Lerntheoretische Ansätze zur Erklärung von Aggression

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Wacker, Veronika
Neidhartstr. 10a
86159 Augsburg
Tele.: 0821/579735
Hausarbeit im Fach
Kommunikationswissenschaft
Thema:
Lerntheoretische Ansätze zur Erklärung von
Aggression
Universität Augsburg
Wintersemester 1999/00
Hauptseminar: Medien und Gewalt
Dozent: Prof. Dr. Jürgen Grimm
Fachsemester: 5
Studiengang: Soziologie (HF)
Psychologie (NF)
Kommunikationswissenschaft (NF)
Eingereicht am: 28.02.2000
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Gliederung
Inhalt:
Seite:
I) Einleitung
2
II) Lerntheoretische Ansätze zur Erklärung von Aggression
3
1. Lerntheorien
3
.1 Grundlagen
3
.2 Lernprozesse
3
a) Klassische Konditionierung
3
b) Instrumentelle Konditionierung
3
c) Beobachtungslernen
4
1.3 Unterscheidung von behavioristischen und kognitiven
Theorien
2. Verhaltenserklärung kognitiver Lerntheorien (Beobachtungslernen)
III)
16
4
6
.3 Theorie der sekundären Verstärkung
6
.4 Kognitive Theorie des sozialen Lernens
6
a) Entstehung und Weiterentwicklung
6
b) Haupteffekte von Modellierungseinflüssen
7
c) Einflußfaktoren
7
3. Erklärung von Aggression
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4. Kritik und Probleme
14
Resümee
3
Literaturverzeichnis
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I) Einleitung
Mit der Frage nach dem Zustandekommen und Beibehalten von Verhaltensweisen
haben sich eine Vielzahl von unterschiedlichen Theorien beschäftigt. Auch zur
Erklärung von Aggression können deshalb verschiedene Ansätze herangezogen werden.
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich hierbei auf Lerntheorien, speziell auf das
Beobachtungslernen. Zunächst werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede
verschiedener lerntheoretischer Ansätze erläutert und dann die kognitive Theorie des
sozialen Lernens nach Bandura weiter vertieft. Auf dieser Grundlage soll anschließend
eine mögliche Erklärung für Aggression erfolgen. Abschließend wird jedoch auch auf
Kritik und Schwachpunkte dieser Theorie hingewiesen.
4
II) Lerntheoretische Ansätze zur Erklärung von Aggression
1. Lerntheorien
1.1 Grundlagen
Allen Lerntheorien liegt die Annahme zugrunde, daß äußere Einflüsse das Verhalten der
Menschen bestimmen. Dies bildet einen klaren Gegensatz zu psychoanalytischen
Ansätzen, wie der Triebtheorie. Jene sehen die entscheidenden Verhaltensdeterminanten
in Kräften innerhalb des Menschen.
Weiterer Konsens besteht darüber, daß Verhalten gelernt ist und nicht aufgrund von
Trieben zum Beispiel entsteht.
1.2 Lernprozesse
Die einzelnen Ansätze unterscheiden sich jedoch in ihren Annahmen darüber, wie und
unter welchen Bedingungen Verhalten gelernt wird.
a) Klassische Konditionierung
Das Prinzip der klassischen Konditionierung geht auf den Physiologen Iwan Pawlow
zurück. Es bezeichnet eine Form des Lernens, bei der der Organismus eine neue
Assoziation zwischen zwei Reizen lernt. Es handelt sich dabei um einen neutralen und
einen Reiz (US), der bereits eine Reaktion (UR) auslöst. Als Ergebnis der
Konditionierung löst der ehemals neutrale Reiz (CS) eine neue Reaktion (CS) aus, die
meist der ursprünglichen sehr ähnlich ist.
b) Instrumentelle Konditionierung
Anders als bei der klassischen Konditionierung wird hierbei die Beziehung zwischen
einer Reaktion und ihren Konsequenzen gelernt. Zugrunde liegt dabei das Prinzip von
Versuch und Irrtum. Dieses besagt, daß ein Organismus nur solche Verhaltensweisen
beibehält, die zum „Erfolg“ führen und belohnt werden. Verhalten dient somit als
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Instrument, um bestimmte wünschenswerte oder belohnende Umweltveränderungen
hervorzurufen.
