4.1 Zufallsexperimente - Schulbuchzentrum Online

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4.1 Zufallsexperimente
4.1 Zufallsexperimente
4.1.1 Ein- und mehrstufige Zufallsexperimente –
Darstellung durch Baumdiagramme –
Ergebnis und Ergebnismenge
Experimente sind uns aus dem Physikunterricht bekannt und bezeichnen Vorgänge,
die man unter gleichen Bedingungen beliebig oft wiederholen kann. In der klassi­
schen Physik ist das Ergebnis eines Versuches* determiniert.
Den Versuchsbedingungen ist eindeutig ein Ergebnis zugeordnet.
Beispiel: Durch einen ohmschen Widerstand von R = 100 V fließt ein Strom der
Stärke I = 0,2 A, wenn eine Spannung von 20 V angelegt wird.
Es gibt aber auch Experimente, die bei „gleichen“ Versuchsbedingungen ein nicht
vorherbestimmbares Ergebnis haben.
a) Das wohl bekannteste Zufallsexperiment ist das Werfen eines Würfels und die
Frage nach der oben liegenden Augenzahl.
Die möglichen Ergebnisse
(Ausgänge) des Experiments
werden zur Ergebnismenge
S = {1,2,3,4,5,6} zusammen­
gefasst.
•1
•2
•3
•
•4
•5
•6
b) Beim Spiel „Mensch ärgere dich
nicht“ wirft man wiederum einen
Würfel und fragt sich, ob die oben
liegende Augenzahl sechs (6) oder
nicht sechs (6̄) ist.
Die möglichen Ergebnisse dieses
Experiments haben die Ergebnis­
menge S = {6, 6̄}.
•6
•
• 6̄
c) Zu Beginn eines Fußballspiels wird
die Platzwahl durch das Werfen einer
Münze entschieden. Man fragt, ob
Zahl (Z) oder Wappen (W) oben liegt.
Z
W
Die Ergebnismenge ist hier
S = {Z,W}.
Wird ein Würfel oder eine Münze
geworfen, dann ist sicher, dass sie
liegen bleiben. Ob 1, 2, . . . 6 bzw.
Zahl oder Wappen oben liegt, ist voll­
kommen zufällig.
* Versuch: Einmalige Durchführung eines Experimentes.
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237
•Z
•
•W
4 Stochastik
DEfinitionEn Ein Zufallsexperiment ist ein Experiment, bei dem der einzelne Ausgang nicht
vorhersehbar ist.
Das Ergebnis ist jeder mögliche Ausgang eines Zufallsexperiments. Wir beschrän­
ken uns stets auf Experimente mit endlich vielen Ergebnissen, die wir mit e1, e2, . . . ,
ı ) symbolisieren.
em (m [ N
S = { e1, e2, e3, ..., em } heißt Ergebnismenge (Ergebnisraum) des Zufallsexperi­
ments.
Bei jeder Durchführung des Zufallsexperiments muss eines der Ergebnisse e1,
e2, . . ., em eintreten.
Die Anzahl |S | der Ergebnisse der Ergebnismenge heißt Mächtigkeit von S.
BEiSpiEl
Ein Skatblatt besteht aus den 32 abgebildeten Karten:
Wenn wir zufällig aus diesem Kartenspiel eine Karte ziehen, dann erhalten wir genau
eine der 32 Karten. Die Ergebnismenge für dieses Experiment hat dann sämtliche
32 Karten als Elemente. S = {Kreuz: Ass, 10er, K, …, Karo: …, 8er, 7er}
Man kann auch weniger mächtige Ergebnismengen bilden.
Ziehen einer Karte und die Frage nach der Figur der gezogenen Karte:
S = {König, Dame, Bube, keine Figurenkarte}
Ziehen einer Karte und die Frage nach der Farbe der gezogenen Karte:
S = {Kreuz, Pik, Herz, Karo}
238
5202238
4.1 Zufallsexperimente
AufgABE 1
Geben Sie die Ergebnismenge für die Zufallsexperimente an.
a)
b)
c)
d)
AufgABE 2
Werfen eines Reißnagels und die Frage, in welcher Lage er liegen bleibt.
Geburt eines Kindes und die Frage nach seinem Geschlecht.
Ziehen eines Loses und die Frage, ob Gewinn oder Niete.
Qualitätskontrolle in einer Porzellanmanufaktur nach 1. Wahl, 2. Wahl oder Aus­
schuss.
Geben Sie zwei oder drei mögliche Ergebnismengen an für die folgenden „Zufalls­
experimente“.
a) Umfrage unter den Schüler/­innen nach der Religionszugehörigkeit.
b) Bei einer Wahl treten die Parteien A, B, C, D, E und F an.
c) In einer Urne* liegen schwarze oder weiße Kugeln mit den Ziffern 1 bis 5. Eine
Kugel wird gezogen.
Mehrstufige Zufallsexperimente
Man kann verschiedene einstufige Zufallsexperimente hintereinander oder ein
Zufallsexperiment mehrmals ausführen.
