Versuch 35: Millikan-Experiment - Positron Annihilation in Halle

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Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg
FB Physik
FortgeschrittenenPraktikum
Versuch 35: Millikan-Experiment
1)
Lesen Sie zunächst die Originalpublikation von Millikan1 aus dem Jahre 1911
(auf Webseite bzw. im Versuchsordner).
2)
Führen Sie die Computersimulation des Millikan-Versuches durch (auf
Arbeitsplatz-PC).
3)
Aus der Analyse des Bewegungsverhaltens im homogenen elektrischen Feld
eines Plattenkondensators sind die Radien und die elektrischen Ladungen von
>40 Öltröpfchen zu bestimmen (jeder Student >20). Messen Sie mindestens ein
Teilchen dabei mehrfach, um einen Eindruck über den Fehler der Zeitmessung
zu erhalten. Verwenden Sie dazu zunächst die Steigmethode.
4)
Vergleichen Sie das Ergebnis mit einer Messung nach der Schwebemethode
(mindestens 15 Teilchen).
Man bestimme:
5)
die mittlere freie Weglänge der Luftmoleküle,
6)
die Cunningham-Konstante,
7)
die elektrische Elementarladung e,
8)
den Fehler der Messung.
Hinweise:
• Abstand der Kondensatorplatten: ( 6 ± 0,05 ) mm
• Öldichte: Versuchsanleitung Gl. 13
• Viskosität der Luft: Versuchsanleitung Gl. 12
• Luftdichte: Versuchsanleitung Gl. 14
• Objektivvergrößerung im Messmikroskop: 2 (±0,05)
• Länge der Mikrometerskala: 10 mm
• Skalenteilung: 0,1 mm (Beachten Sie die Vergrößerung mit dem Faktor 2!)
• Wichtig: Zwei Pumpvorgänge pro Messung sind ausreichend!
• Verwenden Sie möglichst größere Tröpfchen.
Literatur:
•
H. Haken, H. C. Wolf: Atom- und Quantenphysik
•
H. J. Eichler, H.-D. Kronfeldt, J. Sahm: Physikalisches Praktikum
•
Grimsehl: Lehrbuch der Physik
1
R.A. Millikan, The Physical Review 32 (1911) 349
1
Kontrollfragen:
• Welches sind die wesentlichen Unterschiede zwischen Ihrem Aufbau und dem
ursprünglichen Experiment von Millikan.
• Wie groß ist die mittlere freie Weglänge von Stickstoffmolekülen in Luft bei
Normalbedingungen?
• Wie ließen sich die Öltröpfchen auf andere Weise ionisieren?
• Woran erkennen Sie die großen Öltröpfchen?
• Was versteht man unter Dunkelfeldbeleuchtung beim Messmikroskop?
• Was ist die Cunningham-Konstante?
• Welches ist der experimentelle Hauptfehler, den Sie erwarten?
1.
Vorwort
R.A. Millikan publizierte in The Physical Review 32 (1911) 349 ein ÖltröpfchenExperiment, mit dem er das Elementarquantum der elektrischen Ladung e = l,602×10-19
As bis auf eine Abweichung von (-1)% bestimmt hatte. Er experimentierte insgesamt
drei Jahre mit seiner Anlage. Darin konnte der Luftdruck variiert werden. Ein Thermostat stabilisierte die Temperatur im Messkondensator. Sein Ergebnis folgte aus der Beobachtung von 58 Öltröpfchen, die alle ohne Ausnahme den gesuchten Wert bestätigten.
Später wurde bekannt, dass die Zahl der untersuchten Öltröpfchen bei 140 lag. Die "Ausreißer" sollen von Millikan unterschlagen worden sein, wie man aus seinen eigenen
Messprotokollen entnehmen konnte. Wie dem auch sei, das Experiment ist also nicht so
einfach, wie es bei einer ersten Betrachtung erscheint. Deshalb soll dieses Vorwort zu
präziser Arbeit animieren und den Ehrgeiz anstacheln, die neben der Lichtgeschwindigkeit wichtigste physikalische Naturkonstante möglichst richtig zu bestimmen.
Im Rahmen unserer experimentellen Möglichkeiten kann man zur Lösung der Aufgabe
verschiedene Wege gehen (Schwebemethode, ein- bzw. mehrfache Sink-/Steigmethode)
bei Direktbeobachtung im Messmikroskop. Wir verwenden als Standard die Sink/Steigemethode, aber die Schwebemethode kann ebenfalls getestet werden.
