Geschichte und Gesellschaft, 2014, 40. Jahrgang, Heft 2

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© 2014 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
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Druck- und Bindearbeit: q Hubert & Co, GmbH & Co. KG, Robert-Bosch-Breite 6,
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ISSN (Printausgabe): 0340-613X, ISSN (online): 2196-9000, ISSN (E-Journal): 0340-613X
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Geschichte und Gesellschaft
Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft
Herausgegeben von
Jens Beckert / Christoph Conrad / Sebastian Conrad / Ulrike Freitag /
Ute Frevert / Svenja Goltermann / Dagmar Herzog / Wolfgang Kaschuba /
Simone Lässig / Paul Nolte / Jürgen Osterhammel / Margrit Pernau /
Sven Reichardt / Stefan Rinke / Rudolf Schlögl / Manfred G. Schmidt /
Martin Schulze Wessel / Adam Tooze / Hans-Peter Ullmann
Geschäftsführend
Christoph Conrad / Ute Frevert / Paul Nolte
Vandenhoeck & Ruprecht
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Geschichte und Gesellschaft
40. Jahrgang 2014 / Heft 2
Der Erste Weltkrieg in globaler Perspektive
Herausgeber dieses Heftes:
Oliver Janz
Vandenhoeck & Ruprecht
Inhalt
Oliver Janz
Einführung: Der Erste Weltkrieg in globaler Perspektive
Introduction: The First World War in a Global Perspective . . . . . . . . . . . 147
Bill Nasson
More Than Just von Lettow-Vorbeck. Sub-Saharan Africa in the First
World War . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
Stefan Reichmuth
Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken der
Nachkriegszeit
The First World War and the Muslim Republics of the Post-War Period
184
Adam Tooze and Ted Fertik
The World Economy and the Great War . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
Jan Schmidt
Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan. Mediale
Aneignungen und Studien durch Militär und Ministerialbürokratie
The First World War as a Mediated War Experience in Japan.
Appropriations through Media and Studies by the Military and the
Government Bureaucracy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
Jennifer D. Keene
Americans Respond. Perspectives on the Global War, 1914 – 1917 . . . . . 266
Stefan Rinke
„Ein Drama der gesamten Menschheit“. Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg
“A Drama of Humanity at Large.” Latin American Perspectives on the
First World War . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
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Einführung: Der Erste Weltkrieg in globaler
Perspektive
von Oliver Janz
Der Begriff des „Weltkriegs“ wurde schon vor 1914 hin und wieder gebraucht.
Gemeint war damit kein globaler Krieg, sondern ein Krieg von welthistorischer
Bedeutung zwischen den großen europäischen Mächten. In dieser eurozentrischen Bedeutung wurde der Krieg dann auch schon bald nach seinem
Beginn als „Weltkrieg“ bezeichnet. Oft sprach man aber auch einfach vom
„großen Krieg“, eine Bezeichnung, die sich bis heute in vielen Ländern
erhalten hat. Die Historiker haben den Begriff in seiner Unschärfe und auf
Europa zentrierten Bedeutung von den Zeitgenossen übernommen. Dabei
wurde die globale Dimension, vom Kriegseintritt der USA abgesehen, meist
ausgeblendet. Sie ist erst in den letzten Jahren von der Forschung verstärkt in
den Blick genommen worden.1
Ein globaler Krieg war der Erste Weltkrieg schon deshalb, weil Frankreich und
Großbritannien in diesem Konflikt von Beginn an in großem Stil auf die
Ressourcen ihrer Kolonialimperien zurückgriffen.2 Diese waren 1914 größer
als jemals zuvor und umfassten ein Viertel der Weltbevölkerung, 440 Millionen Menschen, von denen 90 Prozent auf das Britische Weltreich entfielen.
Die britischen Dominions unterstützten die Kriegsanstrengung des Mutterlandes von Anfang an in beträchtlichem Umfang mit Soldaten, aber auch mit
Rüstungsgütern und Arbeitskräften. Sie stellten 1,2 Millionen Soldaten, rund
ein Sechstel der britischen Streitkräfte. Der Anteil der Rekruten an den
wehrfähigen Männern und die Zahl der Gefallenen standen denen des
Mutterlands in nichts nach. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich der
Erste Weltkrieg tief in das kollektive Gedächtnis dieser Länder eingeschrieben
hat.
Die Kontingente der Dominions waren zunächst voll in die britischen
Streitkräfte eingegliedert. Im Laufe des Krieges wurden sie jedoch immer
mehr zu eigenständigen Streitkräften. Auch politisch wurden die Dominions
durch den Krieg selbstständiger. Unter Lloyd George entstanden eine ganze
1 Im Folgenden wird auf Literaturangaben zu einzelnen Aspekten weitgehend verzichtet.
Überblicke zu einzelnen Ländern, Regionen und Themen auf dem aktuellen Forschungsstand und entsprechende Literaturhinweise finden sich in: Jay Winter (Hg.),
The Cambridge History of the First World War, 3 Bde, Cambridge 2014; John Horne
(Hg.), A Companion to World War I, Oxford 2010; Gerhard Hirschfeld u. a. (Hg.),
Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn 2009.
2 Vgl. Robert Aldrich u. Christopher Hilliard, The French and British Empires, in: Horne,
Companion, S. 524 – 539.
Geschichte und Gesellschaft 40. 2014, S. 147 – 159
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen 2014
ISSN (Printausgabe): 0340-613X, ISSN (online): 2196-9000
148
Oliver Janz
Reihe von imperialen Gremien, in denen ihre Premierminister einbezogen
wurden. Sie forderten, ihre Länder als autonome Nationen des „Imperial
Commonwealth“ anzuerkennen. Das bezog sich vor allem auf die Außenpolitik, die bisher in der Zuständigkeit Londons lag. Westminister konnte sich
diesen Forderungen immer weniger widersetzen. So wurde den Dominions
schließlich eine „adequate voice in foreign policy“ eingeräumt. Dieser
Souveränitätsgewinn fand seinen sichtbaren Ausdruck darin, dass die Dominions bei den Friedensverhandlungen mit eigenen Delegationen vertreten
waren. Insgesamt hat der Krieg die Nationsbildung der Dominions deutlich
vorangetrieben, zumal sie der Krieg mit Mythen und Symbolen wie auf der
Halbinsel Gallipoli versorgte, die bis heute zum Kernbestand ihrer nationalen
Erinnerungskultur zählen.
Aber auch aus anderen Teilen des Empire kamen Soldaten und Arbeitskräfte,
vor allem aus Indien. Ursprünglich plante London, indische Soldaten nur in
Ägypten zu stationieren. Doch seit Anfang 1915 wurden indische Einheiten in
Frankreich, in Mesopotamien, Ostafrika, in Gallipoli, in Palästina und auf der
arabischen Halbinsel eingesetzt. Insgesamt wurden 1,3 Millionen Inder
mobilisiert und 827.000 tatsächlich eingesetzt. Das waren mehr Soldaten als
Serbien oder Rumänien in den Kampf geschickt haben. 60.000 indische
Soldaten kamen ums Leben, deutlich mehr Gefallene als Belgien zu beklagen
hatte.
Der Krieg verstärkte in Indien die Bestrebungen, die auf mehr Autonomie und
Selbstverwaltung zielten. Der Indische Nationalkongress und die Muslimliga
forderten „Home Rule“ nach dem Vorbild der Dominions. 1916 verabschiedeten sie ein gemeinsames Programm, das der einheimischen Bevölkerung
eine Mehrheit in den Vertretungsorganen sichern sollte. In der britischen
Indienpolitik kam es zu einem Umdenken, zumal sich der hohe Steuerdruck
und der Preisanstieg infolge der Kontributionen negativ auf die wirtschaftliche
Lage auswirkten. Die Revolution in Russland und die prekäre militärische Lage
der Entente spielten den indischen Autonomiebestrebungen in die Hände. Im
August 1917 erklärte Indienminister Edwin Montagu vor dem Unterhaus die
graduelle Entwicklung der Selbstverwaltung und Selbstregierung Indiens zum
Ziel der britischen Politik. Dieses Versprechen wurde 1919 teilweise umgesetzt.
Ein Teil der Lokalverwaltung ging nun in indische Hände über. Der Krieg hat
zu einer Politisierung der indigenen Eliten und Intellektuellen geführt und
zum Eintritt vieler Inder in Provinzpolitik und Verwaltung. Das war eine
wichtige Etappe auf dem Weg zur Selbstständigkeit. Darüber hinausgehende
Reformen blieben aus. So wurde die Forderung nach einer eigenen Vertretung
Indiens auf der Friedenskonferenz nicht erfüllt. Wilsons Parole von der
nationalen Selbstbestimmung, die auf dem Subkontinent große Hoffnungen
erzeugt hatten, blieb für die Inder ein leeres Versprechen, was erhebliche
Enttäuschung auslöste.
Frankreich hat ebenfalls in großem Stil Truppen in seinen Kolonien rekrutiert,
nämlich 550.000 Soldaten, von denen 438.000 in Europa oder dem Nahen
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Einführung
149
Osten zum Einsatz kamen. Die Kolonialsoldaten kamen vor allem aus Nordund Westafrika, aber auch aus Indochina, Madagaskar und Somalia. Sie waren
vielfältiger Diskriminierung ausgesetzt. Ihre Aufstiegschancen in der französischen Armee waren begrenzt, ihre Verluste besonders hoch. Frankreich
rekrutierte zudem rund 220.000 Arbeiter in Übersee. Die meisten von ihnen
kamen aus Algerien und Indochina. In China wurden 36.000 Kulis angeworben.3 Die Arbeitskräfte aus den Kolonien wurden in Frankreich streng von der
Polizei überwacht, um Revolten vorzubeugen. Viele beschwerten sich über
niedrige Löhne und harte Arbeitsbedingungen. Die Gewerkschaften waren von
der Anwerbung nicht begeistert. Französische Arbeiter und Soldaten befürchteten, dass ihnen die Arbeiter aus Übersee die Arbeit und die Frauen
wegnähmen. Es kam zu Ausschreitungen gegen die Arbeiter aus dem
kolonialen Raum oder gegen Kolonialsoldaten, die sich auf Fronturlaub
befanden.
In Afrika wurden jedoch nicht nur Soldaten für den Krieg in Europa
ausgehoben. Es wurde auch gekämpft. Deutschland verfügte hier nur über
bescheidende Truppen. Diese waren von ihren Nachschubwegen weitgehend
abgeschnitten. Dennoch haben sich die Kämpfe bis November 1918 hingezogen. Das lag vor allem an der Entscheidung der Briten, die Eroberung der
deutschen Kolonien ausschließlich mit lokalen Truppen zu bewerkstelligen.
Schnelle Erfolge haben die Alliierten nur in Togo erzielt, wo die kleine deutsche
Schutztruppe schon Ende August 1914 kapitulierte. Die Eroberung Kameruns,
an der sich neben britischen und französischen Truppen auch belgische aus
dem Kongo beteiligten, band bereits sehr viel mehr Kräfte und zog sich bis
Februar 1916 hin.
Die Einnahme Deutsch-Südwestafrikas sollte durch die Südafrikanische Union
erfolgen, deren Regierung ein „Greater South Africa“ anstrebte und daher auf
das Ansinnen Londons bereitwillig einging. Auch sie zog sich jedoch länger
hin als geplant. Der Krieg in Südwest, der im Sommer 1915 zu Ende ging,
wurde weitgehend zwischen Weißen ausgetragen, weil die schwarze Bevölkerung dort nach dem Vernichtungskrieg gegen die Herero und Nama bereits
beträchtlich dezimiert war und Schwarze in Südafrika von der Armee nur als
Hilfskräfte rekrutiert wurden.
Am längsten und verlustreichsten war der Krieg um Deutsch-Ostafrika, die
größte deutsche Kolonie. Er wies an sich schon globale Züge auf, denn in ihm
kamen nicht nur Kolonialtruppen der Briten und Belgier aus anderen Teilen
Afrikas, sondern auch Einheiten aus Indien zum Einsatz. Seit 1916 waren auch
starke weiße Verbände aus Südafrika beteiligt, am Ende auch portugiesische
Einheiten aus Mosambik. Die deutsche Schutztruppe hielt über Jahre hinweg
3 Vgl. Guoqi Xu, Strangers on the Western Front. Chinese Workers in the Great War,
Cambridge, MA 2011; Li Ma (Hg.), Les travailleurs chinois en France dans la Premire
Guerre mondiale, Paris 2012.
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Oliver Janz
einer erdrückenden Übermacht stand. Die Strategie Lettow-Vorbecks, beträchtliche Kräfte des Gegners an der Peripherie zu binden, lief jedoch letztlich
ins Leere, denn die Kolonialtruppen der Alliierten, die jahrelang in Afrika
gegen die Deutschen kämpften, wären kaum in Europa eingesetzt worden.
Dennoch kann der Krieg in Ostafrika nicht einfach als Nebenschauplatz des
großen Krieges abgetan werden. Zwar war die Zahl der eingesetzten Soldaten
mit 200.000 recht begrenzt. Die Folgen des Krieges für die Region waren jedoch
verheerend. Das lag vor allem daran, dass er als Bewegungskrieg in einem
großen Gebiet geführt wurde, in dem es kaum Straßen und Eisenbahnen gab.
Da Packtiere für Krankheiten anfällig waren, setzten beide Seiten in großem
Stil Einheimische als Hilfskräfte und Träger ein. Insgesamt wurden zehnmal
mehr Träger als Soldaten eingesetzt. Allein die Briten haben in Kenia,
Rhodesien, Malawi, dem Kongo, Mosambik und Deutsch-Ostafrika mindestens eine Million Träger rekrutiert.
Diese Zwangsrekrutierung junger Männer hatte fatale Folgen für die Wirtschaft der gesamten Region, aber auch für die Träger selbst. Denn diese wurden
nur unzureichend versorgt und erkrankten daher oft. Vor allem in der letzten
Phase des Krieges sanken ihre Kalorienrationen dramatisch. Die Todesrate
unter ihnen lag viel höher als unter den Soldaten und entsprach etwa der an der
Westfront. Allein von den auf britischer Seite eingesetzten Trägern sind über
100.000 während des Feldzugs gestorben. 45.000 von ihnen stammten aus
Kenia, wo sie ein Achtel der erwachsenen männlichen Bevölkerung ausmachten. Auch sonst wurde die Zivilbevölkerung der Region schwer in Mitleidenschaft gezogen. Infolge der fehlenden Infrastruktur und der chronischen
Nachschubprobleme mussten sich die Truppen beider Seiten auf ihren
Märschen zum großen Teil aus dem Land versorgen. So wurde die einheimische Bevölkerung nicht nur durch die Zwangsrekrutierung der jungen Männer
als Soldaten und Träger, sondern auch durch Requisitionen und Plünderungen
belastet, die ihre Lebensgrundlagen zerstörten. Hungersnöte und Seuchen
waren die Folge. Am härtesten hat der Krieg Deutsch-Ostafrika getroffen.
Schätzungen gehen davon aus, dass in der Kolonie bis Kriegsende rund 650.000
Menschen infolge des Krieges ums Leben kamen, fast ein Zehntel der
Einwohner.
Der Krieg in Afrika war dem Kontinent, wenn man einmal von dem
Subimperialismus der südafrikanischen Führung absieht, weitgehend ein
aufgezwungener Krieg, wie Bill Nasson in seinem Aufsatz betont. Dies gilt in
erster Linie für die schwarze Bevölkerung, die unter den Folgen des Krieges am
meisten zu leiden hatte. Für sie hatten die nationalen Loyalitäten ihrer weißen
Herren eine ebenso geringe Bedeutung wie die kolonialen Grenzen, die oft
quer zu den ethnischen oder auch natur- und wirtschaftsräumlichen Grenzen
verliefen. Die Bevölkerung entzog sich daher der Zwangsrekrutierung oder
anderen kriegsbedingten Zumutungen oft durch Flucht in benachbarte
Kolonien. Schwarze Soldaten wechselten zudem häufig die Seiten, wenn dies
Vorteile versprach. Zu solchen Bewegungen kam es nicht nur zwischen den
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Einführung
151
britischen, französischen, belgischen und portugiesischen Kolonien. Kolonialsoldaten aus den britischen Kolonien in Zentralafrika liefen auch zu den
Deutschen über, während Askaris aus Deutsch-Ostafrika zur Gegenseite
wechselten.
Unter den weißen Kolonialbeamten, Militärs und Siedlern vor Ort gab es wenig
Begeisterung für den Krieg in Afrika, wie Nasson zeigt. Insofern war LettowVorbeck nicht typisch, so folgenreich sein Handeln auch war. Die deutschen
Gouverneure in Afrika taten alles, um die Ausweitung des Krieges auf ihre
schwer zu verteidigenden Kolonien zu verhindern. Auch der Gouverneur von
Britisch-Ostafrika war gegen den von London befohlenen Krieg in seiner
Region. Das Leben der weißen Siedler vor Ort war von starken gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Austauschbeziehungen über die kolonialen
Grenzen hinweg geprägt und von der gemeinsamen Abgrenzung gegenüber
der schwarzen Bevölkerung. Entsprechend gering war die Neigung, nun die
Waffen gegen andere Europäer in benachbarten Kolonien zu ergreifen.
Wie breit das Spektrum von Indifferenz, Ablehnung und Resistenz gegenüber
dem Krieg in Afrika sein konnte und wie heterogen ihre Faktoren, zeigt Nasson
vor allem am Beispiel Südafrikas. Hier gab es weitverbreitete Sympathien mit
den Deutschen, die sich aus ganz verschiedenen Quellen speisten. So
verbanden viele Zulus mit einem deutschen Sieg im fernen europäischen
Krieg die Hoffnung auf eine Wiedergewinnung von Ländereien, die durch das
Vordringen britischer Siedler verlorengegangen waren. In der schwarzen
Arbeiterklasse Südafrikas war es der Hass auf die britischen Arbeitgeber, für
die sie gegen schlechte Bezahlung in Minen, Fabriken oder häuslichen
Diensten arbeiten mussten, der zum Jubel über deutsche Siege führte. Die nach
Südafrika eingewanderten russischen Juden dagegen hatten nur wenige
Sympathien für den Krieg des Britischen Empire, weil er sich an der Seite des
Zarenreiches vollzog, dessen Verfolgung sie gerade erst entkommen waren.
Besonders unpopulär war der Krieg bei den Buren, von denen viele ihrer
Unabhängigkeit nachtrauerten und keine Neigung hatten, gegen die deutschen
Kolonisten in Südwest zu kämpfen, die sie im Burenkrieg unterstützt hatten. So
löste der von der Regierung beschlossene Krieg unter den Buren sogar einen
Aufstand aus, an dem sich über 11.000 Rebellen beteiligten, was den Angriff
auf Deutsch-Südwestafrika erheblich verzögerte.
Auch anderswo in Afrika ist es während des Ersten Weltkrieges zu Aufständen
gekommen, etwa in Britisch-Nyasaland oder im portugiesischen Mosambik,
vor allem aber in den französischen Kolonien. Sie wurden vom Krieg
insgesamt stärker in Mitleidenschaft gezogen als die britischen und die
Herrschaft dort auch stärker destabilisiert. Die bürokratische Infrastruktur
wurde durch die Einberufung vieler Kolonialbeamter geschwächt. Die Unterbrechung des Handels mit Deutschland führte zu beträchtlichen wirtschaftlichen Schäden. Durch die Steigerung der staatlichen Nachfrage kam es zu
einer Verteuerung und Verknappung von Lebensmitteln und anderen Gütern.
Das traf vor allem die indigene Bevölkerung, die auch unter erhöhten Steuern
152
Oliver Janz
und Abgaben zu leiden hatte. Hunger und Epidemien waren die Folge.
Verschärfte Zensur, Überwachung und Propaganda konnten nicht verhindern,
dass die Unzufriedenheit rasch wuchs. So kam es zu zahlreichen Revolten in
Westafrika, Algerien und Marokko. Die größte von ihnen war der GrandeRivire-Aufstand in Westafrika 1915 / 1916, der sich neun Monate hinzog und
an dem 160.000 Menschen beteiligt waren. Er wurde mit aller Härte
niedergeschlagen, wobei Tausende ums Leben kamen.
Diese Revolten waren vor allem Reaktionen auf den zunehmenden Zwang bei
der Rekrutierung von Soldaten. 1917 wurde in den afrikanischen Kolonien die
Wehrpflicht eingeführt, obwohl die Einheimischen keine Bürger, sondern nur
rechtlose Untertanen waren. Daraufhin flohen viele Männer in die portugiesischen oder britischen Nachbarkolonien. Die Revolten bedrohten die Kolonialherrschaft jedoch nicht in ihren Grundfesten, wie Nasson betont. Dazu
waren sie in ihrer regionalen Ausdehnung, aber auch in ihren Zielen zu
begrenzt, denn sie zielten nicht auf die Abschaffung der Kolonialherrschaft,
sondern vor allem auf ein Ende der Aushebungen.
Die Kämpfe in Afrika allein machten den Ersten Weltkrieg jedoch noch nicht
zu einem globalen Krieg. Militärische Konflikte zwischen den europäischen
Mächten außerhalb Europas hatte es schon in früheren Zeiten gegeben. Die
Besonderheit moderner Weltkriege besteht vor allem darin, dass sich in ihnen
verschiedene regionale Konflikte zu einem globalen Geschehen vernetzen und
dass sich im Zuge dieser Ausweitung auch souveräne außereuropäische
Mächte beteiligen. Dazu kam es in größerem Umfang erst im Ersten Weltkrieg.
Die Bemühungen beider Seiten um weitere Bündnispartner und die Chancen,
die der Krieg bisher nicht beteiligten Mächten eröffnete, führten schnell dazu,
dass sich der Krieg ausweitete. So wurden immer mehr regionale Konflikte
vernetzt, die mit dem zentralen Geschehen wenig zu tun hatten. Diese
Dynamik lässt sich nicht nur im Fall von Italien, Bulgarien, Rumänien oder
Portugal, sondern auch von Japan, China und dem Osmanischen Reich
beobachten. Sie alle versuchten, den europäischen Kernkonflikt auszunutzen.
Das Osmanische Reich handelte eher aus defensiven Motiven. Für die
Machthaber in Istanbul ging es darum, dem weiteren Machtgewinn Russlands
vorzubeugen, verlorene Territorien und Souveränität wiederzugewinnen und
internationale Gleichberechtigung zu erlangen. Für das mit Großbritannien
seit 1908 verbündete Japan dagegen war der Krieg die willkommene Gelegenheit, um weiter zu expandieren und zur dominanten Macht in Ostasien
aufzusteigen. Aber auch Australien und Südafrika nutzten den Krieg zu
Expansion und als Souveränitätsgewinn und heizten ihn durch ihren Subimperialismus an.4
4 Vgl. Hew Strachan, The First World War as a Global War, in: First World War Studies
1. 2010, S. 3 – 14.
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Einführung
153
Zu einer weiteren Ausweitung des Krieges kam es dadurch, dass Deutschland
die Verbindungswege des Gegners durch einen globalen Seekrieg zu stören
versuchte. Der unbeschränkte U-Boot-Einsatz hat entscheidend zum Kriegseintritt der USA beigetragen und in ihrem Gefolge auch zu dem zahlreicher
lateinamerikanischer Staaten, zumal sich kaum noch ein Staat leisten konnte,
abseits zu stehen, da sich nun deutlich abzeichnete, dass die Welt am Tisch der
Sieger neu geordnet werden würde.
Doch zunächst war es vor allem der Kriegseintritt des Osmanischen Reichs,
der den Krieg über Europa hinaus ausweitete. Der Krieg wurde nun in den
Kaukasus, nach Mesopotamien, Persien, den Sinai und Arabien getragen. Das
hatte beträchtliche Auswirkungen auf den Krieg in Europa. Die osmanische
Armee, die fast drei Millionen Mann mobilisierte, band jahrelang starke
russische und britische Kräfte. Die Folgen des Krieges für die Region waren in
jeder Hinsicht dramatisch. Allein der Völkermord an den Armeniern, die der
Kollaboration mit dem Feind verdächtigt wurden, hat schätzungsweise einer
Million Menschen das Leben gekostet. Aber auch die übrige Zivilbevölkerung
Kleinasiens wurde durch Hungersnöte und Epidemien schwer dezimiert. Über
ein Drittel der zivilen Opfer des Ersten Weltkrieges entfielen auf diese Region.
Schätzungen gehen überdies davon aus, dass bis zu 27 Prozent der Soldaten
der osmanischen Armee im Ersten Weltkrieg ums Leben kamen, deutlich mehr
als in fast allen europäischen Streitkräften.
Der Erste Weltkrieg war für den Nahen und Mittleren Osten nicht nur ein
besonders verheerender und verlustreicher, sondern ähnlich wie für die
meisten Teile des ehemaligen russischen Reiches, die von einem jahrelangen
Bürgerkrieg verwüstet wurden, auch ein besonders langer Krieg. Aus der Sicht
des Nahen und Mittleren Ostens war der Erste Weltkrieg nur Teil eines
umfassenderen Konfliktgeschehens, das mit dem italienisch-osmanischen
Krieg von 1911 einsetzte, in die Balkankrieg überging und sich erst 1922 einem
Ende zuneigte. Ein globaler Blick auf den Ersten Weltkrieg, der diese Regionen
einbezieht, relativiert also konventionelle, auf Westeuropa konzentrierte
Periodisierungen. Der Krieg in Kleinasien ging nicht mit dem Waffenstillstand
von Mudros im Oktober 1918 zu Ende. Die von Mustafa Kemal reorganisierte
Armee führte zunächst Krieg gegen die armenische Republik und danach
gegen griechische Truppen, die weite Teile Westanatolien besetzt hatten. Diese
Kriege, deren Ende mit dem Friedensvertrag von Lausanne im Juli 1923
besiegelt wurde, kosteten nicht nur zahllosen weiteren Soldaten und Zivilisten
das Leben, darunter auch bis zu 300.000 Griechen, sie führten auch zu einem
großangelegten Bevölkerungsaustausch zwischen der Türkei und Griechenland, mit dem die über zweitausendjährige Geschichte der Griechen in
Kleinasien beendet wurde.
Der Zusammenbruch des russischen und des osmanischen Reiches im Ersten
Weltkrieg führte in der gesamten muslimischen Welt vom Kaukasus und
Zentralasien über den Nahen und Mittleren Osten bis hin nach Nordafrika zu
einer etwa sechs Jahre andauernden hochgradig unübersichtlichen und
154
Oliver Janz
krisenhaften Phase neuer Konflikte und neuer Gewalt, aber auch politischer
Neuordnung. Diese manifestierte sich in der Gründung zahlreicher, oft
kurzlebiger und daher heute oft vergessener Staatsgründungen unter republikanischem oder zumindest konstitutionellem Vorzeichen, wie Stefan
Reichmuth in seinem Beitrag zeigt. Sie wurden in der Regel von einem
ideologisch heterogenen Bündnis aus eher an europäischen Vorbildern
orientierten säkular-laizistischen und reformislamischen Kräften getragen.
Zu einer deutlichen Ausdifferenzierung kam es nur dort, wo die Staatsgründungen wie im Fall der Türkei langfristig erfolgreich waren. Als Klammer
dieser ideologisch oft schillernden Strömungen fungierte überall ein populärer „kultureller Nationalismus“, aber auch die gemeinsame Faszination für
den Sozialismus und die von den Bolschewiki ausgegebene Lösung der
nationalen Selbstbestimmung und antiimperialen Befreiung. Viele der Staatsgründungen vollzogen sich daher zunächst auch im Bündnis mit den
Bolschewiki. Das galt nicht nur für die Türkei oder den Iran, sondern auch
für die muslimischen Republiken auf dem Gebiet des ehemaligen russischen
Reiches im Kaukasus und Zentralasien, bevor die Konsolidierung der
Sowjetmacht ihnen ein Ende setzte. Folgenlos waren diese jedoch nicht,
denn die vorhergehenden Staatsgründungen prägten die sowjetische Neuordnung in dieser Region in beträchtlichem Ausmaß, wie Reichmuth betont. Aber
auch im Einflussbereich der sich meist rasch wieder durchsetzen westlichen
Kolonialmächte, in Syrien, Libanon, Jordanien, im Irak und in Nordafrika,
wirkten die Selbstständigkeitsbestrebungen nach oder führten sogar, wie in
Ägypten, schon bald zu weitgehenden Erfolgen.
Der Erste Weltkrieg war ein globaler Wirtschaftskrieg. Die Mittelmächte
wurden durch die britische Seeblockade von den Weltmärkten zunehmend
abgeschnitten. Sie mussten daher ihre Wirtschaft besonders radikal umstellen.
Der U-Boot-Krieg zwang jedoch auch die Entente-Mächte zu einer Konzentration der heimischen Ressourcen auf kriegswichtige Branchen und zur
Reglementierung der Importe. Die Westalliierten waren auf allen Feldern
kriegswirtschaftlichen Organisation erfolgreicher als die Mittelmächte: bei
der Erhöhung der Rüstungsproduktion und der Versorgung mit Rohstoffen,
bei der Kriegsfinanzierung und auch bei der Lebensmittelversorgung, obwohl
gerade Großbritannien wegen seiner geringen landwirtschaftlichen Produktion besonders verwundbar war. Dies ist vor allem auf die konsequente
Ausnutzung globaler Marktmacht zurückzuführen. Zwar entwickelten die
Deutschen zahlreiche Ersatzstoffe für kriegswichtige Materialien. Doch
letztlich blieb ihnen nichts anderes übrig, als den zunehmenden Mangel zu
verwalten.
Der Schlüssel für den Erfolg der Alliierten dagegen war nicht, dass sie ihre
begrenzten heimischen Ressourcen immer stärker rationierten, sondern
massiv in die internationalen Märkte eingriffen und dort Rohstoffe, Lebens-
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Einführung
155
mittel und Güter aller Art in großem Stil aufkauften.5 Das britische Munitionsministerium stieg auf diese Weise zum größten Handelskonzern der Welt
auf. Durch den globalen Einsatz der geballten Marktmacht des Staates konnte
der private Wettbewerb nahezu ausgeschaltet und die Preise relativ niedrig
gehalten werden. Dabei kooperierten die Briten zunehmend mit ihren
Verbündeten, um unnötigen Wettbewerb zu vermeiden. 1915 wurde die
amerikanische Privatbank J. P. Morgan zum gemeinsamen Einkaufsagenten in
den USA ernannt.
Mit dem Kriegseintritt der USA machte die Kontrolle der globalen Märkte
durch die Alliierten weitere Fortschritte. Sie war deshalb so erfolgreich, weil es
außerhalb der Entente kaum Märkte gab, auf denen die Rohstoffproduzenten
ihre Waren hätten verkaufen können. Die Importe konnten überdies leicht
kontrolliert werden, weil sie über wenige Häfen, vor allem in Großbritannien
und Frankreich, liefen. Hinzu kam, dass die Alliierten den internationalen
Schiffsverkehr und auch das maritime Versicherungswesen dominierten,
dessen Fäden in London zusammenliefen. Schon 1913 befanden sich 60 Prozent der globalen Schiffskapazitäten in britischer Hand. Über ihr weltweites
Netz von Kohlestationen, auf das alle angewiesen waren, konnten die Briten
Druck auf den Schiffsverkehr der Neutralen ausüben. Auch das hat die
Kontrolle des Welthandels erleichtert. Ähnliches lässt sich auch für die
Versorgung mit Arbeitskräften sagen, die wegen der Einberufungen überall
knapp wurden. Die Deutschen setzten zunehmend Kriegsgefangene und
Zwangsarbeiter aus den besetzten Gebieten ein. Die Franzosen dagegen
konnten auf Arbeiter aus ihren Kolonien und China zurückgreifen, aber auch
aus Spanien. Am wichtigsten aber war, dass die Mächte der Entente weiter über
Zugang zu den globalen Finanzmärkten verfügten, die Mittelmächte dagegen
von ihnen ausgeschlossen wurden. Die Briten erhielten Kredite in New York,
Russen, Franzosen und Italiener in London.
Der Erste Weltkrieg stellte also, wie Adam Tooze und Ted Fertik in ihrem
Beitrag argumentieren, keineswegs den Beginn einer Phase wirtschaftlicher
De-Globalisierung dar, wie oft behauptet worden ist. Die Weltwirtschaft, die
sich im 19. Jahrhundert immer stärker intensiviert und verflochten hatte,
wurde im Ersten Weltkrieg nicht zerstört, sondern nur reorganisiert und gegen
die Mittelmächte mobilisiert und zwar von den Zentren her, in denen auch
bisher ihre Fäden zusammengelaufen waren.
Schon deshalb hatte der Erste Weltkrieg tiefgreifende Auswirkungen auch auf
neutrale Länder und auf Weltregionen, in denen nicht oder kaum gekämpft
wurde. Japan war vor 1914 zur regionalen Großmacht in Ostasien aufgestiegen.
Dabei war das Land, das sich im 19. Jahrhundert allen Kolonialisierungsversuchen westlicher Mächte erfolgreich widersetzt hatte, selbst zur Kolonial-
5 Vgl. Theo Balderston, Industrial Mobilization and War Economics, in: Horne,
Companion, S. 217 – 233.
156
Oliver Janz
macht geworden. Nach dem Sieg über China 1895 waren Taiwan und
Südsachalin und nach dem gewonnenen Krieg gegen Russland 1905 Korea
unter japanische Herrschaft gekommen. Auch verfügte das Land 1914 bereits
über die mit Abstand stärkste Flotte in der Region. Sie bestand aus vierzehn
Schiffen, darunter die 1912 fertiggestellte Kongo, die als das größte und am
stärksten bewaffnete Kriegsschiff der Welt galt.
Der große Krieg, der die europäischen Mächte absorbierte, war für Japan eine
willkommene Gelegenheit, seine Stellung in Ostasien weiter auszubauen und
sein junges Imperium zu arrondieren. Ein Gesuch der Briten um Hilfe bei der
Verfolgung des deutschen Ostasiengeschwaders wurde von der japanischen
Führung weit ausgelegt und ohne Zögern genutzt, um in den Krieg gegen
Deutschland einzutreten. Ende August nahmen japanische Truppen nach einer
mehrwöchigen Belagerung von Tsingtao unter geringen Verluste das deutsche
Pachtgebiet an der chinesischen Küste ein. In den folgenden Wochen besetzten
die japanischen Truppen auch die größten Teile der deutschen Kolonien im
nördlichen Pazifik, die Marianen, Karolinen und Marschall-Inseln. Auch im
folgenden Jahr nutzte Japan das kriegsbedingte Machtvakuum in Ostasien
weiter aus und setzte gegen das von inneren Konflikten geschwächte China
unter Protest der Briten und Amerikaner weitreichende Forderungen durch.
Am Krieg in Europa hat sich Japan dagegen militärisch nicht beteiligt, von der
Entsendung eines kleinen Flottengeschwaders ins Mittelmeer 1917, das nicht
in Kämpfe verwickelt wurde, einmal abgesehen. Insgesamt hat wohl keine der
am Ersten Weltkrieg beteiligten Mächte in ihm mit so geringem Aufwand so
viel erreicht wie Japan. Größer angelegt war erst die japanische SibirienIntervention im russischen Bürgerkrieg Ende 1918, die bis 1922 anhielt und
etwa 5.000 japanischen Soldaten das Leben kostete.
Auch wirtschaftlich hat Japan vom Ersten Weltkrieg stark profitiert. Durch die
China aufgezwungenen Verträge erhielt das Land Zugang zu wichtigen
Rohstoffen wie Kohle und Erz. Der Krieg eröffnete ebenso neue Absatzmärkte,
besonders dort, wo die Europäer als Lieferanten von Konsumgütern ausfielen.
Die Verbündeten wurden überdies mit kriegswichtigen Gütern beliefert. Für
die Industrie, den Handel und den Finanzmarkt des Landes markierte der
Krieg daher einen Wendepunkt.6 Industrialisierung und Urbanisierung
machten rasch weitere Fortschritte. Dies führte aber auch zu verschärften
sozialen Konflikten und steigenden Preisen, die sich 1918 in Unruhen
entluden.
Japan nahm zudem, auch wenn das Land militärisch kaum in den Konflikt
involviert war, über die Medien intensiv am Krieg teil, wie Jan Schmidt in
seinem Beitrag herausarbeitet. Diese erreichten infolge technischer Neuerungen nun auch in Japan ein Massenpublikum. Dessen Interesse am Krieg brach
6 Vgl. Wolfgang Schwentker, Japan, in: Hirschfeld u. a., Enzyklopädie Erster Weltkrieg,
S. 593 – 596, hier S. 594.
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Einführung
157
mit dem Ende der Kampfhandlungen in Ostasien im November 1914 offenbar
keineswegs ab. So brachten die Zeitungshäuser und Verlage über die ganze
Dauer des Krieges hinweg eine Fülle Artikel, Sonderhefte und Sachbücher über
den fernen Krieg auf den Markt, die oft populär gehalten und reich mit
großformatigen Fotografien illustriert waren. Dabei rückten mit der Zeit
immer mehr der Kriegsalltag und das Leben an der Heimatfront in den
betroffenen Gesellschaften in den Vordergrund.
Das Beispiel zeigt, dass der große Krieg ein globales Medienereignis war und
einen weltweiten Erfahrungsraum konstituierte, der auch Länder wie Japan
erfasste, wenn auch nur indirekt und über die Medien vermittelt. Diese
vermittelte Form der Kriegserfahrung war keineswegs folgenlos, denn sie
interagierte, wie Jan Schmidt zeigt, in Japan mit der systematischen Kriegsbeobachtung durch zahlreiche Think-Tanks. Sie wurden noch während des
Krieges vom Militär, den Ministerien, aber auch großen Unternehmen und
anderen Organisationen gegründet, um aus dem Krieg der anderen zu lernen,
vor allem im Hinblick auf den nächsten eigenen Krieg, der angesichts
wachsender Spannungen mit den USA bereits während des Ersten Weltkrieges
in wichtigen Teilen der politischen Klasse des Landes zunehmend als
unvermeidlich angesehen wurde. Aus dem großen Laboratorium, das der
Krieg für sie darstellte, zogen die Beobachter und Experten der verschiedenen
Stäbe in Japan vor allem die Lehre, dass der Weltkrieg zur Mobilisierung
ganzer Gesellschaften und Volkswirtschaften führte. Das deckte sich mit dem
Bild, das die Medien von diesem Krieg zeichneten, und schlug sich in
politischen Diskursen und Empfehlungen an die Entscheidungsträger nieder,
die auf staatliche Planung und „Social Engineering“, die stärkere Mobilisierung von Konsens und eine Steigerung der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen
und militärischen Effizienz des Landes zielten. Vor dem Hintergrund dieser
Kriegsstudien kam es 1918 zu einer Reform des Bildungssystems nach USamerikanischem Vorbild, die auf mehr Chancengleichheit zielte. Es kam aber
auch zu einem Gesetz, das dem Militär in zukünftigen Kriegen weitreichende
Befugnisse bei der Mobilisierung der Wirtschaft und der Sicherung von
Rüstungsgütern, Rohstoffen, Lebensmitteln und Arbeitskräften einräumte
und den Grundstein für ein weitläufiges militärisch-industrielles Planungswesen legte, das bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges Bestand hatte.
Wie wenig ein auf die diplomatische und militärische Ebene und eine
entsprechende Kriegsbeteiligung verengter Blick den globalen Dimensionen
des Ersten Weltkriegs gerecht wird, zeigt auch das Beispiel der USA. Während
Japan nach dem Ende der Kampfhandlungen in Ostasien militärisch kaum
noch in den Krieg eingriff, diesen aber immer aufmerksamer verfolgte, von
ihm profitierte und systematisch zu lernen versuchte, waren die USA in vieler
Hinsicht längst an ihm beteiligt, als sie im April 1917 auch militärisch in ihn
eingriffen. Die Geschichte der USA im Ersten Weltkrieg sauber in eine Phase
der Neutralität und eine der Kriegsteilnahme aufzuteilen, verdunkelt daher
mehr als sie erhellt. Die USA beteiligten sich wirtschaftlich und finanziell
158
Oliver Janz
schon vor ihrem Kriegseintritt immer mehr und immer entschiedener auf
Seiten der Entente am Krieg. Viele US-Amerikaner meldeten sich überdies
freiwillig zum Kriegsdienst in europäischen Armeen oder sanitären Hilfskorps, darunter auch Frauen. Die nach Klasse, Rasse und Migrationshintergrund hochgradig heterogene Gesellschaft der USA nahm vom ersten Tag
intensiven Anteil am Krieg, wobei verschiedene Gruppen ganz unterschiedliche Akteure, Opfer und Räume des fernen Krieges in den Fokus der
Öffentlichkeit und ihrer Empathie rückten, wie Jennifer Keene an ausgewählten Beispielen zeigt. Die progressiven Reformer aus den weißen Ober- und
Mittelschichten konzentrierten sich auf Hilfsaktionen für Belgien, die in den
Händen des von Herbert Hoover geleiteten Committee for Relief in Belgium
(CRB) zusammenliefen. Die Organisation, die rasch beeindruckende Dimensionen annahm, finanzierte sich global und agierte immer mehr wie eine
eigenständige Macht, in der sich internationaler Humanitarismus mit amerikanischem Nationalstolz zu einem neuen Bewusstsein der privilegierten
Stellung und globalen Verantwortung der USA mischten. Die Wortführer der
schwarzen Amerikaner dagegen rückten den Einsatz von Kolonialtruppen in
den Vordergrund und hofften darauf, dass dieser zu einer Überwindung der
globalen Ungleichheit zwischen den Rassen führen werde, während sie das
offizielle Selbstbild der USA als Heimstätte und Hüter der Freiheit und der
Menschenrechte angesichts der andauernden Diskriminierung der Schwarzen
im eigenen Land als Heuchelei brandmarkten. Die oft erst vor kurzem
eingewanderten Amerikaner jüdischer Herkunft dagegen konzentrierten ihre
Aufmerksamkeit und ihre Hilfsaktionen auf die vor allem in Osteuropa an
vielen Fronten neuen Übergriffen und großangelegten Deportationen ausgesetzten Juden. So wurde der Kriegseintritt der USA von der amerikanischen
Zivilgesellschaft in vieler Hinsicht vorgeprägt, wie Jennifer Keene unterstreicht. Die Regierung griff bei der Mobilisierung des Landes nicht nur auf die
von privaten Hilfsorganisation, allen voran dem CRB, bereits erprobten
Methoden der Finanzierung, Logistik und Propaganda zurück, sondern auch
auf deren zentrale Botschaft, die das internationale Engagement zur patriotischen Pflicht des amerikanischen Bürgers erhob.
Ein weiteres Beispiel für die globalen Dimensionen des Krieges ist Lateinamerika, das in den meisten Gesamtdarstellungen des Krieges bisher überhaupt nicht vorkommt, weil es sich am Krieg militärisch kaum beteiligte,
wenngleich viele lateinamerikanische Länder ab 1917 in den Krieg eintraten.
Die Folgen des Krieges für die Region waren zahlreich und bedeutsam. Der
Krieg in Europa führte dazu, dass die Vereinigten Staaten in der westlichen
Hemisphäre, ähnlich wie Japan in Ostasien, noch mehr Handlungsfreiheit
erhielten. Sie vertraten nun ihre Interessen in der Region sehr viel offensiver.
Einschneidend waren auch die wirtschaftlichen Folgen für die lateinamerikanischen Staaten. Die Blockade zwang diese dazu, ihre Exporte auf die Alliierten
und auf kriegswichtige Güter umzustellen. Die USA wurden durch den Krieg
für viele Länder zum wichtigsten Handelspartner und Kreditgeber.
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Einführung
159
Der Krieg hatte zudem bedeutsame mentale und politische Folgen in der
Region, wie Stefan Rinke in seinem Beitrag zeigt. Lateinamerika nahm wie
Japan medial voll am Krieg teil und wurde überdies zum Ziel eines heftigen
Propagandakrieges zwischen den Mächten. Wichtig ist vor allem, dass sich das
Bild Europas bei den intellektuellen Meinungsführern wandelte. Europa
erschien nun vielen nicht mehr als das bewunderte Zentrum der Welt und des
Fortschritts. Diese Abwertung Europas führte zu einem Legitimationsverlust
der Oligarchien, die auf das europäische Entwicklungsmodell gesetzt hatten,
und zu einer Neubewertung des Eigenen und gab daher nationalistischen und
reformorientierten Kräften Auftrieb. Vor allem die städtischen Mittelschichten
traten nun verstärkt mit dem Anspruch auf, im Namen der Nation gesellschaftliche Reformen auf eigenständigen Wegen voranzutreiben. Manche
engagierten sich in nationalistischen Parteien, andere in Bewegungen, die für
die Rechte der indigenen Bevölkerung oder der wachsenden Arbeiterschaft
eintraten. Die Frauenbewegung gewann ebenfalls an Auftrieb. Ähnliches gilt
für die Studentenbewegung. Auch sie waren geprägt von der kriegsbedingten
Absage an europäische Modelle, von der Rhetorik der Reform und des
nationalen Aufbruchs und von der Idee der besonderen Zukunftsfähigkeit
Lateinamerikas angesichts der europäischen Katastrophe, die von vielen als
Verrat an der Zivilisation und als Rückfall in die Barbarei gesehen wurde.
Der Erste Weltkrieg war also, wie die Beiträge in diesem Themenheft deutlich
machen, weit mehr als die „Urkatastrophe Europas“. Er war ein globaler Krieg,
der auch außerhalb Europas ausgetragen wurde, der sich mit außereuropäischen Konflikten verband und immer mehr die Züge eines weltumspannenden
Wirtschaftskrieges annahm. Hinzu kam, dass die Ressourcen der britischen
und französischen Kolonialimperien und der Vereinigten Staaten für den
Konflikt mobilisiert und auf Seiten der Entente in die Waagschale geworfen
wurden. Der Erste Weltkrieg hat die globalen politischen und wirtschaftlichen
Kräfteverhältnisse tiefgreifend verändert. Er war überdies ein globales
Medienereignis, das in vielen Teilen der außereuropäischen Welt von Anfang
an intensiv beobachtet, debattiert und analysiert wurde. Dabei veränderte sich
nicht nur das Bild Europas tiefgreifend, sondern auch die Wahrnehmung des
Eigenen und seiner Potentiale. In globaler Perspektive erscheint deshalb eine
Erweiterung der „First World War Studies“ überfällig, die nicht nur nach dem
oft immer noch unterschätzten Beitrag außereuropäischer Regionen zum
europäischen Kernkonflikt fragt, sondern auch nach den komplexen Folgen
des Weltkrieg für die außereuropäische Welt, die erst in Ansätzen erforscht
sind. Erst auf dieser Grundlage kann die Frage geklärt werden, ob und
inwiefern der Erste Weltkrieg das Zeug hat, zu einem globalen Erinnerungsort
zu werden.
Prof. Dr. Oliver Janz, Freie Universität Berlin, Friedrich-Meinecke-Institut,
Koserstraße 20, D-14195 Berlin
E-Mail: [email protected]
More Than Just von Lettow-Vorbeck
Sub-Saharan Africa in the First World War
by Bill Nasson
Abstract: This article assesses the impact and significance of the First World War in
sub-Saharan Africa. Colonial territories were drawn into the war effort in a variety of
ways because they were ruled by European powers at war with one another, and
because the continent was of strategic significance. While men and material resources
were extracted from Africa and while parts of it were devastated by hostilities, at the
same time large areas experienced little disturbance. The study explores the wide
range of responses to the war displayed by ordinary Africans and considers its larger
political legacy for subjects of the colonial order.
It is no longer as common as it once was for Africa south of the Sahara, or the
great mass of the continent, to be overlooked in general histories of the First
World War, although even in more recent years there continue to be
exceptions.1 Contemporary overviews of the wider global context of the
conflict are more likely to take into account some or other feature of hostilities
in Africa. These might include themes such as the enormous logistical
difficulties which confronted campaigning forces, “tensions and rivalries”
between Allied colonial powers, the heavy human costs and economic
disruptions of wartime or, simply, that Africa represented a “lengthy
struggle.”2 Indeed, it was here rather than in Europe that the war was actually
fought for its longest period. The first guns which went off at the beginning of
August 1914 were fired by British West African colonial troops in the AngloFrench invasion of German Togoland. Hostilities also continued beyond the
Armistice of 11 November 1918. News of the scheduled end of the war had not
reached everyone deep in the bush. In the last recorded armed clash, on 12
November German askaris (local East African soldiers) ambushed a lone
enemy motorcyclist. Amongst his captured despatches was a notification of
the previous day’s European cease-fire. Still undefeated on African soil,
Germany’s remaining East African force learned that their war had been lost
elsewhere. Even then, Germany’s last infantry column hung on until a final
surrender to British forces under South African command on the southern
edge of Lake Tanganyika on 25 November 1918.
1 See, for example, Norman Stone, World War One. A Short History, London 2007; Peter
Simkins et al., The First World War. The War to End All Wars, Oxford 2003.
