Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus

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DIE UBERSICHT
Virus-Sehe (8)
Infektionen mit
dem Epstein-Barr-Virus
Hans Georg Koch
Erik Harms
eit Ende des letzten Jahrhunderts sind Infektionen bekannt, die auf das EpsteinBarr-Virus (EBV) zurückgeführt werden können. Im Jahr 1889
prägte Emil Pfeiffer den Begriff des
Drüsenfiebers. Durch Sprunt und
Evans erfolgte im Jahr 1920 die erste
im heutigen Sinne vollständige Beschreibung dieser Erkrankung, die sie
in Anbetracht der beobachteten hämatologischen Veränderungen als infektiöse Mononukleose bezeichneten. Paul und Bunell konnten 1932 heterophile Antikörper nachweisen und
ebneten den Weg zur serologischen
Diagnose. Der Erreger selbst konnte
erstmals im Jahr 1964 durch Epstein
und Barr elektronenmikroskopisch
in Tumorzellen eines Burkitt-Lymphoms dargestellt und als Herpesvirus identifiziert werden. Vier Jahre
später erkannte man, daß das Epstein-Barr-Virus (EBV) auch als Erreger der infektiösen Mononukleose
betrachtet werden konnte (7). Epidemiologische Untersuchungen zeigten,
daß Erwachsene nahezu vollständig
gegen EBV seropositiv sind. Die Infektion verläuft häufig inapparent,
wobei der Schweregrad der klinischen
Manifestation einer infektiösen Mononukleose mit dem Erkrankungsalter zunimmt. Der Zeitpunkt der Erstinfektion scheint von soziokulturellen
Faktoren beeinflußt zu werden. In
den Ländern der Dritten Welt sind
bereits 80 bis 90 Prozent der Kinder
im Alter von zwei bis drei Jahren
seropositiv, im Vergleich zu 51 Prozent der vierjährigen Kinder in Mitteleuropa. Der frühe Zeitpunkt der
Erstinfektion hat zur Folge, daß eine
symptomatische EBV-Infektion in
den Entwicklungsländern ungewöhnlich ist (10).
S
A 436
-
Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus
(EBV) sind seit langem bekannt und
verlaufen in der Regel inapparent. Gelegentlich tritt eine akute Erkrankung
auf, die sich als infektiöse Mononukleose manifestiert; aber auch chronische Verläufe werden beobachtet.
Darüber hinaus besteht eine Assoziation zu bestimmten Malignomen und
lymphoproliferativen Erkrankungen.
Zellbiologische und molekularbiologische Forschungsergebnisse der letzten
Jahre tragen wesentlich zum Verständnis des Infektionsablaufes bei und
eröffnen neue Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie.
1. Virologische Aspekte
Als Mitglied der Familie Herpesviridae weist das Epstein-Barr-Virus
eine für Herpesviren typische Morphologie auf (Abbildung 1). Das etwa
120 nm messende Virion ist umhüllt,
162 Kapsomere verleihen ihm eine
ikosaedrische Struktur. Es enthält als
Nukleinsäure eine lineare, doppelsträngige DNA, deren 172 000 Basenpaare für etwa 80 Polypeptide kodieren (Abbildung 2).
Als charakteristisches Strukturmerkmal weist die EBV-DNA interne (IR1 bis IR4) und terminale repetitive Sequenzen (TR) auf, wobei
Allgemeine Kinderheilkunde (Direktor: Prof.
Dr. med. Erik Harms), Klinik und Poliklinik für
Kinderheilkunde der Universität Münster
(46) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 7, 17. Februar 1995
letztere eine Ringbildung der DNA
zur Replikation ermöglichen (10).
