Allergie | Formen, Ursachen, Verhütung

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Allergie
Formen | Ursachen | Verhütung
Allergie
Formen | Ursachen | Verhütung
Verfasst im Auftrag des Gesundheitsreferenten des Landes Kärnten,
LR Dr. Wolfgang Schantl
von Medizin und Umweltschutz (mus)
unter Mitwirkung von
Univ.-Prof. Dr. Albert Duschl - Kapitel 6
(Abteilung für Allergie und Immunologie, Universität Salzburg)
Dipl.-Ing. Dr. Hans-Peter Hutter - Kapitel 4, 7
(Institut für Umwelthygiene, Medizinische Universität Wien)
Univ.-Prof. Dr. Erika Jensen-Jarolim - Kapitel 1, 2, 16
(Institut für Pathophysiologie, Medizinische Universität Wien)
Univ.-Prof. Dr. Michael Kundi - Kapitel 5, 16
(Institut für Umwelthygiene, Medizinische Universität Wien)
Dr. Hanns Moshammer - Kapitel 4, 7
(Institut für Umwelthygiene, Medizinische Universität Wien)
Dr. Isabella Schöll - Kapitel 3
(Institut für Pathophysiologie, Medizinische Universität Wien)
Univ.-Prof. Dr. Zsolt Szépfalusi - Kapitel 12
(Univ. Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Wien)
Dr. Eva Untersmayr - Kapitel 8-11, 13
(Institut für Pathophysiologie, Medizinische Universität Wien)
Dr. Peter Wallner - Kapitel 4, 7
(Medizin und Umweltschutz)
Dr. Helmut Zwander - Kapitel 14
(Pollenwarndienst Kärnten)
Bei allen personenbezogenen Formulierungen gilt die gewählte Form für beide Geschlechter.
VORWORT
DURCH VORBEUGEN
ALLERGIEN VERHINDERN
Jeder fünfte Österreicher leidet an einer allergischen Erkrankung. Insgesamt sind rund 1,6
Millionen Menschen betroffen. In Kärnten gibt es
demnach etwa 120.000 Betroffene. Allergische
Sensibilisierungen sind sogar bei mehr als 50 %
also bei über vier Millionen Österreicherinnen und
Österreichern und 280.000 Kärntnerinnen und
Kärntnern nachweisbar.
Europaweit sind von diesen Erkrankungen
bereits an die 30 % der Menschen betroffen und
nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) könnten schon im Jahr 2010 40 %
bis 50 % der Weltbevölkerung an einer Allergie
leiden. Auf der Liste der häufigsten Erkrankungen
stehen Allergien heute bereits an vierter Stelle.
Das Alter spielt dabei keine Rolle. Betroffene gibt es vom Kleinkind- bis ins hohe Erwachsenenalter. In den Jahren
1995/96 und 2002 wurde in Kärnten im Rahmen der internationalen Studie über Asthma und Allergien (ISAAC)
die Häufigkeit dieser Erkrankungen bei Kindern der ersten und zweiten Schulstufe ermittelt. Der im Vergleich zur
Ersterhebung festgestellte Anstieg der Häufigkeiten von Asthma, Heuschnupfen und Neurodermitis war Anlass,
diese Broschüre mit wesentlichen Informationen zur Entstehung und zum Erkennen von Allergien in Auftrag zu
geben.
Wichtigste Erkenntnis: Bei allen allergischen Erkrankungen ist die Vorbeugung entscheidend. Verhindern kann
man das Entstehen von Allergien am besten durch Berücksichtigung von schützenden und das Vermeiden von
Allergie-fördernden Einflüssen in und nach der Schwangerschaft. Sollte bereits eine Sensibilisierung vorliegen,
kann durch Früherkennung und geeignete Behandlung eine Heilung der Erkrankung oder zumindest eine günstige Beeinflussung des Krankheitsverlaufs erzielt werden.
Als Gesundheitsreferent appelliere ich an Sie, die Allergie-Vorbeugung ernst zu nehmen und bei Erkrankungsverdacht umgehend eine kompetente Allergieeinrichtung zu konsultieren – Ihrer Gesundheit zuliebe.
Ihr
LR Wolfgang Schantl
Gesundheitsreferent des Landes Kärnten
VORWORT
Allergien sind chronisch verlaufende Erkrankungen, die in jedem Lebensalter auftreten können und oft mit deutlichen Einbußen an Lebensqualität einhergehen. Ein komplexes Zusammenspiel von genetischen und Umweltfaktoren führt bei Betroffenen zu einer krankmachenden Überempfindlichkeit gegenüber an sich harmlosen
Substanzen wie z. B. Pollen oder Nahrungsmitteln. Die Entstehungsmechanismen sind bislang nicht völlig geklärt.
Vieles spricht dafür, dass neben der familiären Belastung insbesondere der westliche Lebensstil und unzureichendes Training des Immunsystems im Kleinkindalter eine entscheidende Rolle spielen. Zudem können Umweltschadstoffe, wie Abgase aus Verbrennungsprozessen oder Tabakrauch, allergische Reaktionen maßgeblich fördern und verstärken.
Im Hinblick auf die beachtliche Verbreitung von Allergien und den vielfach dokumentierten steigenden Trend soll
die vorliegende Broschüre nützliche Informationen über diese Erkrankung bereitstellen. Mit Angaben zur Allergieentstehung und konkreten Empfehlungen werden Möglichkeiten aufgezeigt, die Erkrankungswahrschein-lichkeit
durch vorbeugendes Verhalten zu senken. Bei bereits bestehender Sensibilisierung bzw. manifester Allergie wird
die frühzeitige (fach-)ärztliche Betreuung angeraten, um einen Ausbruch bzw. eine Verschlechterung der Erkrankung, die Ausprägung weiterer Sensibilisierungen oder einen Symptomwechsel (z. B. von Heuschnupfen zum
Asthma) zu verhindern. Ein integrierter Fragebogen hilft, das eigene Allergierisiko einzuschätzen.
Dr. Elisabeth Oberleitner
Leiterin der UA Umweltmedizin und Gesundheitsförderung
INHALT
10
1.
WAS SIND ALLERGIEN?
1.1
Geschichtliches: 100 Jahre “Allergie”
2.
HINTERGRUND: KOMPONENTEN DES IMMUNSYSTEMS
2.1
Immunglobuline: sinnvoll in der Abwehr, aber unsinnig in der Allergie
2.2
Warum ist Allergie gefährlich?
3.
ALLERGENE: EIGENSCHAFTEN, VERBREITUNG, HÄUFIGKEIT
3.1
Chemische Zusammensetzung und Stabilität
3.2
Vorkommen und Funktion von Allergenen
3.3
Die Gentechnik und Allergien
4.
URSACHEN DER ALLERGIE
30
5.
HINTERGRUND: GENETISCHE VARIATION: MUTATION, SELEKTION
6.
HINTERGRUND: LUFTSCHADSTOFFE
7.
HINTERGRUND: HYGIENE UND ALLERGIE
32
34
40
7.1
Zum Verständnis der Hygiene
7.2
Die Geburt: eine Herausforderung für das Immunsystem
7.3
Die Hygienehypothese
7.4
Die Wohnung ist kein Operationssaal
7.5
Impfungen bleiben notwendig
8.
WIE KANN MAN ALLERGIEN ERKENNEN?
8.1
Allergische Reaktionen der oberen Atemwege und des Auges
8.2
Allergische Reaktionen der Lunge
8.3
Allergische Reaktionen der Haut
8.4
Allergien auf Nahrungsmittel zeigen unterschiedliche Beschwerdebilder
8.5
Auch Insektengifte und Medikamente können allergische Reaktionen auslösen
8.6
Der anaphylaktische Schock ist die schwerste Form der Allergie
8.7
Unspezifische Beschwerdebilder bei Allergien
14
20
44
48
52
54
9.
DER VERLAUF ATOPISCHER ERKRANKUNGEN
10.
HINTERGRUND: WIE UNTERSCHIEDLICHE GEWEBE REAGIEREN
11.
WIE ERFOLGT DIE DIAGNOSE EINER ALLERGIE?
11.1
Befragung des Patienten
11.2
Hauttestungen zur Charakterisierung des Allergenprofils des Patienten
11.3
Labortestungen
11.4
Provokationstests
12.
ALLERGIEPRÄVENTION IM KINDES- UND JUGENDALTER
12.1
Ziele der Allergieprävention
12.2
Bei wem sollen vorbeugende Maßnahmen eingesetzt werden?
12.3
Wie kann man einer Allergieentstehung vorbeugen?
12.4
Zukünftige Strategien
13.
WELCHE MÖGLICHKEITEN ZUR THERAPIE GIBT ES?
13.1
Die Allergenkarenz ist der erste Schritt einer erfolgreichen Allergiebehandlung
13.2
Allergische Symptome werden medikamentös behandelt
13.3
Die Immuntherapie stellt die einzige Therapieform dar,
60
66
welche die Ursachen einer Allergie bekämpft
13.4
Weltweit arbeiten Forscher an der Verbesserung von Allergietherapien
14.
DER POLLENFLUG IN KÄRNTEN
74
15.
ALLERGIEEINRICHTUNGEN IN KÄRNTEN
80
15.1
Allergieambulanzen
15.2
Niedergelassene Ärzte in Kärnten
15.3
Heilklimastollen
15.4
Dachverband für Selbsthilfeorganisationen
16.
FRAGEBOGEN ZUM ALLERGIERISIKO
84
1
WAS SIND ALLERGIEN?
1. WAS SIND ALLERGIEN?
Die Wortschöpfung „Allergie“ wurde vor 100 Jahren vom österreichischen Kinderarzt Clemens von Pirquet in seinem 1906 veröffentlichten Buch „Die Serumkrankheit“ zur Bezeichnung einer Überempfindlichkeitsreaktion auf
kleine Mengen eines Stoffes vorgeschlagen. Für diese Überempfindlichkeitsreaktion wählte er das Wort Allergie
(wörtlich: die andere Reaktion), um sie von der Immunitätsreaktion abzugrenzen. Später hat man erkannt, dass
eine Vielzahl von Reaktionen des Immunsystems auf körperfremde Stoffe bestimmte Gemeinsamkeiten aufweisen, die es sinnvoll erscheinen lassen, sie gemeinsam unter dem Bergriff „Allergie“ abzuhandeln. Was die allergischen von anderen Reaktionen des Immunsystems unterscheidet, wird im Folgenden genauer erläutert.
Allergische Erkrankungen sind heute aktueller als je zuvor. Man geht davon aus, dass etwa 30 % der Bevölkerung
in Europa davon betroffen sind. Die Lebensqualität ist bei diesen Personen zumindest zeitweise mäßig bis schwer
beeinträchtigt. Selbst wenn man die verbesserte Diagnostik berücksichtigt, zeigt sich ein beunruhigender Anstieg
aller allergischen Erkrankungen.
Das grundlegende Prinzip hinter Allergien ist, dass unser Immunsystem eigentlich harmlose Stoffe aus der
Umwelt, wie Eiweiße aus Hausstaubmilben, Birkenpollen oder dem Apfel, attackiert, als wären sie gefährliche
Erreger. Es besteht eine krankmachende Überempfindlichkeit. Von einem Allergen reichen typischerweise kleinste Mengen aus, die eingeatmet, verschluckt oder über den Blutkreislauf verteilt werden, um krank zu machen.
Die Symptome sind vielfältig: sie reichen vom relativ harmlosen Heuschnupfen bis zum Asthma, von Hautausschlägen bis zum gefährlichen allergischen Schock.
In dieser Broschüre erhalten Sie Informationen über die Mechanismen der Auslösung und derzeitige Therapien
sowie Ansätze für mögliche Therapien in der Zukunft.
Wichtig ist auch zu erwähnen, dass es für einige Patienten ein erhöhtes Risiko gibt, allergisch zu werden, nämlich wenn sie erblich belastet sind (z. B. wenn schon ihre Eltern Allergien hatten). Manche fallen schon in der
Kindheit durch Hautentzündungen (Neurodermitis) auf und haben auch ein erhöhtes Risiko, Heuschnupfen und
Asthma zu entwickeln.
Umgekehrt spielen Umwelteinflüsse für die Allergieentstehung eine wichtige Rolle. Beispielsweise können Abgase
harmlose Proteine chemisch verändern und deren Fähigkeit, Allergien auszulösen, dadurch deutlich steigern.
Manchmal können auch bestimmte Medikamente, die wir einnehmen, den Schutz gegen Fremdeiweiße herabsetzen.
Prinzipiell kann man eine Allergie zu jedem Zeitpunkt im Leben entwickeln, auch in höherem Alter, abhängig von
der Aggressivität des Allergens und begleitenden Umweltbedingungen. Ein Beispiel ist der Pollen des Traubenkrautes (englisch: ragweed). Diese Pflanze war in Europa nicht ansässig. Durch Flugverkehr wurden die Samen
aus den USA in die Steppen Ungarns eingeschleppt, wo das Traubenkraut ideale klimatische Bedingungen vorfand. Von diesem Zeitpunkt an begann die Verbreitung: Mit einer Geschwindigkeit von 1-2 km pro Jahr näherte
sich die Pflanze der österreichischen Grenze und hat heute die östlichen Teile des Bundesgebietes erreicht.
Ragweed beinhaltet ein starkes Allergen, und in der Tat konnte man dokumentieren, dass Menschen dagegen
10
WAS SIND ALLERGIEN?
1
erstmalig Allergien entwickelten, die das 60. Lebensjahr deutlich überschritten hatten.
Auch Pflanzen verändern sich durch Umwelteinflüsse. So ist ein Birkenbaum im Stadtbereich einer vermehrten
Belastung durch Ozon, Abgase und Feinstaub in der Luft und dadurch, ebenso wie wir Menschen, Stress ausgesetzt. Der Baum produziert dann große Mengen an Eiweißkörpern, so genannte Stressproteine, die in der
Pflanze eine Schutzfunktion haben. Leider finden sich diese Proteine dann in einer erhöhten Dosis auch im Pollen,
den wir einatmen, was das Risiko für die Auslösung von Allergien erhöht.
1.1 Geschichtliches: 100 Jahre „Allergie“
Obwohl um die Wende zum 20. Jahrhundert Heuschnupfen und Asthma bekannt waren, standen damals doch
ganz andere medizinische Probleme im Vordergrund: Infektionserkrankungen wie Pocken, Tuberkulose und
Diphtherie grassierten und führten in einer beträchtlichen Anzahl der Fälle zu schweren Erkrankungen oder auch
zum Tod (Abbildung 1). Man wusste schon, dass bei manchen Erkrankungen Patienten, die diese Krankheit überstanden hatten, kein zweites Mal erkrankten. Für einige dieser Erkrankungen fand man heraus, dass Gewebe
geschädigt wurde, obwohl der Erreger in diesem Gewebe gar nicht nachweisbar war. Deshalb wurde diesen
Erregern die Produktion von Giften, Toxinen, zugeschrieben und man machte sich auf die Suche nach einem
Gegengift, einem Antitoxin. Es wurde vermutet, dass der Körper Abwehrstoffe produziert, die als Antitoxine fungieren und Schutz vor einer neuen Infektion bieten. Tatsächlich konnte bewiesen werden, dass man Personen
durch Infusion gereinigter „Antitoxine“, durch eine Art von Leih-Immunität, effektiv schützen konnte. (NB: Erst viel
später wurde erkannt, dass diese Antitoxine eigentlich lösliche Eiweißkörper waren, die heute als Antikörper oder
Immunglobuline bezeichnet werden.) Ein weiterer Meilenstein war die Beobachtung, dass Antitoxine in Tieren
generiert werden konnten, indem man diese dem Erreger aussetzte, wobei oft Pferde herangezogen wurden.
Antitoxine wurden in der Folge aus Tierseren in großem Maßstab gereinigt, um Patienten verabreicht zu werden
oder Gefährdete zu schützen. Die Ära der so genannten passiven Immuntherapie hatte begonnen, die zur Wende
des 20. Jahrhunderts ein industrielles Ausmaß erlangte.
Bald jedoch beobachtete man gefährliche Nebeneffekte der Therapien: Wurden Personen mehrmals mit
Antitoxinen von denselben Tieren behandelt, hatte die Therapie eine beträchtliche Rate an Todesfällen zur Folge.
Man wusste zwar, dass Symptome nach etwa 10 Tagen auftreten konnten, die mit Fieber und Gelenksschwellungen einhergingen, die sich von selbst wieder rückbildeten und als Serumkrankheit bezeichnet wurden.
Andererseits wurde beobachtet, dass sich besonders nach wiederholten Gaben auch gefährliche
Schockreaktionen entwickeln konnten, die sofort auftraten. Da die Infektionserkrankungen selbst jedoch mit noch
weit höheren Lebensgefahren einhergingen, nahm man die Risiken einer Antitoxin-Therapie damals in Kauf.
Unabhängig davon wurde im Jahre 1902 von den Franzosen Paul Portier und Charles R. Richet eine sehr rasche,
lebensgefährliche Schockentwicklung bei Hunden beobachtet. Sie injizierten den Tiere Gift aus Seeanemonen
und beobachteten, dass manche Tiere nach wiederholten Gaben an plötzlich auftretender Atemnot, Kollaps und
Herztod verstarben. Ohne den genauen Mechanismus der Auslösung zu kennen, dokumentierten sie diese
Zwischenfälle als Anaphylaxie, also sehr rasch einsetzende Schockreaktion.
11
1
WAS SIND ALLERGIEN?
Zu diesem Zeitpunkt kommt Clemens Freiherr von Pirquet ins Bild. Nachdem er das von seinen Eltern erwünschte Theologiestudium verweigert hatte, studierte er in Wien Medizin, und entschloss sich dann, Kinderarzt zu werden. Nach Studien in Berlin und bei Professor Escherich in Graz, wurde er nach Wien an die Universitätskinderklinik zurückgerufen, die damals im Hause des St. Anna Kinderspitals ansässig war. Dort behandelte er an
Diphtherie erkrankte Kinder mit Diphtherie-Antitoxin, also Immunglobulinen aus Tierseren, wobei oft verblüffend
gute klinische Resultate erzielt werden konnten. Wie auch seine Vorgänger beobachtete er Serumkrankheit aber
auch Schockreaktionen und erkannte den Zusammenhang mit den Studien Richets und Portiers. Er hob hervor,
dass die Reaktion spezifisch war, also direkt mit der Behandlung durch das Antitoxin zu tun hatte, und nur bei
wiederholter Gabe auftrat. Die Reaktion war bei diesen Patienten also verändert im Vergleich zur Normalsituation.
Aus dem Griechischen (allos – verändert und ergon – Aktion) setzte er den Begriff Allergie zusammen, worin er
eigentlich auch die Serumkrankheit mit einrechnete.
Wenn wir den Begriff Allergie heute verwenden, verstehen wir darunter meist die allergische Sofortreaktion (der
diese Broschüre größtenteils gewidmet ist) sowie das langsamer entstehende Kontaktekzem (siehe Kapitel 8 „Wie
kann man Allergien erkennen?“), aber in jedem Fall meinen wir eine krankmachende Überempfindlichkeit.
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WAS SIND ALLERGIEN?
1
WENDE ZUM 20. JAHRHUNDERT: INFEKTIONEN
Pocken
Cholera
Diphtherie
Polio
Tuberkulose
Tetanus
gefährliche Erreger
WENDE ZUM 21. JAHRHUNDERT: ALLERGIEN
Hausstaubmilben Fisch
Tierhaare
Gräserpollen
Birkenpollen
Milch
Bienengift
harmlose Proteine
Abbildung 1: Der Wandel der Gefahren für unsere Kinder im Laufe des letzten Jahrhunderts
13
2
HINTERGRUND: KOMPONENTEN DES IMMUNSYSTEMS
2. HINTERGRUND:
KOMPONENTEN DES IMMUNSYSTEMS
Unser Körper hat gegenüber der Umwelt eine sehr große Kontaktfläche: etwa 2 m2 Haut sowie 400 m2 Schleimhautoberfläche, die unsere Atemwege, den Urogenitaltrakt und den Magendarmtrakt auskleiden. Diese Oberflächen dienen einerseits zum optimalen Stoffaustausch mit der Umwelt. So werden Sauerstoff über die Atmung,
Nahrungsstoffe über den Magen und Dünndarm aufgenommen, Kohlendioxid ausgeatmet und Abfallprodukte
über den Darm ausgeschieden. Andererseits sind ebendiese Oberflächen auch Barrieren gegen das Eindringen
einer Vielzahl von möglichen krankmachenden Keimen, wie Viren, Bakterien, Einzellern, Würmern und anderen
Parasiten. Um uns für den Fall, dass einzelne Belagerer es schaffen, diese Barriere zu durchdringen, zu schützen
und auch um uns an diesen Barrieren wirksam zu verteidigen, hat sich unser Immunsystem entwickelt. Dieses
System besteht aus vielen einzelnen Teilen, die normalerweise sehr fein aufeinander abgestimmt sind. Es unterscheidet z. B. nach der Art und dem Aufenthaltsort des Eindringlings, ob das Heranschwimmen löslicher Faktoren
ausreicht oder ob auch abwehrende Fress- und Killerzellen benötigt werden (Abbildung 2).
UNTERSCHIEDLICHE IMMUNABWEHR SCHÜTZT
1. Gefahr außerhalb der Zelle
2. Gefahr innerhalb der Zelle
Antikörper fangen ein
Killerzellen erkennen und töten befallene Zellen
Abbildung 2: (1) Wenn sich ein Erreger (grün) außerhalb einer Körperzelle (braun) befindet, kann er durch lösliche Immunglobuline (rot) erreicht
und abgefangen weden. (2) Befindet er sich bereits innerhalb der Zelle, können Antikörper allein nichts ausrichten, Killerzellen (grau mit dunklem Zellkern) werden benötigt. Sie sind gestopft voll mit schädlichen Komponenten, wie eiweißabbauenden Enzymen und reaktiven chemischen Verbindungen und können damit die Zielzelle töten oder in den „Selbstmord“ treiben. Damit wird gleichzeitig auch der eingedrungene
Erreger ausgeschaltet. Dies ist ein sehr wirksames Prinzip bei Virusinfektionen. Anmerkung: Darstellung nicht maßstabsgetreu.
2.1 Immunglobuline: sinnvoll in der Abwehr aber unsinnig in der Allergie
Als lösliche Faktoren hat das Immunsystem die so genannten Immunglobuline (Antikörper) zur Verfügung. Es handelt sich um hoch spezialisierte Eiweißkörper, die einerseits mit ihren beiden Armen fremde Substanzen, so
genannte Antigene, erkennen können, andererseits über ihren Rumpf mit Zellen interagieren und im Konzert mit
diesen die Abwehrfunktionen weiter verstärken können.
14
HINTERGRUND: KOMPONENTEN DES IMMUNSYSTEMS
2
ANTIKÖRPER
Antigen
{
Fab-Teile: antigenbindende Fragmente
Fc-Teil: k(c)onstantes Fragment,
kann an Zellen binden
Abbildung 3: Der Aufbau eines Antikörpers: Wie mit zwei Armen fängt er einen Erreger ab und kann ihn damit ausschalten. Wenn das nicht
reicht, markiert er das Antigen für Abwehrzellen, die mit Antikörpern beschichtete Erreger viel besser erkennen, fressen oder töten können.
Solche Antikörper gibt es in unterschiedlichen Klassen: IgM ist eine Klasse, die als erste Immunantwort sehr rasch
innerhalb weniger Tage nach Eindringen des Fremdstoffes gebildet werden kann und daher als Primärantwort
bezeichnet wird. Bleibt die Gefahr bestehen, sind andere Antikörperklassen mit besserer Erkennungsfunktion notwendig, z. B. IgG. IgG-Antikörper bilden wir gegen viele eindringende Antigene und sie entstehen auch infolge
von Impfungen. IgG-Antikörper schützen, weil sie bei neuerlichem Kontakt mit dem Erreger diesen abfangen können, bevor er uns schädigen kann. Ähnlich wirkt auch IgA, das man besonders in den Sekreten des Körpers
(daher auch auf den Schleimhäuten) findet. Es ist ein Molekül, das besonders widerstandsfähig gegen
Umwelteinflüsse ist und daher in Drüsen, Magen und Darm am längsten überleben kann, auch wenn das Milieu
sehr unfreundlich ist und andere Eiweißkörper längst abgebaut worden sind. IgA kann Erreger an den
Schleimhäuten abfangen, bevor sie eindringen. Etwa 1 von 800 Personen kann von Geburt an kein IgA bilden
und leidet mehr als andere an wiederholten Schleimhautinfektionen z. B. mit Pilzen wie Candida albicans oder
hat ein erhöhtes Risiko, entzündliche Darmerkrankungen zu entwickeln, wie Zöliakie, Morbus Crohn oder Colitis
ulcerosa.