2.
Grundlagen
Mit der Millikan-Apparatur gelingt der Nachweis der Quantelung der elektrischen Ladung und die Bestimmung des Elementarquantums durch Messung des Bewegungsverhaltens einzelner geladener Öltröpfchen im homogenen elektrischen Feld. Die Beobachtung der Teilchen, die durch Reibungselektrizität aufgeladen sind, erfolgt mit Hilfe eines
Messmikroskops in Dunkelfeldbeleuchtung. Die Mikrometerskala zur Messung des
Tröpfchenweges wird durch Drehen des Okulars scharf eingestellt. Die Schalterfunktionen des Betriebsgerätes sind der folgenden Abbildung zu entnehmen.
2
Ein kugelförmiges Teilchen mit dem Radius r, das sich mit der Geschwindigkeit v in einem viskosen Medium (z.B. Luft; Zähigkeit 77) bewegt, erfährt nach dem von G.G. Stokes angegebenen Gesetz bei Einhaltung gewisser Bedingungen eine Reibungskraft FR:
FR = −6π η r v
(1)
Dieses Stokesche Gesetz (1) entspricht für eine sphärische Geometrie dem Kraftansatz
von Newton zur Beschreibung der Hydrodynamik zäher Flüssigkeiten. In einer Laminarströmung wird die strömende Flüssigkeit in Parallelschichten mit verschiedener Geschwindigkeit unterteilt, die aneinander vorbei gleiten. Die Schichten sind durch Bindungskräfte miteinander verbunden. Die schnellere Schicht wird durch die langsame verzögert und umgekehrt. Die Bindungskräfte sind die Ursache für die "innere Reibung".
Der Betrag der Bremskraft für die schnelle bzw. für die Beschleunigungskraft für die
langsame Schicht ist nach Newton:
FR = η ⋅ A ⋅ grad v
(2)
wobei A die gemeinsame Berührungsfläche beider Schichten und grad v der Geschwindigkeitsunterschied senkrecht zur Strömungsrichtung ist. Gleichung (2) ist auch die Ausgangsgleichung für das Hagen-Poiseuillesche Gesetz, wonach das pro Zeiteinheit durch
ein Rohr (Radius R; Länge L) fließende Flüssigkeitsvolumen
V π ⋅ Δp ⋅ r 4
=
t
8η ⋅ L
ist.
(3)
Bei Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit entsteht Turbulenz. Die Teilchenbahnen
sind dann nicht mehr geradlinig wie bei laminarer Strömung. Gleichung (2) gilt nicht
mehr. Beide Bereiche werden durch die Reynoldzahl R = 2 ρ ⋅ r ⋅ v / η getrennt (Grenzwert
für laminare Strömung: R < 2200).
In Gasen ist wegen der ungeordneten Wärmebewegung der Moleküle das Modell der
Schichten, die durch Bindungskräfte gekoppelt sind, zu revidieren. Bleiben wir bei der
die räumlichen Verhältnisse beschreibenden Schichtstruktur mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten im Gas, so werden Moleküle von einer Schicht zur anderen wechseln.
Die Moleküle, die aus der schnellen Schicht zur langsamen übergehen, werden diese beschleunigen und umgekehrt. Mit der Gleichung (2) für laminare Strömung und diesem
gaskinetischen Modell erhält man für die Zähigkeit in Gasen:
η=
M v
.
4π ⋅ N A ⋅ D 2
(4)
Dabei sind M: Molekulargewicht, D: Moleküldurchmesser, <v>: mittlere Molekülgeschwindigkeit, NA: Avogadrozahl. (Diskutieren Sie mit den beiden Schichtmodellen die
Temperaturabhängigkeit der Zähigkeit für Flüssigkeiten und für Gase!)
Im Millikan-Experiment werden zunächst bei der Spannung U = 0 an den Kondensatorplatten Öltröpfchen in den Kondensator gesprüht. Die Sinkgeschwindigkeit v1 folgt aus
dem Kräftegleichgewicht zwischen Schwerkraft, Auftrieb und Stokesscher Reibungskraft:
3
4
6π ⋅η ⋅ r ⋅ v1 = π ⋅ r 3 ( ρÖl − ρ Luft ) ⋅ g .