Die EBV-Infektion kann sowohl einen lytischen als auch einen latenten
Verlauf nehmen. Eine Rezeptorfunktion für EBV übernimmt hierbei
CD21, das auch als Rezeptor der C3dKomponente des Komplements bekannt ist. Nachgewiesen wurde dieser
„EBV-Rezeptor" bisher auf epithelialen Zellen des Nasopharynx und der
Cervix uteri, auf B-Lymphozyten, sowie in Tränendrüse und Hornhaut (5,
10). Die lytische Infektion, die typischerweise epitheliale Zellen betrifft,
ist dadurch charakterisiert, daß sie zur
Zerstörung der infizierten Zelle mit
Freisetzung infektiöser Virionen
führt. Dieser lytische Infektionszyklus ist dem anderer Herpesviren vergleichbar. Es werden in zeitlicher Abfolge Genprodukte gebildet, die für
die DNA-Replikation (zum Beispiel
virale DNA-Polymerase, Thymidinkinase) erforderlich sind oder Strukturkomponenten des Virions darstellen (beispielsweise viral capsid Antigen [VCA], gp350). Sie besitzen antigenen Charakter und lösen die Bildung von Antikörpern aus.
Im Gegensatz zur lytischen Infektion epithelialer Zellen werden B Lymphozyten in der Regel latent infiziert, wobei das virale Genom im
Zellkern der infizierten Zelle extrachromosomal in episomaler Ringform vorliegt (10). Solche durch EBV
transformierten (immortalisierten)
Lymphozyten besitzen in vitro die
Eigenschaft zu kontinuierlichem
Wachstum. Während der latenten Infektion werden lediglich virale Genprodukte gebildet, die EBV von anderen Herpesviren unterscheiden
(zum Beispiel Epstein Barr Nuclear
Antigen [EBNA], Latent Membran
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DIE ÜBERSICHT
Protein [LMP], Epstein Barr Encoded RNA [EBER]). Die Mechanismen
der Viruslatenz waren in den letzten
Jahren Gegenstand intensiver Forschung.
Man vermutet, daß die Persistenz
des episomalen viralen Genoms
durch die Expression von EBNA-1
ermöglicht wird, das durch Bindung
an die virale DNA deren Replikation
verhindert. Als Schalter zwischen
Latenz und permissivem Infektionszyklus scheint in vitro ZEBRA
(Z EBV Replication Activator) zu
agieren, ein ebenfalls viral kodiertes
Genprodukt (10).
Abbildung 1: Herpesvirionen; elektronenmikroskopisch dargestellt sind
Virionen mit typischer
Herpesvirus-Morphologie
(Primärvergrößerung:
50 000fach). Die unterschiedlichen Mitglieder
der Familie Herpesviridae lassen sich mit dieser
Methode nicht differenzieren. (Diese Aufnahme
verdanken wir Herrn Dr.
H. G. Baumeister, Hygienisch-bakteriologisches
Landesuntersuchungsamt, Münster.)
172 kb
TR
IR1
IR2
IR3
TR
IR4
Abbildung 2: Struktur des EBV-Genoms (modifiziert
nach Strauss et al. 1993). Das Genom des EpsteinBarr-Virus besteht aus einer linearen, doppelsträngigen DNA mit einer Länge von etwa 172 000 Basenpaaren, die für mehr als 80 unterschiedliche Genprodukte kodieren. Typisch für das Genom der Herpesviren sind interne und terminale repetitive Sequenzen
(IR, TR). Dargestellt sind einige kodierende Regionen
des viralen Genoms, die für Replikation oder Latenz
des Virus verantwortlich sind (gp350 — Glykoprotein
350, ZEBRA-Z Epstein Barr Replication Activator, VCA
— Viral Capsid Antigen, TK — Thymidinkinase, Pol —
DNA-Polymerase, EAR — Early Antigen Restricted,
EAD — Early Antigen Diffuse, ERNA — Epstein Barr
Nuclear Antigen).
