Diffusion Diffusion Dr. H.–J. Weiss Die Kenntnis verschiedenster Diffusionserscheinungen gehört seit jeher zum praktischen Allgemeinwissen. In mathematischer Formulierung wurde die Diffusion erstmalig 1855 von A. F ICK beschrieben. Sachverhalt Alle Vorgänge, bei denen ein Strom“ einer physika” lischen Größe sich in der Weise ausbildet, dass die Stromdichte“ v proportional zum Gradienten dieser ” Größe, grad , ist, kann als Diffusion im weiteren Sinne betrachtet werden: v = −D · grad . (1) Die hier als bezeichnete Größe kann dabei unterschiedliche Bedeutung haben, z.B. Konzentration eines Fremdstoffes (Diffusion im engeren Sinne), Konzentration von Leerstellen (Leerstellendiffusion), Temperatur (Wärmeleitung), Impulsdichte (Zähigkeit von Flüssigkeiten und Gasen) und andere. In abgeschlossenen Systemen bewirkt die Diffusion, dass Unterschiede in der räumlichen Verteilung der Größe im Laufe der Zeit sich ausgleichen und damit der Diffusionsstrom verschwindet. Nimmt man eine Bilanzgleichung der diffundierenden Größe hinzu d + div v = 0, (2) dt erhält man die Diffusionsgleichung in der Form d − D Δ = 0, dt Δ≡ d2 d2 d2 + 2+ 2. 2 dx dy dz (3) Wenn die Gesamtmenge der diffundierenden Sub” stanz“ nicht erhalten bleibt, sondern im Zeitablauf zu– oder abnimmt, ist in (3) statt 0 ein Quellterm“ zu set” zen. Da die Diffusionsgleichung (3) linear ist, überlagern sich ihre Lösungen, ohne sich zu stören. So lässt sich die zeitliche Entwicklung einer beliebigen Anfangsverteilung (x, y, z) berechnen, indem man die Diffusion der in jedem Volumenelement enthaltenen Substanzmenge dxdydz einzeln betrachtet und die Lösungen überlagert. Eine anfangs punktförmig vorgegebene Konzentration fließt gemäß einer sich verbreiternden G AUSSschen Glockenkurve auseinander. Die Ausbreitung erfolgt dabei mit einer charakteri stischen Geschwindigkeit D/t, sodass eine anfangs punktförmige Verteilung etwa nach der Zeit s2 /D auf die Breite s zerlaufen ist. Somit unterscheidet sich die Ausbreitung einer Substanz durch Diffusion wesentlich von anderen Ausbreitungsvorgängen wie Strömung oder Wellenausbreitung: Die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist proportional zu D/s, also umgekehrt proportional zur Entfernung. Deshalb ist die Diffusion innerhalb kleiner Raumbereiche ein sehr schneller und wirksamer Transportmechanismus, während sie im makroskopischen Erfahrungsbereich des Menschen als ein sehr langsamer Vorgang empfunden wird. Dementsprechend werden Transportvorgänge innerhalb von Mikroorganismen oder zwischen sinternden Pulverteilchen fast ausschließlich durch Diffusion bewirkt. Dagegen sind in größeren Lebewesen oder beim Mischen von Flüssigkeiten in Behältern Konvektionsströme erforderlich, damit die entsprechenden Zeiten nicht zu groß werden. In Gasen erfolgt die Diffusion durch die ungeordnete thermische Bewegung der Gasmoleküle. Im Vergleich zur thermischen Geschwindigkeit ist die Diffusionsgeschwindigkeit bei Normaldruck sehr klein infolge der häufigen Zusammenstöße der Gasmoleküle nach kurzer freier Weglänge. Im Festkörper erfolgt die Diffusion durch schrittweise Ortsveränderung von Atomen. Dazu muss eine Energieschwelle, die so genannte Aktivierungsenergie, durch thermische Fluktuationen überwunden werden. Deshalb ist die Diffusion stark temperaturabhängig: −U D = D0 exp . (4) kT In Tabellen wird der temperaturabhängige Diffusionskoeffizient D zweckmäßig in Form der beiden Materialwerte D0 und U angegeben. Dabei ist erforderlich, auch den Temperaturbereich anzugeben, in dem diese Werte gelten, denn in realen Werkstoffen können mehrere Diffusionsmechanismen zugleich wirken, sodass D nicht für beliebige Temperaturen durch ein einheitliches Gesetz (4) mit konstantem D0 und U dargestellt werden kann. Auch ist zu beachten, dass D0 und U von der Richtung im Kristallgitter abhängen. Für die Diffusion von Substanz in Kristallen kommen folgende Mechanismen in Betracht: Wandern von Leerstellen und Zwischengitteratomen, Platzwechsel von zwei oder mehreren Gitteratomen. Entlang der Versetzungen und Korngrenzen sind diese Mechanismen und damit die Diffusion um einige Zehnerpotenzen schneller als im ungestörten Gitter. Infolgedessen hängt die effektive, d.h. räumlich gemittelte Diffusion im Festkörper stark von dessen Realstruktur ab. Oft werden weitere molekulare Transportphänomene als Diffusion bezeichnet: Thermodiffusion, Elektrodiffusion, Berg–auf–Diffusion und andere. Sie haben mit der Diffusion von Substanz im Sinne von (1) und (3) nur gemeinsam, dass die thermische Molekularbewegung wesentlicher Bestandteil des Phänomens ist. Zwecks 307 Effekte der Festkörperphysik größerer begrifflicher Klarheit werden neuerdings dafür Anwendungen andere Bezeichnungen bevorzugt, wie Thermotransport, Diffusion ist eine Erscheinung, die überall abläuft, auch Elektrotransport, Entmischung u.a.. ohne angewandt“ zu werden. Als Anwendungen wer” den hier deshalb nur solche Beispiele genannt, wo die Tabelle 1 Stofftransport durch Diffusion. Kenntnis der Diffusionsgesetze für die Beherrschung Die Diffusionskonstante D gilt für die in der folgenden Spalte angegebene Temperatur und für Normaldruck. D0 und U beschreiben des Prozesses wesentlich ist. die Temperaturabhängigkeit von D gemäß Gl. (4). In der letzten Dekorieren von Kristallbaufehlern Da Fremdatome in Spalte ist der Temperaturbereich angegeben, in welchem diese Kristallen bevorzugt längs Versetzungen und KorngrenWerte gelten. T D0 U T D zen diffundieren, reichern sie sich dort an und lassen ◦ C cm2 /s kJ/mol ◦C cm2 /s sich sichtbar machen. Gase 0,1. . . 1 20 Wärmebehandlung von Metallen Gezielte Gefügeän20 Flüssigkeiten 10−5 −5 derungen in Metalllegierungen können dadurch erreicht 20 1,1 · 10−4 4,8 0. . . 100 Hg in Hg 3 · 10 Metalle in Hg 8 · 10−6 . . . 20 werden, dass man die Diffusion mittels eines Tempera−5 7 · 10 turregimes so steuert, dass die erforderlichen Transport−5 C in Fe flüss. 9 · 10 1550 vorgänge in technologisch annehmbaren Zeiten ablauNa+ in NaCl 5 · 10−9 700 fen (Diffusionsglühen). Cl− in NaCl 7 · 10−10 700 4 · 10−9 700 J− in NaCl Verfestigung von Gläsern In einer dünnen Ober+ −7 Na in 3 · 10 700 0,013 84 635. . . 