2 Jeremy Black, The Great War and the Making of the Modern World, London 2011, p. 86.
Geschichte und Gesellschaft 40. 2014, S. 160 – 183
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen 2014
ISSN (Printausgabe): 0340-613X, ISSN (online): 2196-9000
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Sub-Saharan Africa in the First World War
161
This essentially undefeated German campaign in East Africa has left a long
legacy that has come to weigh heavily on representations of the war experience
in Africa. Again, there are distinguished exceptions in more recent historiography which deal in proportionate significance with the wider arena of the
war on the continent.3 But, as often as not, it is varying portrayals and
interpretations of the impact and meaning of the war in East Africa that have
become emblematic of Africa in the First World War. It is, in other words, an
African version of those histories of the war in Europe which boil it down into
the experience of the Western Front. Most of all, it is this version which defines
a classic 1980s traditional military history of the “Great War in Africa” and,
even more so, Edward Paice’s magisterial 2008 “World War I. The African
Front,” in which the story is virtually entirely that of East Africa, “the daily
horrors of an ill-fated campaign alongside tales of extraordinary courage.”4
At its centre is, of course, a further individual or personal war story, or a
microcosmic historical narrative of one kind or another. That is a continuing
preoccupation with the character and accomplishments of the potent commander of German forces in East Africa, General Paul Emil von LettowVorbeck, and his lengthy, drawn-out war of resistance against Allied forces
which was waged right across East and Central Africa. Ultimately, having done
little to cultivate willing support in the field from local African civilians, von
Lettow-Vorbeck may no longer be viewed – as completely as he once was – as a
consummate tactician of guerrilla warfare.
Yet, as a very recent appraisal again emphasises, he remains a mesmerising and
self-renewing European figure at the core of Africa’s colonial experience of the
World War. Still portrayed as the “Uncatchable Lizard,” von Lettow-Vorbeck’s
exploits included leading the only real German invasion of British territory
during the war, and fed his elevated status in “becoming the only undefeated
German commander of the First World War.” Always in defence and in retreat,
he was constantly hitting back and was never in disarray, leading from the
front. His daring achievements in slicing into British East Africa (Kenya),
British Nyasaland (Malawi) and British Northern Rhodesia (Zambia), made
Africa matter at the very moment that Germany’s territorial empire was
disappearing. In a sense, it provided a sort of compensatory history that
fulfilled exactly “the German need for a hero in the First World War.”5
3 Hew Strachan, The First World War in Africa, Oxford 2004; David Killingray, The War in
Africa, in: Hew Strachan (ed.), The Oxford Illustrated History of the First World War,
Oxford 1998, pp. 191 – 212; Melvin E. Page (ed.), Africa and the First World War, New
York 1987.
4 Byron Farwell, The Great War in Africa, 1914 – 1918, New York 1986; Edward Paice,
World War I. The African Front. An Imperial War on the African Continent, New York
2008.
5 Dan Whitaker, “The Uncatchable Lizard”, in: History Today 63. 2013, pp. 29 – 35. For
how African soldiers of his army endured his heroism, see Michelle Moyd, “We Don’t
162
Bill Nasson
In turn, that outcome inserted a compelling story of its African war effort into
German consciousness. For, after 1918, von Lettow-Vorbeck became connected with the creation in domestic war memory of a distant martial folklore,
myth and patriotic saga, as “Germany’s military resistance in Africa was
interpreted by the inter-war nationalist press as another instance of an army
undefeated” before becoming the victim of a spineless home front which
“forced the soldiers to capitulate.”6 Stubbornly defiant in defence of Berlin’s
last colonial possession, von Lettow-Vorbeck, too, had been brought down by
that notorious stab in the back, as the Ludendorff of Tanganyika, in a manner
of speaking.
There is, then, one distinctive way in which the war in sub-Saharan Africa has
come to be carried imaginatively on the back of a determined and ruthless
General Paul von Lettow-Vorbeck, as the commander who came closest to
keeping “for the Hun, a place in the sun.”7 Or, perhaps, as the enemy who came
closest to turning that popular mocking Allied soldiers’ song back on those
who were singing it. But there are other dimensions to the war on this
continent, possibly less obvious, that are worth some consideration here. For
instance, there was the anomaly of Africa’s setting – a European imperial war
would disturb it in 1914, even though it was far from being in the balance in the
imperial system as a place of overlapping claims among jostling Great Powers.
After all, with the region divided by common consent between Britain, France,
Germany, Belgium and Portugal, by 1913 any lingering minor colonial
territorial disputes had died down more or less completely, and were no source
of friction between countries. As recently as 1911, Britain’s Foreign Secretary,
Sir Edward Grey, had remarked that it was of little concern to the British if their
African colonial neighbour was Germany or France. On the issue of easy coexistence, Grey was not even averse to some vague future arrangement in
which Portugal’s African colonies, regarded with contempt as “derelict,” could
be divided up between London and Berlin and shared out “in a pro-German
spirit.”8 And if there was some loose talk on the European mainland of an
expanded Mittelafrika to which the Belgian Congo posed an obstacle, it
remained little more than some circumspect speculation.9
If that is where colonial empire in Africa was going, there is certainly much to
be said for Bernard Porter’s argument that in 1914 Britain did not go to war
with Germany “to get more colonies,” as there was “little to tempt her” in
6
7
8
9
Want to Die for Nothing.” Askari at War in German East Africa, 1914 – 1918, in: Santanu
Das (ed.), Race, Empire and First World War Writing, Cambridge 2011, pp. 53 – 76.
Sebastian Conrad, German Colonialism. A Short History, Cambridge 2012, p. 187.
Sam Naishtad, The Great War Parodies on the East, Central African and Flanders
Campaigns, n. p. 1917 (privately published), p. 11.
Niall Ferguson, The Pity of War, 1914 – 1918, London 1999, p. 68.
See Dirk van Laak, Über alles in der Welt. Deutscher Imperialismus im 19. und
20. Jahrhundert, Munich 2005.
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Sub-Saharan Africa in the First World War
163
Berlin’s West African possessions of Kamerun and Togo, in South West Africa
and in East Africa. Despite optimistic contemporary publicity about the value
of the German Empire’s agricultural assets and commercial potential, in total
its four colonies “had not made money since they became German colonies,
and did not look like doing so.”10 At the same time, the rich mineral holdings
and agricultural products of British and French colonial empires may have
looked very tempting to a Germany that had been unable to get its teeth into
Africa’s most valuable sub-tropical regions.
Yet, by 1914, any further territorial gains had slipped far beyond its reach, for
Berlin’s colonial armed resources stood no chance of matching that of Britain
or France or, for that matter, of even Belgium with its large Congo colonial
army, the aggressive Force publique. Although being subject to “Allied
propaganda of German militarism,” Germany was in no position to challenge
any of its imperial rivals in Africa, as “all of her colonial forces were relatively
small and only lightly armed.”11 There was, moreover, in any event no deep
urge for local territorial gains. To be sure, there were dreams, such as Berlin’s
wishful desire before 1914 to expand German South West Africa northwards,
squeezing the weak and incompetent Portuguese out of the southern portion of
their West Africa empire (Angola). But dreams they remained. The paradox of
Germany’s colonial position was that although its African possessions were
clearly part of the Kaiserreich, for its ethos and its national self-image its “own
colonies were less important to it” than in the case of France and especially
Britain, for whom overseas colonial linkages were “more intense and more
important.”12
The war came at a fluctuating time. For in 1914, European powers were still
consolidating their colonial control and entrenching their authority after the
enormous upheavals and violence of the previous decades brought about by
the “Scramble for Africa.” For its part, Lisbon did virtually nothing with
Portuguese East Africa (Mozambique) and West Africa, barely able to impose
its authority over their African inhabitants, and unable to persuade Portuguese
emigrants to switch from Brazil to Africa. Given that halting background, it is
worth noting that as the region continued to be restive and intermittently
rebellious, imperial states had previously taken care not to drag Africa into
wider disputes over global interests. But that resolution to tread carefully
evaporated in 1914. In a decisive world contest between imperial powers,
“immediately colonial territories in Africa were drawn into World War I
because they were ruled by European powers.”13
10 Bernard Porter, The Lion’s Share. A Short History of British Imperialism, 1850 – 2004,
Harlow 2004, pp. 227 f.
11 Killingray, War in Africa, p. 114.
12 Conrad, German Colonialism, p. 185.
13 Killingray, War in Africa, p. 112.
164
Bill Nasson
In effect, it was not so much a question of war being launched with the wider
imperial objective of dispossessing colonial rivals. Ultimately, that capability
lay only with Britain and France. It was more a case of an opportunity being
presented in that the “the occasion of the war” provided the British with an
irresistible chance to get their hands on more of Africa.14 Paris, too, would have
been looking to add Germany’s two West African colonies to further integrate
its west and central African empire. In the far southwest, if more by underlying
design than by circumstantial accident, the leadership of Britain’s newest white
settler dominion, the Union of South Africa, formed in 1910, had its eye on an
extension of its northern boundaries. For Pretoria, the absorption of German
South West Africa represented a phase in its geopolitical destiny to lay the
foundations of a cherished “Greater Union” in the aftermath of 1910.15
Beyond that, if Africa was a distant windpipe for warring European states, it
mattered mainly because of its strategic location and its resources that could be
extracted by colonial powers. A textbook illustration of the advantage of Africa
was provided by the French. Once stalemate gripped the Western Front by the
autumn of 1914, France’s war looked set to be long and likely to be sustained on
an increasingly precarious basis. In Europe, West African and North African
colonial troops and agricultural produce “helped to restore the balance” with
the central powers.16 The African colonies became an antidote in particular to
France’s demographic inferiority next to Germany as riflemen from French
equatorial Africa were defending France itself in the trenches between 1915
and 1918.
Another and much larger part of the equation lay with Britain and its key sea
lanes to the east. There, Cape Town was a vital hub, along with the Royal Navycontrolled naval base of Simon’s Town. If Britain – and France – faced any sort
of threat from Germany’s colonies it was that they were all coastal and therefore
represented a strategic challenge to Allied domination of the sea routes to,
from and around Africa. Communications with, and provisioning of, German
commerce raiders and other vessels made the shores of Togo or German South
West Africa potentially menacing places. In East Africa and on the huge lakes
of Central Africa, Germany had a cruiser and a gunboat presence which were
worrying prospects for Britain’s Indian Ocean shipping and its command of
the major inland waterways. In reality, there was nothing very much on the
horizon in 1914 to endanger British-controlled harbours at Freetown in West
Africa or at Kilindini in East Africa. But their colonial rival’s hold on ports,
harbour facilities, waterways, shore depots and radio stations was a risk that
had to be removed.
14 Porter, Lion’s Share, p. 225.
15 See Ronald Hyam, The Failure of South African Expansion, 1908 – 1948, London 1972.
16 Martin Thomas, The French Empire at War, 1940 – 1945, Manchester 1998, p. 10.
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Sub-Saharan Africa in the First World War
165
The Allied decision to seize what Germany had, ended any idea of an African
neutrality. But conditions for an imperial war of this kind in Africa were by no
means straightforward. For the way in which people reacted to the conflict or
embraced it was characterised by all manner of uncertainties, ambiguities and
unpredictabilities. Thus, while European politicians may not have paused in
their enthusiasm for taking the continent to war, the same could not be
necessarily be said of many of those actually on the spot – their own higher
officials, administrators, soldiers, white colonists and, of course, the great
mass of African subjects.
I. Ambiguity, Indifference, Illusions and Delusions
What was the war, and where was it? In the first place, it never drew in Africa as
a whole. In West Africa, the British Gold Coast Regiment and rifle contingents
of tirailleurs from neighbouring French colonies were parading in readiness at
the end of July, ahead of the declaration of war in Europe. Closing in on the
borders of Togo, no time was lost in getting hostilities underway. Yet, the
continent’s massive size meant that warfare failed to leave any imprint on
much of its land and on the minds of many of its inhabitants. Indeed, in deep
parts of both tropical and sub-tropical interior heartlands, the impact of a
World War was virtually imperceptible, literally a world away from the total
war which developed in Europe. It was not that the war brought little trouble
for some rural Africans. There was, probably, virtually no disruption at all for
the lives of more isolated and unconnected rural communities. Here, the
routine experience of colonial control and its enforced obligations – tax
collection, for instance – remained more or less unchanged between 1914 and
1918.17 And if the wartime years brought import shortages and price increases,
for some these were more customary than unusual. Given the chronic fragility
of local ecological systems and the instability of agrarian supply networks,
years of erratic consumption were as normal as the seasons.
Africa was more pock-marked than engulfed by a conflict that was spaced out
in its impact on daily life. To be sure, millions of ordinary Africans felt what it
was to be directly on a major war footing – forced labour, requisitioning of
their crops and livestock, military conscription, and the enforced cultivation of
particular crops dictated by European war needs. For hundreds of thousands of
others, perhaps the most overpowering impact of the World War was the shock
of enduring it not in a familiar African environment but in Europe. For colonial
conscripts from French West Africa, uprooted and forced to cross the Atlantic
to fight in metropolitan France, the war was an especially alarming watershed
moment. For some, the experience of being shipped off to the unknown
awakened deep inherited memories of the feared Middle Passage of voyages
17 Richard J. Reid, A History of Modern Africa. 1800 to the Present, Oxford 2009, p. 191.
166
Bill Nasson
into slavery. In taking men for the defence of the French homeland, “the war
caused the largest movement of Africans from their home continent since the
Trans-Atlantic Slave Trade.”18
At the same time, though, slow-moving peasant villages far outside the orbit of
military activities would also have been left quite untouched. As a British
missionary reported of an encounter with several Christian converts in the far
west of Northern Rhodesia late in 1916, they had asked about “a faraway” and
“cruel war” which villagers had heard was being fought in Europe, and now
wished to pray for its many dead souls.19
The penetration of the war was, therefore, always highly uneven, for it did not
bite everywhere. Where it did – as in those large eastern and central regions
which were consumed most directly by the conflict – the result was harrowing
conditions of disease, exposure and malnutrition, contributing heavily to what
a leading authority on the East African theatre has called a “colossal butcher’s
bill.” This was an official death toll which exceeded “America’s total war dead
in the Great War,” with an unknown true figure that may have been as much as
double the recorded count of over 100,000 men from all British imperial
combat contingents and support units.20 That said, the experiences and
perceptions of warfare were not shaped by battlefield carnage on the scale of
anything like the Somme.
Here, battles which were prepared and ordered were few, short, and involved
comparatively small numbers. More generally, the Allied campaigns to seize
Togo and Kamerun were not actions in which sides lost heavily. The human
cost at the end in July 1915 of South Africa’s short invasion and conquest of
German South West Africa was a combined death toll in action of a few
hundred soldiers.
That relatively light cost may have been a factor in encouraging the Windhoek
press to reassure Germany’s colonists that the Union’s victorious Afrikaner
troops were “neither Russian barbarians nor undisciplined French, but are
men of the same Teutonic extraction as ourselves.”21 Such a resolution was not
completely accidental. Simply put, the African battlegrounds of the First World
War were “less murderous” than on “Europe’s Western Front or Eastern
Front.”22 Apart from anything else, the formidable difficulties of terrain,
climate, supply and movement produced offensives in which front-line
18 Timothy Stapleton, The Impact of the First World War on African People, in: John
Laband (ed.), Daily Lives of Civilians in Wartime Africa. From Slavery Days to Rwandan
Genocide, Pietermaritzburg 2007, pp. 124 – 148, here p. 130.
19 Bulawayo Chronicle, 19. 11. 1916, p. 6.
20 Paice, World War I, p. 3.
21 Deneys Reitz, Trekking On, London 1933, p. 101.
22 Philip Murphy, Britain as a Global Power in the Twentieth Century, in: Andrew
Thompson (ed.), Britain’s Experience of Empire in the Twentieth Century, Oxford 2012,
pp. 33 – 75, here p. 38.
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Sub-Saharan Africa in the First World War
167
operations rarely involved enemies lining up in mass for lengthy and deadly
exchanges of heavy firepower.
Of course, even before the discharging of any guns, Africa hardly resembled a
convincing theatre of intensive large-scale war. France had only about 20,000
troops in its west and equatorial African colonies, while in the later 1900s
Britain had “a little more than 11,000 soldiers,” controlled by no more than
“300 officers and NCOs.”23 Germany was left well to the rear, appearing welldrilled but defensively weak. For instance, Togo’s defences consisted of a small
paramilitary force of a few hundred Schutztruppen, while Kamerun was held
by a mere handful of Schutztruppen companies, backed by about 1,600 African
troops. For their part, Belgium and Portugal had standing forces of poor
quality. The latter in any case spent much of its time waging war not against
Germany (which declared war on Lisbon early in 1916) but against Africans
who defied its colonial authority.
These colonial army units – along with paramilitary and ordinary police forces
– had been brought up on maintaining internal order and enforcement of the
tribute and disciplinary demands of colonial civil administration. In all, they
scarcely amounted to a serious mobilisation of military power. For with no
envisaged role in external offensives or in repelling enemy invaders, colonial
forces looked an unlikely springboard for any launching of expansive war
operations.
In fact, a basic urge to try to keep Africa out of the war was evident at many
levels. Given the massive odds against them, that impulse was especially strong
in German ranks. Not sharing the belligerence of his newly-arrived army
commander, von Lettow-Vorbeck, Dr Heinrich Schnee, Germany’s East Africa
governor, favoured the creation of a regional neutrality, extending an olive
branch to the British by trying to have the capital of Dar es Salaam and the port
of Tanga declared as open free towns. On the opposite coast, Major Kurt von
Doering, acting governor of the tiny Togo, tried to get the British and the
French to agree to an armistice to keep the peace and preserve the territory’s
neutrality. As he remarked anxiously to the governor of Britain’s Gold Coast,
Sir Hugh Clifford, the alternative of battle would expose Africans to the
undesirable spectacle of Europeans fighting each other. Whatever their
“rivalry,” it was “absolutely necessary to guard” against any undermining “of
their common position.”24 Who knew how disastrous the consequences for
white prestige and authority might then be?
To the immediate northwest of Britain’s newest white settler dominion, the
Union of South Africa, German South West Africa’s governor, Theodor Seitz,
and his senior officials avoided any show of arms in order not to provoke any
South African aggression. Naturally, the colony would be defended against any
23 Reid, Modern Africa, p. 187.
24 The Great War Approaches West Africa, in: The Great War 36. 1914, pp. 14 f., here p. 14.
168
Bill Nasson
invasion, but the preference was for sitting out the war until the future of the
Kaiserreich was secured by military victory in Europe.25 In fact, two decades
earlier, the Kaiser had agreed that in the event of a war with Britain, South West
Africa would be relinquished in order for Germany to concentrate its efforts on
holding on in East Africa.
Nor were such peaceable inclinations confined to local Germans. In similar
fashion, the governor of Britain’s East African Protectorate, Sir Henry Belfield,
who seemed to be more interested in catching deep water game fish than in
capturing the Dar es Salaam wireless station, declared that “the present war
was of no interest to British East Africa.”26 The reluctance – and forebodings –
of Belfield, Schnee and others like them would be brushed off by their
respective governments. But they may serve to remind us of those European
imperialists far from home who, content with maintaining the colonial status
quo, saw no real need for armed European rivalries to transcend European
boundaries.
Meanwhile, there were other kinds of scepticism or indifference towards the
notion of a general war – or at least one of a modern kind. Given a disabling
environment of bad or inadequate roads, primitive railway provision and
rivers with fluctuating water levels that made navigation tricky, “the last thing”
imaginable was “European enemies” embarking on war, declared one
Southern Rhodesian newspaper correspondent.27 In the satirical “An IceCream War,” his memorable 1980s black comedy about the war in East Africa,
its author, the leading English novelist William Boyd, captures something of
this disbelieving mood in a delicious early exchange between characters. On a
sisal plantation close to the border of German East Africa in June 1914, its
owner, an American farmer named Temple Smith, laughs incredulously at the
reaction to a story from his excited young son. “A big battleship and lots of
soldiers” had been spotted during a trip down to the coast. “Soldiers,” his son,
Glenway, announces, “Are they going to fight in a war? […] A war?” repeats a
mocking Temple Smith, “don’t be silly, Glenway. There isn’t going to be a war.
Well, at least not here in Africa, anyways.”28 While people may have been
shooting off their mouths in the middle of 1914, a steamy and unhealthy
climate made the sustaining of war quite unrealistic.
As if to show the world of historical reality corresponding to the world of
literary fiction, elsewhere in the novel Boyd turns to a letter from Francis
Harold Burgess, a British soldier in the East African Railway Volunteer Force.
Writing to his sister at the beginning of October 1914, Burgess informed her
that they might have been caught asleep in bed had the enemy in German East
25 See Richard Hennig, Deutsch-Südwest im Weltkriege, Berlin 1920, p. 39.
26 Bill Nasson, Springboks on the Somme. South Africa in the Great War, 1914 – 1918,
Johannesburg 2007, p. 90.
27 Rhodesia Herald, 15. 8. 1914, p. 8.
28 William Boyd, An Ice-Cream War, London 1983, p. 42.
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Sub-Saharan Africa in the First World War
169
Africa “weighed in at once.” Instead, while “all the nations of Europe” had
become crazed by war fever and were “flying at each other’s throats,” the pace
of events in East Africa remained slow, moving along only “quietly.” Indeed,
not much was expected, Burgess assured his sister. They had been informed by
an officer that “the war here will only last two months. It is far too hot for
sustained fighting, he says, for we will all melt like ice-cream in the sun.”29 He
was by no means alone in that sunny conclusion. Two months earlier,
Brigadier-General Reginald Hoskins, an experienced local British commander,
had suggested that East Africa seemed an improbable arena for sustained
hostilities, especially in its unhealthiest low-lying areas. On top of the deadly
threat of the tsetse fly to draught horses and cattle, “malaria, stifling heat and
oppressive humidity” would quickly bring military operations to a standstill.30
To some of the youthful middle-class volunteers of South Africa’s elite white
college schools, it was equally obvious in 1914 that war in Africa was not the
war for which they were eager to enlist. Responding to an early call from their
country’s minister of defence, Jan Smuts, for the raising of volunteer divisions
for defence, there was apprehension about being “stuck” or in having to
“vegetate” in garrison duties instead of “boarding the first steamer for the
battlefields of the European front.”31 Those were the yardstick by which the war
was to be judged. Any African campaign would be another “unglorious” or
“undemanding” “bush” expedition of a familiar colonial type.
For others, worse was the fear that even that might be missed, as “getting in
against the Huns in Africa” would be “a job completed in the blink of an eye,
before we ourselves could even get going.”32 In 1914, Europeans on the
continent were certainly not without their own short war illusions. And if the
long war which came was the nightmare of the East African theatre, there were
combatants stuck in it who clung to another otherwise faded illusion, that of a
romantic European war of clean manly fighting. “Ah, I wish to hell I was in
France,” concluded one frustrated soldier, “there, one lives like a gentleman
and dies like a man, here one lives like a pig and dies like a dog.”33
The loose character of colonial borders or boundaries were another influential
factor in complicating the nature of the war in numerous parts of the
continent. It was not merely that for African societies the political frontiers
imposed by imperial powers were often artificial or arbitrary, invariably taking
scant account of the customary demarcations of culture, language and
ethnicity. It was more the institutional weakness of colonial Africa’s borders,
their political irrelevance or even impotence – in 1914 they were not rigid lines
behind which defined separate identities had hardened. There were, rather,
29
30
31
32
33
Ibid., Prologue.
Nasson, Springboks, p. 91.
The Selbornian 2. 1915, p. 17.
Diocesan College Magazine 9. 1914, no. 18, p. 24.
Angus Buchanan, Three Years of War in East Africa, London 1919, p. xvi.
170
Bill Nasson
signs of another spirit among not only Africans but also white settlers. For
William Boyd’s character, Temple Smith, “across the border in German East”
was a territorial step which he recognised only faintly and infrequently, least of
all on those days in trains or on the road when he had travelled earlier along
“the other side.”34 For Temple Smith and his half-German and half-English
neighbour, Erich von Bishop, whose respective farms in the Kilimanjaro region
were separated by only a few miles and a barely-acknowledged British-German
border, the Kaiserhof hotel in Dar es Salaam and the Norfolk hotel in Nairobi
were virtually indistinguishable as shared weekend drinking places.
Circumstances and developments were much the same across some other
bordering territories. South Africa’s northern Cape frontier zone with German
South West Africa was criss-crossed by close commercial, kinship and other
fraternal ties and exchanges between German colonists and instinctively antiBritish imperial rural Afrikaners just south of the Orange river. Indeed, in wild
regions such as Gordonia, “English silver was rarely seen,” for there “German
money had long been the common currency.”35 Moreover, South West Africa
was home to a diaspora community of several hundred Afrikaner settlers,
many of them Anglo-Boer War veteran die-hards or bittereinders who had
crossed the Orange at the end of that war in May 1902 to establish themselves
on German colonial soil rather than submit to a post-war existence under a
hated British Crown. Formed as an armed Afrikaner Vrijkorps, some made
common cause with their German hosts at the outbreak of war, and “wriggled”
about along the border.36
Colonial frontiers in West Africa were also extremely porous. Borders between
Kamerun and French Equatorial Africa or between Togo and the Gold Coast
were precociously mixed places which sustained a wide range of ties binding
together inhabitants of varied colonial status and residence – cash trade, barter
exchanges, seasonal labour migration, skilled artisan services and even whitecollar tasks in which a travelling French accountant might assist a German
proprietor with book-keeping.
The open-handed atmosphere of these free and intermingling daily relations
between neighbouring white settlers was evoked in a vivid and fascinating way
by the French film director, Jean-Jacques Annaud, in his 1976 anti-militarist
war comedy, “Noirs et blanc en couleur,” a satirical depiction of French and
German frontier colonists. Annaud’s imaginative historical context appears to
have been provided by the Kamerun campaign of 1914 to 1916. There, about
1,000 Schutztruppen and eventually around 6,000 African troops under Major
Karl Zimmermann resisted an Allied invasion by much larger British and
French (and later Belgian) forces which poured in from surrounding hostile
34 Boyd, Ice-Cream War, p. 13.
35 Tim Couzens, South African Battles, Johannesburg 2013, p. 345.
36 Nasson, Springboks, p. 48.
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Sub-Saharan Africa in the First World War
171
territories. Karl Ebermeier, Kamerun’s governor, fought a defensive action
with a simple strategic plan which involved the abandonment of vulnerable
coastal ports, securing of the colony’s more defensible forested and mountainous northern and southern interior plateau, and strict centralised control
of the economy, with food rationing and the local manufacture of essential
commodities, including munitions.
A form of wartime autarky, Ebermeier bargained on it keeping Kamerun going
to enable his forces to maintain some territorial control until the coming of
what he imagined would be a speedy and complete German victory in
Europe.37 In the event, what materialised was a drawn-out, sprawling contest
for the colony which crawled on until February 1916 when the last of the
German defenders, isolated and trapped in forts far to the north, eventually
surrendered. Low-key and swaying backwards and forwards constantly, the
battle for Kamerun “spluttered” or “stuttered” to an end.38
Inhabiting a miniature and remote French-German Kamerun borderland, the
mostly eccentric and self-indulgent civilian colonists of “Noirs et blanc en
coleur” stumble through Annaud’s film. In an isolated spot somewhere far in
the northern interior, French and German settlers from settlements on
opposite sides of a muddy river go about their shared daily activities. They sell
or barter goods, they climb into one another’s beds for sex, they get together
for weddings, they lend and borrow when they are short of things, and they
grumble together over mutual problems with African labourers and servants
considered to be lazy or disrespectful. Without telegraph links, newspapers,
and with a postal service that appears to have forgotten about their existence,
they are entirely cut off from news and events.
Then, there is an unexpected finding of a packet of newspapers from France.
Several months old and in poor condition, they would have been thrown away
but for the shock of their front-pages. The settlers are startled to discover that
war had broken out and, as it was now close to the end of 1914, France and
Germany had been at war for months. Consternation is followed by confusion.
Their countries had gone to war in Europe, while they had been living
peacefully in ignorance in West Africa. Were their German neighbours their
enemies? Although unsure of exactly why hostilities had broken out, should
they not, as national patriots, join the war themselves? Among the French,
there is some uncertainty and hesitation, even bewilderment, about having
been swept into a local crisis by baffling events so far away. Dutifully, both
groups of Europeans withdraw to their respective sides of a colonial border
that has now suddenly assumed a real – and unfriendly – existence.
37 See Killingray, War in Africa, pp. 116 – 118.
38 Gisela Graichen and Horst Gründer, Deutsche Kolonien. Traum und Trauma, Hamburg
2007, p. 323.
172
Bill Nasson
Trading, sexual favours and other routine cross-border transactions are swiftly
ended. Somewhat reluctantly, French and German civilians re-establish
themselves as armed forces and commence light hostilities, hampered by
various shortages. Exchanging blows, adversaries conduct an inept skirmishing war, weaving about over dusty hills and along the edges of forests and
riverbanks. Although there are few casualties, the consequence of conducting
it as a “white man’s war” is that Europeans do the dying. Mindful of the high
value of their own lives, the French economise on losses by conscripting
unwilling local Africans to undertake much of the fighting.39
As a visual representation of an aspect of the war in West Africa, Annaud’s
“Noirs et blanc en coleur” is, obviously, a subversive tableau, a comic
melodrama of ineffectual white settlers who find themselves waging a feeble
war following a surprised and confused adjustment to circumstances not of
their making. Yet it is also, perhaps, a suggestive paradigm through which to
view the World War in Africa, as a transplant that did not take very easily, or
which had to deal all the time with surrounding difficulties. Naturally, those
came mostly from the reactions of ordinary Africans, whether as war
spectators or as its participants.
II. Alienation and Disaffection
Among many Africans themselves, opposition to involvement in the war was a
heterogeneous and incoherent phenomenon, highly dependent on place and
exceptionally wide and varied local experience. What united them was not
really any fully-formed pacifism, but rather an instinctive repudiation of an
incomprehensible overseas conflict to which it appeared impossible to relate
and whose burdensome demands became increasingly detested.
Some of the most vociferous anti-war dissent was very much an ironic product
of the influence of mission Christianity, a case of African followers having
taken teachings about loving one’s neighbour and turning the other cheek
rather too much to heart. Self-consciously ironic, not to say even mocking, was
the tone adopted in South Africa in September 1914 by the Xhosa Christian
educationist, D. D. T. Jabavu. African people, he ventured, had “been taken by
surprise” by the crisis, “that the European nations who led in education and
Christianity should find no other means than the sword and accumulated
destructive weapons to settle their differences.”40
39 Bill Nasson, Cheap if not always Cheerful. French West Africa in the World Wars in
“Black and White in Colour” and “Le camp de Thiaroye”, in: Vivian Bickford-Smith and
Richard Mendelsohn (eds.), Black and White in Colour. African History on Film, Oxford
2006, pp. 148 – 166.
40 Imvo Zabantsundu, 8. 9. 1914.
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Sub-Saharan Africa in the First World War
173
Elsewhere across the continent were scattered signs of religious groups urging
people to turn their backs upon an alien war. For instance, in British West
African territories such as the Gold Coast and Nigeria, independent African
Christian movements flared up in full cry against the conflict, calling on their
followings to bear witness in prayer against Europeans involving Africans in
their domestic quarrels which belonged overseas.41 Moving towards a psychic
spiritual secession from a wartime world that was closing in, these flickering
yet passionate rural outpourings could also take on a millenarian colour. For
their defining of the war as a curse was to invoke the coming of an apocalyptic
moment.
After all, from August 1914 it did seem that Europe as the deliverer to Africa of
modern progress and civilisation was no longer able to deliver. Instead, having
started to destroy itself, those in Africa who had been under the spell of its
values and beliefs were now actually in need of being delivered from Europe.
Across an enormous tract of territory from Northern Rhodesia across and up
to Nigeria and the Gold Coast, a parade of noisy preachers not only expressed
themselves through familiar biblical cadences, but defined themselves in those
terms, as the carriers of revelation. For those within earshot of their rantings,
the message was of an immediate moral imperative to disown a civilisation
damned by having given birth to a spreading and ungodly war.
What remained was for Africans to prepare themselves to embrace the death
throes of a white colonial presence.42 Its small administrative establishment
might perhaps also have confirmed the faithful in more fervent beliefs of this
kind. For, beyond the coasts of British or French coastal colonies and outside of
a more thickly-settled southern Africa, European population clusters were
thin, anyway. As the plague of a war-infected European rule receded with the
imminent passing of a sinful world, it remained only to welcome the second
coming of Christ. Such was one verdict, or prophecy, of those who reacted to
the coming of war by forming pockets of internal exile, steeped in a bombastic
religiosity.
Others did not harbour wild expectations that as a cataclysm the war would
turn their world upside down. In southern Africa, for example, theirs was a
different sort of exile, that of a quietly insolent withdrawal from being part of a
British war, while signalling friendly feelings towards its imperial enemy.
Varied observers became dissenters, at times cheeky in their expression of
dissent.
Thus, in 1915 Chief Mhlolo Mvuso Matanzima Mtirara from the Transkei in
South Africa named a new-born son Kaiser in a sneaky celebration of Xhosa41 For West Africa, see Michael Crowder and Jide Osuntokun, The First World War and
West Africa, 1914 – 1918, in: Jacob F. Ade Ajayi and Michael Crowder (eds.), History of
West Africa, vol. 2, London 1974, pp. 484 – 513.
42 See, for instance, George Shepperson and Thomas Price, Independent African. John
Chilembwe and the Nyasaland Native Uprising of 1915, Edinburgh 1967.
174
Bill Nasson
German fraternity.43 To the south, along the country’s west coast, there were
Afrikaner as well as Coloured fishermen who renamed their boats Kaiser,
Bismarck and Berlin, perhaps hoping for a friendly encounter with the German
navy in the South Atlantic.44
Elsewhere, on the industrial Witwatersrand, the black working class included
mineworkers, industrial operatives and male domestic servants who had
learned by experience to associate English owners and English masters with
low wages, poor working conditions and authoritarian ways, rather than the
rights, liberties and freedoms which featured so prominently in pro-war
propaganda. Instinctively, some among them were cheered by European news
of German advances against the Allies. On the mines there was, according to
one upset press observer, even “clapping” and “virtual gloating” from a band
of African workers who had become excited by talk of the likely fall of Paris.45
Meanwhile, in rural localities far away from the industrial heartlands,
incoming stories of the war or fragments of battle news about Germans on the
move – in Europe or in Africa – circulated through communities which were
often no more than semi-literate at most. Digested through a lining of rumours
and hazy perceptions, they could exercise a fairly eccentric mental grip. Near
the town of Ladybrand, for instance, deep in the interior countryside of South
Africa, several white railway workers were interned in December 1914 for
appealing to fellow Afrikaners to prepare food stocks and extra bedding to
house invading German soldiers in their homes.
Others ignored the local animosities of a war which they did not consider to be
their cause. In Cape Town, not everyone approved of the rounding up and
internment in detention camps of Germans as enemy aliens.46 When the
pregnant wives of small communities of German farmers in the western Cape
found themselves in difficulty at childbirth because trained English-speaking
midwives refused to provide bedside services at home, there was an alternative.
It was provided by casual, self-trained amateur midwives, known colloquially
as “gamps.” Mostly Afrikaner or Afrikaans-speaking Coloured women, their
wartime behaviour was remembered many decades later by a former Coloured
nurse. “As far as we were concerned,” she recalled in the early 1970s, “money
was money.” A war may have started, “but we weren’t fighting these German
people, and anyway German money was the same as anybody else’s money.”
As to the position of “the Boer women” who were “known to be gamps,” it
appeared to have been perfectly obvious. “All of their people” had “only
recently had a horrible time in the Boer War,” so they “certainly had no time for
more nonsense then, making trouble around foreign people, especially as it
43
44
45
46
Umtata Herald, 13. 5. 1915, p. 9.
Robertson and Montagu News, 21. 9. 1914, p. 5.
Diamond Fields Advertiser, 2. 5. 1915, p. 4.
Vivian Bickford-Smith et al., Cape Town in the Twentieth Century, Cape Town 1999,
p. 50.
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175
was being brought on by the English.” It was, furthermore, “a plain fact” that as
“some of those Boer gamps” were “just about German anyway,” it “stood to
reason” that they “were happy to help the wives of those farmers, so they could
get care.”47
Other rural reactions struck a different and bigger spark. Along the
southeastern coast, Zulu peasant communities who had lost their lands after
colonial conquest pricked up their ears at news of Britain being at war with
Germany. Those most hopeful of a British defeat prepared themselves for the
arrival on the Natal coast of Germany’s High Seas fleet, including the
preparation of celebratory bonfires on seaside vantage points and the laying in
of beer. Again, this was a small ripple of millenarian emancipation from a
shrunken peasant world of thin soil and thin cattle, yearnings that a faraway
great war might help to restore past losses to English land-grabbing. In that
manner of thinking, once Britain fell and South Africa fell with it, the
ascendancy of a replacement German empire could provide a more charitable
order within which peasants might regain what was rightfully theirs. For once
the Germans arrived, something would be done to remedy the Africans’ main
grievance, the injustice of “land shortage.”48
In a more diffuse way, other parts of rural Natal as well as the Transvaal and the
Transkeian Territories of South Africa’s eastern Cape were criss-crossed by
prophetic African preachers, whose accosting of people at railway stations,
trading stores and other gathering places infuriated missionaries who
denounced them as “a bad breed of hypnotists … preying on the ignorant.”49
Carrying along small knots of listeners, for such bubbling men the outbreak of
hostilities was something to be seized on with a display of all-seeing eyes. By
breaking out when it did, the war promised a transcendent widening of
horizons at precisely a grim moment when those horizons were closing. For
1914 was a continuation of a hard cycle of heavy drought, land erosion and
mounting cattle losses. Already bleak circumstances were then made worse by
the effects of the war – although varied in impact, some pressed down hard on
insecure livelihoods. These included inflationary increases in the cost of basic
goods, a slump in the wool market, the abrupt calling in of debt by patriotic
white traders who were enlisting in the army, and the loss of seasonal jobs in
food and agricultural sectors which had previously been supplying Germany
with frozen meat, dried fruit and timber. Such shaky circumstances made
despairing peasants and migrant labourers more receptive to a war outlook
which brought an almost intangible kind of curious hunger – sightings of
47 Author personal interview, Nurse D. L. Maurice, Cape Town, November 1972.
48 Albert Grundlingh, Fighting Their Own War. South African Blacks and the First World
War, Johannesburg 1987, pp. 15 – 18.
49 Foreign Mission Chronicle of the Episcopal Church in Scotland 13. 1915, p. 26.
176
Bill Nasson
warships offshore on the Indian ocean, perhaps, or a troop train conveying
men to a port – as signs of a redemptive tide, washing in better times to come.
Accordingly, the withdrawal in late-1914 and early-1915 of rural garrisons
from Transkeian districts for service in the Union’s South West Africa
campaign and the depleting of rifle armouries and army storage depots also
served to encourage speculation and daydreaming. Here, as well as further
afield, there were Africans who had grown up on Moravian and Lutheran
mission stations. The touch of their German-run teaching and social activities
was still felt when 1914 arrived. Those with that early experience included
Solomon Plaatje, the founding secretary of the South African Native National
Congress (forerunner of the African National Congress) who had been raised
on a Berlin Missionary Society station. Staunchly pro-British and an Empire
loyalist, Plaatje was in London with a political deputation when war was
declared. Despite his patriotic support of the war he was, nonetheless, still
saddened when its declaration prevented him from undertaking a planned
sentimental trip to the Berlin Mission headquarters.50
For other rural Africans at home, meanwhile, the resonance of “German”
served to demystify the hold of British imperial power. For those geared
psychologically to the existence of Germans and of Germany’s distant actions,
applauding advances against “the English” and “the King,” became “a kind of
metaphor of resistance.”51 In territories shaken up by actual invasion and
conquest, such as German South West Africa, the interplay between colonial
African identities and German influences was both more colourful as well as
different in their social purpose. After 1915, Herero youths, some of whom
“had been drawn into the German military establishment both before and after
the war,” grew increasingly restive in the atmosphere of early South African
military occupation. Striving for opportunities to escape from the patriarchal
domination of their elders and to express their independence in an unsettled
Herero society, youths formed Otruppa bands, adopting “German-style
uniforms, […] singing German military songs, prayers” and other “military
aesthetics.”52 With its part in the World War ending, and with a new colonial
administration being installed, South West Africa’s young Herero men were
swayed by the symbols of a lost German domination. It was, aside from
anything else, an ironic sequel to a sub-imperial annexation undertaken on
behalf of the British war effort.
Elsewhere, in southern African towns and cities, there were recent European
immigrants who dismissed Britain’s war on the basis of a traumatic history of
50 Brian Willan, Sol Plaatje. A Biography, Johannesburg 1984, p. 168.
51 William Beinart and Colin Bundy, Hidden Struggles in Rural South Africa. Politics and
Popular Movements in the Transkei and Eastern Cape, 1890 – 1930, Johannesburg 1987,
p. 201.
52 Molly McCullers, “We Do it so That We Will Be Men.” Masculinity Politics in Colonial
Namibia, 1915 – 49, in: Journal of African History 52. 2011, pp. 43 – 62, here pp. 44 – 50.
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177
their own that they had carried along personally into Africa. Thus, Russian
Jewish settlers had little appetite for a British imperial war which involved
supporting the very Tsarist regime which had persecuted them. Another
haunting glimpse of opposition, also derived, ultimately, from outside, was
provided by Mohandas Gandhi. Although he had returned to India in July 1914
following his years campaigning against racial discrimination in South Africa,
Gandhi continued to cultivate his local Indian associates and liberal white
sympathisers. Writing to them three months into the conflict, he urged
followers to avoid any involvement in what was degenerating into “an
unimaginably brutal and despicable war.”53
Classic instances of actual pacifism, or of a universal anti-militarism, flared up
only among the tiniest white radical minorities, voiced by more recent skilled
working class migrants. Formed by dissidents in the more industrialised and
urbanised hinterland of southern Africa, little socialist bodies like the
Industrial Federation and the War on War League announced in 1914 that
workers “had no quarrel with Germans or Austrians,” and urged them “to
refrain from participating in this unjust war,” nothing other than the evil
product of “war mongering” by “great European financiers and capitalists.”54
By the end of 1914 such voices had been almost entirely silenced by censorship,
although white radical anti-war dissent was maintained by fringe societies
such as the South African Peace and Arbitration Society, through commemoration of the assassinated French socialist leader, Jean Jaurs. As a
“Martyr for Peace,” his pacifist internationalism struck a small note not only in
French but also in British Africa.55
III. Rebellion
Not all Africans who reacted against the conflict held their peace. Parts of the
continent were stirred by localised risings and rebellions against the war’s
most harsh impositions – mainly conscription, and the brutality with which it
was often enforced. Between 1915 and 1917 these included mobilised and
highly-organised pockets of armed resistance against French and British
colonial authorities in West Africa. Elsewhere, by 1915 British Nyasaland had
also become a volatile place as sweeping labour conscription had arrived early,
and losses in the early campaigning against von Lettow-Vorbeck’s counterattacking forces had been heavy and demoralising. There, a militant, fireeating evangelical Christian preacher, John Chilembwe, led a brief uprising
53 Milton Shain, The Roots of Antisemitism in South Africa, Charlottesville 1994, p. 172;
Peter Brock, Freedom from War. Nonsectarian Pacifism, 1875 – 1914, Toronto 1991,
p. 276.
54 War on War Gazette, 18. 9. 1914, p. 5.
55 International, 15. 9. 1915, p. 2.
178
Bill Nasson
against colonial authority, ready to be cut down, “to strike a blow and die” in
the belief that it might bring on a utopian new dawn of freedom for Africans.56
Two years later, intense anger at mounting tax demands and the forcible
recruitment of labourers for wartime construction works and carrier duties in
the East African campaign ignited rebellion in Portuguese southeast Africa.
Local chiefs in central Mozambique assembled almost 15,000 warriors and
launched what became known as the Makombe rising or rebellion, cheered on
by the pitiful ignorance of prophetic spirit mediums who used the cleansing
rituals of traditional medicine to reassure rebels that any bullets heading for
them would be turned into water.57 It was true that these confrontations had
some effect on the Allies’ African war effort; as one authority on the continent
in wartime has noted, “in all the colonies there were rebellions and resistance”
that inevitably “tied down troops that were required” for the more lengthy
offensives against the Germans, notably in East Africa but also in Kamerun.58
But it was even more the general ease with which wartime uprisings were put
down that is striking: Beyond fierce resistance against what the French, or the
Portuguese or the British were seizing, there was little with coherence or with a
sense of political purpose to sustain such movements. The fact that the extent
of Africans’ organised and armed defiance was limited may also have been due
to simple common perception and foresight. With fresh expeditionary
reinforcements being mobilised for war by colonial administrations, and
with increased numbers of European troops and loyal African auxiliaries on
the march, prospects for striking out at European authority could scarcely have
looked very promising.
Against this background of heightened vigilance, another inevitable failure
was the 1914 / 1915 Afrikaner rebellion, a doomed, utopian-inspired rising to
try to reclaim a mythical lost Eden of prosperity and freedom for white settlers
who had lost out in an imperial British South Africa. Without a shared popular
mandate for military action from its white Afrikaner-Anglo electorate in 1914,
the Union government’s launching of an unprovoked invasion of German
South West Africa carried the risk of creating a domestic crisis. Sure enough, it
provided the trigger for what has been characterised as “a desperate
rebellion.”59
Led by a few disloyal Afrikaner generals who had resigned from their army
command following the outbreak of war, around 11,000 rural rebels –
overwhelmingly poor and landless – took up arms and set out to overthrow the
56 Ian Linden and Jane Linden, John Chilembwe and the New Jerusalem, in: Journal of
African History 12. 1971, pp. 629 – 651, here p. 631; also, Shepperson and Price,
Independent African.
57 Malyn Newitt, A History of Mozambique, Bloomington, IN 1995, pp. 416 – 420.
58 Killingray, War in Africa, pp. 116 f.
59 Albert Grundlingh and Sandra Swart, Radelose Rebellie? Dinamika van die 1914 – 1915
Afrikanerebellie, Pretoria 2009.
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Sub-Saharan Africa in the First World War
179
government. In a thoroughly delusional state, marginalised rebel Afrikaners
who were variously anti-British imperialist, anti-Anglicised Union and
enthusiastically pro-German, hoped to turn the tide of the war in a direction
favourable to the realisation of their dream. That was of turning the clock back
to the pastoral, pre-industrial past of a Boer republican independence that had
been lost to Britain at the end of the Anglo-Boer War in 1902. Backwardlooking beliefs in a past of harmonious republican egalitarianism existed
mainly in the imagination.
For them, wartime had brought the opportunity for militant action “to
eliminate foreign political dominance and economic exploitation.”60 For those
determined converts to collaboration with the British Empire, the country’s
leaders, Louis Botha and Jan Smuts, it was an obstacle to be overcome before
they could get on with the war. With more than sufficient loyalist troops, the
rebellion was put down with little loss of life.
IV. Joining, Running and Inventing
When it came to the risking of life, or the offering of bodies for war service,
sub-Saharan Africa undoubtedly had its share of willing recruits or consenting
conscripts. For some younger men, desperate to free themselves from the
domination of village patriarchs, soldiering participation in the war promised
travel, adventure and steady if cheap wage employment. Others in French
colonies joined to gain the status that came with arms, looking to bring back
the masculine prestige of a warrior identity that had been lost after colonial
conquest.61 Portugal’s enlistment of African auxiliaries in Mozambique
included men attracted not only by pay but also by the personal right to
indulge in large-scale plunder, including the carrying off of rebel women and
children into virtual slavery.62 Occurring in 1917, “a long and drawn-out
nightmare for the Portuguese in Africa,” this episode has been described as
“the last great slave campaign in Africa.”63
At the same time, there was some support for war service from small, educated
and Westernised African elites, especially in South Africa, for whom patriotic
motivation and British Empire duty had real resonance, as did hopes that a
60 S. E. Katzellenbogen, Southern Africa and the War of 1914 – 18, in: Michael R. D. Foot
(ed.), War and Society, London 1973, pp. 103 – 128, here p. 117.
61 See Joe Lunn, Memoirs of the Maelstrom. A Senegalese Oral History of the First World
War, Oxford 1999; Myron Echenberg, Colonial Conscripts. The “Tirailleurs Senegalais”
in French West Africa, 1857 – 1960, Portsmouth 1991.
62 Ren Plissier, Les campagnes coloniales du Portugal, 1844 – 1918, Paris 2004,
pp. 287 – 289.
63 Filipe Ribeiro de Meneses, The Portuguese Empire, in: Robert Gerwarth and Erez
Manela (eds.), Empires at War, 1911 – 1923, Oxford [2014], pp.179 – 196, here p. 189.
180
Bill Nasson
spirit of voluntary service would be rewarded with a less racially discriminatory political and civic order. As one African newspaper put it, the war was a
route to proper recognition and acceptance into citizenship, for by becoming
“part of the Defence Forces of the Empire and Union,” Africans could show
that their interests were “in common with the white people.”64 A sense of cause
was also reflected among the motivated white settlers who joined up, mostly
early volunteers who went willingly to war either in local colonial campaigns or
in Europe. Africa’s Europeans were under no compulsion to fight, and in that
sense they did not have to go to war. For those who did, alongside patriotism –
a commitment to the defence of their European nationhood – there were social,
economic and psychological impulses, similar to those influencing men in
settler societies elsewhere, which would have propelled them into war service.