Im Gegensatz zum klasssischen Konditionieren treten die Reize aus der Umwelt erst
nach der Reaktion auf und werden durch das Verhalten des Lernenden erreicht.
c) Beobachtungslernen
Andere Ansätze gehen davon aus, daß man um zu lernen nicht alle Erfahrungen selber
machen muß. So kann das Verhalten einer andern Person beobachtet werden und dann
das eigene Verhalten allein auf diese Beobachtung hin verändert werden. Andere
Menschen dienen uns als Modelle, deren Verhalten und die daraus resultierenden
Konsequenzen wir beobachten und dann imitieren können. Intersessanterweise ist in
vielen Kulturen das Wort für „lehren“ dasselbe wie für „zeigen“.
1.3 Unterscheidung zwischen behavioristischen und kognitiven Theorien
Behavioristische Theorien richten ihr Interesse ausschließlich auf das sichtbare äußere
Verhalten, das durch Umweltbedingungen (Verstärker) kontrolliert wird. Im Mittelpunkt
steht dabei wie bestimmte Reize der Umwelt bestimmte Reaktionen bedingen. Dem
klassischen Behaviorismus zufolge wird menschliches Verhalten vollständig durch
Umweltbedingungen determiniert, wobei die Vererbung jedoch gewisse Grenzen setzt.
Vertreter
des
radikalen
Behaviorismus
betrachten
psychische
Zustände
und
Dispositionen hingegen als völlig irrelevant und bezeichnen die Menschen demnach nur
als Marionetten der Umwelt.
Im Laufe der Zeit wurden jedoch zunehmend auch innere Prozesse wie Gedanken und
Gefühle in behavioristische Theorien mit einbezogen.
Kognitive Theorien gehen zwar auch von Umwelteinflüssen aus, doch wird
menschliches Handeln nicht als direkte Reaktion auf diesen Input angesehen.
Dazwischengeschaltet sind kognitive Prozesse. Menschen reagieren also nicht einfach
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nur passiv auf ihre Umwelt, sondern definieren durch kognitive Prozesse Situationen
und die Art wie sie darüber denken.
2. Verhaltenserklärung kognitiver Ansätze
2.1 Theorie der sekundären Verstärkung
Die Theorie der sekundären Verstärkung nach Mowrer geht von Beobachtungslernen
aus. Im Vordergrund steht die Frage, warum das Verhalten von Modellen imitiert wird.
Lernen durch Imitation basiert nach Mowrer auf dem Prinzip der klassischen
Konditionierung.
Imitationsverhalten wird ebenfalls auf diese Weise erklärt. Erhält man zum Beispiel
Verstärkung (US), dann löst dieser Reiz positive Emotionen aus (UR). Wird diese
Verstärkung nun wiederholt von einer Person (neutraler Reiz) erteilt, stellt dies
gewissermaßen eine Paarung dar. Die betreffende Person an sich wird somit zu einem
Reiz (CS), der die positiven Emotionen (CR) hervorrufen kann. Das Verhalten des
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Modells wird sozusagen zum eigenen Maßstab und so kann durch Imitation eine
gewisse Selbstbekräftigung erfolgen.
2.2 Kognitive Theorie des sozialen Lernens
a) Entstehung und Weiterentwicklung
Aufbauend auf dieser Theorie von Mowrer hat sich besonders auch Albert Bandura mit
dem Lernen durch Beobachtung beschäftigt. Ausgangspunkt war dabei Banduras Kritik
am behavioristischen Erfahrungslernen. In seinen Augen erschien diese Art zu Lernen
zu umständlich und risikobeladen.
Desweiteren bemängelte Bandura, daß aus der Erfahrung nichts wirklich Neues gelernt
werden könne.
Aufgrundessen veröffentlichte Bandura 1962 eine Theorie, die Lernen durch Imitation
zu erklären versuchte. Im Laufe der Zeit änderte Bandura seinen lerntheoretischen
Ansatz jedoch immer wieder ab.
Zunächst geht Bandura beim Lernen durch Imitation von nur einem Prozeß, dem der
sensorischen Kontiguität, aus. Das Erfahrungslernen umfaßt aus behavioristischer
Sicht hingegen zwei Prozesse, den des Verhaltens und den des Verstärkens.