IgE-Antikörper sind die Klasse, welche uns bei der Frage der Allergien besonders interessiert. Es ist die „jüngste“
Antikörperklasse, die 1966 zeitgleich von zwei Forschergruppen (K. & T. Ishizaka und S. G. O. Johannson) entdeckt wurde. Sie sind in kleinsten Mengen im Serum von Allergikern und in noch kleineren Mengen in dem von
Gesunden vorhanden und haben die Eigenschaft, über ihre Fab-Arme besonders gut Antigene zu binden. Mittels
ihres Fc-Teiles können sie mit großer Bindungsstärke an spezialisierte Abwehrzellen binden, wie Mastzellen,
weiße Blutkörperchen (danach, wie sie angefärbt werden können, Basophile und Eosinophile genannt) und an
Zellen (so genannte Dendritenzellen), die mit vielen astähnlichen Fortsätzen Antigene einfangen. Wenn wir also
IgE-Spiegel im Serum messen, unterschätzen wir die wahre IgE-Menge, denn diese befindet sich zum großen Teil
gebunden an den Abwehrzellen in sämtlichen Geweben.
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2
HINTERGRUND: KOMPONENTEN DES IMMUNSYSTEMS
Allergenkomplex
IgE sitzt an der
Zelloberfläche
Mastzelle
Mediatoren,
u.a. Histamin
Abbildung 4: Die allergische Reaktion: Ist IgE, das spezielle
Antigene („Allergene“) erkennt, im Patienten bereits gebildet,
bewaffnet es die Abwehrzellen an Haut und Schleimhaut,
beispielsweise Mastzellen. Bei einem neuerlichen Eindringen
kleinster Antigenmengen wird die Zelle in Sekundenschnelle
aktiviert und werden vorgeformte Abwehrstoffe ausgestoßen. Dabei haben Komplexe aus mehreren identen
Molekülen ein höheres Potential, diese Reaktion auszulösen
(aus: Schöll et al., Journal of Immunology 2005). Histamin
und andere Stoffe (Mediatoren), die dabei aus den
Mastzellen freigesetzt werden, führen unmittelbar zu
Erweiterung von Blutkapillaren (Rötung), vermehrtem
Aussickern von Gewebsflüssigkeit (Schwellung) und Reizung
von Nervenendigungen (Juckreiz oder Schmerz).
Durch seine hohe Bindungsstärke kann IgE auch kleinste Antigenmengen erfassen, wodurch die Zellen, auf
denen es sitzt, sekundenschnell aktiviert und zu einem Ausstoß entzündlicher Substanzen veranlasst werden.
Dies macht Sinn, wenn diese IgE-Immunglobuline sich gegen krankmachende Erreger richten, beispielsweise
Würmer im Darm oder in der Haut. Ebenso erkennt IgE Antigene an Tumorzellen und kann diese abtöten.
Patienten, die IgE bilden können, entwickeln weniger oft Tumorerkrankungen. Nicht sinnvoll ist die Reaktion,
wenn IgE gegen harmlose Stoffe aus der Umwelt gerichtet ist und diese so attackiert, als wären sie ernst zu nehmende Gefahren. Das Resultat ist eine krankmachende Überempfindlichkeit, also Allergie, gegen beispielsweise
Hausstaubmilben, Gräserpollen oder Erdnüsse. Diese Antigene nennt man dann Allergene, und ein Patient, der
IgE gebildet hat, wird als „sensibilisiert“ (überempfindlich) bezeichnet.
2.2 Warum ist Allergie gefährlich?
Die Symptome der Allergie entstehen abhängig vom Ort, wo die Allergene in den Körper eindringen und IgEbesetzte Abwehrzellen treffen.
Befinden sich Allergene in der Luft, entstehen in erster Linie Bindehautentzündung der Augen und Heuschnupfen,
also lästige aber gesundheitlich nicht schwer beeinträchtigende Reaktionen. In späteren Stadien der Erkrankung
kann ein „Etagenwechsel“ zur Lunge eintreten und zu Einschränkung der Atemfunktion und bronchialem Asthma
führen. Dabei erregt das frei werdende Histamin auch die glatten Muskelzellen um unsere Bronchien und verengt
diese Atemwege. Gleichzeitig wird die Schleimsekretion angeregt. Mit der Anzahl der Anfälle steigt auch die
Anzahl der Schleim produzierenden Becherzellen in den Bronchien. Somit kann im Asthmaanfall Luft nicht mehr
ausgeatmet werden, weil die Bronchien verengt und schleimgefüllt sind. Im maximalen Anfall kommt es zu einem
kompletten Verschluss mit Gefahr der Erstickung. Asthma ist eine gefährliche Erkrankung, gegen deren schwere
Folgen man sich nach genauer Diagnose durch eine Impfkur (Hyposensibilisierung = „Unempfindlichmachung“)
und vor allem durch das konsequente Mitführen von Asthmatherapeutika schützen kann. Letztere Medikamente
sollen in erster Linie die verengten Bronchien weit stellen und den Einstrom von Entzündungszellen ins Gewebe
verhindern.
16
HINTERGRUND: KOMPONENTEN DES IMMUNSYSTEMS
2
Dringt das Allergen über die Haut ein, kann es hier zu rasch auftretenden Ausschlägen wie nach Kontakt mit einer
Brennnessel kommen, daher der Name Nesselausschlag oder Urtikaria. Das kann dem Graspollenallergiker beim
Liegen auf einer Sommerwiese, beim Rasenmähen oder zuhause durch Blütenstaub, der durch das offene
Fenster eindringt, geschehen. Bei Patienten mit Neurodermitis ist die Durchlässigkeit der Haut für Allergene
erhöht, und so kann sich das Hautekzem nach häufigem Allergenkontakt verschlechtern – übrigens ebenso wie
nach dem Genuss bestimmter Nahrungsmittel (Milch, Eier, Fisch, Krustentiere). Die Erklärung dafür ist, dass
Allergene innerhalb des Körpers auch transportiert werden und dadurch an andere Stellen als die Stelle des
Eindringens geraten. So können Nahrungsmittelallergene, die über den Darm resorbiert werden, Ausschläge an
der Haut und den Schleimhäuten hervorrufen.
Bei der Nahrungsmittelallergie treten Symptome in erster Linie entlang der Schluckstraße auf, also z. B. Jucken
und Schwellung der Lippen- und Mundschleimhaut. Es können jedoch auch Asthmaanfälle auftreten. Besonders
gefürchtet ist der anaphylaktische Schock. Dabei wird das Allergen nach Verschlucken über die großen
Schleimhautflächen besonders effektiv aufgenommen und erreicht daher viele mit IgE-Antikörpern bewaffnete
Effektorzellen gleichzeitig. Ebenso kann bei Insektenstichallergie das Allergen durch einen Insektenstich nahe
einem Blutgefäß plötzlich in großer Menge im sensibilisierten Körper verteilt werden. Die überwältigende
Histaminausschüttung führt zu Weitstellung der Blutkapillaren und Versacken des Blutes in diesen nun viel aufnahmefähigeren Gefäßen mit Kollaps als Folge. Die Versorgung lebenswichtiger Organe, wie Herz und Gehirn,
kann dann nicht mehr sichergestellt werden und es besteht Todesgefahr. Nett gemeint aber unter Umständen
tödlich ist in so einem Fall das Aufrichten des Patienten aus der Bodenlage vor Stabilisierung des Kreislaufes.
Patienten, die schon früher anaphylaktische Schockereignisse durch Allergene erlebt haben und die an Asthma
leiden, sind mehr als andere gefährdet, einen Schock nach Allergenkontakt zu erleiden. Sie sollten von ihrem
Allergologen über Adrenalin als effektivstes Sofortmittel beraten werden und nach erfolgter Verschreibung dieses
immer bei sich tragen. Sie müssen dann, wie auch ihre Familie oder Freunde, im Umgang mit dem Applikator
durch den Allergologen geschult sein, um im Notfall richtig agieren zu können. Der Notfalls-Pen (= kugelschreiberähnliches Gerät) beinhaltet eine Injektionsnadel. Bei kräftigem Aufdrücken auf die Haut des Oberschenkels
kommt es zu einer automatischen Injektion von Adrenalin. Bei Patienten mit Übergewicht kann das Probleme
machen, weil die Nadel das Muskelgewebe nicht erreicht, hier muss eine eingehende Beratung bezüglich der
Körperstelle erfolgen, wo das Fettgewebe weniger dick ausgeprägt ist. Dieser ersten Notfallsaktion muss immer,
wenn die Schockreaktion schon eingesetzt hat, eine möglichst rasche ärztliche Überwachung und gegebenenfalls Spitalseinweisung folgen.
Als die eigentliche die Ursache bekämpfende Therapie der Allergien gilt heute die Allergenimmuntherapie (Impfkur
mit Allergenen zur Gewöhnung des Immunsystems), die besonders gut gegen Insektengift- und Pollenallergien
funktioniert. Bei vielen Allergien, wie beispielsweise den Nahrungsmittelallergien, können wir jedoch heute noch
nicht die Ursache behandeln. Hier gilt das Prinzip der Allergenvermeidung und Hilfestellung durch Kennzeichnung
wichtiger Allergene der Nahrungsmittel auf der Verpackung.
17
3
ALLERGENE: EIGENSCHAFTEN, VERBREITUNG, HÄUFIGKEIT
3. ALLERGENE:
EIGENSCHAFTEN, VERBREITUNG, HÄUFIGKEIT
Die Auslöser einer allergischen Reaktion werden Allergene genannt. Allergene sind – im Gegensatz zu Giften
(Toxinen), welche bei jedem nicht immunen Menschen Krankheitssymptome auslösen – für viele Personen völlig
unproblematische Moleküle, während die Sensibilisierten mit allergischen Symptomen reagieren. Diese Moleküle
werden also normalerweise vom Immunsystem toleriert oder ignoriert. Warum manche Menschen auf diese
eigentlich unschädlichen Moleküle plötzlich eine Überreaktion entwickeln (bei Allergien ist das Immunsystem überreaktiv), ist bis heute noch nicht völlig geklärt.
A L L E R G E N E S I N D I M G E G E N S AT Z Z U G I F T E N F Ü R G E S U N D E M E N S C H E N U N S C H Ä D L I C H
Allergene können aus ganz verschiedenen Quellen stammen, unterschiedlichste Eigenschaften und Aufgaben
besitzen und auf viele Arten verbreitet werden bzw. in den menschlichen Körper eindringen und dort zu
Reaktionen führen. Durch diese Unterschiede ist es der Wissenschaft bis heute noch nicht gelungen, alle oder
wesentliche gemeinsame Merkmale der Allergene herauszufinden. Doch einige Faktoren finden sich zumindest in
vielen Allergenen wieder. Diese sollen in diesem Kapitel besprochen werden.
3.1 Chemische Zusammensetzung und Stabilität
Die meisten Allergene sind chemisch gesehen kugelförmige (globuläre) Eiweißstoffe (Proteine) mit oder ohne
Zucker- bzw. Kohlenhydratanteilen; besitzen sie solche Anteile, dann gehören sie in die Gruppe der Glykoproteine. Ihre Größe bewegt sich zwischen 5 und 70 Kilo-Dalton, das ist etwa 70.000- bis 5.000-fach kleiner als der
Durchmesser eines Haares.
ALLERGENE SIND MEIST EIWEISSSTOFFE
Die meisten Allergene sind also Eiweißstoffe. Bis heute ist auch noch keine echte Allergie auf reine Fettstoffe festgestellt worden. Man darf allerdings nicht vergessen, dass auch Fette und Öle immer noch Reste von Proteinen
beinhalten können. So können sich auch in stark raffiniertem Erdnussöl noch Spuren von Erdnuss-Allergen befinden und Reaktionen bei Allergikern auslösen.
Die Bedeutung von Kohlenhydraten als Allergene ist derzeit umstritten und wird noch untersucht. Im Moment
scheint es jedoch so, dass Kohlenhydrate allein, also z. B. Haushaltszucker, keine Typ I Allergien auslösen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die Allergien von Intoleranzen zu unterscheiden, bei denen etwa Milch- oder
Fruchtzucker nicht vertragen werden. Diese Unverträglichkeiten zählen jedoch nicht zu den echten Allergien.
Zu allergenfreien Produkten gehören nach unserem jetzigen Wissensstand auch noch reines Kochsalz sowie reines Wasser, da unser Körper zu einem Großteil daraus besteht und wir bei einer Allergie dagegen nicht lebensfähig wären.
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ALLERGENE: EIGENSCHAFTEN, VERBREITUNG, HÄUFIGKEIT
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A L L E R G E N E S I N D U N T E R S C H I E D L I C H S TA B I L G E G E N H I T Z E , S Ä U R E U N D V E R D A U U N G
Die chemischen Eigenschaften von Glykoproteinen führen auch dazu, dass sich Allergene bezüglich Hitze, Säure,
Temperatur oder Löslichkeit unterschiedlich verhalten. So sind viele Pollenallergene wasserlöslich und treten
sogar erst bei Feuchtigkeit aus dem Pollen aus (z. B. im feuchten Milieu der Nasen- und Bronchialschleimhaut).
Sie sind gegenüber Hitze, Säure und Verdauung oft nicht stabil. Dies hat aber wegen ihrer Eintrittsstelle über die
Atemwege keine Relevanz, da hier weder hohe Temperaturen noch hoher Säuregehalt vorliegen und auch keine
Verdauung stattfindet.
Im Gegensatz dazu spricht man vielen Nahrungsmittelallergenen hohe Stabilität gegen Hitze und/oder saure
Verdauung zu. Dies ist wichtig, da diese Eiweißstoffe den sauren Magensaft und die Verdauung zum Großteil
überstehen müssen, um Allergien hervorzurufen bzw. allergische Reaktionen auszulösen. Bekanntestes Beispiel
für ein sehr verdauungsstabiles Allergen ist das Erdnuss-Allergen.
Es gibt jedoch auch unzählige nicht-stabile Proteine in der Nahrung, welche als Allergene wirken können. Dafür
gibt es zwei Erklärungsansätze.
Ein Patient wird zuerst auf ein eingeatmetes Molekül allergisch, z. B. Birkenpollen. Sein Körper bildet dann IgEAntikörper (siehe auch Kapitel 2 “Hintergrund: Komponenten des Immunsystems”), die allerdings nicht nur
Pollenallergene erkennen können, sondern auch ähnliche Proteine, die in Nahrungsmitteln vorkommen, z. B. in
der Haselnuss oder im Apfel. Dieser Patient reagiert dann also z. B. mit Heuschnupfen zur Birkenpollenzeit und
ebenso mit einer allergischen Reaktion in der Schluckkette (Halskratzen, Juckreiz im Mund, Schwellung der
Lippen; siehe auch Kapitel 10 “Hintergrund: Wie unterschiedliche Gewebe reagieren”) nach dem Genuss von
Äpfeln. Dieses Phänomen wird Kreuzreaktivität genannt. Weitere Beispiele für Kreuzreaktionen zwischen verschiedenen Allergenen sind in Tabelle 1 aufgelistet.
Tabelle 1: Beispiele für Kreuzreaktionen zwischen unterschiedlichen Allergenen
KRANKHEITSSYNDROM
PRIMÄRE ALLERGIE
GEGEN
MÖGLICHE KREUZREAKTIONEN MIT
Birke-BeifußSellerie-GewürzSyndrom
Beifußpollen
Pollen: Birke, Chrysanthemen/Margeriten, Kamille, Löwenzahn,
Sonnenblume, Traubenkraut (Ragweed) / Nahrungsmittel: Artischocke,
Chrysantheme, Estragon, Gewürze und Kräuter (Anis, Basilikum,
Chilipfeffer, Curry, Dille, Fenchel, Koriander, Kümmel, Liebstöckel,
Majoran, Oregano, Petersilie, Thymian), Gurke, Kamille, Karotte,
Kartoffel, Kiwi, Litschi, Löwenzahn, Mango, Melone, Paprika,
Ragweed, Sellerie, Sonnenblume, Tomate, Wermut
BirkenpollenNuss-ObstSyndrom
Birkenpollen
Pollen: Buche, Erlen, Esche, Hasel, Rotbuche
Nahrungsmittel: Apfel, Avocado, Birne, Haselnuss, Karotte,
Kartoffel roh, Kirsche, Kiwi, Litschi, Mandel, Marille, Pfirsich,
Sellerie, Tomate roh, Walnuss, Zimt, Zwetschke
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ALLERGENE: EIGENSCHAFTEN, VERBREITUNG, HÄUFIGKEIT
KRANKHEITSSYNDROM
PRIMÄRE ALLERGIE
GEGEN
MÖGLICHE KREUZREAKTIONEN MIT
Eschenpollen
Pollen: Flieder, Forsythie, Liguster, Oliven
Haselpollen
Nahrungsmittel: Birne, Karotte, Kartoffel, Kirsche, Kiwi, Marille,
Pfirsich, Sellerie
Gräserpollen
Nahrungsmittel: Erbse, Erdnüsse, Getreide (Gerste, Hafer,
Roggen, Weizen), Kartoffel roh, Kiwi, Kräuter/Gewürze,
Pfefferminze, Soja, Tomate
Getreidepollen
Pollen: Dinkel, Gerste, Hafer, Hirse, Mais, Reis, Weizen,
Weidelgras / Nahrungsmittel: Getreidemehl
Olivenpollen
Pollen: Gräser, Liguster / Nahrungsmittel: Ananas, Meerrettich
(Kren) / Sonstiges: Ascorbinsäure
Pappelpollen
Pollen: Weide
Fliederpollen
Pollen: Esche, Ölbaum
Latex-FruchtSyndrom
Latex
Pollen: Beifuß, Traubenkraut (Ragweed), Wiesenlieschgras
Nahrungsmittel: Avocado, Banane, Birne, Buchweizenmehl,
Feige, Haselnuss, Kartoffel, Kiwi, Maroni (Röstkastanien),
Melone, Papaya, Passionsfrucht, Pfirsich, Sellerie, Tomate
MilbenSchalentierSyndrom
Hausstaubmilbe
Nahrungsmittel: Muscheln, Schalentiere (Garnelen, Hummer,
Krabben, Krebse, Langusten, Shrimps), Schnecken
Sonstiges: andere Milbenarten, Kakerlaken, rote Mückenlarve
(im Fischfutter)
Ragweed-BananenMelonen-Syndrom
Traubenkraut (Ragweed)
Nahrungsmittel: Banane, Curry, Gurke, Kamille, Melone, Zucchini
Vogel-Ei-Syndrom
Vogelfedern
Nahrungsmittel: Eigelb, Hühnerfleisch
Bienengift
Nahrungsmittel: Honig / Sonstiges: Hummel
Wespengift
Sonstiges: Hornisse
Katzenepithelien
Nahrungsmittel: Schweinefleisch
Hülsenfrüchte
Nahrungsmittel: Bohne, Erdnuss, Linse, Sojabohne, Klee,
Luzerne, Lupine, Lakritze, Johannisbrot, Gummi arabicum,
Tamarinde, Tragant
Nüsse
Nahrungsmittel: Haselnuss
Roggenmehl, Pistazien
Sonnenblumensamen, Kiwi, Sesam
Kiwi
Pollen: Beifuß, Birke, Gräser / Nahrungsmittel: Ananas, Apfel,
Karotte, Kartoffel, Roggenmehl, Weizenmehl / Sonstiges: Latex
Fische
Nahrungsmittel: Kabeljau
Sarimi (imitiertes Krabbenfleisch in
Sushi), Hühnerei durch Fischmehlfütterung
Hühnerei
Nahrungsmittel: Hühnerfleisch / Sonstiges: Ente, Gans, Truthahn,
Seemöwe, Papagei, Kanarienvogel, Taube, Wellensittich
Kuhmilch
Nahrungsmittel: Rind-, Kalbfleisch, Soja / Sonstiges: Rinderhaar
KernobstSyndrom
Quellen: Reinhold Kluthe, Ernährungsmedizin in der Praxis, 2003, Spitta Verlag, Balingen. http://de.wikipedia.org/wiki/Kreuzreaktion
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ALLERGENE: EIGENSCHAFTEN, VERBREITUNG, HÄUFIGKEIT
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Andererseits konnte gezeigt werden, dass diese nicht-stabilen Proteine auch ohne Sensibilisierung auf inhalative
(eingeatmete) Allergene zu echten Nahrungsmittel-Allergenen werden können. Dies geschieht dann, wenn die
Säure im Magen blockiert wird, z. B. durch Magensäure-hemmende Medikamente.
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In der Folge findet keine effektive normale Verdauung statt – viele Nahrungseiweiße bleiben erhalten und können
Allergien auslösen (Abbildung 5).
MAGENSÄUREBLOCKER KÖNNEN EINE NAHRUNGSMITTELALLERGIE EINLEITEN
1. schwer
verdaubar
2. leicht
vedaubar
3. leicht
vedaubar
Magensäure
normal
Magensäure
normal
orale
Sensibilisierung
keine
Sensibilisierung
4. leicht
vedaubar
Magensäure
vermindert
inhalative
Sensibilisierung
IgE
IgE
orale
Sensibilisierung
IgE
Kreuzreaktivität
Abbildung 5: (1) Schwer verdaubare Proteine in Nahrungsmitteln (z. B. in Erdnüssen) können leichter zu einer echten Allergie mit IgEAntikörpern führen als (2) leicht verdaubare (z. B. in der Haselnuss). (3) Leicht verdaubare Proteine lösen dann eine allergische Reaktion aus,
wenn der Patient zuerst gegen Pollen sensibilisiert wird (z. B. Birke) und seine IgE-Antikörper auch ähnliche Allergene in Nahrungsmitteln
erkennen (z. B. in Haselnuss oder Apfel). Dies ist die so genannte Kreuzreaktivität. (4) Aber auch eine echte Nahrungsmittelallergie kann durch
leicht verdaubare Proteine ausgelöst werden, nämlich dann, wenn die normale Verdauung vermindert ist, z. B. durch Magenkrankheiten oder
durch Magensäure-hemmende Medikamente.
Somit kann eine unkontrollierte, lang andauernde, Magensäure-hemmende Therapie im Prinzip jedes Nahrungsmittel zu einer möglichen Allergenquelle machen.
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ALLERGENE: EIGENSCHAFTEN, VERBREITUNG, HÄUFIGKEIT
3.2 Vorkommen und Funktion von Allergenen
Glykoproteine und damit mögliche Allergene können von Tieren (z. B. Kuhmilch, Tierhaare, Insektengifte, Hausstaubmilben), Pflanzen (z. B. Baumpollen, Sellerie, Latex) und Mikroorganismen (Schimmelpilzsporen)
stammen.
Diese Allergen-Lieferanten enthalten jedoch nicht deshalb Allergene, weil sie z. B. überzüchtet, chemisch behandelt oder gentechnisch verändert sind, sondern in erster Linie sind Allergene ganz natürliche Bestandteile der
genannten Quellen.
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Dort üben sie sehr oft eine wichtige Funktion aus, z. B. Schutz einer Pflanze vor Insekten oder Schimmelbefall.
Manche Allergene sind einfach nur Speicherproteine in Pflanzen und dienen damit der Ernährung oder dem
Wachstum der Pflanze selbst. In tierischen Ursprungsquellen können Calcium-, Vitamin- oder Fett-Transporter als
Allergene wirken, z. B. im Muskelfleisch von Fisch oder in Kuhmilch.
Obwohl Allergene natürlicherweise in Tier, Pflanze und Mikroorganismen vorkommen, weiß man auch, dass das
allergene Potential dieser Bestandteile durch verschiedene Einwirkungen aus der Umwelt erhöht werden kann.
