 K ist d(x, y)
0 und d(x, y) = 0 , x = y.
(ii) Für alle x, y 2 K gilt d(x, y) = d(y, x).
(iii) Für alle x, y, z 2 K gilt d(x, y)  d(x, z) + d(z, y).
2
In Kapitel 16 werden wir eine Abbildung d : X ⇥ X ! R mit den Eigenschaften
aus Lemma 3.34 eine Metrik auf X nennen und uns allgemeiner mit sogenannten
metrischen Räumen beschäftigen.
3.5
Konsequenzen aus der Supremums-Eigenschaft
Der folgende Existenzsatz ist zentral für dieses Kapitel und die Analysis:
Satz 3.35 Es gibt einen geordneten Körper R, der die Supremums-Eigenschaft besitzt. Weiterhin enthält R den Körper Q der rationalen Zahlen als Unterkörper.
Vorlesung vom:
04.05.2017
Video zur
Vorlesung:
Der Beweis von Satz 3.35 ist technisch und etwas länglich. Bevor wir ihn führen,
leiten wir einige interessante Konsequenzen aus ihm ab. Unsere Vorgehensweise
illustriert die Anwendung der anfangs etwas mystischen Supremums-Eigenschaft.
Satz 3.36 (i) Sind x, y 2 R mit x > 0, so existiert eine natürliche Zahl n 2 N
mit nx > y. (Dies nennt man die archimedische Eigenschaft von R.)
(ii) Sind x, y 2 R mit x < y, so gibt es ein p 2 Q mit x < p < y. (Man sagt hier
auch: Q liegt „dicht“ in R).
Beweis:
(i) Sei A = {nx : n 2 N}. Dann ist A nichtleer. Würde (i) nicht gelten, so wäre y
eine obere Schranke für A. Also existiert ↵ = sup A in R. Die Zahl ↵ x < ↵
(wegen x > 0) ist dann nach Definition des Supremums als kleinste obere
Schranke keine obere Schranke von A. Also gibt es ein k 2 N, so dass kx >
↵ x, also ↵ < (k + 1)x. Dann ist aber ↵ keine obere Schranke für A im
Widerspruch zu ↵ = sup A.
(ii) Wir haben y
mit
x > 0. Nach (i) gibt es daher ein n 2 N mit n(y
x) > 1, d.h.
(3.13)
nx + 1 < ny.
Man beachte, dass n 6= 0 gelten muss, da 0(y x) = 0 was nicht größer als 1
ist. Wir wenden (i) nochmals auf die Zahlen 1 > 0 und nx bzw. 1 > 0 und
nx an. Dann existieren n1 , n2 2 N mit
n1 · 1 > nx
und
n2 · 1 >
nx,
also n2 < nx < n1 . Wir erinnern uns daran, dass Z die Supremums- und
Infimumseigenschaft besitzt. Die Menge U := { k 2 Z : k  nx } ist nichtleer
(da n2 2 U ) und nach oben etwa durch n1 beschränkt. Also existiert ↵ :=
3.5 Konsequenzen aus der Supremums-Eigenschaft
35
sup U = max U 2 Z (vgl. Beispiel 3.24). Da ↵ obere Schranke von U ist, gilt
insbesondere ↵ + 1 2
/ U . Somit existiert eine Zahl m := ↵ + 1 2 Z mit
(3.14)
1  nx < m.
m
Wir haben jetzt:
nx
(3.14)
<
(3.14)
(3.13)
(3.15)
m  nx + 1 < ny.
Da n 6= 0, wie wir oben festgestellt hatten, können wir in (3.15) durch n teilen
und erhalten:
m
x<
< y.
n
Dies liefert uns die Zahl p := m/n 2 Q mit den gewünschten Eigenschaften.
2
Eine weitere wichtige Folgerung ist die Tatsache, dass wir in R (im Gegensatz zu Q)
beliebige Wurzeln ziehen können:
Satz 3.37 (Wurzelziehen in R) Für jede reelle Zahl x > 0 und jede natürliche
Zahl p
n 2 N existiert genau eine reelle Zahl y > 0 mit y n = x. Wir schreiben dann
y = n x = x1/n .
Beweis: Es kann höchstens eine solche Zahl geben: Aus 0 < y1 < y2 folgt nämlich
mit Satz 3.29, dass 0 < y1n < y2n . Wir definieren:
U := {t 2 R : t > 0, tn < x} .
Zunächst zeigen wir, dass U nichtleer ist. Dazu betrachten wir t := x/(x + 1). Dann
ist 0 < t < 1 und daher tn  t < x. Insbesondere gilt t 2 U .