BEiSpiElE
1. Zweimaliges Werfen einer Münze
Das Baumdiagramm ermöglicht die
Ergebnismenge
S = {(Z,Z), (Z,W), (W,Z), (W,W)} leicht
aufzufinden.
Jedes Ergebnis entspricht einem
Pfad von links nach rechts durch den
Baum.
Bei einem zweistufigen Zufallsexpe­
riment kann man die Ergebnisse als
(geordnete) Paare angeben.
Z
W
1. Stufe
2. Stufe
•Z
(Z, Z)
•Z
Pfad
• W (Z, W)
•Z
(W, Z)
•
W
• W (W, W)
Baumdiagramm
Ergebnisse
* Jakob Bernoulli (1654 –1705) führte als Erster eine „Urne“ zur Simulation von Zufallsexperimenten ein. Eine Urne
enthält dabei gleich geformte Kugeln, die sich nur durch die Farbe, eine Ziffer oder ein anderes Merkmal unter­
scheiden.
Man zieht die Kugeln so aus der Urne, dass man erst nach dem Ziehen feststellen kann, welches Merkmal die Kugel
trägt.
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239
4 Stochastik
2. Eine Urne enthält zwei weiße, eine rote und zwei schwarze Kugeln.
Es wird zweimal nacheinander eine
Kugel (blind) gezogen und die Farbe
notiert.
▶
Dieses Zufallsexperiment kann auf vier verschiedene Arten durchgeführt wer­
den.
Ziehen mit Zurücklegen
Der Inhalt der Urne bleibt bei jeder Ziehung gleich. Die zuerst gezogene Kugel
wird zurückgelegt und kann ein zweites Mal gezogen werden.
a) Reihenfolge wird beachtet
1. Stufe
(2|1|2)
w
2. Stufe
w
r
s
(2|1|2)*
(2|1|2)
w
r
r
Start
s
(2|1|2)
w
s
r
s
Baumdiagramm
Ergebnisse
(geordnete Paare)
(w; w)
(w; r)
(w; s)
(r; w)
(r; r)
(r; s)
(s; w)
(s; r)
(s; s)
Ergebnismenge
S1 = {(w;w),(w;r),(w;s),(r;w),(r;s),(r;r),(s;w),(s;r),(s;s)}
|S1| = 9
b) Reihenfolge wird nicht beachtet
Ergebnisse (ungeordnete Paare):
(w;r)(r;w), (s;w)(w;s) und (r;s)(s;r) sind dann gleiche Ergeb­
nisse. Die Ergebnismenge (der Ergebnisraum) ist hier
S2 = {(w,w)(w,r),(w,s),(r,r),(r,s),(s,s)}
|S2 | = 6
* Inhalt der Urne vor der nächsten Ziehung
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5202240
4.1 Zufallsexperimente
Ziehen ohne Zurücklegen
Der Inhalt der Urne ändert sich nach jeder Ziehung: Die gezogene Kugel wird
nicht in die Urne zurückgelegt.
a) Reihenfolge wird beachtet
1. Stufe
Ergebnisse sind geordnete Paare
(1|1|2)
w
w
r
s
(2|1|2)
(2|0|2)
Start
r
w
s
(2|1|1)
w
s
r
s
(w; w)
(w; r)
(w; s)
(r; w)
(r; s)
(s; w)
(s; r)
(s; s)
Ergebnismenge: S3 = {(w,w),(w,r),(w,s),(r,w),(r,s),(s,w),
(s,r),(s,s)}; |S3 | = 8
Die rote Kugel kann kein zweites Mal gezogen werden.
Eine andere Möglichkeit, eine
Ergebnismenge für dieses Zufalls­
experiment zu gewinnen, ist die
Mehrfeldertafel.
1. Zug
S3* enthält aufgrund seiner syste­
matischen Konstruktion auch das
Ergebnis (r,r), das jedoch ebenso
wie die Null beim Würfeln nicht
auftreten kann. Dennoch ist S3*
eine zulässige Ergebnismenge.
2. Zug
S3*
w
r
s
w
ww
wr
ws
r
rw
rr
rs
s
sw
sr
ss
2­mal Ziehen ohne Zurücklegen
b) Reihenfolge wird nicht beachtet („Lottoziehung“)
Ergebnisse sind ungeordnete Paare.
Die Paare (w,r), (r,w) und (r,s), (s,r) und (w,s), (s,w) sind
gleiche Ergebnisse.
Ergebnismenge: S4 = {(w,w),(w,r),(w,s),(r,s),(s,s)};
|S4 | = 5
3. Werden zwei Zufallsexperimente nacheinander durchgeführt, so kann man dies
auch als ein Zufallsexperiment auffassen. Die Ergebnismenge ist jedoch ver­
schieden, je nachdem wie die Ergebnisse notiert werden.
a) Ein Würfel wird zweimal nacheinander geworfen. Nach jedem Wurf wird die
oben liegende Augenzahl notiert. (Entspricht dem Experiment: Zwei unter­
scheidbare Würfel werden zugleich geworfen.)
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241
4 Stochastik
1
•2
•3
•4
•5
•6
•
•1
•2
•3
•
•4
•5
:
(3;1)
(3;2)
(3;3)
(3;4)
(3;5)
(3;6)
.