Replikation
gp350 ZEBRA VCA TK
Latenz
Pol
9
EA-R EA-D EBNA-1
2. Klinische Symptomatik
Jugendliche / Erwachsene
Kinder
2.1. Akute Infektion
Die EBV-Infektion nimmt in
Form der infektiösen Mononukleose
ihren klassischen Verlauf. Sie wird
durch Speichel übertragen und tritt
meist im Schul- und jungen Erwachsenenalter auf. Nach einer durchschnittlichen Inkubationszeit von 10 bis 14
Tagen, die auch einige Wochen betragen kann, werden Fieber, Lymphadenopathie und Pharyngitis als typische Symptom-Trias beobachtet (4).
Die Krankheit verläuft beim immunkompetenten Individuum selbstlimitierend, kann auch durch eine Viel-
Abbildung 3: Relative Häufigkeit typischer Symptome der infektiösen Mononukleose bei Erwachsenen
Fieber
Abgeschlagenheit
Halsschmerzen
zervikale Lymphadenopathie
— 100 %
90 %
80 %
Splenomegalie
Ampicillinexanthem
Exsudative Pharyngotonsillitis
Fieber
zervikale Lymphadenopathie
70 %
60%
Splenomegalie
Exanthem
50 %
Exsudative Pharyngotonsillitis
40 %
Hepatomegalie
generalisierte Lymphadenopathie
30 %
Hepatomegalie
Ikterus
20 %
10%
Exanthem
0%
Ikterus
Halsschmerzen
Abgeschlagenheit
und Kindern
Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 7, 17. Februar 1995 (47)
A-437
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Abbildung 4: Symptome der infektiösen Mononukleose, A) Akute Pharyngotonsillitis bei einem 2jährigen Kind
mit typischen, weißlichen Belägen, B) Generalisiertes Exanthem
zahl von Symptomen, die unterschiedlichste Organe betreffen, kompliziert werden (Tabelle I). Die Häufigkeit klinischer Symptome zeigt bei
Kindern und Erwachsenen eine unterschiedliche Verteilung (3, Abbildung 3 und 4).
2.2. Chronische Infektion
In seltenen Fällen nimmt die Infektion einen chronischen Verlauf
und wird dann als chronische Mononukleose bezeichnet. Als führende
Symptome werden rekurrierendes
Fieber, reaktive Adenopathie und
Hepatosplenomegalie, Uveitis, Pneumonitis und Polyneuropathie beschrieben. Patienten können bei fortschreitender zellulärer und humoraler Immundefizienz an opportunistischen Infektionen und bakteriellen
Septikämien versterben. Es wurden
bisher allerdings nur wenige Einzelfälle der chronischen Mononukleose
beschrieben, deren Manifestationsalter zwischen 7 und 23 Jahren lag (10).
ver Syndrome beschrieben. Diesen
Erkrankungen liegen in der Regel mmundefizienzen zugrunde, die sowohl
angeborener als auch erworbener Natur sein können.
Bei dem X-chromosonial rezessiv vererbten, lymphoproliferativen
Syndrom (XLP, Duncan's Disease,
Purtilo-Syndrom) handelt es sich um
eine genetische Prädisposition männlicher Individuen, keine adäquate Immunantwort gegen eine EBV-Infektion aufbauen zu können (4). Der XLPLokus wurde genetisch auf dem lan-
2.3. Lymphoproliferatives
Syndrom
In Assoziation zur latenten EBVInfektion wird eine Reihe proliferatiAbbildung 5: Typische Virozyten („Pfeiffer-Zellen")
im Blutausstrich eines Patienten mit infektiöser Mononukleose
A-438 (48) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 7, 17. Februar 1995
gen Arm des X-Chromosoms (Xq25
bis 26) kartiert. Betroffene Individuen zeigen im Falle einer EBV-Infektion einen besonders schweren Verlauf,
der in der akuten Phase in mehr als
der Hälfte der Fälle letal verläuft.