Als nächstes weisen wir nach, dass U nach oben beschränkt ist. Für t > 1+x > x gilt
wegen t 1, dass tn t > x und damit t 2
/ U . Daher ist 1 + x eine obere Schranke
von U . Da R die Supremums-Eigenschaft besitzt, existiert y = sup U in R. Wir
zeigen nun, dass y n = x gilt. Dazu führen wir beide Ungleichungen y n < x und
y n > x zum Widerspruch.
Für a, b 2 R mit 0 < a < b gilt ak < bk für alle k
bn
an = (b
< (b
= (b
Sei y n < x. Dann ist 0 <
x yn
n(y+1)n
a)(bn
a)(b
n 1
a)nb
1
1
n 1
+ bn
+b
2
n 2
.
0 und daher
a + · · · + an
b + ··· + b
1
n 1
)
)
(3.16)
und wir können ein 0 < ⌧ < 1 wählen, so dass
⌧<
x yn
n(y + 1)n
1
(3.17)
.
Mit a = y und b = y + ⌧ > a folgt dann:
(y + ⌧ )n
(3.16)
y n < ⌧ n(y + ⌧ )n
1
< n⌧ (y + 1)n
1
(3.17)
< x
yn .
Daraus folgt (y + ⌧ )n < x, also y + ⌧ 2 U . Da y + ⌧ > y ist dies ein Widerspruch
zur Wahl von y = sup U als obere Schranke von U .
36
Die reellen und die komplexen Zahlen
Sei nun y n > x. Wir betrachten die Zahl
=
Da x > 0 ist
haben wir
< y n /(ny n
yn
1
yn x
> 0.
ny n 1
) = y/n  y, also insgesamt 0 <
tn  y n
(y
(3.16)
)n <
ny n
1
= yn
< y. Für t
y
x.
Daher haben wir t > x und damit t 2
/ U . Also ist y
eine obere Schranke für U
im Widerspruch zur Wahl von y = sup U als kleinste obere Schranke.
2
n
Satz 3.38 Die Menge der reellen Zahlen R ist überabzählbar.
Beweis: Wir nehmen an, dass es eine surjektive Abbildung von N nach R gibt, und
führen dies zum Widerspruch. Dann kann es erst recht keine bijektive Abbildung
von N nach R geben.
Haben wir eine surjektive Abbildung von N nach R, so können wir R schreiben als
R = {r0 , r1 , r2 , . . . } .
Wir finden ein abgeschlossenes Intervall I0 = [a0 , b0 ] ⇢ R mit r0 2
/ I0 (etwa a0 =
r0 + 1, b0 = r0 + 2). Wir teilen I0 in drei gleichgroße abgeschlossene Teilintervalle
`
`
2`
2`
[a0 , a0 + ], [a0 + , a0 + ] und [a0 + , a0 + `],
3
3
3
3
wobei ` = b0
a0 .
Eines dieser drei Intervalle enthält r1 nicht. Wir nennen dieses Intervall I1 = [a1 , b1 ].
Fortsetzung des Verfahrens liefert uns eine Folge I0 I1 I2 . . . von Intervallen
mit
an  an+1  bn+1  bn für alle n 2 N
und rn 2
/ In für alle n 2 N. Wir betrachten die Menge
A = {an : n 2 N}
der linken Intervallgrenzen. Dann ist A nach oben beschränkt (etwa durch b0 ) und
nichtleer. Also existiert s = sup A 2 R.
Einerseits gilt s 2 In für alle n 2 N. Wäre nämlich s 2
/ In = [an , bn ] für ein n, so
wäre s > bn (s < an ist nicht möglich, da s eine obere Schranke für A ist). Dann
ist aber bn auch eine obere Schranke für A im Widerspruch zu s = sup A.
Da R = {r0 , r1 , r2 , . . . } und s 2 R gilt andererseits s = rn für ein n 2 N. Dann ist
aber s = rn 2
/ In nach Konstruktion im Widerspruch zu s 2 In .
2
3.6
Dedekindsche Schnitte und die Konstruktion
von R
In diesen Abschnitt konstruieren wir die reellen Zahlen und beweisen damit Satz 3.35.
Das Material in diesem Abschnitt kann man auch in der ersten Runde auslassen
und Satz 3.35 als gegeben hinnehmen.
Definition 3.39 (Dedekindscher Schnitt) Ein (dedekindscher) Schnitt ↵ ist eine Teilmenge ↵ ✓ Q mit folgenden Eigenschaften:
3.6 Dedekindsche Schnitte und die Konstruktion von R
37
(i) ↵ 6= ? und ↵ 6= Q
(ii) Aus x 2 ↵ und y < x folgt y 2 ↵.
(iii) ↵ hat kein größtes Element.
Mit R bezeichnen wir die Menge aller Schnitte.
Beispiel 3.40
(i) ↵ = x 2 Q : x2 < 2 und x > 0 [ {y 2 Q : y  0} ist ein dedekindscher
Schnitt.