780 flächenschicht können Metallionen des Glases in einem Na–Ca–Glas Diffusionsprozess durch größere ersetzt werden. Der dadurch erzeugte Druckspannungszustand vermindert die D bruchauslösende Wirkung von Oberflächendefekten. cm2 /s Tabelle 2 Pulvermetallurgie Das Sintern von Pulver zu einem Luft 0,21 Temperaturleitfähigkeit bei Wasserstoff 1,5 kompakten Werkstoff wird wesentlich durch die Diffusi20 ◦C und Normaldruck Wasser 0,0013 (D = λ/c, λ – Wärme- on von Atomen längs der Oberfläche der Pulverteilchen Kupfer 1,15 leitfähigkeit, – Dichte, c – und durch die Diffusion von Leerstellen im Volumen beCr–Ni–Stahl 0,04 spezifische Wärme). stimmt. Beton 0,005 Halbleitertechnologie Bei der Herstellung von HalbJenaer Glas 0,005 leiter–Bauelementen wird die erforderliche KonzentraD cm2 /s tionsverteilung der Dotierungssubstanz durch Diffusion Tabelle 3 Luft 0,15 Kinematische Viskosität eingestellt. Wasserstoff 0,98 bei 20 ◦C und Normaldruck Oberflächenveredlung von Metallen Der zu veredelnWasser 0,01 (D = η/, de Gegenstand wird in Pulver eingebettet und erhitzt. Äther 0,003 η = dynamische Viskosität, Quecksilber 0,0015 Die Temperatur ist so zu wählen, dass die Pulversub = Dichte. Cyclohexanol 1 In diesem Zusammenhang stanz in die Oberfläche des Gegenstandes diffundiert, Getriebeöl 10. . . 100 wird D oft als γ bezeichnet ohne dass das Pulver sintert. 7 Pech turbulente Luft bei Re = 104 3 · 10 3 und cm2 /s als Stokes). Kennwerte, Funktionen Beim Vergleich der Werte D für Gase in Tab. 1 bis 3 fällt auf, dass sie von ungefähr gleicher Größe sind. Das ist darin begründet, dass die Gasmoleküle Träger von Substanz, Energie und Impuls sind und daher die Diffusion dieser Größen durch den gleichen Mechanismus erfolgt, nämlich durch Stöße der sich mit thermischer Geschwindigkeit bewegenden Moleküle. Die großen Unterschiede zwischen den Tab. 1 bis 3 bei den Werten für Flüssigkeiten und Festkörper weisen darauf hin, dass völlig andere Mechanismen wirksam sind, z.B. Ausbreitung und Stoß von Phononen. 308 Literatur [1] L ANDAU , L.D.; L IFSCHITZ , E.M.: Lehrbuch der Theoretischen Physik, Bd. X Physikalische Kinetik. – Berlin: Akademie-Verlag 1983. [2] S CHULZE , G.E.R.: Metallphysik. 2. Aufl. – Wien/New York: Springer-Verlag 1974. – Berlin: Akademie-Verlag 1974. [3] L ANDOLT–B ÖRNSTEIN: Numerical Data and Functional Relationships in Science and Technology, Group III, Vol. 26: Diffusion in Solid. Metals and Alloys. – Berlin: Springer-Verlag 1990; Vol. 33: Diffusion in Semiconductors and Non–Metallic Solids. – Berlin: Springer-Verlag 1998. Effekte der Halbleiterphysik der zweidimensionalen Ladungsträgersysteme unter extremen Bedingungen (tiefe Temperaturen und hohe Magnetfeldstärken) ausgeübt. Die interessanten physikalischen Ergebnisse zum QHE stimulierten darüber hinaus eine Vielzahl von theoretischen Arbeiten, die weit über den engen Bereich der Halbleiterphysik hinauswirkten. Einige der theoretischen Konzepte, die im Zusammenhang mit dem ganzzahligen und dem fraktionalen QHE entwickelt wurden, sind inzwischen auch auf anderen Gebieten der Festkörperphysik, z.B. in der Physik der Hochtemperatur–Supraleiter, populär geworden. Literatur [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22] [23] VON K LITZING , K.; D ORDA , G.; P EPPER , M.: Phys. Rev. Lett. 45 (1980) 494. T SUI , D.C.; S T ÖRMER , H.L.; G OSSARD , A.C.: Phys. Rev. Lett. 48 (1982) 1559. S PANGENBERG , T.: Diplomarbeit, Humboldt–Universität Berlin, 1997. S T ÖRMER , H.L.: Phys. Bl. 40 (1984) 308. H ERRMANN , R.; K RAAK , W.; NACHTWEI , G.; S CHURIG , T H .: phys. stat. sol. (b) 135 (1986) 423; K RAAK , W.; K AL DASCH , J.; G ILLE , P.; S CHURIG , T H .; H ERRMANN , R.: Superlattices and Microstructures 9 (1991) 471. L ANDAU , L.D.; L IFSCHITZ , E.M.: Lehrbuch der Theoretischen Physik, Bd. III: Quantenmechanik. – Berlin: Akademie–Verlag 1979. 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Bl. 46 (1990) 58. Quantenfäden, Quantenpunkte Prof. Dr. M. Grundmann In Quantenpunkten [1] ist die Bewegung von Ladungsträgern in allen drei Raumrichtungen eingeschränkt. Ein Dimensionsquantisierungs–Effekt tritt auf, wenn die Größe des Quantenpunkts im Bereich der DE B ROGLIE– Wellenlänge der Ladungsträger liegt. Die elektronische Struktur des Quantenpunktes wird dann durch quantenmechanische Effekte bestimmt und die physikalischen Eigenschaften werden von der Größe abhängig. Die Zustandsdichte entspricht der eines Atoms mit scharfen Energiezuständen und nicht mehr der eines Festkörpers mit kontinuierlichen Bändern. Für die Herstellung von Quantenpunkten bestehen grundsätzlich zwei Wege: künstliche Strukturierung aus einem Schichtsystem und selbstorganisierte Entstehung. Die künstliche Definition der Quantenpunktgeometrie beruht meist auf Lithographietechniken mit nachfolgender Strukturierung, z.B. durch Ätzen oder Definition von Elektroden. Mit verhältnismäßig großem Aufwand können Strukturen bis in den 10 nm– Bereich hergestellt werden. Die zweite Methode nutzt Selbstordnungseffekte der Materialien auf der Nanometerskala, die die Erzeugung einer riesigen Menge von Quantenpunkten in Sekundenschnelle erlauben. Die erste Anwendung von Quantenpunkten geschah in dotierten Gläsern, die als Farb–Kantenfilter oder nichtlineare Absorber verwendet werden [2]. Nanokristalline Halbleitereinschlüsse (z.B. CdSeS) bestimmen hier die Absorptionskante und damit die Farbe. Neuartige und verbesserte Halbleiter–Laserdioden beruhen auf der Nutzung von Quantenpunkten als aktives Medium. Geringere Schwellenströme, geringere Temperaturabhängigkeit und neue Wellenlängenbereiche gehören zu den realisierten Vorteilen [3]. Quantenpunkte eignen sich zur Speicherung einzelner Elektronen und können zu einer minaturisierten Mikroelektronik führen [4]. Bei einem auf dem C OULOMB–Blockade–Effekt beruhenden Einzelelektronentransistor (SET – Single Electron Transistor) bewirkt ein einzelnes Elektron den Schaltvorgang. Der Quantenpunkt wirkt als Kapazität; durch die hohe C OULOMB– Wechselwirkungsenergie mit einem weiteren Elektron ist die Beladung des Quantenpunkts bei einem bestimmten Potenzial auf eine ganzzahlige Elektronenzahl festgelegt. Dieser Effekt kann in einem Turnstile–Bauelement genutzt werden, bei dem die Rate durch einen Quantenpunkt tunnelnder Elektronen der angelegten Modulationsfrequenz der äußeren Potenziale entspricht. Hierdurch kann aus einem Frequenznormal ein Stromnormal erzeugt werden. In Quantenfäden sind die Ladungsträger entlang einer Raumrichtung frei beweglich. Quantisierung findet in zwei dazu senkrechten Raumrichtungen statt. Streuprozesse in der Nähe der Fermikante werden stark reduziert, da elastische Streuung nur von k nach −k möglich ist. Es bestehen Anwendungsmöglichkeiten bei Transistoren mit hoher Beweglichkeit. 