3
(5)
Die Messgröße ist die Geschwindigkeit v1 – also bei vorgegebenem Weg die Sinkzeit t1.
Aus der Viskosität und der Dichte von Luft sowie vom Öl ist nach (5) der Tröpfchenradius R berechenbar.
Nun wird das homogene elektrische Feld zwischen den Kondensatorplatten angelegt. Es
ist vertikal orientiert, wobei wir willkürlich vertikal fallend ausgewählt haben, denn wir
müssen davon ausgehen, dass die Öltröpfchen reibungselektrisch sowohl als Donator als
auch als Akzeptor wirken. Positiv geladene Öltröpfchen spüren Parallelität zwischen
Schwerkraft und Feldkraft. In Ergänzung zu (5) gilt für das neue Kräftegleichgewicht
aus den genannten Kräften sowie aus Reibungskraft und Auftrieb für die gleichförmige
Bewegung:
(6)
Daraus ergibt sich:
6π ⋅ η ⋅ r
(v2 − v1 ) .
E
n⋅e =
(7)
Aus (5) wird nach Umstellung:
R = 3⋅
η ⋅ v1
2 g ⋅ ( ρÖl − ρ Luft )
(8)
Die Gleichungen (7) und (8) ergeben:
n⋅e =
18π η 3 ⋅ v1 ⋅ (v2 − v1 ) 2
⋅
.
E
2 g ⋅ ( ρÖl − ρ Luft )
(9)
Für negativ geladene Öltröpfchen ergibt sich eine Steiggeschwindigkeit v2 bei genügend
großer Feldstärke und statt (6) gilt in diesem Fall:
4
−6 ⋅ π ⋅η ⋅ r ⋅ v2 = − n ⋅ e + π ⋅ r 3 ⋅ ( ρÖl − ρ Luft ) .
3
(10)
Das ergibt an Stelle von (9):
n⋅e =
η 3v1 ⋅ (v2 + v1 )2
18π
⋅
.
E
2 g ⋅ ( ρÖl − ρ Luft )
(11)
Zunächst kann man für E = 0 nach (5) die Variationsbreite der Tröpfchenradien untersuchen. Man erkennt diese qualitativ deutlich an den verschiedenen Fallgeschwindigkeiten
v1. Auch die Störung der Vertikalbewegung – besonders für kleinere Tröpfchen – durch
die Brownsche Molekularbewegung ist sichtbar. Für (5) bzw. (8) verwenden wir folgende Relationen:
4
⎡ kg ⎤
η⎢
= (1,710 + 0,005 ⋅ T [°C ]) ⋅ 10 − 5
⎥
⎣s⋅m⎦
⎡ kg ⎤
ρÖl ⎢ 3 ⎥ = 886 − 0, 6 ⋅ T [°C ]
⎣m ⎦
⎡ kg ⎤
ρ Luft ⎢ 3 ⎥ = 1,29 − 3,4 ⋅ 10− 3 ⋅ T [°C]
⎣m ⎦
(12)
(13)
(Luftdruck: 1 Bar)
(14)
Die Auswertung der Fallbewegungen von 20 Öltröpfchen, die sich gut beobachten lassen
(es wird relativ schnelle und sehr langsame Teilchen geben, die man ignorieren sollte),
ergibt R-Werte in der Größenordnung einiger 10-7m.
Für die Gültigkeit des Stokesschen Gesetzes wird eine Teilchengröße gefordert, die groß
ist gegen die mittlere freie Weglänge der Luftmoleküle. Wir benötigen demnach die mittlere freie Weglänge unter unseren Bedingungen. Falls beide Werte eine Größenordnung
haben, kann man (1) mit einer korrigierten Viskosität ηk (Cunningham-Korrektur) weiter
anwenden.
ηk =
η
(15)
c
1+
p⋅R
In unserem Experiment ist p der Luftdruck (am Barometer in R 307 ablesen) und c eine
Konstante. Mit (11) folgt aus (15) eine korrigierte Ladung
( n ⋅ e) k =
n⋅e
⎛
c ⎞
⎜⎜1 +
⎟
p ⋅ R ⎟⎠
⎝
(16)
3
2
Umgestellt wird daraus
(17)
Die Gerade (n ⋅ e ) = f (1 / r ) liefert über den Ordinatenabschnitt die gesuchten korrigierten Ladungen und mit dem Geradenanstieg die Cunningham-Konstante c.
2/3
5
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