(ii) Für festes z 2 Q sei
↵z := {x 2 Q : x < z} .
(3.18)
Wir nennen ↵z den durch z 2 Q erzeugten rationalen Schnitt.
C
Auf den Schnitten führen wir eine Ordnung ein:
Definition 3.41 Seien ↵ und Schnitte. Wir schreiben ↵ < , falls es ein x 2 Q
gibt mit x 2 \ ↵. Entsprechend bedeutet ↵  , dass entweder ↵ < oder ↵ =
(im Sinne der Mengengleichheit) gilt.
Satz 3.42 Die in Definition 3.41 definierte Relation ist eine Ordnung auf R.
Beweis: Wir zeigen zunächst, dass für zwei Schnitte ↵ und
Aussagen ↵ < , ↵ = und < ↵ gelten kann.
höchstens eine der
Offenbar schließt ↵ = die anderen beiden Fälle aus. Falls ↵ < , so gibt es ein
x 2 \ ↵. Wäre jetzt auch < ↵, so gäbe es y 2 ↵ \ .
Falls y < x 2 , so wäre wegen Eigenschaft (ii) auch y 2 im Widerspruch zu
y 2 ↵ \ . Falls x < y 2 ↵, so folgt analog x 2 ↵ im Widerspruch zu x 2 \ ↵. Also
muss x = y gelten, was aber dann wegen x 2 ↵ \ und x 2 \ ↵ ebenfalls zu einem
Widerspruch führt.
Somit haben wir gezeigt, dass sich ↵ < und < ↵ ebenfalls ausschließen. Wir
zeigen jetzt, dass mindestens eine der Aussagen ↵ < , ↵ = und < ↵ gelten
muss.
Falls ↵ 6= , so existiert entweder ein x 2 ↵ \
führt auf < ↵, der zweite auf ↵ < .
oder ein y 2
\ ↵. Der erste Fall
Es verbleibt, die Transitivität zu zeigen. Sei ↵ < und < . Es gibt dann x 2 \↵
und y 2 \ . Aus x 2 und y 2
/ folgt x < y. Dann ist y 2 \ ↵, also ↵ < .
2
Bemerkung 3.43 Aufgrund der Definition der Schnitte ist ↵ <
aus Definition 3.41 äquivalent zu ↵ ⇢ (also dazu, dass ↵ eine echte Teilmenge von ist).
Gilt nämlich ↵ ⇢ , so gibt es ein x 2 \ ↵. Gibt es umgekehrt x 2 \ ↵ für
zwei Schnitte ↵ und , gilt also ↵ < , so ist ↵ 6= und es muss ↵ ✓ gelten.
Wäre nämlich y 2 ↵ \ , so wäre < ↵, was der Tatsache widerspricht, dass < eine
Ordnung auf R ist und genau eine der Aussagen ↵ < , ↵ = , < ↵ gilt.
Satz 3.44 Die Menge R mit der Ordnung aus Definition 3.41 besitzt die SupremumsEigenschaft.
Vorlesung vom:
05.05.2017
Video zur
Vorlesung:
38
Die reellen und die komplexen Zahlen
Beweis: Sei A ✓ R nichtleer und nach oben beschränkt. Wir müssen zeigen, dass
↵ = sup A in R existiert. Dazu setzen wir
[
:=
↵,
(3.19)
↵2A
also als die Vereinigung aller Schnitte aus A. Als erstes zeigen wir, dass
ein Schnitt ist, also dass 2 R gilt.
wieder
Da A nichtleer ist, gibt es ein ↵ 2 A und die Vereinigung aus (3.19) ist ebenfalls
nichtleer. Da A nach oben beschränkt ist, gibt es eine obere Schranke 2 R. Nach
Bemerkung 3.43 ist dann ↵ ✓ für alle ↵ 2 A. Dann ist auch ✓ 6= Q und
erfüllt die Eigenschaft (i) aus Definition 3.39.
Sei nun x 2 . Dann ist x 2 ↵ für ein ↵ 2 A. Ist nun y < x, so gilt y 2 ↵, da ↵ ein
Schnitt ist. Folglich haben wir auch y 2 . Dies zeigt, dass die Eigenschaft (ii)
besitzt.
Eigenschaft (iii) läuft analog: Ist x 2 , also x 2 ↵ für ein ↵ 2 A, so existiert z 2 ↵
mit z > x. Dann ist auch z 2 .
Nach Konstruktion ist ↵ ✓ für alle ↵ 2 A, also ist eine obere Schranke für A.
Sei 2 R mit < . Wenn wir zeigen, dass keine obere Schranke für A ist, so
folgt dann = sup A.