Nach Überleben der akuten
Krankheitsphase bleiben häufig hämatologische und immunologische
Symptome bestehen (aplastische
Anämie, Hyper- oder Hypogammaglobulinämie, Lymphome, opportunistische Infektionen). Die Prognose ist
ungünstig.
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2.4. EBV-assoziierte
Malignome
Die Entstehung EBV-assoziierter B-Zell-Tumoren unter transplantationsbedingter Immunsuppression
erweist sich zunehmend als Problem.
Hier schient eine immunsuppressive
Therapie zu einer Reaktivierung einer persistierenden EBV-Infektion
mit Wachstum transformierter B-Zellen zu führen (1, 7, 10). Die Bedeutung der körpereigenen Immunabwehr für die Kontrolle der persistierenden EBV-Infektion wird auch dadurch deutlich, daß nach Beendigung
der immunsuppressiven Therapie ein
spontaner Rückgang der Neoplasien
in Einzelfällen eintrat. EBV-assoziierte Lymphome werden auch bei
AIDS und den seltenen hereditären
Immundefekten beobachtet. Das mit
EBV assoziierte Nasopharynx-Karzinom tritt endemisch im jungen Erwachsenenalter in China und Alaska,
ebenso wie das Burkitt-Lymphom bei
Kindern vor dem zehnten Lebensjahr
in Afrika auf, wobei letzteres eine Assoziation zu einer Infektion mit Malaria falciparum aufweist. EBV läßt sich
in diesen Tumoren regelmäßig nachweisen. Auffällig ist jedoch, daß einige Antigene des latenten Stadiums
(EBNA-2, EBNA-3, LMP), die Zielstrukturen zum Abbau EBV-infizierter B-Lymphozyten durch zytotoxische T-Lymphozyten darstellen, bei
dieser Erkrankung nicht exprimiert
werden und transformierte B-Lymphozyten möglicherweise so die Immunkontrolle unterlaufen können
(10). Die bevorzugt im Rahmen einer
AIDS-Erkrankung auftretende Haarzell-Leukoplakie äußert sich durch
weißliche Beläge im Bereich der
Mundschleimhaut. Es handelt sich
hier um eine benigne, epitheliale Proliferation, die nur selten im Kindesalter beschrieben wird (10).
Reihe unspezifischer Symptome (Hepatosplenomegalie, Thrombozytopenie, Lymphozytose, Dystrophie, muskuläre Hypotonie, Katarakt, Herzfehler, Metaphysitis) beschrieben
werden (2, 8). Aufgrund der hohen
Durchseuchung mit EBV im Erwachsenenalter ist eine primäre Infektion
schwangerer Frauen selten. Eine pränatale Infektion durch Reaktivierung
einer latenten EBV-Infektion wurde
bis heute nicht berichtet.
bei der infektiösen Mononukleose im
Differentialblutbild typische Virozyten (Abbildung 5), die aktivierte zytotoxische T-Zellen (CD8) repräsentieren. Serologisch lassen sich zunächst anti-VCA-Antikörper der
IgM- und IgG-Klasse nachweisen, in
70 bis 80 Prozent der Fälle auch Antikörper gegen den Early Antigen
Komplex (anti-EA) sowie heterophile IgM-Antikörper (Paul-BunellTest), die allerdings bei Kindern nur
in 50 Prozent der Fälle nachweisbar
sind (6, 10). Antikörper gegen EBNA
treten erst nach der akuten Infektion
im Stadium der Viruslatenz auf, bei
XLP oder Immundefizienz sind sie
häufig nicht nachweisbar. Positive anti-VCA-IgM-Titer können auch eine
3. Labordiagnostik
Die Diagnostik der EBV-Infektion basiert auf unterschiedlichen Methoden. Klassischerweise zeigen sich
1
Inkubation
Tage
3 5
7
Wochen
2 3 4
1/
Akute Phase
Monate
2 3 4
//
Rekonvaleszenz
I Abgelaufene
Infektion
Klinik
Lyrnphadenopathie
Blutbild
EB-Virus
Pharynx
Antikörper:
transiente
Heterophil e Antikörper