Ein solcher Fall ist für das Hauptallergen aus Birkenpollen (Bet v 1) bekannt, welches bei hoher Belastung mit
Umweltschadstoffen aus Industrie und Autoabgasen eine chemische Reaktion unterläuft (Nitrierung) und dadurch
leichter und vielfältigere Allergien auslösen kann (siehe auch Kapitel 6 “Hintergrund: Luftschadstoffe”).
Eintrittswege der Allergene in den Organismus und mögliche Symptome
Entsprechend ihren Ursprungsquellen treten die Allergene an verschiedenen Eintrittspforten in den Organismus
ein. Viele wichtige Allergene belasten betroffene Patienten über den inhalativen Weg, d. h. sie werden eingeatmet
und verursachen dann Beschwerden in den Atemwegen (siehe Kapitel 10 “Hintergrund: Wie unterschiedliche
Gewebe reagieren”).
Zu den offensichtlichen Allergenquellen gehören hier:
Pollen verschiedenster Bäume, Gräser, Getreidearten und Unkräuter.
Hausstaubmilben. Hier ist es der von den Milben ausgeschiedene Kot.
Milben ernähren sich von den Hautschuppen der Menschen und finden sich daher hauptsächlich im Bett.
Die Belastung durch Milben wird verstärkt, wenn Tiere im Haushalt leben.
Tiere (meist Hautschuppen, Speichel, Kot oder Urin von Katze, Hund & Co).
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ALLERGENE: EIGENSCHAFTEN, VERBREITUNG, HÄUFIGKEIT
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Aber auch ungewöhnliche Quellen kommen als inhalative Allergene vor. So sind Reaktionen bei Personen beobachtet worden, die in Fischmehl-Fabriken den Feinstaub mit Fischallergen einatmen. Auch Abrieb und
Staubpartikel von Latexprodukten (z. B. von gepuderten Latexhandschuhen) können Symptome auslösen. Die
Erdnuss ist nicht nur in Amerika, sondern auch in unseren Breiten ein immer wichtigeres Allergen. Sie kann nicht
nur nach dem Verzehr zu Beschwerden führen, sondern auch nach Aufnahme über die Lunge, beispielsweise
wenn beim Öffnen einer Dose mit gerösteten Erdnüssen Spuren von Allergen in die Atemluft gelangen.
Bei fortgesetzter, übermäßiger Belastung mit allergenen Substanzen kann Asthma ausgelöst werden:
Mehl bei Bäckern (Bäckerasthma)
Schimmelpilzsporen und Bakterien aus dem Heu bei Bauern (Farmerlunge)
Protein im Kot von Vögeln (Vogelzüchterlunge)
Schimmelpilze auf der Käserinde (Käsewäscherlunge)
Schimmelpilze auf Spätlesetrauben (Weinhauerlunge)
Ein weiterer Eintrittsweg ist die intravenöse Route: Hier spielen eigentlich nur die Insektengifte von Biene, Wespe
und Hornisse eine Rolle. Durch die sofortige Verteilung der Gifte – und damit der Allergene – über das Blut in den
ganzen Körper ist bei diesen Patienten die Gefahr eines allergischen Schocks besonders hoch.
Vielen Menschen ist die Aufnahme von Allergenen über die Nahrung bekannt. Etwa ein Drittel der Bevölkerung
der Industriestaaten ist davon überzeugt, an einer Nahrungsmittelallergie zu leiden. Nach durchgeführten
Allergietests zeigt sich jedoch, dass nur maximal 2 % der erwachsenen Bevölkerung eine echte Nahrungsmittelallergie (nicht zu verwechseln mit anderen Unverträglichkeiten) gegen ein oder mehrere Nahrungsmittel haben.
Die wichtigsten Auslöser für eine echte Nahrungsmittelallergie bei Erwachsenen zeigt Tabelle 2.
Tabelle 2: Die wichtigsten Auslöser von Nahrungsmittelallergien bei Erwachsenen
NAHRUNGSMITTEL
Gemüse (Sellerie); Obst
(Apfel, Nüsse); Salate
Milch-, Milchprodukte
Hühnereiweiß
Fisch
Krebse, Muscheln
Fleisch
Gewürze, Samen
AUSLÖSER FÜR % DER NAHRUNGSMITTELALLERGIKER
zusammen
ca. 40 %
15-20 %
10 %
7%
5%
4%
3%
25
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ALLERGENE: EIGENSCHAFTEN, VERBREITUNG, HÄUFIGKEIT
Die oft beschuldigten Konservierungsstoffe in Nahrungsmitteln spielen kaum eine Rolle. Sie lösen wesentlich seltener echte Allergien aus, als viele Menschen annehmen.
Bei Kindern führt immer noch Kuhmilch die Liste der Allergieauslöser an, gefolgt von Hühnereiweiß, Weizen,
Nüssen und Soja. Hier ist beachtenswert, dass Soja sehr oft als Ersatz für Kuhmilch verwendet wird, was angesichts der hohen Allergiepotenz von Soja selbst aber nicht empfehlenswert ist.
Bei der oralen Route (Aufnahme über den Nahrungsweg) ist wichtig, dass Allergene auch über oft nicht beachtete Weise in den Organismus kommen. So sind Fälle bekannt, wo Erdnuss-allergische Kinder nach einem Kuss
der Mutter, die ein Erdnussbutter-Brot gegessen hatte, einen schweren anaphylaktischen Schock erlitten haben.
Oder es werden Küchengeräte (z. B. Streichmesser) für mehrere Produkte verwendet. Werden sie dazwischen
nicht ordentlich gereinigt, besteht die Gefahr, dass Allergene aus Nahrungsmitteln verschleppt werden.
Als letzte Eintrittspforte soll noch die kutane Route, also die Aufnahme von Allergenen über die Haut, erwähnt
werden. Das passiert vorwiegend bei beschädigter, verletzter oder dünner Haut. Bekannteste Beispiele sind hier
die Nickelallergie und die Allergie gegen Duftstoffe z. B. in Waschmitteln und Kosmetika.
Die häufigsten Allergene, die in der Allgemeinbevölkerung Reaktionen auslösen, wurden in Befragungen, in Hauttests und in Bluttests der österreichischen Bevölkerung erhoben (siehe Tabelle 3) und im Österreichischen
Allergiebericht (erschienen Juni 2006) veröffentlicht. Im Hauttest reagierten immerhin fast 50 % der Allgemeinbevölkerung auf mindestens ein Allergen.
Tabelle 3: Die häufigsten positiven Allergene der österreichischen Allgemeinbevölkerung
IN DER GESAMTBEVÖLKERUNG
IM HAUTTEST
POSITIV
BEI PATIENTEN MIT
HEUSCHNUPFEN IM
HAUTTEST POSITIV
(% der Getesteten)
BEI PATIENTEN MIT
ASTHMA IM
HAUTTEST POSITIV
(% der Getesteten)
VON PATIENTEN
SELBST
BERICHTET
Gräserpollen
Hausstaubmilben
Katze
Schimmelpilze
Birkenpollen
Gräserpollen (63 %)
Katze (43 %)
Birkenpollen (35 %)
Hausstaubmilben (35 %)
Katze (40 %)
Hausstaubmilben (37 %)
Gräserpollen (32 %)
Birkenpollen (20 %)
Pollen
Tiere
Hausstaubmilben
Medikamente
Nahrungsmittel
Chemikalien oder
Metalle
Kosmetika
Quelle: Österreichischer Allergiebericht. Verein Altern mit Zukunft (Herausgeber), Juni 2006.
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ALLERGENE: EIGENSCHAFTEN, VERBREITUNG, HÄUFIGKEIT
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3.3 Die Gentechnik und Allergien
Die Veränderung des Erbgutes von Pflanzen birgt Risiken, aber auch Chancen für Allergiker. Ein negatives Beispiel
war das Einbringen eines Allergens aus der Paranuss in die Sojabohne, um eine gewünschte Eiweißkomponente
aus der Nuss in Soja anzureichern. Allerdings zeigten danach Paranuss-Allergiker allergische Reaktionen auf die
Sojabohne, obwohl diese nicht gekennzeichnet war.
D I E G E N T E C H N I K B I E T E T R I S I K E N , A B E R A U C H C H A N C E N F Ü R A L L E R G I S C H E PAT I E N T E N
Im Gegensatz dazu ist das Entfernen von Allergenen aus dem Reis für viele Reis-allergische Menschen in Asien
von lebenswichtiger Bedeutung, denn damit können auch ärmere Menschen wieder ihr Grund- und oft einziges
Nahrungsmittel ohne allergische Reaktionen essen.
Eine natürliche Form der Gentechnik ist das Züchten und Kreuzen von unterschiedlichen Pflanzen, wie es die
Natur seit es Pflanzen gibt und Gärtner seit Jahrtausenden machen. Auch darin stecken viele Möglichkeiten für
allergische Patienten. So enthalten z. B. die älteren Apfelsorten wie Boskop, Gravensteiner, Altländer, Hammerstein, Berlepsch, Goldparmäne oder der Weiße Klarapfel weniger Allergen als neuere Züchtungen wie Golden
Delicious, Granny Smith, Jonagold und Braeburn. Auch unter den unzähligen Paprikasorten gibt es einige, die
weniger Allergen enthalten und daher auch von allergischen Patienten gegessen werden können.
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4
URSACHEN DER ALLERGIE
4. URSACHEN DER ALLERGIE
In den zu Slums verkommenen amerikanischen Innenstädten sind Allergien bei den Kindern am häufigsten und
führen zu den schwersten Krankheitsmanifestationen. Dort sind die Wohnungen schlecht gesäubert, abgewohnt
und überbelegt und häufig von Ungeziefer befallen. Allergien gegen Kakerlaken zählen zu den wichtigsten
Ursachen für Asthma. Gleichzeitig sind die Kinder Giften (Insektizide werden regelmäßig im Kampf gegen
Ungeziefer und Stechmücken ausgebracht) und hohen Konzentrationen an Luftschadstoffen ausgesetzt.
Es ist schwer zu entscheiden, welchen Anteil am hohen Allergierisiko diese einzelnen Faktoren haben. Das „glückliche Leben in Armut und Gesundheit“ ist aber eher ein Sujet für barocke Schäferstückchen und hat mit der
Wirklichkeit sicher nichts gemein.
Allergien sind weit verbreitet, aber die allergische Krankheit ist es nicht im gleichen Ausmaß: Manch ein Allergiker
hat Antikörper gegen verschiede Allergene, die ihm aber im täglichen Leben keine Probleme bereiten.
Andererseits gibt es Patienten mit Asthma, das nicht allergisch bedingt ist. Vielmehr hat fast jede zweite
Asthmaerkrankung eine andere Ursache. Bei Kleinkindern treten asthmatische Beschwerden oft als Folge von
Viruserkrankungen auf und sind dann zum Glück oft nur vorübergehend. Infektionen können auch im Erwachsenenalter Asthma auslösen. Bedeutsam sind aber auch Einwirkungen von Atemgiften und die Schleimhaut reizenden Substanzen (zum Beispiel am Arbeitsplatz), die zu Asthma führen können. Oft ist es so, dass allergische
und nicht-allergische Ursachen gemeinsam auftreten: Asthma ist eine entzündliche Erkrankung der Bronchien.
Und wenn die Entzündung länger andauert, kommt es zu einem Umbau in den unterschiedlichen Schichten der
Bronchialschleimhaut, wodurch diese empfindlicher auf verschiedenste Reize reagiert. In diesem Spätstadium
lässt sich kaum noch entscheiden, was ursprünglich die Ursache für das Asthma war, weil die überempfindliche
Schleimhaut auf beinahe alle Reize (Staub, Allergene, Nebel, Ozon, trockene Luft) oder Infektionen mit
Asthmaanfällen (Muskelkontraktion und Schleimproduktion) reagiert.
Daraus geht hervor, dass die Ursachen für Allergien schwer identifiziert und quantifiziert werden können. Bei
bestimmten Berufen mit langjähriger Belastung der Atemluft mit potenten Allergenen kann der Zusammenhang
meist eindeutig hergestellt werden. Beim Bäckerasthma kann der Anfall oft spezifisch durch bestimmte
Mehlstäube ausgelöst werden, durch andere Stäube jedoch nicht. Bei vielen Kontaktallergenen ist die Ursache
(der Auslöser) ebenfalls oft leicht ausfindig zu machen. Schwieriger ist es bei Nahrungsmittelallergien, weil hier
vielfältige Kreuzreaktionen zu andern Nahrungsmitteln und auch zu inhalativen Allergenen bestehen.
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URSACHEN DER ALLERGIE
4
Wenn wir die Ursachen von allergischen Erkrankungen betrachten, so müssen wir verschiedene Stufen der Verursachung unterscheiden. Die Letztursache (der Auslöser) ist die Aufnahme bestimmter Substanzen in den
Organismus, die als Antigen von hinreichend vielen IgE-Antikörpern erkannt werden. Aber wie kommt es überhaupt dazu, dass der Organismus solche unnötigen Antikörper bildet? Das ist die eigentlich entscheidende Frage.
Diese vorgelagerten Ursachen reichen bis zu genetischen Faktoren, d. h. zu einer ererbten Anfälligkeit. Obwohl
Schadstoffe aus der Umwelt einen Einfluss haben können, zeigt sich klar, dass in vielen Entwicklungsländern mit
teilweise höherer Belastung der Umwelt durch Schadstoffe, Allergien und Asthma weit seltener auftreten als in
entwickelten Industriestaaten. Die möglichen Gründe für dieses seltsame Phänomen werden uns noch in anderen Kapiteln beschäftigen.
Eine Vielzahl von Faktoren mit schützenden (Stillen) und schädigenden Einflüssen (Luftverschmutzung,
Zigarettenrauch, Schimmel, Lösungsmittel, organische Chlorverbindungen in Schwimmbädern, …) auf die
Entwicklung von Allergien und Asthma im Kindesalter wurden dennoch identifiziert, wobei jeder einzelne Faktor
allein nur einen recht geringen Einfluss hat. Es ist nicht selten das Zusammenwirken mehrerer dieser Faktoren,
die das Risiko erhöhen. Teilweise handelt es sich um Einwirkungen, die von den Eltern beeinflusst werden können. Wenn das Risiko schon deshalb erhöht ist, weil in der Familie bereits allergische Erkrankungen aufgetreten
sind, sollten die Risikofaktoren besonders beachtet und geeignete Maßnahmen möglichst vor der Geburt des
Kindes durchgeführt werden. Dazu zählt die Sanierung von Schimmelbefall, die Vermeidung von Tabakrauch, der
sparsame Umgang mit chemischen Reinigungsmitteln insbesondere chlorhaltigen, keine Anwendung von
Insektiziden in der Atemluft der Mutter bzw. des Kindes. Andere sind nur durch eine Änderung im Verhalten der
Allgemeinheit langfristig zu bekämpfen. Die allergene Potenz von Birkenpollen in der schadstoffreichen Stadtluft
kann nur durch Reduktion des Verkehrs und Schadstoffreduktion der Abgase von Kraftfahrzeugen und Industrie
wirksam vermindert werden.
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H I N T E R G R U N D : G E N E T I S C H E VA R I AT I O N : M U TAT I O N , S E L E K T I O N
5. Hintergrund:
Genetische Variation: Mutation, Selektion
Allergische Erkrankungen zeigen eine familiäre Häufung. Grundsätzlich kann das zwei Gründe haben. Da die verhaltens- und umweltbedingten Einflüsse auf Mitglieder derselben Familie ähnlich sind, könnten sie auch ähnlich
in der Allergieentwicklung sein. Andererseits haben Mitglieder derselben Familie, je nach Verwandtschaftsgrad,
eine ähnliche genetische Ausstattung. Bei der Befruchtung der Eizelle wird die Erbinformation der Samenzelle und
der Eizelle zusammengefügt und besitzt somit, wie dann später alle Körperzellen des Kindes, eine Hälfte der
Chromosomen vom Vater und die andere von der Mutter. Dabei ist der vom Vater und der Mutter stammende
Satz an Erbinformationen wieder eine zufällige Mischung des Erbmaterials derer Eltern, also der Großeltern. Das
bedeutet, dass der von den Eltern stammende Chromosomensatz von je 23 Chromosomen selbst jeweils einzigartig ist und so in keiner der Zellen der Eltern existiert. Jede Körperzelle des Kindes ist mit 46 Chromosomen ausgestattet, die also jeweils zur Hälfte vom Vater und von der Mutter stammen. Gene, das sind Abschnitte auf dem
Chromosom, die ein erbliches Merkmal bestimmen, können sich von Person zu Person unterscheiden. Solche
unterschiedlichen Varianten bezeichnet man als Allele. Erbt man dasselbe Allel von Mutter und Vater, dann ist man
bezüglich dieses Gens homozygot, andernfalls heterozygot. Da bei der Zeugung vom Vater und von der Mutter
jeweils per Zufall eines der Allele auf die Nachkommen vererbt wird, ergibt sich ein sehr einfaches Muster der
Aufteilung der Allele. Sind beide Elternteile homozygot für dasselbe Allel, dann müssen alle Nachkommen selbst
wieder homozygot sein. Sind zwar beide Elternteile homozygot aber für verschiedene Allele, dann müssen alle
Nachkommen heterozygot sein. Sind aber beide Elternteile heterozygot, dann ergeben sich für den einfachen Fall
nur zweier Allele (bezeichnen wir diese mit A und B, dann haben also Vater und Mutter jeweils den Genotyp AB)
folgende Aufteilungsmöglichkeiten auf das Kind: AVAM, AVBM, AMBV, BVBM (dabei bezeichnen V und M jeweils die
vom Vater bzw. der Mutter stammenden Allele). Alle diese Möglichkeiten haben dieselbe Wahrscheinlichkeit (also
jeweils 1/4 = 25 %). Wir erwarten also bei etwa der Hälfte der Nachkommen, dass sie homozygot sind (1/4 AA
und 1/4 BB) und für die andere Hälfte den Genotypus AB, also dass sie heterozygot sind. Viele Eigenschaften
von Lebewesen und natürlich auch des Menschen, wie z. B. auch die Neigung Allergien zu entwickeln, werden
nicht von einem, sondern von zahlreichen Genen bestimmt, sodass zahllose Muster von Genotypen auftreten
können. Der Phänotyp, d. h. die tatsächliche Eigenschaftsausprägung, ist davon abhängig, ob eines der Allele
dominant ist (d. h. dass dessen Vorhandensein im Genotyp zur Ausprägung des durch das Allel bestimmten
Merkmals führt) oder nicht. Ist bei dem einfachen Beispiel etwa A dominant, dann haben 3/4 der Nachkommen
heterozygoter Eltern die durch A bestimmten Merkmale und nur 1/4 (die mit Genotyp BB) das durch B bestimmte Merkmal. Ist kein Allel dominant, dann zeigt die Hälfte der heterozygoten Zellen das Merkmal A und die andere das Merkmal B, es kommt also zu einer Art Mischtyp (bei Pflanzen z. B. zweifarbige oder mischfarbige Blüten).
Diese Mendelschen Vererbungsregeln gelten zwar für einzelne Gene, aber durch viele Gene bestimmte Merkmale
folgen viel komplexeren Mustern.
Es gibt aber noch andere Komplikationen. Die Kopie der genetischen Information erfolgt nicht ganz fehlerfrei. Es
kann z. B. bei der Halbierung des Chromosomensatzes in der Keimbahn zu einem Fehler im Allel A kommen.
Wenn das kein essenzielles Gen betrifft, dann könnte dieser Fehler dazu führen, dass kein funktionsfähiges
Genprodukt gebildet wird. In diesem Fall tritt, trotz z. B. der Dominanz von A, beim heterozygoten Typ AB das
durch das Allel B bestimmte Merkmal in Erscheinung. Es kommt aber auch selten in der Evolution vor, dass das
durch den Fehler zustande gekommene Gen A’ einen mehr oder weniger großen Vorteil für die Nachkommen
bedeutet. In diesem Fall kann durch Selektion dieses neue Gen A’ in der Population an Verbreitung zunehmen
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und so als neue Variante zu den vorhandenen Allelen hinzukommen. Unterliegt das neue Allel A’ keinem besonderen Selektionsdruck (d. h. wird kein besonderer Vor- oder Nachteil bei der Fortpflanzung damit verbunden),
dann mischt es sich langsam mit den übrigen Allelen und erreicht ein stabiles Verbreitungsniveau.
Eine andere Möglichkeit der Veränderung der genetischen Information besteht darin, dass während früher Phasen
der embryonalen Entwicklung eine Veränderung des Erbmaterials auftritt (eine Mutation). Die meisten solcher
Änderungen sind vollständig bedeutungslos, weil sie Abschnitte des genetischen Codes betreffen, die für kein
Gen codieren. Andere betreffen zwar ein Gen, führen aber nicht zu einem veränderten Genprodukt. Schließlich
gibt es Fälle, bei denen ein Gen betroffen ist, das zu einer Veränderung des Genproduktes führt. Da in
Abhängigkeit davon, wann während der Embryonalentwicklung die Mutation auftritt, nur ein mehr oder weniger
großer Teil der Zellen des fertigen Organismus betroffen ist, kann der Effekt mehr oder weniger stark ausgeprägt
sein. Tritt eine solche Mutation z. B. in Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen auf, dann kann das später im
herangereiften Organismus z. B. die Regulation der Immunantwort beeinflussen.
Mutationen können in allen Zellen zu allen Zeiten vorkommen. Die meisten Mutationen führen aber entweder zum
Absterben der Zelle oder bleiben stumm. Mutationen in so genannten Stammzellen, das sind Zellen, aus denen
sich die Körperzellen entwickeln und so sicherstellen, dass gealterte Zellen ersetzt werden, können aber problematisch sein. Eine mutierte Stammzelle z. B. der Lymphozyten gibt an alle sich aus ihr entwickelnden
Tochterzellen diese veränderte genetische Information weiter. Bei bestimmten Mutationen kann das zur unkontrollierten Vermehrung und damit zur Leukämie führen. In anderen Fällen kann die Fähigkeit betroffen sein, die
Prüfung auf Reaktivität gegenüber Selbstantigenen zu überstehen und so eine Autoimmunerkrankung hervorrufen.
Bei der Allergie sind bereits viele Gene bekannt, für die es Allele gibt, denen ein erhöhtes Risiko, im Leben eine
Allergie zu entwickeln, zugeordnet werden kann. Solche genetische Polymorphismen erklären aber nur einen Teil
des Erkrankungsrisikos. Es ist in erster Linie die Wechselwirkung zwischen Umwelt und Erbinformation, die für
das Auftreten der Erkrankung entscheidend ist. Vor allem die immunologische Sensibilisierung durch massiven
Allergenkontakt in der frühen Kindheit scheint eine wesentliche Voraussetzung für das tatsächliche Auftreten der
Erkrankung zu sein. Auch bestimmte Infektionskrankheiten in frühen Lebensabschnitten (z. B. die Infektion mit
RS-Viren) um das 6. Lebensmonat, wenn der Schutz durch mütterliche Antikörper bereits abgenommen hat und
die eigene Abwehr des Kindes noch nicht voll ausgereift ist, scheinen bei entsprechender Vorbelastung die
Entwicklung einer allergischen Erkrankung zu begünstigen. Genetische Veranlagung ist also kein unausweichliches Schicksal. Bei ungünstigen Umweltbedingungen und einer Vielzahl anderer Bedingungen, die in dieser
Broschüre auch erörtert werden, kann es zum Auftreten der Erkrankung kommen. Aber auch Personen, bei
denen keine genetische Veranlagung zur Allergie besteht, können solche Erkrankungen entwickeln. Denn die
Ursache der Erkrankung ist eine prinzipiell völlig natürliche, bei praktisch allen Menschen von der Natur vorgesehene Reaktion auf den Angriff bestimmter Mikroorganismen. Dass diese Reaktion im Fall der Allergie als Antwort
auf harmlose Stoffe ausgelöst wird, ist leider offensichtlich nicht völlig zu vermeiden. Es ist die Eigenheit des
Immunsystems, dass es nicht ganz perfekt ist, sondern manchmal sogar den Organismus umbringt, z. B. wegen
des übertriebenen Angriffs auf einen eigentlich gar nicht sehr schädlichen Erreger (z. B. bei der fulminanten
Hepatitis).
