Psychologische Diagnostik bei chronischen Schmerzen

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Psychologische Diagnostik bei
chronischen Schmerzen
Tagung in Erkner 18.11. - 20.11.2005
Dipl.-Psych. Hilde A. Urnauer
Psychologische Psychotherapeutin
Interdisziplinäre Schmerztherapie
Charité Mitte
Inhalte
¾
Weshalb ist eine psychosoziale Diagnostik bei
chronischen Schmerzpatienten erforderlich?
¾
Welchen Stellenwert haben psychosoziale
Chronifizierungsfaktoren in der
Therapieplanung ?
¾
Was sind Ziele und Aufgaben einer
psychosozialen Diagnostik?
¾
Welche Verfahren sind in der psychosozialen
Diagnostik sinnvoll?
¾
Welche Klassifikationsmöglichkeit bietet die
MASK-P?
1
Psychische Komorbidität bei chron. Schmerzen
¾
¾
¾
¾
40% Depressive Störung
25% Angsterkrankung
20% Persönlichkeitsstörung
5% Posttraumatische
Belastungsstörung
¾ 2 von 3 Patienten haben mindestens
eine weitere psychiatrische Erkrankung
Unterschied akuter – chronischer Schmerz
Akuter Schmerz
• biologisch sinnvoll
•Warn- /Schutzfunktion
•Nachvollziehbar
•trifft auf Verständnis
Chronischer Schmerz
• biologisch nicht sinnvoll
• (keine) Warnfunktion
•Oft nicht nachvollziehbar
•Trifft auf kein Verständnis
Entwicklung zur eigenständigen
Schmerzerkrankung mit
bio-psycho-sozialen
Veränderungen
2
Bio-psycho-soziale Aspekte der
Schmerzchronifizierung
1. Somatische Ebene: zentrale
Sensibilisierung gegenüber
Dauerschmerzen
2. Psychische Ebene: Bsp.: fear-avoidance
beliefs (Pfingsten et al. 2001)
3. Soziale Ebene: Bsp.: Partnerverhalten
(operantes Konditionierung) (Flor, 2002
bei Rückenschmerzen untersucht)
Schmerzchronifizierungsfaktoren
Iatrogene Faktoren
¾ Dauer der Krankschreibung
¾ Überschätzung unspezifischer
somatischer Befunde
¾ Übermaß diagnostischer Maßnahmen
¾ Unangemessene invasive Therapien
¾ Monokausale Behandlungen
3
Risikofaktoren für eine Chronifizierung
„Yellow flags“
¾ Durchhaltestrategien
¾ Vermeidungsverhalten
¾ Katastrophierende Kognitionen
¾ Depressionen
¾ Unzufriedenheit am Arbeitsplatz
Hasenbring, 1994
Chronifizierungsstadien
¾ Stadium 1: akuter/subakuter und remittierender
Schmerz, wenig komplizierende Faktoren
¾ Stadium 2: Chron. Schmerz, mehrere
komplizierende Faktoren (z.B. Multilokalisation,
Polytherapien, Medikamentenabusus)
¾ Stadium 3: lang andauernder chron. Schmerz,
viele komplizierende Faktoren (z.B. unklare
Schmerzlokalisation, langjährige
Polytoxikomanie, schwere psychosoziale
Beeinträchtigung)
nach Gerbershagen
4
Psychosoziale Diagnostik
Bedeutung von psychischen und sozialen
Faktoren:
¾tragen manchmal zur Ätiologie
¾fast immer zur Chronifizierung bei
¾Chronische Schmerzen ziehen immer
psycho-soziale Folgen nach sich
=> Psychosoziale Diagnostik
bei allen chronischen Schmerzpatienten
Ziele einer psychologischen Diagnostik
¾ Gemeinsam mit dem Schmerzpatienten
auslösende, verstärkende und
aufrechterhaltende Faktoren erforschen
¾ Bedeutung psychischer Komorbiditäten
einschätzen, die zur Chronifizierung von
Schmerz beitragen
5
Aufgaben der Schmerzdiagnostik
¾ Ableitung von individuellen Therapiezielen
¾ Ableitung von Therapieprozess- und
Erfolgsvariablen
¾ Teil der Therapie: Beziehungsaufbau und
Behandlungsmotivation
Psychosoziale Diagnostik
Kriterien für eine differentielle
Therapieindikation
¾ Ausmaß der Chronifizierung
¾ Subjektives Krankheitsverständnis
¾ Berentungswunsch
¾ Veränderungsmotivation
¾ Funktionalität der Schmerzen
¾ Psychische Komorbidität
6
Psychosoziale Diagnostik
¾
Diagnostische Verfahren
1. Erstgespräch / Anamnese
2. Fremdanamnese
3. Vorbefunde
4. Fragebögen
5. Verhaltensbeobachtung
7
Psychosoziale Diagnostik
Schmerzanamnese
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Aktuelle Beschwerden
Entwicklung der Chronifizierung
Einflussfaktoren und Bedingungen
Sonstige Beschwerden
Familienanamnese
Persönliche Entwicklung u. aktuelle
Lebenssituation
Persönlichkeit, Bewältigungsstrategien
Subjektives Krankheitskonzept
Psychosoziale Diagnostik
Diagnostikbereich
Fragebögen
Schmerzerleben / verhalten
Schmerztagebuch;
Numerische Ratingskala (0-10);
Schmerzempfindungsskala -SES, Geissner
Kognitive Schmerzverarbeitung
Kieler Schmerzverarbeitungsinventar –KSI,
Hasenbring
Fragebogen zur Erfassung der
Schmerzverarbeitung – FESV, Geissner
schmerzbezogene
Beeinträchtigung
schmerzassoziierte
psycholog. Dimension
Pain Disability Index (PDI), Dillmann
Lebensqualität
SF- 36 – Bullinger u. Kirchberger
HADS-D Hospital Anxiety and Depression
Scale – Dt. Version, Herrmann et al.