478 Quantenfäden, Quantenpunkte Sachverhalt Bei der Verringerung der Größe eines Stücks Materie, ändern sich seine physikalischen Eigenschaften gegenüber denen des Volumenmaterials merklich, wenn man in die Größenordnung von Nanometern kommt. Die Rolle der Oberfläche wird verglichen mit dem Volumen immer wichtiger, da ihr relativer Anteil steigt. Fundamentale Parameter wie z.B. der Schmelzpunkt bei Metallpartikeln verändern sich. Wird der Nanokristallit immer kleiner, dann gelangt man in das Regime von Clustern, deren Eigenschaften diskret von der genauen Zahl der konstituierenden Atome und deren Anordnung abhängen. Im Folgenden werden die Ausführungen im Wesentlichen auf Halbleiter–Nanokristallite beschränkt, die kohärent, d.h. defektfrei, in eine Halbleitermatrix eingebettet sind. Der Bandabstand des Quantenpunktes soll dabei kleiner als der der umgebenden Matrix sein, sodass sich ein attraktives Potenzial ergibt. In diesem werden Ladungsträger lokalisiert und ihre Bewegung quantisiert (Dimensionsquantisierungs–Effekt). Die Beladung mit einzelnen Elektronen führt zu merklichen Auswirkungen auf die Ladungsträgertransport– Eigenschaften (C OULOMB–Blockade–Effekt). Es gibt mannigfaltige Wege, Halbleiter–Quantenpunkte zu erzeugen. Zu den wichtigsten gehören: – Einbettung in Gläser durch diffusionskontrolliertes Wachstum in der Schmelze. – Einbettung in poröse Matrizen, z.B. Zeolite, poröse Gläser oder die so genannten MCMs (engl. Mobil Crystalline Material). – Herstellung in einem Plasma oder in einer Flamme (Aerosoltechnik). – Nutzung von organometallischer und Polymer– Chemie, z.B. kolloidale Lösungen. – Selbstorganisiertes Wachstum auf Halbleiteroberflächen. – Künstliche Strukturierung mittels Lithographie und Ätztechniken. – Elektrostatische Definition durch Elektroden auf einem zweidimensionalen Ladungsträgergas (2DEG, engl. Two–Dimensional Electron Gas). Für Quantenfäden wurden verschiedene Herstellungswege realisiert, von denen künstliche Strukturierung und das Wachstum auf strukturierten Substraten, insbesondere V–förmigen Gräben, die wichtigsten sind. Viele grundlegende Untersuchungen zum Transport von Ladungsträgern durch Quantenpunkte wurden an lateralen Tunnelkontakten durchgeführt. Diese können durch eine Elektrodenstruktur über einem 2DEG realisiert werden, das durch geeignet angelegte Spannungen verarmt wird. Eine weitere Möglichkeit, laterale Tunnelkontakte zu erzeugen, ist die lokale laterale Oxidation von Halbleitern oder Metallen mithilfe einer Rastertunnel– oder Rasterkraft–Mikroskopiespitze. Unter geeigneten Bedingungen ordnet sich die Materie von selbst zu Nanostrukturen. Für Quantenpunkte von besonderem Interesse sind Selbstordnungseffekte an Halbleiter–Oberflächen [1]. Beim Wachstum hinreichend verspannter Heterostrukturen (aus Materialien mit verschiedener Gitterkonstante) entstehen Inseln, da die dreidimensionale Geometrie gegenüber einer zweidimensionalen Schicht eine Relaxation der Verspannungsenergie erlaubt. Unter bestimmten Wachstumsbedingungen entstehen Ensembles von Inseln ähnlicher Größe und Form. In hinreichend dichten Ensembles findet auch eine Ordnung bezüglich der relativen lateralen Position statt. In Stapeln wachsen die Quantenpunkte durch Verspannungseffekte vertikal aufeinander. Die entstandenen Inseln können mit dem Halbleitermatrix–Material überwachsen werden und so in eine Bauelement–Struktur eingebettet werden. Kennwerte, Funktionen Dimensionsquantisierungs–Effekt Die elektronischen Eigenschaften eines Quantenpunkts hängen durch den Dimensionsquantisierungs–Effekt von seiner Größe ab, wenn diese in den Bereich der DE B ROGLIE – Materiewellenlänge kommt. Für den einfachen Fall eines kubischen Quantenpunkts (Kantenlänge a) mit unendlich hoher Barriere hat ein Elektron der effektiven Masse m die Energieniveaus Enx ny nz = π 2 2 n2x + n2y + n2z , 2m a2 nx , ny , nz = 1, 2, . . . (1) Eine entsprechende Formel gilt für die Quantisierungsenergien der Löcher. Die zusätzlichen Energien durch Quantisierung führen zu einer Erhöhung des fundamentalen Bandabstandes. Die Zustandsdichte wird diskret (Abb. 1 ), ähnlich der eines natürlichen Atoms. Daher werden Quantenpunkte auch als künstliche Atome“ be” zeichnet. In Quantenfäden findet Dimensionsquantisierung nur in zwei Raumrichtungen statt; es gilt eine (1) entsprechende Gleichung für nur zwei Quantenzahlen, nx und ny . In der dritten Richtung (z) sind Ladungsträger frei beweglich und haben eine kontinuierliche Dispersion 2 kz2 /2m. Für jeden quantisierten Zustand gibt es ein kontinuierliches Band von Zuständen, dessen Zustandsdichte ∼ 1/ E − Enx ny an der Bandkante singulär ist (Abb. 1 ). Entlang einer Raumrichtung sind die Ladungsträger noch frei beweglich. Streuprozesse in der Nähe der F ERMI–Kante werden stark reduziert, da elastische Streuung nur von k nach −k möglich ist. 479 Effekte der Halbleiterphysik Volumenmaterial D(E) Ec Quantenfilm D(E) Ec Quantenfaden E D(E) Ec Quantenpunkt E E D(E) ten führen. Für II–VI–Halbleiter sind die Exzitonen wesentlich kleiner, sodass hier Quantenpunktgrößen von wenigen nm für die Erzeugung von Quantisierungseffekten notwendig sind. Um nicht durch thermische Fluktuationen bedeutungslos zu werden, muss der Abstand quantisierter Niveaus, z.B. E211 –E111 , groß gegen kT (26 meV bei Raumtemperatur) sein. In einem Ensemble von Quantenpunkten muss zudem die Fluktuation der geometrischen Parameter, insbesondere der Größe, klein sein. Eine Größenfluktuation bedeutet eine Variation der Grundzustandsenergie, die die atomar scharfe Zustandsdichte inhomogen verbreitert. Um eine Trennung von Grund– und Anregungszustand zu erreichen, ist eine relative Größenfluktuation von σR /R < 10 % notwendig. Für optoelektronische Anwendungen wie Laser, Verstärker, Modulatoren oder Photodetektoren sind die optischen Eigenschaften von Quantenpunkten entscheiE Ec dend. Im Folgenden werden die wesentlichen Merkmale Abb. 1 Schematische Darstellung und elektronische Zustandsdich- des Spektrums und der Oszillatorstärke behandelt. te in Volumenmaterial, Quantenfilm1 , Quantenfaden und QuantenIn Abb. 2 ist das Photolumineszenzspektrum von punkt. InGaAs–Quantenpunkten in GaAs gezeigt. Mit zunehmender Anregungsdichte treten neben dem GrundzuDie Verläufe der Zustandsdichte für null– und ein- stand weitere Peaks aufgrund von angeregten Zuständen