Wenn < , so existiert x 2 \ . Wir haben x 2 ↵ für (mindestens) ein ↵ 2 A
nach Konstruktion von in (3.19). Dann ist aber x 2 ↵ \ und ist keine obere
Schranke für A.
2
Auf den Schnitten (also auf R) führen wir eine Addition ein:
Satz 3.45 Für zwei Schnitte ↵ und
:= {x + y : x 2 ↵, y 2 } .
↵+
Dann ist ↵ +
setzen wir:
(3.20)
wieder ein Schnitt.
Beweis: Da ↵ 6= ? und 6= ? ist ↵ + ebenfalls nichtleeer. Da ↵ 6= Q und 6= Q,
finden wir x0 2
/ ↵ und y 0 2
/ . Wenn wir zeigen, dass x0 + y 0 > x + y für alle x 2 ↵
und y 2 gilt, dann folgt x0 + y 0 2
/ ↵ + und damit ↵ + 6= Q. Gäbe es x 2 ↵ und
y 2 mit x + y x0 + y 0 , so gilt entweder x x0 oder y y 0 . Im ersten Fall folgt
x0 2 ↵, im zweiten Fall y 0 2 , was beides unmöglich ist.
Sei z 2 ↵ + , z = x + y für geeignete x 2 ↵, y 2 .
Sei jetzt v < z. Wir müssen zeigen, dass v 2 ↵ + gilt. Betrachte dazu t = v
z y = (x + y) y = x. Da ↵ ein Schnitt ist, haben wir t 2 ↵ und damit
t + y = (v
|{z}
|{z}
2↵
y<
y) + y = v 2 ↵ + .
2
Weiterhin existieren x0 2 ↵ und y 0 2 mit x < x0 und y < y 0 , da die Schnitte ↵
und keine größten Elemente haben. Dann ist z 0 = x0 + y 0 > x + y = z und ↵ +
hat ebenfalls kein größtes Element.
2
Aus der Definition der Summe in (3.20) ergeben sich folgende Eigenschaften:
(i) ↵ +
=
+ ↵ für alle Schnitte ↵, .
3.6 Dedekindsche Schnitte und die Konstruktion von R
(ii) (↵ + ) +
39
= ↵ + ( + ) für alle Schnitte ↵, , .
(iii) Es gibt einen Schnitt
↵0 = {x 2 Q : x < 0}
mit ↵0 + ↵ = ↵ für alle Schnitte ↵.
Dies folgt daraus, dass für alle z 2 ↵ und x 2 ↵0 gilt: z + x < z. Also gilt
z + x 2 ↵ für alle z 2 ↵ und alle x 2 ↵0 , mit anderen Worten ↵ + ↵0 ✓ ↵.
Ist andererseits z 2 ↵, so wählen wir z 0 2 ↵ mit z 0 > z (dies ist möglich,
da ↵ ein Schnitt ist). Dann gilt z z 0 < 0, also z z 0 2 ↵0 und daher
z 0 + (z z 0 ) = z 2 ↵ + ↵0 . Dies zeigt die umgekehrte Inklusion ↵ ✓ ↵ + ↵0 .
(iv) Zu jeden Schnitt ↵ gibt es einen Schnitt
↵ = {y 2 Q : es gibt ein r 2 Q, r > 0, so dass
y
r2
/ ↵ gilt}
mit ( ↵) + ↵ = ↵0 .
Wir prüfen die Eigenschaften (i)– (iii) aus Definition 3.39 für
↵ nach.
Da ↵ 6= Q gibt es ein x 2
/ ↵. Wir setzen y := x 1. Es gilt dann y 1 =
( x 1) 1 = x + 1 1 = x 2
/ ↵. Mit r = 1 haben wir also y r 2
/ ↵,
also y 2 ↵. Also ist ↵ nichtleer. Sei x 2 ↵. Dann gilt für alle r > 0, dass
( x) r = x r < x 2 ↵. Also ist x 2
/ ↵ und damit ↵ 6= Q. Dies zeigt
Eigenschaft (i).
Sei nun y 2 ↵ und z < y. Dann ist y r 2
/ ↵ für ein geeignetes r > 0.
Wegen z < y haben wir z r > y r 2
/ ↵, woraus z r 2
/ ↵ folgt. Also
ist auch z 2 ↵ und Eigenschaft (ii) bewiesen.
Ist y 2 ↵ und r 2 Q mit y r 2
/ ↵, so setzen wir t := y + r/2. Dann haben
wir wegen r > 0 die Ungleichung t > y und t (r/2) = (y + r/2) r/2 =
y r2
/ ↵. Also ist t 2 ↵ und ↵ besitzt, wie in (iii) gefordert, kein größtes
Element.