In einer Revision seines Ansatzes 1971 weist seine Theorie jedoch nur noch wenig
Ähnlichkeiten mit der Kontiguitätserklärung auf.
Letztendlich wendet er sich dann 1977 völlig von diesem behavioristischen Prinzip ab.
Stattdessen integriert er ein Modell der Informationsverarbeitung in seine Theorie,
welches eindeutig der Kognitionspsychologie zu zuordnen ist.
b) Haupteffekte von Modellierungseinflüssen
Modellierungseinflüsse können bei den Beobachtern drei Arten von Wirkungen
hervorrufen. Zunächst kann das Beobachten von Modellen zum Erwerb neuer
Verhaltensmuster führen. Desweiteren können Hemmungen von bereits gelernten
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Verhaltensweisen verstärkt oder geschwächt werden. Modelle können jedoch auch als
sozialer Anreiz dienen, die ähnliches Verhalten beim Beobachter fördern.
c) Einflußfaktoren
Banduras
kognitive
Theorie
des
sozialen
Lernens
besagt
nun,
daß
sich
Beobachtungslernen aus 4 Teilprozessen zusammensetzt.
Zunächst
wird
im
Aufmerksamkeitsprozeß
aus
den
einwirkenden
Modellierungseinflüssen selektiert. Dies ist alleine schon aus physischen Gegebenheiten
erforderlich, da der Mensch nur über eine begrenzte Aufnahmefähigkeit verfügt.
Im nächsten Schritt werden die beobachteten Verhaltensweisen symbolisch kodiert, um
im Gedächtnis behalten werden zu können.
Die anschließenden motorischen Reproduktionsprozesse stellen die Umsetzung der
symbolischen Repräsentationen in angemessene Handlungen dar.
Bestimmte motivationale Prozesse können abschließend noch darüber entscheiden, ob
Reaktionen, die durch Beobachtung erlernt worden sind, ausgeführt werden.
Laut Bandura gibt es jedoch wichtige Einflußfaktoren, die den Grad der Imitation und
die Wahl des Modells bestimmen.
Einflußfaktoren:
1. Verstärkung
Lernen durch Imitation kann nach Bandura auch „...in the absence of any direct or
vicarious positive reinforcement“ auftreten. Hauptgrund hierfür ist die Fähigkeit des
Menschen zur Antizipation, das heißt der Vorwegnahme möglicher Folgen.
Durch Verstärkung kann jedoch eine wesentliche Steigerung des imitativen Verhaltens
erzielt werden. Ebenso wirkt sich das Beobachten von stellvertretender Verstärkung aus.
Die Tendenz zur Imitation nimmt zu, wenn die jeweiligen Modelle für ihr Verhalten
belohnt werden.
9
2. Eigenschaften
Einen weiteren Einfluß haben auch individuelle Eigenschaften und zwar sowohl die der
Modelle, als auch die der Beobachter. So werden Modelle, die für den Beobachter
gewissermaßen attraktiv erscheinen, eine Machtposition innehaben oder Verstärkung
erhalten,
eher
imitiert.
Aufseiten
der
Beobachter
wirkt
sich
ein
geringes
Selbstbewußtsein und Inkompetenz imitationssteigernd aus.
3. Art der Repräsentation
Die Art und Weise wie das Verhalten des Modells präsentiert wird, stellt einen weiteren
Punkt dar. Es kann also durchaus einen Einfluß haben, ob das Modell tatsächlich etwas
vormacht, es sich um eine bildliche oder nur um eine verbale Präsentation handelt.
4. Motivationsaspekte
Die Motivation einer Person wirkt sich insofern aus, als daß sie die Aufmerksamkeit des
Beobachters auf bestimmte Modelle lenkt.
5. Geschlecht des Modells
Desweiteren kann sich auch das Geschlecht des Modells auf den Grad der Imitation
auswirken.
Laut Bandura sind die genannten Punkte jedoch keinerlei Voraussetzung für imitatives
Verhalten, sondern lediglich mögliche Einflußfaktoren.
Desweiteren ist es wichtig, zwischen dem Erwerb und dem Ausführen von
Verhaltensweisen zu unterscheiden. Bestimmte Verhaltensweisen können demnach
durchaus gelernt worden sein auch, wenn sie nicht sofort gezeigt werden. Dies belegen
Experimente, in denen Kinder das Verhalten eines Modells zwar nicht offensichtlich
imitierten, aber durchaus eine detailgenaue Beschreibung wiedergeben konnten.