IgM Anti-VCA
Anti-EA D
2.5. Pränatale Infektion
Die Bedeutung von EBV als Erreger einer konnatalen Infektion ist
noch nicht geklärt. Es liegen nur vereinzelte Kasuistiken vor, wobei eine
Abbildung 6: Zeitlicher Verlauf klinischer Symptome
und diagnostischer Parameter der infektiösen Mononukleose
persistierende
1
Tage
3 5
7
Wochen
2 3 4
1/
Monate
2 3 4
Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 7, 17. Februar 1995 (51)
A-439
DIE ÜBERSICHT
Reaktivierung einer EBV-Infektion
anzeigen. In der chronischen Verlaufsform der EBV-Infektion sowie
bei Nasapharynx-Karzinom und Burkitt-Lymphom lassen sich in der Regel anti-EBNA-IgG, anti-EA- sowie
anti-VCA-IgG-Antikörper nachweisen. Im Falle des Nasapharynx-Karzinoms auch anti-VCA-Antikörper der
IgA-Klasse, die wahrscheinlich auf lokale Antikörperproduktion zurückzuführen ist. Hier scheint auch eine
Korrelation des Antikörpertiters mit
der Tumormasse zu bestehen. Doch
gerade bei immundefizienten Individuen oder der chronischen Mononukleose treten häufig Probleme bezüglich der serologischen Diagnostik auf.
Das Spektrum der diagnostischen
Möglichkeiten wird hier sinnvoll
durch Methoden des Virus-Nachweises ergänzt. Dieser kann mit Hilfe von
Test-Antikörpern gegen virale Strukturen erfolgen (Immunoblot, Immunfluoreszenz) oder durch Nachweis vi-
Tabelle 1: Serologische Befunde bei unterschiedlichen Manifestationen
der EBV-Infektion
IgM
IgM
IgG
IgA
+
+
++
(+)
Infektiöse Mononukleose
Zustand nach EBV-Infektion
+
Chronische EBV-Infektion
++
Burkitt-Lymphom
++
Nasapharynx-Karzinom
++
Antikörper
IgG IgG
+
+
(+)
(+)
+
++
(+)
(+)
(+)
++
+
++
+
+positiv ++stark positiv (+) möglicherweise positiv
VCA = Viruskapsid-Antigen EA = early antigen (D = diffuse, R = restricted)
EBNA =Kern-Antigene
Seltene Komplikationen
Hämatologie
Hämolytische Anämie,
Thrombozytopenie,
Granulozytopenie, aplastische Anämie
Neurologie
Enzephalitis, Transversale Myelitis,
Guillain-Barre-Syndrom,
Neuritis nervi optici
~
Fieber
~
Abgeschlagenheit
Herz
Myokarditis, Perikarditis
~
Halsschmerzen
Atemwege
~
Zervikale
Lymphadenopathie
Larynxobstruktion,
Streptokokkenpharyngitis,
Pneumonie, Nasapharynx-Karzinom
~
Splenomegalie
Haut
~
Exsudative
Pharyngotonsillitis
Ampicillin-Rush, Vaskulitis,
Kälteurtikaria,
Haarzell-Leukoplakie
~
Hepatomegalie
Niere
~
Ikterus
Interstitielle Nephritis,
Glomerulanephritis
~
Exanthem
Leber
Hepatitis, Lebernekrose,
Reye-Syndrom
A-440
EBNA-
EAD EA-R
Tabelle 2: Typische Symptome und seltene Komplikationen der infektiösen Mononukleose
Typische Symptome
EA-Antikörper
Hetero- V CA-Antikörper
phile
Antikörper
Milz
Ruptur
Augen
Keratitis, Dakryozystitis,
Konjunktivitis
Immunologie
Hypo-/Hypergammaglobulinämie,
lymphoprolifera tive Syndrome
(52) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 7, 17. Februar 1995
raler DNA (In-situ-Hybridisierung,
PCR). Die direkte Darstellung des
Virus kann elektronenmikroskopisch
gelingen. Es läßt sich mit dieser aufwendigen Methode jedoch keine Differenzierung des EBV von anderen
Viren der Herpesgruppe erzielen. Als
Untersuchungsmaterial für den direkten Virusnachweis eignet sich besonders Rachenspülflüssigkeit Die Relevanz der Virusisolierung im Rahmen
der Diagnostik sollte nicht überbewertet werden, da sie bei seropositiven Individuen allzuhäufig gelingt.