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6
HINTERGRUND: LUFTSCHADSTOFFE
6. Hintergrund:
Luftschadstoffe
Luftverschmutzung einerseits und Allergie und Asthma andererseits sind zwar nichts vollkommen Neues, aber in
der Dimension ihrer Bedeutung für das Wohl der Bevölkerung moderne Phänomene. Luftverschmutzung ist eine
Folge des technischen Fortschritts, der Industrialisierung und Urbanisierung. Sie hat ihre schlimmsten Ausmaße,
als in den Industriezentren tags die Sonne nicht mehr sichtbar war, weit hinter sich gelassen. Trotzdem ist insbesondere durch den Kraftfahrzeugverkehr aber auch durch Industrie und Kraftwerke der Schadstoffeintrag in die
Atemluft erheblich. Auch in Innenräumen (z. B. durch Tabakrauch, Putz- und Lösungsmittel) können hohe
Schadstoffkonzentrationen auftreten und an Arbeitsplätzen gibt es ebenfalls noch Möglichkeiten zur
Verbesserung. Da wir viele Allergene über die Atemluft aufnehmen, liegt es nahe, zwischen diesen beiden
Erscheinungen – der Luftverschmutzung und dem Anstieg von Allergien und Asthma – einen Zusammenhang zu
vermuten.
Heuschnupfen wurde erstmals im Jahr 1819 beschrieben – und zwar als seltene, bis dahin ganz unbekannte
Krankheit! Das unterstreicht, dass die Allergien wirklich drastisch zugenommen haben, und zwar etwa seit der
Zeit, als die industrielle Revolution einsetzte. Es ist bezeichnend, dass Heuschnupfen zuerst in England aufgetaucht ist, dem Mutterland der Industrialisierung. Tränende Augen, verstopfte Nasen, Husten und Heiserkeit sind
seither auf dem Vormarsch, und zwar sowohl durch Allergien als auch direkt durch die Reizwirkung verschmutzter Luft. Luftverschmutzung dürfte einer der Gründe sein, warum der „westliche Lebensstil“ mit einem höheren
Allergierisiko einhergeht.
Die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen zu dieser Frage kamen aus Japan, einem Land, in dem die vorher fast gänzlich unbekannten Allergien nach dem zweiten Weltkrieg geradezu explosionsartig zugenommen
haben. Im Jahr 1953 wurde erstmals berichtet, dass Kinder in japanischen Bezirken mit höherer
Luftverschmutzung ein höheres Allergierisiko hatten. Weitere Studien kamen unter anderem zu dem Schluss,
dass sogar eine Abhängigkeit von der Entfernung zu viel befahrenen Straßen bestand: je näher, umso mehr
Allergien bei den Kindern.
Man kann aus solchen Studien nicht einfach ableiten, dass Allergie grundsätzlich durch Umweltverschmutzung
zustande kommt. In Australien gibt es eine sehr hohe Rate an Allergien und vor allem an allergischem Asthma,
und zwar beides auf dem Land deutlich höher als in den Städten. Es fällt schwer sich das australische Hinterland
als eine besonders umweltbelastete Region vorzustellen. Eine der weltweit höchsten Raten an allergischem
Asthma gibt es auf der winzigen Insel Tristan da Cunha, mitten im Indischen Ozean, auf der etwa 300 Menschen
vom Fischfang leben: Noch weiter weg von verschmutzter Luft kann man kaum wohnen.
Luftverschmutzung trägt trotz solcher Gegenbeispiele zur Entstehung von Allergie und Asthma bei. Dies geht klar
aus Versuchen hervor, in denen bei Mäusen die Entstehung allergischer Erkrankungen deutlich verstärkt wird,
wenn sie bestimmten Luftschadstoffen ausgesetzt werden. Dabei wird nicht etwa Allergie gegen die Schadstoffe
selber erzeugt, sondern die Gegenwart der Schadstoffe wirkt fördernd auf den Erwerb von Allergien gegen ganz
normale allergieauslösende Substanzen, wie Hausstaub oder Pflanzenpollen. Tatsächlich wird man ja sehr oft
Allergene gleichzeitig mit Umweltschadstoffen einatmen. Wie diese Mausversuche zeigen entstehen dann leich-
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HINTERGRUND: LUFTSCHADSTOFFE
6
ter Allergien und sie fallen schwerer aus, wäre nur das Allergen allein vorhanden. Man kann daher davon ausgehen, dass Luftverschmutzung auch beim Menschen ein Faktor für die Allergiezunahme ist, der aber durch andere Faktoren ergänzt oder überdeckt werden kann – im Fall von Tristan da Cunha zum Beispiel durch eine dort verbreitete erbliche Veranlagung.
Was ist eigentlich Luftverschmutzung? Normalerweise handelt es sich um ein äußerst komplexes Gemisch aus
Partikeln, damit assoziierten chemischen Substanzen, flüchtigen Verbindungen und Gasen. Man schätzt, dass
allein Dieselrußpartikel 10 000 verschiedene Substanzen enthalten. Für die Forschung ist diese Komplexität ebenso ein Problem wie für Regulierungsbehörden: Welche Substanzen sollte man möglichst niedrig halten? Man
kann einzelne Komponenten herausgreifen und dafür Grenzwerte festlegen, aber man muss dann damit rechnen,
dass Maßnahmen zur Reduktion dieser Komponenten, die zur Erzielung von Übereinstimmung mit den Grenzwerten ergriffen werden, die Zusammensetzung des Schadstoffgemisches ändern, aber nicht notwendigerweise
zum Besseren. So erkannte man erst durch massive Reduktion des Schwefeldioxidgehaltes der Luft durch
Brennstoffentschwefelung, Einbau von Filtern usw. die bedeutsame Rolle der Stickstoffoxide für die Luftqualität.
Diskussionen zur Luftverschmutzung beschäftigen sich oft in erster Linie mit dem Autoverkehr, während andere
Quellen für Luftverschmutzung eher ignoriert werden. Landwirtschaft trägt sogar in Städten erheblich zur
Partikelbelastung bei, Industrieabgase spielen je nach Standort eine unterschiedliche aber teils sehr erhebliche
Rolle und Hausbrand wird überhaupt gern mit Schweigen übergangen, obwohl gerade hier noch große
Verbesserungspotentiale liegen. Es gibt für Dieselruß besonders viele wissenschaftliche Studien, die sich mit allergiefördernden Effekten beschäftigen. Dieselruß kann man aber auch als Vertreter einer großen Gruppe von
Schadstoffpartikeln auffassen, die durch Verbrennung in die Luft gelangen. Eine Ölheizung ist hier genauso
Produzent wie ein Lagerfeuer oder die Zigarette – sogar eine brennende Kerze setzt Partikel frei.
Ein Beispiel für die komplizierte Situation ist der Feinstaub. Dabei handelt es sich um Partikel in der Atemluft mit
einer Größe bis ca. 2,5 μm (1 μm ist ein Tausendstel Millimeter). Diese Partikel sind für die Frage der Allergie
besonders relevant, weil sie im Gegensatz zu größeren Partikeln bis tief in die Lunge eindringen können. Eine
Schadstoffklasse für die das gleiche gilt sind ultrafeine Partikel oder Nanopartikel. Diese Partikel sind 10- bis 100mal kleiner als Feinstaub, und sie erreichen nicht nur die Lunge, sondern sie gelangen fast wie Gase in die
Blutgefäße der Lungenbläschen und werden dann im gesamten Körper verteilt. Sie erreichen sogar das Gehirn,
das normalerweise durch die Blut-Hirn-Schranke gut abgeschirmt ist. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2004 hat
gezeigt, dass Aufenthalt im Verkehr Herzinfarkte fördert (übrigens unabhängig vom verwendeten Verkehrsmittel),
und hat das vor allem auf Nanopartikel in der Luft zurückgeführt. Diese ultrafeinen, im Körper beweglichen Partikel
sind also in ganz unterschiedlichen Bereichen der Gesundheitsforschung ein heißes Eisen. Nanopartikel haben
viele Quellen, denn sie entstehen nicht nur in Verbrennungsmotoren oder bei anderen Verbrennungsprozessen,
sondern sie werden auch technisch hergestellt, im Rahmen der Nanotechnologie. Solche Partikel sind nicht automatisch gesundheitlich bedenklich, aber man muss darauf hinweisen, dass hier noch zu wenig Forschungsresultate über gesundheitliche Wirkungen vorliegen, was in offensichtlichem Kontrast zu der Beliebtheit steht, mit der
sie in unterschiedlichsten industriellen und Konsumentprodukten eingesetzt werden.
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6
HINTERGRUND: LUFTSCHADSTOFFE
Es gibt umfangreiche Daten und Regelwerke im Zusammenhang mit Giftigkeit oder Krebsgefährlichkeit von
Chemikalien, aber Auswirkungen auf das Immunsystem sind wesentlich weniger bekannt. Der Einfluss von
Schadstoffen auf das Immunsystem kann sehr kompliziert sein und auf unterschiedlichen Wirkungsmechanismen
beruhen. Es kann zu einer Hemmung oder zu einer Förderung der Immunabwehr kommen, und diese kann allgemeiner Natur sein oder nur einen Teil der Immunsystems betreffen. Es ist denkbar, dass die Wirkung nur bei
besonders anfälligen Personen eintritt, nur bei erkrankten oder sogar nur bei solchen, die gerade eine ganz
bestimmte Krankheit durchmachen. Wenn man überhaupt keine Informationen darüber hat, welche Wirkungen
auftreten können, dann ist es äußerst schwer Immunwirkungen nachzuweisen, weswegen große Anstrengungen
zur Entwicklung geeigneter Meßmethoden unternommen werden. Aber selbst wenn man mittels geeigneter
Methoden Auswirkungen auf das Immunsystem beobachtet hat, ist die Interpretation solcher Befunde nicht einfach. Eine Förderung des Immunsystems beispielsweise darf man sich nicht als einen Beitrag zur Gesundheit vorstellen. Das Immunsystem soll ja nur dann aktiv werden, wenn wirklich gefährliche Krankheitserreger vorhanden
sind. In jedem anderem Fall ist Immunaktivierung eine im besten Fall sinnlose Maßnahme; schlimmstenfalls kann
sie zu schweren Immunerkrankungen führen. Beispiele für Krankheiten, die von einem übermäßig aktiven
Immunsystem ausgelöst werden, sind Allergien, Asthma und so genannte Autoimmunerkrankungen (z. B. Typ 1
Diabetes, Multiple Sklerose und Rheumatoide Arthritis).
Neben Partikeln oder daran gebundenen Chemikalien treten noch flüchtige Verbindungen auf, wie etwa die
Substanzen, die man als Benzindämpfe riechen kann, sowie Gase, die oft geruchlos sind und die uns dadurch
keinen wahrnehmbaren Hinweis auf ihre Existenz geben. Für solche schädliche Wirkungen müssen Gase unter
Umständen nicht einmal direkten Kontakt mit Menschen haben. Allergene können durch Ozon und
Stickstoffoxide, die wichtigsten Bestandteile von Sommersmog, chemisch verändert (nitriert) werden.
Aus dem ganzen Gemisch von Schadstoffen wird oft nur ein einzelner in Versuchsanordnungen getestet, aber in
der Regel atmen wir eine ganze Reihe davon gleichzeitig ein und nehmen zusätzlich noch Stoffe auf anderen
Wegen auf, wie durch die Haut und über die Nahrung. Nach all diesen Überlegungen ist es verständlich, dass
sich Allergieforscher gern darum drücken, klare Aussagen zu machen und eindeutige Empfehlungen zu geben:
Es ist ein sehr kompliziertes Feld und kein Fachmann will sich gern mit Aussagen zitieren lassen, die nicht eindeutig zu belegen sind und die sich vielleicht später als falsch herausstellen.
Versuchen wir es trotzdem! Wenn man im Sinn behält, dass das Gebiet in rascher Entwicklung ist und dass sich
Empfehlungen darum auch wieder ändern können, kann man versuchen, einige Hinweise zu geben. Zunächst
scheint es wahrscheinlich, dass gesunde Menschen für Luftschadstoffe in den heute gemessenen
Konzentrationen nicht übermäßig empfindlich sind, dass aber kranke, geschwächte oder infolge angeborener
oder erworbener Empfindlichkeit besonders anfällige Personen ein erhöhtes Risiko tragen. Wenn sich jemand
ohne Beschwerden den Schadstoffen eines verrauchten Beisels aussetzen kann, dann spricht auch grundsätzlich nichts dagegen, Stadtluft einzuatmen. Aber Allergiker und Asthmatiker sollten Luftschadstoffe ernst nehmen
und versuchen, ihre eigene Belastung niedrig zu halten. Für Kinder mit möglicherweise erhöhtem Risiko aufgrund
bereits bestehender Erkrankungen an Allergien oder Asthma in der Familie sollten die Eltern die vorsorglichen
Maßnahmen treffen.
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HINTERGRUND: LUFTSCHADSTOFFE
6
Tun Sie sich und ihren Nachbarn einen Gefallen und überlegen Sie, ob ihre Hausheizung auf dem neuesten Stand
ist. Falls sie eine neue beschaffen, dann fragen sie den Verkäufer nach den Abgaswerten und denen für Feinstaub
(und für Nanopartikel). Lassen sie sich Vergleichstests dafür zeigen. Wenn ihr Verkäufer nicht weiß, wovon sie
reden, suchen sie sich einen anderen. Denken sie daran, dass nachwachsende Rohstoffe wie Holz und nicht
nachwachsende Rohstoffe wie Öl beide Partikel, flüchtige Chemikalien und Gase erzeugen. Die Frage nach den
Schadstoffen bleibt ihnen bei keinem Energieträger erspart. Selbst bei einer Elektroheizung verlagern sie dieses
Problem ja lediglich zu ihrem Stromlieferanten.
Wenn Sie sich für ein Auto entscheiden, dann sollten nicht die PS und die Lackfarbe im Vordergrund stehen, sondern der Verbrauch und die Abgaswerte sowie der Partikelausstoß. Moderne Motoren haben normalerweise
deutlich bessere Schadstoffwerte als ältere, weil sie technisch immer ausgereifter, in der Verwertung des
Kraftstoffes effizienter werden. Ein besonders umweltfreundlicher Wagen ist zehn Jahre nachher im Vergleich zu
moderneren Modellen wahrscheinlich eher schon eine Dreckschleuder.
Im Auge behalten sollte man das Problem der Nanopartikel. Wissenschaftler, Ärzte und Behörden möchten in der
Regel, dass die Schadstoffkonzentration in der Umwelt möglichst weit gesenkt wird. Je weniger Masse des
Schadstoffes in die Umwelt gelangt, umso besser. Diese Faustregel ist für Partikel nicht unbedingt richtig! Wenn
größere Partikel in der Luft vermindert werden, dann sinken Partikelkonzentration und vor allem die
Partikelmasse. Aber bei diesen Messungen werden die extrem kleinen Nanopartikel kaum erfasst, weil sie ganz
wörtlich „nicht ins Gewicht fallen“. Wenn nun gleichzeitig die Nanopartikel zunehmen sollten, dann verschlechtert
sich unter Umständen die Lage, obwohl die gemessenen Partikelwerte fallen. Es wird erforderlich sein,
Nanopartikel regelmäßig zu messen, also bei Umweltmessungen nicht nur die Partikelmasse zu erfassen, sondern die einzelnen Größenklassen separat zu bestimmen. Wieweit Nanopartikel Umwelt und Gesundheit gefährden, dazu ist noch viel zu untersuchen, und dazu werden Sie in den nächsten Jahren sicher noch einiges lesen.
Abbildung 6:
Immunzellen im Kontakt mit
Rußpartikeln. Die Zellen nehmen die Partikel auf, um sie
für das Immunsystem zu verarbeiten. Die gezeigten Partikel sind überwiegend sehr
groß, wie man sie etwa in
Straßenstaub finden kann.
Nanopartikel wären auf dem
Foto nicht mehr zu erkennen.
(Foto: Mag. Ines Grieshuber,
Universität Salzburg)
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7
HINTERGRUND: HYGIENE UND ALLERGIE
7. Hintergrund:
Hygiene und Allergie
Familiäre Häufung einzelner allergischer Erkrankungen sowie Studien an Zwillingen belegen eine erbliche
Komponente von Allergien. Doch der deutliche Anstieg in der Häufigkeit von Allergien gegen Atemwegsallergene
und insbesondere von Asthma und Heuschnupfen lässt sich nicht durch genetische Ursachen erklären, sondern
muss in äußeren Ursachen gesucht werden. Der Begriff der „Hygiene-Hypothese“ ist zum oft gehörten
Schlagwort geworden, welches allerdings den Nachteil besitzt, dass vielfach Unklarheit darüber besteht, was die
Hypothese eigentlich besagt.
7.1 Zum Verständnis der Hygiene
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatten Kanalisation und verbesserte Trinkwasserversorgung in weiten Teilen
Europas zu einem Verschwinden schwerer Seuchen wie Cholera und Typhus geführt, aber auch das Auftreten
von Durchfallserkrankungen insgesamt verringert und so zu einer markanten Reduktion der Sterblichkeit, besonders aber der Kindersterblichkeit beigetragen. Der kostspielige Bau von Kanalisationen in den Städten und die
Sicherung der Versorgung mit sauberem Trinkwasser war der Überzeugungskraft einiger Hygieniker und
Vorsorgemediziner zu danken, die zwar manchmal, wie wir heute wissen, von ganz falschen Annahmen über die
Entstehung der Seuchen ausgingen, nichtsdestoweniger aber das Wasser als den Mittler der genannten Seuchen
richtig erkannt haben. Dass man große Städte wie München oder Wien ganz aufgegraben hat, um
Abwasserkanäle zu errichten, nur weil einige Professoren behaupteten, dass die Seuchen durch deren
Ausdünstungen oder die Nähe der Senkgruben zu Brunnen entstünden, erscheint heute wie ein Märchen. Doch
nicht nur Infektionskrankheiten standen im Blickpunkt der Vorsorgemediziner. Mit oft visionären sozialen Zielen
widmeten sie sich besseren Wohnverhältnissen, hellen Klassenzimmern in den Schulen und sicheren
Arbeitsplätzen. Raum für Intimsphäre, frische Luft und Sonnenlicht im Wohnbereich und eine ansprechende
Umwelt waren ihnen ebenso wichtig wie die Verringerung von Giften und Stäuben in den Fabriken.
Am brennendsten schien allerdings das Problem der Infektionskrankheiten, gegen die es damals noch keine spezifische Therapie gab und die oft plötzlich und massenhaft zu schwerem Leiden und Tod führten und die an der
Spitze der Todesursachen standen wie heute Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen. Mangels erfolgreicher
Therapiemöglichkeiten wurde der Vorsorge auch von staatlicher Seite besondere Aufmerksamkeit geschenkt, die
etwa als „medizinische Polizei“ auch zu strengen Kontrollmaßnahmen bis in den Intimbereich und zur Überwachung aller Bereiche mit erhöhtem Gefährdungspotential von der Prostitution bis zum Gastgewerbe und
Lebensmittelhandel führte.
So erfolgreich diese Maßnahmen in der Bekämpfung vieler Leiden waren, zeigten sich doch unerwartete und
unerwünschte Nebenwirkungen. Die Kinderlähmung war ursprünglich so weit verbreitet, dass Kinder überwiegend bereits im Säuglingsalter die Infektion durchmachten, zu einem Zeitpunkt, als sie noch durch mütterliche
Abwehrstoffe vor schwerer Erkrankung geschützt waren, und erwarben dadurch eine bleibende Immunität. Als
sich die Trinkwasserqualität so weit gebessert hatte, dass viele Kinder erst bei Schuleintritt mit dem Virus in
Kontakt kamen, erkrankten sie so schwer, dass bleibende Lähmungen oder gar der Tod die Folge waren. Die
Seuche nahm in manchen Regionen derartige Ausmaße an, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr in die Schule
schickten. Die Antwort der Hygiene auf dieses Problem war selbstverständlich nicht die Wiedereinführung kontaminierten Trinkwassers. Inzwischen war die Entwicklung immunologischer Kenntnisse und Methoden glücklicher-
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HINTERGRUND: HYGIENE UND ALLERGIE
7
weise so weit fortgeschritten, dass man innerhalb kurzer Zeit zuerst einen Impfstoff mit abgetöteten Viren und
dann eine Schluckimpfung mit abgeschwächtem Lebendvirus herstellen konnte, die massenhaft verabreicht wurden, was die Seuche rasch beendet hat. Inzwischen haben die konsequenten Impfprogramme in Europa zur fast
vollständigen Ausrottung des Poliovirus geführt. In Österreich gibt es seit mehr als 20 Jahren keinen Fall von
Kinderlähmung mehr.
Während sich die Heilkunst mehr mit den Mechanismen der Krankheit befasste, in die einzugreifen Linderung der
Beschwerden versprach, interessierte sich die Hygiene dafür, deren Ursachen zu bekämpfen, um das Entstehen
von Krankheit zu verhindern. Mit der Entdeckung der Bakterien und später von spezifischen Stoffen zur Bekämpfung dieser Keime, der Antibiotika, war erstmals die Möglichkeit gegeben, in ein Krankheitsgeschehen kausal einzugreifen. Aus Vertretern der Hygiene, welche die Bedingungen von Gesundheit und Krankheit sehr umfassend
betrachteten, wurden nun Mikrobiologen, die sich oft ausschließlich mit den Resistenzen und Empfänglichkeiten
von Keimen gegenüber Antibiotika befassten.
Der Begriff „Hygiene“ beschreibt daher sowohl die umfassende Sorge für die Gesundheit, als auch persönliche
Vorsorgemaßnahmen (etwa im Sinne von Reinlichkeit), staatliche Kontrolle eben dieses persönlichen Verhaltens
und auch in einem recht engen Sinn die Bekämpfung krankmachender Mikroorganismen.
7.2 Die Geburt: eine Herausforderung für das Immunsystem
Das Ungeborene (der Fetus) wächst in der relativ geschützten Umwelt der Gebärmutter heran. Er ist aber rundum von körperfremdem Gewebe umgeben, denn schließlich ist seine Mutter zwar verwandt aber nicht identisch
mit ihm. Im Mutterkuchen stehen sein Blutkreislauf und der der Mutter in sehr engem Nährstoff-, Sauerstoff- und
Hormonaustausch. Wichtig ist in dieser Phase ein hohes Maß an „immunologischer Toleranz“ von beiden Seiten,
so dass es nicht zu gegenseitigen Abstoßungsreaktionen kommt. Ein komplexes System von Hormonen und zellulären Botenstoffen trägt auf beiden Seiten dafür Sorge und auf der Seite des Fetus noch zusätzlich der unausgereifte Zustand des Immunsystems.
Mit der Geburt ist plötzlich alles anders: Schon im Geburtskanal aber noch mehr „im Licht der Welt“ ist der
Säugling einer Vielzahl mehr oder weniger feindlicher Organismen ausgesetzt. Viren, Bakterien, Pilze, Protozoen
und Würmer betrachten ihn als günstigen Nährboden oder wenigstens als geeignetes Biotop. Gegen jede dieser
Gefahren hat uns die Evolution mit Abwehrmechanismen ausgestattet. Die kleinen Viren werden direkt von körpereigenen Fresszellen verschluckt und verdaut, die Bakterien werden zuerst durch zirkulierende Antikörper gefesselt und dann mittels vereinten Angriffs der Abwehr-Zellen unschädlich gemacht. Gegen die größeren tierischen Parasiten (Protozoen und Würmer) sind aufwendigere Strategien erforderlich: Antikörper der Klasse E (IgE)
rufen eine lokale Entzündungsreaktion hervor, die Zellen zur Sekretion zytotoxischer Stoffe anregt, weitere Abwehrzellen anlockt und die Gewebsregion insgesamt unwirtlich macht.