At the same time, an enormous number of ordinary Africans responded to
recruitment for an imposed and marginal war by running away. Harried by
relentless rural conscription drives, many French West Africans turned to
mass flight across colonial borders into territories which provided comparative sanctuary from the most feared wartime dangers. Thus, between 1915 and
1917, tens of thousands of potential conscripts from French regions like the
Cte d’Ivoire and Dahomey fled to the Gold Coast and other neighbouring
British colonies, reassured by knowledge that Britain was not conscripting its
African subjects for the horror of European trench warfare. This tactic of
disappearing in what has been termed “protest migrations,” represented what
had already become a routine way of avoiding burdensome colonial tax and
labour demands. In urgent and pressing wartime circumstances, the impulse
to hide simply became ever more intense as peasants turned again to one of the
favoured “weapons of the weak.”65 To survive in French colonial Africa they
needed British colonial Africa.
Survival through such larger migrations and by hiding away in remote places
until greedy French recruiting sergeants had passed through villages, mixed up
the colonial territorial order in more ways than one, especially when it came to
the background of many of those who did volunteer. Thus, large numbers of
soldiers in the Gold Coast Regiment came not from British West Africa but
from the French area of Upper Volta. Similarly, almost three-quarters of the
troops of the Rhodesia Native Regiment were not drawn from the southern or
northern British South Africa Company colonies, but “from other territories,”
including those of Portugal and Belgium.66 In wartime, British regimental
African forces may have been less colonially British than in peacetime, or
indeed at any time since their establishment.
64 Izwi la Kiti, 12. 8. 1914.
65 Reid, Modern Africa, p. 193; James Scott, Weapons of the Weak. Everyday Forms of
Peasant Resistance, New Haven, CT 1985.
66 Timothy Stapleton, Extra-Territorial African Police and Soldiers in Southern Rhodesia
(Zimbabwe), 1897 – 1965, in: Scientia Militaria 38. 2010, pp. 99 – 114, here p. 106.
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Sub-Saharan Africa in the First World War
181
Among Africans themselves, it did not take much to dissolve service loyalties –
as they did not come from “nations,” ideas of patriotic “duty” or “obligation”
can have had little influence. Switching sides in the war was but a small – and
instrumental – step for men who traded their bodies willingly if the price was
right. During the long East African struggle, there were soldiers from British
Central Africa who went across to serve in the German side, with some even
switching back again. With pay and rewards there better than what they were
able to get in British ranks, there were troops in the King’s African Rifles and
Rhodesia Native Regiment for whom a period of askari service was almost a
natural seasonal attraction. And there were deserters from von LettowVorbeck’s forces who filled places in the contingents which they had left.
For the Europeans who commanded such men, it could be hard to know not
only the strength of their attachments, but exactly who they were. The
consequences for control could be amusing. German officers in East Africa
often used English terms of command and drill orders. Equally, there were
British officers who found it necessary to employ German parade ground
address.67 A further key to confusion was the issue of local ethnicities in army
recruitment, as from the pre-war era, men “invariably were enlisted from
ethnic groups that Europeans deemed to be martial races.”68 Typically, both
French and Germans in West Africa enlisted Bambara men, while in Nyasaland
the British preference was for Yao recruits. Predictably, various migrant
Africans exploited such colonial assumptions themselves, claiming kinship
with the masculine “martial spirit” of favoured African combatants. In these
fluid circumstances, some of the Africans who volunteered as soldiers invented
their identities on the way to an Allied or a German recruiting table.
V. A Concluding Reflection
What shaped the nature of sub-Saharan Africa’s experience of the World War
was, most obviously, its position in the imperial world of 1914. In one sense, the
1919 Versailles conference helped to tidy up and put the final seal on European
imperial partition and control of the region. Germany was now out of the
African picture, its occupied colonies handed out to the paternalist trusteeship
of the victorious Allies as Mandate territories of the newly-created League of
Nations. Of equal significance to the experience of the war here was the
continent’s sheer size, and its colonial structure and ethos. Beyond the mostly
thin lines of Europeans, it lacked a solid social base upon which an organised
and enthused mass war involvement could be constructed and sustained. To
the south and to the west, warfare came to life lightly and briefly. And where its
67 Risto Marjomaa, The Martial Spirit. Yao Soldiers in British Service in Nyasaland
(Malawi), 1895 – 1939, in: Journal of African History 44. 2003, pp. 413 – 432, here p. 425.
68 Killingray, War in Africa, p. 114.
182
Bill Nasson
menacing and disorderly presence was felt most intensely in parts of the
western zone, it was to extract Africans and immerse them in the foreign
experience of an industrial war in Europe. At the same time, there was another
side to the picture, that of the sweeping devastation of warfare in East Africa
and adjacent areas. There, more than anywhere, was where the war anchored
itself at something like a European depth, generating a heavy death count of
many hundreds of thousands of transport carriers and civilians, and
dramatically worsening subsistence conditions for the living.
Elsewhere for the most part, however, the World War in sub-Saharan Africa
was not a war of fighting. More an artificial insemination than something
which sprang naturally from African conditions and calculations, it was a war
of atmosphere, peripheral or half-hidden and generating rumours, myths and
visions. Leaving aside its white settler communities, in the long run the
Africans of 1914 to 1918 did not come to constitute a generation that was
formed by the Great War, or certainly not in any European notion of that
experience. As for the local whites themselves, among those who had waged
war there, like General Louis Botha and General Jan Smuts, its scope meant that
after November 1918 they were not haunted by deep-rooted hatreds and
suspicions of the enemy. That may have been one of the reasons why it was,
when it came to the settlement at Versailles, that their voices urged Allied
conciliation with, and restoration of, a defeated German enemy, with
“vindictiveness” being “not at all necessary” in the building of a “civilizing
future” for Europe.69
Lastly, and again after 1918, what of the civilising future which Europe
proclaimed to have brought to Africa? After all, the “civilizing mission” was
the stock ideology by which Europeans “rationalized their colonial domination” of non-European societies.70 On that score, for many Africans in those
parts of the continent that were most hit by the war, the experience would have
been that of having witnessed “not merely the harsh ambivalence of colonial
rule’s ‘civilising mission’, but also the shortcomings and flaws of a weakened
European population which was seemingly unable to resolve its war on an allEuropean basis.”71
In the case of France, it needed the subjects of its African colonial empire on
metropolitan soil to endure the conflict. The larger impact of ordinary
Africans’ wartime grievances and exposure to the sight of Europeans in trouble
69 Rand Daily Mail, 18. 2. 1919, p. 8; see also, Bill Nasson, Armistice 1915 and 1918. The
South African Experience, in: Hugh Cecil and Peter Liddle (eds.), At the Eleventh Hour.
Reflections, Hopes and Anxieties at the Close of the Great War 1918, London 1998,
pp. 213 – 226.
70 Michael Adas, Contested Hegemony. The Great War and the Afro-Asian Assault on the
Civilizing Mission Ideology, in: Journal of World History 15. 2004, pp. 31 – 63, here p. 31.
71 Bill Nasson, Africa, in: Jay Winter (ed.), The Cambridge History of the First World War,
vol. 1: Global War, New York 2014, pp. 433 – 458, here p. 455.
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Sub-Saharan Africa in the First World War
183
is, of course, hard to estimate exactly. Historians of Africa now attach less
weight than did earlier scholars to the decisive role of returning war veterans in
proto-nationalist protest politics. It is more the Second World War which is
seen as the watershed. Nevertheless, it remains the case that “the Great War’s
reverberations in the colonies and in colonial relationships” helped to
“accelerate the journey” towards modern anti-colonialism and independence.72 For modernising, mission-educated, westernised Africans in particular, one effect of the war had been to illuminate their general predicament. The
colonial subjects of the French African Empire may have absorbed the
assimilationist doctrine of its civilising mission, only to encounter its
hypocrisy – their blackness was no obstacle to acquiring the French language
or a taste for Camembert cheese, but it was an obstacle to becoming French.
Further south, in 1919 the South African Native National Congress (forerunner
of the African National Congress) reminded King George V of Africans’
wartime contributions and sacrifices. Just as the subjects of the Habsburg
Empire could anticipate national freedom, what of Africans’ just claim upon
the right to self-determination and freedom from discrimination and oppression? Having opened Africans’ sensibilities to a wide and turbulent world, the
global war and its aftermath left some of them saying unwelcome things.
Prof. Dr. Bill Nasson, University of Stellenbosch, Department of History,
Wilcocks Building, Private Bag Xi, Matieland, Stellenbosch 7602, South Africa
E-Mail: [email protected]
72 Richard S. Fogarty, The French Empire, in: Gerwarth and Manela, Empires at War,
pp. 109 – 129, here p. 129.
Der Erste Weltkrieg und die muslimischen
Republiken der Nachkriegszeit
von Stefan Reichmuth*
Abstract: The large number of independent but often transient states, established
between 1917 and 1924, marks these years as some of the most eventful in recent
history. This is particularly true for the Muslim world, due to the desintegration of the
Ottoman and Russian Empires, which affected many Muslim regions and communities from Central Asia to North Africa. The article offeres an overview of new Muslim
states that were founded in this period as republics or as constitutional monarchies
with strong parliaments. It also discusses the ambiguity of the secular and Islamic
discourses of their leaders and their multiple resources of mobilization and experience.
I. Einleitung: Reichszerfall, Revolutionen und republikanische
und konstitutionelle Staatengründungen der Nachkriegszeit
Muslimische Staaten und Gesellschaften waren mit unterschiedlicher Intensität und auf verschiedenen Seiten in das Kriegsgeschehen des Ersten
Weltkriegs verwickelt. Das Osmanische Reich teilte die Niederlage der
Mittelmächte, mit denen es in ein Bündnis eingetreten war ; es verlor im
Krieg einen Großteil seines Territoriums und überlebte seine Verbündeten, das
Deutsche Reich und das Kaiserreich Österreich-Ungarn, nur um wenige Jahre.
Das Zarenreich und seine muslimischen Protektorate in Zentralasien wurden
ebenfalls beseitigt; die Grundlagen der Staatlichkeit überall verändert.
Wie in anderen Regionen der Welt brachte der Friedensschluss 1919 keineswegs das Ende der Kämpfe, die sich in den muslimischen Territorien des
ehemaligen Zarenreiches, in den verschiedenen Teilen des besiegten Osmanischen Reiches und Afghanistan, aber auch in Nordafrika noch jahrelang
fortsetzten. Kennzeichnend ist dabei eine Vielzahl von neuen Staatenbildungen, die vorübergehend oder auf Dauer in den vom Krieg betroffenen
Regionen entstanden. Manche von ihnen existierten nur für wenige Monate
oder wurden später, wie innerhalb der Sowjetunion, ganz und gar umgestaltet.
Sie fügen sich in das allgemeine Bild einer Nachkriegs-Epoche, die auch in
anderen Teilen der Welt, nicht zuletzt in Europa, die Entstehung neuer Staaten
* Mein herzlicher Dank geht an Oliver Janz (Berlin), Thomas Philipp (Erlangen) und an
die anonymen Gutachter der Zeitschrift für ihre kritische Lektüre früherer Fassungen
dieses Artikels. Ebenfalls danke ich Alp Yener (Basel) für wichtige Anregungen und
Literaturhinweise.
Geschichte und Gesellschaft 40. 2014, S. 184 – 213
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen 2014
ISSN (Printausgabe): 0340-613X, ISSN (online): 2196-9000
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Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken
185
begünstigte. Viele dieser Versuche gingen auf lokale oder regionale Initiativen,
andere auf die militärische und diplomatische Unterstützung der Siegermächte zurück. Aber auch diese konnten ihre Vorstellungen und Interessen
keineswegs immer durchsetzen, wie die Pariser Friedenskonferenz und ihre
verschiedenen Verträge zeigen sollten. Es lohnt sich, das weite Spektrum dieser
zum Teil lange vergessenen Staaten im Zusammenhang zu betrachten, zumal
sich manche der neuen Republiken, die seit 1990 entstanden, auf die
Gründungen nach dem Ersten Weltkrieg als Vorläufer berufen (so zum
Beispiel Aserbaidschan).
In religiöser und ideologischer Hinsicht stellten der Erste Weltkrieg und die
folgenden Jahre auch für die Muslime eine Wasserscheide dar. Islamische und
westlich orientierte säkulare politische Strömungen traten vielerorts gegenüber einem Nationalismus zurück, der modernistische wie auch islamische
Tendenzen unter staatlicher Lenkung zu verbinden suchte. Gemeinsam war
den neuen Staaten der Nachkriegszeit dort, wo sie sich behaupten konnten, in
der Regel ein etatistischer Modernismus, der mit unterschiedlichen ideologischen Vorgaben verbunden war, aber dabei stark säkularistische Züge
annahm. Hierzu trug auch der Aufstieg des Sozialismus bei, der seit der
russischen Revolution 1917 für längere Zeit nicht nur die wachsende Schicht
von Arbeitern und Intellektuellen, sondern auch viele islamische Lehrer und
Gelehrte faszinierte. Insgesamt verbreiteten sich Sozialismus und Kommunismus seit 1920 in muslimischen Regionen bis nach Südostasien und wirkten
auf viele nationale Bewegungen ein.
In der islamischen Welt kam es seit 1917 erstmals zur Gründung von
Republiken, und zwar auf dem Territorium des ehemaligen Russischen
Reiches ebenso wie im Nahen und Mittleren Osten und in Nordafrika. Diese
Entwicklung ist umso bemerkenswerter, als eine republikanische politische
Ideologie bis dahin unter muslimischen Gelehrten wie Intellektuellen kaum
ausgebildet oder gar auf praktische Anwendung vorbereitet war. Erst durch die
Herausforderungen, die sich mit dem Zerfall des Zarenreiches und des
Osmanischen Reiches stellten, waren die muslimischen regionalen Bewegungen vielfach auf eine republikanische Organisationsform angewiesen; eine
Entwicklung, die schließlich 1922 zur Abschaffung des unter britischer
Kontrolle politisch desavouierten osmanischen Sultanates und zuletzt 1924
auch des Kalifates beitrug.1
Die muslimischen Nationalbewegungen, die in vielen Regionen, wenn auch
mit sehr unterschiedlichem Erfolg, politisch hervortraten, stützten sich auf
regionale Allianzen unterschiedlicher muslimischer Gruppen und Schichten
und waren konstitutionell oder republikanisch ausgerichtet. Auch die musli-
1 Zum Wechselspiel von Republikanismus, Royalismus und Nationalpolitik in der
islamischen Welt der Nachkriegszeit bereits Reinhard Schulze, Geschichte der Islamischen Welt im 20. Jahrhundert, München 1994, S. 83 – 118.
186
Stefan Reichmuth
mischen Monarchien, die in dieser Zeit begründet wurden oder ihre Unabhängigkeit erhielten, wiesen viele neuartige Züge auf und blieben oft durch die
nationalistischen und republikanischen Strömungen geprägt, die das politische Leben der Nachkriegszeit in starkem Maße bestimmten. Insgesamt zeigt
die Forschung der letzten Jahre, dass man im Osmanischen Reich wie auch in
vielen anderen Regionen seit dem 19. Jahrhundert die Herausbildung einer
breiten kulturellen Basis für regionale Identitäten feststellen kann, welche sich
in unterschiedlichen Diskursen und Institutionen artikulierten und dabei
religiöse wie nicht-religiöse, nationale und auch säkulare, von europäischen
Ideologien beeinflusste Artikulationsformen miteinander verbanden, die je
nach Kontext und politischer Konfliktlage in unterschiedlichen Konstellationen in den Vordergrund traten und das öffentliche Leben bestimmten.2
Im Folgenden sollen dementsprechend die verschiedenen republikanischen
und konstitutionellen Staatenbildungen mit ihren politischen und ideologischen Trägergruppen und ihren zuweilen widersprüchlichen religiös-politischen Orientierungen dargestellt werden. Die Neugründung der Monarchien
in Syrien und Iran sowie die Etablierung einer konstitutionellen Monarchie im
unabhängigen Ägypten werden hier wegen ihrer dominierenden Prägung
durch nationale und konstitutionelle Bewegungen mit behandelt. Gemeinsam
mit weiteren unabhängigen monarchischen Regimen anderen Charakters, wie
in Afghanistan, Saudiarabien und Jemen, und der sich nochmals verfestigenden imperialen Herrschaft der europäischen Mächte fügen sie sich in das
Gesamtbild einer muslimischen Welt an der Schwelle zum Staatensystem des
20. Jahrhunderts.
2 Siehe hierzu z. B. James L. Gelvin, The Social Origins of Nationalism in Syria. Evidence
for a New Framework, in: International Journal of Middle East Studies 26. 1994,
S. 645 – 661; ders., „Arab Nationalism“. Has a New Framework Emerged?, in: International Journal of Middle East Studies 41. 2009, S. 10 – 12; Jan Erik Zürcher, The Young
Turk Legacy. From the Ottoman Empire to Republican Turkey, London 2010; Michael
Provence, Ottoman Modernity, Colonialism, and Insurgency in the Interwar Arab East,
in: International Journal of Middle East Studies 43. 2011, S. 205 – 225; für die unterschiedlichen ideologischen Strömungen der spätosmanischen Periode auch Elisabeth
Özdalga (Hg.), Late Ottoman Society. The Intellectual Legacy, London 2005.
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Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken
187
II. Muslimische Republiken auf dem Territorium des
ehemaligen Zarenreiches
1. Der Diskurs der Selbstbestimmung bei den Bolschewiki und die Muslime
Der Überblick über die neuen muslimischen Republiken soll hier mit der
Auflösung des Russischen Reiches und den Anfängen der Sowjetunion
begonnen werden.3 Zum einen steht dieser Prozess auch zeitlich am Anfang
der muslimischen Staatengründungen dieser Periode. Zum anderen proklamierte das bolschewistische Russland als erster Staat das Recht der Völker auf
territoriale Selbstbestimmung und rief die Völker Asiens und die Muslime
gezielt zum Aufstand gegen die Imperialmächte auf.4 Dies hatte sehr weitreichende politische Wirkungen, und die sowjetische Unterstützung kam
insbesondere der Republik Türkei in ihrer Gründungsphase zugute. Den
Bolschewiki selbst sicherte die emanzipatorische Propaganda die Unterstützung wichtiger muslimischer Gruppen in den umkämpften Regionen im
Bürgerkrieg.
Die Erklärungen und Reden des amerikanischen Präsidenten Wilson zur
Selbstbestimmung, die in vielen Teilen der imperialen Welt ebenfalls große
Hoffnungen weckten, stellten in mancher Hinsicht bereits eine Reaktion auf
die sowjetische Herausforderung dar.5 Doch die Nachkriegsordnung im Nahen
Osten, die die Pariser Friedenskonferenz 1920 in den Verträgen von San Remo
und Svres festlegte, enttäuschte die hochgespannten Erwartungen und wurde
durch die Resultate des Krieges in Anatolien und durch die Aufstände in den
vorgesehenen Mandatsgebieten bald überholt. Die sozialistische Utopie blieb
dagegen unter Muslimen auch in religiösen Milieus lange wirksam, selbst als
3 Für einen knappen Überblick Muriel Atkin, Central Asia and the Caucasus from the First
World War, in: Francis Robinson (Hg.), The New Cambridge History of Islam, Bd. 5: The
Muslim World in the Age of European Domination, Cambridge 2011, S. 517 – 541.
4 Zu Lenins Auseinandersetzungen mit der Frage der Selbstbestimmung der Völker, die
bereits 1903 begannen, und zu den frühen Erklärungen und Strategien der Bolschewiki
zur Nationalitätenpolitik: Serge A. Zenkovsky, Pan-Turkism and Islam in Russia,
Cambridge, MA 1960, S. 159 – 164; Alan W. Fisher, The Crimean Tatars, Stanford 1978,
S. 116 ff.; Jörg Baberowski, Der Feind ist überall. Stalinismus im Kaukasus, München
2003, S. 184 – 214; Jörg Fisch, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Die Domestizierung einer Illusion, München 2010, S. 138 f. u. S. 148 – 151.
5 Zu Wilson und dem „Wilsonian Moment“ siehe bes. Erez Manela, The Wilsonian
Moment. Self-Determination and the International Origins of Anticolonialism, Oxford
2007; zu den Debatten um die Selbstbestimmung im Vorfeld und während der Pariser
Friedenskonferenz Margret Macmillan, Paris 1919. Six Months that Changed the World,
New York 2003, S. 10 – 14, siehe auch im Index unter „self determination“, S. 564. Zum
Einfluss der Erklärungen Lenins und der frühen Sowjetunion auf den internationalen
Selbstbestimmungs-Diskurs und indirekt auch auf Wilson, Fisch, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, S. 152 – 157.
188
Stefan Reichmuth
die sowjetische Führung unter Stalin seit 1923 immer entschiedener gegen die
„Nationalkommunisten“ unter den Muslimen vorging und die meisten von
ihnen schließlich in den Säuberungen der 1930er Jahre hinrichten ließ. Auch
wenn die frühen Republiken in den muslimischen Regionen meist bereits sehr
früh in größere Sowjetrepubliken integriert wurden, trugen sie doch nicht
unerheblich zur Entwicklung der föderalen Struktur der Sowjetunion bei.
2. Muslimische Republiken vor der Konsolidierung der Sowjetunion
Bereits nach der Februar-Revolution 1917 kamen Vertreter der Muslime aus
dem ganzen Russischen Reich vom 1. bis 11. Mai in Moskau zu einem
Gesamtmuslimischen Kongress zusammen, um über das politische Selbstverständnis der Muslime im russischen Staatswesen und die innere Ausgestaltung
der angestrebten nationalen Autonomie zu beraten und um gemeinsame
Positionen zu wichtigen wirtschaftlichen und sozialen Fragen zu finden.6
Dabei konnten sich die Vertreter eines regionalen Föderalismus mit weitreichender territorialer Autonomie gegenüber den zumeist tatarischen Delegierten durchsetzen, die eine zentrale politische Repräsentation der Muslime für
das gesamte Reich anstrebten. Hiermit waren die politischen Autonomiebestrebungen der Muslime in den verschiedenen Regionen bereits vorgezeichnet.
Krim- und Wolgatataren sowie Baschkiren bildeten die einzigen muslimischen
Gruppen, die zum aktiven Kriegsdienst in der russischen Armee herangezogen
worden waren.7 Religiös-politisch wie auch wirtschaftlich waren Krim- und
Wolgatataren sehr stark differenziert und verfügten über eine weit entwickelte
Medien- und Bildungskultur. Liberale und Säkularisten, islamische Reformisten, aber auch Sozialisten waren unter ihnen häufig vertreten. Der stark
osmanisch geprägte Reformismus der religiösen wie nationalen tatarischen
Bildungs- und Erneuerungsbewegung des Jadidismus hatte großen Einfluss
unter den Muslimen des russischen Reiches gewonnen.8 So überrascht es nicht,
dass in der Wolga-Ural-Region, in Baschkirien und auf der Krim die frühesten
Bestrebungen zur Einrichtung autonomer Republiken unter den Muslimen des
Reiches festzustellen sind. Die Wolga-Tataren verfügten bereits seit 1917 über
einen eigenen Militärrat (Harbi Shuro) und ein eigenes Nationalparlament
(Milli Mejlis), die sich um den Aufbau und die Anerkennung eines autonomen
Wolga-Ural-Staates bemühten. Unter dem Druck der Roten Armee wurden die
von November 1917 bis März 1918 autonomen Strukturen des Idel-Ural6 Christian Noack, Muslimischer Nationalismus im Russischen Reich, Stuttgart 2000,
S. 501 – 505; ausführliche Beschreibung bei Zenkovsky, Pan-Turkism and Islam,
S. 142 – 153.
7 Noack, Muslimischer Nationalismus, S. 492 f. Bis 1917 waren ca. 600.000 Krim- oder
Wolgatataren und ca. 200.000 Baschkiren einberufen worden.
8 Hierzu ebd., S. 135 – 178; für Zentralasien Adeeb Khalid, The Politics of Muslim Cultural
Reform. Jadidism in Central Asia, Berkeley 1998.
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Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken
189
Staates und der Trans-Bulak-Republik schließlich offiziell am 27. Mai 1920 in
eine Tatarische Autonome Sozialistische Sowjet-Republik überführt.9
Die Vertreter der baschkirischen Bevölkerungsgruppe, die den Tataren
unmittelbar benachbart, aber im Gegensatz zu diesen noch in großem
Ausmaß der Viehzucht und Transhumanz verbunden war, strebten bereits sehr
früh nach einer unabhängigen autonomen Republik, in der die Baschkiren die
Bevölkerungsmehrheit behalten und die Kontrolle über ihr Land wiedererlangen wollten. Auf Betreiben des baschkirischen Politikers Zeki Velidi Togan,
eines muslimischen Säkularisten, der dem Sozialismus nahestand, wurde
bereits am 15. November 1917 eine unabhängige Republik Baschkirien
ausgerufen.10 Durch eine Allianz mit der Roten Armee, der die Baschkiren
wichtige militärische Unterstützung leisteten, wurde im Februar 1919 eine
Autonome Sowjet-Republik Baschkirien offiziell von Moskau anerkannt. Zeki
Velidi Togan geriet bald in Konflikt mit der sowjetischen Führung, die ihren
Einfluss beständig ausdehnte, und floh schließlich nach Afghanistan, um sich
der Basmachi-Rebellion gegen die Rote Armee anzuschließen. In der am
4. Juni 1922 von der Sowjetführung neu geschaffenen Baschkirischen Autonomen Sozialistischen Sowjet-Republik stellten die Baschkiren dann tatsächlich nur noch eine Minderheit der Bevölkerung dar.11
Auch die Krim-Tataren organisierten auf Betreiben der nationalistischreformistischen Partei Mill Fırqa bereits sehr früh eine eigene Volksrepublik
Krim, die von Dezember 1917 bis zum 23. Februar 1918 bestand und zu deren
Präsident der liberale Mufti und Intellektuelle Noman Çelebi Cihan gewählt
9 Zenkovsky, Pan-Turkism and Islam, S. 165 – 178; Christian Noack, Muslimischer
Nationalismus, S. 523 – 537.
10 Zu Zeki Velidi Togan (1890 – 1970) und seinem bewegten Leben, zunächst als MedresenSchüler mit zunehmend säkularen Neigungen im Ural-Gebiet, dann als Politiker im
engen Austausch mit Lenin und Stalin, schließlich als Kämpfer gegen die Rote Armee
und als Exilpolitiker und Student in Europa, zuletzt als Historiker in der Republik
Türkei, siehe seine Erinnerungen, ders., Htiralar, Istanbul 1969, teilweise ins Englische
übersetzt von Hasan B. Paksoy, Memoires. Struggle for National and Cultural
Independence of the Turkestan and other Moslem Eastern Turks, http://www.spongobongo.com/zy9857.htm; ferner Friedrich Bergdolt, Der geistige Hintergrund des
türkischen Historikers Ahmed Zeki Velidi Togan nach seinen Memoiren, Berlin 1981;
Hasan B. Paksoy, Basmachi Movement from within. Account of Zeki Velidi Togan, in:
Nationalities Papers 23. 1995, S. 373 – 399; ders., An Encounter between Z. V. Togan and
S. Freud, in: International Bulletin of Political Psychology 4. 1998, http://vlib.iue.it/
carrie/texts/carrie_books/paksoy-6/cae15.html.
11 Zenkovsky, Pan-Turkism and Islam, S. 195 – 208; Christian Noack, Muslimischer
Nationalismus, S. 515 – 519, S. 526 ff. u. S. 531 ff.; Daniel Schafer, Local Politics and
the Birth of the Republic of Bashkortostan, 1919 – 1920, in: Ronald G. Suny u. Terry
Martin (Hg.), A State of Nations. Empire and Nation-Making in the Era of Lenin and
Stalin, Oxford 2001, S. 165 – 190.
190
Stefan Reichmuth
wurde. Bereits nach wenigen Monaten wurde diese Republik von sowjetischen
Marinestreitkräften zerschlagen, ihr Präsident erschossen. Danach bestand sie
unter der vorübergehenden deutschen Besetzung der Krim wiederum einige
Monate (12. Mai 1918 bis Ende Oktober 1918).12 Im Kampf mit der Weißen
Armee Denikins schlugen sich die Anhänger der nunmehr verbotenen Mill
Fırqa auf die Seite der Roten Armee. Im November 1921 wurde die Autonome
Sozialistische Sowjetrepublik Krim geschaffen, und die Anhänger der Nationalpartei wurden in die Kommunistische Partei aufgenommen, was bis zur
1929 einsetzenden Sowjetisierung und den damit verbundenen Deportationen
und Hinrichtungen eine „nationalkommunistische“ Verwaltung erlaubte.
Trotz der insgesamt äußerst kritischen militärischen Lage des Osmanischen
Reiches hatte Enver Paşa, der osmanische Kriegsminister, nach dem Frieden
von Brest-Litovsk (3. März 1918) und dem Rückzug der russischen Armee aus
Ostanatolien seinen Versuch einer osmanischen Expansion nach Osten
erneuert. Dazu hatte er eine eigene Heereseinheit, die Armee des Islams für
den Kaukasus (Kafkas Islam Ordusu) aufstellen lassen. Hierbei wurde Baku im
September 1918 noch für zwei Monate bis zur Kapitulation im November
besetzt. Aus den wechselvollen Kämpfen um das kaukasische Aserbaidschan
und um die Öl-Metropole Baku, an denen sich russische, osmanische,
britische, armenische und lokale muslimische Streitkräfte und Milizen
beteiligt hatten und die mit einer schier endlosen Kette von Pogromen an
den jeweils unterlegenen Gruppen verbunden waren, erfolgte nach der
Auflösung der ersten Transkaukasischen Demokratisch-Föderativen Republik
am 28. Mai 1918 in Tiflis die Gründung der Demokratischen Republik
Aserbaidschan,13 die sich zunächst in Gandscha, dann ab Dezember erst unter
britischer und später unter osmanischer Protektion in Baku etablierte.
Parlament und Regierung wurden von der aserbaidschanischen säkularnationalistischen Musawat (Gleichheits)-Partei in wechselnden Koalitionen
mit anderen Parteien dominiert. Im Parlament waren neben der MusawatPartei auch Liberale (Ahrar), Islamische Unionisten (Ittihad), eine Muslimisch-Sozialdemokratische Partei (Himmat) sowie Abgeordnete der Armenier und anderer Minderheiten vertreten. Der Staatspräsident Ali Mardan
TopÅıbaşı / Topčibašev nahm mit einer Delegation 1919 an der Pariser
12 Zenkovsky, Pan-Turkism and Islam, S. 254; Fisher, The Crimean Tatars, S. 109 – 129;
Hasan B. Paksoy, Art. Crimean Tatars, in: Paul D. Steeves (ed.), Modern Encyclopedia of
Religions in Russia and the Soviet Union, Bd. 6, Gulf Breeze, FL 1995, S. 135 – 142.
13 Zenkovsky, Pan-Turkism and Islam, S. 254 – 267; Tadeusz Swietochowski, Himmat
Party. Socialism and the Nationality Question in Russian Azerbaijan, 1904 – 1920, in:
Cahiers du monde russe et sovitique 19. 1978, S. 119 – 142; ders., Russian Azerbaijan,
1905 – 1920. The Shaping of National Identity in a Muslim Community, Cambridge 2004;
ders., Russia and Azerbaijan. A Borderland in Transition, New York 1995; Johannes Rau,
Islam und Demokratie. Der erste Versuch. Die Aserbaidschanische Demokratische
Republik, Frankfurt 2001; Baberowski, Der Feind ist überall, S. 142 – 183.
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Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken
191
Friedenskonferenz teil, konnte dort aber angesichts der weiterhin instabilen
und ungeklärten politischen Situation in der Region keine internationale
Anerkennung erreichen. Nach der erneuten Besetzung Bakus und der
Übernahme der Ölfelder durch Einheiten der Roten Armee beugte sich die
Musawat-Regierung dem kommunistischen Ultimatum, trat am 28. April 1920
zurück und übergab die Geschäfte an den Führer der sozialdemokratischen
Himmat-Partei, Nariman Narimanov, dem es in der Folge gelang, die
aserbaidschanischen Gebietsansprüche gegenüber Armenien durch seine
engen Kontakte zur sowjetischen Führung durchzusetzen und sich dieser als
Partner unentbehrlich zu machen.14 Trotzdem kam es nach einem muslimischen Aufstand in Gandscha im Mai 1920 zu äußerst blutigen Vergeltungsmaßnahmen der Roten Armee. Aserbaidschan wurde Teil der Transkaukasischen Föderation, die auf Betreiben Stalins am 12. März 1922 erneuert wurde
und die bei der Schaffung der Sowjetunion am 30. Dezember 1922 als
eigenständige politische Struktur neben die Russische Föderation, Weißrussland und die Ukraine trat. Trotz seiner „nationalkommunistischen“ Tendenzen, die er so erfolgreich wie kein anderer der muslimischen Politiker zu
vertreten wusste, stand Narimanov bei der sowjetischen Führung bis zu
seinem Tod in hohem Ansehen und wurde noch zu Lebzeiten zum „Führer des
Orients“ stilisiert.
In Zentralasien entstanden zunächst ebenfalls mehrere autonome Republiken
in unterschiedlich enger Anbindung an die Bolschewiki. Von diesen brach die
Nationale Autonome Regierung Turkestan in Kokand (11. Dezember 1917 bis
2. Februar 1918) bereits sehr früh mit der Eroberung von Kokand durch die
Armee der Sowjet-Regierung von Taschkent zusammen.15 Dies führte zu einem
Aufflammen des lokalen Widerstandes gegen die Bolschewiki in der bereits
erwähnten Basmachi-Bewegung, die sich bald vom Ferghana-Tal über die
ganze Region ausbreitete und deren Aktivitäten sich bis in die dreißiger Jahre
hinzogen.16 In den Khanaten von Khiva und Buchara, in denen Reformbewegungen entstanden waren, die sich stark an den tatarischen Jadidisten und an
14 Zu Narimanov (gest. 1925), seinem politischen Werdegang und seiner Position im
sowjetischen Machtgefüge siehe Baberowski, Der Feind ist überall, S. 223 – 313.
15 Zenkowsky, Pan-Turkism and Islam, S. 233 – 236; Baymirza Hayit, Die nationalen
Regierungen von Kokand (Choqand) und der Alash Orda, Diss. Universität Münster
1950.
16 Zur „Basmachi“-Bewegung Martha B. Olcott, The Basmachi or Freemen’s Revolt in
Turkestan 1918 – 24, in: Soviet Studies 33. 1981, S. 352 – 369; Baymirza Hayit, Basmachi.
Nationaler Kampf Turkestans in den Jahren 1917 bis 1994, Köln 1993; Schulze,
Geschichte der Islamischen Welt, S. 103 ff.; Hasan B. Paksoy, Art. Basmachi. Turkish
National Liberation Movement 1916 – 1930s, in: Paul D. Steeves (ed.), Modern
Encyclopedia of Religions in Russia and the Soviet Union, Bd. 4, Gulf Breeze, FL 1991,
S. 5 – 20.
192
Stefan Reichmuth
den osmanischen Jungtürken orientierten,17 wurden diese Gruppierungen der
Jung-Khivaner und Jungbucharioten zu Partnern der Sowjetarmee bei ihrer
Eroberung der beiden Staaten (Khiva 1. Februar 1920; Buchara 2. September
1920). An ihre Stelle traten in Khiva die Choresmische Sowjetische Volksrepublik (26. April 1920 bis 20. Oktober 1923)18 und in Buchara die Sowjetische
Volksrepublik Buchara (18. Oktober 1920 bis 19. September 1924),19 in denen
jeweils die Reformisten die Regierung übernahmen, bis die Zentrale in Moskau
auch hier ihren Einfluss geltend machte und die Gründung von Sowjetrepubliken veranlasste. Diese wurden Teil der Sowjetunion. Ihr Territorium ging
1925 größtenteils in der Sowjet-Republik Usbekistan auf.
Für die Republik Buchara, die intensiver untersucht worden ist, ergibt sich aus
den vorhandenen Quellen eine intellektuelle Zweigleisigkeit der regierenden
Jungbucharioten, die sich gegenüber der Zentrale im Russischen des sowjetisch-marxistischen Diskurses bedienten, während die usbekischen Dokumente von der islamischen Reform-Rhetorik der Jadid-Bewegung und der
Osmanen geprägt waren.20 In den Dokumenten der islamischen religiösen
Stiftungen aus Buchara in dieser Periode zeigt sich die Republik nach wie vor
als islamischer Staat.21 Dies steht in deutlichem Gegensatz zu Aserbaidschan,
wo bereits die Republik die religiösen Stiftungen weitgehend abgeschafft
hatte.22 Das Misstrauen der Moskauer Führung in die jungbuchariotische
Regierung blieb freilich groß, und allen Versuchen einer eigenständigen
Außenpolitik, wie der Einrichtung eigener Konsulate im Ausland oder der
Versuche zum Aufbau eigener Kontakte zum Deutschen Reich, setzte sie
17 Hierzu besonders Khalid, The Politics of Muslim Cultural Reform.
18 Seymour Becker, Russia’s Protectorates in Central Asia. Bukhara and Khiva, 1865 – 1924,
Cambridge, MA 1968.
19 Hlne Carrre d’Encausse, Rforme et rvolution chez les Musulmans de l’Empire
russe, Paris 19812 ; Becker, Russia’s Protectorates in Central Asia; Bert Fragner,
Sowjetmacht und Islam. Die Revolution von Buchara, in: Ulrich Haarmann u. Peter
Bachmann (Hg.), Die Islamische Welt zwischen Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für
Hans Robert Roemer zum 65. Geburtstag, Beirut 1979, S. 146 – 166; Gero Fedtke, Jadids,
Young Bukharans, Communists and the Bukharan Revolution. From an Ideological
Debate in the Early Soviet Union, in: Anke von Kügelgen u. a. (Hg.), Muslim Culture in
Russia and Central Asia from the 18th to the Early 20th Centuries, Bd. 2: Inter-Regional
and Inter-Ethnic Relations, Berlin 1998, S. 483 – 512; Adeeb Khalid, The Bukharan
People’s Soviet Republic in the Light of Muslim Sources, in: Die Welt des Islams 50. 2010,
S. 335 – 361; Philipp Reichmuth, „Lost in the Revolution“. Bukharan waqf and Testimony
Documents from the Early Soviet Period, in: Die Welt des Islams 50. 2010, S. 362 – 396.
20 Khalid, The Bukharan People’s Soviet Republic.
21 Philipp Reichmuth, Lost in the Revolution, S. 395 f.
22 Altay Göyüşov u. ElÅin Äskärov, Islam and Islamic Education in Soviet and Independent
Azerbaijan, in: Michael Kemper u. a. (Hg.), Islamic Education in the Soviet Union and its
Successor States, London 2010, S. 168 – 222, hier S. 170.
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Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken
193
entschiedenen Widerstand entgegen. Nach der Konsolidierung der sowjetischen Herrschaft wurden die führenden Politiker der Republik abgesetzt und
fielen späteren Säuberungen zum Opfer. Die Basmachi-Bewegung wurde
ebenfalls erst um 1925 entscheidend geschwächt; Enver Paşa, der sich dieser
Bewegung angeschlossen hatte, um ein türkisches Kalifat in Zentralasien zu
begründen, war bereits 1922 in der Nähe von Duschanbe (im heutigen
Tadschikistan) gegen die Rote Armee gefallen. Wie andere pan-islamische
Aktivisten, die gegen die britische Vorherrschaft kämpften, hatte er zuvor in
engem Kontakt mit den Bolschewiki gestanden und noch 1920 selbst am
Kongress der Völker des Ostens in Baku teilgenommen.23 Mit Schaffung der
Usbekischen Sowjetrepublik, in die die Volksrepubliken Buchara und Choresmien im selben Jahr eingegliedert wurden, war die Rolle der muslimischen
Reformisten und ihres Diskurses im Herrschaftsapparat der UdSSR endgültig
beendet.
III. Republiken und konstitutionelle Bewegungen im Nahen
und Mittleren Osten und in Nordafrika
1. Türkei
Der zeitweilig bemerkenswert erfolgreiche, letztlich aber katastrophale Verlauf
des Krieges für die Osmanen kann hier nur ganz summarisch wiedergegeben
werden.24 In der Allianz mit dem Deutschen Reich und den anderen
23 Erik J. Zürcher, Turkey. A Modern History, London 20042, S. 157 f.; Stephen White, The
Baku Congress, 1920, in: Slavic Review 33. 1974, S. 492 – 514, hier S. 508. Zu Enver Paşa
und zu den verschiedenen Stationen seines Exils nach Ende des Krieges Şuhnaz Yılmaz,
An Ottoman Warrior Abroad. Enver Paşa as an Expatriate, in: Middle Eastern Studies
35. 1999, S. 40 – 69.
24 Zu Kriegsbeginn und Kriegsverlauf aus z. T. sehr unterschiedlichen Blickwinkeln:
Zürcher, Turkey, S. 113 – 132; Stanford J. Shaw u. Ezel Kural Shaw, History of the
Ottoman Empire and Modern Turkey, Bd. 2: Reform, Revolution, and Republic. The
Rise of Modern Turkey, 1808 – 1975, Cambridge 1977, S. 310 – 339; Mustafa Aksakal, The
Ottoman Road to War in 1914. The Ottoman Empire and the First World War,
Cambridge 2008; ders., The Ottoman Empire, in: Jay Winter (Hg.), The Cambridge
History of the First World War, Bd. 1: Global War, Cambridge 2014, S. 459 – 478; Robin
Prior, The Ottoman Front, in: ebd., S. 297 – 320; Gotthard Jäschke, Zum Eintritt der
Türkei in den Weltkrieg, in: Die Welt des Islams 19. 1979, S. 223 – 225. Für eine
detaillierte militärhistorische Darstellung des Kriegsverlaufes auf osmanischer Seite
Edward J. Erickson, Ordered to Die. A History of the Ottoman Army in the First World
War, Westport 2001; sowie neuerdings zur allgemeinen Analyse der osmanischen
Kriegführung und Mobilisierung und ihrer Schwierigkeiten, insbesondere der weitverbreiteten Desertion, Mehmet BeşikÅi, The Ottoman Mobilization of Manpower in the
First World War, Leiden 2012; ferner zu Todes- und Krankheitsraten Hikmet Özdemir,
The Ottoman Army 1914 – 1918. Disease and Death on the Battlefield, Salt Lake City
194
Stefan Reichmuth
Mittelmächten blieb die osmanische Regierung auf intensive Militärhilfe von
deutscher Seite angewiesen und übernahm die Verpflichtung zur offensiven
Kriegführung gegen Russland in Ostanatolien und gegen Großbritannien in
Ägypten, um die Mittelmächte an den europäischen Fronten durch die
Bindung großer feindlicher Heereseinheiten zu entlasten. Dies entsprach auch
den „turanistischen“ Zielen Enver Paşas und der jungtürkischen Führung, die
einen Vorstoß in den Kaukasus und nach Zentralasien anstrebte, um nach den
Verlusten in Europa das Reich durch den Anschluss der Turkvölker zu
erweitern, die sich unter russischer Herrschaft befanden.
Beide Offensiven scheiterten schnell. Der von Enver Paşa selbst geleitete
Großangriff auf die russischen Stellungen bei Sarıkamış südwestlich von Kars
endete im Januar 1915 mit katastrophalen Verlusten. Der Vorstoß gegen den
Suez-Kanal, den Cemal Paşa, der Gouverneur Syriens, gleichzeitig unternahm,
blieb ohne Erfolg, auch weil die erhoffte Unterstützung durch die Ägypter
ausblieb. An beiden Fronten verschärften sich die Spannungen im Verhältnis
der Osmanen zu Teilen der einheimischen Bevölkerung. Die Führung der
Regierungspartei der Jungtürken beschuldigte die Armenier im heftig umkämpften Ostanatolien der Kooperation mit der russischen Armee und
beschloss bereits im März 1915 die Deportation der armenischen Bevölkerung
Anatoliens nach Syrien. Die Deportationen begannen im Mai und entwickelten
sich in der Folge zu systematischen, sehr wahrscheinlich auf zentrale
Anordnungen zurückgehenden Vernichtungsaktionen, an denen die Spezialeinheiten der Partei (Teşklt-i Mahssa) sowie lokale Milizen und Stammesgruppen maßgeblichen Anteil hatten und denen bis zum Ende der Maßnahmen im Spätsommer 1916 schätzungsweise rund eine Million Menschen zum
Opfer fielen.25 In Syrien machte Cemal Paşa die syrischen Truppen für den
2008. Zur Frage des „Jihad Made in Germany“ zusammenfassend Gottfried Hagen,
German Heralds of Holy War. Orientalists and Applied Oriental Studies, in: Comparative Studies of South Asia, Africa and the Middle East 24. 2004, S. 145 – 162; Tilman
Lüdke, Jihad Made in Germany. Ottoman and German Propaganda and Intelligence
Operations in the First World War, Münster 2005; zur osmanischen Kriegspropaganda
und ihren begrenzten Erfolgen Erol Köroğlu, Ottoman Propaganda and Turkish
Identity. Literature in Turkey during World War I, London 2007.
25 Zürcher, Turkey, S. 114 – 117; zur Diskussion des Genozids an den Armeniern ferner
Fikret Adanır u. a., Einleitung. Der Kaukasus im Schatten des islamisch-christlichen
und des türkisch-armenischen Verhältnisses, in: ders. u. Bernd Bonwetsch (Hg.),
Osmanismus, Nationalismus und der Kaukasus. Muslime, Christen, Türken und
Armenier im 19. und 20. Jahrhundert, Wiesbaden 2005, S. 1 – 19; Hans Lukas Kieser u.
Dominik J. Schaller (Hg.), Der Völkermord an den Armeniern und die Shoah, Zürich
2002; Ronald Grigor Suny u. a. (Hg.), A Question of Genocide. Armenians and Turks at
the End of the Ottoman Empire, Oxford 2011; Uğur Ümit Ungör, The Making of Modern
Turkey. Nation and State in Eastern Anatolia, 1913 – 1950, Oxford 2011, S. 51 – 106;
Hans-Lukas Kieser u. Donald Bloxham, Genocide, in: Winter, The Cambridge History of
the First World War, S. 585 – 614.
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Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken
195
Misserfolg verantwortlich.26 In der Folge ging er mit großer Härte gegen
arabische Anhänger der osmanischen Oppositionspartei sowie gegen Mitglieder arabischer nationalistischer Geheimgesellschaften vor und ließ 1915 und
1916 verschiedene prominente libanesische und syrische Notabeln in Beirut
unter der Anklage verräterischer Kontakte zu den Franzosen hinrichten.27
Durch diese Maßnahmen schuf er sich erbitterte Gegner unter der arabischen
Oberschicht und gab dem arabischen Nationalismus erheblichen Auftrieb.
Wichtige Prestigegewinne hatten dagegen zur selben Zeit die Verteidigungsoperationen gegen britische Offensiven an den Dardanellen und im Irak
gebracht. Das alliierte Landeunternehmen auf der Halbinsel von Gallipoli
führte zu einem Stellungs- und Grabenkrieg zwischen alliierten und osmanischen Verbänden, der vom April bis Dezember 1915 unter hohen Verlusten
auf beiden Seiten andauerte und mit dem Rückzug der alliierten Truppen
endete.28 Mustafa Kemal Paşa, Divisionskommandeur der osmanischen
Truppen, erwarb sich durch seine maßgebliche Rolle bei der erfolgreichen
Verteidigung einen Ruf, der nach 1918 die Grundlage für seine führende Rolle
in der Unabhängigkeitsbewegung bilden sollte.
Nach dem Friedensvertrag von Brest-Litovsk vom 3. März 1918 und dem
Rückzug russischer Truppen aus ganz Ostanatolien, einschließlich der seit
1878 besetzten Gebiete (Ardahan, Kars und Batum) unternahm die wieder
erstarkte osmanische Dritte Armee eine Offensive gegen die nachgerückten
armenischen Truppen, die bis Ende April unter heftigen Kämpfen zur
Rückeroberung der gesamten ostanatolischen Region führte.29 Nachdem die
Armee im Verlauf von 1917 / 1918 nach heftigem Widerstand von britischen
und arabischen Verbänden aus Syrien verdrängt worden war, bezog sie in
Adana ihr neues Hauptquartier und richtete sich auf die Verteidigung
Anatoliens ein.30 Doch als schließlich Anfang Oktober mit dem Zusammenbruch Bulgariens die entscheidenden Versorgungslinien zum Deutschen Reich
verloren gingen, sah sich das Osmanische Reich zur bedingungslosen
Kapitulation gezwungen, die mit dem Waffenstillstand von Mudros am
30. Oktober 1918 vollzogen wurde. Insgesamt sind im Krieg nach Schätzungen
von Edward J. Erickson von 2.873.000 mobilisierten osmanischen Soldaten
26 Salim Tamari, Shifting Ottoman Conceptions of Palestine. Part 1: Filistin Risalesi and
the Two Jamals, in: Jerusalem Quarterly 47. 2011, S. 28 – 38, hier S. 31.
27 Hasan Kayalı, Arabs and Young Turks. Ottomanism, Arabism and Islamism in the
Ottoman Empire, 1908 – 1918, Berkeley 1997, S. 192 ff.; Tamari, Shifting Ottoman
Conceptions, S. 31 ff.