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3. Erklärung für Aggression (nach Bandura)
Aus lerntheoretischer Sicht ist Aggression auch eine Verhaltensweise, die durch
Beobachtung gelernt wird. Dies zeigt sich besonders deutlich in Familien, in denen die
Eltern aggressiv und bestrafend handeln; die Kinder neigen dazu dieses Verhalten zu
übernehmen. Häufig findet jedoch nur eine partielle Verstärkung statt, weil
Aggressivität gegenüber den Eltern nicht erwünscht ist, aber die Kinder sich anderen
gegenüber durchaus aggressiv zur Wehr setzen sollen.
Doch auch hier kommen die vorhin erläuterten Einflußfaktoren zum tragen.
1. Verstärkung
Aggressive Modelle werden also durchaus imitiert, auch wenn keine Verstärkung
stattfindet. Bandura führt hierzu ein Experiment an, in dem zwei Gruppen von Kindern
jeweils ein aggressives und ein nicht aggressives Modell in einem Spielzimmer
beobachten. Im ersten Fall setzt sich das Modell auf eine Puppe (Bobo doll) und schlägt
mit einem Spielzeughammer auf sie ein. Das Modell der anderen Gruppe beschäftigt
sich ganz friedlich mit einem Baukasten. Nach einiger Zeit werden die Kinder dann in
einen anderen Raum gebracht, in dem sich eine Vielzahl von Spielsachen befinden;
unter anderem auch eine Puppe und ein Spielzeughammer. Untersucht wurde nun,
inwiefern die Kinder das Verhalten des jeweiligen Modells imitieren.
Es bestätigte sich, daß die Kinder, die das aggressive Modell beobachtet hatten, auch
ohne Verstärkung wesentlich mehr aggressives Verhalten zeigten, als die Kinder der
anderen Gruppe.
Wurde das gezeigte Verhalten der Kinder sogar noch verstärkt, dann zeigte sich eine
erhebliche Steigerung der Imitation. Dies kann sehr gut an der unterschiedlichen
Sozialisation von Jungen und Mädchen verdeutlicht werden. Aggression wird meist als
keine weibliche Eigenschaft angesehen. Somit wird aggressives Verhalten auch nicht
verstärkt und dies führt zu einer Hemmung dieser Verhaltensweise. Die Äußerung von
aggressivem Verhalten bei Jungen wird hingegen durchaus verstärkt und wird deshalb
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auch eher gezeigt. Untersuchungen belegen, daß Mädchen aufgrundessen zu wesentlich
weniger imitierter Aggressivität neigen, als Jungen. Mädchen imitieren aggressives
Verhalten von Modellen eher partiell, das heißt unter Auslassung der aggressiven
Komponenten.
Weitere Experimente belegen, daß eine Steigerung der Imitation auch durch
stellvertretende Verstärkung bewirkt werden kann. Die Wahl des Modells wird dadurch
ebenso beeinflußt. Kinder, die beobachten konnten, daß das aggressive Verhalten eines
Modells in irgendeiner Weise belohnt wurde und zum Erfolg führte, imitierten dieses
Modell eher, als ein anderes, weniger erfolgreiches.
2. Eigenschaften
Untersuchungen hierzu belegen, daß Kinder bevorzugt die aggressiven Modelle
imitieren, die eine gewisse Machtposition innehaben. Bei der Frage, wem sie nacheifern
würden, wurde Kindern dabei die Wahl zwischen einem Belohnung erteilenden und
einem Belohnung erhaltenden Modell gelassen. Die Mehrzahl der Kinder entschied sich
eindeutig für das Belohnung erteilende Modell.
3. Art der Präsentation
In Bezug auf die Imitation von aggressivem Verhalten ging man davon aus, daß die
Tendenz zur Imitation umso geringer ist, je realitätsferner das Modell ist. Ein
Experiment dazu setzte sich aus drei verschiedenen Gruppen zusammen. Kindern wurde
hierzu aggressives Verhalten zwischen zwei Modellen gezeigt. In der ersten Gruppe
wurde den Kindern diese Situation tatsächlich vorgespielt, in der zweiten handelte es
sich um eine Videoaufnahme und in der dritten Gruppe wurde diese Szene von
verkleideten Modellen nachgestellt. Auf diese Weise sollte eine Art Cartoon simuliert
werden.