Der serologische Status bei unterschiedlichen Manifestationen einer
EBV-Infektion ist in Tabelle 1 dargestellt; Abbildung 6 zeigt den zeitlichen
Verlaufklinischer Symptome und diagnostischer Parameter der infektiösen Mononukleose.
4. Therapie
In-vitra-Versuche konnten zeigen, daß Virostatika wie beispielsweise Aciclovir (wie Zovirax®), Ganciclovir (wie Cymeven®) und Foscarnet sowie Interferone die EBV-Replikation hemmen. Diese Wirkung erfaßt allerdings nur die Replikation
der linearen Form der viralen DNA in
der lytischen Infektion. Die latente
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DIE ÜBERSICHT / FÜR SIE REFERIERT
Infektion kann durch diese Mittel
nicht beeinflußt werden (9, 10, 11).
Klinische Studien zeigten jedoch, daß
in vivo die Behandlungserfolge auch
der lytischen Infektion beim Menschen enttäuschend sind.
In der Regel nimmt die infektiöse
Mononukleose einen selbstlimitierenden Verlauf und bedarf nicht der
virustatischen Behandlung. Man beschränkt sich im akuten Stadium auf
Bettruhe und empfiehlt bei Splenomegalie körperliche Schonung, um einer Milzruptur vorzubeugen. Eine antibiotische Behandlung ist lediglich
im Falle einer superinfizierten Tonsillitis in Erwägung zu ziehen, wobei
Ampicillin und Amoxycillin kontraindiziert sind, da hierdurch regelmäßig
ein Exanthem („Rush") induziert
wird.
Die Anwendung von Steroiden
ist kritisch zu betrachten. Durch deren zytotoxische Wirkung auf T-Lymphozyten, die einen die Infektion
kontrollierenden Einfluß haben, kann
der Verlauf verschlechtert werden.
Allerdings wird beobachtet, daß entzündliche Komplikationen der infek-
tiösen Mononukleose unter Steroidanwendung günstig zu beeinflussen
sind. Empfohlen wird im Falle einer
komplizierten Mononukleose größte
Zurückhaltung bezüglich einer Steroidtherapie. In diesem Fall kann die
Kombination mit Virostatika in Erwägung gezogen werden. Der Erfolg
dieses kombinierten Behandlungsregimes ist allerdings noch nicht in klinischen Studien bewiesen worden. Der
fulminante Verlauf der infektiösen
Mononukleose bei der X-chromosomal proliferativen Verlaufsform läßt
sich zur Zeit noch nicht medikamentös aufhalten. Es wird berichtet,
daß die Haarzell-Leukoplakie, eine
EBV induzierte, benigne epitheliale
Proliferation der Mundschleimhaut,
die häufig bei erwachsenen AIDS-Patienten diagnostiziert wird, durch
Aciclovir positiv zu beeinflussen ist.
Die Rezidivrate ist allerdings hoch.