28 Erik J. Zürcher, Between Death and Desertion. The Experience of the Ottoman Soldier in
World War I, in: Turcica 28. 1996, S. 235 – 358, hier S. 243 f.; Klaus Kreiser, Atatürk. Eine
Biographie, München 2008, S. 84 – 94.
29 Edward J. Erickson, Ordered to Die, S. 183 ff.
30 Ebd., S. 201 ff.
196
Stefan Reichmuth
771.844 (26,9 Prozent) in Gefechten und an Verwundungen und Krankheiten
gestorben oder vermisst geblieben.31
Das Ende des Osmanischen Reiches vollzog sich nach der Kapitulation in
einem wechselvollen Prozess, der sechs Jahre andauerte. Er reichte vom
Waffenstillstand in Mudros am 30. Oktober 1918 über die Friedensverträge
von Svres am 10. August 1920 und Lausanne am 24. Juli 1923 bis zur
Proklamation der Republik Türkei am 29. Oktober 1923 und schloss die
Abschaffung des osmanischen Sultanates am 1. November 1922 und zuletzt
auch die des Kalifates am 3. März 1924 ein.32
Dieser Prozess begann mit einer ersten Phase, die circa von 1918 bis 1920
andauerte und in der der kurz vor Kriegsende ernannte Sultan Mehmed VI.
Vahideddin und seine Regierung versuchten, den Vorgaben der Siegermächte
zu entsprechen, um günstige Friedensbedingungen zu erreichen. Zugleich
strebte er danach, die Macht der in den Resten des Staatsapparates und im
Parlament nach wie vor tonangebenden jungtürkischen Nationalisten zu
brechen. Diese Politik scheiterte letztlich an den harten Bedingungen des
Friedensvertrages von Svres. Zur gleichen Zeit gelang es den Nationalisten
ihrerseits, aus dem Untergrund in Istanbul den publizistischen und bewaffneten Widerstand gegen die von den Siegermächten geplanten territorialen
Abtrennungen in Anatolien zu mobilisieren und die verbliebenen osmanischen Truppen zu reaktivieren. Es wurde eine große Zahl lokaler Widerstandskomitees eingerichtet. In Ostanatolien, das nach dem Waffenstillstand
von osmanischen Truppen geräumt werden musste, etablierte sich im
November 1918 in Kars eine vorläufige türkische Regierung, die nach heftigen
Kämpfen im April 1919 von einem britischen Expeditionskorps aus Batum
besiegt und gestürzt wurde, wonach Kars vorerst wieder unter armenische
Kontrolle kam.33
Die Entsendung von Mustafa Kemal, der offiziell von der Regierung mit der
Durchführung der im Waffenstillstand vorgesehenen Demobilisierung in
Anatolien betraut worden war, ermöglichte es ihm schließlich, entgegen
seinem Auftrag die Mobilisierung des nationalen Widerstandes und der
verbliebenen Truppen entschlossen voranzutreiben. Auf zwei nationalen
Kongressen in Erzurum am 23. Juli 1919 und in Sivas vom 4. bis 11. September
1919 formierte sich unter seiner Führung eine Gesellschaft zur Verteidigung
der Rechte von Anatolien und Rumeli Anadolu ve Rumeli Müdafaa-i Hukuk
31 Edward J. Erickson, Ordered to Die, S. 211.
32 Aus der umfangreichen Literatur zur Entstehungsgeschichte der Republik Türkei soll
hier nur auf die folgenden Titel verwiesen werden: Zürcher, Turkey, S. 133 – 165; Shaw u.
Shaw, Reform, Revolution, and Republic, S. 327 – 372; Kreiser, Atatürk, S. 130 – 228;
Bernard Lewis, The Emergence of Modern Turkey, London 19752.
33 Wilhelm Barthold u. Colin J. Heywood, Art. Kars, in: Peri Bearman u. a. (Hg.),
Encyclopedia of Islam, Bd. 4, Leiden 19782, S. 671.
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Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken
197
Cemiyeti.34 Zugleich wurde er entgegen der Befehle aus Istanbul von den
lokalen Kommandeuren als Oberbefehlshaber der Truppen in Anatolien
anerkannt. Das Ende 1919 neu gewählte Parlament des Reiches verabschiedete
einen „Nationalen Pakt“, der die Ziele des Widerstandes formulierte und sich
dabei an die Erklärungen der beiden vorangegangenen Kongresse in Anatolien
anlehnte. Mit der Besetzung Istanbuls durch die Alliierten am 16. März 1920
und der Gründung einer gewählten Großen Nationalversammlung (Büyük
Millet Meclisi) in Ankara am 23. April 1920, der sich 92 aus Istanbul geflohene
Parlamentarier anschlossen, war auch die Trennung zwischen der Istanbuler
Regierung einerseits und dem Parlament und der Führung des Nationalen
Widerstandes in Ankara andererseits endgültig vollzogen. Sie wurde von
wechselseitigen Verurteilungen durch die Fatwas führender islamischer
Gelehrter auf beiden Seiten begleitet. Kemal und die Nationalisten, die
sich weiterhin als Beschützer des Sultan-Kalifen präsentierten, bemühten sich
mit großem Erfolg um die Unterstützung der religiösen Würdenträger in
Anatolien.
Die Friedensverhandlungen in Paris 1919 bis 1920, bei denen die Vertreter des
Osmanischen Reiches unter demütigenden Umständen empfangen wurden,
und der für das Reich desaströse Friedensvertrag beraubten Sultan und
Regierung jeglicher Grundlage für eine glaubwürdige Politik. Der Vertrag von
Svres ließ vom Osmanischen Reich lediglich einen Rumpfstaat übrig, der
Istanbul, einen schmalen Gürtel auf der europäischen Seite des Bosporus sowie
das nördliche Kleinasien umfassen sollte.35 Die Reste der europäischen Türkei
sowie Izmir und seine Umgebung sollten an Griechenland gehen, die
Meerengen internationalisiert werden. Ostanatolien war als Teil einer unabhängigen Republik Armenien ausgewiesen, Kurdistan wurde die Autonomie
und das Recht auf spätere Unabhängigkeit zugesprochen. Frankreich erhielt
neben seinen Mandaten für Libanon und Syrien eine Einflusssphäre in
Südanatolien, desgleichen Italien im Südwesten und Westen. Großbritanniens
Mandate umfassten Palästina, Transjordanien und den Irak. Die Tatsache, dass
Griechenland im offiziellen Auftrag der Konferenz Izmir und seine Umgebung
bereits im Mai 1919 besetzt hatte, verstärkte in Anatolien die Entschlossenheit
zum Kampf, der bei Unterzeichnung des Vertrages durch die Istanbuler
Regierung bereits im Gange war.
34 Für den Inhalt der Erklärung von Erzurum, die die nationalen Ziele des Widerstandes
formulierte, Shaw u. Shaw, Reform, Revolution, and Republic, S. 344 f.
35 Zur Behandlung der Aufteilung des Osmanischen Reiches auf der Friedenskonferenz
und zum Vertrag von Svres Zürcher, Turkey, S. 147; Macmillan, Paris 1919, S. 366 – 380
u. S. 427 – 455, siehe auch Karte, S. xxi; Paul C. Helmreich, From Paris to Svres. The
Partition of the Ottoman Empire and the Peace Conference of 1919 – 1920, Columbus,
OH 1974. Englische Fassung des Vertrages: The Peace Treaty of Svres, in: The World
War I Document Archive, http://wwi.lib.byu.edu/index.php/Peace_Treaty_of_Svres.
198
Stefan Reichmuth
Die entscheidende zweite Phase von 1920 bis zum September 1922 umfasst den
Unabhängigkeitskrieg, der von Armee und Milizen zunächst im Osten gegen
die Truppen der armenischen Republik geführt wurde. Danach richtete er sich
gegen die griechische Armee, die im Westen im Sommer 1920 ihre Besatzung
auf ganz West- und Nordwest-Anatolien ausgedehnt hatte. Den anatolischen
Streitkräften gelang es, die armenischen Verbände allmählich aus den ihnen
zugesprochenen Provinzen zu verdrängen; zu gleicher Zeit verhandelte die
Regierung in Ankara mit der Sowjetunion über einen Vertrag, der ihr
umfassende finanzielle und militärische Hilfe verschaffen sollte. Nach dem
türkischen Sieg über Armenien, besiegelt durch einen Diktatfrieden von
Gümrü am 2. Dezember 1920, verlagerten sich die Kämpfe auf die westliche
Front, wo der Vormarsch der griechischen Armee am Inönü am 10. Januar
1921 erstmals zum Halten gebracht wurde. Nach diesem Sieg krönte Ankara
seine Verhandlungen mit der Sowjetunion am 16. März 1921 mit einen
Freundschaftsvertrag, der ihr eine umfassende finanzielle und militärische
Unterstützung zusicherte. Er dokumentiert das Interesse beider Regierungen
an internationaler Anerkennung und markiert zugleich den Wechsel in der
Strategie der Bolschewiki vom Revolutionsexport hin zu einer strategischen
Unterstützung von Staaten und Bewegungen, die sich im Kampf mit den
Imperialmächten befanden und damit sowjetischen Interessen dienten.36
Die siegreiche vierzehntägige Schlacht am Sakarya-Fluss – nur 50 Meilen von
Ankara entfernt – gegen die erneute Offensive der griechischen Armee, und die
türkische Offensive, die im folgenden Sommer am 26. August 1922 begann,
erzwangen den vollständigen griechischen Rückzug aus Anatolien. Er wurde
am 9. September mit der türkischen Besetzung von Izmir beendet, das
offenbar von den siegreichen Eroberern in Brand gesteckt wurde.37 Eine
militärische Konfrontation zwischen den britischen Besatzungstruppen und
den nach Istanbul vorrückenden türkischen Truppen wurde durch einen
neuen Waffenstillstand in Mudanya am 10. Oktober 1922 vermieden.
Mit diesem Waffenstillstand begann die dritte Phase, die von Ende 1922 bis
1924 reichte und die internationale Anerkennung und interne Konsolidierung
der Republik und ihrer Verfassung einschloss. Als die Istanbuler Regierung
Ankara vorschlug, eine gemeinsame Delegation zur Friedenskonferenz nach
Lausanne zu schicken, führte dies in Ankara zu heftigen Reaktionen und
schließlich zur Abschaffung des Sultanates durch die Nationalversammlung
am 1. November 1922. An die Stelle des abgesetzten Sultans, der auf einem
36 Zu diesem Strategiewechsel, der sich gleichzeitig auch in Freundschaftsverträgen mit
dem Iran und Afghanistan niederschlug, Baberowski, Der Feind ist überall, S. 249 f. Ihm
fiel auch die 1919 in Baku gegründete türkische Kommunistische Partei zum Opfer,
deren Führer in der Türkei ermordet wurden. Zu den wechselvollen frühen Beziehungen
zwischen der Türkei und den Bolschewiki Bülent Gökay, A Clash of Empires. Turkey
between Russian Bolshevism and British Imperialism, London 1997.
37 Kreiser, Atatürk, S. 170 ff.
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Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken
199
britischen Kriegsschiff am 17. November ins Ausland floh, trat sein Vetter Abd
ül-Mecid II. als Kalif, der auf strikt religiöse Funktionen beschränkt wurde. Die
Souveränität des Staates verblieb bei der Nationalversammlung.
Die langwierigen Verhandlungen in Lausanne führten schließlich zu einem
Vertrag, der am 24. Juli 1923 unterzeichnet wurde und die Türkische Republik
als souveränen unabhängigen Staat, nahezu in ihren heutigen Grenzen,
anerkannte. Die Hatay-Region um Iskenderun und Antakya kam 1939 hinzu.
Mit Griechenland wurde ein weitgehender Bevölkerungsaustausch der jeweils
verbliebenen Minderheiten vereinbart.38 Ansprüche Armeniens und Kurdistans blieben unerwähnt. Mit dem Abschluss dieses Vertrages ging für die
Türkei eine lange und äußerst verlustreiche Zeit der Kriege zu Ende: Weltkrieg
und Unabhängigkeitskrieg hatten etwa 2,5 Millionen anatolischen Muslimen
das Leben gekostet, daneben circa einer Million Armeniern und bis zu 300.000
Griechen.39
Nach der Ratifizierung des Vertrags von Lausanne und dem Abzug der
Alliierten aus Istanbul proklamierte das Parlament am 29. Oktober 1923 die
Republik Türkei. Mustafa Kemal wurde zum Staatspräsidenten gewählt. Mit
der Abschaffung des Kalifates am 3. März 1924 durch die Nationalversammlung wurde schließlich die letzte symbolische Verbindung der Türkei zum
Osmanischen Reich gelöst. Zugleich wurde jeder Anspruch auf internationale
islamische Autorität aufgegeben, den die osmanische Politik seit den Tagen
Abd ül-Hamids II. besonders betont hatte. Dies traf insbesondere die
muslimische Nationalbewegung in Britisch-Indien, für die die Unterstützung
des osmanischen Kalifates nach 1919 eine zentrale politische Bedeutung
gewonnen hatte und die nunmehr ihren externen Rückhalt verlor.40 Zugleich
wurden auch das einflussreiche Amt des Şeyh ül-Islam und die islamischen
Gerichte und Schulen abgeschafft. Hiermit lösten Mustafa Kemal und seine
Anhänger die Allianz mit dem islamischen Flügel der Nationalisten und
setzten in der Folge mit großer Entschlossenheit ein „laizistisches“ Reformprogramm durch, das den Aufbau eines modernen zentralistischen Staats- und
Wirtschaftsapparates begleitete. In den folgenden Jahren wurden sowohl die
38 Siehe zum Bevölkerungsaustausch zwischen der Türkei und Griechenland und seinen
Folgen z. B. Rene Hirschon (Hg.), Crossing the Aegean. An Appraisal of the 1923
Compulsory Population Exchange between Greece and Turkey, Oxford 2003; Onur
Yildirum, Diplomacy and Deplacement. Reconsidering the Turco-Greek Exchange of
Populations, 1922 – 1934, New York 2007.
39 Zürcher, Turkey, S. 163 f.
40 Zur Kalifatsbewegung und ihrer Rolle in der Nationalbewegung in Indien seit 1918, M.
Naeem Qureeshi, Pan-Islam in British Indian Politics. A Study of the Khilafat Movement,
1918 – 1924, Leiden 1999; Gail Minault, The Khilafat Movement. Religious Symbolism
and Political Mobilization in India, New York 1982.
200
Stefan Reichmuth
religiösen Bruderschaften41 als auch die jungtürkischen Kader, die beide
wichtige Beiträge zum Unabhängigkeitskrieg geleistet hatten, von ihm entschlossen bekämpft und an den Rand gedrängt.42 Die Erfolge Mustafa Kemals
im Befreiungskrieg wie bei der Errichtung einer autoritären republikanischen
Herrschaft und bei der Modernisierung der Türkei stießen unter Muslimen auf
ein weites, wenn auch zwiespältiges Echo.43 Trotz vielfacher, meist religiöser
Bedenken wurden sie von vielen politischen Aktivisten als Vorbild betrachtet,
insbesondere von den reformistisch und modernistisch gesonnenen Militärs
und Bürokraten im Nahen und Mittleren Osten, die innerhalb monarchischer
Staaten oder unter Kolonialherrschaft tätig waren.
2. Iran
Der nördliche und nordwestliche Iran war ebenfalls verschiedentlich zum
Kriegsschauplatz geworden. Osmanische Vorstöße ins iranische Aserbaidschan und Kermanschah, aber auch in weiter südlich gelegene Regionen
flankierten die wechselvollen Kämpfe in Ostanatolien und im Kaukasus bis
zum Ende des Krieges. Verschiedene ethnische, tribale und religiöse Gemeinschaften wurden immer wieder auf verschiedenen Seiten in diese Kämpfe
hineingezogen. Deutsche Diplomaten und Agenten gewannen in den ersten
Kriegsjahren vorübergehend großen Einfluss auf Herrscher und Regierung,
die aber an ihrer Neutralität festhielten. Der Vormarsch russischer Truppen
führte 1915 zur Emigration einer größeren Zahl oppositioneller Abgeordneter
des Parlamentes, das damit seine Beschlussfähigkeit verlor. In Kermanschah
bildeten sie eine vorläufige nationalistische Gegenregierung.44 Diese erkannte
den Schah formell weiterhin an, stand aber in enger Beziehung zu den
Deutschen. Sie unterhielt enge Beziehungen zu dem Komitee iranischer
Nationalisten, das 1915 unter dem demokratischen Abgeordneten Seyyed
Hasan Taqizade mit deutscher Unterstützung in Berlin gegründet worden war
und dort bis 1919 eine einflussreiche persischsprachige Zeitung (Kāveh)
herausgab. Der Abzug der osmanischen Truppen aus Kermanschah unter dem
Druck des britischen Vormarsches im Irak hatte 1917 auch der vorläufigen
Regierung ein Ende bereitet. Der offiziell neutrale Iran blieb dabei trotz aller
Kämpfe auf seinem Territorium und trotz ökonomischer Krisen und Hun41 Zur Rolle der Sufi-Bruderschaften in der Unabhängigkeitsbewegung Hülya KüÅük, The
Role of the Bektāshı̄s in Turkey’s National Struggle, Leiden 2002.
42 Zürcher, Turkey, S. 166 – 175.
43 Für die zeitweise engen Beziehungen zwischen Kemal und den arabischen Nationalisten
z. B. Eliezer Tauber, Syrian and Iraki Nationalist Attitudes to the Kemalist and Bolshevik
Movements, Middle Eastern Studies 30. 1994, S. 896 – 915; Provence, Ottoman Modernity.
44 Hierzu und zum folgenden besonders Mansoureh Ettehadiye, The Iranian Provisional
Government, in: Touraj Atabaki (Hg.), Iran and the First World War, London 2006,
S. 9 – 27.
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Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken
201
gersnöte als Staat in seinen Grenzen der Vorkriegszeit erhalten. Eine
Anerkennung als Siegermacht blieb ihm freilich verwehrt.
In der Provinz Gilan im Nordiran konnte sich für kurze Zeit zwischen Juni 1920
und September 1921 eine Persische Sozialistische Sowjetrepublik etablieren.45
Sie ging aus einem Bündnis der nationalistischen Jangali-Bewegung unter
Mirza Kuchak Khan mit den Bolschewiki hervor, die im Mai 1920 Truppen in
die Region entsandt hatten. Mirza Kuchak Khan (1880 – 1921) hatte seit 1915
gegen die zaristischen Truppen und später auch gegen die Briten im Nordiran
gekämpft und dabei in enger Verbindung mit deutschen und osmanischen
Militärs und Diplomaten gestanden. Er hatte sich zeitweilig auch mit den
Briten verständigt und verfügte über gute Kontakte zu den Bolschewiki in
Baku. Die Jangali-Bewegung, die er über mehrere Jahre anführte und die zu
den bedeutenden politischen Kräften im Nordiran gehörte, verband panislamische und sozialistische Ideologiestränge mit einem persischen Nationalismus. Durch ihren Versuch einer grundlegenden Landreform unterschied
sie sich deutlich von anderen nationalistischen Vereinigungen im Iran. Ihre
schillernde ideologische Ausrichtung reflektiert ihre wechselnden externen
Beziehungen, aber auch ihre sozial heterogene Basis in der Region. Die
iranischen kommunistischen Funktionäre übernahmen schließlich die Macht
in der Republik, verloren aber durch ihre radikalen Maßnahmen bald die
Unterstützung der Bevölkerung. Letztlich fiel die Republik dem Wechsel in der
sowjetischen Politik zum Opfer, die nunmehr die Freundschaftsverträge mit
den sich allmählich neu konsolidierenden Staaten Iran (26. Februar 1921),
Afghanistan (28. Februar 1921) und Türkei (16. März 1921) einem Export der
Revolution vorzog. Schließlich wurde Mirza Kuchak Khan im September 1921
von den Truppen der iranischen Regierung geschlagen und kam auf der Flucht
ums Leben. Damit hatte die erste Sowjetrepublik außerhalb des Territoriums
des ehemaligen Zarenreiches ihr Ende gefunden. Wie die kurzlebigen
Republiken im Kaukasus und in Zentralasien illustriert sie die für die gesamte
Region typische Mischung aus Nationalismus, Pan-Islamismus und Sozialismus, die den ideologischen Hintergrund dieser Gründungen bildete. Muslimische Bildungseliten, Militärführer und politische Aktivisten versuchten in
ihnen, Gruppen sehr unterschiedlicher Schichtung und Bildung für eine
politische Selbstbestimmung auf der Basis ihrer muslimischen regionalen
Identität zu gewinnen und dafür die Unterstützung der Sowjetunion zu
45 Über die Jangali-Bewegung von Mirza Kuchak Khan und die Sowjet-Republik Gilan,
Schapour Ravasani, Sowjetrepublik Gilan. Die sozialistische Bewegung im Iran seit Ende
des 19. Jahrhunderts bis 1922, Berlin 1972; Chosroe Chaqueri, The Soviet Socialist
Republic of Iran, 1920 – 1921. Birth of the Trauma, Pittsburgh 1995; Abdul Hadi Hairi,
Kūčak Khān Jangali, in: Bearman, Encyclopaedia of Islam, Bd. 5, Leiden 19862, S. 310 f.;
Baberowski, Der Feind ist überall, S. 248 ff.; Pezhmann Dailami, The Populists of Rasht.
Pan-Islamism and the Role of the Central Powers, in: Atabaki, Iran and the First World
War, S. 137 – 162.
202
Stefan Reichmuth
mobilisieren, die sie freilich ihrerseits ihren eigenen Plänen zu unterwerfen
suchte oder sie im Falle der Republik Gilan ihrem außenpolitischen Kalkül
opferte.
Sieger über Mirza Kuchak Khan blieb Riza Khan, der Kommandeur der
Kosakenbrigade und damit der mächtigste Heerführer des Landes, dessen
militärischer und politischer Aufstieg sich zur selben Zeit wie der Mustafa
Kemals in Anatolien vollzog.46 Während aber einige größere Abteilungen der
osmanischen Armee in Anatolien noch weitgehend intakt geblieben waren und
so die Entwicklung einer erneuerten türkischen Armee ermöglichten, gewann
Riza Khan sein Ansehen durch seinen Einsatz für den Aufbau einer nationalen
Armee im Iran, für den er nach einem Staatsstreich im Februar 1921, an dem er
beteiligt war, die Unterstützung der neuen Regierung erhielt. Auch diese
Regierung schloss, wie erwähnt, einen Freundschaftsvertrag mit der Sowjetunion ab, um sich gegenüber der Vorherrschaft der Briten den Rücken zu
stärken. Der anglo-persische Vertrag von 1919 wurde zur gleichen Zeit
endgültig abgelehnt. Schließlich trat Riza Khan als Kriegsminister in die
Regierung ein. Seine Erfolge im Kampf gegen regionale Stammesführer und
gegen die Sowjetrepublik Gilan und seine Machtbasis in der erneuerten Armee
machten ihn zur beherrschenden politischen Figur. Seine Beziehungen zum
Parlament waren sehr wechselvoll. 1923 wurde er zum Premierminister
ernannt und im März 1924 unterstützte er Bestrebungen zur Umwandlung
Irans in eine Republik. Damit wollte er seine Autorität offensichtlich aus der
Bindung an den Qajaren-Herrscher lösen. Dies stieß jedoch auf Widerstand im
Parlament. Aber auch den religiösen Gelehrten diente die Abschaffung des
osmanischen Kalifates und der islamischen Gerichte und Schulen, die in der
Türkei im selben Monat verkündet wurde, als abschreckendes Beispiel dafür,
was sie von einer Republik zu erwarten hätten. Riza Khan lenkte ein, erreichte
sein Ziel uneingeschränkter Herrschaft aber im folgenden Jahr, nachdem ihm
der Sieg über die mit den Briten verbündeten Stammesführer im Südiran
gelungen war. Am 31. Oktober 1925 setzte das Parlament den letzten Qajaren
Ahmad Schah ab, beendete die Herrschaft der Qajaren-Dynastie und stimmte
schließlich am 12. Dezember mit großer Mehrheit für die Erhebung von Riza
Khan zum neuen Monarchen. Im folgenden Jahr gekrönt, begann der neue
Schah mit einem umfassenden Modernisierungsprogramm, das in vieler
Hinsicht dem der Türkei ähnelte, auch wenn es sich als weniger durchgreifend
erwies und die Stellung der schiitischen Gelehrten kaum antastete. Der
46 Gavin R. G. Hambly, Art. Ridā Shāh, in: Bearman, Encyclopedia of Islam, Bd. 8, Leiden
˙
19952, S. 511 – 514; Homa Katouzian, State and Society under Reza Shah, in: Touraj
Atabaki u. Erik J. Zürcher (Hg.), Men of Order. Authoritarian Modernization under
Atatürk and Reza Shah, London 2004, S. 13 – 43; Touraj Atabaki, The Caliphate, the
Clerics and Republicanism in Turkey and Iran. Some Comparative Remarks, in: ebd.,
S. 44 – 64; Stephanie Cronin, The Army, Civil Society and the State in Iran, 1921 – 1926,
in: ebd., S. 130 – 163.
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Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken
203
Vergleich der autoritären „Erziehungsdiktaturen“ in der Türkei und Iran mit
den Führerfiguren anderer Staaten der 1920er und 1930er Jahre liegt auf der
Hand, lässt aber auch deutliche Unterschiede etwa in der Rolle des Militärs und
der politischen Ideologien und Massenbewegungen, aber auch in der Funktion
des Rechtes innerhalb der staatlichen Institutionen erkennen.47 Der Durchbruch eines von Staats wegen geförderten säkularen Nationalismus war in
beiden unverkennbar. Auch im Iran ging der Erneuerung der Monarchie ein
gescheitertes republikanisches Experiment voraus, und ein Monarch, der
selbst nicht aus der Aristokratie stammte, wurde vom Parlament ernannt und
legitimiert.
3. Der arabische Nahe Osten
Nach längeren Geheimverhandlungen mit dem britischen High Commissioner
in Ägypten, Henry MacMahon, in die auch arabische nationalistische
Oppositionelle einbezogen wurden, begann der Emir von Mekka, Scharif
Husain, mit seinen Söhnen Faisal und Abdallah im Sommer 1916 einen
arabischen Aufstand gegen die Osmanen. Damit trug er wesentlich zu einer
Entlastung der bedrängten anglo-indischen Militäreinheiten im Irak bei. Bis
1918 konnten diese den gesamten südlichen und zentralen Irak besetzen. Ende
1916 ging die britische Armee von Ägypten aus in die Offensive. Jerusalem
wurde schließlich am 9. Dezember 1917 erobert. Die Truppen Faisals unterstützten die Briten an ihrer östlichen Flanke und stießen ebenfalls nach Syrien
vor. Damaskus wurde von beiden am 1. Oktober 1918 besetzt. Nunmehr ging
auch die politische Initiative an die arabischen Nationalisten über, die den
Scharifen und seine Söhne unterstützt hatten.
Die Etablierung einer politischen Nachkriegsordnung erwies sich wegen der
widersprüchlichen Abkommen und Verpflichtungen, die die Alliierten während des Krieges untereinander und mit ihren verschiedenen Verbündeten
eingegangen waren, als äußerst schwierig. Insbesondere kollidierten die
britisch-französischen Absprachen zur Aufteilung der wechselseitigen Interessensphären im Nahen Osten, die im Sykes-Picot-Abkommen 1916 getroffen
worden waren, mit den Versprechen, die der britische Hochkommissar in
seiner Korrespondenz mit dem Scharifen Husain abgegeben hatte. Diese
umfassten die Anerkennung eines unabhängigen arabischen Königreiches,
über dessen Grenzen jedoch keine Einigkeit erzielt worden war. Die Rolle der
französischen wie der britischen Interessen in Libanon, Syrien und im Irak war
in dieser Korrespondenz ebenfalls unklar geblieben.48 Ab 1917 kamen
47 Siehe für einen derartigen Vergleich z. B. Stefan Plaggenborg, Ordnung und Gewalt.
Kemalismus – Faschismus – Sozialismus, München 2012.
48 C. Ernest Dawn, From Ottomanism to Arabism. Essays on the Origins of Arab
Nationalism, Urbana 1973; Schulze, Geschichte der Islamischen Welt, S. 77 ff.; Helmut
Mejcher, Der arabische Osten im zwanzigsten Jahrhundert, 1914 – 1985, in: Ulrich
Haarmann (Hg.), Geschichte der arabischen Welt, München 19944, S. 432 – 501, hier
204
Stefan Reichmuth
Differenzen über das zionistische Projekt einer „jüdischen nationalen Heimstätte in Palästina“ hinzu, zu dessen Unterstützung sich die britische
Regierung in einem Brief des Außenministers Lord Balfour (veröffentlicht
am 9. November 1917) an den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in
Großbritannien verpflichtet hatte.49
Die Lage und die Zukunft in Syrien50 und im Irak,51 die beide von den Briten
besetzt waren, blieben zunächst unklar. In Damaskus errichteten die arabischen Nationalisten nach ihrem Einmarsch eine eigene Regierung unter Ali
Pascha ar-Rikabi, einem früheren osmanischen General, der sich der arabischen Armee Faisals angeschlossen hatte. Sie berief sich auf den Scharifen
Husain und auf Faisal als dessen Repräsentanten in Syrien und wurde zunächst
von Briten und Franzosen als vorläufige Regierung der mittleren Besatzungszone zwischen Aleppo und dem Libanon akzeptiert. Nachdem sich bei den
Verhandlungen in Paris, an denen Faisal ebenfalls teilnahm, eine französische
Besetzung sowie eine britisch-zionistische Kooperation in Palästina52 abzeichneten, erklärte der Allgemeine Syrische Kongress, der vom 3. Juni bis zum
19. Juli 1919 in Damaskus tagte und sich als politisch souveräne Vertretung
arabischer Interessen in ganz Syrien verstand, die Ablehnung des Sykes-Picot-
49
50
51
52
S. 440 ff.; Gudrun Krämer, Geschichte Palästinas, München 2002, S. 172 – 176; William
L. Cleveland, A History of the Modern Middle East, Boulder, CO 20043, S. 157 – 161.
Krämer, Geschichte Palästinas, S. 178 f.; Macmillan, Paris 1919, S. 410 – 418.
Zeine N. Zeine, Struggle for Arab Independence. Western Diplomacy and the Rise and
Fall of Faisal’s Kingdom of Syria, New York 1977; Andr Raymond, La Syrie, du
Royaume arabe l’independence (1914 – 1946), in: ders. (Hg.), La Syrie d’aujourd’hui,
Aix-en-Provence 1980, S. 55 – 85, http://books.openedition.org/iremam/730; Philip S.
Khoury, Syria and the French Mandate. The Politics of Arab Nationalism, 1920 – 1945,
Princeton 1987; James L. Gelvin, Divided Loyalties. Nationalism and Mass Politics in
Syria at the Close of Empire, Berkeley 1998; Eliezer Tauber, The Formation of Modern
Syria and Irak, Ilford 1995; Grard D. Khoury, La France et l’Orient arabe. Naissance du
Liban moderne, Paris 1993; Cleveland, A History of the Modern Middle East,
S. 217 – 238; zur Entstehung der Nachkriegsordung im Nahen Osten allgemein James
L. Gelvin, The Modern Middle East. A History, New York 2005, S. 171 – 221; Macmillan,
Paris 1919, S. 381 – 409; Jean-David Mizrahi, Une relecture de l’vnement. La chute du
Royaume arabe de Damas en 1920, in: Revue des mondes musulmans et de la
Mditerrane 105 / 106. 2005, S. 309 – 325.
Zum Irak Charles Tripp, A History of Irak, Cambridge 20002 ; Pierre-Jean Luizard, La
Formation de l’Irak Contemporain. La rle politique des ulmas chiites la fin de la
domination ottomane et au moment de la cration de l’Etat irakien, Paris 1991; Hanna
Batatu, The Old Social Classes and the Revolutionary Movement of Irak, Princeton 1978;
William L. Cleveland, A History of the Modern Middle East, S. 204 – 213; Tauber, The
Formation of Modern Syria and Irak; Wadie Jwaydeh, Kurdish National Movement. Its
Origins and Development, Syracuse 2006.
Cleveland, A History of the Modern Middle East, S. 239 – 271; Krämer, Geschichte
Palästinas; Macmillan, Paris 1919, S. 410 – 426.
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Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken
205
Abkommens und der Balfour-Deklaration.53 Faisal verhandelte erneut in Paris.
Seine Übereinkunft mit Clemenceau, in der er die französische Besatzung der
Küstenregion und französische Berater im Gegenzug zu einer Anerkennung
als König von Syrien akzeptierte, scheiterte an der entschiedenen Ablehnung
durch die arabischen Nationalisten und den Syrischen Kongress. Dieser rief
am 7. März 1920 die Unabhängigkeit Syriens unter Faisal als „König der
Araber“ aus. Nachdem die Konferenz von San Remo am 25. April 1920
Frankreich das Mandat für Syrien erteilt hatte, schritt die französische
Regierung zur Besetzung ihrer Mandatsgebiete. Schließlich wurde eine von der
Damaszener Regierung eilig zusammengestellte Armee am 24. Juli 1920 von
den französischen Truppen in Maisalūn vernichtend geschlagen. Damit hatte
auch das Syrische Königreich sein Ende gefunden. Faisal musste Syrien
verlassen. Die Franzosen teilten ihr Mandatsgebiet zunächst in mehrere kleine
Republiken auf, die fest unter ihrer Kontrolle verblieben. Der Libanon wurde
zum Groß-Libanon in den heutigen Grenzen erweitert. Damaskus und Aleppo
bildeten eigene Staaten, ebenso das Drusen-Gebirge, der Alawiten-Staat an der
syrischen Küste, und das Gebiet um Alexandrette / Iskenderun, das 1939 an die
Türkei übergeben wurde. Diese Aufteilung fand durchaus die Unterstützung
regionaler Eliten (besonders bei den Christen des Libanon), blieb aber sehr
instabil, und die französische Mandatsherrschaft wurde bereits 1925 durch
eine Reihe von Aufständen erschüttert, in denen sich antikoloniale Bestrebungen und kommunale Konflikte überlagerten.54
Auch die Briten waren in ihren Mandatsgebieten sehr bald mit starkem lokalen
Widerstand konfrontiert. 1920 und 1921 kam es in Palästina zu heftigen
Unruhen,55 die eine erste Revision der britischen Politik auslösten. Der von
Sunniten wie Schiiten unterstützte Aufstand im Irak 1920 erschütterte die
53 Zum Allgemeinen Syrischen Kongress, in der Literatur auch als „Syrischer Kongress“,
„arabischer Kongress“ oder als „arabischer Nationalkongress“ bezeichnet, Raymond,
La Syrie, du Royaume arabe l’independence, Online-Ausgabe, § 17; ausführlich Tauber,
The Formation of Modern Syria and Irak, S. 16 ff., siehe auch im Index unter „Syrian
Congress“, S. 415; Schulze, Geschichte der Islamischen Welt, S. 80 f. Übersetzung der
Erklärung vom 2. 7. 1919 in Jacob C. Hurewitz, The Middle East and North Africa in
World Politics. A Documentary Record, New Haven 1979, S. 180 – 182.
54 Khoury, Syria and the French Mandate; Lena Bokova, La confrontation Franco-syrienne
l’poque du mandat 1925 – 1927, Paris 1990; Michael Provence, The Great Syrian
Revolt, Austin 2005; für das Drusengebiet Birgit Schäbler, Aufstand im Drusenbergland.
Ethnizität und Integration in einer ländlichen Gemeinschaft Syriens vom Osmanischen
Reich bis zur staatlichen Unabhängigkeit 1850 – 1949, Gotha 1996; für die spezifisch
drusische Identitätsbildung dies., Constructing an Identity between Arabism and Islam.
The Druzes in Syria, in: The Muslim World 103. 2013, S. 62 – 79.
55 Krämer, Geschichte Palästinas, S. 244 – 253.
206
Stefan Reichmuth
britische Herrschaft;56 er führte zur Einberufung einer Notabeln-Regierung
und schließlich zur Einführung einer Monarchie, um für die grundlegend
verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen und politischen Strömungen des Landes einen Fokus der Loyalität zu schaffen. Das Königsamt wurde
Faisal angeboten, der es annahm und am 23. September 1921 zum König
gekrönt wurde. Unter ihm erreichte der Irak 1932 seine Unabhängigkeit. Zur
gleichen Zeit wurde Faisals Bruder Abdallah als Emir und späterer König in
Transjordanien installiert. Beide vermehrten die Zahl der in unterschiedlichen
Abhängigkeitsverhältnissen und Vertragsbeziehungen zu Großbritannien
verbleibenden Monarchien in der britischen Interessensphäre im Nahen
Osten, zu denen die Golfemirate, das Sultanat Oman, die südjemenitischen
Sultanate, Ägypten und bald auch Saudiarabien gehörten.
In Ägypten, das 1914 zum britischen Protektorat erklärt worden war,
erzwangen landesweite Demonstrationen und Aufstände 1919 ebenfalls
einen grundlegenden Wandel in der britischen Politik.57 Auch hier hatten
Wilsons Reden und Erklärungen ein enthusiastisches Echo gefunden und
große Hoffnungen auf eine bevorstehende Unabhängigkeit geweckt. Schließlich bildete sich eine Gruppe von prominenten Ägyptern – Grundbesitzern
und Anwälten – unter Führung von Sa‘d Zaghlul, die sich um die Entsendung
als ägyptische Delegation (Wafd) zu den Pariser Verhandlungen bemühte.
Dort wollten sie für die vollständige Unabhängigkeit des Landes eintreten. Als
sie vom Hochkommissar und von der britischen Regierung abschlägig
beschieden wurden, begannen sie mit einer landesweiten Kampagne, die die
Unterstützung der Bevölkerung für ihre Unabhängigkeitsbestrebungen mobilisieren sollte. Zaghlul und drei andere Führer wurden daraufhin im März
1919 verhaftet und verbannt. Dies bildete den Auslöser für Massendemonstrationen in den Metropolen und vielen anderen Städten, aber auch für
ländliche Aufstände, in denen sich der in der Kriegszeit angestaute Groll gegen
die Briten wie gegen die einheimischen Grundbesitzer und Profiteure des
56 Tripp, History of Irak, S. 40 – 45; Amal Vinogradov, The 1920 Revolt in Iraq Reconsidered. The Role of Tribes in National Politics, in: International Journal of Middle East
Studies 3. 1972, S. 123 – 139; Reeva Spector Simon u. Eleanor H. Tejirian (Hg.), The
Creation of Iraq, 1914 – 1921, New York 2004.
57 Cleveland, A History of the Modern Middle East, S. 193 – 204; Panayiotis J. Vatikiotis,
The History of Modern Egypt. From Muhammad Ali to Mubarak, London 19914,
S. 249 – 286; Reinhard Schulze, Die Rebellion der ägyptischen Fallahin 1919. Zum
Konflikt zwischen der agrarisch-orientalischen Gesellschaft und dem kolonialen Staat
in Ägypten, 1820 – 1919, Berlin 1981; Martin W. Daly, The British Occupation,
1882 – 1922, in: ders. (Hg.), Cambridge History of Egypt, Bd. 2: Modern Egypt, from
1517 to the Twentieth Century, Cambridge 1998, S. 235 – 251, hier S. 245 – 251; Manela,
Wilsonian Moment, S. 63 – 75 u. S. 141 – 157; für die große Bedeutung der Populärkultur
für die ägyptische Revolte Ziad Adel Fahmy, Ordinary Egyptians. Creating the Modern
Nation through Popular Culture, Stanford 2011, S. 134 – 166.
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Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken
207
Krieges entlud. Die Briten, die das Land nur mithilfe der einheimischen
Verwaltungsschicht unter Kontrolle bringen konnten, lenkten schließlich ein
und ließen die Abreise der Delegation zur Pariser Friedenskonferenz zu. Dort
wurde ihr allerdings kaum Gehör geschenkt, da Wilson und die amerikanische
Delegation die britische Position zu Ägypten unterstützten. Das Protektorat
über Ägypten wurde in Paris bestätigt. Die Briten selbst bezogen danach
Zaghlul und seine Anhänger in ihre Verhandlungen mit ägyptischen Politikern
über die Zukunft der anglo-ägyptischen Beziehungen ein. Da diese Verhandlungen angesichts der strikten Forderung Zaghluls nach vollständiger Unabhängigkeit erfolglos blieben, erklärte der Hochkommissar Allenby schließlich
am 22. Februar 1922 einseitig die Unabhängigkeit Ägyptens, wobei er zugleich
die Entscheidung über wesentliche Interessenbereiche des Empires in Ägypten
für Großbritannien reservierte. 1923 wurde eine neue Verfassung proklamiert,
die Ägypten als konstitutionelle Monarchie begründete. Aus den ersten
Wahlen im Januar 1924 gingen Sa‘d Zaghlul und seine Wafd-Partei mit einem
überwältigenden Wahlsieg hervor. Der König und die Briten hatten sich jedoch
weitgehende politische Einflussmöglichkeiten gesichert, und die Rivalität, die
sich in der Folge zwischen den drei Machtzentren des Landes entwickelte,
sollte die politische Entwicklung in der Zwischenkriegszeit immer wieder
nachhaltig bestimmen.
4. Nordafrika
In Nordafrika kam es nach dem Ersten Weltkrieg zu zwei Versuchen der
Gründung von Republiken in Tripolitanien und Nordmarokko. Ihre Führer,
die in der regionalen Stammesgesellschaft verankert waren, nutzten die
Schwäche der Kolonialmächte Italien und Spanien, um die Autonomie ihrer
Regionen zu sichern. Ihre politischen Vorstellungen blieben stärker als
anderswo vom islamischen Reformismus bestimmt. Gemeinsam war ihnen
ebenfalls, dass sie ursprünglich eng mit deutschen beziehungsweise osmanischen Partnern verbunden waren. Ihre Staaten fielen schließlich dem erneuten
Vordringen der Kolonialarmeen zum Opfer.
In Libyen hatten die Osmanen und die Deutschen seit 1915 den Krieg lokaler
Stammesgruppen und der Sanusiyya gegen die italienische Besatzung durch
die Entsendung von Waffen, Beratern und einigen Truppen unterstützt und
dazu beigetragen, dass die Italiener schließlich ihre Kontrolle auf wenige
Küstenstädte beschränken mussten.58 Ein Vorstoß gegen die britischen
Stellungen im Westen Ägyptens, den Ahmad asch-Scharif, das pro-osmanische Oberhaupt der Sanusiyya, auf Drängen seiner osmanischen Berater
unternahm, war 1916 unter großen Verlusten der einheimischen Kämpfer der
58 Dirk Vandevalle, A History of Modern Libya, Cambridge 2006, S. 24 – 30; Lisa Anderson,
The State and Social Transformation in Tunisia and Libya, 1830 – 1980, Princeton 1987,
S. 185 – 213.
208
Stefan Reichmuth
Sanusiyya gescheitert.59 Ahmad asch-Scharif überließ nach dieser katastrophalen Niederlage die Führung der Bruderschaft seinem Vetter Muhammad
Idris, der einen Waffenstillstand mit den Briten und später auch mit den
Italienern schloss und seinerseits versuchte, sein Herrschaftsgebiet in Libyen
auszudehnen.60
In Tripolitanien hatte sich gegen Ende des Krieges ein Bündnis von städtischen
Nationalisten und Stammesführern des Hinterlandes gebildet, das sowohl den
Italienern und danach auch der Expansion der Sanusiyya in diesem Gebiet
erfolgreich Widerstand leistete.61 Unter Führung von Sulaiman al-Baruni,
einem Publizisten, Unternehmer und ehemaligen osmanischen Abgeordneten
der Bergregion im Hinterland von Tripoli, der die Unterstützung der lokalen
Berbergruppen besaß und über enge Beziehungen zu Osmanen und Deutschen
verfügte, sowie des Oberhauptes von Misrata, Ramadan as-Suwaihili, konstituierte sich am 16. November 1918 eine Tripolitanische Republik mit eigenem
Parlament und einer Regierung, die aus al-Baruni, al-Suwaihili und zwei
weiteren Staatsräten bestand und von einem später prominenten ägyptischen
pan-arabischen Nationalisten, Abd al-Wahhab Azzam, beraten wurde.62 Die
italienische Regierung, die ihr Engagement in Libyen vorübergehend reduzieren wollte, verabschiedete 1919 jeweils für Tripolitanien und die Cyrenaica
ein „Grundgesetz“ (Legge fondamentale), das diesen Regionen weitgehende
Autonomie unter eigenen Parlamenten und Regierungsräten sowie lokale
Steuerhoheit zusicherte. Interne Streitigkeiten der beteiligten Gruppen führten schließlich zu einer Lähmung der Republik und bereits 1920 zur
Ermordung von al-Suwaihili. Al-Baruni ging 1921 ins Exil; die im Gesetz
angekündigten Parlamentswahlen wurden von den Italienern nicht durchgeführt. Im selben Jahr begann der neue italienische Gouverneur Volpi mit der
59 Jafar Pasha al-Askari, A Soldier’s Story. From Ottoman Rule to Independent Irak. The
Memoirs of Jafar Pasha al-Askari (1885 – 1936), London 2003; über seine Erfahrungen in
Libyen S. 54 – 96. Er wurde später einer der führenden Politiker des Irak.
60 Hierzu wie auch zum Krieg ausführlich Edward E. Evans-Pritchard, The Sanusi of the
Cyrenaica, Oxford 1949, S. 121 – 150. Zur Allianz zwischen Dar Fur und der Sanūsiyya
Jay Spaulding u. Lidwien Kapteijns, An Islamic Alliance. Ali Dinar and the Sanusiya,
1906 – 1916, Evanston, IL 1994.
61 Lisa Anderson, The Tripoli Republic, 1918 – 1922, in: E. George H. Joff u. Keith S.
McLachlan (Hg.), Social and Economic Development of Libya, London 1982, S. 43 – 66;
Lisa Anderson, The State and Social Transformation in Tunisia and Libya, 1830 – 1980,
Princeton 1986, S. 204 – 213; dies., Ramadan al-Suwayhli. Hero of the Libyan Resistance,
in: Edmund Burke III. (Hg.), Struggle and Survival in the Modern Middle East, Berkeley
1993, S. 114 – 128; Schulze, Geschichte der Islamischen Welt, S. 83 ff.; Dirk Vandevalle, A
History of Modern Libya, Cambridge 2006, S. 24 – 30.
62 Abd al-Wahhab Azzam (1893 – 1976) amtierte von 1945 bis 1952 als erster Generalsekretär der Arabischen Liga. Zu ihm Ralph Coury, The Making of an Egyptian Arab
Nationalist. The Early Years of Azzam Pasha, 1893 – 1936, Reading 1998.
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Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken
209
Rückeroberung Tripolitaniens und führte das Kriegsrecht ein. Im Juli 1922 bot
der neue Führungsrat der Republik in einem Treffen in Sirt der Sanusiyya die
Ausdehnung ihrer Oberhoheit über Tripolitanien an, aber auch deren Führer
Sayyid Idris zog sich vor dem italienischen Vormarsch Ende 1922 ins Exil
zurück.
Im nordmarokkanischen Rif hatte es in der Kriegszeit Versuche von deutscher
Seite gegeben, einen Aufstand gegen Spanier und Franzosen in Gang zu
bringen.63 Diese waren bereits in ihren Anfängen gescheitert; der Widerstand
der berberischen Bevölkerung verstärkte sich jedoch in der unmittelbaren
Nachkriegszeit, als die Spanier 1920 versuchten, entsprechend den Abkommen
mit Frankreich ihr Protektoratsgebiet in Nordmarokko auszudehnen. Dies
löste einen bewaffneten Aufstand der berberischen Stämme aus, in dem die
spanischen Truppen ab 1921 mehrfach vernichtend geschlagen wurden und
gezwungen waren, das Rif-Gebirge zu räumen. Der Anführer dieses Aufstandes, Muhammad b. Abd al-Karim al-Khattabi, gehörte zu einer Familie, die
lange mit den Spaniern kooperiert hatte, bis sie sich schließlich dem
Widerstand anschloss. Er selbst war durch eine islamische Ausbildung in
Fes unter den Einfluss des islamischen Reformismus gekommen, hatte dann in
Spanien studiert und war als Qadi in Melilla tätig gewesen. Seine militärischen
Erfolge verschafften ihm die Anerkennung als Führer der berberischen
Stämme. Sie beruhten auf dem Kern einer modernen Armee, die er mithilfe
von erfahrenen ehemaligen Soldaten, die in europäischen Armeen gedient
hatten, und ausländischen Beratern ausbilden ließ. Außerdem entwickelte er
ausgefeilte Taktiken des Guerilla-Krieges. 1923 ließ er die Rif-Republik
ausrufen, mit der er einen international anerkennungsfähigen Staat schaffen
wollte, um sein Territorium diplomatisch abzusichern. Die internen Reformen
von Armee, Gerichts- und Steuerwesen, die er einführte, sollten nach eigenem
63 Zur Rif-Republik und zum Rif-Krieg, deren Interpretation bis heute stark umstritten
sind, Schulze, Geschichte der Islamischen Welt, S. 85 – 88; Charles-Andr Julien (Hg.),
Abd el-Krim et la Rpublique du Rif, Paris 1976; Mohamed Chtatou, Bin ‘Abd Al-Karim
al-Khattabi in the Rifi Oral Tradition of Gzenneya, in: E. George H. Joff u. Charles R.