41
7
HINTERGRUND: HYGIENE UND ALLERGIE
Der einfache Auslöser der Abwehrreaktion mittels bindungsstarker IgE-Immunglobuline dürfte das Signal „groß
und fremd“ sein. Was aber, wenn in unserer reinen Umwelt nichts Böses daherkommt, auf den dieser Steckbrief
passt? Wenn zusätzlich eine erbliche Empfindlichkeit und eventuell weitere entzündungsfördernde Umweltreize in
dieser entscheidenden Phase dazukommen, kann das Immunsystem auch auf völlig harmlose Körper aus der
Umwelt ansprechen, die dieser einfachen Beschreibung entsprechen: Allergene (für den hier besprochenen Typ
von Allergie) sind zumeist Körper von der Größe tierischer Zellen, die an ihrer Oberfläche Eiweißstrukturen oft in
Verbindung mit Kohlenhydraten tragen, die sie als „fremd“ charakterisieren.
Was Hänschen nicht lernt ... Doch viel schlimmer: Was unser Immunsystem einmal gelernt hat, vergisst es nicht
so leicht wieder: So kommt es, dass wir oft lebenslang auf Pflanzenpollen, Tierhaare oder Milbenkot mit einer heftigen Entzündungsreaktion reagieren. Schlimmer noch: die einmal eingelernte Reaktion kann auch auf andere
ähnliche Fremdstoffe übertragen werden, so dass mit der Zeit Allergien gegenüber immer mehr Stoffen bestehen.
7.3 Die Hygienehypothese
Der oben geschilderte Mechanismus ist nicht nur plausibel; er wird auch durch experimentelle Befunde gestützt.
Er ist die Kernaussage der so genannten Hygienehypothese: Mangelndes Training des Immunsystems kurz nach
der Geburt begünstigt das Auftreten von Typ I Allergien. Doch wie relevant ist dieser Mechanismus in Wirklichkeit?
Schon länger ist bekannt, dass Einzelkinder oder die Erstgeborenen ein höheres Allergierisiko haben als die jüngeren Geschwister, welche wohl schon früh mit verschiedenen Keimen in Kontakt kommen, die die älteren
Geschwister mit nach Hause bringen. Im deutschen Ost-West-Vergleich gleich nach der Vereinigung zeigte sich,
dass die Kinder im Osten im Durchschnitt viel weniger spezifisches IgE gegen Allergene hatten, aber dennoch
hohe IgE-Titer, wahrscheinlich gegen parasitäre Erkrankungen.
In der „Bauernhofstudie“ in der Schweiz, Österreich und Süddeutschland wurde gezeigt, dass Bauernhofkinder
seltener Allergien entwickeln. Ihre Nachbarkinder, die nicht am Bauernhof aufwuchsen, hatten ein 5-fach höheres Risiko. Als bestes Maß für diesen „Bauernhof-Schutzfaktor“ erwies sich Endotoxin, ein aktiver Bestandteil der
Zellmembran bestimmter (gramnegativer) Bakterien: Je höher – in gewissen Grenzen – die Konzentration von
Endotoxin im Kinderzimmer war, desto seltener entwickelten die Kinder Allergien. Endotoxin hat aber auch ein
äußerst hohes Entzündungspotential, daher häuften sich asthmatische Atemwegssymptome, die allerdings nicht
allergisch, sondern unmittelbar entzündlich ausgelöst waren, wenn die Entoxin-Konzentration noch höher
anstieg. Unter anderen Umweltbedingungen lässt sich nur der schädliche Effekt von Endotoxin beobachten. Dies
hat etwa eine Studie an Kindern in Hütten der eingeborenen Bevölkerung in Neuseeland gezeigt.
In ländlichen Gebieten von Entwicklungsländern sind Allergien bis heute praktisch unbekannt. Doch fordern dort
bakterielle und parasitäre Infektionskrankheiten Jahr für Jahr einen hohen Preis. Die Hygienehypothese beschreibt
somit wohl einen wesentlichen Mechanismus, soll aber nicht als Auforderung „zurück zum Dreck“ verstanden
werden.
7.4 Die Wohnung ist kein Operationssaal
Die beschriebenen Zusammenhänge sollten jedoch als Warnung dienen, die Reinlichkeit nicht zu übertreiben. Ein
Waschmittel wurde mit dem Slogan „nicht nur sauber, sondern rein“ beworben, mit der Information, dass es auch
bakterienabtötend, also „porentief rein“ wirke. Dem ist entgegenzuhalten, dass eine vernünftige Sauberkeit im
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HINTERGRUND: HYGIENE UND ALLERGIE
7
täglichen Leben in aller Regel ausreicht. Die Werbung propagiert Desinfektionsmittel im Haushalt mit dem
Versprechen, dass man dann das Schoßhündchen mit gutem Gewissen beim Kind im Bett schlafen lassen
könne, oder gar, dass man dann aus der Toilette essen könne. Der Hund gehört aber nicht ins Bett und auch aus
der Toilette zu essen, ist nicht anzuraten, Sauberkeit hin, Sauberkeit her. Wenn man einfache Regeln persönlicher
Sauberkeit beachtet, kann man auf die chemische Keule in der eigenen Wohnung verzichten. Ausnahmen mögen
gegeben sein, wenn sich eine Person mit Immunschwäche in der Wohnung aufhält oder beim Auftreten bestimmter Infektionskrankheiten.
7.5 Impfungen bleiben notwendig
In manchen Ländern hat oft aus unbegründeter Furcht vor Nebenwirkungen oder einer völlig falschen Auffassung
natürlichen Aufwachsens der Kinder die Bereitschaft, die Kinder impfen zu lassen, in unverantwortlicher Weise
abgenommen. So nahmen etwa in England wegen einer längst widerlegten Furcht, die Mumpsimpfung könnte
das Risiko für Autismus erhöhen, die Impfungen ab mit dem Ergebnis, dass 70.000 Mumpsfälle auftraten, dazu
wurden Fälle noch in andere Länder „exportiert“. Zu den eigentlich schon kriminellen Aktionen gehört das bewusste Herbeiführen von Masern in so genannten Masern-Partys. Masern sind eine gefährliche Infektionskrankheit, die schwere, sogar tödliche Verläufe haben kann und die weltweit laut WHO die Hälfte aller durch Impfungen
vermeidbaren Todesfälle hervorruft.
Die Impfgegnerschaft mit der Hygienehypothese zu begründen, ist lächerlich. Wir sind in unserer Umwelt gegenüber Millionen von unterschiedlichen Mikroorganismen und Viren exponiert, aber nur gegen etwa ein Dutzend
haben wir Impfungen, die im Kindesalter empfohlen werden. Der Kontakt mit Keimen, die das Immunsystem
beschäftigt halten, die aber meist nicht zu sichtbaren Erkrankungszeichen führen, nimmt ab, wenn das Kind ein
Einzelkind ist, wenig oder keinen Kontakt mit anderen Kindern und naturnahen Umwelten hat, wenn seine unmittelbare Umwelt ständig mit aggressiven, antimikrobiellen Substanzen gereinigt wird. Das kann durch die Impfung
mit einigen wenigen Antigenen nicht aufgewogen werden. Die Impfungen sind nach wie vor unverzichtbar als
Schutz für den Einzelnen und für die Allgemeinheit, Allergien werden davon gar nicht berührt.
Auch die Auffassung, dass durch Impfungen Allergien entstehen können, ist unbegründet. Es ist möglich, dass
Personen, die vorher gegenüber Substanzen, die in einem oder den anderen Impfstoff enthalten sind (z. B.
Hühnereiweiß), sensibilisiert wurden, auf die Impfung allergisch reagieren. Das kann aber, wenn es vorher bekannt
ist, durch geeignete Wahl des Impfstoffes vermieden werden. Vielleicht ist diese Annahme dadurch entstanden,
dass nach Impfungen manchmal lokale Hautreaktionen auftreten, die einer allergischen Reaktion ähneln, aber
harmlos sind und ohne Folgen wieder verschwinden. Diese lokalen Reaktionen sind nur ein Zeichen für ein gutes
Ansprechen der Impfung, denn sie beruhen auf der Reaktion lokaler Immunzellen, die sogar erwünscht ist, weil
sie zu einer sehr effizienten Aktivierung von Zellen führt, die für den Impfschutz wichtig ist.
Impfungen bleiben die einzige wirksame Waffe gegen die schweren Infektionskrankheiten, die in der
Vergangenheit Millionen Menschenleben gefordert haben und in Entwicklungsländern, die sich die Impfungen
nicht leisten können, noch heute Millionen Menschen dahinraffen. Nur weil wir diese Krankheiten bei uns nicht
mehr kennen, sind sie kein bisschen weniger gefährlich. Ein Nachlassen beim Impfen und es kann ganz schnell
gehen, dass die verschwundenen Krankheiten wieder auftauchen, wie das Beispiel der Diphtherie in den
Nachfolgestaaten der Sowjetunion zeigt. Erst wenn eine Krankheit weltweit ausgerottet ist und keine Tiere als
Überträger in Frage kommen, kann man die Impfung beenden, was bisher nur bei den Pocken gelungen ist.
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WIE KANN MAN ALLERGIEN ERKENNEN?
8. Wie kann man
Allergien erkennen?
Das klinische Erscheinungsbild einer Allergie ist ausgesprochen vielfältig. Die Ausprägung der Reaktionen hängt
von der für die Allergie verantwortlichen Substanz (dem Allergen) wie auch von der Lokalisation des Auftreffens
des Allergens auf die Körperoberfläche (Haut oder Schleimhäute) ab und davon, ob das Allergen von der
Eintrittsstelle in andere Körperregionen verteilt wird. Nach Allergenkontakt können bei IgE-vermittelten Überempfindlichkeitsreaktionen vom Soforttyp (Typ I) entweder lokal begrenzte Körperareale oder der ganze Körper (in
einer so genannten systemischen Reaktion) innerhalb kurzer Zeit (wenige Sekunden bis zu 30 Minuten) betroffen
sein.
Bei Allergien besteht ein wiederholbarer Zusammenhang zwischen Allergeneinwirkung und Auslösung der entsprechenden Symptomatik. Für Patienten ist jedoch nicht immer klar, dass eine Überempfindlichkeitsreaktion vorliegt. Wichtig ist es, bei Verdacht den Arzt aufzusuchen, um entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Allergien gehen nicht immer mit klassischen Symptomen, wie beispielsweise allergischem Schnupfen und/oder
Atemnot einher, sondern werden häufig gar nicht als solche erkannt. Ziel dieses Kapitels ist es daher, neben typischen allergischen Erkrankungsformen auch untypische Reaktionsweisen zu beschreiben, um den Zusammenhang mit einer möglichen allergischen Ursache zu verdeutlichen.
8.1 Allergische Reaktionen der oberen Atemwege und des Auges
Eines der bekanntesten allergischen Symptome ist der Heuschnupfen, in medizinischer Fachsprache allergische
Rhinitis genannt. Diese Form der allergischen Reaktion wird häufig von einer Entzündung der Bindehaut der
Augen begleitet, in Fachkreisen auch als allergische Rhinokonjunktivitis bezeichnet. Die entzündliche Reaktion der
Nasenschleimhäute stellt die lokale Reaktion nach Kontakt mit eingeatmeten Allergenen dar. Durch Freisetzung
von Histamin und weiteren hochaktiven Substanzen (Mediatoren) aus den Effektorzellen kommt es zu den klassischen Symptomen der Entzündung, also zum Anschwellen und zur Rötung der Schleimhaut und zur Sekretbildung. Der allergische Patient leidet unter einer zugeschwollenen, ständig laufenden Nase mit häufigen
Niesanfällen. Darüber hinaus ist auch die Schleimhaut der Nasennebenhöhlen betroffen. Hier führen über längere Zeiträume bestehende Entzündungen zu einer überschießenden Gewebsreaktion mit Ausbildung von
Wucherungen (Polypen).
Bei zusätzlichen Reaktionen der Konjunktiva, der Bindehaut des Auges, kommt es in diesem Bereich zur typischen Rötung, Schwellung und zu dem von den Patienten oft als sehr störend empfundenen Juckreiz.
8.2 Allergische Reaktionen der Lunge
Beim allergischen Asthma bronchiale steht für Patienten symptomatisch die eingeschränkte Atemleistung im
Vordergrund. Unter Asthma bronchiale versteht man eine variable, reversible, also nicht ständig auftretende
Verengung (Obstruktion) der Atemwege, die als Folge eines entzündlichen Geschehens und einer bronchialen
Überreaktivität auftritt. Nach Einatmen (inhalative Aufnahme) der entsprechenden Allergene wird in der
Bronchialschleimhaut durch Kreuzvernetzung (mehrere IgE-Moleküle binden gleichzeitig an das Allergen) der
Mastzell-gebundenen spezifischen IgE-Antikörper die Ausschüttung der in den Zellen enthaltenen Botenstoffe
ausgelöst (siehe auch Kapitel 2 “Hintergrund: Komponenten des Immunsystems”). Dies führt in weiterer Folge zu
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WIE KANN MAN ALLERGIEN ERKENNEN?
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erhöhter Durchlässigkeit des Gewebes, zu Schleimhautschwellung und vermehrter Schleimbildung. Der Patient
bemerkt dies als zähen, schwer abzuhustenden Schleim. Weiters besteht im akuten Asthmaanfall eine krampfartige Verengung der Bronchialmuskulatur. All diese Faktoren führen dazu, dass eingeatmete Luft vom Patienten
nicht mehr ausgeatmet werden kann (es kommt zum so genannten „Air-trapping“), was folglich im akuten Anfall
zu einer Sauerstoffunterversorgung führt. Beim allergischen Asthma tritt nicht nur innerhalb kurzer Zeit eine
Reaktion der Atemwegsschleimhaut und Bronchialmuskulatur auf, sondern es erfolgt zusätzlich 4-8 Stunden
nach Allergenkontakt durch Neubildung von Entzündungsbotenstoffen ein Abfall der Atemleistung. Dies wird vom
Patient als erneuter Asthmaanfall wahrgenommen, der wieder medikamentöse Behandlung erfordert. Durch
diese Reaktion in der Lunge werden weitere Entzündungszellen angelockt, darunter die eosinophilen Granulozyten (siehe auch Kapitel 2 “Hintergrund: Komponenten des Immunsystems”). Diese Zellen sind unter anderem
dafür verantwortlich, dass bei längerfristigem Bestehen einer asthmatischen Entzündung das Lungengewebe
durch Umbau krankhaft verändert wird.
8.3 Allergische Reaktionen der Haut
Allergische Erkrankungen manifestieren sich häufig auch als Hautreaktionen. Ein typisches Beispiel hierfür ist die
Nesselsucht (Urtikaria). Auch hier wird die Symptomatik nach Allergenkontakt durch Freisetzung von Botenstoffen
aus Mastzellen ausgelöst, wodurch es in der Haut zu einer Weitstellung und erhöhten Durchlässigkeit der kleinen
Gefäße kommt. Dies verursacht eine Hautrötung und Flüssigkeitsansammlung im Gewebe. Es zeigen sich rote
Erhabenheiten der Haut, die eine Größe zwischen wenigen Millimetern bis zu mehr als einer Handfläche entwickeln können. Häufig treten zusätzlich tiefer sitzende, oft massive Schwellungen auf, so genannte Angioödeme.
Diese verursachen im Gegensatz zu den oft heftig juckenden urtikariellen Läsionen mildere Beschwerden für den
Patienten.
Weiters wird das atopische Ekzem, auch atopische Dermatits oder Neurodermitis genannt, mit allergischen
Erkrankungen in Verbindung gebracht. Obwohl nicht ausschließlich eine allergische Grunderkrankung hinter dieser stark juckenden, schubartig oder chronisch verlaufenden Hautentzündung steht, lässt sich oft eine familiäre
Häufung feststellen, die – wie der Name schon andeutet – mit einer genetisch bedingten, atopischen Neigung
einhergeht. Weiters ist die IgE-Produktion chronisch erhöht und meist werden auch spezifische IgE-Antikörper
gegen verschiedenste inhalative und/oder Nahrungsmittelallergene festgestellt. Beim Patienten treten herdförmig
Rötung, Nässen und Schuppung, vor allem an den Beugeseiten der Gelenke, im Gesicht, am Nacken, auf der
Schulter und der Brust auf.
Zum Formenkreis der Typ-IV-Reaktionen und somit nicht zu den IgE-vermittelten Typ I Allergien gehört das allergische Kontaktekzem, das durch eines der bisher beschriebenen über 3.000 Kontaktallergene (beispielsweise
Chemikalien, Arzneimittel, pflanzliche Substanzen etc.) ausgelöst werden kann. Hierbei kommt es, wie bei der
klassischen IgE-vermittelten Allergie, nach einem symptomfreien Erstkontakt, bei dem diese Überempfindlichkeit
erworben wird, bei erneutem Kontakt nach 4-72 Stunden zu einer Zell-vermittelten Entzündungsreaktion der
Haut. Der Patient bemerkt eine häufig intensiv juckende oder brennend-schmerzhafte, gerötete Haut. In schweren Fällen zeigt sich Blasenbildung oder Entstehung von oberflächlichem Gewebsverlust. Es besteht jedoch
immer eine scharfe Begrenzung der Reaktion auf das Hautareal, das mit der auslösenden Substanz in Kontakt
gekommen ist.
45
8
WIE KANN MAN ALLERGIEN ERKENNEN?
8.4 Allergien auf Nahrungsmittel zeigen unterschiedliche Beschwerdebilder
Nahrungsmittelallergien sind vor allem im Kindesalter anzutreffen, spielen aber auch bei Erwachsenen aufgrund
der oft heftigen Reaktionen eine wichtige Rolle. Nach Erwerben der Überempfindlichkeit gegen einen
Nahrungsbestandteil kann bei erneutem Kontakt durch die bereits gebildeten IgE-Antikörper das
Nahrungsprotein die Freisetzung von Botenstoffen vor allem aus Mastzellen im Gewebe auslösen. Diese
Botenstoffe vermitteln nun auch im Fall der Nahrungsmittelallergie die oben beschriebenen klinischen Symptome.
So kann es einerseits zu lokalen Reaktionen wie Jucken, Bläschenbildung und Schwellungen im Bereich des
Mundes und Rachens kommen. Nach Verschlucken der Nahrung ist auch der Magen-Darm-Trakt an der
Symptomatik beteiligt. Häufige Symptome bei nahrungsmittelallergischen Patienten sind Übelkeit, heftiges
Erbrechen oder Durchfälle. Bei Aufnahme des Proteins in den Körperkreislauf ist auch eine Beteiligung der
Atemwege beziehungsweise der Haut möglich. Darüber hinaus können innerhalb kürzester Zeit sehr heftige,
manchmal sogar lebensbedrohliche Reaktionen auftreten, die als anaphylaktischer Schock bezeichnet werden
und mit Abfall des Blutdrucks einhergehen (siehe Tabelle 4).
Tabelle 4: Klinische Beschwerdebilder bei IgE-vermittelten Nahrungsmittel-Überempfindlichkeiten
MAGEN-DARM-TRAKT
Orales Allergiesyndrom (Jucken, Bläschenbildung
und/oder Schwellungen im Lippen- und Mundbereich),
Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
HAUT
Rötungen und Erhabenheiten der Haut,
Schwellungen in tiefer liegenden Geweben
ATEMWEGE
Allergischer Schnupfen, Asthma, Husten
GENERALISIERT
Anaphylaktischer Schock
Die Stabilität der Nahrungsbestandteile gegenüber dem Abbau im Magen-Darm-Trakt oder die Verdauungskapazität dieser Organe ist für das Potential Allergien auszulösen verantwortlich. So sind verdauungsstabile
Proteine häufig für besonders heftige klinische Symptome verantwortlich. Die Verdauung ist daher sowohl für die
Entwicklung, wie auch für die Ausprägung der klinischen Symptome bei bestehender Allergie von großer Bedeutung. Erst kürzlich konnte gezeigt werden, dass eine Verringerung des Säuregehalts des Magensaftes (beispielsweise bei Einnahme von Magensäureblockern) mit einem verminderten Abbau von Nahrungsmittelallergenen und
daher mit einem erhöhten Risiko, eine Allergie zu entwickeln, einhergeht. Umgekehrt wurde gezeigt, dass die
Behinderung der Verdauung von Nahrungsmittelproteinen eine Gefahr für bereits allergische Patienten darstellt,
da diese schon bei sehr geringen Allergenmengen mit heftigen Beschwerden reagierten (siehe auch Kapite 3
“Allergene: Eigenschaften, Verbreitung, Häufigkeit”).
8.5 Auch Insektengifte und Medikamente können allergische Reaktionen auslösen
Eine weitere Form des allergischen Beschwerdebildes ist die Insektengiftallergie, die oft durch schwerwiegende
Reaktionen und somit Gefährdung für die betroffenen Personen gekennzeichnet ist. Dies führt in manchen Fällen,
aufgrund der Notwendigkeit, Regionen, in denen die Insekten vorkommen, zu meiden, zu einer Beeinträchtigung
der Lebensqualität. Dies ist dann der Fall, wenn bereits einmal eine Schockreaktion (Anaphylaxie) aufgetreten ist.
Bei der klassischen IgE-vermittelten Insektengiftallergie treten heftige generalisierte Reaktionen auf und verursachen neben großflächiger Beteiligung der Haut auch Beschwerden im Bereich der Atemwege und des MagenDarm-Trakts. Wird das Insektengift in höherer Menge über den Blutweg rasch im Körper verteilt, besteht eine
akute Schockgefahr (siehe auch Abschnitt 2.2 “ Warum ist Allergie gefährlich?”).
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WIE KANN MAN ALLERGIEN ERKENNEN?
8
Auch Überempfindlichkeitsreaktionen auf Medikamente können sehr unterschiedliche klinische Erscheinungsformen aufweisen. Gerade bei dieser Allergieform muss man die unterschiedlichen zugrunde liegenden Auslösungsmöglichkeiten in Betracht ziehen. IgE-vermittelte Überempfindlichkeitsreaktionen auf Medikamente sind durch ein
großes Spektrum an Erscheinungsformen gekennzeichnet, die von Entzündungen der Augenbindehaut, über
Beteiligung der Atemwege (von allergischem Schnupfen bis zu Atemnotsymptomen) und der Haut (Urtikaria,
Angioödem), bis zum schweren anaphylaktischen Schock reichen. Bei den nicht-IgE-vermittelten Formen der
Überempfindlichkeitsreaktionen auf Medikamente sind vor allem Hautreaktionen zu erwähnen. Diese reichen von
harmloseren Varianten, wie dem Kontaktekzem, bis zu akut lebensbedrohlichen Erscheinungsformen, wie der
toxischen epidermalen Nekrolyse (Blasenbildung und Abstoßung der Haut mit blutigen, offenen Stellen auf den
Schleimhäuten).
8.6 Der anaphylaktische Schock ist die schwerwiegendste Form der Allergie
Für betroffene Patienten stellt der anaphylaktische Schock eine akut lebensbedrohliche Situation dar, die notfallmedizinisch behandelt werden muss. Auslösend ist eine massive, den ganzen Körper betreffende Ausschüttung
von Entzündungsbotenstoffen aus Mastzellen. Dies führt zu einer Weitstellung der Blutgefäße und zu einem
Flüssigkeitsausstrom ins Gewebe. Für die Schockentwicklung ist die massive Weitstellung der Blutgefäße, wobei
plötzlich ein weit höheres Blutvolumen von den Gefäßen aufgenommen werden kann bei gleichzeitig vermindertem Rückstrom zum Herzen, und der Flüssigkeitsverlust aus den Blutgefäßen verantwortlich. Daraus ergibt sich
eine verminderte Herzleistung. Beim anaphylaktischen Schock ist somit immer das Herz-Kreislauf-System betroffen. Der Patient bemerkt den Blutdruckabfall und die verminderte Sauerstoffversorgung durch Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen, Verwirrung, Kopfschmerzen, Herzklopfen und Atemnot. Es kann auch zum Kreislaufzusammenbruch (Kollaps) und zur Bewusstlosigkeit kommen. Bei schweren Schockformen und ohne entsprechende sofortige Behandlung besteht die Gefahr des Versterbens des Patienten durch Ersticken und/oder Herz-KreislaufStillstand.