dimensionale Systeme stellen eine signifikante Modifi- auf, die die Schalenstruktur des Quantenpunktes widerkation gegenüber Volumenmaterial und dünnen zwei– spiegeln. Zusätzlich sind noch Lumineszenz aus dem dimensionalen Schichten (Quantenfilme oder Quan- Substrat (GaAs) und einer zweidimensionalen dünnen tentöpfe) dar (Abb. 1 ). Benetzungsschicht (WL, engl. Wetting Layer), die beim Berücksichtigt man die Endlichkeit der umgebenden selbstorganisierten Wachstum entsteht, zu beobachten. Barriere, gibt es gebundene Zustände im Quantenpunkt Das hier beobachtete Spektrum stammt von vielen Milnur, wenn das Potenzial tief genug ist. Für eine Kugel liarden Quantenpunkten gleichzeitig. Die Übergänge des Radius R ergibt sich eine minimale Potenzialtiefe sind spektral inhomogen durch Fluktuationen der Quantenpunktgröße verbreitert. Allerdings sind die FlukV0,min gemäß tuationen so gering, dass die Zustände klar getrennt π 2 2 bleiben. Sowohl der Abstand quantisierter Niveaus als . (2) V0,min < 8mR2 auch die Lokalisierungsenergie, der Abstand zur BarDa Elektronen und Löcher in den Quantenpunkten riere (WL oder GaAs), sind groß gegen kT . Die Welauf kleinem Raum zusammengepresst“ werden, nimmt lenlängen der Übergänge hängen neben den verwende” auch die gegenseitige C OULOMB–Wechselwirkung, die ten Materialien von der Größe der Quantenpunkte ab im Volumenmaterial z.B. zur Exzitonenbildung führt, und können darüber variiert werden. zu. Bei welcher Quantenpunktgröße merkliche Effekte auftreten, hängt von den Eigenschaften des betrachteten Materials ab, insbesondere von den Ladungsträgermassen, aber für die C OULOMB–Effekte auch von der Dielektrizitäts–Konstante. Für III–V–Halbleiter sind typische Exzitonen–B OHRradien > 10 nm, sodass Quantenpunkte entsprechender Größe zu merklichen Effek- Die Stärke der Absorption und des Gewinns im Falle der Ladungsträgerinversion ist pro Volumen des Quantenpunkts gerechnet extrem hoch. Der so definierte Materialgewinn beträgt typischerweise ∼ 105 cm−1 ; der Absorptionskoeffizient pro Quantenpunktvolumen hat einen entsprechenden Wert. In einem realen Bauelement muss aber berücksichtigt werden, dass nicht das gesamte Volumen, in dem die optische Welle läuft, restlos mit Quantenpunkten aufgefüllt ist. Der Füllfaktor beträgt ty1 Nach dem eindimensionalen Potenzialverlauf senkrecht zur pischerweise 10−3 − 10−4 , sodass der tatsächliche, so Schichtebene spricht man oft auch von Quantentopf“ (engl. quan” genannte modale Gewinn 10 − 100 cm−1 beträgt. tum well). 480 Quantenfäden, Quantenpunkte Kapazität im Bereich 10−19 − 10−18 F liegen und die Quantenpunkte dürfen nur wenige nm groß sein. Zudem muss zur Beobachtung von Einzelladungseffekten der Widerstand Rt der Tunnelbarrieren hinreichend I (W/cm2 ): hoch sein, damit man davon sprechen kann, dass das 103 500 Elektron in der Source– bzw. Drain–Elektrode oder im 50 Quantenpunkt lokalisiert ist. Die Bedingung hierfür ist 102 Rt >> h/e2 . Bezüglich des Leitfähigkeit–Quantums 5 s. Quanten–Hall–Effekt, S. 472. 101 Durch die Gate–Elektrode kann die elektrostatische 0,5 Energie des Quantenpunktes kontinuierlich geändert 0,9 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 werden. Die elektrostatische SelbstwechselwirkungsEnergie /eV energie eines Quantenpunktes der Kapazität C, der kaAbb. 2 Photolumineszenzspektren eines InGaAs/GaAs–Quanten- pazitiv an eine Gate–Elektrode mit dem Potenzial VG punkt–Ensembles bei Raumtemperatur und verschiedenen Anre- gekoppelt ist (Abb. 3 ), ist Photolumineszenz-Intensität 104 Wellenlänge /µm 1,4 1,3 1,2 1,1 1,0 0,9 0,8 Quantenpunkte 300 K WL GaAs gungsdichten. WL bezeichnet Lumineszenz der Benetzungsschicht, GaAs die des Substrats. C OULOMB–Blockade–Effekt In Abb. 3 ist ein Quantenpunkt schematisch dargestellt, der kapazitiv an eine Gate–Elektrode gekoppelt und mit Tunnelbarrieren an äußere Elektroden verbunden ist. Zwischen Source und Drain soll eine sehr kleine Spannung VSD angelegt sein, sodass prinzipiell ein Stromfluss durch den Quantenpunkt bewirkt werden kann. VSD Source VG Tunnelkontakte Gate Drain Quantenpunkt Abb. 3 Schematische Darstellung eines Quantenpunktes mit Tunnelkontakten und Gate–Elektrode. Wenn ein Tunnelprozess stattfindet, dann ändert sich die Ladung des Quantenpunktes diskontinuierlich um eine Elementarladung e. Diese bewirkt eine Veränderung der elektrostatischen Energie des Quantenpunkts um die Ladungsenergie EC = e2 /C, wobei C die Kapazität des Quantenpunktes ist. Ist diese Ladungsenergie nun groß im Vergleich zur thermischen Energie kT und der angelegten Spannung eVSD , wird der Stromfluss verhindert und man spricht vom C OULOMB–Blockade– Effekt. Die klassische Kapazität einer Kugel des Radius R ist 4πε0 εr R, die einer flachen Scheibe 8ε0 εr R. Für Nanostrukturen im Größenbereich 100 nm ist die Kapazität etwa 10−16 F, sodass Einzelelektroneneffekte nur bis zu etwa 4 K beobachtbar sind. Für Effekte, die nahe Raumtemperatur beobachtbar sein sollen, muss die E(Q) = Q2 − Qα VG . 2C (3) α ist ein dimensionsloser Faktor, der das Potenzial der Gate–Elektrode mit dem Potenzial des Quantenpunktes verknüpft. Die Ladung Q auf dem Quantenpunkt ist ein Vielfaches der Elementarladung Q = N e. Die Energieterme in (3) müssen bei kleinen Quantenpunkten um die Quantisierungsenergien (1) korrigiert werden. Ein Ladungstransport kann nur stattfinden, wenn die Energien E(N e) und E((N + 1)e) entartet sind. Dann kann die Ladung des Quantenpunktes (ohne Energie” kosten“) zwischen N und N + 1 Elektronen fluktuieren und ein Elektron kann in einem sequenziellen Prozess N → N + 1 → N von Source zu Drain wandern. Die Bedingung hierfür ist 1 e αVG = − N + . (4) 2 C Bei einer kontinuierlichen Erhöhung der Gate–Spannung sind also periodische Leitfähigkeitsmaxima im Abstand Δ(αVG ) = e/C zu erwarten, die C OULOMB– Oszillationen genannt werden. Diese Erscheinung wurde experimentell vielfach beobachtet (Abb. 4 a). Ein einfaches Modell erschließt sich über das elektrochemische Potenzial μQD (N ) des Quantenpunktes, d.h. die Energie, um das N te Elektron hinzuzufügen, 1 e2 μQD (N ) = N − − e α Vg . (5) 2 C Es ergibt sich eine Leiter mit Abstand e2 /C bei Beladung mit weiteren Elektronen, die durch die Gate– Spannung kontinuierlich verschiebbar ist (Leitermodell, Abb. 5 a), b), c)). Durch Variation der Source– Drain–Spannung kann nun das Regime der C OULOMB– Blockade (Abb. 5 d), des Einelektronentunnelns (Abb. 481 Effekte der