Pennell (Hg.), Tribe and State. Essays in Honour of Montgomery Hart, Cambridgeshire
1991, S. 182 – 212; Charles R. Pennell, A Country with a Government and a Flag. The Rif
War in Morocco 1921 – 1926, Wisbech 1986; ders., The Rif War. Link or Cul-de-sac?
Nationalism in the Cities and Resistance in the Mountains, in: Journal of North African
Studies 1. 1996, S. 234 – 247; ders., Morocco since 1930. A History, New York 2000,
S. 188 – 210; Germain Ayyache, La guerre du Rif, Paris 1996; Mohamed Tahtah, Entre
pragmatisme, reformisme et modernisme. Le role politico-religieux des Khattabi dans le
Rif (Maroc) jusqu’ 1926, Louvain 2000; Dirk Sasse, Franzosen, Briten und Deutsche im
Rifkrieg 1921 – 1926. Spekulanten und Sympathisanten, Deserteure und Hasardeure im
Dienst Abdelkrims, München 2006; Fouzia El-Asrouti, Der Rif-Krieg 1921 – 1926. Eine
kritische Untersuchung der Transformationsprozesse unter Muhammad ibn Abd alKarim al-Hattabi, Berlin 2007.
210
Stefan Reichmuth
Bekunden das Bewusstsein der Bewohner für ein stammesübergreifendes
Vaterland (watan) stärken64 und entsprachen mit ihrer Betonung des islamischen Rechtes und ihrer entschiedenen Gegnerschaft gegenüber den lokalen
Zentren der Sufi-Bruderschaften den Vorstellungen des islamischen Reformismus. Zugleich waren sie auch von Mustafa Kemals Reformen in der Türkei
inspiriert. Sie schufen ihm viele lokale Gegner, und er scheiterte mit seinem
Versuch, sich die Anerkennung der Rechtsgelehrten von Fes zu verschaffen.
Zugleich jedoch suchte er das Land zu modernisieren, ließ Straßen und eine
Nahrungsmittelfabrik für die Armee bauen, in der Frauen arbeiteten, etablierte ein sehr effektives Telefonnetz und warb für internationale Bergbauprojekte, um sich weitere Unterstützung zu verschaffen. 1925 trat die französische Armee in den Krieg gegen die Rif-Republik ein, nachdem ihre
Stellungen im französischen Protektoratsgebiet angegriffen worden waren.
Nach einem langwierigen Feldzug, in dem Franzosen und Spanier eine
gewaltige Übermacht an Soldaten einsetzten und in dem Giftgas aus deutschen
Quellen zum Einsatz kam, wurde Muhammad b. Abd al-Karim 1926 besiegt,
zur Kapitulation gezwungen und von den Franzosen ins Exil nach Runion
geschickt. Es gelang ihm schließlich, nach Kairo überzusiedeln, wo er 1963
starb.
Die militärischen Erfolge gegen die europäischen Mächte und die Ansätze
staatlicher und militärischer Organisation, aber auch ihre ideologische
Mischung aus islamischem Reformismus und säkularem Modernisierungsstreben in einer vorwiegend ländlichen Gesellschaft machten die Rif-Republik
trotz aller internen Spannungen und Widersprüche zu einem wichtigen
Symbol für die späteren nationalen Unabhängigkeitsbewegungen in Nordafrika und in der arabischen Welt.
IV. Zusammenfassung: Muslimische Trägergruppen und
Trägerkulturen der Republikgründungen und der
konstitutionellen Bewegungen
Die unterschiedlichen muslimischen Versuche zur Gründung von Republiken
in der unmittelbaren Nachkriegszeit, die hier zur Darstellung kamen, wurden
von Gruppen mit sehr unterschiedlichen religiösen und politischen Orientierungen getragen. Typisch war für die republikanischen Bewegungen meist ein
Bündnis von religiös-politischem islamischem Reformismus und Strömungen
eher säkularer, an europäischen Vorbildern orientierter Tendenz. Nicht selten
wurde dies von einer gemeinsamen Faszination für den Sozialismus und seine
Utopie der anti-imperialen Befreiung ermöglicht oder vertieft. Die Unterschiede dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sich auf dem
64 Pennell, A Country with a Government and a Flag, S. 124 u. S. 230 f.
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Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken
211
Boden einer gemeinsamen Populärkultur entfalteten, die sich seit dem
19. Jahrhundert in vielen Regionen verstärkt entwickelt hatte und zu der
nicht selten, wie im Falle der Tataren, auch das islamische elementare
Schulwesen entscheidend beigetragen hatte. Der Blick auf die Basis des
„kulturellen Nationalismus“,65 der den politischen Bewegungen der Kriegsund Nachkriegszeit des Ersten Weltkriegs zugrunde lag und der von den
Jungtürken besonders wirksam mobilisiert wurde, lässt manche der Kontraste
und Widersprüche im Spektrum dieser Bewegungen verständlicher werden
und macht zugleich ihre zugrunde liegende Einheit besser fassbar. Für die
Deutung der sozio-politischen Wandlungsprozesse bei muslimischen Gesellschaften in dieser Epoche ermöglicht er einen Mittelweg zwischen einem
ethnischen und religiösen „Primordialismus“ und dem Konzept einer Neuerfindung der Nation unter aktuellen Bedingungen.66 Der im Weltkrieg und in
der frühen Nachkriegszeit noch stark islamisch-religiös artikulierte Nationalismus, der aus den regionalen kulturellen Identitäten jeweils hervorging,
wurde von verschiedenen populären Führern wie auch von Elitegruppen aus
den bestehenden Bildungs- und Staatsapparaten zur Mobilisierung für den
Widerstand gegen die koloniale Herrschaft genutzt. Die Unterstützung durch
die religiösen Bildungsmilieus war im sowjetischen wie im türkischen Fall
erheblich; die Wege von Säkularisten und islamischen Reformisten oder, wie
im sowjetischen Fall, der „Nationalkommunisten“ trennten sich meist erst mit
der Konsolidierung der jeweiligen zentralen Herrschaft, das heißt nach
1923 / 1924. Die Entwicklung der verschiedenen Sowjetrepubliken blieb jedoch
stark von ihren muslimischen, nationalistischen Wurzeln geprägt, und das
Fortleben eines islamischen, traditionskritischen Reformismus war selbst in
der 1943 von der sowjetischen Regierung eingesetzten Religionsbehörde in
Taschkent spürbar.67
Die Rolle der Hegemonialmächte bei der Genese der neuen Republiken fiel
unterschiedlich aus. Die Unterstützung oder Tolerierung durch eine der
Kriegsparteien im Weltkrieg, seien es Deutschland, Großbritannien, Italien,
das Osmanische Reich oder Sowjetrussland, war in der Anfangsphase oft
entscheidend, und der Verlauf internationaler Spannungen und Konflikte
bestimmte in erheblichem Maße über ihr weiteres Schicksal. Verschiedene
neue Staaten wie die Republiken im Libanon und auch die Monarchie im Irak
kamen als Konstruktionen der Mandatsmächte zustande, und die Regierung
der Sowjetunion gruppierte die zentralasiatischen Sozialistischen Sowjetrepubliken mehrfach nach ihren eigenen Vorstellungen um. Dennoch zeigen das
Beispiel der Türkei und des Iran, aber auch die vielen Aufstandsbewegungen
65 Hier in Anlehnung an Gelvin, Arab Nationalism, S. 10 – 12.
66 Hierzu besonders die Diskussion um Gelvin, Arab Nationalism, mit weiteren Beiträgen
von Youssef Choueiry, S. 13 – 15, Fred Halliday, S. 16 – 18 und Fred Lawson, S. 19 – 21.
67 Ashirbek Muminov, Islamic Education in Uzbekistan, in: Kemper, Islamic Education in
the Soviet Union, S. 246 – 251.
212
Stefan Reichmuth
im Nahen Osten, dass die Macht der Imperialmächte in der Nachkriegszeit
bald an ihre Grenzen stieß; bei genauerem Hinsehen blieb auch die Nachkriegsordnung der Sowjetunion im Kaukasus und in Zentralasien in bedeutendem Ausmaß von den vorhergehenden Staatengründungen geprägt.
Wie das Beispiel der Jungtürken und auch der Jadid-Bewegungen bei den
Tataren und in Zentralasien erkennen lässt, ist es sehr schwer, die jeweiligen
muslimischen Akteure aufgrund ihrer religiös-politischen Orientierung einem
Lager zuzuordnen, zumal sich ihre ideologischen Positionen und politischen
Erfahrungen vielfach im Fluss befanden. Es lässt sich auch kaum zwischen
politischer Taktik und persönlicher Entwicklung oder Ambivalenz unterscheiden. Das oben umrissene Konzept des kulturellen Nationalismus erlaubt
es, diese Vielfalt im Rahmen eines „Diskurs-Fächers“ zu deuten, der bei allen
entfalteten Differenzen insgesamt in seiner kulturellen Basis zusammenhängt.
Dies gibt auch der Populärkultur und den tribalen und ländlichen Gruppen
innerhalb der jeweiligen Bewegungen und Staatengründungen ihr angemessenes Gewicht, das sich insbesondere für Nordafrika, aber auch für Ägypten
und den Nahen Osten erkennen lässt.68 Eine vergleichende Mentalitätsgeschichte des tiefgreifenden Wandels, die die Fülle vorliegender Einzelstudien
zu Biographien und Bewegungen und zur zeitgenössischen Publizistik in den
unterschiedlichen Sprachen zusammenführt, bleibt noch zu erarbeiten. Im
russisch beherrschten Aserbaidschan wie im Iran hatten sich säkulare
Tendenzen im Rahmen der konstitutionellen Bewegungen bereits stärker
verwurzelt; sie prägten im Iran auch den Aufstieg des Militärführers Riza
Khan, der zunächst ebenfalls nach dem Vorbild von Mustafa Kemal die
Etablierung einer Republik unter seiner Präsidentschaft anstrebte, ehe er sich
vom Parlament als neuer Monarch bestätigen ließ.
Die republikanischen Entwicklungen im arabischen Raum in Nahost und
Nordafrika sind von einem ähnlich komplexen Spektrum der Anschauungen
und Trägergruppen geprägt, ebenso freilich von der weiterhin andauernden
Präsenz der Imperialmächte in ihren Protektoraten und Mandatsgebieten.
Insgesamt kam es nach dem Ersten Weltkrieg etwa in Ägypten erstmals zu
einer stärkeren ideologischen Kristallisierung säkularer Tendenzen in der
Öffentlichkeit im Spannungsfeld zwischen Nationalbewegung, Monarchie und
Briten. Ein Erbe der anfänglichen Begeisterung für Wilsons Versprechungen
war die ägyptische Delegations-Partei (Hizb al-Wafd), die sich in den ersten
Wahlen des unabhängigen Ägypten als dominierende Nationalpartei etablieren konnte; auch sie wies stark säkulare Tendenzen auf. Waren der syrische
und ägyptische Nationalismus in starkem Maße städtisch geprägt, beruhten
die Republikgründungen in Nordafrika auf einer Verankerung ihrer urban
68 Siehe die erwähnten Beiträge von Fahmy, Ordinary Egyptians; Schäbler, Aufstand im
Drusenland; Provence, Syrian Revolt; Chtatou, Bin ‘Abd al-Karim al-Khattabi; Pennell,
The Rif War. Link or Cul-de-sac?
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Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken
213
geprägten Führer in den Stammesgruppen der Region; auch bei ihnen
verbanden sich dabei islamische und modernistische, von den Kontakten zu
Europa geprägte Reformtendenzen, deren Ausdifferenzierung in der kurzen
Dauer ihres Bestehens nicht zum Tragen kam. Selbst die gescheiterten
Republiken in Tripolitanien und im Rif weisen damit wesentliche Merkmale
und Bruchlinien auf, die für die Entwicklung der muslimischen republikanischen Staatengründungen und Bewegungen nach dem Ersten Weltkrieg
insgesamt kennzeichnend sind.
Prof. Dr. Stefan Reichmuth, Ruhr-Universität Bochum, Seminar für Orientalistik
und Islamwissenschaften, Universitätsstraße 150, D-44801 Bochum
E-Mail: [email protected]
The World Economy and the Great War
by Adam Tooze and Ted Fertik*
Abstract: Since the 1990s a group of scholars connected to the National Bureau of Economic Research convincingly presented the nineteenth century as the first great age of
global growth and globalization. For them and for many others, World War I marked a
decisive break, inaugurating 30 years of deglobalization. We question this common sense
view through an appreciative critique in five steps. We offer a narrative sketch in which the
war figures as a moment of convulsive and violent realignment endogenous to that history.
First we revisit arguments for economic causation. Second we open up the black box of the
war economy. Third we consider the significance of global, war-induced inflation. Fourth,
we introduce projects of world economic ordering. Finally, we argue that the war provoked
a new reflexivity about the world economy.
Looking back from the 1990s Eric Hobsbawm coined the phrase “the short
twentieth century” to capture that epoch between 1914 and 1991 in which the
struggle between Soviet Communism and Western capitalism was the driving
force of history. He made no secret of his personal engagement with that
struggle and lamented its passing as heralding the triumph of global capitalism
over any alternative.1 At the same moment economists and economic
historians were crafting their own vision of a short twentieth-century, a
vision that overlapped with that of Hobsbawm but had an opposite sign.
Beginning in the 1990s, in a remarkably fruitful spasm of innovative historical
work, a group of economists and economic historians connected to the
National Bureau of Economic Research (NBER) in the US fused economics and
history to paint a picture of the nineteenth century as the first great age of
global growth and globalization.2 Against that backdrop, Hobsbawm’s short
twentieth century was an age defined not so much by ideological clashes as by a
disastrous crisis of deglobalization between 1914 and 1945.3 In the wake of that
* This paper emerged from discussions with our friends Grey Anderson, Stefan Eich and
Jeremy Kessler. Inspiration of a rather different kind came from DTC.
1 Eric Hobsbawm, The Age of Extremes. The Short Twentieth Century, 1914 – 1991,
London 1994.
2 The pathbreaking texts were Kevin H. O’Rourke and Jeffrey G. Williamson, Globalization and
History. The Evolution of a Nineteenth-Century Atlantic Economy, Cambridge, MA 1999 and
Michael D. Bordo et al. (eds.), Globalization in Historical Perspective, Chicago 2003. An
interesting perspective from a French vantage point was provided by Suzanne Berger, Notre
premire mondialisation. LeÅons d’un chec oubli, Paris 2003.
3 Findlay and O’Rourke speak of “re-globalization” beginning after World War II. Ronald
Findlay and Kevin H. O’Rourke, Power and Plenty. Trade, War, and the World Economy
in the Second Millennium, Princeton 2007, pp. 473 – 525.
Geschichte und Gesellschaft 40. 2014, S. 214 – 238
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen 2014
ISSN 0340-613X
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The World Economy and the Great War
215
thirty year crisis, it would take global capitalism more than forty years to again
hit its stride.4 Looking back from the 1990s, the era between 1914 and the 1980s
appeared as a violent and disturbed parenthesis, standing between two great
eras of global trade and capital mobility.
Despite their opposite evaluations of the present, both of these grand narratives of
the short twentieth century had one thing in common. World War I marked a
decisive break. John Maynard Keynes captured this sense of a disjuncture in a
much quoted cameo from the “Economic Consequences of the Peace”:
What an extraordinary episode in the economic progress of man that age was which came to
an end in August 1914! The inhabitant of London could order by telephone, sipping his
morning tea in bed, the various products of the whole earth, in such quantity as he might see
fit, and reasonably expect their delivery upon his doorstep; he could at the same moment and
by the same means adventure his wealth in the natural resources and new enterprises of any
quarter of the world, and share, without exertion or even trouble, in their prospective fruits
and advantages; or he could decide to couple the security of his fortunes with the good faith
of the townspeople of any substantial municipality in any continent that fancy or information
might recommend.5
Scripted by prose stylists like Keynes, documented in impressive quantitative
compilations, the idea of a rupture in 1914 has acquired a firm grip on our
understanding of modern history. In 2007 the Communications Director of the
International Monetary Fund (IMF) could comment glibly : “Alas a sniper’s
bullet on June 28, 1914, triggered a chain of events that reversed globalization.”6 90 years later, the world was back on track, or so it then seemed.
The aim of this essay is to question this common sense view of World War I as
disrupting the world economy and putting an end to an era of globalization. We do
not to query the methods of the economic historians of globalization. The basic
story they tell of growing market integration in the course of the nineteenth
century followed by a plateau and subsequent market dislocation in the course of
the first four decades of the twentieth century is compelling. Our critique is not
directed at this highly specific technical result, but at the broader implications
drawn from it. Specifically, the question posed by the anniversary of 1914 is what
role we should attribute to World War I in the making and remaking of the world
economy. We offer a narrative sketch of how one might write a history in which the
war figured not as an exogenous shock, but as a moment of convulsive and violent
realignment endogenous to that history.
4 In this context the title of Jeffry Frieden’s impressive synthesis is significant. Jeffry A.
Frieden, Global Capitalism. Its Fall and its Rise in the Twentieth Century, New York 2006.
5 John Maynard Keynes, The Economic Consequences of the Peace, London 1920, p. 11.
6 Prakash Loungani, Globalization by the Book. Keynote Address given at the American
Association of Publishers, 5. 2. 2007, http://www.imf.org/external/np/speeches/2007/
020507.htm.
216
Adam Tooze and Ted Fertik
I. Economic Causation through the Back Door
First, we must start by putting into question the simple contrast between a
nineteenth century age of peaceful progress and the decades of conflict and
disintegration that followed. The most striking thing about Keynes’s vision is the
unselfconsciously parochial and rose tinted image it offers of the world before
1914, all the better to evoke the shock of Sarajevo and the slide into disaster. But
despite the neatness of this narrative, it does not sit well with the social scientific
conscience to attribute causal force to an assassination. The original point of the
NBER school therefore was precisely to add further layers of over-determination
to the crisis of globalization in the early twentieth-century. What underpinned
the mounting level of trade integration before 1914 was no “London consensus”
on free trade, but a supply side shock delivered by falling transport costs.
Beyond the comfortable bedrooms of the Edwardian upper class, the open
economy forces of nineteenth century globalization were creating winners and
losers, and the losers were turning to their governments for protection.
Williamson and O’Rourke showed how labour migration raised incomes in the
sending countries but heightened inequality in the US, fuelling a surge in nativist
sentiment seeking to restrict immigration.7 Simultaneously, the huge pressure
exerted on agriculture in Europe by New World imports reduced land values and
triggered demands for tariffs. Invoking Karl Polanyi, Barry J. Eichengreen
argued that the international gold standard that emerged after 1870, though
widely fetishized as the natural foundation of monetary stability, was on
increasingly precarious ground.8 Mass democracy would not long sustain the
kind of deflation that accompanied the newly established gold standard in the
1870s and the 1880s. All in all, Harold James found that “humans and the
institutions they create cannot adequately handle the psychological and
institutional consequences of the interconnected world.”9
These histories paint a far more fraught image of the period before 1914. But in
doing so they are careful to counterfactually dissociate the social and political
tensions unleashed by globalization from the Great War. The conflict is made
to appear as a sufficient, but not necessary precondition for the turning point
in the history of the world economy. Tariffs and immigration restriction may
be logically derived from the consequences of globalization, but war is not.
One of the ways in which this separation is maintained is by limiting the type of
politics that falls within the purview of economic historical analyses. The
7 O’Rourke and Williamson, Globalization and History.
8 Barry J. Eichengreen, Globalizing Capital. A History of the International Monetary
System, Princeton 1996.
9 Harold James, The End of Globalization. Lessons from the Great Depression,
Cambridge, MA 2001, pp. 4 f.
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The World Economy and the Great War
217
NBER authors deal with interest group politics, not “reason of state.”10 The
economic historians are surprisingly squeamish about connecting their
histories of globalization directly to the history of violence.11 To make that
connection would be to enter the forbidden territory of imperialism theory
where lurk the likes of Lenin, Luxemburg and their disreputable descendants.
The contrast to contemporary opinion is striking. Before 1914 to associate
international economic tensions with the threat of war was by no means exotic.
Both before and after World War I there was widespread agreement that the
closing global frontier and the resulting zero sum competition for resources
had been crucial triggers of conflict. The Boer War seemed to offer a vivid
example of how corporate profit-seeking could lead to war.
But the Boer War has not proven to be a good model for understanding 1914. In
recent work on the outbreak of the war, big business no longer plays a significant
role. The fearsome “merchants of death” once seen as the drivers of escalation now
appear as the kept creatures of government procurement agencies.12 Historians
locate the key decisions in the run up to the war squarely within the chancelleries
of Europe, in ambassadorial drawing rooms and the map tables of the general
staffs. All of these belong to the realm of professional government, to “high policy”
and statecraft rather than the grubby arena of parliamentary bargaining.
Ironically, however, at the same time as it has led away from imperialism theory,
the investigation of high policy has led back to questions of economic causation.13
Over the last decades what has come ever more clearly into focus is the importance
of fiscal-military considerations and the continental arms race between 1908 and
1914. This goes to the heart of the globalization narrative, because what is at stake
are the destabilizing consequences of convergence, the basic prediction of any
neoclassical vision of globalization.
How might convergence lead to war? Convergence theory suggests that given
the right conditions, lower income countries can be expected to grow faster. If
those poorer states are small relative to the dominant international powers and
obedient to their wishes, we have the scenario of Western Europe and Japan
10 Typically, these interest groups are thought to be the political representation of the
various factors of production, with conflicts between them provoked by the differential
gains that globalization dishes out. The logic was first spelled out by Wolfgang Stolper
and Paul Samuelson in 1941. A systematic application to 19th and 20th century history is
found in Ronald Rogowski, Commerce and Coalitions. How Trade Affects Domestic
Political Alignments, Princeton 1989. States have surprisingly little autonomy in such
models.
11 See the tortured argument in Guillaume Daudin et al., Globalization, 1870 – 1914, in:
Stephen Broadberry and Kevin H. O’Rourke (eds.), The Cambridge Economic History of
Modern Europe, vol. 2: 1870 to the Present, Cambridge 2010, pp. 5 – 29.
12 David Stevenson, Armaments and the Coming of War. Europe, 1904 – 1914, Oxford 1996.
13 Christopher M. Clark, Sleepwalkers. How Europe Went to War in 1914, London 2012,
offers the best recent synthesis.
218
Adam Tooze and Ted Fertik
after 1945. But if the poorest state in the system is by far the largest and that
state has an opaque and unpredictable regime, which thanks to its authoritarian powers has the capacity to devote a larger share of income and
population to the military, then the implications of GDP convergence for the
international system are destabilizing. Being converged upon by Imperial
Russia was every bit as unsettling to the powers of Western Europe before 1914,
as the rise of China is to the United States today.14
The pressure was most acute on Russia’s Western neighbors, the AustroHungarian monarchy and the Kaiserreich. Russia’s defeat by Japan and the
subsequent revolution lessened Western European worries. But once Russian
military reconstruction began in earnest after 1910, German decision makers
felt themselves exposed to an escalating threat. This was particularly so since
their fiscal system was responding poorly to the challenge of the arms race. The
argument that Niall Ferguson advanced almost twenty years ago has since
become widely accepted.15 It took months of agonizing arm wrestling to get the
Reichstag, packed since the election of 1912 with opponents of the Bismarckian
constitution, to agree to a major German spending increase. Talk of a
preventative war was all-pervasive and became deafening in the summer of
1914. Russia’s rise put France and Britain on their guard as well. If Russia was
to become a free agent, open to the possibilities of alliances with Germany or
Japan, how safe would France be in Europe or Britain’s empire in Asia? After
1910 London and Paris were therefore looking for ways to ensure that Russia
was reliably triggered into action when the moment came. The Balkan crisis
unfolding after 1911 was the ideal occasion.
The destabilizing implications of differential economic growth rates for the
arms race were compounded by the leverage provided by access to international capital markets. It was not for nothing that Kant in his famous essay on
perpetual peace had suggested the banning of state debts. They provided
ambitious rulers with the means to surge past their foreign opponents with a
sudden mobilization of resources. The temptation was even more attractive if
the money could be borrowed from abroad and paid back through the profits
of conquest. By the early twentieth century any prospect of curtailing such
mechanisms was utopian. The global financial system had expanded to
unprecedented scale. As Flandreau and Zumer have shown, private lenders
actively monitored military spending as a sign of a state’s creditworthiness.16
Capital markets could thus be seen as a check on militarism. But the same
channels could also be deliberately directed towards providing crucial
financial backing to a chosen strategic ally. France’s 1912 loan to Russia to
14 Ibid., pp. 326 – 334.
15 Niall Ferguson, Public Finance and National Security. The Domestic Origins of the First
World War Revisited, in: Past & Present 142. 1994, pp. 141 – 168.
16 Marc Flandreau and Frdric Zumer, The Making of Global Finance 1880 – 1913, Paris
2004, pp. 34 f.
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The World Economy and the Great War
219
rebuild its strategic rail network had the full backing of the French state. Russia
was in fact the destination for fully a quarter of France’s relatively politicized
international lending between 1870 and 1913.17 But state backing was not
always necessary. When a war-fighting power enjoyed enthusiastic public
support abroad, as Japan did amongst Western liberals in its war against
Imperial Russia in 1905 and the Entente was to do after August 1914, capital
markets could easily abandon their anti-militarism.18 Here too was a reason for
German anxiety. Britain and France enjoyed a huge advantage over Berlin and
Vienna, whose financial markets were far smaller and less sophisticated.
In the final analysis the decision to go to war was political and military. But we
can only understand the dangerous sense of time pressure and encirclement
that haunted the decision makers in Berlin, Vienna, Moscow and London, if we
take account of these strains generated by the dramatic and uneven economic,
industrial and financial development of the world after 1900.19
II. Inside the Black Box
In 1910 Norman Angell famously argued that the scale of international
interdependence would make great power war prohibitively expensive.20 The
interruption of trade connections would make both the continuation of war and
essential economic activity impossible. There is a sense in which our economic
histories replicate and reinforce this liberal grand narrative. They stop short in
1914 and resume after 1918, as though the conduct of the war itself were not an
essential part of the story. But if Angell was right about the cost of modern war,
he was wrong in his assessment of the fearful logic of escalation. The disruption
of world trade in the first months of the war did not bring hostilities to a halt, nor
did it halt trade for long. A reorganized world economy provided opportunities
to the combatants to multiply their assets. On the trading routes of the world
some “ordinary” commercial activity continued. But this was now overlaid with
outright commercial warfare, widening the conflict to the neutrals. The entire
concept of neutrality was thrown into question in an all-consuming war. If we
open the black box of the economic history of the war, what is revealed is not an
17 Albert Fishlow, Lessons from the Past. Capital Markets During the 19th Century and the
Interwar Period, in: International Organization 39. 1985, pp. 383 – 439, esp.
pp. 399 – 408.
18 Mark Metzler, Lever of Empire. The International Gold Standard and the Crisis of
Liberalism in Prewar Japan, Berkeley 2006.
19 For the political science literature on this theme see Patrick J. McDonald, Complicating
Commitment. Free Resources, Power Shifts and the Fiscal Politics of Preventive War, in:
International Studies Quarterly 55. 2011, pp. 1095 – 1120.
20 Norman Angell, The Great Illusion. A Study of the Relation of Military Power to National
Advantage, London 1910.
220
Adam Tooze and Ted Fertik
interruption but a new, intensified modality of globalization, heightened by a
dialectic between three different moments: First, the need to mobilize the world
economy fed an unprecedented impulse to organize. Second, the choices of how
to organize mobilization produced unprecedented inflation. Third, organized
mobilization helped to escalate a set of existential conflicts within countries and
between them. This violent dialectic unfolded unevenly in time, reaching a
turning point in 1916. It also unfolded unevenly in space, threatening to radically
transform the geography of the nineteenth century world system.
Scholars speak of World War I as the “destruction of the international economy.”21
We see instead a repurposing and reorganization. This is most obvious with
respect to Britain, the country most open of all Belle poque economies and the
most committed to the world economy as the truth of civilizational progress.
Thanks to Lambert’s work we know that since 1900 the British admiralty had been
preparing to use its naval and financial supremacy for an overwhelming campaign
of economic warfare.22 But they shrank from an all-out attempt to paralyze the
world economy because of collateral damage to the neutrals and above all to the
US. As a result of the concessions made to the Americans, the blockade was slow in
working. Meanwhile, over pacifist objections, Wilson allowed the European
combatants access to America’s abundance. The Europeans would be allowed
both to purchase and borrow. It was an interpretation of neutrality that suited the
Entente well. For the Central Powers it was hard to avoid the impression that 1914
meant not so much the end of globalization, as the mobilization of the world
economy against them, a latter day proof of Friedrich List’s fear that laissez-faire
was a fig leaf for British supremacy.
Before the war Britain had been the hub of the global economy. During World
War I, to a remarkable degree, it continued to play that role. After 1914, the
morning rituals of Keynes’s London gentlemen may have been a little less
comfortable than before the war, but their command of the commodities of the
world remained awe-inspiring. Britain turned its far-flung commercial and
financial networks into the world’s first truly global military mobilization
apparatus. Britain’s Ministry of Munitions became by far the largest purchasing
agent in the entire world economy.23 As Britain’s balance of payments reveals,
even in the years of the Somme and Passchendaele, whilst bringing in a huge
surge in imported war materials, Britain continued to run a current account
surplus. Based on this platform Britain could sustain a gigantic lending program
for the Entente in 1915 and 1916 to the tune of 2.5 billion US-dollars out of a
mixture of surplus overseas earning, new borrowing abroad and running down
21 Bill Albert, South America and the First World War. The Impact of the War on Brazil,
Argentina, Peru and Chile, Cambridge 1988, p. 3.
22 Nicholas A. Lambert, Planning Armageddon. British Economic Warfare and the First
World War, Cambridge, MA 2012.
23 Theo Balderston, Industrial Mobilization and War Economies, in: John Horn (ed.), A
Companion to World War I, London 2010, pp. 217 – 233, here p. 226.
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221
The World Economy and the Great War
foreign assets. The key to the strength of the current account was not only
resilient exports, but rising invisible earnings, above all shipping.
Table 1: Maintaining a Strong International Position.
The UK External Account, 1914 – 1918 (£M)
1914
1915
1916
Current account
Merchandise exports
Merchandise imports
Mercandise balance
Invisible balance
Net transfers
Current balance
526
–696
–170
315
–20
125
484
–852
–368
395
–50
–23
604
–949
–345
520
–50
125
Capital account
Government lending
Government borrowing
Net government lending
Net private lending
Sale of investments
Other transactions
—
—
—
–144
—
19
–298
53
–245
–60
43
285
–530
319
–211
–6
110
–18
Source: Reproduced from Stephen Broadberry and Peter Howlett, The United Kingdom
during World War I. Business as Usual?, in: Stephen Broadberry and Mark Harrison (eds.),
The Economics of World War I, Cambridge 2005, pp. 206 – 234, here p. 221.
Britain’s command of the largest share of the world’s shipping was more of
course than a source of earnings. It was the anchor of the entire Entente war
effort. By 1917 inter-Allied shipping control bodies were allocating one half of
the total tonnage afloat for the Entente’s import needs. Never before had global
interdependence been made so manifest. Not for nothing were the inter-Allied
committees invoked in the aftermath of the war as harbingers of a new mode of
functional internationalism.24
But shipping was only the most visible part of the inter-Allied network. The
invisible sinews holding the Entente war effort together were made of credit. After
1915 Britain placed the networks of global finance it had built over a century and
more under conscious control. In works of international political economy it is
24 James Arthur Salter, Allied Shipping Control. An Experiment in International Administration, Oxford 1921.
222
Adam Tooze and Ted Fertik
often suggested that Britain played the role of a hegemon in the prewar system.25
But that hegemony, if it existed at all, was “light touch” – more potential than real.
For the most part Britain played the role of a conductor in a global economic
orchestra. From 1915 onwards as far as the Entente, their empires and much of the
rest of the world were concerned, the British assertion of leadership was explicit.
Paris, Rome, and Russia found themselves dependent in their struggle against the
Central Powers on resources mobilized on British credit in New York. It was
London that could provide collateral from its huge portfolio of assets invested
across its formal and informal empire. Not surprisingly international creditors
preferred to lend to London. The vast Entente purchasing operation in the United
States was run through J. P. Morgan, the dominant banking house on Wall Street,
with deep historic links to the City of London. In 1916 on behalf of the Entente J. P.
Morgan placed orders across the US greater than the total value of American
exports in 1913.26 The mobilization of the world economy as an instrument of state
power had the effect of denaturing it, but not of destroying it. If anything, the
networks that 19th century globalization had constructed were now being activated
to an unprecedented degree.
III. Inflationary Mobilization of the World Economy
Mobilization for World War I has commonly been understood as a domestic
affair, as a feat of modern organization, and as a blueprint for the planned
national economy. The achievement of the combatants in mobilizing 40
percent of GDP in societies that were by modern standards at remarkably low
levels of income is considerable. But that mobilization effort was not a triumph
of organization alone. It was backed up by massive credit-financed price
incentives. With gold convertibility suspended compliant central banks
provided their treasuries with ready cash, helping to accelerate the reallocation
of resources dictated by the war. As the Entente initiated a wrenching
reorganization and heightening of the global division of labour it unleashed an
unprecedented and truly all-pervasive surge in inflation. We are all familiar of
course with the hyperinflationary disaster of the Weimar Republic. But what is
at stake here is not exceptional national experiences, but the significance for
the remaking of the world economy of a global increase in prices. Again, we do
not see a destruction of the international economy, but a set of shocks ramified
by the networks that constituted it.
The nineteenth century had opened with a burst of inflation unleashed by the
financing of the Napoleonic war. The rest of the century, apart from periodic
25 The classic being Charles P. Kindleberger, The World in Depression. 1929 – 1939 [1973],
Berkeley 1986.
26 Adam Tooze, The Deluge. The Great War and the Remaking of the Global Order,
1916 – 1931, London [2014].
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The World Economy and the Great War
223
spikes in food prices, had been a long era of low inflation. The advent of largescale global trade in commodities, the moment at which most contemporaries
began to experience something akin to a world economy, coincided from the
1870s with a prolonged period of deflation. Though prices had begun gently to
rise after 1897 there was nothing with which to compare the violence of the
monetary upheaval after 1914. The huge credit-fuelled demand unleashed by
the combatants raised prices everywhere. Even the Central Powers contributed
in a minor way through their blockade-breaking operations via the Netherlands and Scandinavia. Earlier histories of the wartime and postwar inflations
were national histories keyed to understanding the domestic distributional
conflicts that inflation provoked, as plausible anticipations of the corporatist
struggles of the 1970s.27 What such histories obscured was the global quality of
inflation. If there is a single experience that truly gives concrete meaning to the
idea of a single unitary world economy in World War I, it was the ubiquity of
inflation. This was a “shock of the global” every bit as intense as the one that hit
the world economy in the 1970s.28
Monetary theorists rightly insist that inflation is everywhere and always a
monetary phenomenon, but only in the “purest” case of helicopter money
does inflation have no impact on the distribution of real economic activity.
As Austrian theorists of the business-cycle, foremost amongst them Joseph
Schumpeter, argued, in a normal credit-fuelled boom, inflationary increases in prices were a crucial means of competing for and acquiring
resources.29 The war economy of World War I took this to its logical limit.
Credit was channeled through the new governmental war mobilization
apparatus to produce spectacular redistributive effects. At the very top of
the food chain were the manufacturing centers of the US, which had the
highest priority for Entente orders. Their profits were outlandish. Outside
North America, the world economy became a commodity lottery. Countries
whose economies were dominated by one or two main exports were
exposed to huge risks. The war-induced disappearance of European
manufactured goods was hugely inflationary for these import-dependent
countries, while the combatants’ decisions about which commodities
merited scarce shipping berths caused severe economic contraction for
exporters of inessential products. Latin America neatly illustrates the
sudden and violent discrepancy that could result. Whereas the value of
27 Gerald D. Feldman, Iron and Steel in the German Inflation. 1916 – 1923, Princeton 1977;
Charles S. Maier, Recasting Bourgeois Europe. Stabilization in France, Germany, and
Italy in the Decade after World War I, Princeton 1975.
28 Niall Ferguson et al. (eds.), The Shock of the Global. The 1970s in Perspective,
Cambridge, MA 2010.
29 Joseph A. Schumpeter, The Theory of Economic Development [1912], Cambridge, MA
1934.
224
Adam Tooze and Ted Fertik
Table 2: The Wartime Dislocation of the Global Price System. Wholesale Price, 1913=100
1913
1914
1915
1916
1917
1918
1919
1920
1921
European combatants
France
100
Netherlands
100
Italy
100
Germany
100
102
105
95
106
140
145
133
142
189
222
201
153
262
286
299
179
340
392
409
217
357
297
364
415
510
281
624
1486
346
181
578
1911
European neutrals
Spain
Denmark
Norway
Sweden
100
100
100
100
101
112
115
116
119
143
159
145
139
189
223
185
160
250
341
244
204
304
345
339
195
326
322
330
222
390
377
347
190
—
269
211
British Empire
UK
Australia
Canada
New Zealand
India
South Africa
Egypt
100
100
100
100
100
100
100
99
106
100
104
100
97
98
123
147
109
123
112
107
103
161
138
134
134
125
123
128
204
153
175
151
142
141
176
225
178
205
175
178
153
211
235
189
216
178
200
165
231
283
228
250
212
209
223
312
181
176
182
205
183
160
173
Western Hemisphere
USA
100
Peru
100
97
105
107
125
128
160
170
195
203
217
203
227
197
238
123
—
96
91
97
97
117
117
149
133
196
148
240
155
258
147
201
134
Asia
Japan
China
100
100
Sources: Chris Wrigley (ed.), The First World War and the International Economy, Cheltenham 2000, p. 18; Mohammed A. Rifaat, The Monetary System of Egypt, London 1935,
p. 197; Yuru Wang, Urban Wholesale Price Change and Economic Growth in Modern
China, http://economics.yale.edu/sites/default/files/files/Workshops-Seminars/Econo
mic-History/wang-080915.pdf.
Brazil’s exports of coffee and natural rubber slumped below their prewar
levels, Chile’s exports of nitrates almost doubled by 1917.30
30 John H. Williams, Latin American Foreign Exchange and International Balances during
the War, in: The Quarterly Journal of Economics 33. 1919, pp. 422 – 465.
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The World Economy and the Great War
225
From the point of view of the combatants, the inflation was a necessary evil in
the process of mobilization they were driving. But what would be its costs?
After the war, the accountants of the Entente estimated that billions of dollars
had been siphoned off by American suppliers through excessive pricing. In the
new politicized domain of international economic bargaining these profits
would become the subject not just of domestic political criticism, but of
international inter-governmental conflict. Meanwhile, the rapacious process of
credit-fuelled mobilization set in motion a spiral of increasingly politicized
societal competition that the authorities struggled to control. In the United
States where the pressure of Entente demand was most intense real wages fell
sharply in 1915 and 1916. By the end of the war Henry Ford’s famous five USdollar day barely covered the minimum of living expenses. From 1916 onwards
strike rates surged. Meanwhile, for those lowest on the rungs of the global
ladder the boom brought more terrifying prospects. In the backwaters of the
global economy, a harvest failure at any time was dangerous. When transport
capacity was stretched to the limit and global prices were surging, it was lethal.
After 1916 hunger stalked the Eastern Mediterranean and the Caucasus.
Lebanon and Persia suffered devastating famines as did Rwanda.31 Casualty
figures are imprecise but millions, including much of the Armenian population
of the Caucasus suffered and died in silence. Not all did. Food shortages
unleashed protests across India.32 A wave of rice riots spread from the coastal
fishing communities of Japan to Tokyo itself.33 In India and Egypt, the hunger
of the urban poor and the cash-crop peasantry would fuel the firestorm of
protest that shook the British Empire to its foundations.34
The phrase “Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen” was coined to describe
uneven levels of development existing alongside each other within a national
space. Contemporaries of course knew that the world economy was uneven.
What wartime inflation revealed was the possibility of the entire world
experiencing the same shock at the same time, and that this shock could be the
product of conscious decisions. What was needed in response was not simply
protection from destabilizing global market forces, but more sophisticated
technologies of organization and control.
31 Bernard Lugan, Causes et effets de la famine “Rumanura” au Rwanda, 1916 – 18, in:
Canadian Journal of African Studies 10. 1976, pp. 347 – 356.
32 David Arnold, Looting, Grain Riots and Government Policy in South India 1918, in:
Past & Present 84. 1979, pp. 111 – 145.
33 Michael Lewis, Rioters and Citizens. Mass Protest in Imperial Japan, Berkeley 1990.
34 Paul H. Kratoska, The British Empire and the Southeast Asian Rice Crisis of 1919 – 1921,
in: Modern Asian Studies 24. 1990, pp. 115 – 146.
226
Adam Tooze and Ted Fertik
IV. Projects of World Order
Could this spiral of mobilization, organization and disorder be controlled?
Ironically, the inflationary disorder that resulted from the dialectic of
mobilization, organization, and conflict, led not to a retreat but to an
acceleration of projects of economic ordering. The dislocation unleashed by
the wartime inflation progressed with the rhythm of the war. As on the
battlefield, a turning point was reached in the autumn of 1916. Over the
summer, the British offensive on the Somme and the Russian defeat of the
Austro-Hungarian armies in Galicia underscored the massive material
superiority of the Entente. In response the new Army Command in Germany
launched the ill-fated Hindenburg Programme, which would destabilize the
home front and contribute substantially to Germany’s collapse in 1918. But the
Entente itself was on borrowed time. By the autumn of 1916 with presidential
and congressional elections in full swing, there was mounting anxiety about
the effect of the credit-fuelled boom on the US economy. In November 1916 the
Federal Reserve, established in 1913 as the central bank of the United States,
demonstrated its independence by advising the American banking system to
abstain from any further investment in Entente debt.35 The trans-Atlantic
financing operation ground to an abrupt halt. Paris and London were
convinced that the American President was making a direct challenge to their
war effort. In the autumn of 1916 British liberals began to revive Norman
Angell’s argument. The costs of a stalemated war were exorbitant. But this view
did not prevail. In December 1916 it was Lloyd George and his coalition
partners in the Tory party who took control of Downing Street, determined to
gamble on delivering a “knock-out” blow. They counted on renewed American
assistance in 1917, but if that was not forthcoming they would have to resort to
the ruinous levels of mobilization of the Central Powers. Ironically, it was the
offensive counterpart to the Hindenburg Programme, the desperate German
effort to sever the channels of the Entente’s global war economy, that would
rescue the Entente from disaster. By April rather than throttling the Allied war
effort as he clearly hoped to do, the U-Boats had driven Wilson to join the war.36
At this point the mobilization of the global economy underwent a second
momentous shift. If the weaponization of the world economy against Germany
and the assertion of British leadership within the Entente’s economic war
effort was the first phase of the power political reconfiguration of the world
economy, America’s entry into the war marked a new departure. From the
summer of 1917 until the spring of 1919 the United States government lent
almost 11 billion US-dollars to its associates in the Entente. The richest
35 John Milton Cooper, Jr., The Command of Gold Reversed. American Loans to Britain,
1915 – 1917, in: Pacific Historical Review 45. 1976, pp. 209 – 230.
36 Tooze, The Deluge.
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The World Economy and the Great War
227
democracies in the world, accounting for 40 percent of the entire world
economy and closer to 70 percent of world trade, were knit together by a new
network of debt. For the world economy these debts had dramatic implications. They would have to be repaid either through exports to the notoriously
protectionist United States, or through dollars or gold earned in third markets.
The political implications of those debts for which the taxpayers of Britain,
France and Italy were liable to the taxpayers of the United States were even
harder to estimate. This arena of inter-governmental debt between the richest
Western powers was the novel field on which the problem of hegemony within
the Atlantic economy would be defined after 1918. It was the problem on which
the postwar reconstruction would stand and fall.
The Entente’s dependence on the United States shifted the balance within the
Atlantic economy, the hub of nineteenth century globalization. But the war
threatened to do something more momentous than that. As the NBER authors
acknowledge, the nineteenth-century globalization they studied was highly
asymmetric. According to Williamson,
the great trade boom across the 19th century raised growth rates by much more in the rich
countries than in the poor countries – indeed it lowered it in many places, thus contributing
to the great divergence […].37
The result was to double the Western share in global GDP. If Latin America
were included, the share of Western Europe and its overseas areas of colonial
settlement would rise by 1914 to over 60 percent. By the beginning of the
twentieth century, the west had successfully converted this economic superiority into global political and military domination. The shock of this Great
Divergence was felt most acutely in Asia. Those in a position to decide upon
their own responses to this shock, most notably Japan, reacted by launching a
prolonged national mobilization designed to achieve parity with the West. In
the process they accelerated a globalization of the forms of political and
economic organization characteristic of the modern nation-state, and initiated
the ultimate reversal of Asian fortunes.38
What implications does such a “re-orientation,” to use Andre Gunder Frank’s
term, have for our understanding of the impact of World War I on the world
economy?39 Contemporaries themselves were acutely aware of the scale of the
nineteenth-century shift from Asia to Europe and many believed it unsustainable. In this respect the impact of World War I was far more ambiguous than
37 Jeffrey G. Williamson, Trade and Poverty. When the Third World Fell behind,
Cambridge, MA 2011, pp. 181 f.
38 Charles Bright and Michael Geyer, Regimes of World Order. Global Integration and the
Production of Difference in Twentieth Century World History, in: Jerry H. Bentley et al.
(eds.), Interactions. Transregional Perspectives on World History, Honolulu 2005,
pp. 202 – 238.
39 Andre Gunder Frank, ReORIENT. Global Economy in the Asian Age, Berkeley 1998.
228
Adam Tooze and Ted Fertik
the simple story of deglobalization would suggest. Far from undercutting
globalization, in Asia World War I appeared as a moment of openness to an
alternative, less Western-dominated twentieth century. For Japan, World War I
seemed to offer a historic opportunity.40 In August 1914 Japan promptly
activated its treaty with Great Britain and declared war on both Germany and
Austria. By October Germany’s Pacific empire had been liquidated. In January
1915 as the Europeans mauled each other the Japanese went further,
announcing a unilateral claim to hegemony in China with its 21 demands.
Thanks to massive British and American pressure, war between China and
Japan was avoided, China preserved its fragile independence and Japan’s
ambition was hemmed in. But the prospective shift in the power balance was
unmistakable and expressed itself perhaps most clearly in financial terms. In
the course of the war Japan’s position like that of the United States swung from
being a large net debtor to being a creditor of Europe. As of 1916 Japan was
providing loans to Britain, France and Russia. When China finally entered the
war in the autumn of 1917 it did so under Japanese auspices and backed by a
flow of Japanese funds. With the gold reserves of Japan swelling by the month,
the longer-term Japanese ambition was to bring China into the gold standard
under Japanese oversight.
Given the scale of these shifts and their potential implications for the postwar
world the Europeans could not be passive. The Central powers as well as the
Entente recognized that after the war, they would face a new world. As has been
recently remarked, in the furor unleashed in the 1960s by Fritz Fischer’s “Griff
nach der Weltmacht,” the global dimensions of his argument slipped too
quickly from view.41 Fischer was mistaken in suggesting that in the botched
management of the July crisis in 1914, the ambitions of Weltpolitik were very
high on the agenda in Berlin. The idea of world power that had enjoyed such a
vogue around the turn of the century had since gone off the boil. But once the
war began and revealed its global dimensions it was no surprise that those
ideas very rapidly and very forcibly revived. The notorious German Mitteleuropa debates were a direct response to a realization of the vital significance
of the world economy for European power. There is a striking similarity here
between German and Japanese aims to establish subcontinental power bases,
enabling them to sustain the coming global competition. Like Japan’s dreams
of rebalancing the world order by means of establishing a comprehensive
hegemony over China, the German plans for hegemony in the East were
undone both by their inherent impracticality and by Germany’s defeat in the
West.
40 Frederick R. Dickinson, War and National Reinvention. Japan in the Great War,
1914 – 1919, Cambridge, MA 1999.
41 Jennifer Jenkins, Fritz Fischer’s “Programme for Revolution”. Implications for a Global
History, in: Journal of Contemporary History 48. 2013, pp. 397 – 417.
ipabo_66.249.66.96
540
246
–1223
2069
60
–951
–1409
270
1899
to
1913
212
956
–5
39
1914
379
265
176
50
1915
487
263
575
371
158
1916
643
443
784
568
274
1917
1135
575
868
294
455
1918
1399
1822
236
575
1085
1343
107
–74
368
1919
Source: Harold G. Moulton, Japan. An Economic and Financial Appraisal, Washington 1931, pp. 486 – 527.
Capital balance sheet
Net Debt / Asset Position
Japanese foreign debts
Japan loans to Chinese government
Government loans to France, Russia, Great Britain
Other private foreign investments
Specie holding abroad
Current account
Balance
Trade balance
Shipping income
Table 3: From Deficit to Surplus to Deficit.
Japan’s Fragile Balance of Payments, 1913 – 1929 (¥M)
1062
–393
–388
268
1920
855
–307
–361
140
1921
615
–98
–268
111
1922
1717
0
–738
2549
94
–1022
–2259
906
1923
to
1929
The World Economy and the Great War
229
230
Adam Tooze and Ted Fertik
It was evident that the British and the French with their substantial global
empires and their unrestricted access to the Atlantic had far stronger cards in
any struggle to decide the future world order. But how were they to play them?