Tabelle 5: Ursachen für IgE-vermittelte anaphylaktische Reaktionen
HÄUFIGE
URSACHEN
Nahrungsmittelallergene wie Erdnüsse, Nüsse,
Meeresfrüchte, Fische, Milch, Eier
Insektenstiche
Medikamente, vor allem Antibiotika
SELTENERE
URSACHEN
Transfusionen, Immunglobuline, Impfungen, Gegengifte, Samenflüssigkeit
Inhalative Allergene wie Tierepithelien und Pollen
Latex
Nahrungsmittelzusätze wie Gewürze, Farben, Konservierungsstoffe
Vor allem im Kindes-, aber auch im Erwachsenenalter sind Nahrungsmittelallergene die häufigsten bekannten
Ursachen für anaphylaktische Reaktionen. Jedoch lässt sich oft der Auslöser der Schockreaktion nicht mehr feststellen, beziehungsweise wird von manchen Patienten eine anaphylaktische Reaktion gar nicht als solche
erkannt.
8.7 Unspezifische Beschwerdebilder bei Allergien
Neben den klassischen Erscheinungsformen einer Allergie kann diese unter Umständen auch unspezifische
Symptome auslösen. Öfters werden Kopfwehattacken, das Reizdarmsyndrom, Gefäßentzündungen etc. mit allergischen Erkrankungen in Verbindung gebracht, obwohl in vielen Studien nur ein geringer Zusammenhang
beschrieben wurde, beziehungsweise selten eine ausreichende allergologische Diagnostik durchgeführt wurde.
47
9
DER VERLAUF ATOPISCHER ERKRANKUNGEN
9. Der Verlauf
atopischer Erkrankungen
Erkrankungen des atopischen Formenkreises können sich über einen längeren Zeitraum verändern. Gerade bei
Krankheitsbeginn im frühen Kindesalter zeigen sich andere Ausprägungen der Allergie als bei allergischen
Beschwerden im höheren Lebensalter (siehe Abbildung 7).
Atopisches Ekzem,
Nahrunhgsmittel-Allergien
Asthma,
jahreszeitlich
unabhängige Rhinitis
saisonale Rhinitis,
Konjunktivitis
Säuglinge
Kleinkinder
Schulkinder
Jugendliche
Abbildung 7: Verlauf der häufig zu beobachtenden Krankheitsentwicklung bei atopischen Patienten
Es ist daher unbedingt notwendig, bei Verdacht auf allergische Erkrankungen und bei familiärer Neigung eine entsprechende Abklärung beim Arzt durchführen zu lassen, um länger bestehende allergische Entzündungen zu vermeiden, beziehungsweise ein Voranschreiten der allergischen Erkrankung zu verhindern.
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DER VERLAUF ATOPISCHER ERKRANKUNGEN
9
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10
HINTERGRUND: WIE UNTERSCHIEDLICHE GEWEBE REAGIEREN
10. Hintergrund:
Wie unterschiedliche Gewebe reagieren
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AUGEN
Bei allergischen Erkrankungen kommt es im Bereich der Augen durch freigesetzte Botenstoffe zur Entzündung, was als Rötung, Schwellung der Bindehäute, tränende Augen und oft heftiger Juckreiz wahrgenommen wird.
NASENSCHLEIMHAUT
Im Bereich der Nasenschleimhaut kommt es bei einer allergischen Reaktion zu
Jucken, Niesen, Schwellung und vermehrter Sekretbildung. Bei länger bestehendem entzündlichen Geschehen ist die Entwicklung von Schleimhautgeschwülsten (Polypen) möglich, welche die Nasenatmung auch in allergenfreien
Zeiträumen erschweren.
ATEMWEGSVERÄNDERUNGEN
Ein lokales Anschwellen der Atemwegsschleimhaut, beginnend im Rachenbereich und/oder in tiefer liegenden Bereichen der Atemwege, kann eine massive Beeinträchtigung der Luftzufuhr mit sich führen. Durch Zusammenziehen
der Bronchialmuskulatur, Schleimhaut-Verdickung und vermehrter Produktion
von zähem glasigen Schleim kommt es beim allergischen Asthma zu einer verminderten Atemleistung und Sauerstoffunterversorgung.
MUNDSCHLEIMHAUT
Bei Allergenkontakt mit der Mundschleimhaut werden häufig juckende und/
oder brennende Schleimhautbereiche beschrieben, die mit Blasenbildung
und/oder Schwellungen einhergehen können.
MAGEN-DARMTRAKT
Im Bereich des Magen-Darm-Traktes kommt es durch die Entzündung mit
Ausschüttung der entsprechenden Botenstoffe zum Zusammenziehen der
glatten Muskulatur, zur vermehrten Sekretbildung und zur Schleimhautanschwellung. Dies führt zu Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall nach
Allergenkontakt.
HAUT
Entzündungszellen in der Haut führen durch Freisetzung von Botenstoffen zu
einer Weitstellung der Blutgefäße, also zu einer Hautrötung, sowie zum Flüssigkeitsverlust ins Gewebe, was sich durch Erhabenheiten manifestiert. Weiters
verursachen Entzündungsbotenstoffe oft heftiges Jucken in betroffenen Hautarealen.
Bei Kontaktallergien kommt es durch Einwanderung von Entzündungszellen zu
sehr intensiv juckender bis brennend-schmerzhafter, geröteter Haut. In schweren Fällen bilden sich Blasen oder es kommt zu oberflächlichen Gewebsverlusten. Es zeigt sich jedoch immer die scharfe Begrenzung auf das Kontaktareal.
HERZ-KREISLAUFSYSTEM
Wenn große Mengen an Botenstoffen der allergischen Reaktion freigesetzt
werden, kommt es durch Weitstellung der Blutgefäße und Verschiebung von
Flüssigkeit ins Gewebe zu verminderter Pumpleistung des Herzens und folglich
zu einem Blutdruckabfall.
HINTERGRUND: WIE UNTERSCHIEDLICHE GEWEBE REAGIEREN
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11
WIE ERFOLGT DIE DIAGNOSE EINER ALLERGIE?
11. Wie erfolgt die Diagnose
einer Allergie?
Wenn der Verdacht einer Allergie besteht, sollte umgehend ein darauf spezialisierter Arzt oder ein
Allergieambulatorium zur Abklärung aufgesucht werden. Nur dort können die benötigten Tests zur
Diagnosestellung durchgeführt werden.
Grundsätzlich ist folgender Ablauf in der Allergiediagnostik
(Untersuchungen auf bestehende Allergien) zu erwarten:
eingehende Befragung des Patienten
Durchführungen von Hauttestungen zur Bestimmung der relevanten Allergene
Blutabnahme zur Bestimmung von Parametern, die an einem allergischen Geschehen beteiligt sind
Durchführung von Provokationstestungen zur definitiven Diagnosestellung
(muss nur in besonderen Fällen durchgeführt werden)
11.1. Befragung des Patienten
Im Gespräch mit dem Arzt wird der Patient eingehend nach den Symptomen und nach dem Auftreten von
Allergien in der Familie gefragt. Wichtig ist, in diesem Erstgespräch umfassend die Art und den Schweregrad der
Reaktionen zu schildern, da entsprechend geschulte Ärzte daraus wichtige Informationen für die Diagnosestellung erhalten.
Wichtige Punkte, die dem Arzt in diesem Gespräch mitgeteilt werden sollten, sind:
Wann wurde das erste Mal eine Überempfindlichkeitsreaktion festgestellt?
Unter welchen Umständen waren diese Reaktionen feststellbar?
Standen diese Reaktionen im Zusammenhang mit dem Kontakt mit einer bekannten Substanz?
Wie lange nach dem Kontakt zeigen sich die ersten Reaktionen?
Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Symptome und bestimmten Tageszeiten
oder Jahreszeiten?
Treten die Überempfindlichkeitsreaktionen bei oder nach bestimmten Tätigkeiten auf?
Gibt es in der Familie Personen, die an Allergien leiden?
Der genetische Hintergrund, also das Auftreten von Allergien in der Familie, stellt den wichtigsten Risikofaktor für
die Entwicklung allergischer Reaktionen dar, weswegen im Gespräch darauf ein Hauptaugenmerk gelegt werden
sollte. Je mehr Familienmitglieder von Allergien betroffen sind, desto höher ist das Risiko, eine allergische
Erkrankung zu entwickeln.
Basierend auf diesen ersten Informationen wählt der Arzt nun die geeigneten Tests zur Abklärung einer möglichen
Allergie aus.
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WIE ERFOLGT DIE DIAGNOSE EINER ALLERGIE?
11
11.2 Hauttestungen zur Charakterisierung des Allergenprofils des Patienten
Als erste Screening-Methode werden in den meisten Fällen bei den Patienten Hauttestungen durchgeführt.
Wichtig ist, dass der Patient vor diesen Tests keine Medikamente einnehmen darf, welche die Testreaktion beeinflussen. So müssen Steroide (wie Cortisonpräparate) 14 Tage und Antihistaminika 7 Tage vor Durchführung der
Tests abgesetzt werden.
Bei den so genannten Skin-prick-Tests (oder kurz Prick-Test) werden in Flüssigkeit gelöste Allergene auf die Haut
getropft, die mit einer Lanzette leicht eingeritzt wird (siehe Abbildung 8). Somit werden die Allergene in die obersten Hautschichten eingebracht und es kann die Lokalreaktion auf diese Allergene in der Haut beobachtet werden. Zur Überprüfung der Hautreaktionen wird eine Histaminlösung als Positivkontrolle aufgebracht, gegen die
jede Testperson reagieren sollte. Weiters darf auch eine Negativkontrolle, bei der sich keine Reaktion zeigen darf
(z. B. Kochsalzlösung), nicht fehlen. Werden nun die in der aufgetropften Flüssigkeit enthaltenen Allergene spezifisch erkannt, werden Mastzellen, die in der Haut lokalisiert und mit IgE-Antikörpern bewaffnet sind, durch
Kreuzvernetzung aktiviert (siehe auch Kapitel 2 “Hintergrund: Komponenten des Immunsystems”). Durch
Ausschüttung der Mastzell-Botenstoffe wird eine Gewebsreaktion ausgelöst. Es kommt einerseits zur
Flüssigkeitsansammlung, was als so genannte Quaddelreaktion sichtbar wird, andererseits werden die
Hautgefäße weitgestellt, es zeigt sich die typische Rötung um die Teststelle (siehe Abbildung 8).
Abbildung 8:
Nach Aufbringen der Testsubstanzen auf die Haut wird diese
leicht mittels Lanzette eingeritzt. Nach 10-15 Minuten sind
bei positiven Reaktionen eine
Quaddelbildung (Flüssigkeitsansammlung im Gewebe) und
eine Hautrötung (Weitstellung
der Gefäße) sichtbar.
55
11
WIE ERFOLGT DIE DIAGNOSE EINER ALLERGIE?
Hauttestungen können nicht nur mit käuflichen Extrakten durchgeführt werden, sondern auch mit frisch hergestellten Substanzen. Dies kommt vor allem in der Diagnostik von Nahrungsmittel-Allergien zum Einsatz. Bei diesen so genannten Prick-to-Prick-Tests werden frische Lebensmittel (beispielsweise frisches Obst) auf die Haut
gelegt, wobei vom untersuchenden Arzt mit der Lanzette durch die Proben durchgestochen wird und erst dann
die Haut eingeritzt wird. Somit können auch Allergene getestet werden, für die keine flüssigen Testsubstanzen
kommerziell erhältlich sind. Auch bei dieser Form der Hauttestung kommt es bei positiven Reaktionen nach 1015 Minuten zur Rötung und Quaddelbildung an der Teststelle.
Lässt die Patientengeschichte auf eine Kontaktallergie schließen, wird ein Epikutantest, auch Patchtest genannt,
durchgeführt. Die verdächtigen Substanzen werden in auf Testpflaster geklebten Aluminiumschälchen eingebracht und auf der Rückenhaut des Patienten fixiert. Nach 48 Stunden wird das Pflaster entfernt und die Haut
erstmals auf Reaktionen untersucht. Dies wird nach weiteren 24 Stunden wiederholt. Sollte der Test positiv ausfallen, können sich an der Teststelle durch Einwanderung von Entzündungszellen in die Haut alle Zeichen einer
Kontaktallergie ausbilden. Diese reichen von Hautrötung und Erhabenheit der Haut bis zur Blasenbildung und in
schweren Fällen Entstehung von oberflächlichen Gewebsverlusten.
Positive Hauttestungen in Kombination mit der entsprechenden Vorgeschichte an allergischen Reaktionen werden in einigen Fällen, wie beispielsweise bei Allergien auf Graspollen, Tierepithelien oder Hausstaubmilben, so wie
bei Latexsensibilisierung und bei Allergie auf Insektengifte als ausreichend angesehen, um die Allergie zu diagnostizieren.
11.3 Labortestungen
Reichen die Hauttestungen zur Diagnosestellung nicht, wird dem Patienten Blut abgenommen und mittels
Labortestungen auf Hinweise für ein allergisches Geschehen untersucht.
So liefern erhöhte Gesamt-IgE-Antikörper-Spiegel (über 100 kU/L) Hinweise auf ein atopisches Geschehen, sind
jedoch kein Beweis für eine bestehende Allergie.
Um eine spezifische Aussage über ursächliche Allergene machen zu können, wird das Patientenserum auf
Anwesenheit von IgE-Antikörpern untersucht, die spezifisch ein bestimmtes Allergen erkennen, also daran binden. Bei diesen Tests werden Proben verwendet, bei denen das fragliche Allergen an einen Träger, beispielsweise an die Test-Röhrchen, gebunden ist. Diese werden mit dem abgenommenen Serum inkubiert, wobei die IgEAntikörper im Serum, die gegen das Allergen gerichtet sind, spezifisch binden. In einem weiteren Schritt wird
diese IgE-Bindung an das Allergen mittels markierter Entwicklungs-Antikörper festgestellt (siehe Abbildung 9). Im
RAST, dem Radioallergosorbent-Test sind die Antikörper radioaktiv markiert, im CAP-FEIA-System sind die
Antikörper mit Fluoreszenz markiert. Auf diese Weise kann eine Messung der Menge der entsprechenden
Antikörper durchgeführt werden. Die Menge der gebundenen Antikörper wird in RAST-Klassen 1-6 oder kU/L
(Kilounits pro Liter) angegeben.
Abbildung 9:
Schematische
Darstellung der
RAST-Testung
Das fragliche Allergen ist an
einen Träger gebunden (z.B.
Wand des Teströhrchens)
56
IgE-Antikörper im Serum
erkennen spezifisch
das Allergen und binden daran
Gebundene Antikörper werden
durch markierte EntwicklungsAntikörper erkannt, die eine
Messung möglich machen
WIE ERFOLGT DIE DIAGNOSE EINER ALLERGIE?
11
Obwohl ein positives RAST-Ergebnis noch keine Aussage über das Bestehen einer Allergie zulässt, besteht vor
allem bei hohen RAST-Klassen ein guter Zusammenhang mit entsprechenden allergischen Symptomen.
Erst kürzlich entwickelte Methoden, wie beispielsweise der Allergen-Chip, basieren auf einem ähnlichen Prinzip
wie die oben erwähnte RAST-Testung. Bei dieser Form der Labortestungen besteht der Vorteil, dass nur geringe
Mengen an Patientenblut benötigt werden, um eine Vielzahl an Tests durchzuführen. Außerdem werden hier einzelne, gereinigte allergene Eiweißstoffe im Test eingesetzt. Dies ermöglicht eine weitaus genauere Diagnostik, was
in Zukunft für die Auswahl der entsprechenden Therapie wichtig sein wird (siehe auch Kapitel 13 “Welche
Möglichkeiten zur Therapie gibt es?”).
Weitere Labortestungen wie der Immunoblot, der Basophilen-Degranulationstest oder Tests zur Bestimmung von
Substanzen, die bei allergischen Reaktionen freigesetzten werden, sind nicht in der Routinediagnostik im Einsatz.
Sie dienen der Untersuchung von speziellen Fragestellungen und werden nur in diesem Zusammenhang durchgeführt.
11.4 Provokationstests
Provokationstests haben die größte Aussagekraft, da sie die klinische Situation widerspiegeln. Bei Provokationstests wird das verdächtige Allergen direkt auf die Schleimhaut aufgetragen und es lassen sich somit direkt die
Symptome der allergischen Reaktion beobachten. Auch hier ist wie bei den Hauttests zu beachten, dass vor der
Testung keine Medikamente eingenommen werden, die die Reaktionen beeinflussen können.
Da diese Art der Allergietestung häufiger zu Zwischenfällen führt, wird sie nur bei besonderen Fragestellungen und
an Abteilungen mit entsprechenden Notfalleinrichtungen durchgeführt, damit sie gefahrlos für den Patienten
abgewickelt werden kann. Die Testsubstanzen werden je nach Symptomatik und Art des Allergens auf die betroffenen Schleimhäute aufgebracht:
Bei Testung auf der Bindehaut des Auges kommt es bei positiver Reaktion zur Rötung,
Schwellung und Juckreiz.
Positive Reaktionen der Nasenschleimhaut zeigen sich durch Jucken, Niesen und allergischen Schnupfen.
Die Schwellung der Schleimhaut und die damit verbundene erschwerte Atmung kann gemessen werden.
Nach Einatmung der Testallergene kann die asthmatische Reaktion der Lunge durch Messung des
erhöhten Atemwegswiderstandes festgestellt werden.
Bei oraler Gabe von Nahrungsmittelallergenen kommt es bei einer positiven Reaktion zu gastrointestinalen
Beschwerden, aber auch zu Reaktionen anderer Organe.
Vor allem bei der Diagnose von Nahrungsmittelallergien werden Provokationstestungen eingesetzt. Durch die vielfältigen Möglichkeiten, wie sich eine Nahungsmittelallergie klinisch äußert (siehe auch Kapitel 8 “Wie kann man
Allergien erkennen?”), ist die Interpretation der Testergebnisse schwierig und erfordert entsprechende Schulung.
Bei Provokationstestungen lässt sich die Allergenmenge ermitteln, die gerade noch keine Reaktionen auslöst.
Dies ist vor allem im Kindesalter und bei Patienten mit mehreren Allergien notwendig, um zu bestimmen wie
streng eine Diät eingehalten werden muss oder ob generell das Meiden des auslösenden Allergens notwendig ist.
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12. Allergieprävention
im Kindes- und Jugendalter
Allergien und Asthma haben in den letzten Jahrzehnten rasant und Besorgnis erregend zugenommen und stellen eine große medizinische und gesundheitspolitische Herausforderung dar. Es ist daher eine wichtige Aufgabe,
wirksame vorbeugende Strategien zur Vermeidung von Allergien und Asthma zu entwickeln. Dazu sind auch in
Zukunft in Bezug auf Faktoren, die das Allergierisiko erhöhen oder vor Allergien schützen können, noch erhebliche Forschungsanstrengungen nötig.
12.1 Ziele der Allergieprävention
Maßnahmen zur Allergie-Vorbeugung (= Allergieprävention) können auf verschiedenen Ebenen ansetzen.
Sie haben folgende Ziele:
Primäre Allergieprävention
Der Entstehung von Allergien und Asthma bronchiale soll von Anfang an entgegen gewirkt werden. Dies ist natürlich das Hauptziel aller vorbeugenden Maßnahmen.
Sekundäre Allergieprävention
Bei Kinder, bei denen bereits eine Sensibilisierung (= Bildung von Allergie-Antikörpern) stattgefunden hat, soll der
Ausbruch einer manifesten allergischen Erkrankung oder eines Asthma bronchiale verhindert werden.
Tertiäre Allergieprävention
Bei Personen, bei denen bereits eine allergische Erkrankung oder ein allergisches Asthma bronchiale vorliegt, sollen die Beschwerden reduziert und damit auch der Medikamentverbrauch vermindert werden.
12.2 Bei wem sollen vorbeugende Maßnahmen eingesetzt werden?
Ziel der primären Allergievorbeugung ist es, Kinder von Anfang an vor der Entwicklung einer Allergie oder eines
Asthma bronchiale zu schützen. Am wirkungsvollsten ist es, vorbeugende Maßnahmen gezielt bei der Gruppe mit
dem höchsten Allergie- und Asthma-Risiko einzusetzen (Hochrisikokinder). Die beste Vorhersage des Risikos, an
einer Allergie zu erkranken, liefert nach wie vor die Allergiebelastung in der Familie (siehe Tabelle 6).
Tabelle 6: Allergierisiko eines Neugeborenen
FAMILIÄRE BELASTUNG
keine Allergiker in der Familie
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ALLERGIERISIKO
5 - 15 %
ein allergisches Geschwisterkind
25 - 30 %
ein allergischer Elternteil
20 - 40 %
zwei allergische Elternteile
40 - 60 %
zwei allergische Elternteile mit selber Allergie
50 - 70 %
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Im medizinischen Alltag durchführbare Tests (z. B. Gentests), welche die individuelle Risikoabschätzung verbessern könnten, stehen bisher nicht zur Verfügung.
Zielgruppe der primären Allergieprävention sind daher vor allem Kinder, deren Eltern oder Geschwister an allergischen Erkrankungen leiden.
12.3 Wie kann man einer Allergieentstehung vorbeugen?
Generell gibt es zwei Ansätze in das Geschehen der Allergieentstehung einzugreifen:
Vermeidung von Umweltfaktoren, welche Allergien fördern (z. B. Tabakrauch, chlorierte organische
Verbindungen wie in Schwimmbädern) und Vermeidung von Kontakt mit starken Allergenen
(siehe auch Kapitel 3 “Allergene: Eigenschaften, Verbreitung, Häufigkeit”).
Förderung von schützenden Faktoren, welche Allergien entgegenwirken (z. B. Stillen).
Folgende Maßnahmen zur Allergievorbeugung sind nach dem heutigen Kenntnisstand sinnvoll:
Allergievorbeugung in der Schwangerschaft
Ernährung
Die Mutter sollte sich in der Schwangerschaft vollwertig ernähren. Für den Nutzen einer allergenarmen Ernährung
(z. B. kuhmilch- und hühnereiweißfreie Kost) der Mutter in der Schwangerschaft gibt es keine Hinweise. Da eine
Mangelernährung bei der Mutter und dem ungeborenen Kind entstehen kann, muss eindeutig davon abgeraten
werden, die Ernährung in der Schwangerschaft einseitig einzuschränken. Ausgenommen sind lediglich Mütter, die
aufgrund ihrer eigenen allergischen Erkrankung eine Diät einhalten müssen.
Umweltfaktoren
Das Kind darf schon während der Schwangerschaft nicht Tabakrauch ausgesetzt werden, insbesondere sollte die
schwangere Mutter nicht selbst rauchen. Die vorbeugende Meidung von Allergieauslösern, wie Hausstaubmilben
und Tieren in der Schwangerschaft durch die Mutter ist nicht notwendig – außer für den Fall, dass sie selbst
gegen solche Auslöser allergisch ist.
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Allergievorbeugung nach der Geburt
Ernährung
Stillen:
Kinder aus allgergiebelasteten Familien sollten 4–6 Monate voll gestillt werden. Wichtig ist eine gute Stillanleitung
bereits in der Geburtsklinik. Das Neugeborene sollte möglichst früh (gleich nach der Geburt) und später häufig
(sobald es hungrig ist) angelegt werden. Zunächst wird das Kind nur für einige Minuten angelegt, dann die
Stilldauer langsam gesteigert. Von Anfang an sollte man das Kind an beiden Brüsten trinken lassen. Falls die Milch
in den ersten Tagen nicht richtig fließt, sollte nur eine Traubenzuckerlösung und keinesfalls Kuhmilch- oder
Sojapräparat zugefüttert werden. Eine spezielle Diät der stillenden Mutter wird nur in Ausnahmefällen empfohlen
und sollte mit dem Kinderarzt abgesprochen werden.