Halbleiterphysik Leitfähigkeit /e2 h -1 1.0 Spannungsbereich, in dem konstanter Strom fließt, heißt C OULOMB–Lücke (engl. C OULOMB–Gap). Anwendungen 0.5 0 -0.6 a) -0.55 Gate-Spannung VG / V Laser Die Nutzung von Quantenpunkten als aktives Medium in Diodenlasern ist attraktiv, weil durch die Besonderheiten der atomaren Zustandsdichte verglichen mit Quantenfilm–basierten Lasern der Schwellenstrom reduziert und die Temperaturabhängigkeit des Schwellenstroms verringert wird. Ersteres, weil nur für eine geringe Zahl von Zuständen Inversion erzeugt werden muss, letzteres, weil die thermische Besetzung angeregter Zustände weniger Strom kostet“, da die Anzahl an” geregter Zustände mangels eines Kontinuums geringer ist. Der Einbau der Quantenpunkte als aktives Medium geschieht zunächst in konventionelle Laserstrukturen (Abb. 6 ). -0.5 Strom / nA 1.0 0.5 0 -0.5 b) + -1 0 1 Source-Drain-Spannung VSD /mV Abb. 4 a) Leitfähigkeit (C OULOMB–Oszillationen) und b) Strom–Spannungs–Diagramm bei verschiedenen Gate– Spannungen (C OULOMB–Treppe) eines Tunnelkontaktes wie in Abb. 3 (nach [4]). mS N+1 N N-1 mS mS mD N+2 N+1 N mS mD N+1 N mQD mQD a) b) c) mS mD N+1 N N-1 mS mD mD N+1 N N-1 mQD mQD mQD d) e) f) mD Abb. 5 Lage der chemischen Potenziale von Source und Drain sowie eines dazwischen befindlichen Quantenpunktes. a), b) und c) stellen die Abfolge bei Variation der Gate–Spannung dar und zeigen das Entstehen von C OULOMB–Oszillationen wie in Abb. 4 a). d), e) und f) stellen die Variation der Source–Drain–Spannung dar und damit das Entstehen der C OULOMB–Treppe wie in Abb. 4 b. 5 e) oder des Mehrelektronentunnelns (Abb. 5 f) eingestellt werden. Der Strom nimmt mit zunehmender VSD stufenweise zu (Abb. 4 b), man spricht von der C OULOMB–Treppe (engl. C OULOMB–Staircase). Der 482 n-GaAs - N+2 mQD N+1 N N-1 p-GaAs p-AlGaAs p-GaAs n-GaAs n-AlGaAs Abb. 6 Schematischer Aufbau eines kantenemittierenden Lasers mit einem dreifachen Stapel von Quantenpunkten in der aktiven Zone. Mittels selbstorganisierter Quantenpunkte gelang es erstmals 1994 [5], Quantenpunkt–Diodenlaser zu realisieren. In Abb. 8 ist für einen kantenemittierenden Laser die Kennlinie bei 77 K und das Laserspektrum bei Raumtemperatur gezeigt. Man erkennt, dass die Laseremission bei der Grundzustandslumineszenz der Quantenpunkte liegt und somit der Laser tatsächlich mit der null–dimensionalen Zustandsdichte arbeitet. Mittlerweile halten Quantenpunkt–Laser den Rekord für die kleinste Schwellenstromdichte für Halbleiterlaser (Abb. 7 ). Für Anwendungen bei der Informationsübertragung ist die Möglichkeit, 1 300 nm und eventuell auch 1 550 nm Emitter auf GaAs–Substrat zu realisieren, und die erwartete Operation mit geringem Chirp (Änderung der Wellenlänge unter Strommodulation) interessant. Zurzeit wird auch die Möglichkeit untersucht, einen Laser mit einem einzelnen Quantenpunkt zu realisieren. Zusammen mit dem C OUMLOMB–Blockade–Effekt könnte man eine Photonen–Pistole“ bauen, die einzel” ne Photonen in regelmäßigem zeitlichen Abstand sen- QP Lichtintensität a) 77 K b) 300 K WL Lichtintensität Quantenfäden, Quantenpunkte PL EL 0 10 20 30 j /Acm-2 1,1 1,2 1,3 Energie /eV 1,4 Abb. 7 Charakteristik eines Quantenpunkt–Lasers. a) Kennlinie bei 77 K sowie b) Laser (EL) und Photolumineszenz (PL) Spektren bei Raumtemperatur. QP bezeichnet den Übergang in den Quantenpunkten, WL den in der Benetzungsschicht. Schwellenstromdichte in A/cm2 104 DH Quantenpunkte 103 102 SCH-QW versp. QW 101 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Jahr Abb. 8 Historische Entwicklung der Schwellenstromdichte von Halbleiter–Laserdioden. Kreise bezeichnen Doppelheterostruktur– (DH–) und Quantentopf–(QW–)Laser. Dreiecke bezeichnen Quantenpunkt–Laser. die auf C OULOMB–Blockade basierende Elektronik mit einzelnen Elektronen arbeiten. Die grundsätzlichen Effekte der C OULOMB– Blockade sind bei tiefen Temperaturen demonstriert; es gilt nun diese, bis Raumtemperatur zu retten“. Zurzeit ” scheint es möglich, C OULOMB–Blockade–Effekte bei 77 K zu realisieren, die zumindest für Spezialanwendungen Bedeutung haben werden. Grundlage verschiedener Anwendungen der Elektronik auf der Basis einzelner Elektronen ist der Einzelelektronentransistor (SET, engl. Single Electron Transistor). Der C OULOMB–Blockade–Effekt bewirkt, dass erst nach Anlegen einer kritischen Spannung VSD > VC der Tunnelkontakt leitfähig wird und der Transistor aufschaltet. Single Electron Memory Auf der Basis des SET kann ein Speicher für einzelne Elektronen gebaut werden, der letztendlich ein extrem empfindliches Elektrometer darstellt. So kann z.B. ein Speicher mit einem wenige nm großen Silicium–Quantenpunkt über einem Silicium– Leitfähigkeitskanal konstruiert werden. Ein einzelnes Elektron auf der Insel führt durch sein elektrisches Feld zu einer Verschiebung der Schwellenspannung. Die Anzahl der Elektronen auf der Insel ist durch den C OU LOMB –Blockade–Effekt genau festgelegt. Turnstile Device Mit einem turnstile device ( Dreh” kreuz“–Bauelement) kann ein neuartiges Stromnormal realisiert werden. Die Potenziale an den Kontakten zu einem Quantenpunkt mit C OULOMB–Blockade–Effekt werden derart moduliert, dass genau ein Elektron von Source zu Drain transferiert wird. Geschieht dies periodisch mit einem Frequenznormal der Frequenz f , wird hierdurch eine Stromstärke I = f e definiert, die nicht mehr wie bisher über die Kraft zwischen zwei Leitern definiert ist. det. Detektoren Quantenpunkte können auch in Photodetektoren als lichtabsorbierendes Medium eingesetzt werden. Der Wellenlängenbereich kann auch hier durch die Größenvariation eingestellt werden. Insbesondere Literatur für Detektoren, die auf so genannten Intersubniveau– [1] B IMBERG , D.; G RUNDMANN , M.; L EDENTSOV, N.N.: QuanÜbergängen zwischen quantisierten Elektronenniveaus tum Dot Heterostructures. – Chichester: Wiley 1998 arbeiten, im mittleren Infrarot ergeben sich potenziel- [2] ROCKSBY, H.P.: J. Soc. Glass Techn. 