With the Ottoman and Russian Empires both on the point of collapse, British
strategists repeatedly toyed with the idea of a self-enclosed, British imperial
bloc, stretching diagonally around the globe from the Canadian Pacific
Northwest to Australasia. It would be a self-sufficient military and economic
bloc shielded by a new, imperial fleet jointly funded by the Dominions.42 It was
a vision born in part out of a sense of triumph but also in 1918 out of a fear that
France might succumb and Britain would be forced to withdraw from the
continent. For the French, given the ferocity of the German onslaughts in 1914,
1916 and 1918, safety could only consist in clutching the British Empire closer.
In 1916 this vision was formulated at the Paris conference, which projected a
postwar world economy unified against Germany, based on a merger of the
British and French empires, with Russia annexed as a key supplier of food and
raw materials.43
However, for the British and the French, as for the Japanese, the truly decisive
factor in all these calculations of a world strategic order was the United States.
America’s entry into the war and its large-scale funding for the Entente war
effort raised hopes of long-term collaboration. But, from the outset of the war
America set itself against the reorganization proposals of all the combatants.
Defeating Germany’s grand visions of a Eurasian power bloc was Washington’s
military goal. But as Germany succumbed, curbing Japanese, British and
French ambitions to restructure the world order became the top priority. What
America offered as an alternative was its own vision of the “Open Door,” with
which US strategy had opened its campaign against European and Japanese
spheres of interest in China in 1900.44 This was not the limited imperialism of
the “old world,” but a truly comprehensive model of global capitalist
organization under the auspices of a capitalist republic on a continental scale,
the likes of which the world had never seen before. The central question was
whether this American vision of an offshore capitalist hegemony would really
be sufficient to respond to the challenge of a world economy, not so much
interrupted as transformed and leveraged by World War I.
As armistice arrived the French were still hoping that they might enlist the
Americans in a continuation of wartime plans. Raw materials they insisted
ought to be divided up globally between the Entente and the United States. The
costs of the reconstruction of Europe would be internationalized by way of the
42 John Darwin, The Empire Project.
The Rise and Fall of the British World System, Cambridge 2011.
43 Georges-Henri Soutou, L’or et le sang. Les buts de guerre conomiques de la Premire
Guerre mondiale, Paris 1989.
44 For an excellent historiographical essay on the open door interpretation see http://
www.americanforeignrelations.com/O-W/Open-Door-Interpretation.html.
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The World Economy and the Great War
231
League of Nations. The British hoped for a diarchy based on an AngloAmerican naval deal to avoid the ruinous costs of an arms race and a joint
approach to financial reconstruction, with both London and Washington
writing down the unprecedented accumulation of “political debts.” Wilson’s
administration was persuaded to accept naval arms limitation talks by Lloyd
George holding hostage the League of Nations Covenant. But Washington
refused even to discuss a collective write-down of inter-governmental debts.
This roadblock led directly to the politics of reparations and Keynes’s
despairing obituary for the liberal world economy in “The Economic
Consequences of the Peace.” In financial terms the linkage was clear. Since
America insisted on the repayment of its debts, France and Britain demanded
huge reparations from Germany. America’s insistence that wartime debts
should be honored had the opposite effect of that intended. It did not clear the
decks for a restored liberal order on American terms. What it did was to ratchet
up and to perpetuate into the postwar period the new structures of a politicized
global economy created by the war.
V. Moving Forward while Looking Back
This brings us to the final stage of our narrative sketch. How might we write the
history of the postwar transition? The conventional story, projected by Keynes
from the disillusioned aftermath of Versailles and subsequently repeated as
fact by many popular narratives is that the wake of the war saw a nationalist
backlash, the rise of protectionism and the disintegration of the world
economy. Certainly by the 1930s something resembling that scenario had
transpired. But the buzzword of the aftermath of the war was reconstruction
not disintegration. As Boyce has recently argued the main effort of the 1920s
was to rebuild a liberal international system.45 It was not the war but the failure
of the reconstruction effort after 1929 that produced the disintegration
commonly attributed to World War I. But if reconstruction was the watchword
of the post-1918 period, how was the new order to be founded? At Versailles the
Wilson administration had refused the grand bargains offered by the Entente
powers. A simple return to prewar normality would have been to deny the force
of what had happened. World War I made a bonfire of the verities of the 19th
century : monarchical conservatism, along with paleoliberalism, but also
orthodox Marxism. Modernity acquired a massively self-reflexive instability.
The cultural disembedding, the disenchantment of economic life – one is
tempted to say its secularization – were all-pervasive experiences at the turn of
the century. The process was registered in various ways by observers as diverse
as Max Weber, John M. Keynes and Karl Polanyi. The war completed that
45 Robert W. D. Boyce, The Great Interwar Crisis and the Collapse of Globalization,
Houndmills 2009.
232
Adam Tooze and Ted Fertik
denaturing in a radical fashion. Reconstruction therefore had to be a selfconscious act not simply of running down wartime organizations, or removing
government intervention, but of conscious, self-reflexive stabilization.46 In the
absence of a grand bargain driven by an omnipresent hegemonic power this
proceeded in a localized, sectoral fashion. A variety of different strategies of
stabilization, repression, demobilization, depoliticization and reorganization
were brought into play. We will highlight here efforts in four different fields:
knowledge, money, labour and trade.
If reconstruction in the wake of World War I was an inherently self-reflexive
undertaking, knowledge was a strategic field. In the war’s wake no discipline
was more powerfully influenced by this self-reflexivity than economics. The
concept of world economy had first emerged in the late nineteenth century,
perhaps most commonly in German. From the war the idea of the Weltwirtschaft emerged concretized as never before as a web of managed flows.47 The
early decades of the twentieth century, dominated by World War I, were a
crucial moment in the history of the modern institutions of economic research.
The NBER, the institution which in the 1990s hosted the American side of the
new globalization historiography, was founded in 1920 precisely in the hope of
bringing quantitative order to American economic science.48 As the founders
of the NBER well understood, the question that inevitably followed was the
question of politics. Could a governed economy remain the natural, unpolitical
ground of national and international society? What was the status of economic
knowledge itself under these unsettling conditions? Massive quantification
and the construction of new channels of expert advice and influence were one
answer. In our current understanding of the economy we are ourselves still
enmeshed in the Wirkungsgeschichte of this moment.
But how was expertise to be brought to bear? In the wake of the war
investigative commissions and expert staffs proliferated. All the major areas of
world economics came under their sway. But the most urgent and political
problem of stabilization was monetary, and it was in the wake of the First World
War that central banking and its techniques truly emerged as a crucial
instrument of global economic organization. For more than a year after the end
of hostilities the wartime boom continued unabated. American spending in
Europe continued to be enormous in 1919 and rationing controls were lifted.
Inflation further accelerated. But over the winter of 1919 this brought growing
46 It is puzzling that historical sociologies of reflexive modernization advanced for
instance by Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne,
Frankfurt 1986, have not been applied more extensively to the crisis unleashed seventy
years earlier by World War I.
47 Quinn Slobodian, What was die Weltwirtschaft in Turn-of-the-Century Germany and
Austria? Paper given at Harvard University, 28. 3. 2013.
48 Guy Alchon, The Invisible Hand of Planning. Capitalism, Social Science, and the State in
the 1920s, Princeton 1985.
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The World Economy and the Great War
233
tension in commodities markets across the world, unsettled currency markets,
and triggered an avalanche of social conflict and labour unrest. In Washington
there was real concern about the viability of upholding the gold standard even
in the US. In the first months of 1920, the inflation that had been the dominant
theme of the war years was brought to an abrupt halt by the Federal Reserve
Board. If the November 1916 announcement on Entente borrowing had been a
shot across the bows of the Entente, the Fed’s decision to hike interest rates in
February 1920 made clear its dominant role in the entire world economy.
Deflation was now the order of the day. In 1920 and early 1921 prices fell even
in the Weimar Republic. Inflation did not resume in Germany until the
reparations question went critical in May 1921 following the London
Ultimatum. The collapse into hyperinflation was the experience of only a
handful of central European basket cases – Germany, Austria, Poland. And this
did not exempt them from the general logic of deflation. In recovery, they
became the object of unprecedented international intervention and financial
reconstruction. Under the Dawes Plan Germany returned to gold in 1924
sooner than the British Empire, which followed in 1925. It was, as Polanyi
remarked, the “most comprehensive” effort at concerted international
economy policy “the world had ever seen.”49 Even the Raj, once regarded as
a dangerous bullion drain, undertook an ill-fated experiment with the gold
standard.50
Deflation and a spike in unemployment helped to pacify industrial relations.
But the collapse in demand added to the difficulties of readjusting the
unbalanced production patterns left by the war. It is tempting to infer that this
double pressure necessitated protective measures and thus completed the
breakup of the liberal world economy.51 With regard to trans-Atlantic
immigration the postwar period was indeed a crucial moment.52 In 1921 and
1924 the United States adopted restrictive legislation. Labour would never
again move as freely as it did before 1914. Here, seemingly we have an
unambiguous index of deglobalization, a clear indicator of a break. But in Asia
there was no sudden migration stop, in part because Chinese, Indian and
Japanese migration to the regions controlled by the West had been tightly
controlled already since the mid-nineteenth century. In the wake of the war, the
British Empire in the name of imperial unity and under intense pressure from
the Government of India, in fact announced that it would adopt a more liberal
policy on Indian migration. But this was rendered void by the restrictive local
49 Karl Polanyi, The Great Transformation. The Political and Economic Origins of our
Times, Boston, MA 1944, p. 27.
50 G. Balachandran, John Bullion’s Empire. Britain’s Gold Problem and India between the
Wars, Richmond 1996.
51 Ingvar Svennilson, Growth and Stagnation in the European Economy, Geneva 1954.
52 Timothy J. Hatton and Jeffrey G. Williamson, The Age of Mass Migration. Causes and
Economic Impact, New York 1998.
234
Adam Tooze and Ted Fertik
measures taken in Canada, Australia and East Africa. Meanwhile, the largest
global migration flow, Chinese migration within Asia, continued unabated.53
Worldwide, overall migration probably peaked in 1929. Even in the Atlantic
world the politics of restriction were more ambiguous than a simple story of
war-induced deglobalization would suggest. In the US the impetus for federal
immigration restriction went back to the late nineteenth century. Both
Presidents McKinley and Wilson had vetoed congressional votes to implement
a strict literacy test. To contemporaries, the mass migrations of the pre-1914
period were not a triumph of personal freedom, or a vindication of a liberal
economic order. First and foremost they were symptoms of distress in Eastern
and Southern Europe. After the war, restriction was acknowledged both on the
side of the receiving and sending nations as part of a new and more complex
social bargain. It was no coincidence that in the 1920s major sending countries
like the UK and Italy engaged in government policies designed to give a new
national purpose and value to the emigrant. For those that stayed at home, new
programs of national biopolitical improvement, ranging from eugenics, to
agrarian reform and state-led heavy industrial development, often supported
by inflows of foreign capital and expertise, would offer a brighter future.54
The creation of an agency like the International Labour Organization (ILO) did
not betoken an end to globalization so much as an effort to consciously balance
wages, social policy and labour migration at an international level. A newly
formed state such as Poland did not lobby so hard for a commercial port on the
Baltic to give its countrymen and women an easier route to a better life in the
United States. But neither was it signaling a desire to cut itself off from world
trade. What Poland was articulating was the aspiration to an independent and
autonomous national existence within a newly restructured world economy.
The Polish-German trade dispute of the 1920s is commonly invoked as a
notorious instance of post-Versailles disintegration.55 But bitter as it was, it was
not an attempt to uncouple from globalization. For Poland what was at stake
was precisely the hope of escaping local German domination by means of
membership in a wider international community. Whilst the heavy-industry of
Silesia sought to disentangle itself from German influence it did so by plugging
itself into new networks that stretched to Wall Street.56
53 Adam McKeown, Global Migration. 1846 – 1940, in: Journal of World History 15. 2004,
pp. 155 – 189.
54 Hermann A. L. Lufft, Italienische Auswanderungspolitik, in: Weltwirtschaftliches
Archiv 25. 1927, pp. 279 – 299; Philip V. Cannistraro and Gianfausto Rosoli, Fascist
Emigration Policy in the 1920s. An Interpretive Framework, in: International Migration
Review 13. 1979, pp. 673 – 692.
55 Recent econometric studies suggest that this charge was wrong even on its own terms.
Nikolaus Wolf et al., On the Economic Consequences of the Peace. Trade and Borders
after Versailles, in: Journal of Economic History 71. 2011, pp. 915 – 949.
56 Frank Allan Southard, American Industry in Europe, Boston, MA 1931, pp. 81 – 88.
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The World Economy and the Great War
235
Though the idea of a break in 1914 remains a common shorthand in
discussions of trade integration in interwar economic history, the evidence
suggests a more differentiated timeline. Reconstruction after 1918 meant an
effort to rebuild a new and improved international trade system not an
atavistic turn towards protectionism.57 The return of a Republican majority in
Congress was alarming for the entire world economy. But the new FordneyMcCumber Tariff was no worse than the US tariff rates that had prevailed at the
height of the golden age of the “first globalization.” It was not the tariff that was
so worrying however, but the sign it sent that the executive branch in the US,
having lost the battle over the League of Nations in 1919, was unable to
articulate America’s central new role as a postwar creditor with the remorseless interest group politics of Congress. The American balance of payments
was a record not so much of economic success as of destabilizing surpluses, an
expression not of a world made safe for democracy, but of the disarticulation
between the business of politics and any wider notion of hegemony.
Nor was this disarticulation confined to the United States. If we view tariff
increases in relation to the overall pattern of trading relationships in the 1920s,
arguably the most significant shift was in trade relations between India and
Britain. The new Indian tariffs were far from prohibitive. Nor did they in any
way signal a desire on the part of India to retreat from the world economy.
India’s trade with Japan was booming. What was at stake was the long-held
desire to emancipate India from its dependence on British imports.58 The basic
issue was of national autonomy within a reconstructed global economy. Not for
nothing was the demand for tariff autonomy common in the 1920s to China,
India, Turkey and the Weimar Republic. The global significance of the Indian
tariff was that this autonomy posed a direct challenge to the inner logic of the
British Empire and to its role in balancing global trade flows. In the prewar
period the British surplus in India was key to balancing the complex
multilateral payments system. After 1918 whilst there was huge growth in the
surplus earned by the United States in Europe, and whilst the exports of the
tropics to the United States as well as those of the “great plains” agrarian
producers to Europe flourished, Britain’s surplus with India was static. It was
the only dyad in the worldwide trading network to register no change.
What emerged from the war, therefore, was not a shrunken global trading
system, but one characterized by ever larger bilateral imbalances, which were
no longer offset by Britain’s robust balance of payments. It was not so much a
deglobalization as a decentering of Europe. Contemporary reportage in the
1920s from the great passage points of world trade in the Suez and Panama
57 Patricia Clavin, Securing the World Economy. The Reinvention of the League of Nations,
1920 – 1946, Oxford 2013, pp. 38 – 47.
58 Brian R. Tomlinson, The Political Economy of the Raj, 1914 – 1947. The Economics of
Decolonization in India, London 1979.
236
Adam Tooze and Ted Fertik
Table 4: The Re-Direction of Trade and the De-Centering of Europe. Trade Balances ($M)
US
Tropics
UK
Continental
Europe
1910
US
Tropics
UK
Continental Europe
Great Plains
—
34
–243
–122
–136
–34
—
292
–146
–14
243
–292
—
219
58
122
146
–219
—
68
136
14
–58
–68
—
1928
US
Tropics
UK
Continental Europe
Great Plains
—
780
–630
–740
–640
–780
—
200
–510
–60
630
–200
—
730
260
740
510
–730
—
820
640
60
–260
–820
—
Ratio of 1928 of 1910
US
Tropics
UK
Continental Europe
Great Plains
—
22.9
2.6
6.1
4.7
22.9
—
0.7
3.5
4.3
2.6
0.7
—
3.3
4.5
6.1
3.5
3.3
—
12.1
4.7
4.3
4.5
12.1
—
Great
Plains
Notes: The data should be read from left to right. They show the balance of trade between the
country/ region listed in each row with the country/ region listed in each column. The Tropics
include central Africa, the tropical agricultural and the mineral producing countries of Latin
America, and tropical Asia. The Great Plains, or countries of recent settlement in the temperate
belt, briefly comprise Canada, Argentina, Paraguay, Uruguay, South Africa, Australia and New
Zealand.
Sources: Albert G. Kenwood and Alan L. Lougheed, The Growth of the International Economy
1820 – 2000, London 2002, p. 99 and p. 222; Karl-Erik Hansson, A General Theory of the System of
Multilateral Trade, in: The American Economic Review 42. 1952, pp. 59 – 68.
canals described a complex process of transformation and redirection.59 The
rapid development of Panama canal traffic highlighted the growing significance of the direct trade between the United States, the tropical regions of Asia
59 Egon Heymann, Der Verkehr im Suezkanal 1912 – 1914 und 1919 – 1926, in: Weltwirtschaftliches Archiv 25. 1927, pp. 86 – 104; Franz Haslinger, Umschichtungen im
Weltverkehr. Weltwirtschaftliche Aufschlüsse der Panamakanalstatistik, in: Weltwirtschaftliches Archiv 23. 1926, pp. 308 – 329.
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The World Economy and the Great War
237
and Australia. Commodities like Australian wool that had once passed through
London now went direct to consumers in the United States. In the Suez canal
what was striking was the importance of a new global commodity, oil. Up to the
turn of the century the oil industry was preeminently American. Thereafter the
sources of supply globalized, creating a new set of far-flung dependencies that
would eventually undercut the national systems of energy supply based on
coal.60 Once it outgrew the wildcatting stage, the hydrocarbon economy never
neatly conformed to the model of the liberal economy. Oil was big business and
it was highly politicized. The Boer War model of international relations seemed
to acquire a new salience in the struggles over Iraq and Mesopotamia in which
Standard Oil, Royal Dutch Shell and Anglo-Persian squared off with the more
or less overt backing of their governments. But the themes of corporate
organization and government intervention were not restricted to oil. Even
more contentious was Britain’s elaborate scheme introduced in 1924 for a
global rubber control system, known as the Stevenson Plan. With motor
vehicles as the great driver of American growth, it seemed to many like a
deliberate effort by the British to recoup the costs of the war debts by taxing
American consumers. The copper syndicate organized by American mining
firms shortly afterwards was widely seen as a reply to the Stevenson rubber
plan.
As Depression-era observers of the international economy looked back on the
prewar period it became increasingly clear to them that some of the
transformations in the world economy since 1914 had been due to the war
and nationalist reactions to the economic consequences of the war (and the
peace), but some had not. The economic confusions of the moment were as
much due to the supersession of competitive markets by oligopolistic firms
and the new significance of materials found only in far-flung parts of the world
as they were to the war and nationalism. For some of these observers the
experience of the war economy held positive lessons. Governing the world as
though it were a natural object had not prevented the most destructive conflict
in human history. The success that some actors (and some spectators) felt they
had had in consciously repurposing both domestic economies and the world
economy for war led them to believe that they could do the same for peace.
Indeed, some were convinced that only an actively governed world economy
could preserve the peace.61
That a second war was not averted does not mean that these interwar observers
were wrong. Nevertheless before 1945 efforts to insulate the government of the
world economy from politicization did not succeed. A price control plan for
the global rubber industry masterminded by London but based in Malaysia,
rumored by German experts in international economics to be an indirect
60 Timothy Mitchell, Carbon Democracy. Political Power in the Age of Oil, New York 2011.
61 Eugene Staley, World Economy in Transition, New York 1939.
238
Adam Tooze and Ted Fertik
mechanism for repaying billions of dollars in war debts owed by the British
tax-payer to the US is a fitting illustration of the kind of world economy created
by World War I.62 The war could not undo or reverse what Michael Geyer and
Charles Bright suggestively labelled the “global condition.”63 What it did do
was to render the organization of that economy more complex, more
politicized and ultimately more fragile, exposing it to the kind of disaster that
struck in 1929. Measured in terms of metrics of integration there can be no
doubt that it was 1929 to 1931 that marked the true break in the trajectory of
globalization. And contemporaries no doubt perceived it as a catastrophe. But
once we take seriously the politicized and self-reflexive reconfiguration of the
world economy driven forward by World War I, even the Great Depression no
longer figures simply as a rupture.64 The innocent discourse of market
integration would only regain its relevance after the passing of the age of
extremes. To contemporaries the Great Depression and the spectacular array of
innovative national and regional policies that followed, ranging from the
global designs of Bretton Woods, to the desperate efforts of Stalinism to feed
socialism in one country by means of forced grain exports, were not so much
deglobalization as the next round in the ongoing struggle over the relationship
between world economy and world power, the question forced violently into
the open in 1914.
Prof. Dr. Adam Tooze, Yale University, Department of History, 31 Hillhouse
Avenue, New Haven, CT 06511, USA
E-Mail: [email protected]
Ted Fertik, Yale University, Department of History, 320 York Street, New
Haven, CT 06511, USA
E-Mail: [email protected]
62 Robert Liefmann, Internationale Kartelle, in: Weltwirtschaftliches Archiv 25. 1927,
pp. 260 – 294,
63 Charles Bright and Michael Geyer, Benchmarks of Globalization. The Global Condition,
1850 – 2010, in: Douglas Northrup (ed.), A Companion to World History, Chichester
2012, pp. 285 – 300.
64 Wendy Larner and William Walters, Globalization as Governmentality, in: Alternatives.
Global, Local, Political 29. 2004, pp. 495 – 514.
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Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung
in Japan
Mediale Aneignungen und Studien durch Militär und
Ministerialbürokratie
von Jan Schmidt*
Abstract: For many societies, the First World War constituted a mediated war experience. This is also the case for Japan, which joined the Entente Powers already in
August 1914, but was only marginally involved in military campaigns. For more than
four years, the war was heavily covered by the Japanese mass media. It was constantly
an object of interpretations and of studies as well as an entertaining spectacle. The
article focuses on the way Japanese media helped to forge an indirect war experience
and on studies undertaken by the Japanese Army and by the Ministry of Education. It
demonstrates how they propelled certain policies to prepare for the “postwar world”
and a tendency toward national mobilization even in peacetime which contributed to
preparing for another war in the future.
Die Kriegserfahrung der lateinamerikanischen Gesellschaften, kolonialer
Gesellschaften, vieler neutraler Staaten, aber auch von militärisch nur
vergleichsweise wenig involvierten oder erst spät in den Krieg eintretenden
Staaten wie Japan und China in den Jahren ab 1914 war eine andere als die der
kriegführenden Staaten Europas. Jenseits der direkten Erfahrung von millionenfachem Tod und massiver Zerstörung wurde der Krieg hier vor allem über
Medien vermittelt, jedoch nicht ausschließlich passiv rezipiert. Während
vergleichsweise kleine Zahlen von entsendeten Beobachtern das Kriegsgeschehen dort direkt vermittelten, wurde dieses durch abertausende Texte und
Bilder nicht nur wahrgenommen, sondern durchaus aktiv interpretiert, über
visuelle Medien in das Bildgedächtnis integriert und längerfristig Teil des
kulturellen Gedächtnisses über den Krieg im Allgemeinen. Nur so ist es etwa zu
* Für Kommentare zu diesem Beitrag danke ich Nele Fabian, Teelka Groeneveld, Nina
Holzschneider, Nicola Przybylka, Stephan Rath und Katja Schmidtpott. Der Text basiert
in Teilen auf der Dissertation: Jan Schmidt, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Der Erste
Weltkrieg in Japan. Medialisierte Kriegserfahrung, Nachkriegsinterdiskurs und Politik,
1914 – 1918 / 1919, Diss. Universität Bochum 2013. Alle japanischen und chinesischen
Namen werden in der in Ostasien üblichen Reihenfolge, zunächst Familien-, dann
Personenname, angegeben. Für die Umschrift aus dem Japanischen wird die revidierte
Hepburn-Umschrift verwendet, aus dem Chinesischen die Pinyin-Umschrift. Übersetzungen, falls nicht anders kenntlich gemacht, sind die des Autors.
Geschichte und Gesellschaft 40. 2014, S. 239 – 265
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen 2014
ISSN 0340-613X
240
Jan Schmidt
erklären, dass Phänomene wie Gasmasken, Panzer, Luftangriffe, Nahrungsmittelmarken, Gefangenenlager oder etwa das Heer von in Munitionsfabriken
arbeitenden Frauen auch in solchen Gesellschaften zu Erinnerungsorten des
20. Jahrhunderts wurden, die den Kriegsalltag selbst nicht direkt erfahren
haben. Für die tendenziell marginale historiographische Aufarbeitung dieses
Phänomens dürfte verantwortlich gewesen sein, dass der Erfahrungsraum, der
eine eigene, jedoch eher indirekte Kriegserfahrung begründet, im Schatten des
kulturellen Gedächtnisses an die Opfer und Schäden in den vom Krieg direkt
militärisch betroffenen Regionen stand.
Ein solcher Fall ist die Integration Japans in die Geschichtsschreibung des
Ersten Weltkriegs.1 Zwar wurde längst auf die enorme ökonomische Bedeutung des Weltkriegs auch für Ostasien hingewiesen. So leitete in Japan die
Nachfrage der Entente-Staaten nach japanischen Produkten und Dienstleistungen sowie die relative Abwesenheit der europäischen Großmächte vom
chinesischen Markt nach Kriegsausbruch ab 1915 eine Hochwirtschaftsphase
ein, welche der Industrialisierung dort zum endgültigen Durchbruch verhalf.
Ebenfalls häufig erwähnt wurden die sozialen Gegensätze und die ökonomischen Härten, die der Krieg durch eine erheblich beschleunigte Urbanisierung
und rasant steigende Nahrungsmittelpreise auslöste und die im Sommer 1918
in den „Reisunruhen“ kulminierten.2 Auch dürfte die langfristige Bedeutung
des aggressiven außenpolitischen Vorgehens gegenüber China im Zuge der
sogenannten „Einundzwanzig Forderungen“, die im Frühjahr 1915 unter
Gewaltandrohung durch Japan übermittelt worden waren, in keiner ausführlichen Überblicksdarstellung des Kriegs fehlen, wie auch die Rolle Japans
während der Pariser Friedenskonferenz zumindest am Rande Erwähnung
findet. Zumindest in der direkt auf Japan bezogenen Forschung, allerdings
weit weniger in allgemeinen Studien zum Ersten Weltkrieg, wurde zudem auf
die Herausforderung hingewiesen, welche die neue Ordnung als Folge der
Friedensprogrammatik Woodrow Wilsons, der Russischen Revolution, der
Gründung des Völkerbunds und der Washingtoner Konferenz von 1921 / 1922
für Japan als Staat und Empire darstellte.3
1 Zur japanischen Historiographiegeschichte: Sebastian Conrad, Auf der Suche nach der
verlorenen Nation. Geschichtsschreibung in Westdeutschland und Japan, 1945 – 1960,
Göttingen 1999; Hans Martin Krämer u. a. (Hg.), Geschichtswissenschaft in Japan.
Themen, Ansätze und Theorien, Göttingen 2006.
2 Thomas W. Burkman, Japan, in: Robin Higham u. Dennis E. Showalter (Hg.),
Researching World War I. A Handbook, Westport 2003, S. 293 – 314. Jan Schmidt u.
Naoko Shimazu, A Historiographical Turn. Interpretations of Japan in the First World
War, in: Christoph Cornelißen u. Arndt Weinrich (Hg.), Writing War History. 100 Years
of Historiography on the First World War, Paris [2014].
3 Thomas W. Burkman, Japan and the League of Nations. Empire and World Order,
1914 – 1938, Honolulu 2008; Frederick Dickinson, War and National Reinvention. Japan
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Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan
241
Dennoch spielt Japan in der globalen geschichtswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg nur eine marginale Rolle; der
Weltkrieg selbst wiederum war in der japanischen Geschichtswissenschaft bis
in die jüngste Zeit in nur sehr geringem Maße präsent. Vieles hängt dabei von
der Frage ab, wie Kriegserfahrung in Bezug auf ganze Gesellschaften definiert
wird: Wird sie in einer breiten und komplexen Form gefasst, die nicht allein die
direkte Erfahrung von Gewalt und Zerstörung einschließt, so können Fälle, in
denen ferne Kriege medial sowie durch nur eine kleinere Zahl von beobachtenden Individuen derselben Gesellschaft direkt erfahren wurden, als ein
eigener, im Übrigen im 20. Jahrhundert häufig auftretender, Typus der
Kriegserfahrung angesehen werden.4 Eine solche, sich über mehr als vier Jahre
entwickelnde indirekte Kriegserfahrung kann im Falle des Ersten Weltkriegs
nicht nur für Japan konstatiert werden, sondern ebenso für die Rezipienten der
Massenmedien in anderen von den Kriegsschauplätzen entfernten Ländern,
wie beispielsweise in Argentinien, worauf in jüngster Zeit hingewiesen wurde.5
Die Betrachtung der japanischen Erfahrung des Ersten Weltkriegs kann also
nicht als Marginalie angesehen werden, sondern muss als ein frühes Beispiel
für eine durchaus wesentliche Art der Erfahrung im gesamten „Zeitalter der
Extreme“ gelten.6
Nicht kolonisierte Staaten außerhalb Europas und jenseits der USA konnten
den Krieg darüber hinaus als Studienobjekt entdecken, das nun von einer
meist nach europäischem Vorbild akademisch ausgebildeten Elite junger
Beamter und Offiziere untersucht wurde. Die mit diesem Auftrag entsandten
Beobachter wiederum trafen vielfach auf Gesellschaften, die im Zuge eines
stetig totaler werdenden Kriegs in wachsendem Grad mobilisiert und
Versuchen staatlicher Lenkung unterworfen wurden. Der Erste Weltkrieg
war somit für eine globale Elite Beamter, Journalisten, Offiziere und Unternehmer auch ein gigantisches Laboratorium für Rationalisierung und „Social
Engineering“.
and the Great War, 1914 – 1919, Cambridge, MA 1999; Shimazu Naoko, Japan, Race and
Equality. The Racial Equality Proposal of 1919, London 1998.
4 Zur Medialisierung von Kriegserfahrungen: Horst Tonn, Medialisierung von Kriegserfahrungen, in: Georg Schild u. Anton Schindling (Hg.), Kriegserfahrungen. Krieg und
Gesellschaft in der Neuzeit. Neue Horizonte der Forschung (= Krieg in der Gesellschaft,
Bd. 55), Paderborn 2009, S. 109 – 133.
5 Vgl. Gordon M. Winder, Imagining World Citizenship in the Networked Newspaper. La
Nacin Reports the Assassination at Sarajevo, 1914, in: Historical Social Research
35. 2010, S. 140 – 166; ferner die 2014 erscheinenden Arbeiten Maria Ins Tatos zu
Argentinien im Ersten Weltkrieg; Jan Schmidt, Sensō imēji no „sekai dōji-sei“ (Die
„Weltgleichzeitigkeit“ der Kriegsbilder), in: Koseki Takashi (Hg.), Gendai no kiten.
Daiichi sekai taisen. Dai-ikkan: Sekai sensō, Tōkyō [2014], S. 148 f.
6 Generell zu vergleichenden Studien von Kriegserfahrungen: Schild u. Schindling,
Kriegserfahrungen.
242
Jan Schmidt
Dieser Text widmet sich diesen beiden Dimensionen in Japan: einerseits der
Perzeption des Ersten Weltkriegs durch die japanischen Massenmedien und
deren Folgen, andererseits den umfangreichen Studien, die zum Krieg
angestellt wurden. Beides ist auch in Japan bisher nur fragmentarisch
erforscht. Die These ist, dass sowohl der Umfang und die Kontinuität der
medialen Berichterstattung als auch das Phänomen des ausführlichen Studiums des Kriegsgeschehens durch Militär und Ministerialbürokratie eine
eigene Art der Kriegserfahrung konstituiert haben, die mehr und folgenreicher war als nur ein passiv wahrgenommenes Hintergrundrauschen. Die
Aneignung der weitgehend über Medien vermittelten Erfahrung war dabei
stets geprägt sowohl von einer Tendenz zum Konsum des Kriegs als einer Art
Spektakel und vom Impetus zu dessen Nutzung zur Weiterbildung als auch von
einem Gefühl der Gleichzeitigkeit eines Ereigniszusammenhangs von irreversibel weltverändernder Bedeutung. Dies wiederum öffnete einen diskursiven
Raum, insbesondere für Zukunftsvorstellungen, die mit impliziten oder
expliziten politischen Forderungen kombiniert wurden.
Im Anschluss an eine Auseinandersetzung mit der Vermittlung des Kriegs
durch die japanischen Massenmedien werden die von Militär und Ministerialbürokratie durchgeführten Studien zum Krieg zunächst kurz vorgestellt,
um dann die Aktivitäten und Zielsetzungen der eigens dafür eingesetzten
Gremien in Bildungsministerium und Militär zu verdeutlichen. Anhand von
Publikationen dieser Gremien und konkreter politischer Maßnahmen, die
durch diese Studien angestoßen wurden, die aber auch vor dem Hintergrund
der allgemeinen Vermittlung des Kriegsgeschehens in Japan zu sehen sind,
wird auf eine besonders wirkmächtige Facette des Erbes hingewiesen, das der
Erste Weltkrieg in Japan hinterließ: die Präferenz zu einer bewusst betriebenen
Vorbereitung auf einen weiteren zukünftigen (Welt-) Krieg, der als unausweichlich angesehen wurde.
I. Der Erste Weltkrieg als medialisierte Kriegserfahrung
Eine britische Anfrage nach japanischen Kriegsschiffen, sich an der Jagd nach
dem vom deutschen Pachtgebiet Jiaozhou aus operierenden deutschen
Ostasiengeschwader zu beteiligen, nutzte die japanische Führung um den
Außenminister Katō Takaaki, um den Kriegsbeitritt einzuleiten.7 Das 1902
geschlossene Britisch-Japanische Bündnis konnte dabei nur als rhetorischer
Hintergrund herangezogen werden, da es sich um ein regional begrenztes
Defensivbündnis handelte. Nach Ablauf eines japanischen Ultimatums an
7 Vgl. die entsprechenden Kapitel bei Dickinson, War and National Reinvention; Ian Nish,
Japanese Foreign Policy 1869 – 1942. Kasumigaseki to Miyakezaka, London 1977;
Kajima Institute of International Peace (Hg.), The Diplomacy of Japan 1894 – 1922,
Bd. 3: First World War, Paris Peace Conference, Washington Conference, Tōkyō 1980.
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Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan
243
Deutschland und der Kriegserklärung am 23. August 1914 besetzten japanische Truppen nach einer mehrwöchigen Belagerung das deutsche Pachtgebiet
um die Bucht von Jiaozhou sowie die deutschen Inselkolonien in Mikronesien.
Sieht man von der Entsendung eines kleineren japanischen Flottengeschwaders für Geleitschutzaufgaben ins Mittelmeer im Jahr 1917 und der mehrjährigen Besetzung weiter Teile Sibiriens durch japanische Truppen im Zuge der
sogenannten Sibirien-Intervention von 1918 bis 1922 ab, war damit die direkte
militärische Beteiligung Japans am Ersten Weltkrieg bereits beendet.
Dem kann noch hinzugefügt werden, dass die japanischen Medien während
des gesamten Kriegs durch Nachrichten von der vermeintlichen oder tatsächlichen Kriegsbeteiligung japanischer Bürger in der Öffentlichkeit ein Gefühl
einer andauernden aktiven japanischen Kriegsbeteiligung vermittelten. Hierzu zählten Berichte über die Versenkung mehrerer japanischer Handelsschiffe
durch deutsche U-Boote und Hilfskreuzer, die Entsendung von 75 Krankenschwestern und Ärzten des japanischen Roten Kreuzes nach London, Paris
und St. Petersburg von Oktober 1914 bis 1916, der Kriegseinsatz japanischstämmiger Kanadier, die schlicht als japanische Kriegsfreiwillige dargestellt
wurden, der wiederholte Ankauf von Staatsanleihen der Bündnispartner sowie
die massiven Lieferungen von Waffen, Munition und Ausrüstungsgegenständen an Russland.8
In der langfristigen Erinnerung sowie in der späteren Geschichtsschreibung
inner- und außerhalb Japans blieb dessen Beteiligung am Krieg aber eine
Marginalie. Wenn überhaupt, dann wurde eher betont, dass das japanische
8 Zu den japanischen Krankenschwestern in Europa: Gordon Daniels, Humanitarianism
or Politics? Japanese Red Cross Nurses in Britain, 1915 – 1916, in: Hiroko Tomida u.
Gordon Daniels (Hg.), Japanese Women. Emerging from Subservience, 1868 – 1945,
Folkestone 2005, S. 222 – 231; Kawai Toshinobu, Dai-ichiji sekai taisen-chū no Nihon
sekijūji-sha ni yoru Ei-Futsu-Rokoku e no kyūgohan haken (Die Entsendung von
Hilfsmissionen des japanischen Roten Kreuzes nach Großbritannien, Frankreich und
Russland während des Ersten Weltkriegs), in: Gunji shigaku 43. 2007, S. 4 – 25. Zu ihrer
medialen Darstellung: Jan Schmidt, La quÞte japonaise pour la suprmatie dans le
contexte de la contribution de l’Asie orientale la Grande Guerre. Infirmires japonaises
contre „coolies“ chinois, in: Li Ma (Hg.), Les travailleurs chinois en France dans la
Premire Guerre mondiale, Paris 2012, S. 131 – 154. Zu den japanischen Kriegsfreiwilligen in Europa: Kudō Miyoko, Kiiroi heishitachi. Dai-ichiji taisen Nikkei Kanada
giyūhei no kiroku (Gelbe Soldaten. Die Aufzeichnungen der japanischstämmigen
kanadischen Freiwilligen im Ersten Weltkrieg), Tōkyō 1983. Zu den Lieferungen an
Russland: Eduard Baryshev (Bāruishefu Edowarudo), Dai-ichiji sekai taisen-ki ni okeru
Nichi-Ro gunji kyōryoku no haikei. Mitsui bussan no tai-Ro bōeki senryaku (Der
Hintergrund der militärischen Zusammenarbeit Russlands und Japans in der Zeit des
Ersten Weltkriegs. Die Handelsstrategie der Firma Mitsui bussan gegenüber Russland),
in: Hokutō Ajia kenkyū 21. 2011, S. 23 – 41. Über die Rolle Japans bei der Kriegsfinanzierung sowie die Verluste an japanischen Handelsschiffen scheint bis dato keine
Forschung zu existieren.
244
Jan Schmidt
Empire die kriegsbedingte Schwäche der westlichen Großmächte in China
ausgenutzt und dort eine aggressive Außenpolitik betrieben habe, die einen
frühen Höhepunkt in den sehr weitgehenden „Einundzwanzig Forderungen“
des Frühjahrs 1915 fand. Diese waren trotz britischer und US-amerikanischer
Proteste unter Androhung von Krieg in großen Teilen durchgesetzt worden.
Auch die inkonziliante Haltung Japans während der Pariser Friedenskonferenz
wurde lange auf die rücksichtslose Verfolgung von Machtinteressen im
Asiatisch-Pazifischen Raum zurückgeführt. Jenseits dieses Fokus auf die
japanische Außenpolitik aber wurde die Komplexität des Eindrucks, den der
Krieg auf Japan machte, und die sich daraus ergebenden Konsequenzen nur
wenig untersucht.
Als Japan im August 1914 auf Seiten der Entente in den Krieg eintrat, war dies
nach dem Chinesisch-Japanischen Krieg 1894 / 1895 und dem RussischJapanischen Krieg von 1904 / 1905 für die japanischen Massenmedien der
Beginn des dritten modernen Kriegs mit japanischer Beteiligung. Das
Interesse der japanischen Massenmedien brach zudem nicht mit Beendigung
der Kampfhandlungen in Ostasien im November 1914 ab, sondern dauerte bis
zum Ende des Kriegs in Europa im November 1918 und darüber hinaus an.
Einen Einblick darin, wie der Kriegsausbruch in Japan kommentiert wurde
und aus welchem Bewusstsein heraus dies geschah, vermag ein Leitartikel in
der Tōkyō asahi shinbun, einer der größten Tageszeitungen,9 von Anfang
August 1914 zu geben:
Alle Staaten der Welt […] werden durch den Krieg, der nun unter den europäischen
Großmächten ausgebrochen ist, durch dieses unglückliche Ereignis, beeinflusst werden. Auf
die ein oder andere Weise wird es unmöglich sein, die einhergehenden Leiden nicht zu teilen.
[…] Da nun die europäischen Großmächte die Kriegshandlungen auf Europa zu beschränken suchen und hoffen, ein Übergreifen auf Ostasien zu vermeiden, […] können wir, die
japanische Nation, es keinesfalls zulassen, dass der Frieden in Ostasien gestört wird […].
Auch wenn dies bedeutet, dafür nolens volens Waffengewalt einzusetzen, müssen alle
notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um den Frieden in diesem Teil der Welt aufrecht
zu erhalten. Ach, die Verantwortung der japanischen Nation in Ostasien – sie ist groß!10
Für die bisher vorherrschende Interpretation, Japan habe lediglich die
Kriegssituation benutzt, um eigene Interessen insbesondere gegenüber dem
nach der Revolution von 1911 geschwächten China durchzusetzen, mag das
hier spürbare Bewusstsein einer zumindest regionalen Groß- und Ordnungsmacht sprechen. Von weit über diesen durchaus vorhandenen Nexus hinausgehender Bedeutung für die weitere Perzeption des Kriegs ist allerdings der
9 Die Tagesauflage der Tōkyōter Ausgabe betrug 1914 etwa 148.500, die der Ausgabe aus
Ōsaka circa 242.000. Yamamoto Taketoshi, Kindai Nihon no shinbun dokusha-sō (Die
Zeitungsleserschichten im modernen Japan), Tōkyō 1981, S. 411.
10 O. A., Oshu- senran to Shina (Der Europäische Krieg und China), in: To- kyo- asahi
shinbun, 11. 8. 1914, S. 3.
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Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan
245
Beginn des Zitats, der auf ein verbreitetes Verständnis der Gleichzeitigkeit und
globaler Vernetztheit hinweist. Dies deckt sich mit der Beobachtung des
japanischen Historikers Yamamuro Shin’ichi, der in jüngster Zeit betont hat,
dass der Krieg in Japan bereits wenige Wochen nach dessen Beginn und damit
sehr früh als „Weltkrieg“ sowie sogar als „erster Weltkrieg“ bezeichnet wurde,
dem weitere folgen könnten.11 Letzteres wiederum lässt eine weitere Dimension der Interpretation des Kriegs noch während der Kriegsjahre aufscheinen:
der Blick in die Zukunft, der sehr häufig davon geprägt war, dass ein
zukünftiger, zweiter Weltkrieg Japan wesentlich stärker mit einbeziehen
könnte und dass die Gestalt des jetzigen, des ersten, Rückschlüsse auf die des
kommenden zulasse.12
Die japanischen Massenmedien reagierten routiniert auf den Kriegsausbruch:
Bereits im August 1914 wurden durch die großen Publikumsverlage Hakubunkan und Fuzanbō Kriegsillustrierte aufgelegt, die an ihre kommerziell
äußerst erfolgreichen Vorgänger aus dem Chinesisch-Japanischen und dem
Russisch-Japanischen Krieg anknüpften, aber aufgrund der Veränderungen in
der Drucktechnologie zwischen 1905 und 1914 nun eine ungleich größere Zahl
von Fotografien im Großformat zu niedrigen Preisen anbieten konnten. Auch
die japanischen Tageszeitungen, die in der Dekade vor 1914 zu Massenmedien
mit Tagesauflagen im Bereich von 250.000 bis 350.000 Exemplaren geworden
waren, konnten nun regelmäßig Fotografien zum Krieg abdrucken.13 Und nach
einer Anfangsphase, in der sich zufällig zur Zeit des Kriegsausbruchs in
Europa aufhaltende japanische Autoren wie etwa der bekannte Schriftsteller
Shimazaki Tōson aus Paris über die Ereignisse, früh auch über die Mobilisierung der Heimatfront berichteten, konnten die kapitalstarken marktführenden überregionalen Tageszeitungen zahlreiche Sonderkorrespondenten
nach Europa schicken und mithilfe ihrer offensichtlich sehr gefragten
Berichterstattung ihre Auflage abermals steigern.14
11 Zur Bezeichnung als „Weltkrieg“ (sekai taisen): Yamamuro Shin’ichi, Der Erste
Weltkrieg und das japanische Empire, in: Bochumer Jahrbuch zur Ostasienforschung
34. 2010, S. 21 – 51. Ausführlicher : ders., Fukugō sensō to sōryokusen no dansō. Nihon
ni totte no dai-ichiji sekai taisen (Im Spannungsverhältnis zwischen sich überlagernden
Kriegen und totalem Krieg. Die Bedeutung des Ersten Weltkriegs für Japan), Kyōto 2011.
12 Zu Zukunftsvorstellungen während des Ersten Weltkriegs: Jan Schmidt, Dai-ichiji sekai
taisen-ki Nihon ni okeru „sengo-ron“. Mirai-zō no tairyō seisan (Der „Nachkriegsdiskurs“ in Japan während des Ersten Weltkriegs. Eine Massenproduktion von Zukunftsvorstellungen), in: Koseki (Hg.), Gendai no kiten, S. 155 – 178.
13 Zur Presse in den 1910er Jahren: James L. Huffman, Creating a Public. People and Press
in Meiji Japan, Honolulu 1997, S. 310 – 358.
14 Zu Shimazaki Tōsons Berichten aus Paris in den ersten Kriegsmonaten: Steve Rabson,
Shimazaki Tōson on War, in: Monumenta Nipponica 46. 1991, S. 453 – 481, hier
S. 476 – 479; zu japanischen Schriftstellern und Sonderkorrespondenten in Europa:
Nakayama Hiroaki, Dai-ichiji taisen no „kage“. Sekai sensō to Nihon bungaku (Der
246
Jan Schmidt
Zudem wurden kontinuierlich Sachbücher herausgegeben, in denen vorwiegend Akademiker, vor allem Historiker, Juristen und Politik- sowie Wirtschaftswissenschaftler, aber auch außeruniversitäre public intellectuals, den
Krieg, dessen Ursachen sowie dessen Bedeutung für die Welt und für Japan
kommentierten. Alleine der einflussreiche Politologe Yoshino Sakuzō veröffentlichte neben zahlreichen Aufsätzen und Artikeln zum Krieg drei Monographien, in denen er sich bemühte, die Ursachen des Kriegs in Europa zu
erklären: „Eine historische Abhandlung über den Aufruhr in Europa“ (1915),
„Der Große Europäische Krieg“ (1916) sowie „Europa vor dem Krieg“ (1917).15
Natürlich nutzten viele Autoren die Gelegenheit, ihre eigene politische Agenda
bewusst einzubringen. So brandmarkte Yoshino, der vehement für eine
Demokratisierung des politischen Systems Japans eintrat, den deutschen
„Militarismus“ und hob gegen Kriegsende den Sieg der Demokratien über
autokratische Imperien hervor. Darüber hinaus wurden zahlreiche Texte, die
der japanischen Leserschaft die Hintergründe des Kriegs sowie dessen Verlauf
und Charakter erklären helfen sollten, aus europäischen Sprachen ins
Japanische übersetzt. Als Beispiel seien hier nur Schriften des deutschen
Generals und Militärhistorikers Friedrich von Bernhardi genannt.16
Das Medium der vermutlich deutlichsten und quantitativ bedeutendsten
intellektuellen Auseinandersetzung mit dem Krieg waren Zeitschriften. Auch
sie hatten bereits in den Jahren unmittelbar vor 1914 exponentielle Zuwächse
zu verzeichnen, sowohl was die absolute Zahl an publizierten Titeln als auch
deren Auflage anbelangt. Zudem hat die medienhistorische Forschung in
Japan nachweisen können, dass sich die Leserschaft von Zeitungen und
Zeitschriften in der Dekade vor dem Ersten Weltkrieg wesentlich ausgeweitet
hatte und zunehmend sowohl größere Teile der ländlichen Bevölkerung als
auch der im Wachsen begriffenen urbanen Arbeiterschaft und der Angestellten umfasste.17 In den Zeitschriften wurden nun in Hunderten von Artikeln
„Schatten“ des Ersten Weltkriegs. Ein Weltkrieg und die japanische Literatur), Tōkyō
2012.
15 Yoshino Sakuzō, Ōshū dōran shiron, Tōkyō 1915; ders., Ōshū taisen, Tōkyō 1916; ders.,
Senzen no Ōshū, Tōkyō 1917.
16 Friedrich von Bernhardi (Furı̄dorihi fon Berunharujı̄), Doitsu to tsugi no sensō
(Deutschland und der nächste Krieg), übers. v. Fuzanbō hengō-kyoku, Tōkyō 1914;
ders., Doitsu kokumin no shōrai (Die Zukunft der deutschen Nation), übers. v. Ōse
Jintarō, Tōkyō 1915.