Hydrolysatnahrung:
Falls trotz aller Anstrengung ein ausschließliches Stillen nicht möglich ist, sollte in den ersten 6 Monaten eine so
genannte Hydrolysatnahrung zugefüttert werden. In dieser Säuglingsnahrung sind die Eiweißbestandteile in kleine Bausteine gespalten, so dass sie nicht mehr so stark sensibilisierend wirken. Am stärksten gespalten sind die
starken Hydrolysatnahrungen (z. B. Alfaré®, Nutramigen®, Pregomin®). Die hypoallergenen Säuglingsprodukte
(H.A.-Nahrungen wie Aptamil H.A.®, Beba H.A.®, Hipp H.A.®, Humana H.A.®) enthalten noch etwas größere
Eiweißbestandteile. Welche Hydrolysatnahrung den besten Effekt hat, wird noch kontrovers diskutiert und ist
auch Gegenstand der kürzlich abgeschlossenen GINI-Studie. Bei Vorliegen einer Neurodermitis in der Familie
zeigte in den bisherigen Ergebnissen dieser Studie ein starkes Hydrolysat den besten vorbeugenden Effekt
bezüglich der Verhinderung einer atopischen Dermatitis. Nachteil der starken Hydrolysate ist ihr hoher Preis.
Besprechen Sie die Auswahl der Hydrolysatnahrung mit Ihrem Kinderarzt. Ab dem 7. Monat können bei Kindern
mit geringem Allergierisiko teiladaptierte Säuglingsprodukte und Breie auf Kuhmilchbasis verwendet werden. Bei
Hochrisikokindern (Mutter atopische Dermatitis, beide Eltern oder zwei Familienmitglieder 1. Grades betroffen)
kann die Gabe einer Hydrolysatnahrung über die ersten 6 Monate hinaus sinnvoll sein.
Beikost:
Je später der Kontakt mit potentiell allergieauslösenden Nahrungsmitteln erfolgt, desto geringer ist das Risiko
einer Sensibilisierung. Daher sollte mit der Beikost erst nach 4-6 Monaten begonnen werden. Eine darüber hinaus verzögerte Beikosteinfuhr scheint keinen weiteren allergieverhütenden Effekt zu haben. Eier, Nüsse, Fisch und
exotische Früchte sollten im 1. Lebensjahr gemieden werden, da diese besonders häufig Allergien auslösen.
Schrittweise sollte höchstens ein neues Nahrungsmittel pro Woche eingeführt werden (z. B. Beginn mit Karotten,
dann Kartoffeln, dann Brokkoli). Karottenallergien sind entgegen der landläufigen Meinung bei Kindern sehr selten. Insbesondere Nüsse und Ei können in vielen Nahrungsmitteln versteckt sein. Viele Hersteller von Säuglingsnahrung haben geeignete Gläschenkost besonderes gekennzeichnet.
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Umweltfaktoren
Raumluft/Tabakrauch:
In Wohnung und Räumen, in denen sich Kinder aufhalten, darf nicht geraucht werden. Tabakrauch führt zu gehäuften Erkrankungen der Atemwege, erhöht das Allergierisiko und das Risiko des plötzlichen Kindstodes. Auch
anderen Luftschadstoffen wie Formaldehyd oder Lösungsmitteldämpfen sollten Kinder nicht ausgesetzt werden.
Haustiere:
Der Einfluss von Haustieren auf die Entstehung von Allergien wird kontrovers diskutiert. Nach heutigem Kenntnisstand haben Haustiere in der Wohnung für Hochrisikokinder mehr Nachteile als Vorteile. Schaffen Sie daher keine
neuen, Fell tragenden Haustiere, wie Katzen, Kaninchen oder Meerschweinchen an. Das Verbleiben eines bereits
vorhandenen Haustieres in der Wohnung ist in Abhängigkeit vom familiären Risiko unter Umständen zu vertreten.
Hunde erhöhen nach neueren Daten das Allergierisiko nicht.
Hausstaubmilben und Schimmelpilze:
Vor allem im Schlafbereich sollte ein für Milben und Schimmelpilze ungünstiges Klima geschaffen werden: wischbare Böden, sparsame Möblierung, regelmäßiges Stoßlüften zur Herabsetzung der relativen Luftfeuchtigkeit auf
unter 55 %, keine Luftbefeuchter verwenden, waschbares Bettzeug, bei hohem Allergierisiko evtl. milbendichte
Matratzenüberzüge, keine Felle ins Bett, Anzahl der Kuscheltiere begrenzen, keine Staubfänger wie schwere
Vorhänge.
Hautpflege, Kosmetik und Schmuck:
Auch über die Haut ist das Kind einer Vielzahl von Allergenen ausgesetzt. Für viele Hautreinigungsvorgänge reicht
klares Wasser. Nur bei gröberen Verschmutzungen eine milde Babyseife oder Syndet verwenden. Beurteilen Sie
den Wert einer Seife oder einer Creme nicht danach, wie stark sie duftet. Jeder zugesetzte Duftstoff erhöht das
Allergierisiko. Auch frühes Ohrlochstechen oder das Tragen von Modeschmuck erhöht das Risiko für eine
Kontakt-Allergie z. B. gegen Nickel.
Schutzimpfungen:
Auch bei allergiegefährdeten Kindern sollten die vom Impfausschuss empfohlenen Impfungen durchgeführt werden. Mehrere große Untersuchungen haben gezeigt, dass Schutzimpfungen die Allergierate nicht erhöhen.
Schadstoffe in der Außenluft:
Auf gesellschaftlicher Ebene muss weiterhin alles getan werden, um die Schadstoffbelastung in der Außenluft weiter zu reduzieren.
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A L L E R G I E P R Ä V E N T I O N I M K I N D E S - U N D J U G E N D A LT E R
12.4 Zukünftige Strategien
Bessere Identifizierung von Risikokindern
Durch eine bessere Identifizierung von Risikokindern könnten vorbeugenden Maßnahmen gezielter eingesetzt und
in ihrer Intensität besser abgestuft werden.
Einsatz von Probiotika?
Möglicherweise kann man durch so genannte Probiotika (= Darmbakterien, welche die Darmflora günstig beeinflussen) über das Immunsystem des Darmes einen vor Allergien schützenden Effekt erreichen. Für die Empfehlung eines allgemeinen Einsatzes sind die bisher vorliegenden Forschungsergebnisse jedoch noch nicht ausreichend.
Weitere Erforschung schützender Faktoren
Es wird fieberhaft daran gearbeitet, die schützenden Faktoren, die eine geringere Allergiehäufigkeit bei Bauernkindern und Kindern aus anthroposophischen Familien bewirken, herauszufinden. Die gezielte Förderung schützender Faktoren könnte dann eine Senkung der Allergie- und Asthmahäufigkeit bewirken.
ZUSAMMENFASSUNG
Empfehlungen zur Allergie-Vorbeugung bei Risikokindern
Keine Tabakrauch-Belastung in und nach der Schwangerschaft
Mütterliche Diät zur Allergie-Vorbeugung in der Schwangerschaft nicht sinnvoll
4–6 Monate voll stillen
Mütterliche Diät zur Allergie-Vorbeugung während der Stillzeit nicht empfohlen
Falls Stillen nicht möglich: Hydrolysatnahrung in den ersten 4-6 Monaten
Beikost nach dem 4. bis 6. Lebensmonat schrittweise einführen
Keine Fell tragenden Haustiere anschaffen
Ungünstige Bedingungen für Hausstaubmilben und Schimmelpilze schaffen
Luftschadstoffe im Kinderzimmer vermeiden
Keine allergisierenden Substanzen auf die Haut bringen (z. B. Nickel)
Empfohlene Schutzimpfungen durchführen
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A L L E R G I E P R Ä V E N T I O N I M K I N D E S - U N D J U G E N D A LT E R
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WELCHE MÖGLICHKEITEN ZUR THERAPIE GIBT ES?
13. WELCHE MÖGLICHKEITEN
ZUR THERAPIE GIBT ES?
Nach Diagnosestellung einer allergischen Erkrankung stellt der Arzt dem Patienten die verschiedenen
Behandlungsmöglichkeiten vor und entscheidet gemeinsam mit ihm, welche Therapiestrategie am besten geeignet ist.
Eine Allergiebehandlung basiert auf folgenden drei Säulen:
Vermeidung des Allergenkontakts
Medikamentöse Behandlung der allergischen Symptome
Immuntherapie (spezifische Desensibilisierung, Hyposensibilisierung)
Diese Behandlungsmöglichkeiten schließen einander nicht aus, sondern werden ergänzend angewandt. Jedoch
müssen vor Durchführung einer Immuntherapie die anderen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden.
Dieses Kapitel dient dazu, die drei Säulen der Allergietherapie vorzustellen und einen kurzen Einblick auf
Forschungsentwicklungen für zukünftige Therapien zu geben.
13.1 Die Allergenkarenz ist der erste Schritt einer erfolgreichen Allergiebehandlung
Wann immer möglich stellt die konsequente Vermeidung der ursächlichen Allergene die erste Wahl dar. Bei manchen Formen der allergischen Erkrankungen ist diese Strategie eine sehr effiziente. So ist es medizinisch gesehen relativ einfach, auf Haustiere zu verzichten. Weiters können Patienten mit Allergien auf Insektengifte effiziente Vorsichtsmaßnahmen anwenden, beispielsweise das Tragen langer Hosen und langärmliger Oberteile zur
Vermeidung von Stichen und das Erlernen von Beobachtungsregeln zum Erkennen von Umständen, die auf die
Anwesenheit der Insekten hindeuten. Maßnahmen im Gesundheitswesen können ebenfalls zur Reduktion eines
Kontakts mit Allergenen beitragen, z. B. weitgehend auf den Gebrauch von gepuderten Latexhandschuhen zu
verzichtet, um ein weiteres Ansteigen der Zahl an Latexallergikern zu verhindern. Wissenschaftliche Studien konnten zeigen, dass alleine durch Vermeidung von Kontakt mit Allergenen von Hausstaubmilben die asthmatischen
Beschwerden bei allergischen Patienten gebessert wurden. Daher sind bei Patienten mit HausstaubmilbenAllergie Maßnahmen wie häufiges und umfangreiches Reinigen, vor allem des Schlafzimmers, und die
Verwendung von Spezialmatratzen Teil der Therapie. Weiters ist die Vermeidung der Allergen-Exposition die
Methode der Wahl bei Medikamentenallergie, bei allergischen Erkrankungen, die durch Allergene am Arbeitsplatz
bedingt sind und bei Nahrungsmittelallergien. Schwieriger wird die Situation bei Allergenen, die über die Luft verbreitet werden (z. B. Pollen). Hier ist eine Allergenvermeidung nur im beschränkten Umfang möglich.
13.2 Allergische Symptome werden medikamentös behandelt
Sollte das strikte Meiden der Ursachen für allergische Reaktionen jedoch nicht möglich sein, ist bei Kontakt mit
dem Allergen eine rasche und ausreichende Behandlung der ausgelösten Symptome mit entsprechenden
Medikamenten wichtig. Nur so kann ein längeres Bestehen von allergischen Entzündungen vermieden und das
Voranschreiten der allergischen Erkrankung unterbunden werden (siehe auch Kapitel 8 “Wie kann man Allergien
erkennen?”). Die drei häufigsten in Europa und weltweit verschriebenen Medikamente gegen allergische
Symptome sind H1-Rezeptor-Blocker (ein Antihistaminikum), inhalative Beta-2-Agonisten und inhalative
Kortikosteroide.
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WELCHE MÖGLICHKEITEN ZUR THERAPIE GIBT ES?
13
Antihistaminika sind die bevorzugten Arzneimittel bei der Behandlung von Allergien. Sie setzen, wie der Name
schon andeutet, beim für die allergische Entzündung ganz entscheidenden Histamin an. Diese Medikamente wirken als Mastzellstabilisatoren gegen die Freisetzung von Histamin aus der Mastzelle und/oder als HistaminRezeptor-Blocker gegen die Wirkung von Histamin im Gewebe. Sie werden entweder oral, also über den Mund,
oder topisch, das bedeutet lokal am Ort des Geschehens (z. B. auf die Nasenschleimhaut oder auf die
Augenbindehaut) verabreicht. Vor allem die neueste Generation dieser Medikamente wurde entscheidend verbessert. Sie sind nicht nur länger wirksam und müssen daher nur mehr einmal pro Tag eingenommen werden, sondern zeichnen sich auch durch einen raschen Wirkungseintritt aus und machen nicht müde. Antihistaminika müssen eine Woche vor Durchführung von Haut- oder Provokationstests auf IgE-vermittelte Allergien abgesetzt werden, um das Testergebnis nicht zu beeinflussen (siehe auch Kapitel 11 “Wie erfolgt die Diagnose einer Allergie?”).
Eine entscheidende Erleichterung der Symptome wird vor allem beim allergischen Asthma durch den Einsatz von
Beta-2-Agonisten erzielt. Diese wirken über eine Entspannung der glatten Muskulatur der Bronchien und führen
somit zu einer erleichterten Atmung. Beta-2-Agonisten werden vor allem inhalativ, also durch Einatmen, verabreicht, in seltenen Fällen auch oral oder durch Injektion (intravenös).
Durch ihren stark entzündungshemmenden und das Immunsystem unterdrückenden Effekt (Allergien sind ja - wie
schon erläutert - eine Überreaktion des Immunsystems) sind Kortikosteroide ein wichtiger Bestandteil der
Behandlung von allergischen Erkrankungen. Diese Arzneimittel werden, wenn möglich, topisch (lokal, am Ort des
Geschehens) in schweren Fällen auch systemisch (oral oder intravenös) verabreicht. Durch lokale Gabe wird vor
allem bei kontinuierlicher Anwendung eine hohe Wirkstoffkonzentration am Ort des Geschehens (an der
Schleimhaut) erzielt. Dabei bleiben die Nebenwirkungen, die den ganzen Körper betreffen, minimal. Kortikosteroide sind u. a. ein wichtiger Bestandteil der Therapie von allergischem Schnupfen, von mittelschwerem bis
schwerem Asthma und bei starker Hautbeteiligung. Kortikosteroide müssen zwei Wochen vor Durchführung von
Haut- oder Provokationstests abgesetzt werden (siehe auch Kapitel 11 “Wie erfolgt die Diagnose einer Allergie?”).
Kommt es zu einem anaphylaktischen Schock, muss der Patient sofort versorgt werden. Ganz entscheidend ist
die flache Lagerung, nach Möglichkeit sollten nur die Beine etwas hoch gelagert werden. Bei Verdacht auf ein
Schockgeschehen aufgrund einer Allergie darf der Oberkörper des Patienten NIEMALS aufgerichtet werden. Die
rasche und richtige Gabe von Adrenalin ist der nächste lebensrettende Schritt. Bei Personen, die bereits einen
anaphylaktischen Schock erlebt haben oder ein großes Anaphylaxie-Risiko haben (z. B. Patienten mit schwerem,
allergischem Asthma) liegt das Hauptaugenmerk auf Aufklärung und Training der Betroffenen (ev. auch der
Angehörigen). Zur Gruppe der gefährdeten Patienten zählen vor allem Personen mit schweren Nahrungsmittelallergien, mit Insektengift- und mit Medikamenten-Allergien. Diese Patienten und ihr nahes Umfeld müssen entsprechend im Umgang mit der so genannten EpiPen geschult werden. Dieses Medikament ist zur raschen
Injektion von Adrenalin in einen großen Muskel z. B. in die Oberschenkelmuskulatur gedacht. Zur Schulung zählt
neben der Erklärung des richtigen Gebrauchs auch die Besprechung der häufigsten Anwendungsfehler. Gefährdete Patienten sollten dieses Medikament jederzeit griffbereit mit sich führen.
Das Ziel der Therapie des allergischen Asthma bronchiale ist es, eine Verschlechterung zu verhindern und die
bestmögliche Lebensqualität für den Patienten zu sichern. Notfälle sollen verhindert werden, medikamentöse
Linderer so selten wie möglich zum Einsatz kommen und der Patient sollte möglichst selbstständig die
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WELCHE MÖGLICHKEITEN ZUR THERAPIE GIBT ES?
Arzneimittel mit den geringsten Nebenwirkungen anwenden. In der Erstellung der Therapie wird je nach
Schweregrad der Erkrankung unterschiedlich vorgegangen. Wenn Symptome seltener als zweimal pro Woche
auftreten, dann werden nur Medikamente (wie Beta-2-Agonisten) eingesetzt, die die Beschwerden lindern.
Kommt es häufiger zu asthmatischen Anfällen, dann sollten frühzeitig entzündungshemmende Arzneimittel (beispielsweise Kortikosteroide) verabreicht werden. Substanzen, die die Atemwege erweitern, sollten bei Bedarf
zusätzlich eingenommen werden. Die Therapie ist als erfolgreich anzusehen, wenn eine dauerhafte Rückbildung
der Entzündung in den unteren Atemwegen erzielt wird.
Um beim akuten, allergischen Schnupfen eine verbesserte Nasenatmung zu ermöglichen, werden Schleimhautabschwellende Medikamente eingesetzt. Diese Therapeutika wirken lokal auf die Blutgefäße und lösen so die
Verstopfung der Nase. Sie sollten nur 10 Tage hintereinander verwendet werden, um einen durch das Medikament selbst verursachten Schnupfen zu vermeiden.
Die vorgestellten Medikamente erleichtern oder beseitigen die Symptome einer Allergie, heilen sie aber nicht. Der
Patient muss daher erwarten, dass bei erneutem Allergenkontakt der Körper wieder eine Überempfindlichkeitsreaktion zeigt.
13.3 Die Immuntherapie stellt die einzige Therapieform dar,
welche die Ursachen einer Allergie bekämpft
Bei einer Immuntherapie wird versucht, die Ursachen des allergischen Geschehens zu beeinflussen. So wird bei
der passiven Immuntherapie mit Anti-IgE-Antikörpern gegen die Allergie auslösenden IgE-Antikörper vorgegangen. Diese sehr kostspieligen therapeutischen Antikörper neutralisieren alle im Köper vorhandenen IgEAntikörper, indem sie die Bindung von IgE an seinen Rezeptor unterbinden. So konnte gezeigt werden, dass die
viermalige Gabe von Anti-IgE-Antikörpern bei Erdnuss-allergischen Patienten eine Anhebung der tolerierten Dosis
von einer halben Erdnuss auf bis zu 9 Erdnüssen erreicht wurde. Diese tolerierte Allergenmenge bedeutet für die
Patienten, dass sie bei versehentlichem Verzehr von in Lebensmittel „versteckten“ Erdnüssen weitgehend geschützt sind. Die bisher verfügbaren klinischen Daten zeigen, dass diese Therapie meist gut vertragen wird. Man
sollte jedoch in Betracht ziehen, dass IgE-Antikörper auch eine natürliche Funktion haben (siehe Kapitel 2
“Hintergrund: Komponenten des Immunsystems”).
Bei der aktiven Form der Immuntherapie, der Allergen-spezifischen Hyposensibilisierung, wird dem allergischen
Patienten über einen Zeitraum von 3-5 Jahren (je nach bestehender Allergie) in langsam ansteigenden
Konzentrationen das Allergen subkutan (unter die Haut) gespritzt. Seit kurzem besteht die Möglichkeit bei
bestimmten Allergenen den Extrakt sublingual, also unter die Zunge zu verabreichen (SLIT = sublinguale
Immuntherapie). Die Wirksamkeit der Hyposensibilisierung, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts durchgeführt
wird, ist gut belegt. Sehr gute Erfolge zeigen sich vor allem bei der Behandlung von Insektengiftallergien und von
Allergien gegen Pollen. Durch die spezifische Immuntherapie kommt es zu einem Anstieg der Aktivität von regulierenden Zellen des Immunsystems, die eine verminderte IgE-Produktion sowie einen Anstieg an blockierenden
Antikörpern bewirken. Diese blockierenden Antikörper binden an das Allergen. Es kommt zu keiner Interaktion
mehr zwischen spezifischen IgE-Antikörpern und Allergen, allergische Symptome werden deshalb nicht ausgelöst. Probleme bei dieser Art der Therapie sind die häufig erforderlichen Behandlungen, der sehr lange
Behandlungszeitraum, die oftmals unterschiedliche Qualität der verabreichten Allergenextrakte (was eine Auswirkung auf die Wirksamkeit hat) und die Nebenwirkungen dieser Therapie. Die unerwünschten Nebenwirkungen reichen von den häufigen lokalen Reaktionen (Rötung, Schwellung) bis zu Reaktionen, die den ganzen Körper
betreffen, in seltenen Fällen kann es auch zu einem anaphylaktischen Schock kommen. Da mehr als 90 % aller
Nebenwirkungen bei der spezifischen Immuntherapie innerhalb von 30 Minuten nach der Injektion auftreten, müssen Patienten unbedingt in diesem Zeitraum im Praxisbereich der Allergieambulanz verbleiben.
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WELCHE MÖGLICHKEITEN ZUR THERAPIE GIBT ES?
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Eine weitere bekannte Nebenwirkung ist das Entstehen von neuen Überempfindlichkeiten gegen Bestandteile des
verabreichten Allergenextrakts. Um dies zu vermeiden, wäre der Einsatz von reinen Allergenen oder nur der
Antikörper-Bindungsstellen wünschenswert, woran eifrig geforscht wird.
Nach ähnlichen Prinzipien wie die subkutane Hyposensibilisierung funktioniert auch die orale Desensibilisierung
bei Nahrungsmittelallergien. Hier wird allergischen Patienten über einen langen Zeitraum in langsam ansteigenden Dosen das betreffende Allergen verabreicht. Diese Therapieform ist jedoch noch nicht standardisiert, wird nur
in wenigen europäischen Zentren durchgeführt und wird sehr widersprüchlich in der wissenschaftlichen Literatur
diskutiert. Nach erfolgreicher Durchführung einer oralen Desensibilisierung müssen Patienten pro Woche eine
bestimmte Menge des Allergens zu sich nehmen, um die erworbene Verträglichkeit aufrecht zu erhalten.
13.4 Weltweit arbeiten Forscher an der Verbesserung von Allergietherapien
Um die Nachteile der oben angeführten, bisher eingesetzten Formen der Allergietherapie zu beheben, wird weltweit intensiv an einer Verbesserung geforscht.
Viele Allergene sind in ihrer Sequenz und Struktur bekannt und können durch die heute zur Verfügung stehenden
Techniken so rein hergestellt werden, dass sie auch in einer Therapie zum Einsatz kommen können. Somit können Patienten mit rekombinant hergestellten Allergenen gezielt mit jenen Proteinen therapiert werden, gegen die
sie in der Diagnostik eine Reaktion zeigen. Dadurch kann einer der unerwünschten Effekte der Therapie mit herkömmlichen Allergenextrakten umgangen werden. Durch die Therapie mit rekombinanten Allergenen können sich
keine Überempfindlichkeiten gegen zusätzliche, in den herkömmlichen Impfsubstanzen enthaltene Bestandteile
entwickeln.
Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass sich auf einem Allergen mehrere Antikörperbindungsstellen befinden.
Dadurch kann es auch bei Einsatz von reinen Allergenen zu Nebenwirkungen kommen. Dies ist der Fall, wenn
nicht alle vorhandenen IgE-Antikörper die gleiche Antikörperbindungsstelle erkennen. Darüber hinaus könnten
sich neue Reaktionen gegen einen bisher nicht erkannten Teil des Allergens ausbilden. Dies könnte durch die
Verwendung von so genannten Mimotopen umgangen werden. Mimotope sind kurze Proteinstücke, die
Oberflächenstrukturen von Allergenen nachahmen, an welche Antikörper binden. Bei einer Impfung mit den
Mimotopen werden vom Organismus Antikörper gebildet, die gegen diese spezielle Oberflächenstruktur gerichtet sind.
Die Unterdrückung der für Allergien verantwortlichen Überreaktion der Immunantwort ist ein weiterer Ansatz bei
der Entwicklung von neuen Allergietherapien. Durch Verabreichung von nicht-krankmachenden Teilen von
Bakterien wird dem Immunsystem eine Infektion vorgetäuscht, um die aus der Balance geratene Immunantwort
zu regulieren.
Ein weiterer, neuartiger Therapieansatz ist die Gabe von DNA-Impfstoffen. Bei einer genetischen Impfung wird das
relevante Allergen in seine DNA übersetzt, verabreicht und somit eine starke, anti-allergische Immunantwort ausgelöst.