16 (1932) 171. le Vorteile. Hohe Detektivität und Operation bei Raum- [3] G RUNDMANN , M.: The present status of quantum dot lasers (review). Physica E 5 (2000) 167. temperatur werden angestrebt. [4] KOUWENHOVEN , L.P. et al.: Z. Phys. B 85 (1991) 367–373. Einzelelektronen–Transistor (SET) Quantenpunkte [5] K IRSTAEDTER , N.; L EDENTSOV, M.; G RUNDMANN , D. et al.:Electr. Lett. 30 (1994) 1416. werden hier als Inseln genutzt, auf denen einzelne Ladungen gespeichert werden können und dann den Stromtransport durch C OULOMB–Blockade modifizieren. Dies wird möglicherweise das Herzstück einer miniaturisierten Elektronik [4]. Wenn die jetzige Entwicklung der Miniaturisierung der Mikroelektronik ungebrochen weitergeht, wird etwa im Jahre 2015 eine Strukturgröße von etwa 10 nm erreicht. Während heutige Elektronik für ein Bit etwa 104 Elektronen speichert, wird 483 Phasenübergänge Schmelzen und Erstarren Prof. Dr. K. Kassner Schmelzen ist der Phasenübergang von einer kristallinen festen zu einer flüssigen Phase, Erstarren der Übergang in der umgekehrten Richtung. Der Übergang von einer amorphen festen zu einer flüssigen Phase soll hier nicht betrachtet werden (s. Flüssig–Glas–Übergang, S. 1100). Die feste Phase ist dann durch die Existenz eines endlichen Schermoduls und durch das Vorhandensein von langreichweitiger Translations– und Orientierungsordnung gekennzeichnet. Die beiden letzten Eigenschaften äußern sich in der Anordnung der Atome (oder Moleküle) auf einem Kristallgitter. In der flüssigen Phase fehlen alle drei Merkmale des festen Zustands, es besteht nur eine Nahordnung der Atome, die sich über einige wenige mittlere Atomabstände erstreckt. Sachverhalt Gleichgewicht Jeder Festkörper schmilzt, wenn er auf eine genügend hohe Temperatur aufgeheizt wird (und sich nicht vorher chemisch zersetzt). Bei vorgegebenem Druck schmilzt ein reiner Stoff bei einer wohldefinierten Temperatur, die zur Charakterisierung der Substanz verwendet werden kann. Unter Standardbedingungen (d.h. bei einem Druck von 101, 3 kPa) liegt beispielsweise der Schmelzpunkt von Wasserstoff bei 14 K, der von Eis bei 273 K, während Wolfram erst bei 3683 K schmilzt. Wird dem Festkörper gleichmäßig Wärme zugeführt, so steigt seine Temperatur so lange an, bis die Schmelztemperatur Tm erreicht ist. Trotz weiterer Wärmezufuhr ändert sie sich dann nicht mehr, bevor die Verflüssigung vollständig ist. Die dabei pro Masseneinheit des Materials zugeführte Wärme heißt latente Wärme. Nach der Verflüssigung steigt die Temperatur weiter an. Für reine Stoffe ist die Erstarrungstemperatur identisch mit der Schmelztemperatur; beim Erstarren wird die latente Wärme wieder frei. Am Schmelzpunkt stehen die feste und die flüssige Phase im thermodynamischen Gleichgewicht. Schmelzen ist eine fundamentale Erscheinung, die jedermann kennt. Umso erstaunlicher ist, dass es keine allgemein anerkannte Vorstellung darüber gibt, wie der Vorgang des Schmelzens mikroskopisch abläuft. Es lässt sich zwar allgemein sagen, dass bei Annäherung an den Schmelzpunkt die Anzahl der im Kristallgitter vorhandenen Defekte massiv zunimmt, was einerseits die Translationsordnung zerstört, andererseits Löcher“ auf kleiner Skala pro” duziert, in die Atome ohne großen Aufwand hineinverschoben werden können, wodurch der Widerstand gegen eine Scherlast verschwindet. Doch welche Kristallbaufehler nun die entscheidenden sind, ist wegen der Vielfalt und Komplexität der in drei Dimensionen mögli1118 chen Defekte nicht bekannt. Des Weiteren werden experimentelle Untersuchung und theoretisches Verständnis dadurch erschwert, dass der Phasenübergang von 1. Ordnung ist. Phasenübergänge 1. Ordnung kündigen sich anders als solche 2. Ordnung nicht schon relativ weit vor der Übergangstemperatur durch Vorläufererscheinungen (Veränderungen im Dichtefluktuationsspektrum) an, die Rückschlüsse auf den Mechanismus erlauben würden. Gründe für das Auftreten eines solchen diskontinuierlichen Übergangs sind die vollständige Rotationssymmetrie der flüssigen Phase und die geringe Ausprägung von Fluktuationen in drei Dimensionen. Symmetrieüberlegungen zur Form der freien Enthalpie von Kristallen in Molekularfeldnäherung liefern die Existenz eines kubischen Terms im relevanten Ordnungsparameter (einer F OURIER–Komponente der Dichte), wenn das reziproke Gitter Dreierringe von Gittervektoren zu nächsten Nachbarn enthält (wie es z.B. bei der kubisch raumzentrierten Struktur der Fall ist). Das hat am Phasenübergang einen Sprung in der Dichte des Systems zur Folge. Während ein mikroskopisches Bild des Phasenübergangs in drei Dimensionen noch fehlt, wurde für zweidimensionale Systeme (wo Fluktuationen sich stärker auswirken) in den siebziger Jahren eine elegante Defekttheorie des Schmelzens entwickelt (in zwei Dimensionen lassen sich alle Defekte aus zwei Grundbausteinen, so genannten Disklinationen, aufbauen). Sie entstand aus einer Vereinigung der Ideen von KOSTER LITZ , T HOULESS , H ALPERIN , N ELSON und Y OUNG [1–3], weshalb sie auch als KTHNY–Theorie bezeichnet wird. Ein wesentliches Ergebnis ist, dass in zwei Dimensionen statt eines einfachen Übergangs 1. Ordnung auch zwei kontinuierliche Übergänge stattfinden können, von denen der erste in eine so genannte hexatische Phase führt, die keine Translations–, wohl aber noch Orientierungsordnung besitzt, während der zweite dann die Flüssigkeit erzeugt. Welches der beiden Szenarien auftritt, hängt davon ab, ob die elastische Energie eines Versetzungskerns kleiner oder größer ist als ein gewisser Schwellwert. Die KTHNY–Theorie hat inzwischen auch durch direkte numerische Simulation großer Teilchenzahlen Bestätigung gefunden [4]. Nichtgleichgewichtsdynamik Für einen Phasenübergang 1. Ordnung ist grundsätzlich zu erwarten, dass jenseits der Übergangstemperatur die thermodynamisch nicht im Gleichgewicht befindliche Phase noch in metastabiler Form existieren kann. Flüssigkeiten lassen sich auch relativ leicht unterkühlen, d.h., auf Temperaturen unter den Erstarrungspunkt bringen. Festkörper zu überhitzen ist wesentlich schwieriger; beim Schmelzen von Legierungen in einem Temperaturgradienten kann aller- Schmelzen und Erstarren dings lokal eine Überhitzungszone auftreten. Das Erstarren einer unterkühlten Flüssigkeit geschieht durch Keimbildung (Nukleation). Die freie Enthalpie eines Keims des Festkörpers in der Flüssigkeit nimmt mit zunehmendem Volumen ab, weil der Festkörper die energetisch günstigere Phase ist, und nimmt aufgrund der Oberflächenspannung mit zunehmender Oberfläche zu. Oberhalb einer kritischen Keimgröße Rc überwiegt der Volumenterm, ein zunehmender Radius R des Keims verringert dann die freie Enthalpie; bei R < Rc nimmt sie dagegen mit zunehmendem Radius zu. Ein durch Fluktuationen entstandener Keim, der größer als Rc ist, wird deshalb mit größerer Wahrscheinlichkeit wachsen als schrumpfen; bei einem Keim mit kleinerem Radius als Rc