Wir müssen jetzt noch ↵ + ( ↵) = ↵0 zeigen. Sei x 2 ↵, y 2 ↵. Wir haben
y r 2
/ ↵ für ein r > 0 und daher kann nicht y 2 ↵ gelten (beachte,
dass y > y r gilt). Dann folgt y > x 2 ↵, also x + y < 0. Dies zeigt
↵ + ↵ ✓ ↵0 .
Für die umgekehrte Inklusion sei z 2 ↵0 . Wir setzen w := z/2 > 0. Aus
der archimedischen Eigenschaft von Q (siehe Lemma 3.30) folgt,1 dass es ein
k 2 Z gibt mit kw 2 ↵ und (k +1)w 2
/ ↵. Wir setzen v := (k +2)w. Dann gilt
v w = (k + 1)w 2
/ ↵, also v 2 ↵ und daher v + kw 2 ↵ + ↵. Andererseits
gilt aber
v + kw = (k + 2)w + kw = 2w = z,
also z 2
↵ + ↵.
1 Wir zeigen zuerst, dass es mindestens ein a 2 Z mit aw 2 ↵ und mindestens ein b 2 Z mit
bw 2
/ ↵ gilt.
Da ↵ 6= Q gibt es ein y 2 Q \ ↵. Für dieses y gilt y > x für alle x 2 ↵. Nach der archimedischen
Eigenschaft von Q gibt es ein b 2 N mit bw > y und damit bw 2
/ ↵ wegen y 2
/ ↵.
Da ↵ nichtleer ist, gibt es ein u 2 ↵. Aufgrund der Eigenschaft (ii) können wir u < 0 voraussetzen.
Dann gibt es wieder wegen der archimedischen Eigenschaft ein m 2 N mit mw > u, also mw <
u, was mw 2 ↵ impliziert. Wir können alternativ auch sagen, dass es ein a := m 2 Z gibt mit
aw < u, also aw 2 ↵ gibt.
Falls aw 2 ↵ und bw 2
/ ↵, so folgt wegen w > 0, dass a < b (wäre nämlich b  a, so wäre
bw  aw 2 ↵ und damit auch bw 2 ↵). Damit ist die Menge derjenigen a 2 Z mit aw 2 ↵ nichtleer
und nach oben beschränkt (etwa durch jedes beliebige b 2 Z mit bw 2
/ ↵). Wenn wir jetzt das
größte solche a 2 Z wählen, dann gilt nach Konstruktion aw 2 ↵ und (a + 1)w 2
/ ↵ wie gewünscht.
40
Die reellen und die komplexen Zahlen
Mit anderen Worten, die Schnitte bilden mit der Addition aus (3.20) eine kommutative Gruppe:
Korollar 3.46 Die Menge R bildet mit der Addition aus (3.20) eine kommutative
Gruppe mit neutralem Element ↵0 .
Nach der Addition führen wir jetzt eine Multiplikation auf R ein. Dies ist etwas
trickreicher als die Addition und erfolgt in zwei Schritten. Zunächst definieren wir
die Produkte „positiver Schnitte“:
Satz 3.47 Für zwei Schnitte ↵ und
> ↵0 setzen wir:
:= {z : z  xy für ein x 2 ↵, y 2 , x > 0, y > 0} .
↵·
Dann ist ↵ ·
mit ↵ > ↵0 und
(3.21)
wieder ein Schnitt.
Beweis: Analog zum Beweis von Satz 3.45.
2
Wir setzen die Multiplikation jetzt auch auf nicht-positive Schnitte wie folgt fort:
↵ · ↵0 := ↵0 · ↵ := ↵0 für alle ↵
sowie
↵·
8
>
<( ↵) · ( ),
:=
(( ↵) · ),
>
:
(↵ · ( )),
falls ↵ < ↵0 und
falls ↵ < ↵0 und
falls ↵ > ↵0 und
< ↵0
> ↵0
< ↵0 .
Wie Korollar 3.46 zeigt man jetzt:
Korollar 3.48 Die Menge R \ {↵0 } bildet mit der Multiplikation aus (3.21) eine
kommutative Gruppe mit neutralem Element ↵1 .
Satz 3.49 (R, +, ·) ist ein geordneter Körper.
Beweis: Verwenden wir Korollar 3.46 und Korollar 3.48, so müssen wir nur noch
das Distributivgesetz ↵( + ) = ↵ + ↵ für alle ↵, , 2 R nachrechnen, um
zu zeigen, dass R auch tatsächlich ein Körper ist. Dies sparen wir uns hier (es ist
wirklich einfache Rechenarbeit).
Um Eigenschaft (i) aus Definition 3.27 zu zeigen, müssen wir folgendes beweisen:
Sind ↵, ,
2 R mit
< , so ist ↵ +
<↵+ .