17 Ariyama Teruo, Kindai Nihon no media to chiiki shakai (Die Medien des modernen
Japan und die lokale Gesellschaft), Tōkyō 2009; Nagamine Shigetoshi, Modan toshi no
dokusho kūkan (Die Räume des Lesens in modernen Städten), Tōkyō 2001; ders., Zasshi
to dokusha no kindai (Die Moderne von Zeitschriften und Lesern), Tōkyō 1997.
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Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan
247
über die ganze Dauer des Kriegs hinweg vielfältige Aspekte vorgestellt,
kommentiert und in ihrer Bedeutung für Japan kontrovers diskutiert.18
Zudem wurden über das noch junge Stummfilmkino Nachrichten über den
Krieg in Europa in Form zahlreicher Aktualitätenfilme sowie von Propagandafilmen vor allem aus britischer und französischer Produktion vermittelt.19
Auch ältere visuelle Medien, wie die während der beiden vorangegangenen
modernen Kriege Japans sehr populären, zunehmend als Medium in der
Schulbildung eingesetzten Laterna Magica-Schauen, hatten den Krieg zum
Gegenstand. Darüber hinaus entstanden in den Jahren 1913 und 1914 eine
Reihe von illustrierten Zeitschriften wie etwa Historische Fotografien (Rekishi
shashin) oder Nachrichten in Fotografien (Shashin tsūhō), in denen der Krieg
nun inmitten von Nachrichten über politische und gesellschaftliche Ereignisse
oder Naturkatastrophen, Unglücke und Technologieeuphorie immer wieder in
großformatigen Fotografien vorgestellt wurde. Auch in ihnen wurden zunehmend die Anstrengungen an den „Heimatfronten“ gezeigt.20 Ähnliches gilt für
das damals – insbesondere in wohlhabenderen Schichten – beliebte Medium
des Fotoalbums.21
Die Vorstellung eines solchen Fotoalbums in der Zeitung Yomiuri shinbun, das
im Dezember 1918 kurz nach Ende der Kampfhandlungen in Westeuropa
erschien, zeigt zudem, wie stark die mediale Durchdringung des japanischen
Alltags mit Bildern und Texten zum Krieg sowie das Ineinandergreifen
verschiedener Medien und die einhergehenden Multiplikatoreneffekte während der Kriegsjahre war :
Vor einiger Zeit wurden im [Kaufhaus] Mitsukoshi mehrere hundert jüngst durch unsere
Regierung von Großbritannien, USA, Frankreich, Italien und Belgien entliehene Fotografien
für jedermann ausgestellt. Aus diesen wurden einhundert ausgewählt und auf dieser
Grundlage das hier vorgestellte Album erstellt. Es ist nicht schwer, mit einem Blick den hoch
18 Zur Berichterstattung in den japanischen Massenmedien der ersten Kriegsmonate sowie
zur Zeit der Pariser Friedenskonferenz: Tamai Kiyoshi kenkyū kai (Hg.), Dai-ichiji sekai
taisen sansen to Nihon no masumedia (Der Eintritt in den Ersten Weltkrieg und die
japanischen Massenmedien), Tōkyō 2006; dies. (Hg.), Pari kōwa kaigi to Nihon no
masumedia (Die Pariser Friedenskonferenz und die japanischen Massenmedien), Tōkyō
2003.
19 Neben Kriegswochenschauen britischer, französischer, italienischer und US-amerikanischer Produktion wurden im ganzen Land auch alle großen Propagandafilme der
Entente wie z. B. der britische Film „Battle of the Somme“ (1916) gezeigt. Siehe z. B.
Tōkyō asahi shinbun, 24. 12. 1916, S. 7.
20 Zu Laterna Magica-Schauen und der Darstellung von Kriegen: Kusahara Machiko,
Gentō kara kami shibai e. Taishū no eizō media to sensō (Von der Laterna Magica zum
Papierbilderschaukastentheater. Die Bildmedien der Massen und Kriege), in: Inui
Yoshiko (Hg.), Sensō no aru kurashi, Tōkyō 2008, S. 101 – 129.
21 Vgl. Miki Masafumi, Sekai o miseta Meiji no shashinchō (Die Fotoalben der Meiji-Zeit,
welche die Welt gezeigt haben), Kyōto 2007.
248
Jan Schmidt
zu schätzenden Wert dieser Fotografien festzustellen. Jetzt, da der Krieg seinem Ende
entgegengeht, und das Empfinden des Volkes sich nach der Wiederherstellung des Friedens
sehnt, ist es auf keinen Fall nutzlos, mithilfe dieses Albums auf den beispiellosen großen
Krieg zurückzublicken. Wenn man nun dieses Album durchblättert, dann hat man das
Gefühl, dass einem die Realität des Großen Kriegs gleichsam wie in einem langen Film
detailliert vor Augen geführt wird. Still verweilend wird dabei ein tiefes Interesse ausgelöst.
Man muss dies eine unübertreffliche Publikation nennen!22
Dieser Werbetext verweist zunächst darauf, dass Kriegsbilder Einzug in eines
der renommiertesten Kaufhäuser, in einen modernen „Konsumtempel“ mit
erheblicher (konsum-) kultureller Leuchtturmfunktion, gehalten hatten und
unmittelbar danach von einer großen Tageszeitung eine Reproduktion der
ausgestellten Bilder beworben wurde, deren inneres Narrativ für die Zeitgenossen, zumindest für die Leser aus dem Bildungsbürgertum, die der
Rezensent repräsentiert haben dürfte, im Oktober 1918 attraktiv und sinnstiftend war.
In den Augen vieler japanischer Zeitgenossen stellte der Krieg nicht zuletzt
eine Gelegenheit zur Erweiterung der Allgemeinbildung dar, worüber beispielsweise ein Artikel in der Tōkyō asahi shinbun vom 21. August 1914
aufzuklären vermag. Der unbekannte Autor sah im gerade ausgebrochenen
Krieg in Europa die Chance zur Weiterbildung der Jugend und merkte an, dass
„die Kinder in den Grundschulen“ durch die Anschauung des „Weltkriegs“
nun „verstehen könnten, in welchen Regionen der Welt Krieg geführt und
welches Land gegen welches“ kämpfe. Es handele sich um eine „hervorragende
Gelegenheit, um Wissen zu solchen Gegenden und Orten wie Serbien, Belgien
oder etwa Lige zu vermitteln“. Aufgrund ihrer „unerhörten Neugierde“, sei es
höchst erfolgversprechend, den Krieg nunmehr zu nutzen und die Schüler in einfacher
Sprache das hören zu lassen, was in den Zeitungen zu den generellen Verhältnissen des
Europäischen Kriegs, zur menschlichen Natur und zu den Gebräuchen [in Europa] sowie zu
Geographie und Geschichte geschrieben [steht].23
Auch auf dem Büchermarkt erschienen zahlreiche Titel, die dem Ziel dienten,
den Krieg als Möglichkeit zum Wissenserwerb insbesondere über Europa zu
nutzen. Einen besonders aufklärerischen Zug hatten beispielsweise die
Publikationen der Großjapanischen Gesellschaft für Zivilisation (Dai-Nihon
bunmei kyōkai) inne. Unter ihrer Herausgeberschaft wurde 1916 ein Sachbuch
22 O. A., Ōshū taisen shashin-chō (Fotoalbum zum Großen Europäischen Krieg), in:
Yomiuri shinbun, 14. 12. 1918, S. 7. Sich beziehend auf: Toyoizumi Masuzō (Hg.), Ōshū
taisen shashin-chō (Fotoalbum zum Großen Europäischen Krieg), Tōkyō 1918.
23 O. A., Taisenran to shōgaku kyōiku. Sekai-teki chishiki wo atauru – Muni no kōkikai
(Der große Krieg und Grundschulerziehung. Wissen um die Welt vermitteln – Eine sich
nicht wiederholende Chance), in: Tōkyō asahi shinbun. 21. 8. 1914, S. 6.
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Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan
249
zu den „Erfahrungen des Großen Europäischen Kriegs“ veröffentlicht, 1920 ein
weiteres unter dem Titel „Der Große Europäische Krieg und Erfindungen“.24
Die populäre Monographienserie „Bibliothek Themen unserer Zeit“ (Jiji
sōsho) des Verlags Fuzanbō, die zwischen 1914 und 1918 erschien und 32
Bände umfasste, hatte es sich zum Ziel gesetzt, auch weniger gebildeten Lesern
in Japan das aktuelle Weltgeschehen, womit fast ausschließlich der Krieg
gemeint war, näherzubringen. Hierin fanden sich neben einem Band zum
„Untergang der europäischen Zivilisation“, der mit einem weiteren über Berlin
und Paris den Auftakt zur Serie darstellte, etwa Bände über „Deutschland und
die Deutschen“ sowie „Das Deutsche Kaiserhaus“, über „Bismarck und die
Gründung des Deutschen Reichs“, über „Österreich-Ungarn und sein Kaiserund Königshaus“, „England und die Engländer“, „Russland und die Russen“
sowie Bände über die übrigen europäischen Großmächte, aber auch über
„Nebenmächte“ wie „Belgien und die Belgier“ oder über „Die tragische
Geschichte Polens“.25 Alle Sachbücher aus den ersten Kriegsmonaten sollten
die „Bühne“ erklären, auf der der Krieg stattfand, der dem japanischen
Zeitungsleser bereits täglich begegnete. Im Verlauf des Kriegs erweiterte sich
der Fokus. Mit dem vorletzten, 1917 erschienenen Band über „Deutschland
nach dem Krieg“ rückte die Deutung der Zukunft ins Blickfeld, während der
enorme wirtschaftliche Aufschwung, den der Krieg für Japan gebracht hatte,
mit einem Band über den „Weltkrieg und Japans Seetransportwesen“ bedacht
wurde.26
Die Tatsache, dass diese kommerziell vertriebene Reihe sowie ähnliche
Monographien, hunderte Zeitschriftenartikel bis hin zu ganzen Sonderausgaben zum Krieg und tausende, auch längere interpretierende Zeitungsartikel
kontinuierlich auch von den großen Verlagshäusern auf den Markt gebracht
wurden, zeigt, dass das Interesse der japanischen Leserschaft am Krieg – trotz
sicherlich vorhandener Konjunkturen – im Ganzen ungebrochen geblieben
sein muss. Inhaltlich lässt sich feststellen, dass ähnlich der hier vorgestellten
Reihe sich der Blick auf den Krieg zunehmend öffnete und sich stetig weniger
den anfänglich hinterfragten Umständen des Ausbruchs sowie den Erläuterungen über die beteiligten Mächte widmete. In den Vordergrund rückte nun
die Betrachtung des Kriegsalltags, der Totalisierung und der Mobilisierung der
„Heimatfronten“, was etwa Kobayashi Hiroharu im Rahmen einer Inhaltsanalyse der Kriegsillustrierten des großen Verlagshauses Hakubunkan, den
24 Dainihon bunmei kyōkai (Hg.), Ōshū taisen no keiken, Tōkyō 1916; dies. (Hg.), Ōshū
taisen to hatsumei. Zen, Tōkyō 1920.
25 Endō Kichisaburō, Ōshū bunmei no botsuraku, Tōkyō 1914; Katayama Koson, Doitsu
oyobi Doitsujin. Tōkyō 1914; Kemuyama Sentarō, Doitsu kōshitsu, Tōkyō 1914; Hoshina
Kōichi, Berurin to Pari, Tōkyō 1914; Nagaoka Shun’ichi, Berugı̄ oyobi Berugı̄jin, Tōkyō
1914.
26 Abe Hidesuke, Sengo no Doitsu, Tōkyō 1917; Imaoka Jun’ichirō, Sekai taisen to Nihon
no kaiun, Tōkyō 1916.
250
Jan Schmidt
„Tatsachenberichten aus dem Europäischen Krieg“ (Ōshū sensō jikki), dargestellt hat.27 Die Überführung des Kriegs in die japanische Sprachwelt an sich,
die ausführlichen interpretierenden Texte hunderter japanischer Autoren
sowie der starke Grad der Durchdringung der japanischen Massenmedien mit
visuellen Darstellungen des Kriegs über mehr als vier Jahre hinweg kann als
eine medialisierte Form der Kriegserfahrung aus der Ferne angesehen werden.
II. Der Krieg als Studienobjekt von Militär und Ministerialbürokratie
In zwei großen Wellen wurden im Militär, in weiten Bereichen der japanischen
Ministerialbürokratie, der Kolonialverwaltung und in anderen Institutionen
wie privatwirtschaftlichen Unternehmen, Unternehmerverbänden und in
diversen Think-Tanks intermediärer Akteure temporäre Organisationen
gegründet, welche diverse Aspekte des andauernden Kriegs sowie die Lehren,
die aus ihm zu ziehen seien, untersuchen sollten. Im Folgenden sollen die
Studien, die das Militär anstellte, sowie einige ausgewählte Beispiele der
entsprechenden Bemühungen in der Ministerialbürokratie vorgestellt werden.
Die große Zahl von Studien anderer Organisationen können an dieser Stelle
nicht beachtet werden. Es sei aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die
Faszination, die das Kriegsgeschehen als Gegenstand der Beobachtung ganz
offensichtlich ausübte, und der Impetus, den fernen Krieg in aller Ausführlichkeit zu studieren, weit über den Radius zentralstaatlicher Stellen hinausging. Es handelte sich vielmehr um ein Phänomen, dass sehr vielfältige und
unterschiedliche Ebenen sowie Subsysteme des japanischen Empire gleichermaßen erfasste.
Im Verlauf des Jahres 1915 wurden je eine temporäre Studienkommission im
Heer, in der Marine und im Außen- und Bildungsministerium eingerichtet.
Während die Kommissionen in den Streitkräften und im Bildungsministerium
zunächst Neuerungen im Kriegs- sowie im Bildungswesen untersuchen
sollten, hatte die im Außenministerium eingesetzte Kommission zur Vorbereitung eines Friedens im Japanisch-Deutschen Krieg (Nichi-Doku sen’eki
kōwa junbi iinkai) die Aufgabe, Materialien für eine spätere Friedenskonferenz
zu erstellen.28
27 Kobayashi Hiroharu, Sōryokusen to demokurashı̄. Dai-ichiji sekai taisen – Shiberia
kanshō sensō (Totaler Krieg und Demokratie. Erster Weltkrieg – Interventionskrieg in
Sibirien), Tōkyō 2008, S. 95 – 156.
28 In westlichen Sprachen dazu: Michael Barnhart, Japan Prepares for Total War. The
Search for Economic Security, Ithaca 1987, S. 23 f.; Sven Saaler, Zwischen Demokratie
und Militarismus. Die Kaiserlich-Japanische Armee in der Politik der Taishō-Zeit,
1912 – 1926, Bonn 2000, S. 117 – 120. Auf Japanisch u. a.: Yoshida Yutaka, Dai-ichiji sekai
taisen to gunbu. Sōryokusen dankai e no gunbu no taiō (Die Militärführung und der
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Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan
251
Der direkte Anlass für eine zweite Welle der Institutionalisierung scheinen die
Überlegungen der Entente-Mächte auf der Pariser Wirtschaftskonferenz 1917
zur Nachkriegswirtschaftsordnung gewesen zu sein, an denen sich Japan aktiv
beteiligt hat.29 Die folgenden, im Februar und März 1917 eingerichteten
Gremien sollten für ihre jeweiligen Betätigungsfelder den Krieg studieren und
Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Nachkriegszeit ausarbeiten: Außenministerium (Gaimu-shō): Außerordentliche Untersuchungsabteilung des
Außenministeriums (Gaimu-shō rinji chōsa-bu); Finanzministerium (Ōkurashō): Außerordentliches Untersuchungsbüro des Finanzministeriums (Ōkurashō rinji chōsa-kyoku); Ministerium für Landwirtschaft und Handel (Nōshōmu-shō): Außerordentliches Untersuchungsbüro für Industrie (Rinji sangyō
chōsa-kyoku); Ministerium für Post und Kommunikation (Teishin-shō):
Außerordentliches Untersuchungsbüro des Ministeriums für Post und Kommunikation (Teishin-shō rinji chōsa-kyoku); Nationalbank Japans (Nihon
ginkō): Außerordentliche Untersuchungskommission der Nationalbank Japan
(Nihon ginkō rinji chōsa iinkai). Aus den Schreiben und Zeitungsmeldungen,
die ihre Gründung begleiteten, geht allerdings auch hervor, dass die bereits
umrissene medialisierte Kriegserfahrung bis 1917 sowie die umfangreichen
Äußerungen zur Nachkriegszeit und zu den als notwendig erachteten
Maßnahmen für deren Vorbereitung ihre Einrichtung begleitet und mitgeprägt
hat. Alle hier genannten Gremien mit Ausnahme der Untersuchungskommission der Nationalbank wurden am 10. Februar 1917 mit einem Erlass des
Tennō offiziell eingesetzt und bestanden bis März 1920 fort, einzelne noch
Jahre darüber hinaus.30
Erste Weltkrieg. Die Anpassung der Militärführung an die Entwicklungsstufe des totalen
Kriegs), in: Rekishigaku kenkyū 460. 1978, S. 36 – 41; Kōketsu Atsushi, Sōryokusen taisei
kenkyū. Nihon rikugun no kokka sōdōin kōsō (Forschungen zum System des totalen
Kriegs. Die Konzeption des japanischen Heeres von einer allgemeinen Mobilisierung
der Nation), Tōkyō 1981; ders., Nihon rikugun no sōryokusen seisaku (Die Politik des
totalen Kriegs des japanischen Heeres), Okayama 1994; Kurosawa Fumitaka, Dai-ichiji
sekai taisen no shōgeki to Nihon rikugun. Gun kindaika oboegaki (Die Auswirkungen
des Ersten Weltkriegs und das japanische Heer. Memoranden zur Modernisierung der
Armee), in: Takita Takeshi (Hg.), Tenkanki no Yōroppa to Nihon, Tōkyō 1997,
S. 178 – 197; ders., Taisen kanki no Nihon rikugun (Das japanische Heer in der
Zwischenkriegszeit), Tōkyō 2000; Hirama Yō’ichi, Dai-ichiji sekai taisen to Nihon
kaigun. Gaikō to gunji to sono rensetsu (Der Erste Weltkrieg und die Marine Japans. Die
Verbindung zwischen Außenpolitik und Militärischem), Tōkyō 1998.
29 Die wirtschaftspolitische Zusammenarbeit Japans mit den Entente-Staaten ist in der
Forschung bis dato nicht systematisch betrachtet worden. Einige Hinweise bei Janet
Hunter, Britain and the Japanese Economy during the First World War, in: Philip Towle
u. Kosuge Nobuko Margaret (Hg.), Britain and Japan in the Twentieth Century. One
Hundred Years of Trade and Prejudice, London 2007, S. 15 – 32.
30 Nationalarchiv Japan [NAJ], Bunkan-KS-000-00-On 10788100, Gaimu-shō rinji chōsabu kansei, chokurei dai-17-gō [Verordnung über die Außerordentliche Untersuchungs-
252
Jan Schmidt
Im Kern ihrer Arbeit standen zunächst die Entsendung von Offizieren und
Beamten in die verbündeten kriegführenden Staaten, insbesondere nach
Großbritannien, Frankreich und Russland, sowie eine massive Übersetzungstätigkeit. Die umfangreichen Berichte der nach mehrmonatigen Aufenthalten
in Europa und ab April 1917 auch in den USA nach Japan Zurückgekehrten
wurden zusammengefasst gedruckt, um sie dann über die Grenzen des eigenen
Ressorts hinaus in Regierungskreisen sowie generell in den höchsten Gremien
der Streitkräfte und der Ministerien zirkulieren zu lassen. Fast alle Gremien
gaben zudem auch Sonderbände heraus, die auf dem allgemeinen Buchmarkt
erhältlich waren oder etwa in Schulen oder über das Netzwerk des Innenministeriums bis hin zur Ebene von Dorfverwaltungen weite Verbreitung fanden.
Ergänzt wurden diese Berichte durch zahlreiche Übersetzungen sowohl aus
der Presse der Entente-Staaten und der neutralen Staaten als auch – häufig
vermittelt über japanische Stellen in der Schweiz und in Skandinavien – der
Mittelmächte, oder aus dem Bereich der dortigen an der Kriegführung im
weiteren Sinne beteiligten Ministerien und der Streitkräfte. Diese Übersetzungen wiederum wurden zum Teil mit umfangreichen Einleitungen und
Kommentaren durch die Mitglieder der jeweiligen Gremien versehen. Aufgrund der Tatsache, dass nur die Studien des Militärs eingehender erforscht
und viele der Berichte nicht mehr vollständig erhalten sind oder schlicht
nirgendwo in Japan systematisch gesammelt wurden, kann ihr Umfang hier
nur geschätzt werden.31 Dem Autor liegen allein über hundert gedruckte Bände
mit Berichten und etliche broschürenartige Texte vor, die zusammen mit dem
gedruckten Material des Militärs mehrere zehntausend Seiten umfassen.
Berücksichtigt man die bisweilen sehr umfangreichen internen Memoranden
innerhalb der Gremien, die allerdings nur fragmentarisch in diversen
Archiven und Nachlässen überliefert sind, steht man einem kaum überschaubaren Korpus gegenüber.
Inhaltlich gilt für diese Studien und die sie begleitende Publikations- und
Vortragstätigkeit, dass sich der Fokus sehr früh von der Wiedergabe technischer Details auf die Komplexität und den zunehmenden Grad der Mobilisierung der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft der kriegführenden Großmächte, einschließlich ihrer jeweiligen Kolonien und abhängigen Gebiete, hin
abteilung des Außenministeriums, kaiserlicher Erlass Nr. 17], 10. 2. 1917; NAJ, BunkanKS-000-00-On 10789100, Ōkura-shō rinji chōsakyoku kansei, chokurei dai-18-gō
[Verordnung über das Außerordentliche Untersuchungsbüro des Finanzministeriums,
kaiserlicher Erlass Nr. 18], 10. 2. 1917; NAJ, Honkan-3B-022-00-Shō 54 sō 00889100 12
Teishin-shō rinji chōsa-kyoku kansei [Verordnung über das Außerordentliche Untersuchungsbüro des Ministeriums für Post und Kommunikation], 10. 2. 1917.
31 Nachgedruckt wurde: Nihon ginkō rinji chōsa iinkai (Außerordentliche Forschungskommission der japanischen Nationalbank) (Hg.), Dai-ichiji sekai taisen oyobi sengo
sekai no kenkyū shiryō shū (Sammlung der Forschungsmaterialien zum Ersten
Weltkrieg sowie zur Welt nach dem Krieg), Tōkyō 1995.
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Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan
253
verschob. Der Krieg wurde dabei zu einem gigantischen Laboratorium vor den
Augen seiner japanischen Beobachter, insbesondere in Bezug auf die Möglichkeiten von Planung und Social Engineering.32 Ein Grund für die zunehmend sozialwissenschaftliche Ausrichtung dieser Studien dürfte auch darin
gelegen haben, dass die beteiligten Offiziere und Beamten im Gegensatz zu den
älteren Generationen der Ministerialbeamten im Laufe ihrer Ausbildung in
statistischer Methodik geschult worden waren. Es kann davon ausgegangen
werden, dass sie eine wesentlich höhere Affinität zu statistikbasierter Planung
hatten und dies nun, beflügelt durch entsprechende Tendenzen in der
zunehmend wissenschaftlich durchdrungenen Mobilisierung in Europa, in
ihre Analysen des Kriegs und in die von ihnen postulierten Lehren einfloss.33
Die Studien der Streitkräfte und der Ministerialbürokratie hatten zunächst
zwei fassbare Auswirkungen. Zum einen waren sie mit einer Reihe politischer
Maßnahmen verbunden, die als direktes Ergebnis dieser Studien bezeichnet
werden können. Zum anderen vermischten sich Publikationen und öffentlich
gehaltene Vorträge von Vertretern der Gremien mit einem Nachdenken über
die Nachkriegszeit und mit der allgemeinen Berichterstattung und Interpretation des Kriegs in den Medien. Durch dieses Zusammenspiel wurden
bestimmte Grundannahmen bezüglich der Nachkriegszeit bestärkt, andere
hingegen geschwächt. Dabei ist zu beachten, dass die Vertreter dieser Gremien
bei ihrer Publikations- und Vortragstätigkeit selbstredend die Interessen ihrer
jeweiligen Institution verfolgten. Ohne hierauf ausführlicher eingehen zu
können, sei als Beispiel etwa die weitverbreitete Annahme eines zukünftigen
„Wirtschaftskriegs“ genannt, auf den Japan sich für die Nachkriegszeit
vorbereiten müsse. Während in den Medien über Jahre hinweg über die
Einschränkungen des Freihandels der Vorkriegszeit im Zuge von Blockaden
und Ausfuhrverboten durch die kriegführenden Mächte berichtet wurde,
forderten japanische Unternehmen eine verstärkte staatliche Protektion und
Infrastrukturprojekte als Vorbereitung auf jenen „Wirtschaftskrieg“, während
das Militär und die Ministerialbürokratie in ihren Studien die Wichtigkeit
eines uneingeschränkten – und nötigenfalls erzwungenen – Zugriffs auf die
Märkte und Rohstoffe Chinas unterstrichen. Die ebenfalls in Teilen der Politik
und Unternehmerwelt vorhandenen Stimmen, die stattdessen auf internationale Zusammenarbeit setzten, wurden angesichts dieser Berichterstattung und
der Studien über die protektionistische Kriegswirtschaftspolitik der Großmächte systematisch geschwächt.
32 Vgl. zu Planung und Erstem Weltkrieg in Europa: Dirk van Laak, Planung. Geschichte
und Gegenwart des Vorgriffs auf die Zukunft, in: GG 34. 2008, S. 305 – 326.
33 Zur Geschichte der Ministerialbürokratie und ihrer Ausbildung: Shimizu Yū’ichirō,
Kindai Nihon no kanryō. Ishin kanryō kara gakureki erı̄to e (Die Ministerialbürokratie
des modernen Japan. Von den Beamten der Restaurationszeit zur Ausbildungselite),
Tōkyō 2013.
254
Jan Schmidt
III. Die „Erziehungsmaterialien zum Zeitgeschehen“ des
Bildungsministeriums, 1915 – 1920
Im Folgenden sei auf das Beispiel der etwa 8.000 Seiten umfassenden
vierzigbändigen Materialsammlung „Erziehungsmaterialien zum Zeitgeschehen“ (Jikyoku ni kan suru kyōiku shiryō) eingegangen, die das Bildungsministerium zwischen April 1915 und März 1920 herausgab. Ziel dieser
Materialsammlung, die auf den Studien der bereits erwähnten Untersuchungskommission zu Materialien des Zeitgeschehens im Bildungsministerium beruhte, war es, wie der Historiker Ōuchi Hirokazu feststellte, „Quellen der
diversen Länder der Welt bezüglich des totalen Kriegs für das Erstellen von
Politikplänen nutzbar zu machen“.34 Da es sich bei der Bildungspolitik nicht
um derart sensible Themen wie im Bereich des Militärischen handelte, ist eine
weitaus weniger restriktive Politik der Verteilung sehr wahrscheinlich, zumal
die Erziehungsmaterialien explizit als Handreichungen zur Information über
zukünftige bildungspolitische Themen gedacht waren. Dieser Eindruck wird
dadurch bestärkt, dass die Erziehungsmaterialien zwischen 1915 und 1918
mehrfach in großen Tageszeitungen beworben wurden. So findet sich für die
erste Ausgabe der Materialien in der Tōkyō asahi shinbun vom 15. Juli 1915 in
einer Kolumne, in der Neuerscheinungen vorgestellt wurden, der folgende Text
des Ministeriums zum ersten Band:
Es handelt sich hierbei um Materialien, die für Fragen der Bildung im Zusammenhang mit
den [entsprechenden] Institutionen der kriegführenden Staaten, deren Einfluss auf das
Erziehungswesen […] aufschlussreich sein kann. Das Bildungsministerium hat eigens
hierfür eine Kommission gebildet, um diese entsprechendes Material zusammenstellen zu
lassen. Dieser Band ist in Abschnitte zu den fünf Ländern Großbritannien, Frankreich,
Russland, Belgien und Deutschland unterteilt […].35
Hier zwar nicht explizit erwähnt, aber dennoch in dieser Außendarstellung
spürbar mitschwingend, ist die Absicht, Materialien für den eigenen Bildungssektor und dessen Weiterentwicklung zur Verfügung zu stellen.
Das Hauptmerkmal der ersten Ausgaben der Erziehungsmaterialien, die ab
Juni 1915 erschienen, ist das Ziel der Herausgeber, mit den vorgestellten Texten
einen Eindruck von „patriotischer Erziehung in Idee und Praxis“ in den
kriegführenden europäischen Staaten zu vermitteln. Zudem war bei den
Herausgebern bereits in dieser ersten Phase ein Bewusstsein dafür vorhanden,
dass dieser Krieg sich von allen vorherigen substantiell unterschied.36 In dieser
34 Ōuchi Hirokazu, „Kokumin“ kyōiku no jidai (Die Ära der „Volkserziehung“), in:
Komori Yōichi u. a. (Hg.), Kanjō, kioku, sensō (Emotionen, Gedächtnis, Krieg), Tōkyō
2002, S. 95 – 124, hier S. 98.
35 Shuppankai, in: Tōkyō asahi shinbun, 15. 7. 1915, sowie vom 10. 8., 4. 11., 18. 11. 1915,
27. 3., 27. 9. 1916, 9. 11. 1917, 9. 4., 22. 4. 1918, jeweils S. 6.
36 Ōuchi, „Kokumin“ kyōiku no jidai, S. 99.
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Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan
255
Phase handelte es sich bei den Materialien überwiegend um Übersetzungen
von Texten aus dem Deutschen, Englischen und Französischen. Im dritten
Band der Erziehungsmaterialien wird deutlich, dass die japanischen Herausgeber beispielsweise in Bezug auf Deutschland davon ausgingen, dass die
nationale Einheit durch den Krieg nicht nur eine Notwendigkeit für den Sieg
im Krieg darstellen würde, sondern dass diese auch unerlässlich für den
sozialen, politischen und ökonomischen Wiederaufbau nach dem Krieg sei. An
diesem Umstand ist deutlich abzulesen, dass auch die an der Herausgabe
beteiligten Beamten im Bildungsministerium bereits Ende 1915 die Nachkriegszeit als Herausforderung sahen, auf die es sich auf der Grundlage der
nun im Krieg gemachten Erfahrungen vorzubereiten galt.37 Mit Ausgabe
sieben, die 1916 erschien, ist jedoch eine Veränderung zu bemerken, die mit
der Wahrnehmung des Kriegsgeschehens durch die japanischen Beamten in
Zusammenhang gestanden haben dürfte: Zwar wurden nach wie vor Texte in
die Erziehungsmaterialien aufgenommen, die den Lesern besonders patriotische Beispiele aus den kriegführenden europäischen Staaten vorstellten,
jedoch wurden zunehmend argumentierende Texte aufgenommen, die die
Umgestaltung des Systems im Inneren dieser Staaten forderten. So finden sich
im siebten Band Texte zu „Zeitgeschehen und England“, zu „Physik und
Chemie im Krieg“ oder zu „Industrie und Krieg“.38 Ein Werbetext für zwei
Sonderbände der Erziehungsmaterialien vom Januar 1917 verdeutlicht die
vom Ministerium angedachte Verwendungsweise im Schulalltag:
Die freiwilligen Jungenverbände der Großmächte
Es handelt sich um eine Sammlung bezüglich der Organisation und des Trainings der
Jungenverbände der sechs Großmächte Großbritannien, USA, Frankreich, Deutschland,
Russland und Italien und ist damit eine gute Handreichung für die Leiter der Jungen- und
Jugendverbände. Insbesondere Dinge wie die Trainingsmethoden sollten zudem für das
Lehrpersonal der Grund- und Mittelschulen als Vorlage dienen können.
Schulen und Krieg
Hierbei handelt es sich um das einzige Handbuch, in dem man sich anhand einer
Textsammlung zu „Bildungsausstellungen zum Zeitgeschehen“ […] darüber informieren
kann, wie in deutschen und österreichischen Grund- und Mittelschulen der Krieg mit
Gewinn eingesetzt wird. Es ist ein Werk, das unbedingt die Lektüre durch die Lehrkräfte
unseres Landes in der Primar- und Sekundarstufe erfordert.39
37 Vgl. als Faksimiledruck: Monbu-shō (Hg.), Jikyoku ni kan suru shiryō, Tōkyō 1997.
38 Ebd.
39 Tōkyō asahi shinbun, 12. 1. 1917, S. 1; hierbei handelt es sich um Werbung für Teikoku
kyōiku kai, Monbu-shō, Rekkyō no sei-shōnen giyūdan (Freiwillige Jungen- und
Jugendverbände der Großmächte), Tōkyō 1917; dies., Gakkō to sensō. Doitsu ni okeru
jikyoku kyōiku tenrankai (Schulen und Krieg. Bildende Ausstellungen zum Zeitgeschehen in Deutschland), Tōkyō 1917.
256
Jan Schmidt
Die hier anklingende Betonung der Nutzbarkeit der Erfahrungen und
Maßnahmen der europäischen Großmächte für die Zukunft der japanischen
Schulerziehung manifestierte sich auch in den weiteren Bänden dieser ersten
Phase.
Als Kennzeichen der nächsten Phase ab etwa Juni 1917 kann die Vorstellung
von Bildungsreformgedanken und -maßnahmen angesehen werden.40 So
wurden etwa Überlegungen zur Kategorie der Gesamtschule in Deutschland in
Ausgabe zwölf ebenso vorgestellt wie etwa auch ein Memorandum des
britischen Historikers, Lehrers und Bildungspolitikers Herbert A. L. Fischer,
in dem er Hilfe aus dem Staatshaushalt für Schüler aus bildungsfernen
Schichten forderte, um diesen den Besuch der Mittelschule zu erleichtern. Das
zentrale Thema dieser Texte war die Forderung nach mehr Chancengleichheit
durch einen freieren Zugang zur Bildung, die in den kriegführenden Staaten
im Zuge der immer stärkeren Mobilisierung der ganzen Gesellschaft an
Dynamik gewonnen hatte.
Neu hinzu kamen Texte zu den USA, markiert durch den vierten Sonderband
der Reihe aus dem Frühjahr 1918, der sich ausschließlich dem Bildungswesen
der USA nach deren Kriegseintritt widmete. Auch der folgende 18. Band
widmete sich dem US-Bildungssystem, wobei ein besonderer Schwerpunkt in
Texten, die über den Ausbau von naturwissenschaftlichen und technischen
Fachbereichen informierten, bestand. Die Tendenz, zunehmend Neuerungen
im US-Bildungssystem vorzustellen, setzte sich auch nach Ende des Kriegs und
der Pariser Friedenskonferenz fort.41
Die Bände 27 bis 30, die alle im Jahr 1919 erschienen, standen ganz im Zeichen
der Vorstellung von quantitativen und qualitativen Untersuchungen von USSchulen mit sozialwissenschaftlicher Methodik. Diese Untersuchungen sollten
als Grundlage für eigene Reformpläne dienen. Die für die Nachkriegszeit in
Japan zu erwartenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme sollten in einer
nationalen „Kooperation in Einheit“ aufgefangen werden. Statt eines Systems
von „Individualismus und Klassenkampf“ müsse eine Solidarität in den
„Feldern Politik, Gesellschaft und Industrie“ hergestellt werden. Dafür
notwendig sei eine „Vergesellschaftung der Bildung“, mit der Bildung in
ihrer sozialen Funktion einen „nationalen Zusammenschluss“ fördern sollte,
um soziale Sicherheit zu erreichen.42
Im Dezember 1916 erschien zudem unter dem Titel „Erziehungsmaterialien
zum Zeitgeschehen: Fotoalbum zum Europäischen Krieg“ ein 59 Seiten
umfassendes, kommentiertes Fotoalbum.43 Das Album sollte als Handreichung für Schulen dienen, wobei aus einer großformatigen Werbeanzeige in
40
41
42
43
Monbu-shō, Jikyoku ni kan suru shiryō.
Ebd.
Ebd.
Monbu-shō (Hg.), Jikyoku kyōiku shiryō. Ōshū sensō shashin-chō (Erziehungsmaterialien zum Zeitgeschehen. Fotoalbum zum Europäischen Krieg), Tōkyō 1916.
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Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan
257
der Tōkyō asahi shinbun vom 12. Januar 1917 hervorgeht, dass das Album über
die Reichserziehungsgesellschaft (Teikoku kyōiku kai) auch frei verkauft und
ohne Aufpreis versandt wurde.44 Aus dem Vorwort des Albums geht hervor,
dass „die abgedruckten Reproduktionen von Bildern und Fotografien aus
illustrierten Publikationen aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland und
Italien“ entnommen worden seien, „welche als Erziehungsmaterialien bezüglich des Zeitgeschehens gesammelt“ wurden. Über die Verwendung in Schulen
hinaus sollten die Leser das Album, das „besonders geeignet“ sei, „von diesem
Krieg einen generellen Eindruck zu vermitteln“, mit „den bereits veröffentlichten Erziehungsmaterialien zum Zeitgeschehen vergleichen“, um einen
umfassenderen Eindruck über die Entwicklung des Bildungswesens in den
kriegführenden Staaten zu erhalten.45
Die besagte Werbeanzeige ergänzte das Vorwort für den freien Verkauf noch
um den Zusatz, dass das Album „in keinem Haushalt eines Lehrers oder einer
führenden Person der Jungen- und Jugendverbände fehlen“ dürfe, zumal man
daraus „natürlich etwas über die Führungspersönlichkeiten, die Generäle,
Waffen, Schulen in der Kriegszeit, über Frauen in den [nun] militarisierten
Staaten und anderes, kurzum über die Realität des Europäischen Kriegs in
allen seinen Facetten“ erfahren könne.46
Nach Collagen mit Portraitfotografien der politischen Führungspersönlichkeiten der europäischen Großmächte sowie einiger Generäle widmete das
Album gleich mehrere Seiten der Grundschulerziehung inmitten des Kriegs.
Zu sehen sind laut der Bildbeschreibungen französische Schülerinnen und
Schüler zwischen Häuserruinen, eine französische Schulklasse in Gasmasken
sowie in Weinkellern zum Schutz vor Artilleriebeschuss, wobei die Fotos der
Schulklassen von einer Reproduktion des Niemandslandes der Frontlinie
eingerahmt werden. Weitere Fotografien und Zeichnungen von durch Luftangriffe zerstörten Häusern, Zeppelinen, ersten größeren Bombern und
Suchscheinwerfern sowie von Horchposten und Flugabwehrkanonen bei Paris
dürften japanischen Betrachtern vermittelt haben, dass der Luftkrieg in
Zukunft den Krieg auch weit in die kriegführenden Staaten und deren
Gesellschaften selbst hineintragen würde. Die Mobilisierung der Heimatfronten wiederum wurde über diverse Zeichnungen und Fotografien, etwa von
britischen Frauen als Schaffnerinnen und Fahrkartenabreißerinnen, von
Französinnen, die Spenden für Kriegsversehrte sammeln oder Soldaten
Essenspakete mit auf die Fahrt zur Front in die geöffneten Fenster eines Zuges
reichen, Frauen, die in einer Munitionsfabrik arbeiten, oder von Italienerinnen, die Ausrüstung auf Körben in die Frontstellungen im Gebirge tragen,
44 Tōkyo asahi shinbun, 12. 1. 1917, S. 1.
45 Monbu-shō, Jikyoku kyōiku shiryō. Ōshū sensō shashin-chō, o. S.
46 Tōkyō asahi shinbun, 12. 1. 1917, S. 1.
258
Jan Schmidt
illustriert. Auch die Rationierung von Lebensmitteln wird anhand der
Abbildung deutscher Lebensmittelmarken dargestellt.
In all dem zeichnet sich eine ausführliche und klar erkennbare Darstellung der
Totalisierung des Kriegs durch die Aufhebung der Grenze zwischen Kombattanten und Zivilisten ab. In der Zusammenstellung der Abbildungen kann – bei
aller wahrscheinlichen Begrenztheit des der Auswahl zugrunde liegenden
Korpus an Fotografien und Zeichnungen – ein visuelles Narrativ gesehen
werden, das die beteiligten Beamten des Bildungsministeriums und der
Reichserziehungsgesellschaft im Spätjahr 1916 vermittelt sehen wollten und
das sie im Rahmen ihrer Interessen und ihres Selbstverständnisses mit einiger
Wahrscheinlichkeit auch selbst verinnerlicht hatten. Inmitten massiver Zerstörung, etwa durch Luftangriffe, sollte die Nation darauf vorbereitet sein,
dass, angefangen von Schulkindern, die nun eben Gasmasken zu tragen hatten
und deren Unterricht in Keller verlegt werden müsse, nun die gesamte
Heimatfront bereitwillig in die Kriegsanstrengungen eingebunden werden
müsse. Und obwohl die in großer Zahl in das Album aufgenommenen
Fotografien und Zeichnungen von neuen Waffen und deren Verheerungen
auch als Mahnung hätten gesehen werden können, dominiert insgesamt das
vermeintlich nüchterne Vorstellen einer neuen Art des Kriegs, so wie er nun –
und damit auch: von nun an – sei.
Über die Rezeption und Wirkungsgeschichte der Erziehungsmaterialien,
einschließlich der öffentlich erhältlichen Sonderbände und des Fotoalbums, ist
bisher kaum geforscht worden. Ōuchi Hirokazu konzentrierte sich in der bis
dato einzigen Untersuchung der Erziehungsmaterialien auf den Erziehungswissenschaftler Abe Shigetaka, der nach einem Studium an der Philosophischen Fakultät der Reichsuniversität Tōkyō 1915 in der Abteilung für normale
Schulangelegenheiten des Bildungsministeriums eine Anstellung als Beamter
fand. Unmittelbar nach seiner Einstellung wurde er Teil des Projekts zur
Erstellung der Erziehungsmaterialien zum Zeitgeschehen, bevor er 1919 auf
den ersten Lehrstuhl für Erziehungswissenschaften an seiner Alma mater
berufen wurde.47 Für Abes Fall konnte Ōuchi nachweisen, dass sich durch die
Beteiligung an der hier beschriebenen Materialsammlung sein Interessenschwerpunkt veränderte: Dieser hatte bis 1915 in der Kunsterziehung gelegen,
während er nach 1918 zu Bildungssystemen und zur Bildungsverwaltung
arbeitete, wobei ihm vor allem das Verdienst zugesprochen wird, in der
Zwischenkriegszeit wie kein anderer Akademiker in Japan die Bildungssysteme anderer Länder vorgestellt zu haben. Dies wiederum stellte eine direkte
Fortsetzung der Arbeit an den Erziehungsmaterialien dar und zeigt, wie auch
der im Folgenden näher beschriebene Fall der japanischen Streitkräfte, wie
47 Zu Abe Shigetakas Bedeutung vgl. Hans Martin Krämer, Neubeginn unter USamerikanischer Besatzung? Hochschulreform in Japan zwischen Kontinuität und
Diskontinuität, 1919 – 1952, Berlin 2006, S. 92 u. S. 139.
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Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan
259
sehr die Studien zum Ersten Weltkrieg im jeweils eigenen Feld zentrale
Konzepte und das methodische Vorgehen beeinflussten.48
Ōuchi argumentierte anhand des Beispiels Abe Shigetakas zudem, dass die
Idee von Chancengleichheit für den Zugang zu Bildung im Zuge der Rezeption
der entsprechenden Diskussionen der Weltkriegsjahre in Europa und in den
USA auch in Japan durchsetzungsfähiger oder zumindest sagbarer wurde. Die
Leitidee war, dass für einen möglichen zukünftigen Krieg, aber auch für die
verschärfte wirtschaftliche Konkurrenz der Nachkriegszeit die Mobilisierung
der gesamten Gesellschaft nötig sein würde und dass dabei Diskriminierung
aufgrund sozialer Herkunft hinderlich oder gar existenzbedrohend sein
würde. Hierbei konnte in der politischen Semantik die über die Massenmedien
sowie über die besagten Studien vermittelte Kriegserfahrung der europäischen
Staaten und der USA nutzbar gemacht werden, da diese bestimmte Argumentationsmuster bestärkte. Wie stark der Krieg im Zusammenhang mit Reformen im Bildungswesen bereits während seiner Dauer thematisiert wurde, zeigt
der folgende Auszug einer Rede des Ministerpräsidenten Terauchi Masatakes
von Oktober 1917, mit der er die Gründungsveranstaltung des Sonderausschusses für Erziehung (Rinji kyōiku kaigi) eröffnete, die als übergeordnetes
Gremium besonders über Reformen des höheren Bildungswesens beraten
sollte:
Obwohl die kriegführenden Großmächte sich seit Beginn des großen Kriegs in Europa
inmitten militärischer Geschäftigkeit befinden, implementieren sie trotzdem Maßnahmen
zur Selbststärkung, mit denen die Bildungsinstitutionen vorsichtig wie gleichzeitig unermüdlich Plänen zur Reform unterworfen werden. Nun ist unser Empire derzeit zwar nicht
derartig den Verheerungen durch Kampfhandlungen ausgesetzt wie unsere Bündnisstaaten,
aber bezüglich der Handhabung der Nachkriegszeit stehen [uns] für die Zukunft immer
stärker werdende vielfältige Schwierigkeiten bevor.49
Im Anschluss daran rief er zu einer Stärkung des Erziehungswesens in Japan
auf, da dieses für die Zukunft des Empire von entscheidender Bedeutung sei.
Dieses Beispiel zeigt, wie weit die Erfahrung der Vorgänge in Europa Einzug in
die politische Semantik gehalten hat. Bemühungen zur Reform des höheren
Bildungswesens waren in Japan zwar schon vor 1914 erkennbar, die Dinglichkeit wurde allerdings rhetorisch in Verbindung mit dem Weltkrieg und der
für die Zeit nach dem Krieg antizipierten verschärften weltweiten Konkurrenz
gebracht, auf die sich Wirtschaft und Gesellschaft Japans vorbereiten sollten.
Das direkte politische Ergebnis war kurz nach Kriegsende die „Universitätsverordnung“ (Daigaku-rei) vom 6. Dezember 1918, mit der etliche private
Hochschulen Universitätsstatus erhielten und an vorhandenen Universitäten
vor allem naturwissenschaftliche Fakultäten neu gegründet oder einzelne
48 Ōuchi, „Kokumin“ kyōiku no jidai, S. 102.
49 Rede Ministerpräsident Terauchi Masatakes, zit. n. Nakano Akira, Taishō demokurashı̄
to kyōiku (Taishō-Demokratie und Bildung), Tōkyō 1977, S. 94.
260
Jan Schmidt
Lehrstühle aufgewertet wurden. Insgesamt wurde der Zugang zu Hochschulbildung durch eine Steigerung der Studienplatzzahlen erheblich ausgeweitet.
Gespeist wurde das Gefühl dieser Dringlichkeit, das politische die Konsensbildung für diese Verordnung beschleunigt hatte, ganz offensichtlich durch die
medialisierte Kriegserfahrung sowie durch die Studien wie den vorgestellten
innerhalb des Bildungsministeriums.
IV. Die Aktivitäten der Untersuchungskommissionen von
Heer und Marine ab 1915 und das „Gesetz zur Mobilisierung
der Rüstungsindustrie“ im April 1918
Nicht nur die Aktivitäten der Beamten des Bildungsministeriums brachten
zahlreiche Publikationen hervor. Alleine die Außerordentliche Untersuchungskommission für militärische Angelegenheiten des Heeres, der bis zu
ihrer Auflösung im Januar 1922 116 Offiziere angehörten, gab von 1916 bis
1922 in 69 Ausgaben sowie 66 Sonderausgaben die „Monatsnachrichten der
Außerordentlichen Untersuchungskommission für militärische Angelegenheiten“ (Rinji gunji chōsa iin geppō) heraus.50 Die Ergebnisse der Untersuchungen der Marine wiederum wurden in einer eigenen Schriftenreihe, den
276 Bände umfassenden „Materialien zur Untersuchung militärischer Angelegenheiten der Marine im Europäischen Krieg“ (Ōshū sensō kaigun gunji
chōsa shiryō) und den „Materialien zum Studium militärischer Angelegenheiten“ (Gunji kenkyū shiryō) dokumentiert.51 Der Verbreitungsgrad dieser
Schriften reichte dabei weit über den Kreis der Militärführung hinaus: Die
Sondernummern der „Monatsnachrichten“, die allesamt den Titel „Über die
Armeen der kriegführenden Staaten Europas“ (Ōshū kōsen shokoku no
rikugun ni tsuite) trugen und in denen die wichtigsten Forschungsergebnisse
der Kommission zusammengefasst worden waren, wurden an nahezu alle
Abgeordneten des Reichsparlaments verteilt.52 Die fünfte Sondernummer der
Monatsnachrichten beispielsweise wurde mit insgesamt 1.190 Exemplaren
besonders weitläufig verbreitet, unter anderem auch an 59 Zeitungsfirmen und
Nachrichtenagenturen.53
Ferner hielten Mitglieder der Kommission des Heeres zwischen 1916 und 1921
mindestens 127 Vorträge vor Versammlungen der großen politischen Parteien,
vor Pädagogen, Frauenorganisationen, Vertretern von Handel und Industrie,
dem Reichsreservistenverband sowie vor zahlreichen anderen Gruppierun-
50
51
52
53
Vgl. Kurosawa, Taisen kanki, S. 25 f.