Gerade durch gentechnische Forschung ergeben sich neben Risiken auch viele Möglichkeiten, um allergischen
Patienten eine Erleichterung ihrer Beschwerden zu verschaffen. So ist beispielsweise Reis für viele, vor allem
ärmere Menschen im asiatischen Raum ein sehr bedeutendes Nahrungsmittel. In diesen Ländern besteht jedoch
eine relativ große Anzahl an Allergien gegen Reisproteine. Um die Ernährung dieser Menschen zu gewährleisten,
sind gentechnisch veränderte Produkte unerlässlich. Daher wurde eine Reissorte entwickelt, welche die relevanten Allergene nicht mehr beinhaltet und somit auch Allergikern einen gefahrlosen Verzehr ermöglicht.
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WELCHE MÖGLICHKEITEN ZUR THERAPIE GIBT ES?
Obwohl die Gentechnik gerade im Umfeld der Allergien oft negativ betrachtet wird, sollte in diesem
Zusammenhang auch der positive Beitrag gesehen werden. Der Einsatz dieser Mittel erfolgt hier zum Wohle vieler Menschen. Durch gezielten und verantwortungsvollen Einsatz gentechnischer Methoden kann ähnliches erzielt
werden, was von Natur und Gärtnern seit Jahrtausenden durch Kreuzungen von Pflanzen erreicht wurde, nämlich eine Artenvielfalt mit unterschiedlichem Allergengehalt. Ein interessantes Beispiel hierfür sind verschiedene,
durch Kreuzungen entstandene Paprikasorten, wobei in manchen dieser Sorten relevante Allergene nicht mehr
beinhaltet sind. Somit können einige Paprikasorten von betroffenen Patienten ohne Probleme gegessen werden,
wohingegen sich nach dem Genuss von anderen Sorten Reaktionen zeigen.
Es ist daher wichtig, gerade in diesem Bereich, die Forschung kontrolliert voranzutreiben, um die Lebensqualität
von allergischen Patienten zu verbessern und ihnen eine möglichst nebenwirkungsfreie Therapie zukommen zu
lassen.
Tabelle 7: Gentechnik: Überblick über neueste Ansätze zur Entwicklung viel versprechender Allergietherapien
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REKOMBINANTE
ALLERGENE
Rekombinante Proteine sind in Bakterien, Hefen
oder Pflanzen produzierte, reine Allergene, die in der
spezifischen Immuntherapie eingesetzt werden können.
Unerwünschte Effekte von zusätzlichen, in herkömmlichen
Allergenextrakten enthaltenen Substanzen können somit
unterbunden werden.
MIMOTOPE
Mimotope sind kurze Proteinstücke, die bestimmte
Oberflächenstrukturen von Allergenen nachahmen,
an die IgE-Antikörper von Allergikern binden.
Durch Impfung mit diesen Stoffen ist der Körper in
der Lage Antikörper gegen diese Struktur des Allergens
zu bilden.
DNA-IMPFUNGEN
Durch Übersetzung der genetischen Information von
Allergenen in DNA wird bei Verabreichung eine starke
Stimulation der anti-allergischen Reaktion ausgelöst.
HERSTELLUNG
ALLERGENFREIER
PRODUKTE
Durch das Entfernen von genetischer Information,
welche die Bildung von allergenen Proteinen in
Pflanzen bewirken würde, lassen sich allergenfreie
Produkte herstellen. Besonders bei Nahrungsmittelallergien bedeutet dies eine große Erleichterung für
betroffene Patienten, da diese modifizierten Substanzen
ohne allergische Reaktionen gegessen werden können.
WELCHE MÖGLICHKEITEN ZUR THERAPIE GIBT ES?
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71
14
DER POLLENFLUG IN KÄRNTEN
14. Der Pollenflug in Kärnten
Seit Mai 1979 existiert in Kärnten eine landeseigene Servicestelle für Pollenallergiker
(www.pollenwarndienst.ktn.gv.at). Im Jahr 1980 wurde ein Tonbandkundendienst installiert – seit diesem Jahr
kann rund um die Uhr die aktuelle Pollenbelastung abgefragt werden (Telefonnummer: 0800 20 1529). Seit 1983
wird an den Standorten Klagenfurt, Spittal an der Drau und Wolfsberg der saisonale Pollenflug gemessen. Damit
kann die allergologische Belastungssituation für die großen Siedlungsgebiete Kärntens gut erfasst werden.
Wichtige Anliegen seit Beginn der Pollenmessungen waren wissenschaftliche Begleituntersuchungen zur
Erfassung der Belastungsverhältnisse abseits der größeren Ballungsgebiete und zur Dokumentation von Veränderungen des Pollenfluges, die z. B. mit dem Klima zusammenhängen. So wurden an verschiedenen Standorten
Kärntens Pollenflugmessungen durchgeführt – 1986 auf der Gerlitze (1.660 Höhenmeter), 1988 und 1989 in
Feldkirchen, 1990 und 1991 in St. Veit an der Glan, 1992 und 1993 in Eisenkappel und von 1994 bis 1995 in
Hermagor im Gailtal.
Um die pollenallergischen Belastungssituationen in der freien Landschaft besser interpretieren zu können, werden seit 1989 an ausgewählten Standorten im Kärntner Zentralraum Pollen-Vergleichsmessungen durchgeführt.
Diese Arbeiten dienen der wissenschaftlichen Erfassung von lokal beeinflussten Besonderheiten des Pollenfluges.
Dabei konnte z. B. nachgewiesen werden, dass im Bereich von blühenden Fettwiesen etwa 12.000
Gräserpollenkörner pro Kubikmeter Luft vorhanden sein können!
Beispiele zum jahreszeitlichen Verlauf allergologisch bedeutsamer Pollentypen
Hasel
Abbildung 10: Auf der linken Achse sind die Durchschnittswerte des Hasel-Pollenfluges von 1980 bis 2005 aufgetragen. Es ist zu erkennen,
dass um die Mitte des Monats März mit etwa 50 Pollenkörnern pro Kubikmeter Luft durchschnittlich der höchste Pollenflug auftritt. Im Jahr
2006 begann die gesundheitliche Belastung erst am 21. März und erreichte kurz darauf mit über 1.000 Pollenkörnern pro Kubikmeter Luft
einen Rekordwert.
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DER POLLENFLUG IN KÄRNTEN
14
Erle
Abbildung 11: Eine ähnliche Situation wie bei der Hasel konnte im Jahr 2006 auch bei der Erle beobachtet werden. In normalen Jahren ist
der Belastungsgipfel immer zweigeteilt – die Grau-Erle blüht etwa eine Woche vor der Schwarz-Erle. Im Jahr 2006 trat ein sehr hoher
Belastungsgipfel erst gegen Ende des Monats März auf und der Pollenflug von „Normaljahren“ wurde um ein Vielfaches überschritten –
zudem traten die höchsten Belastungen etwa eine Woche später auf, als in den Jahren zuvor.
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14
DER POLLENFLUG IN KÄRNTEN
Birke
Abbildung 12: Ein Vergleich des Birkenpollenfluges von 1980 bis 2006 zeigt, dass von Jahr zu Jahr recht unterschiedliche Belastungen auftreten können. Zwischen einer Jahressumme von 188 Pollenkörnern (im Jahr 1981) bis 14.544 Pollenkörnern (im Jahr 2006) können alle
Übergänge beobachtet werden. Insgesamt zeigt sich bei der Pollenfreisetzung der Birke in Kärnten ein deutlicher Trend nach oben.
Gräser
Abbildung 13: Bei der Freisetzung der Gräserpollen gibt es im Verlauf des 27-jährigen Beobachtungszeitraumes keine großen Veränderungen.
Die Zahl der pro Jahr freigesetzten Pollenkörner bleibt stabil. Für Allergiker sind das letzte Drittel des Monats Mai und die ersten beiden Drittel
im Juni die Phasen mit den stärksten Belastungen. Untersuchungen in unmittelbarer Nähe von Mähwiesen ergaben allerdings ein Vielfaches
des Gräserpollenfluges im Vergleich zu städtischen Gebieten. Für Allergiker ist die Beachtung von lokalen Standortverhältnissen von größter
Bedeutung.
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DER POLLENFLUG IN KÄRNTEN
14
Traubenkraut (Ragweed)
Abbildung 14: Am Messstandort Klagenfurt konnte im Verlauf der letzten Jahre eine starke Fluktuation im Traubenkraut-Pollenanflug
beobachtet werden.
Die Anwesenheit des Traubenkrautes wurde in Kärnten erstmals im Jahr 1963 in einem Bauerngarten in der Nähe
von Spittal an der Drau nachgewiesen. Seit damals gibt es ständig neue Fundmeldungen aus ganz Kärnten. Meist
findet man das Traubenkraut als Begleitpflanze innerhalb von Unkrautfluren, auf Mülldeponien, entlang von Bahnund Straßenanlagen und bei Vogelfutterplätzen. In den östlich gelegenen Ländern Europas ist diese Pflanze
bereits zu einem immensen allergologischen Problem geworden. In Szeged (Ungarn) beträgt der gemessene
Traubenkraut-Pollenanflug bereits 59 % des saisonalen Pollenfluges. Am Messstandort Klagenfurt konnte im
Verlauf der letzten Jahre eine starke Fluktuation im Traubenkraut-Pollenanflug beobachtet werden. Dies hängt mit
der Stärke des Auftretens von Südost-Winden zusammen, da der Großteil des Ragweed-Pollens aus dem Osten
Österreichs und aus dem Pannonischen Gebiet eingeweht wird.
Im Herbst des Jahres 2006 konnten im Bereich des Autobahnabschnittes Karawankentunnel-Villach (A11) größere Bestände von Ragweed-Pflanzen beobachtet werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurden diese Pflanzen
entlang der Autobahn aus Slowenien eingeschleppt. Das Ausbreitungsverhalten dieser Bestände muss in den
nächsten Jahren sehr genau beobachtet werden.
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15
ALLERGIEEINRICHTUNGEN IN KÄRNTEN
15. Allergieeinrichtungen in Kärnten
15.1 Allergieambulanzen
LKH KLAGENFURT
Adresse:
Telefon:
E-Mail:
Internet:
St. Veiter Straße 47, 9020 Klagenfurt
0463/538-0
[email protected]
http://www.lkh-klu.at
Abteilung für Dermatologie und Venerologie — Allergieambulanz
Öffnungszeiten: Montag – Freitag 10.00 bis 12.00 Uhr
Voranmeldung (Erstvorstellung) nicht erforderlich, Überweisung erforderlich
Telefon: 0463/538-22616
HNO-Abteilung — HNO-spezifische Allergieambulanz
Voranmeldung und Überweisung erforderlich
Telefon: 0463/538-21744 (Montag – Freitag zwischen 10.00 und 14.00 Uhr)
Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde — Lungen- und Allergieambulanz
Voranmeldung und Überweisung erforderlich
Telefon: 0463/538-39425 (Montag – Freitag zwischen 08.00 und 12.00 Uhr)
LKH VILLACH
Adresse:
Telefon:
E-Mail:
Internet:
Nikolaigasse 43, 9500 Villach
04242/208-0
[email protected]
http://www.lkh-vil.or.at
Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde - Ambulanz für Pulmologie und Allergologie
Öffnungszeiten: Montag – Freitag zwischen 08.00 und 15.00 Uhr
Voranmeldung und Überweisung erforderlich
Telefon: 04242/208-2458
80
ALLERGIEEINRICHTUNGEN IN KÄRNTEN
15
LKH LAAS
Adresse:
Telefon:
E-Mail:
Internet:
Laas 39, 9640 Kötschach
04715/7701
[email protected]
http://www.lkh-laas.at
Allergieambulanz
Voranmeldung und Überweisung erforderlich
Terminvereinbarung mit OA Dr. Gerhard Martin (Telefon: 04715/7701)
81
15
ALLERGIEEINRICHTUNGEN IN KÄRNTEN
15.2 Niedergelassene Ärzte
NAME
FACH
ADRESSE
TELEFON
ANMELDUNG
KRANKENKASSEN
Dr. Helmut
Dermatologie
Hauptplatz 16/3
04232/49160
erwünscht
BVA, GKK, SVAGW,
0463/513160
erwünscht
04242/52838
erwünscht
Dr. Herbert
HNO
Dermatologie
Dermatologie
Chirurgie
HNO
HNO
Kramergasse 1
Kinder- und
Ringmauergasse 2
HIMMEL
Jugendheilkunde
9500 Villach
Dr. Andreas Ludwig
Dermatologie
Postgasse 8
Prim. Univ.-Prof. Dr.
Kinder- und
Radetzkystraße 20
Wilhelm KAULFERSCH
Jugendheilkunde
9020 Klagenfurt
Dr. Peter
Kinder- und
Heiligengeistplatz 4/III/315
KITZLER
Jugendheilkunde
9020 Klagenfurt
Dr. Albert
Kinder- und
Kirchgasse 2
KOLLER
Jugendheilkunde
9800 Spittal/Drau
Dr. Erich Hans
HNO
Hauptplatz 11/3
Dermatologie
Grabenstraße 23
Dr. Brigitte
Kinder- und
Hauptstraße 197
KUNZ-NAPOKOJ
Jugendheilkunde
9210 Pörtschach
Dr. Martin
Kinder- und
Wienergasse 10
KUTTNIG
Jugendheilkunde
9020 Klagenfurt
Dr. Alexander
Kinder- und
Burgenlandstraße 46 b
MACHE
Jugendheilkunde
9500 Villach
Dr. Ilse Maria
HNO
Pfarrplatz 21
Dermatologie
Dermatologie
erwünscht
BVA, GKK, SVAGW,
0463/511820
nicht erforderlich
KFA, VA, Milko
BVA, GKK, SVAGW,
KFA, VA, Milko
BVA, GKK, SVAGW,
04242/210470
erwünscht
04242/22897
erwünscht
KFA
0664/2002322
erforderlich
-
0463/515341
erwünscht
BVA, GKK, SVAGW,
KFA, VA
KFA, VA
Umfahrungsstraße 15
BVA, GKK, SVAGW,
04762/4033
erwünscht
04242/217720
erforderlich
04212/5557
erwünscht
04272/3290
erwünscht
KFA
0463/5135660
erwünscht
BVA, GKK, SVAGW,
04242/33555
erwünscht
0463/500747
erwünscht
04232/37377
erforderlich
-
0463/512439
erwünscht
BVA, GKK, SVAGW,
04766/20270
erwünscht
04212/6911
erforderlich
GesundenU
04762/42306
nicht erforderlich
BVA, GKK, SVAGW,
KFA, VA
BVA, GKK, SVAGW,
KFA, VA, Milko
BVA, GKK, SVAGW,
KFA, VA, Milko
KFA, VA
BVA, GKK, SVAGW,
KFA, VA
BVA, GKK, SVAGW,
KFA, VA, Milko
Stauderplatz 5
KFA, VA, Milko
9020 Klagenfurt
SCHIEL
Allgemeinmedizin
Mirnockstraße 111
Allgemeinmedizin
Botengasse 15
BVA, GKK, SVAGW, KFA,
VA, Milko, GesundenU
9872 Millstatt
STOXREITER
9300 St. Veit/Glan
SUNTINGER
WUTTE
04232/2075
9100 Völkermarkt
RUDOLF
Dr. Max
-
KFA, VA
9020 Klagenfurt
ROHRER
Dr. Eberhard
erforderlich
9300 St. Veit/Glan
KUHS
Dr. Eva-Maria
04229/2854
9500 Villach
KOLLMITZER
Dr. Peter
erwünscht
9500 Villach
JENKE
82
Hans-Wiegele-Straße 8
Dr. Wilhelm
Dr. Isolde
BVA, GKK, SVAGW,
04276/37200
9020 Klagenfurt
HERBST
Dr. Helmut
KFA, VA, Milko
9100 Völkermarkt
GUGL
Dr. Heinz Hermann
Buchenhain 7
BVA, GKK, SVAGW,
9201 Krumpendorf
GHARABAGHI
Dr. Walter
10.-Oktober-Straße 16/II
BVA, GKK, SVAGW,
KFA, VA, Milko
9560 Feldkirchen
GASSNER
Dr. Masom
Völkendorferstraße 25A
9500 Villach
GASSER
Dr. Reinhold Michael
Villacherstraße 4
9020 Klagenfurt
ALLMAYER
Dr. Michael Johannes
KFA, VA, Milko
9100 Völkermarkt
AICHINGER
Dermatologie
Kirchgasse 6 A
9800 Spittal/Drau
KFA, VA, Milko
ALLERGIEEINRICHTUNGEN IN KÄRNTEN
15
15.3 Heilklimastollen
HEILKLIMASTOLLEN "FRIEDRICH" IN BAD BLEIBERG
Kuranstalt Bad Bleiberger Freizeit- und Gesundheitszentrum "Barbara" Gmbh
Adresse:
9530 Bad Bleiberg
Telefon:
04244/3030
Fax:
04244/3030-4
Indikationen:
Asthma bronchiale, chronische Bronchitis, chronische Rhinitis, chronische Sinusitis, chronische Laryngitis
HEILKLIMASTOLLEN "THOMAS" IN BAD BLEIBERG
Kuranstalt Kurzentrum Bad Bleiberg Gmbh & Co.KG
Adresse:
9530 Bad Bleiberg
Telefon:
04244/90500
Fax:
04244/90500-400
Indikationen:
Kindliches Asthma bronchiale, Asthma bronchiale des Erwachsenenalters, Infektanfälligkeit der Atemwege,
chronische Erkrankungen des Nasen-Rachenraumes (insbesondere Rhinopathia allergica),
Rhinitiden, Pharyngitiden, Sinusitiden, berufliche Exposition gegenüber Atemwegsirritationen,
chronisch obstruktive und restriktive Lungenerkrankungen, chronische Bronchitis, chronische Laryngitis
15.4 Dachverband für Selbsthilfeorganisationen
SELBSTHILFE KÄRNTEN
Dachverband für Selbsthilfeorganisationen
im Sozial- und Gesundheitsbereich, Behindertenverbände und -organisationen
Adresse:
Telefon:
Fax:
E-Mail:
Internet:
Kempfstraße 23/3, Postfach 108, 9021 Klagenfurt
0463/504871
0463/504871-24
[email protected]
http://www.selbsthilfe-kaernten.at
83
16
FRAGEBOGEN ZUM ALLERGIERISIKO
16. Fragebogen zum Allergierisiko
1.
Leidet oder litt ein Verwandter (Eltern, Geschwister oder
andere Verwandte in direkter Linie) an Asthma,
Heuschnupfen, allergischem Hautausschlag oder anderen allergischen Beschwerden?
2.
Haben sie bereits in Ihrer Kindheit bestimmte
Nahrungsmittel oder Hautpflegeprodukte nicht vertragen
oder hatten Sie als Kind häufig einen stark juckenden
Ausschlag?
3.
Haben Sie öfter eine der folgenden Beschwerden: tränende und juckende Augen, rinnende Nase ohne
Verkühlung, trockener Husten (besonders in der Nacht),
plötzliche Hautrötungen, Hautausschläge oder
Schwellungen, die stark jucken können, ungewöhnlich
heftige Reaktion auf Insektenstiche, heftige Durchfälle,
die ohne besondere Behandlung wieder vergehen?
4.
Wann treten Ihre Beschwerden auf?
A:
B:
JA
NEIN
A:
B:
JA
NEIN
A:
B:
JA
NEIN
A:
Ohne längere beschwerdefreie Pause
während des ganzen Jahres
In unregelmäßigen Abständen anfallsweise
während des ganzen Jahres
Während des gesamten Jahres,
die Beschwerden sind aber in bestimmten
Monaten schlimmer
Nur in bestimmten Monaten, sonst
beschwerdefrei
Alle 2–3 Jahre in bestimmten Monaten
B:
C:
D:
E:
5.
Gibt es besondere auslösende Bedingungen
für Ihre Beschwerden?
84
A:
B:
C:
D:
E:
Intensive Stresssituationen im Berufsleben
Bei feuchtem, vor allem nebeligen Wetter
Bei Spaziergängen über Wiesen und Felder
Vor Ausbruch eines Gewitters
Nach Kontakt mit Haustieren außerhalb
Ihrer Haushalts
FRAGEBOGEN ZUM ALLERGIERISIKO
6.
Verändern sich Ihre Beschwerden bei Sport
oder körperlicher Belastung?
7.
Haben Sie eine Abneigung gegen bestimmte
Nahrungsmittel oder haben Sie Beschwerden nach dem
Genuss von bestimmten Nahrungsbestandteilen?
8.
Sind bestimmte Nahrungsbestandteile
für Sie unverträglich?
9.
Wie verlaufen Ihre Beschwerden?
16
A:
B:
JA
NEIN
A:
B:
JA
NEIN
A:
B:
C:
D:
E:
Obst-, Gemüsesorten oder Nüsse
Fisch- oder Meeresfrüchte
Weizenprodukte wie Brot und Nudeln
Milchprodukte und/oder Eier
Fleischprodukte
A:
Plötzlicher, heftiger Beginn, relativ kurz
nach dem Einwirken der Ursache.
Die Beschwerden bleiben bestehen
solange der Auslöser vorhanden ist.
Langsam und schleichend.
Erst nach Stunden treten erste milde
Beschwerden auf, die dann über einen
langen Zeitraum (bis zu mehreren
Tagen) bestehen bleiben.
Innerhalb von einer Stunde nach Kontakt
mit dem Auslöser kommt es zu ersten
Beschwerden, die sich nach 4-8 Stunden
erneut verschlechtern.
Der Verlauf der Beschwerden ist
stufenförmig. Nach tagelang gleich
bleibenden Beschwerden kommt es in
einem Schub zu einer weiteren
Verschlechterung.
Über Jahre hinweg gleich bleibendes
Beschwerdebild, das sich nie ändert.
B:
C:
D:
E:
Auswertung - siehe nächste Seite
85
16
ALLERGIEEINRICHTUNGEN IN KÄRNTEN
Auswertung
Zählen Sie anhand der Tabelle die Punkte für Ihre angekreuzten Antworten zusammen.
ANTWORT
FRAGE
A
B
C
D
E
1
1
0
-
-
-
2
1
0
-
-
-
3
1
0
-
-
-
4
1
1
1
1
0
5
0
0
1
0
1
6
1
0
-
-
-
7
1
0
-
-
-
8
1
1
0
1
0
9
1
0
1
0
0
Mehr als 3 Punkte:
Sie haben ein erhöhtes Risiko an einer Allergie zu leiden. Bitte suchen Sie so schnell wir möglich einen spezialisierten Arzt auf. Schildern Sie dem Arzt eingehend Ihre Symptome und lassen Sie eine Allergietestung durchführen.
1-3 Punkte:
Es ist durchaus möglich, dass Sie an einer Allergie leiden. Eine genaue Allergiediagnostik sollte auch bei Ihnen
durchgeführt werden. Bitte suchen Sie in den nächsten Wochen einen spezialisierten Arzt auf.
0 Punkte:
Ihr Risiko an einer Allergie zu leiden ist gering. Sollten Sie dennoch Beschwerden haben, von denen Sie glauben,
dass eine Allergie zugrunde liegt, sprechen Sie mit dem Arzt Ihres Vertrauens darüber.
86
ALLERGIEEINRICHTUNGEN IN KÄRNTEN
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87
Impressum:
Herausgeber:
Amt der Kärntner Landesregierung
Abteilung 12 Sanitätswesen
UA Umweltmedizin und Gesundheitsförderung
9020 Klagenfurt
Telefon: 050/536-31272
E-Mail: [email protected]
Internet: www.gesundheit-kaernten.at
Redaktion:
Univ.-Prof. Dr. Michael Kundi
Medizinische Universität Wien
Zentrum für Public Health
Institut für Umwelthygiene
Redaktionelle Mitarbeit:
Ing. Gabriela Pridnig
Amt der Kärnten Landesregierung
Abteilung 12 Sanitätswesen
UA Umweltmedizin und Gesundheitsförderung
Konzeption:
Ulrike Wöhlert
Agentur Echtzeit
www.in-echtzeit.at
Design, Gestaltung, Fotografie:
Gundula Alexandra Karl
Studio für visuelle Gestaltung
und Kommunikation
www.gundulakarl.at
Druck:
Carinthian Bogendruck GmbH
www.bogendruck.at
Klagenfurt 2007
Eine Initiative des Gesundheitsreferenten des Landes Kärnten
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