Die Inklusion ↵ + ✓ ↵ + folgt sofort aus der Definition der Addition in (3.20).
Um ↵ + < ↵ + zu zeigen, genügt es daher zu beweisen, dass nicht die Gleichheit
↵ + = ↵ + erfüllt sein kann. Wäre ↵ + = ↵ + , so folgte (da (R, +) eine
Gruppe ist und wir Lemma 3.7 (i) anwenden können) durch Addition von ↵ auf
beiden Seiten = , also ein Widerspruch.
Die letzte Eigenschaft (ii) aus Definition 3.27, nämlich:
Sind ↵,
2 R mit ↵,
> ↵0 , so folgt ↵ > ↵0
ergibt sich einfach aus der Definition in (3.21). Dies beendet den Beweis.
2
3.7 Reelle Zahlen und Dezimalbrüche
41
Wir wollen jetzt zuletzt noch (Q, +, ·) als Teilkörper von (R, +, ·) identifizieren.
Dazu betrachten wir wieder die rationalen Schnitte
↵z := {x 2 Q : x < z} ,
die wir bereits in (3.18) eingeführt hatten.
Satz 3.50 Die rationalen Schnitte ↵z erfüllen folgende Bedingungen:
(i) ↵z + ↵w = ↵z+w für alle z, w 2 Q.
(ii) ↵z · ↵w = ↵z·w für alle z, w 2 Q.
(iii) Es gilt ↵z < ↵w genau dann, wenn z < w ist.
Beweis:
(i) Sei v 2 ↵z + ↵w , v = x + y mit x 2 ↵z und y 2 ↵w , wobei x < z und y < w.
Also ist v = x + y < z + w, also v 2 ↵z+w . Ist umgekehrt v 2 ↵z+w , so
wählen wir t 2 Q mit 2t = z + w v > 0 und setzen z 0 := z t, w0 := w t.
Wegen t > 0 ist z 0 < z, also z 0 2 ↵z . Analog folgt w0 2 ↵w . Daraus ergibt sich
v = (z t) + (w t) = z 0 + w0 2 ↵z + ↵w , also v 2 ↵z + ↵w .
(ii) Analog zu (i).
(iii) Ist z < w, so ist z 2 ↵w , aber z 2
/ ↵z , also ↵z < ↵w . Ist umgekehrt ↵z < ↵w ,
so gibt es ein x 2 ↵w \ ↵z . Dann gilt z  x < w und daher z < w.
2
Damit können wir die Menge Q mit der Menge der rationalen Schnitte identifizieren
und erhalten Satz 3.35.
3.7
Reelle Zahlen und Dezimalbrüche
Zum Abschluss dieses Kapitels über die reellen Zahlen leiten wir noch einen Zusammenhang zwischen den reellen Zahlen und Dezimalbrüchen her.
Dazu sei x 2 R mit x > 0 beliebig. Wir betrachten dann die Menge
M := {n 2 N : n  x} .
Diese ist wegen 0 2 M nichtleer. Aus der archimedischen Eigenschaft von R (siehe
Satz 3.36) folgt, dass M nach oben beschränkt ist. Da M nach oben beschränkt ist,
existiert n0 = sup M und es gilt offenbar n0 2 N (vgl. Beispiel 3.24). Wir haben
somit nach Konstruktion:
n0  x.
Seien jetzt n0 , n1 , . . . , nk
Zahl mit
1
2 N bereits gewählt, dann sei nk die größte natürliche
n1
nk
+ . . . + k  x.
(3.22)
10
10
Die Menge der Zahlen nk 2 N mit Eigenschaft (3.22) ist wieder nichtleer, da sie 0
enthält und ebenfalls nach der archimedischen Eigenschaft nach oben beschränkt.
Damit existiert auch eine größte solche Zahl.
n0 +
Vorlesung vom:
09.05.2017
Video zur
Vorlesung:
42
Die reellen und die komplexen Zahlen
Somit können wir uns induktiv die Menge
n
o
n1
nk
E := n0 +
+ . . . + k : k = 0, 1, 2, . . .
10
10
(3.23)
konstruieren. Dann ist x = sup E. Wir sagen, die Dezimalbruch-Darstellung von x
ist:
n0 , n1 n2 n3 . . . .
(3.24)
Umgekehrt ist für jede (unendliche) Dezimalzahl der Form (3.24) die Menge E
aus (3.23) nach oben beschränkt, und (3.24) ist die Dezimalbruch-Darstellung von
sup E.
Für negative x 2 R, also x < 0, können wir die Dezimalbruchdarstellung als
n0 , n1 n2 n3 . . . , definieren, wobei n0 , n1 n2 n3 . . . die Dezimalbruchdarstellung von
x > 0 ist. Letztendlich ist die Dezimalbruchdarstellung von x = 0 einfach 0.