.
.
Ergebnismenge (geordnete Paare)
S = {(1;1),(1;2),(1;3),(1;4),(1;5),
(1;6),(2;1), . . . (6;4),(6;5),(6;6)}
|S | = 36
•6
1. Wurf
2. Wurf
b) Ein Würfel wird zweimal nacheinander geworfen.
Es wird nur die Summe der Augenzahlen aus beiden Würfen notiert. (Ent­
spricht dem Experiment: Zwei nicht unterscheidbare Würfel werden zugleich
geworfen.)
Mehrere Ausgänge des Zufallsexperiments von a) gehören zu einem Ergebnis.
Ausgänge
Augensumme
(1;1)
2
Zu den 36 Ausgängen des
(1;2) (2;1)
3
Zufallsexperiments von a)
(1;3) (2;2) (3;1)
4
gehört nun die Ergebnis­
(1;4) (2;3) (3;2) (4;1)
5
menge S* =
(1;5) (2;4) (3;3) (4;2) (5;1)
6
{2,3,4,5,6,7,8,9,10,11,12};
(1;6) (2;5) (3;4) (4;3) (5;2) (6;1)
7
|S*| = 11.
(2;6) (3;5) (4;4) (5;3) (6;2)
8
(3;6) (4;5) (5;4) (6;3)
9
S* stellt eine Vergröberung
(4;6) (5;5) (6;4)
10
von S dar.
(5;6) (6;5)
11
(6;6)
12
Baumdiagramme
Vor allem bei mehrstufigen Zufallsexperimenten sind Baumdiagramme unverzicht­
bar für die Übersicht.
Von einem „Wurzelpunkt“ aus zeichnet man Wege bzw. Pfade zu den sich aus­
schließenden Ergebnissen, die bei der ersten Stufe des Experiments auftreten.
Von dort geht man entsprechend weiter zu den Ergebnissen der weiteren Stufen.
Jeder vom Wurzelpunkt zu einem Endpunkt führende Pfad entspricht einem Ausfall
(Ergebnis) des mehrstufigen Experiments.
n-tupel
Die Ergebnisse bei einem 2­stufigen Experiment heißen Paare (e1,e2), bei einem
3­stufigen Experiment Tripel (e1,e2,e3). Bei einem n­stufigen Experiment erhält man
als Ergebnisse n­Tupel (e1,e2, . . . en).
242
5202242
4.1 Zufallsexperimente
1. Stufe
2. Stufe
•
•
e1
e2
•
Pfad
•
3. Stufe
e3
(e1,e2,e3)
Ergebnis
AufgABE 3
Eine Münze wird zweimal nacheinander geworfen.
a) Welche Ergebnismenge erhält man, wenn nach jedem Wurf die oben liegende
Seite notiert wird?
b) Welche Ergebnismenge erhält man, wenn man sich nur dafür interessiert, welche
Seiten oben liegen, nicht jedoch in welchem Wurf?
c) Welche Ergebnismenge erhält man, wenn man zwei verschiedene Münzen
zugleich wirft?
d) Welche Ergebnismenge erhält man, wenn man zwei gleiche Münzen zusammen
wirft?
Veranschaulichen Sie durch Baumdiagramme.
AufgABE 4
Eine Urne enthält drei weiße und zwei schwarze Kugeln.
Man zieht drei Kugeln
a) gleichzeitig (in einem Griff);
b) nacheinander, ohne die gezogenen Kugeln zurückzulegen;
c) nacheinander, indem man die gezogenen Kugeln zurücklegt.
Veranschaulichen Sie mit Baumdiagrammen und geben Sie die jeweiligen Ergeb­
nismengen an.
AufgABE 5
Eine private Krankenkasse möchte ihre Versicherungsprämien für Raucher und
Alkoholiker anheben. Welche Tarifklassen sind nötig?
Veranschaulichen Sie die Tarifklassen (Ergebnisse) als zweistufiges Zufallsexperi­
ment.
AufgABE 6
Beim Herrentennisturnier in Bolheim gewinnt der Spieler, der die ersten beiden
Spiele nacheinander oder zuerst insgesamt drei Spiele gewinnt.
Welche Ergebnisse sind möglich? Zeichnen Sie ein Baumdiagramm.
AufgABE 7
Das Zufallsexperiment „Werfen eines Würfels“ wird so lange durchgeführt, bis eine
Sechs erscheint, aber höchstens 6­mal.
Entwerfen Sie ein geeignetes Baumdiagramm und geben Sie eine Ergebnismenge
an.
AufgABE 8
Kinder erfinden ein Zahlenlotto „3 aus 5“.
Welche Ergebnisse sind möglich?
(Bei Lotto spielt die Reihenfolge der gezogenen Zahlen keine Rolle.)
AufgABE 9
In einer Schachtel (Urne) liegen die Buchstaben A, S, U.
Man zieht dreimal hintereinander (ohne zurücklegen) und bildet ein „Wort“.
Geben Sie die Menge S aller möglichen Wörter an.
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