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Psychosoziale Diagnostik
Deutscher Schmerzfragebogen der DGSS / DGS (in
Validierungsphase)
Psychometrische Tests:
¾Schmerzempfindungsskala – SES
¾Pain Disability Index (PDI)
¾SF-12
¾HADS-D
Klassifikation chron. Schmerzen nach ICD-10
ƒ
Konversionsstörung (F44)
ƒ
Somatoforme Störung (F45)
ƒ
Psych. Faktoren o.Verhaltenseinflüsse bei
andernorts klassifizierten Erkrankungen (F54)
Planung einer Schmerzdiagnose im ICD-10:
Chronisches Schmerzsyndrom bei bio-psychosozialen Veränderungen (F62.8)
9
Klassifikation von Schmerzpatienten
MASK-P: Multiaxiale Schmerzklassifikation
Beschreibung der Psychosozialen
Dimensionen bei
¾Schmerzentstehung und
¾Schmerzchronifizierung
Klinger et al., 2000
MASK-P: Multiaxiale Schmerzklassifikation
Deskription psychosozialer Dimensionen
Achse 1-3: Schmerzverarbeitung
Achse 4:
Krankheitsbezogene Metakognitionen
Achse 5:
Aktuelle Stressoren
Achse 6:
Traumata/Belastungen in Lebensgeschichte
Achse 7:
Habituelle Personen-Merkmale
Achse 8:
Maladaptive Stressverarbeitung
Achse 9:
Psychophysiologische Dysregulation
Achse 10:
Konflikt-Verarbeitungsstil
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MASK-P: Multiaxiale Schmerzklassifikation
MASK-P - Diagnose:
Hypothesen zur Entstehung und / oder
Aufrechterhaltung von Schmerzen
Annahmen über bio-psycho-soziale Wechselwirkungen
und Zusammenhänge aus
¾ Verhaltenstheoretischer
¾ Tiefenpsychologischer
¾ Systemischer Sicht
MASK-P: Multiaxiale Schmerzklassifikation
MASK- P - Diagnose: Funktionale Zusammenhänge
Verhaltenstheoretische
Sicht:
Tiefenpsychologische /
systemische Sicht:
Maladaptive
Schmerzverarbeitung
Somatisierung psychischen
Leidens
Konditionierungsprozess
Schmerz auf Basis früher
Belastungen
Psycho-sozialer Stress
Beziehungsstabilisierende
Funktion
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Klassifikation von Schmerzpatienten
Interdisziplinäre Diagnose
Diagnose nach ICD - 10:
Psychische Störungen
nach ICD-10
(Kap. V Achse I und II)
Direkter Zusammenhang
mit Schmerzdiagnose
oder Komorbidität ?
Funktionale Zusammenhänge
beim Schmerz:
MASK-P-Diagnose:
Beispiel:
Chronische Rückenschmerzen bei
ängstlich-vermeidender
Schmerzverarbeitung
MASK-P: Multiaxiale Schmerzklassifikation
MASK – P – Diagnosen
Maladaptive
Schmerzverarbeitung
Bsp.: Vermeidungsverhalten,
Durchhaltestrategien
¾
Psycholog.
Schmerztherapie
Bedingungen zur
Entstehung/
Aufrechterhaltung:
Bsp.: Somatisierung psych.
Leidens:
Massive Selbstwertbedrohung z.B.
durch berufl. Misserfolg
(narzisstischer Mechanismus)
¾
Psychotherapie
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Wie bei einem Orchester müssen in der Schmerztherapie
viele Disziplinen mit unterschiedlichen Methoden zusammenarbeiten.
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