3.8
Die erweiterte reelle Zahlengerade
Wir fügen zum Körper R der reellen Zahlen zwei Symbole +1 und 1 hinzu. Die
ursprüngliche Ordnung auf R bleibt bestehen und wir definieren zusätzlich
1 < x < +1 für alle x 2 R.
Dann ist +1 eine obere Schranke für jede Teilmenge der erweiterten reellen Zahlengeraden, und jede nichtleere Teilmenge hat eine kleinste obere Schranke. So gilt
etwa sup Q = +1. Wir setzen zusätzlich
sup ? :=
1
inf ? := +1.
Die erweiterte reelle Zahlengerade ist kein Körper mehr. Wir treffen aber folgende
nützliche Vereinbarungen:
(i) x + 1 = +1, x
1=
1,
x
+1
=
x
1
= 0 für alle x 2 R.
(ii) Für x 2 R mit x > 0 ist x · (+1) = +1 und x · ( 1) =
(iii) Für x 2 R mit x < 0 ist x · (+1) =
3.9
1.
1 und x · ( 1) = +1.
Komplexe Zahlen
Nachdem wir die reellen Zahlen kennengelernt haben, führen wir noch einen weiteren
Körper ein, der für die Analysis und die Lineare Algebra immens wichtig ist:
Definition 3.51 (Komplexe Zahlen) Mit C bezeichnen wir die Menge aller Paare zweier reeller Zahlen mit den folgenden Verknüpfungen (für (x1 , y1 ), (x2 , y2 ) 2 C):
(x1 , x2 ) + (y1 , y2 ) = (x1 + y1 , x2 + y2 )
(x1 , x2 ) · (y1 , y2 ) = (x1 y1
x 2 y2 , x1 y2 + x 2 y 1 )
(Addition)
(Multiplikation).
3.9 Komplexe Zahlen
43
z = x + iy
y
2
1
2
i = (0, 1)
0.5
1
1
x
2
1
Abbildung 3.1: Die komplexe Zahl z = x + iy als Zahlenpaar (x, y) 2 R2 im Koordinatensystem zusammen mit i = (0, 1) und der reellen Zahl 0.5.
Wir können uns die Zahlen aus C im zweidimensionalen Koordinatensystem veranschaulichen (sieh Abbildung 3.1.
Man verifiziert leicht durch Rechnen, dass in C die Kommutativ-, Assoziativ- und
Distributivgesetze gelten. Mit der Definition der Operationen gilt für alle (x, 0) 2 C
und (y, 0):
(x, 0) + (y, 0) = (x + y, 0)
(x, 0) · (y, 0) = (xy
0 · 0, x · 0 + 0 · y) = (xy, 0).
Damit können wir R als Teilmenge von C ansehen, indem wir das Paar (x, 0) mit
der Zahl x 2 R identifizieren. Es gilt weiterhin:
(0, 1) · (0, 1) = ( 1, 0)
und das spezielle Paar (0, 1) nennen wir imaginäre Einheit.
i := (0, 1),
Für alle (x1 , x2 ) 2 C haben wir
(x1 , x2 ) = (x1 , 0) + (0, x2 ) = x1 (1, 0) + x2 (0, 1) = x1 · 1 + x2 · i = x1 + ix2 ,
d.h. (x1 , x2 ) = x1 + ix2 2 C. Für z = (x1 , x2 ) 2 C können wir also den Realteil und
den Imaginärteil von z wie folgt definieren:
Re z = Re(x1 , x2 ) := x1
(Realteil von z)
Im z = Im(x1 , x2 ) := x2
(Imaginärteil von z).
Letztendlich definieren wir zu z = (x1 , x2 ) 2 C die konjugiert komplexe Zahl
z̄ := (x1 , x2 ) = x1
ix2 2 C
44
Die reellen und die komplexen Zahlen
und den Betrag
|z| :=
Es gilt offenbar:
|z| =
q
x21 + x22 2 R.
q
p
p
x21 + x22 = (x1 , x2 ) · (x1 , x2 ) = z · z̄
1
(z + z̄)
2
1
Im z = (z z̄).
2i
Re z =
Satz 3.52 C ist ein Körper.
Beweis: Wie wir bereits bemerkt hatten, sind Kommutativität der Addition und
Multiplikation offensichtlich, genauso wie Assoziativ- und Distributivitätsgesetze.
Das additiv inverse Element zu z = (z1 , z2 ) ist (z1 , z2 ) = ( z1 , z2 ), das neutrale
Element der Addition das Element (0, 0). Das multiplikativ neutrale Element ist
(1, 0). Für z = (z1 , z2 ) 6= 0 haben wir
(z1 , z2 ) · (
z2
z12 + z22
)
=
(
,
z12 + z22
z12 + z22
z1
,
z12 + z22
und damit ist
(
z12
z1
,
+ z22
z12
z1 z2 + z2 z1
) = (1, 0)
z12 + z22
z2
z̄
)=
2
+ z2
z z̄
das multiplikativ inverse Element zu z 6= 0.