ist das Verschwinden durch Schmelzen die wahrscheinlichere Alternative. Wächst ein kugelförmiger Keim über das Siebenfache des kritischen Radius hinaus, so erleidet er eine morphologische Instabilität, d.h., er verliert seine Kugelform [5]. Das liegt daran, dass von Ausstülpungen der Oberfläche latente Wärme effektiver wegdiffundieren kann als von ihrer Umgebung; diese wachsen also schneller. Eine solche diffusive Instabilität heißt nach ihren Entdeckern M ULLINS –S EKERKA–Instabilität. Das weitere Wachstum erfolgt typischerweise in Form von durch die Kristallanisotropie geprägten so genannten dendritischen Strukturen (δ ένδρoν: griechisch für Baum“). ” Abb. 1 zeigt ein experimentell kontrolliertes Beispiel [6], während Schneeflocken ein allgemein bekanntes natürliches Beispiel darstellen. Abb. 1 Dendrit aus Succinonitril, einem transparenten plastischen Kristall (Unterkühlung von 0, 1 K, Bildgröße ca. 10 mm × 7 mm [6]). Die grundlegende Theorie dieser Strukturen ist inzwischen weitgehend abgeschlossen, in zwei [7] ebenso wie in drei Dimensionen [8]. Eine neue Entwicklung, mehr als sechzig Jahre nach der Entstehung erster Nukleationstheorien, ist die theoretische Beschreibung der Langzeitdynamik von diffusionsbegrenzt wachsenden Keimen bei sehr geringer oder verschwindender Kristallanisotropie. Diese Theorie sagt voraus, für wel- che Unterkühlung bei gegebener Anisotropie Dendriten entstehen und wann eine Alternativstruktur wächst, die als Seetang“ bezeichnet wird. Darüber hinaus macht ” sie Angaben zur Frage des fraktalen oder kompakten Wachstums [9]. Kennwerte, Funktionen Während Schmelzen und Erstarren in zwei Dimensionen auch mikroskopisch verstanden ist, regiert in drei Dimensionen die Phänomenologie. Das L INDE MANN sche Kriterium (1910) besagt, dass ein Kristall schmilzt, wenn die Amplitude der Gitterschwingungen, die mit der Temperatur anwächst, einen kritischen Wert erreicht, der in der Größenordnung von 10 − 15 % des interatomaren Abstands liegt. Nimmt man harmonische Schwingungen mit einer charakteristischen Frequenz an (die in etwa der D EBYE –Frequenz entspricht), so lässt sich die L INDEMANNsche Schmelzformel herleiten: 2/3 M Vm θ2 =C Tm (1) M – Molmasse, Vm – Molvolumen, θ – D EBYE – Temperatur, C – Konstante, die für eine Vielzahl von Substanzen denselben Wert hat. Die L INDEMANN– Formel hat einen erstaunlich großen Gültigkeitsbereich, sie beschreibt z.B. auch das Schmelzen von festem Helium. Aus der L INDEMANNschen Formel und der G R ÜNEISENschen Zustandsgleichung – einer thermodynamischen Beziehung – lässt sich die zunächst empirisch gefundene S IMONsche Schmelzgleichung [10] herleiten: b pm Tm = −1 (2) a T0 pm – Schmelzdruck, T0 – Tripelpunkttemperatur, a – und b – Konstanten (a besitzt die Bedeutung eines inneren Drucks). Eine thermodynamische und deshalb allgemein gültige Beziehung, die es prinzipiell erlaubt, die Schmelzkurve in einem Druck–Temperatur– Phasendiagramm zu bestimmen, ist die C LAUSIUS – C LAPEYRON–Gleichung L dp = dT T Δv (3) p – Druck, T – Temperatur, L – latente Wärme, Δv – Differenz der spezifischen Volumina der beiden Phasen. Die Gleichung zeigt, dass so lange der Phasenübergang mit einer nichtverschwindenden latenten Wärme verbunden ist, die beiden Phasen verschiedene Dichten haben müssen. Abb. 2 gibt schematisch das Phasendiagramm einer reinen Substanz in zwei verschiedenen Darstellungen an. 1119 Phasenübergänge flüssig flüssig festflüssig gasförmig-flüssig fest a) gasförmig-fest r b) fest r Abb. 2 Phasendiagramm eines reinen Stoffes (T über ρ): a) Übergangstemperaturen als Funktion des Drucks. Der Schnittpunkt der drei Phasenkoexistenzlinien heißt Tripelpunkt. Für Wasser ist die Steigung der Fest–Flüssig–Grenzlinie am Tripelpunkt negativ, d.h. die Schmelztemperatur nimmt mit zunehmendem Druck ab (Schmelzanomalie). b) Phasenübergänge im Dichte–Temperatur–Diagramm. Linien gleicher Strichlierung entsprechen einander in den beiden Diagrammen. Die Phasenkoexistenzlinien des Schmelz–Erstarrungs–Übergangs sind durchgezogen, alle anderen gestrichelt oder strichpunktiert. Man beachte, dass die Linien des Druck–Temperatur–Diagramms im Dichte– Temperatur–Diagramm zu Zwei–Phasen–Gebieten werden. Während die Verdampfen und Kondensation beschreibende Koexistenzlinie im p–T –Diagramm in einem kritischen Punkt endet (dort wird aus dem Übergang 1. Ordnung ein Übergang 2. Ordnung), glaubt man, dass ein solcher kritischer Punkt für die Koexistenzlinie fest–flüssig nicht existiert. Mehrstoffsysteme zeigen ein komplexeres Schmelz– und Erstarrungsverhalten. Aus Platzgründen kann hier nur der einfachste Fall einer binären Legierung betrachtet werden. Abb. 3 zeigt das Schmelzdiagramm eines unbeschränkt mischbaren Systems. T Liquidus Ta flüssig Koexistenz fest-flüssig steigt die Konzentration von B–Atomen in der Flüssigkeit, die Erstarrungstemperatur bewegt sich auf der Liquiduskurve zu tieferen Werten. Die Zusammensetzung der jeweils auskristallisierenden Festkörpermasse wandert auf der Soliduslinie nach rechts, bis bei Tb die Konzentration x1 erreicht wird. An diesem Punkt ist der letzte Rest Flüssigkeit (mit Konzentration x3 ) erstarrt und der Systempunkt bleibt bei weiterer Temperaturabsenkung auf der x1 –Linie. Für ein so genanntes Eutektikum sind die Komponenten im festen Zustand nur begrenzt mischbar; das zugehörige Phasendiagramm ist in Abb. 4 dargestellt. T Liquidus T1 So fl.+α lid us TE α A flüssig Liquidus So lid us gasförmig gasförmig us T So lv T E fl.