Hoffnungen zur Prophylaxe EBV-induzierter Tumoren liegen in der Entwicklung eines Impfstoffes, wobei im
Tierversuch bereits durch das EBVStrukturprotein gp350 neutralisierende Antikörper induziert werden
Organerhaltende Behandlung beim lokal
fortgeschrittenen Harnblasenkarzinom
Die radikale Zystektomie gilt als
Standardtherapie des fortgeschrittenen Blasenkarzinoms. Seit einigen
Jahren gibt es mehrere Pilotstudien,
in denen man durch Kombination von
Radiotherapie und Chemotherapie
einen Organerhalt anstrebt und die
Zystektomie erst bei Versagen dieser
konservativen Therapie einsetzt. Die
Autoren berichten über die Ergebnisse eines prospektiven, seit 1982 an der
Universität Erlangen durchgeführten
Protokolls.
Von 1982 bis 1991 wurden 245 Patienten, die aufgrund ihres Tumorstadiums Kandidaten für eine Zystektomie gewesen wären (T2 bis 4 oder T1
G3), behandelt. Das mittlere Alter
betrug 66 Jahre. Die Therapie bestand
aus einer möglichst kompletten transurethralen Resektion (TUR) mit
anschließender Radiotherapie (50 Gy
in 28 Fraktionen in sechs Wochen)
oder Radiochemotherapie mit Cisplatin (n = 79) oder Carboplatin (n = 60).
Sechs bis acht Wochen nach Radiotherapie überprüfte man den Behandlungserfolg durch Kontroll-TUR. Eine radikale Zystektomie erfolgte nur
bei Tumorpersistenz oder bei invasiven Rezidiven.
Die 5-Jahres-Überlebensrate im
Gesamtkollektiv betrug 47 Prozent.
Bei muskelinvasiven Tumoren erreichte man 5-Jahres-Überlebensraten von 64 Prozent bei T2 (n = 47), 43
Prozent bei T3 (n = 127) und 16 Prozent bei T4 (n = 23).
Der wichtigste prognostische
Faktor war eine komplette TUR vor
Radiotherapie.
53 Patienten wurden im weiteren
Verlauf zystektomiert, die übrigen 79
Prozent behielten eine normal funktionierende Blase. Die Rate der Blasenerhaltung bei den nach fünf Jahren
konnten (9). Eine EBV-Impfung wäre
allerdings auf Risikogruppen wie Patienten mit Immundefizienzen oder
Transplantatempfänger zu begrenzen. Zur Prävention der Infektion
sind die allgemeinen Hygienerichtlinien ausreichend. Direkter Speichelkontakt sollte vermieden werden. Eine Isolierung der Patienten ist in der
Regel nicht erforderlich.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1995; 92: A-436-441
[Heft 7]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf
das Literaturverzeichnis im Sonderdruck,
anzufordern über die Verfasser
.
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Erik Harms
Klinik und Poliklinik für
Kinderheilkunde
Albert-Schweitzer-Straße 33
48129 Münster
noch lebenden Patienten betrug 83
Prozent.
Die Autoren folgern, daß mit
TUR und Radiochemotherapie Überlebensraten ähnlich wie bei radikaler
Zystektomie erreicht werden können.
Der Vorteil des Verfahrens ist der Erhalt einer funktionierenden Blase bei
dem überwiegenden Teil der Patienten. Analog zu anderen Malignomen
(Mammakarzinom, Weichteilsarkome der Extremitäten) erscheint ein
primär organerhaltendes Therapiekonzept auch bei Blasenkarzinomen
sinnvoll. Ptr
Dunst J et al.: Organ-sparing treatment
of advanced bladder cancer: A 10-year
experience. Int J Radiat Oncol Biol Phys
1994; 30: 261-266
Prof. Dr. Jürgen Dunst, Strahlentherapeutische Klinik, Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg, Dryanderstraße
4-7,06097 Halle
Prof. Dr. Rolf Sauer, Prof. Dr. Karl M.
Schrott, Universität Erlangen, Universitätsstraße 27,91054 Erlangen
Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 7, 17. Februar 1995 (55)
A-441
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