Anschließend wurde in einem Frustrations-Experiment untersucht, ob und in welchem
Maße das Verhalten der Modelle imitiert wurde.
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Die Hypothese bestätigte sich aber nur zum Teil. Es zeigte sich zwar, daß die Kinder der
ersten Gruppe wesentlich mehr aggressives Verhalten imitierten als die Kinder der
dritten Gruppe, aber die erste und zweite Gruppe unterschied sich nicht signifikant
voneinander.
4. Motivation
In verschiedenen Experimenten zeigte sich, daß Kinder wesentlich mehr imitatives
Verhalten zeigten, wenn es sich um für die Kinder attraktive Belohnungen, wie
Spielzeug, handelte.
5. Geschlecht des Modells
Das Geschlecht des Modells in den Experimenten zur Imitation von aggressivem
Verhalten hatte insofern einen Einfluß, als daß männliche Modelle wesentlich eher
imitiert wurden, als weibliche, die dasgleiche Verhalten zeigten.
Interessant im Zusammenhang mit Aggression ist auch die Frage, ob Modelle auch
Einstellungen und Werte von Kindern beeinflussen können.
Piaget geht in seiner Entwicklungstheorie davon aus, daß moralische Urteile von
bestimmten Entwicklungstadien abhängig sind. Demnach befinden sich Kinder zunächst
im Stadium des moralischen Realismus, in dem Bestrafungen sich nach der Höhe des
angerichteten Schadens bemessen. Im darauf folgendem zweiten Stadium der
relativistischen Moral werden dann intentionale Aspekte mit einbezogen. Nach Piaget
läuft diese Entwicklung immer gleich ab und das moralische Urteil ist somit
altersabhängig.
In Experimenten mit Modellen wurde versucht diese Hypotheses zu testen. Es zeigt sich
jedoch, daß Modelle einen entscheidenden Einfluß auf das moralische Urteil von
Kindern haben und dieses durchaus verändern können.
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In Bezug auf Aggression ist diese Erkenntnis durchaus wichtig, da sie belegt, daß auch
die Beurteilung von aggressivem Verhalten durch Modelle wesentlich beeinflußt werden
kann.
4. Kritik und Probleme
Das Beobachtungslernen kann sicherlich das Lernen von gewissen Verhaltensweisen
unter bestimmten Umständen erklären. Die postulierte Allgemeingültigkeit dieser
Theorie sollte jedoch in Frage gestellt, bzw. stark eingeschränkt werden.
Banduras Kritik, daß Erfahrungslernen zu risikoreich und mühselig sei, könnte ebenso
seiner
eigenen
Theorie
vorgeworfen
werden.
Ohne
Einschränkungen
wäre
Beobachtungslernen nicht weniger gefährlich. Es muß zumindest gewährleistet sein, daß
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der Beobachter über die gleichen oder höherwertigen anatomischen, psychischen und
geistigen Voraussetzungen verfügt wie das Modell.
Bandura versucht sich mit seiner Theorie deutlich vom Erfarungslernen abzugrenzen,
aber
auch
beim
Beobachtungslernen
stellt
der
abschließende
Schritt
das
Erfahrungslernen dar, da es zur Überprüfung und Korrektur dient.
Laut Bandura ist Beobachtungslernen besonders dann wichtig, wenn neue
Verhaltensweisen gelernt werden. Es stellt sich jedoch die Frage, was die Kinder in
seinem Experiment mit der „Bobo doll“ Neues lernen hätten können. Vielleicht haben
sie gar nicht, wie Bandura annimmt, gelernt sich einer Puppe gegnüber aggressiv zu
verhalten. Vielmehr könnten sie gelernt haben, daß man mit dem vorliegenden Hammer
eine solche Puppe schlagen kann, ohne sie zu verletzen.
Darüberhinaus birgt die Interpretation der Ergebnisse der Experimente allgemein einige
Schwierigkeiten. So könnte die Imitation von aggressiven Modellen zum einen wirklich
eine Internalisierung dieser Verhaltensweisen bedeuten. Zum anderen wäre es aber auch
denkbar, daß nur motorisch dem Modellverhalten ähnliche Elemente übernommen
wurden, die einem völlig anderem Ziel dienen. Die Erwartungen des Versuchsleiter zu
erfüllen zum Beispiel.