2
Lemma 3.53 Für komplexe Zahlen z, w 2 C gelten folgende Rechenregeln:
p
z̄¯ = z
|z| = z z̄
z z̄ = |z|2
z + w = z̄ + w̄
1/z = 1/z̄
1
Re z = (z + z̄)
2
1
Im z = (z z̄)
2i
|zw| = |z| · |w|
z
|z|
=
w
|w|
|z + w|  |z| + |w|
(Dreiecksungleichung)
Beweis: Die obigen Rechenregeln sind bis auf die Dreiecksungleichung sehr einfach
zu beweisen bzw. wir haben sie schon bewiesen. Die Dreiecksungleichung zeigt man
wie folgt:
|z + w|2 = (z + w)(z̄ + w̄) = z z̄ + z w̄ + z̄w + ww̄
= |z|2 + 2 Re(z w̄) + |w|2
 |z|2 + 2|z w̄| + |w|2
= |z|2 + 2|z| · |w| + |w|2
= (|z| + |w|)2 .
Wurzelziehen liefert nun die Dreiecksungleichung.
2
3.9 Komplexe Zahlen
45
Satz 3.54 (Cauchy-Schwarzsche Ungleichung) Für komplexe Zahlen z1 , . . . , zn
und w1 , . . . , wn gilt die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung:
n
X
2
j=1
Beweis: Sei Z :=
zeigen, dass gilt:
Pn
j=1
n
X

zj w̄j
|zj |2 , W :=
j=1
Pn
|zj |2 ·
j=1
n
X
j=1
|wj |2 .
|wj |2 und U :=
|U |2  ZW.
(3.25)
Pn
j=1 zj w̄j .
Wir wollen
(3.26)
Falls W = 0, so gilt w1 = · · · = wn = 0. Dann haben wir aber zj w̄j = 0 für alle j
(vgl. auch Satz 3.12) und U = 0.
Wir können also W > 0 annehmen. Dann haben wir
0
n
X
j=1
|W zj
2
U wj | =
n
X
(W zj
U wj )(W z̄j
Ū w̄j )
j=1
= W2
n
X
j=1
2
=W Z
2
=W Z
= W (W Z
|zj |2
W |U |
W |U |
W Ū
n
X
zj w̄j
UW
j=1
2
j=1
2
2
W |U | + |U | W
2
n
X
z̄j wj + |U |2
n
X
j=1
|wj |2
|U |2 ).
Wir haben also gezeigt, dass gilt:
W (W Z
|U |2 )
0.
Da wir W > 0 vorausgesetzt hatten, folgt damit W Z |U |2
0. Dies ist dann (3.26).
2
Als Anwendung der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung betrachten wir den Rn , also
Rn = {(x1 , . . . , xn ) : xi 2 R, i = 1, . . . , n}
und definieren auf R die sogenannte Euklidische Norm k.k2 wie folgt:
0
11/2
n
X
kxk2 := @
x2j A ,
(3.27)
j=1
wobei x = (x1 , . . . , xn ) 2 Rn .
Lemma 3.55 Die in (3.27) definierte Euklidische Norm besitzt folgende Eigenschaften:
(N1) kxk2
0 für alle x 2 Rn und kxk2 = 0 , x = 0;
(N2) k xk2 = | | · kxk2 für alle x 2 Rn und
2 R;
(N3) kx + yk2  kxk2 + kyk2 für alle x, y 2 Rn .
Vorlesung vom:
11.05.2017
46
Die reellen und die komplexen Zahlen
Beweis: Die ersten beiden Eigenschaften sind offensichtlich. Für die dritte Eigenschaft benutzen wir die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung aus Satz 3.54: Wir haben
nämlich
kx + yk22 =
=
n
X
j=1
n
X
j=1
(xj + yj )2
x2j + 2
n
X
x j yj +
j=1
= kxk22 + kyk22 + 2
n
X
yj2
j=1
n
X
x j yj
j=1
0
11/2 0
11/2
n
n
X
X
 kxk22 + kyk22 + 2 @
x2j A · @
yj2 A
j=1
(nach Satz 3.54)
j=1
= kxk22 + kyk22 + 2kxk2 · kyk2
= (kxk2 + kyk2 )2 .
Wenn wir auf beiden Seiten die Wurzel ziehen, haben wir die gewünschte Ungleichung.
2
Die Eigenschaften aus Lemma 3.55 erinnern an die des Betrags in einem geordneten
Körper (siehe Lemma 3.33).
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