+β α+β x1 Solvus xE β B Abb. 4 Phasendiagramm eines eutektischen Gemisches. Die α–Phase ist reich an der Komponente A, die β–Phase reich an der Komponente B. Eine Schmelze der Zusammensetzung x1 beginnt zunächst Mischkristalle der durch die linke Soliduskurve bei T1 gegebenen Zusammensetzung abzuscheiden. Die Schmelze wird reicher an B, die Temperatur sinkt. Vom Zeitpunkt des Erreichens der eutektischen Temperatur TE an erstarrt die Schmelze ohne weitere Konzentrationsänderung zu einem zweiphasigen Gefüge. Kompliziertere Schmelzdiagramme binärer Legierungen lassen sich als Kombination von Phasendiagrammen dieser beiden und noch eines dritten Typs, Peritektikum genannt, auffassen [11]. Wie für alle Phasenübergänge gilt auch hier die G IBBSsche Phasenregel F =K−P +2 (4) F – Anzahl der Freiheitsgrade (d.h. der frei wählbaren intensiven Zustandsgrößen), K – Anzahl der KompoTb nenten, P – Anzahl der Phasen des Systems. Solidus Diese Phasendiagramme beschreiben das Gleichgewichtsverhalten von Systemen. Die Abkühlung muss Abb. 3 Phasendiagramm fest einer frei mischbaren hinreichend langsam sein, damit das System im therx1 x3 B A x2 modynamischen Gleichgewicht bleibt. Bei schnellem Legierung. Abkühlen unter die Liquiduslinie kommt es zu MeIm Normalfall unterscheiden sich bei Legierungen tastabilität und Nukleation. Ein Abkühlungssprung Schmelz– und Erstarrungstemperatur. Die Kurve der Er- genügend weit unter die Soliduslinie würde zu einem starrungstemperaturen der Flüssigkeit heißt Liquidusli- Wachstum der festen Phase nicht in einer metastabilen, nie, die der Schmelztemperaturen des Festkörpers So- sondern sogar in einer instabilen flüssigen Phase führen. liduslinie. Bei langsamem Abkühlen entlang der durch Man spricht in diesem Fall von spinodaler Entmischung. den Molenbruch x1 ( Stoffmengenverhältnis“) gegebe- Die zeitliche Dynamik der spinodalen Entmischung ist ” nen Linie beginnt die Flüssigkeit bei der Temperatur Ta Gegenstand aktueller Forschung. Für ternäre Legierungen ist das Schmelzdiagramm zu erstarren; der auskristallisierende Festkörper besteht aus Mischkristallen der Zusammensetzung x2 . Dadurch dreidimensional; aufgetragen wird die Temperatur über 1120 Schmelzen und Erstarren der von zwei unabhängigen Molenbrüchen der Komponenten aufgespannten Ebene. Der Bereich der möglichen Zusammensetzungen bildet dabei ein Dreieck. Der Übersicht halber betrachtet man hier oft Schnitte konstanter Temperatur oder konstanter Konzentration einer Komponente. Anwendungen gedreht. Kontrolliert werden müssen die Zieh– und Drehgeschwindigkeiten und der Temperaturverlauf, d.h. Wärmefluss und –strahlung. Konvektion spielt hier eine große Rolle. Dotierungen des Halbleitermaterials erfolgen durch Zuschläge in die Schmelze. Auf diese Weise lassen sich perfekte Einkristalle mit einer Länge im Meterbereich und einem Durchmesser von 30 cm herstellen, aus denen dann Wafer geschnitten werden. Einkristalle werden auch benötigt in der Lasertechnik, nichtlinearen Optik, als Substrate für Hochtemperatursupraleiter, für Szintillatoren und als hochfeste Bauteile in mechanischen Anwendungen. Zu verarbeitende Materialien sind Metalle, hochschmelzende Oxide oder auch Edelsteine. Neben dem C ZOCHRALSKI–Verfahren ist eine weitere wichtige Methode für diese Anwendungen das B RIDGMAN–Verfahren. Dabei wird zunächst das gesamte Material bis auf einen kleinen Teil des Keimkristalls geschmolzen und dann der Tiegel in der Heizzone zu tieferen Temperaturen hin gezogen. Kontrollparameter sind die Ziehgeschwindigkeit, der vorliegende Temperaturgradient und die Zusammensetzung des Legierungsmaterials. Mit diesem Verfahren werden zum Beispiel einkristalline Turbinenschaufeln für höchste Belastungen hergestellt. Es ließen sich noch viele andere Anwendungen finden (auch ganz banale wie z.B. das Kühlen von Getränken mit Eiswürfeln). Der Phasenübergang fest–flüssig erweist sich bei näherer Betrachtung als nahezu allgegenwärtig. Hier ist das Gießen von Legierungen zu nennen, für das sowohl eine Kenntnis der relevanten Phasendiagramme als auch der im Nichtgleichgewichtsprozess entstehenden Mikrostrukturen wichtig ist, da deren Art und Größe entscheidend für die Festigkeit des Materials sind. Das wichtigste Legierungsmetall ist sicher noch immer das Eisen, doch schon in der Stahlherstellung werden an die 15 verschiedene Elemente (C, Mn, Cr, Ni, Mo, Cu, Ti, Ta, Nb, Al, Pb, B, W, Co, Zr, Te) mit Konzentrationen im Prozentbereich oder darunter hinzu legiert, die zu teilweise drastischen Verbesserungen der Festigkeits–, Alterungs–, Säurebeständigkeits– und Härteeigenschaften führen. Andere wichtige Legierungsmetalle sind Aluminium (Korrosionsfestigkeit) und Titan (geringe Dichte bei hoher Festigkeit), das in der Raumfahrtindustrie, aber auch beim Zahnersatz (als Konkurrent des Goldes) Anwendung findet. Dass die Gleichgewichtskonzentrationen von Mischungen sich in Schmelze und Festkörper unterscheiden, wird beim Zonenschmelzen ausgenützt, einem Verfahren zur Gewinnung hochreiner Kristalle durch mehrfaches Kristallisieren. Bei einem Phasendiagramm wie in Abb. 3 wird der auskristallisierte Festkörper zu Beginn der Kristallisation immer eine geringere Konzen- Literatur tration an Verunreinigungen (die Komponente B) haben, [1] KOSTERLITZ , J.M.; T HOULESS , D.J.: J. Phys. C6 (1973) als in der Schmelze vorliegt. Schneidet man dieses En1181. de vom Kristall ab, schmilzt es wieder ein und wieder[2] H ALPERIN , B.I.; N ELSON , D.R.: Phys. Rev. Lett. 41 (1978) 121; N ELSON , D.R.; H ALPERIN , B.I.: Phys. Rev. B19 holt die Kristallisation, so reduziert sich die Menge der (1979) 2457. vorhandenen Verunreinigungen weiter. Das Vorgehen [3] YOUNG , A.P.: Phys. Rev. B19 (1979) 1855. lässt sich wiederholen. Dieses Verfahren wird sowohl [4] C HEN , K.; K APLAN , T.; M OSTOLLER , M.: Phys. Rev. Lett. zur Reinigung von Metallen verwendet, die weiter le74 (1995) 4019. [5] M ULLINS , W.W.; S EKERKA , R.F.: J. Appl. Phys. 34 (1963) giert werden sollen, als auch zur Raffinierung von Halb323. leitermaterialien wie Silicium oder Germanium. In der [6] G LICKSMAN , M.; M ARSH , S.P.: In: Handbook of Crystal elektronischen Industrie werden Einkristalle sehr hoher Growth, Vol. 1b, 1075. Ed.: D.T.J. H URLE. – Amsterdam: Qualität benötigt, wobei die Anforderungen mit zunehElsevier 1993. [7] C AROLI , B.; C AROLI , C.; ROULET, B.; L ANGER , J.S.: mender Miniaturisierung weiter wachsen. Phys. Rev. A33 (1986) 442; B EN A MAR , M.; P OMEAU , Y.: Die Herstellung von Siliciumeinkristallen (wobei das Europhys. Lett. 2 (1986) 307; BARBIERI , A.; H ONG , D.C.; Rohmaterial schon auf 10−9 Prozent Verunreinigungen L ANGER , J.S.: Phys. Rev. A35 (1987) 1802. reduziert sein muss) geschieht am häufigsten mit dem [8] B EN A MAR , M.; B RENER , E.: Phys. Rev. Lett. 71 (1993) 589; B RENER , E.: Phys. Rev. Lett. 71 (1993) 3653. C ZOCHRALSKI–Verfahren. Dabei wird das Material in [9] B RENER , E.; M ÜLLER -K RUMBHAAR , H.; T EMKIN , D.: einem Tiegel geschmolzen, ein gekühlter Keimkristall Phys. Rev. E54 (1996) 2714. in die Schmelze getaucht, angeschmolzen und dann bei [10] S IMON , F.E.: Proc. Amer. Acad. Arts Sci. 82 (1953) 319. kontrolliertem Absenken der Temperatur nach oben ge- [11] K URZ , W.; F ISHER , D.J.: Fundamentals of Solidification, 4. zogen. Kristall und Tiegel werden (zumeist gegenläufig) Aufl. (Trans. Tech. Publications 2001). 1121