Bandura räumt in seiner Theorie zwar ein, daß Modelle Hemmungen von bereits
erlernten Verhaltensweisen stärken oder schwächen können, völlig vernachlässigt wird
jedoch der Aspekt, daß Modelle auch „negatives Lernen“ bewirken können. Das
Beobachten eines Modells muß nicht zwangsläufig zur Imitation führen. Wird man
Zeuge von negativ sanktionierten Verhaltensweisen zum Beispiel kann das auch genau
das Gegenteil bewirken, nämlich die Vermeidung dieses Verhaltens. Das Modell dient
in diesem Fall eher als „schlechtes Vorbild“.
Problematisch ist auch die Frage nach der externen Validität. Unklar ist, welche Rolle
ein einzelnes Modell außerhalb des Labors spielt, wo wir meist gleichzeitig auf eine
Vielzahl unterschiedlicher Modelle treffen und von einer Informationsflut umgeben
sind.
Nicht ganz nach zu vollziehen ist auch, ob Imitation laut Bandura eine Sonderform des
Lernens darstellt oder eine bloße Operator-Funktion einnimmt.
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Etwas unklar ist auch die Bezeichnung „sozial“ in Banduras Theorie, die impliziert, daß
Lernen nur auf soziale Weise erfolgen kann.
III) Resümee
Abschließend läßt sich also sagen, daß die hier vorgestellte sozial kognitive Lerntheorie
dem Beobachten von Modellen im Zusammenhang mit Aggression eine entscheidende
Rolle zuschreibt.
Wie dargelegt wurde gibt es aber einige Einschränkungen, die daran zweifeln lassen, ob
das Beobachten von Modellen wirklich die einzige Möglichkeit ist um zu Lernen. Für
die Praxis genauso relevant ist meiner Meinung nach auch das Erfahrungslernen, so wie
das Lernen durch Unterweisung und aus Denken. Je nachdem, welche Inhalte gelernt
werden sollen, wird sich eine der vier Arten als die adäquateste erweisen. So können
motorische Abläufe sicherlich besser durch Erfahrung, soziale Regeln hingegen eher
durch Beobachtung oder Unterweisung gelernt werden.
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Literaturverzeichnis
- Bandura, A. (1962): Social learning through imitation. In: M.R. Jones (ed.), Nebraska
symposium on motivation. Lincoln: University of Nebraska Press, pp. 211-269
- Bandura, A. (1976): Lernen am Modell. Stuttgart: Klett-Cotta
- Bandura, A. (1977): Social Learning Theory. Englewood Cliffs, New Jersey: Prentice
Hall
- Bandura, A. (1979): Aggression: Eine sozial-lerntheoretische Analyse. Stuttgart:
Klett-Cotta
- Bandura, A. (1986): Social foundations of thought & action. Englewood Cliffs, New
Jersey: Prentice Hall
-
Edelmann,
W.
Psychologie-Verlags-Union
(1994):
Lernpsychologie.
Weinheim:
Beltz,
17
- Hall, J. (1976): Classical Conditioning and Instrumental Learning. New York: Lipin
cott Company
- King, D. (1979): Conditioning. New York: Gardner Press
- Kniveton, B.H. (1979): Soziales Lernen und Nachahmung. In: Sturm, H.; Brown, J.R.
(Hrsg.): Wie Kinder mit dem Fernsehen umgehen. Stuttgart: Klett -Cotta
- Michaelis, W. (1989): Charme und Scham in Theorien. In: Dörner, D; Michaelis, W.
(Hrsg.): Idola fori et idola theatri. Göttingen: Verlag für Psychologie
- Moore, J.W. (1978): Conditioning and Instrumental Learning. Nwe York: McGrawHill
- Stalder, J. (1985): Die soziale Lerntheorie von Bandura. In: Frey, D.; Irle, M.:
Theorien der Sozialpsychologie, Band II. Bern, Stuttgart, Toronto: Verlag Hans Huber
- Zimbardo, P. (Hrsg. (1992): Psychologie. Augsburg: Weltbildverlag GmbH
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