Hirama, Dai-ichiji sekai taisen, S. 271 f.
Kurosawa, Taisen kanki, S. 25 f. u. S. 37.
Ebd., S. 35 u. S. 45.
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Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan
261
gen.54 Einzelne Mitglieder der Kommission veröffentlichten zudem Texte in
Tageszeitungen, in diversen monatlich erscheinenden Zeitschriften sowie in
der auflagenstarken Kriegsillustrierten Ōshū sensō jikki, den „Tatsachenberichten aus dem Europäischen Krieg“. Dabei standen Artikel etwa über „neue
Waffen im Europäischen Krieg“ neben solchen, welche über die „Mobilisierung der Industrie“, über die Rolle von Frauen im Krieg oder beispielsweise
über „Rohstoffprobleme der kriegführenden Staaten“ informierten.55
Die wachsende Zahl von Texten, die sich zunehmend auch mit den wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen im Inneren der kriegführenden
Staaten auseinandersetzten, weist auf einen Wandel der Untersuchungsschwerpunkte der Kommission hin. Besondere Bedeutung gewann die
Auseinandersetzung mit der Mobilisierung sämtlicher ökonomischer Ressourcen für den Krieg und mit dem enormen Verbrauch von Rohstoffen sowie
mit der Schwierigkeit, eine ausreichende Versorgung mit diesen zu gewährleisten. Dies war auch derjenige Bereich, der am deutlichsten mit konkreten
politischen Maßnahmen noch vor Kriegsende in Verbindung gebracht werden
kann.
Eine dieser Maßnahmen, das „Gesetz zur Mobilisierung der Rüstungsindustrie“, welches am 16. April 1918 mit der Zustimmung von Unter- und
Adelshaus verabschiedet wurde, symbolisiert die Folgen des Konzeptionswandels in Bezug auf Krieg und Landesverteidigung im Militär Japans und
kann als eine direkte Folge der Studien im Militär angesehen werden.56 Die
Sorge um die Kapazitäten der japanischen Wirtschaft bei der Führung eines
zukünftigen Kriegs sowie um die Sicherung der Versorgung mit Rohstoffen
wurde durch die genannten Studien entscheidend verschärft, und die entsprechenden Forderungen des Militärs genossen weit über die Kreise der
Militärführung hinaus Akzeptanz. Die gesamte Sicherheitspolitik wurde durch
die Studien zunehmend zu einer Frage der „Mobilisierung der ganzen Nation“,
nach außen hingegen zu einer der Sicherung von Einfluss auf rohstoffreiche
Gebiete.
Die Schrift „Erörterung über die Notwendigkeit eines landesweiten Mobilisierungsplans“ (Zenkoku dōin keikaku no gi), die im September 1917 von einer
Unterabteilung des Generalstabs herausgegeben wurde, griff die Untersuchungen der Kommission des Heeres auf.57 Darin wurde argumentiert, dass
das Niveau der japanischen Produktion von Rüstungsgütern zu niedrig und zu
abhängig von Lieferungen aus dem Ausland sei. Ein System der Zusammenarbeit von staatlichen und privaten Betrieben gäbe es zudem nicht, der Aufbau
54 Ebd., S. 32 u. S. 35.
55 Tobe Ryōichi, Dai-ichiji taisen to Nihon ni okeru sōryokusen-ron no juyo (Die
Rezeption von Debatten zum totalen Krieg in Japan und der Erste Weltkrieg), in: Shin
bōei ronshū 7. 1980, S. 1 – 16, hier S. 5, Anm. 12.
56 Kōketsu, Nihon rikugun, S. 143 – 181.
57 Ders., Sōryokusen taisei kenkyū, S. 199 – 205.
262
Jan Schmidt
eines solchen Systems sei aber im Hinblick auf die Erfordernisse eines Kriegs,
wie ihn Europa gerade erlebe, notwendig.58 Neben der Forderung nach
Vorbereitungen für ein System der Mobilisierung der Rüstungsindustrie
wurde die Einrichtung einer Institution gefordert, die dieses zentral verwalten
und kontrollieren sollte. Eine zusätzlich im Januar 1918 eingerichtete Untersuchungskommission des Heeres zur Rüstung (Rikugun gunju chōsa iinkai)
zeichnete erneut ein Schreckensbild der Möglichkeiten der japanischen
Rüstungsindustrie im Vergleich mit der massiven Mobilisierung der Industrien der europäischen Großmächte und der USA. Ihre Arbeit lieferte den
entscheidenden Impuls zu einem entsprechenden Gesetz sowie gleichzeitig
das Material für wirkungsvolle Argumente in den vorbereitenden Parlamentsdebatten.59
Nach mehrmaliger Überarbeitung durch das Kabinett, nach Abstimmungen
mit der Marine und Beratungen in beiden Kammern des Reichsparlaments
erhielt das Gesetz schließlich die Zustimmung des Adelshauses. Interessant ist
sein Inhalt hier vor allem, weil sich darin sehr direkt die Erfahrung des noch
andauernden Weltkriegs und den daraus gezogenen Lehren widerspiegelten.
In Kriegszeiten sollte mit dem Gesetz der Reichsregierung, dominiert vom
Militär, eine weitgehende Kontrolle über alle relevanten Wirtschaftszweige und
die Arbeitswelt ermöglicht werden. Das Gesetz sollte unter anderem für die
Produktion von Waffen, Munition, Maschinen, Treibstoff, Kleidung und
Nahrungsmitteln Geltung besitzen. Die für den Krieg zu mobilisierenden
Fabriken und Betriebe sowie der genaue Ablauf der Mobilisierung wurden
festgelegt, wobei der Regierung das Recht eingeräumt wurde, unter bestimmten Bedingungen alle für die Produktion und Reparatur von Rüstungsgütern
notwendigen Fabriken und Betriebe kontrollieren, benutzen und, falls
kriegstechnisch erforderlich, enteignen zu können. Ferner wurde die kriegswirtschaftliche Verwendung von privatem Bodenbesitz, Lagerraum, Verkehrsmitteln sowie der dazugehörigen Anlagen festgelegt und die Regierung
ermächtigt, die Angestellten rüstungsrelevanter Fabriken und Betriebe einem
Kriegshilfsdienst zu unterwerfen sowie Teile der nicht arbeitenden Bevölkerung zu einer Beschäftigung innerhalb der Rüstungsindustrie verpflichten zu
können. Für die Planung einer zukünftigen Mobilisierung waren weitere
Paragrafen des Gesetzes von großer Wichtigkeit, so etwa das Recht der
58 Ders., Nihon rikugun, S. 124. Einen Monat zuvor hatte Koiso Kuniaki, später einer der
Ministerpräsidenten Japans in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, den Text
„Ressourcen für die Verteidigung des Reichs“ (Teikoku kokubō shigen) verfasst, in
dem er die Notwendigkeit eines „detaillierten Plans zur Umstellung der Industrie“ auf
Kriegsproduktion sowie generell die Notwendigkeit der Rohstoffsicherung unterstrich.
Kōketsu, Sōryokusen, S. 206 – 212.
59 Hierbei diente Großbritannien als Vorbild, wo aus der Sicht der Kommissionsmitglieder
eine strikte Kontrolle der Industrie in den Kriegsjahren geglückt war. Vgl. ders., Nihon
rikugun, S. 127.
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Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan
263
Regierung, detaillierte Untersuchungsberichte über Fabriken, Betriebe, Eisenbahnen und Schiffe sowie rüstungsrelevante Rohstoffe ohne Rücksicht auf
Firmengeheimnisse einzufordern.60
All dies kann als direkte Übertragung des akkumulierten Wissens der diversen
Gremien zum Studium des Kriegs, vor allem aber der Streitkräfte, über
Maßnahmen angesehen werden, die vor allem in Großbritannien und
Deutschland während der Kriegsjahre nach und nach ergriffen worden
waren. Langfristig betrachtet war es unter anderem das als Folge des Gesetzes
im Mai 1918 geschaffene Rüstungsbüro (Gunju-kyoku), das auf eine wesentliche Auswirkung des Gesetzes verweist. Mit ihm wurde der Grundstein für ein
zumindest seinem Anspruch nach weitläufiges Planungswesen gelegt, das bis
in den Asiatisch-Pazifischen Krieg der Jahre 1937 bis 1945 fortbestand und
trotz aller struktureller Probleme bei dessen Umsetzung in weiten Teilen die
Kriegsanstrengungen dieser Jahre erst ermöglichte.61
Ein weiteres Beispiel für eine direkte Auswirkung der Studien des Militärs mit
der Wirkung einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung ist die Neufassung des
sogenannten „Reichsverteidigungsplans“ (Teikoku kokubō hōshin), die ebenfalls im Jahr 1918 unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs entstand. Dort
wurden nun die USA und China, und damit nicht mehr Russland wie in der
ursprünglichen Fassung, als wahrscheinlichste Kriegsgegner der Zukunft
identifiziert. China wurde offen als zukünftiges Rohstoffreservoir in Betracht
gezogen, während die Aufrüstung der USA nach deren Kriegseintritt im April
1917 als potentielle Gefahr angesehen und ein Machtkampf um die ökonomische Vorherrschaft im asiatisch-pazifischen Raum antizipiert wurde.62
V. Schlussbetrachtung
Es ist deutlich geworden, dass die bisher kaum erforschte mediale Reaktion auf
den Ersten Weltkrieg weit über die Japan militärisch direkt betreffenden
Aspekte hinausging. Während der Kriegsjahre wurde nicht nur kontinuierlich
und an den verschiedensten Orten in der komplexen modernen Gesellschaft
Japans über den Krieg berichtet, sondern dieser zudem ausführlich kommentiert und interpretiert sowie von eigens eingerichteten Gremien ausführlich
studiert. Es handelte sich um einen Erfahrungsraum, der mehrheitlich durch
eine medialisierte, indirekte Kriegserfahrung konstituiert wurde. Selbstver60 Der Gesetzestext in: Bōeichō kenshūjo senshishitsu (Hg.), Rikugun gunju dōin Dai-1.
Keikaku-hen (Mobilisierung der Rüstungsindustrie durch die Armee. Bd. 1.: Edition
der Pläne), Tōkyō 1967, S. 652 – 655.
61 Ebd., S. 51 f.
62 Kurono Taeru, Dai-ichiji taisen to kokubō hōshin no dai-ichiji kaitei (Der Erste
Weltkrieg und die erste Revision des Reichsverteidigungsplans), in: Shigaku zasshi 106.
1997, S. 1 – 34.
264
Jan Schmidt
ständlich konnte der Erste Weltkrieg in Japan in der Folgezeit nicht denselben
Ort in der Erinnerungskultur einnehmen, den Paul Fussel in „The Great War
and Modern Memory“ beschrieb und den Jay Winter und andere für Europa
rekonstruiert haben.63
Dennoch sollte deutlich geworden sein, dass, wenn es um eine Weltgeschichte
des Ersten Weltkriegs gehen sollte, eine Erweiterung um andere, eher indirekte
Kriegserfahrungen, anzuraten ist. Wenn etwa ein Sammelband Paris, London
und Berlin in den Kriegsjahren gegenüberstellt, würde zwar ein direkter
Vergleich beispielsweise mit Buenos Aires, Shanghai oder eben mit Tokyo
schwer fallen.64 Aber gerade die Mischung aus dem aus der Ferne erlebten
Krieg als medial konsumiertem Spektakel und Lehrstück sowie der gefühlten
Gleichzeitigkeit stellt eine nicht zuletzt durch die Entwicklung der Massenmedien und durch Visualisierung erst ermöglichte Grunderfahrung des 20.
Jahrhunderts dar. Es muss hier zudem betont werden, dass diese medialisierte
Kriegserfahrung Japans auch auf ein neues Bild vom Krieg verweist, das eben
nicht nur in die Gesellschaften Einzug gehalten hat, die den Krieg direkt
erfuhren. Giftgas, U-Boote, Panzer, Frauen in Munitionsfabriken und nicht
zuletzt Luftangriffe wurden auch in Japan bereits während des Ersten
Weltkriegs zu Kollektivsymbolen, die im Alltag präsent waren. Die Beispiele
von Auswirkungen der Studien zum Krieg, etwa in Form der Universitätsverordnung und des „Gesetzes zur Mobilisierung der Rüstungsindustrie“ von
1918, haben zudem gezeigt, in welchem Maße auch ein aus der Ferne
erfahrener Krieg die politische Semantik beeinflussen kann.
Auch das aktive Studium des Kriegs durch Staaten wie Japan stellt eine Facette
des indirekt erfahrenen Kriegs dar. Eine für die folgenden Dekaden wesentliche Auswirkung jener Studien bestand darin, dass die Wahrscheinlichkeit
eines kommenden Weltkriegs und einer dann stärkeren Beteiligung Japans als
nahezu absolut angesehen wurde. Diese an eine sich selbst erfüllende
Prophezeiung erinnernde Annahme hat sich noch während des Ersten
Weltkriegs in weiten Teilen der japanischen Eliten verbreitet und musste ein
Hindernis für die pazifistischen, auf Ausgleich und breite Partizipation
zielenden Strömungen in Japan darstellen, die in der Zwischenkriegszeit
ebenfalls verbreitet waren. In jedem Fall kann ein für die Geschichte Ostasiens
sowie für die Entfachung des Zweiten Weltkriegs folgenschwerer Zusammenhang zwischen den Studien des japanischen Militärs während des Ersten
Weltkriegs und der japanischen Aggression gegenüber China ab 1931 / 1937
postuliert werden: Die permanente Errichtung eines japanischen Einflussbereichs auf rohstoffreiche Gebiete und Märkte in China sowie die antizipierte
63 Paul Fussel, The Great War and Modern Memory, New York 1975; Jay Winter, Sites of
Memory, Sites of Mourning. The Great War in European Cultural History, Cambridge
1995.
64 Jay Winter u. Jean-Louis Robert (Hg.), Capital Cities at War. Paris, London, Berlin
1914 – 1919, Cambridge 1997.
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Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan
265
Gegnerschaft zur USA wurden nach der zwar vergleichsweise indirekten, aber
in diesem Aspekt äußerst wirksamen Erfahrung des Ersten Weltkriegs als
conditio sine qua non für das Weiterbestehen des Empire angesehen und
bestimmten die politischen Handlungsspielräume der Folgejahre erheblich.
Im Falle des „Gesetzes zur Mobilisierung der Rüstungsindustrie“ von 1918
kann sogar ein direkter Bogen zum Zweiten Weltkrieg in Ostasien gespannt
werden, da es sich bei ihm um den unmittelbaren Vorläufer des „Gesetzes zur
gesamten Mobilisierung der Nation“ (Kokka sōdōin hō) vom April 1938
handelte, das in der Forschung als ein Kerninstrument der Mobilisierung
Japans in den Jahren 1938 bis 1945 angesehen wird.
Jan Schmidt, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Ostasienwissenschaften,
GB 1 / 41, Universitätsstraße 150, D-44780 Bochum
E-Mail: [email protected]
Americans Respond
Perspectives on the Global War, 1914 – 1917
by Jennifer D. Keene
Abstract: Neutrality did not mean non-involvement. American communities engaged
intellectually, politically, and financially with the wars’ multiple fronts throughout
1914 to 1917. This essay discusses the responses of Progressive reformers to the plight
of Belgian civilians, African American interest in Africa, and Jewish-American aid to
Russian Jewish refugees. The recent historiographic trend emphasizing the war’s
global dimensions has provided macro-level analyses of strategy, migrations, finances, trade, and empires throughout the world. Considering World War I as a global
war, however, offers more than a way to analyze American financing, trade, and
diplomacy. It creates a framework for recapturing the smaller, diverse, often locallybased experiences of American communities during the period 1914 to 1917.
In 1914 President Woodrow Wilson urged Americans to be “impartial in
thought, as well as action.”1 Both the government and people, he suggested,
must avoid “passionately taking sides” for America to remain a neutral in the
present war, a status it maintained until April 1917 when Congress declared
war on Germany. Many historians have traced the gradual erosion of the
concept of neutrality throughout 1914 to 1917, paying particular attention to
the changes in Wilson’s definition of neutrality, the close ties that American
financiers and industrialists developed with the Allied side, and the debate
over military preparedness.2 Wilson’s statement, however, captured several
demographic realities. The United States had recently welcomed millions of
new immigrants from both Allied and Central Power nations. Class tensions
were rife in the rural and industrial sectors where disputes often turned deadly.
Racial violence was also on the rise. America in 1914 was a divided nation that
found it impossible to speak with one voice on any matter. This would include,
despite Wilson’s plea, reacting to the crisis of world war.
1 Woodrow Wilson, US Declaration of Neutrality, 19. 8. 1914, in: Gerhard Peters and John
T. Woolley, The American Presidency Project, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/
?pid=65382.
2 See for example, Robert H. Zieger, America’s Great War. World War I and the American
Experience, New York 2000; John P. Finnegan, Against the Specter of a Dragon. The
Campaign for American Military Preparedness, Westport, CT 1974; John G. Clifford,
The Citizen Soldiers. The Plattsburgh Training Camp Movement, 1913 – 1920, Lexington, KY 1974; Ross Gregory, The Origins of American Intervention in the First World
War, New York 1971.
Geschichte und Gesellschaft 40. 2014, S. 266 – 286
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen 2014
ISSN (Printausgabe): 0340-613X, ISSN (online): 2196-9000
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Americans Respond
267
Neutrality did not mean non-involvement. Dividing the American experience
neatly into a period of neutrality and belligerency works well for diplomatic
history, but calling 1914 to 1917 the “period of neutrality” obscures the
multiple and diverse ways that Americans engaged directly in the war from its
opening days. It privileges presidential leadership, leaving it up to Wilson to
proclaim America neutral, and then to request a declaration of war.3 How does
recognizing the engagement of average Americans in the war from the opening
days of the conflict change this narrative? Some Americans elected to join
foreign armies, demonstrating a willingness to participate directly in the actual
fighting well before the United States formally entered the war.4 This essay will
focus on a different response, the efforts of diverse groups to alleviate civilian
suffering overseas. Rather than remaining impartial, these communities
engaged intellectually, politically, and financially with the wars’ multiple
fronts.
For those who decided to act, the so-called period of neutrality became a time
when Americans were free to focus their attention on any part of the war they
chose without risking censor from their neighbors or the government. The
geographical selection varied tremendously, reflecting the diverse backgrounds and passions of the American people. Throughout the period of
neutrality Americans, often depending on their race, ethnicity, class, regional
orientation or ideological beliefs, focused on different aspects of the global
war. The ability to disengage and ignore the war was another freedom
Americans enjoyed during the period of non-belligency. Once the United
3 The most sustained discussions of the United States in the period of neutrality comes
through biographies of Woodrow Wilson, which understandably privilege his decisionmaking. For recent examples see John Milton Cooper, Jr., Woodrow Wilson. A
Biography, New York 2009; Justus D. Doenecke, Nothing Less Than War, Lexington, KY
2011; Ross A. Kennedy, Woodrow Wilson, World War I, and America’s Strategy for Peace
and Security, Kent, OH 2009. John Branden Little and Julia Irwin are two scholars
challenging the idea of an American period of neutrality through their work on Belgium
relief and the American Red Cross, respectively. See John Branden Little, Humanitarian
Relief in Europe and the Analogue of War, 1914 – 1918, in: Jennifer D. Keene and Michael
S. Neiberg (eds.), Finding Common Ground. New Directions in First World War Studies,
Leiden 2011, pp. 139 – 160 and Julia Irwin, Making the World Safe. The American Red
Cross and a Nation’s Humanitarian Awakening, New York 2013.
4 For American volunteers, see Robert B. Bruce, A Fraternity of Arms. America and
France in the Great War, Lawrence, KS 2003; Axel Jansen, Individuelle Bewährung im
Krieg. Amerikaner in Europa, 1914 – 1917, Frankfurt 2003 and id., Heroes or Citizens.
The 1916 Debate on Harvard Volunteers in the European War, in: Christine Krüger and
Sonja Levsen (eds.), War Volunteering in Modern Times. From the French Revolution to
the Second World War, Basingstoke 2011, pp. 150 – 162.
268
Jennifer D. Keene
States declared war, the demands (both legal and extralegal) to participate fully
in the war effort touched nearly every community.5
The recent historiographic trend emphasizing the global dimensions of the
war has provided macro-level analyses of how the war affected strategy,
migrations, finances, trade, and empires throughout the world.6 The United
States figures prominently in these accounts mostly through its trade,
financing, diplomacy, and ultimately military might. Considering World War I
as a global war, however, offers more than a way to tell the bird’s eye story of
American participation. It creates a framework for recapturing the smaller,
diverse, often locally-based experiences of American communities during the
period 1914 to 1917. The global dimensions of the war gave Americans choices
to make when deciding which aspect of the war mattered the most to them.
During this period, Progressive reformers focused nearly exclusively on the
plight of Belgian civilians, African Americans on Africa, and Jewish-Americans on Russia and Palestine. Their motivations for making these selections
were equally diverse. Progressive reformers hoped to re-define America’s
humanitarian role in the world. African Americans linked the progress of the
racial struggle at home to the continued existence of the global color line.
Jewish Americans, immigrants and the native-born, worried about family and
friends caught up in the maelstrom of war.
The experiences of these three groups vividly demonstrate that Americans
were not sitting on the sidelines during the period of neutrality. Rather than
following President Woodrow Wilson’s lead and limiting America’s concerns
to protecting the rights of neutrals, American citizens became avidly involved
in multiple dimensions of the global war underway. As Wilson himself
predicted in his 1914 neutrality address: “The effect of the war upon the United
States will depend upon what American citizens say and do.”
I. Progressives and the Plight of Belgium
In the years leading up to the war, Progressive reformers had launched a multifaceted reform movement known as Progressivism, a domestic campaign
against political corruption, the power of monopolies, and the dismal living
and factory conditions that consigned many working class Americans to a life
of hardship. A standard activist tactic was to organize local committees to
investigate, publicize, fundraise, or lobby for legislative solutions to remedy
5 Christopher Capozzola, Uncle Sam Wants You. World War I and the Making of the
Modern American Citizen, New York 2008.
6 See for example, Hew Strachan, The First World War, vol. 1: To Arms, Oxford 2001;
Michael S. Neiberg, Fighting the Great War. A Global History, Cambridge 2005; John H.
Morrow, Jr., The Great War. An Imperial History, New York 2004; David Stevenson,
Cataclysm. The First World War as Political Tragedy, New York 2005.
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Americans Respond
269
America’s social ills.7 In undertaking these social reforms American Progressives had also cultivated strong ties to their European counterparts, exchanging methods and approaches to alleviating poverty. Popular tours to Europe
by-passed museums and castles in favor of visits to slums and charitable
institutions, as American reformers sought to learn from the pioneering urban
reforms undertaken overseas.8 These experiences of collective organization
and international collaboration laid the foundation for a quick and enthusiastic response when the wartime call to aid Belgium civilians came.
Progressive reformers had already cultivated self-image as citizens of the
world.9 Consequently, the fact that there were no immediate American
interests at stake when war erupted in Europe did not deter these Progressively-minded Americans from seeking an immediate role in the conflict.
Instead Progressively-minded social workers, businessmen, and engineers
acted immediatly on the responsibility they felt to alleviate civilian suffering.
Their voluntary efforts injected Americans, and perhaps more importantly, the
American food economy into the war.
These well-off white Americans traveled to Europe from 1914 to 1917, not to
fight, but to aid civilians caught up in the war. The Committee for Relief in
Belgium (CRB) took the lead in focusing Americans’ attention on the plight of
civilians in German-occupied areas, especially Belgium. In 1914 the CRB was
only one of nearly one hundred charitable groups initially formed to help
Belgium civilians, but it would grow to encompass over 10,000 chapters
worldwide.10
7 Theda Skocpol et al., Patriotic Partnerships. Why Great Wars Nourished American Civic
Voluntarism, in: Ira Katznelson and Martin Shefter (eds.), Shaped by War and Trade.
International Influences on American Political Development, Princeton 2002,
pp. 134 – 180. For recent works re-evaluating the reaction of Progressives to the war
and the importance of US-sponsored global humanitarianism see Alan Dawley,
Changing the World. American Progressives in War and Revolution, Princeton, NJ 2003;
Ian Tyrrell, Reforming the World. The Creation of America’s Moral Empire, Princeton
2010; Irwin, Making the World Safe.
8 Daniel T. Rodgers, Atlantic Crossings. Social Politics in a Progressive Age, Cambridge,
MA 1998, pp. 52 – 75.
9 Ibid, pp. 267 – 277.
10 Scholarly interest in American-led humanitarian efforts is growing, as evidenced by the
number of recent dissertations devoted to this topic including John Branden Little, Band
of Crusaders. American Humanitarians, the Great War, and the Remaking of the World,
Ph. D. Diss. University of California at Berkeley 2009; Michael McGuire, An Ephemeral
Relationship. American Non-Governmental Organizations, the Reconstruction of
France, and Franco-American Relations, 1914 – 1924, Ph. D. Diss. Boston University
2012; Jennifer Polk, Constructive Efforts. The American Red Cross and YMCA in
Revolutionary and Civil War Russia, 1917 – 1924, Ph. D. Diss. University of Toronto 2012;
Thomas Westerman, Rough and Ready Relief. American Identity, Humanitarian
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CRB head Herbert Hoover created the managerial structure needed to
effectively collect, transport, and deliver food relief on a massive international
scale. Hoover had no direct ties to the domestic Progressive social reform
movement but he shared its values. Hoover had spent his adult life as an
engineer working overseas to perfect the organizational structure of mining
operations. His problem-solving approach privileged efficiency, maximizing
productivity, and minimizing costs – values that also informed Progressive
attempts to purge corruption and inequity from American politics and
industry. Hoover recruited similarly-minded American businessmen, engineers, physicians, and public health experts to run the CRB, and set about
tackling the problem of starvation in occupied Belgium.11 In his autobiography, Hoover succinctly laid out the enormity of the task:
It would require that we find the major food supply for a whole nation; raise the money to pay
for it; get it past navies at sea and occupying armies on land; set up an agency for distribution
of supplies for everybody justly ; and see that the enemy took none of it. It was not ‘relief ’ in
any known sense. It was the feeding of a nation.12
The CRB indeed exercised the powers of a quasi-nation. The subject of nearly
daily news stories, the CRB centered attention on the civilian casualties of total
war. The escalating naval battle between Britain and Germany to control the
flow of food and munitions from the United States to Europe, a key step in the
war’s global expansion, forced Hoover to engage in intense negotiations to feed
civilians in Belgium, and eventually northern France. Hoover, a private
American citizen, successfully secured a German promise not to torpedo ships
carrying food relief or confiscate CRB food to feed its army, along with a British
pledge to allow the food through the blockade. He then raised a billion to pay
for the purchase of five million tons of goods that he transported with a fleet of
seventy vessels that flew red and white CRB flags. Once food and clothing
arrived in Belgium, the CRB worked in concert with the Belgian Comit
National de Secours et d’Alimentation which stored and distributed food,
controlled consumption through rationing and price controls, and ran soup
kitchens for the indigent.13
The American-led relief mission that delivered aid to Western Europe
demonstrated the war’s global reach in several ways. The procurement of
food ultimately became an international operation, with the CRB obtaining
Experience, and the Commission for Relief in Belgium, 1914 – 1917, Ph. D. Diss.
University of Connecticut 2013.
11 George H. Nash, The Life of Herbert Hoover, vol. 2: The Humanitarian, 1914 – 1917, New
York 1988, pp. 20 f.
12 Herbert Hoover, The Memoirs of Herbert Hoover. Years of Adventure, 1874 – 1920, New
York 1951, p. 154.
13 Ibid., p. 156; Tracey B. Kittredge, The History of the Commission for Relief in Belgium,
1914 – 1917, n. p. 1919, p. 61; Branden Little, Band of Crusaders, p. 301.
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foodstuffs primarily from the United States, Canada, Argentina, and the UK,
and some provisions from China, Australia, India, and Guatemala.14 The
financing of the relief effort, both from governmental monies and private
donations also assumed global dimensions. Belgium, France, and Great Britain
provided the bulk of governmental subsidies until 1917. Once the United States
government entered the war, it contributed directly to the relief effort in the
form of loans to Belgium and France. Overall, Americans provided 66 percent
of the cash and in-kind donations, followed by the British Empire with 31.6
percent (encompassing the UK, Dominions, and colonies) and 2.2 percent
from other nations including China, Italy, Spain, Holland, and Argentina.15 In
fact, “the per capita contribution collected by the committees in Canada,
Australia and New Zealand was a considerably higher figure than that for the
United States,” noted Tracey B. Kittredge in his 1919 history of the CRB.16
The success of the Belgian relief effort rested on exploiting and expanding the
existing international trade and financing infrastructure. The American-led
CRB mobilized peoples and resources throughout the globe to alleviate the
suffering of one small portion of Europe. This worldwide undertaking
illustrated the impact of global war on a local level. CRB-negotiated agreements
on Belgian crop harvests, for instance, dictated how a Belgian disposed of his
crop. “In time we requisitioned all the farmer’s production above the needs of
his own family,” Hoover noted as the CRB “ultimatley took control of all food
warehouses, flour mills, slaughter houses, dairies, bakeries and restaurants.”17
Bread ration cards determined how much families consumed, with CRB
experts designing a super-nutritious cracker to serve to school children at
their noon-day meal.18
The relief effort did more than dictate food consumption patterns in Belgium.
It also created an opportunity for enhancing the global perspective of those
Americans energized to join this crusade. Enjoying a plentiful harvest, Kansas
donated 50,000 barrels of wheat in November 1914, enough for the state to
14 George I. Gay, The Commission for Relief in Belgium. Statistical Review of Relief
Operations, Stanford 1925, p. 25 and pp. 28 – 30; Branden Little, Band of Crusaders,
p. 319 and p. 496.
15 Gay, Statistical Review, p. 65 and pp. 67 f.
16 Kittredge, History of the Commission for Relief in Belgium, p. 65. As modern relief
efforts demonstrate, the best charitable donation is cash. Donations in kind, such as
food and clothing, come in fits and bursts, often of uneven quality. A relief effort relying
strictly on donations meant that a town could “be supplied with an ample amount of
flour one week and the next week have to subsist on beans,” noted George Gay in his
statistical overview of the CRB (Gay, Statistical Review, p. 62). Donated food made its
way to Belgium, but was often sold to supplement the purchases made to feed the
destitute.
17 Hoover, Memoirs, p. 174.
18 Ibid., p. 176.
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single-handedly fill the hold of the Hannah which sailed for Rotterdam in
January 1915.19 With the Kansas state flag fluttering atop the ship, state
dignitaries gave speeches asserting that “Kansas had only begun to give.”20
Ayear later, the now-empty flour sacks made their way back to Topeka, Kansas.
Belgian women had returned them, not to ask that they be refilled but as a gift
of thanks. Renowned for their lace-making and embroidery skills, Belgian
women had embroidered the sacks’ original lettering, plus added some designs
of their own. Displayed in Topeka’s storefront windows, these beautifully
decorated sacks fostered connection between peoples on each side of the
Atlantic where none previously existed.21
Americans donating clothes also tried to reach out to individual Belgians by
putting notes, bibles, and sometimes even money in the pockets. Vernon
Lyman Kellogg wrote in 1918:
In fact, the enclosing of messages and books caused us much trouble, for the Germans allow
no scrap of paper, printed or written, to enter Belgium uncensored. We now have to unpack
all the clothing in Rotterdam and go through it carefully to remove all notes and books.22
Through embroidery and charitable food and clothing donations, Belgians
and Americans demonstrated their desire to establish an unmediated
connection with one another. These individual gestures reveal yet another
way that Americans were drawn in the global war.
International relief work fostered a sense of national pride by emphasizing
numerous admirable qualities about the United States. The publicity surrounding Belgian relief efforts underscored the superiority of American
business methods and Americans’ generosity. “How Americans Organized the
Commission for the Relief of Belgium and Saved Ten Million People from
Actual Starvation,” the sub-heading of an essay on food relief in the 1920
“Harper’s Pictorial Library of the World War,” celebrated American business
acumen and efficiency for heading off famine. The same article showered
attention on average citizens like the “druggist in a small town in Indiana
[who] sent one dollar a week for more than two years” and the “pennies, dimes
and quarters” contributed by “children who earned them by running errands,
giving up birthday parties and presents, winning high marks in school, and
taking medicine without complaint.”23 These donations from children, church
19 Kansas Gives 50,000 Barrels of Flour, in: New York Times, 23. 11. 1914.
20 $ 400,000 Food Ship, Kansas Gift, Sails, in: New York Times, 6. 1. 1915.
21 Rebecca Martin, Cool Things. Embroidered Flour Sacks, http://www.kshs.org/kansape
dia/cool-things-embroidered-flour-sacks/16791. This was not an isolated example. A
torrent of embroidered pillows, cards, and flour sacks flowed from Belgium to the United
States during the war.
22 Vernon Lyman Kellogg, Fighting Starvation in Belgium, New York 1918, p. 19.
23 O. A., Saving Belgium from Famine, in: Albert Bushnell Hart et al. (eds.), Harper’s
Pictorial Library of the World War, vol. 7: The Armies of Mercy, New York 1920,
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273
congregations, and local clubs demonstrated the generosity of Americans, a
laudable national characteristic, the magazine opined.
The war also encouraged Americans to recognize the position of privilege they
occupied in the world order. Having been spared from the war’s deadly impact,
Americans accepted their moral responsibility as global citizens to help others
in need.24 The visibility of the aid Americans rendered served to further
enhance the international status of the United States. Participation in
international relief projects offered a way for average citizens to help promote
and protect their nation’s global reputation. The merging of international
humanitarianism with patriotism was well-illustrated in the response of a local
chapter of the Grand Army of the Republic (a Civil War veterans’ organization)
to an appeal for donations. “Comrades and Brethren, our fighting days are
over,” announced one member. “But we can yet do our mite [sic] to right wrong
and win honor for Old Glory.”25 As an organ played “The Star Spangled
Banner” (the American national anthem), the veterans fished in their pockets
for coins. Their rhetoric and ritual transformed the altruism of sending aid to
feed starving Belgium children into an act of patriotic duty.
II. A Pan-African View of Global War
Learning about the plight of Belgian civilians under German occupation failed
to automatically trigger the same desire to donate money and food among
educated African Americans as it did in many white communities. Recalling
the Belgium conquest of the Congo and the murderous reign of King Leopold,
the African American press viewed the plight of Belgium somewhat differently.26 New York City resident DeMond Lewis reflected upon the stories that filled
mainstream white-run newspapers detailing the loss of irreplaceable medieval
books and manuscripts when German soldiers burned the library in Louvain,
along with stories of massacres and rapes of innocent civilians. Instead of
pp. 116 – 144, here pp. 142 f. These same stories are included in Kellogg, Fighting
Starvation in Belgium, pp. 107 f.
24 Branden Little, Band of Crusaders, p. 318.
25 O. A., Saving Belgium from Famine, p. 143. Old Glory was the popular name for the
American flag.
26 William G. Jordan, Black Newspapers and America’s War for Democracy, 1914 – 1920,
Chapel Hill, NC 2001. Jordan’s work is one of the very few works on African Americans
that offers a sustained discussion of the period from 1914 to 1917. Most works begin in
1917 with the American entry into war. On the history of the black press see Charles A.
Simmons, The African American Press. A History of News Coverage during National
Crises, with Special Reference to Four Black Newspapers, 1827 – 1965, Jefferson, NC 1998
and Albert Lee Kreiling, The Making of Racial Identities in the Black Press. A Cultural
Analysis of Race Journalism in Chicago, 1878 – 1929, Ph. D. Diss. University of Illinois at
Urbana 1973.
274
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abject horror at hearing these tales, Lewis admitted to feeling some ambivalence in a 1914 letter that he wrote to the New York Age, an African American
newspaper published in New York City :
Not many years ago the same report could with perfect justice and truth have been issued
from darkest Africa, namely, the Congo Free State, where evil, cruel and notorious Leopold
king of the Belgians, exacted a cruel toll from the innocent natives of the jungle. Of course,
these poor people had and have no way of putting their tale of suffering – compared to the
Belgians – before the world.27
Unlike the steady stream of appeals made to alleviate the suffering of Belgian
civilians, those sending letters to the Age noted that no one ever suggested
mounting an international relief effort to stem the suffering in the Belgian
Congo. These atrocities included villagers whose hands were cut off when they
failed to meet the quotas of rubber and ivory, prohibiting the Congolese from
selling crops or ivory, and widespread land confiscation.
For African American intellectuals, activists, and journalists Africa served not
only as a geographical region where key events occurred, but also as a symbolic
mirror to hold up against European combatant nations and the United States to
reveal their ideological hypocrisy.28 “The problem of the twentieth century is
the problem of the color-line, – the relation of the darker to the lighter races of
men in Asia and Africa, in America and the islands of the sea,” W. E. B. Du Bois,
a founder of the National Association for the Advancement of Colored People
(NAACP) and editor of its journal, The Crisis, had contended in 1903.29 The
global war underway in 1914 offered African American intellectuals a myriad
of examples to underscore the truthfulness of this often-quoted line from “The
Souls of Black Folk.” The comparisons they drew between German outrages in
Belgium and racial violence in the Congo and United States provided evidence
of how the global color line affected the lives of black people throughout the
world. The war laid bare the universality of racial prejudice and the shared
27 DeMond Lewis, Letter to the Editor, in: New York Age, 1. 10. 1914, p. 4; Cruelty to Congo
Natives is Recalled, in: New York Age, 22. 3. 1917, pp. 1 f. Publicity exposing King
Leopold’s reign of terror in the Congo received wide circulation within the United States
in the early 1900s, see Adam Hochschild, King Leopold’s Ghost. A Story of Greed, Terror,
and Heroism in Colonial Africa, New York 1998.
28 For the awakening Pan-African movement during the war years, see Richard Cullen
Rath, Echo and Narcissus. The Afrocentric Pragmatism of W. E. B. Du Bois, in: Journal of
American History 84. 1997, pp. 461 – 495; David Levering Lewis, W. E. B. Du Bois.
Biography of a Race, New York 1993.
29 W. E. B. Du Bois, The Souls of Black Folk, in: Eric J. Sundquist (ed.), The Oxford W. E. B.
Du Bois Reader, New York 1996, pp. 97 – 240, here p. 107. For Du Bois’s influence within
the black community see Mark Ellis, W. E. B. Du Bois and the Formation of Black
Opinion in World War I. A Commentary on “The Damnable Dilemma”, in: Journal of
American History 81. 1995, pp. 1584 – 1590.
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assumption among the world’s white population that they had the right to
exploit and dominate those with darker skin.
W. E. B. Du Bois turned away from the conventional explanations of the war’s
causes that focused primarily on power struggles to control European territory.
Why did each nation believe that its very survival was at stake in 1914? Du Bois
found no satisfying answers to this question in the death of the little-admired
Archduke Franz Ferdinand, France’s desire to recapture Alsace-Lorraine, or
the German violation of Belgium neutrality.30 Instead, he believed that the
imperial drive to control Africa was the root cause of the war. In his 1915 essay
“The African Roots of the War” he wrote:
In a very real sense Africa is a prime cause of this terrible overturning of civilization which we
have lived to see; and these words seek to show how in the Dark Continent are hidden the
roots, not simply of war to-day but of the menace of wars to-morrow. […] We speak of the
Balkans as the storm-centre of Europe and cause of war, but this is mere habit. The Balkans
are convenient for occasions, but the ownership of materials and men in the darker world is
the real prize that is setting the nations of Europe at each other’s throats to-day.31
Du Bois took a global view that placed Africa at the center to explain the
existence of a worldwide color line. Other African American journalists used a
global perspective to highlight the pervasiveness of racial prejudice and
violence within the United States. The widespread American condemnation of
German atrocities in Belgium, the sinking of the Lusitania, and the Turkish
expulsion of Armenians especially irked James Weldon Johnson, another
NAACP activist and contributing editor to the New York Age. Why did
Americans howl with protest when German soldiers “knock the head off some
old statue in a Belgian cathedral?” he asked.32 Given its own dismal record
denying African Americans their constitutional rights, how could the United
States claim to be “the protector of human rights before the world?” he
wondered.33 In the wake of the May 7, 1915 sinking of the Lusitania the nation
became obsessed with upholding international law and protecting the rights of
Americans to travel on ships into the war zone. Yet no one in power paid
attention that same month to reports of mobs in Georgia and Texas wrenching
black men and children from courtrooms, and then shooting or burning them
at the stake before putting their corpses on display for the entire community to
30 W. E. B. Du Bois, Darkwater. Voices from Within the Veil [1920], in: Sundquist, The
Oxford W. E. B. Du Bois Reader, pp. 481 – 623, here p. 503 and p. 506.
31 W. E. B. Du Bois, The African Roots of the War, in: Atlantic Monthly 115. 1915,
pp. 707 – 714, here p. 707 and p. 711.
32 James Weldon Johnson, Is This Civilization?, in: New York Age, 21. 1. 1915, p. 4.
Johnson’s protests can also be put into the context of the NAACP’s broader campaign
against lynching. See Robert L. Zangrando, The NAACP Crusade against Lynching,
1909 – 1950, Philadelphia 1980.
33 James Weldon Johnson, Concerns Not Even the Sheriff, in: New York Age, 5. 8. 1915, p. 4.
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Jennifer D. Keene
see.34 “It is worth while to think about the hypocrisy of this country,” Johnson
wrote. White Americans organized food relief and sent peace missions to
Europe “while the wholesale murder of American citizens on American soil by
bloodthirsty mobs hardly brings forth a word of comment.” When African
Americans complained, white America routinely counseled patience, rather
than insisting on equal rights. Johnson saw a double-standard here as well. “Let
them tell the Belgians to be patient. Let them tell the Armenians, the Serbs, the
Poles, and the Jews in Russia to be patient.”35
A few months later, after the United States had entered the war, Johnson heard
of a lecture given by a visiting Irish-Australian soldier to a New York City
audience. Captain David Fallon recounted how he had personally seen the
corpses of nuns and soldiers crucified by the Germans. A commonly circulated
atrocity tale, Johnson’s first reaction was to accuse the soldier of lying either to
impress the women in the audience or to whip up anti-German hysteria within
the United States. Did this soldier really expect Americans to believe that men
from a civilized nation would behave this way? Before Johnson could write his
planned article refuting this soldier’s claims, he came across testimony given
before Congress just after the East St. Louis race riot which occurred on July 2,
1917.36 In this testimony an American officer told of seeing men in uniform,
both state troops and city police, shoot African Americans in cold blood.
He saw this mob go to the homes of these Negroes and nail boards up over the doors and
windows and then set fire and burn them up. He saw them take little children out of the arms
of their mothers and throw them into the fires and burn them up.
After reading this account, Johnson had a change of heart about the veracity of
German atrocity stories. “Since civilized Americans could commit such acts
against other unoffending Americans in peace, there is no reason to doubt that
Germans would commit the acts related by Captain Fallon against their foes in
war. We again apologize to Captain Fallon” for doubting him, Johnson wrote in
the New York Age.37
African American commentators took note that the Allies immediately drew
on their colonies in Africa and the West Indies to increase their manpower
advantage. The New York Age claimed in the opening weeks of the war that its
readers,
34 Scholarly accounts tracing the rise in lynchings during this era include W. Fitzhugh
Brundage, Lynching in the New South. Georgia and Virginia, 1880 – 1930, Urbana 1993
and Stewart E. Tolnay and Elwood M. Beck, A Festival of Violence. An Analysis of
Southern Lynchings, 1882 – 1930, Urbana 1995.
35 James Weldon Johnson, Well Worth Thinking About, in: New York Age, 15. 2. 1917, p. 4.
36 More detailed accounts of the East St. Louis riot include Charles L. Lumpkins, American
Pogram. The East St. Louis Race Riot and Black Politics, Athens, OH 2008 and Elliott M.
Rudwick, Race Riot in East St. Louis, 2 July 1917, Urbana, IL 1982.
37 James Weldon Johnson, Almost Unbelievable, in: New York Age, 15. 11. 1917, p. 4.
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if they favor one side more than another it is the French, because that people have less
prejudice against Negroid people than Germany, and have been more generous in their
treatment of the West Indian and African natives of their colonies than Germany, or than any
other country.38
It was, the paper added, “human nature to sympathize with those who
sympathize with us.” When Germany denounced the Allies for setting black
men against white men on the battlefields of Europe, France’s reputation as a
color-blind society only deepened within the African American community.39
Introducing uncivilized, savage fighters into the heart of civilized Europe,
Germany claimed, violated the traditional rules of war. The charges that
Germany leveled against Allied colonial troops bore a striking resemblance to
the ones Allied reports attributed to invading German troops: rape, pillage,
mutilation of corpses, and execution of prisoners.40 Which side was responsible for introducing new levels of barbarism into the war interested African
Americans less than the question of how the employment of colonial soldiers
might impact the global color line.
“‘Colored help wanted.’ It is not too much to say that the various warring
nations of Europe have hung out this sign,” noted the Northern Budget of Troy,
New York.41 Yet African American commentators expressed little concern that
sending colonial troops to fight and die for their colonial masters represented
still another form of racial exploitation. Instead, many embraced the idea that
wartime military service could offer an opportunity to advance the cause of
racial equality worldwide. By 1914 a clear narrative about the US Civil War
(1861 – 1865) had taken root within the African American community. The war
ended slavery and black soldiers serving in the Union Army spearheaded the
demand for equal rights once slavery was abolished. The addition of two
constitutional amendments granted citizens equal protection before the law
and black men voting rights. This history created an expectation that black
38 African Troops in the War, in: New York Age, 3. 9. 1914, p. 4.
39 For examples see Colonial Policy of France and Its Result, in: New York Age, 25. 1. 1917,
p. 1. For recent work questioning the “color-blind” image of France see Joe Lunn, “Les
Races Guerrires.” Racial Preconceptions in the French Military about West African
Soldiers during the First World War, in: Journal of Contemporary History 34. 1999,
pp. 517 – 536; Tyler Stovall, The Color Line behind the Lines. Racial Violence in France
during the Great War, in: American Historical Review 103. 1998, pp. 737 – 769; and
Jennifer D. Keene, W. E. B. Du Bois and the Wounded World. Seeking Meaning in the First
World War for African-Americans, in: Peace & Change 26. 2001, pp. 135 – 152 and id.,
French and American Racial Stereotypes during the First World War, in: William Chew
(ed.), National Stereotypes in Perspective. Frenchmen in America, Americans in France,
Amsterdam 2001, pp. 261 – 281.
40 Richard S. Fogarty, Race and War in France. Colonial Subjects in the French Army,
1914 – 1918, Baltimore 2008, p. 8 and p. 85.
41 Quoted in: The World War, in: Crisis 11. 1914, p. 15.
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men would improve their political status through honorable military service.42
Projecting the American narrative onto French colonial troops, many black
intellectuals predicted, as did the Richmond Planet in an article entitled “The
Opportunity of the Dark Races,” that by fighting for France colonial soldiers
would earn the “rights and privileges to which they are entitled.”43
African American journalists also suggested that a valiant battlefield performance by African soldiers might assist the cause of racial equality in the United
States. By November 1914 the New York Age reported hints of this possibility
from an unlikely source, the normally unsympathetic editorial staff of the New
York Times. Why did so many white Americans feel uneasy seeing African and
Indian soldiers fearlessly and successfully attack white soldiers, the paper
asked. Wasn’t it because “when this is done, the ‘savages’ show themselves
practically equal to us in the very things for which we admire ourselves most?”
the New York Times suggested to its white audience.44 In 1916 the New York Age
again reported the favorable comments made by a white reporter on the
fighting abilities of African soldiers. “African Troops in France are Fighters,”
extolled the headline.45 The New York Age article quoted at length from the
article (published in the New York Globe and Chicago Daily News), but made no
direct comment on the reporter’s descriptions of the Africans’ “childish”
behavior behind the lines and blind obedience to their white officers. Where
African Americans saw black soldiers proving their mettle on the battlefield,
white Americans saw black men laying down their lives in service of their white
master. This was an indication that the premise of white supremacy would
survive the war intact.
There were other signs, however, that the war might result in the global
spreading of democracy. “One of the first effects in this city of the news of the
Russian revolution was the rejoicing of the Jews on the East Side,” James
Weldon Johnson noted in the New York Age on March 22, 1917. In March it
looked like the fall of the Tsar’s government had ushered in a new era of
democratic government in Russia (the communists would take control of the
revolution in November 1917). From the vantage-point of an African American
civil rights activist, Johnson could only “foresee the future disappointments”
for Russian Jews unless they mounted “a hard and stubborn fight” to erase past
prejudices and secure the equal rights promised by the new government. “The
42 The best recent scholarly works tracing the connection between the African American
military service and expectations of gaining civic and social equality is Christopher S.
Parker, Fighting for Democracy. Black Veterans and the Struggle against White
Supremacy in the Postwar South, Princeton, NJ 2009.
43 The Opportunity of the Dark Races, in: Richmond Planet, 5. 9. 1914, p. 4, quoted in:
Jordan, Black Newspapers and America’s War for Democracy, p. 36.
44 New York Times article quoted in: James W. Johnson, The New York Times Solves a
Puzzle, in: New York Age, 5. 11. 1914, p. 4.
45 African Troops in France are Fighters, in: New York Age, 5. 6. 1916, p. 1.
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greatest thing that the American Negro gained as a result of the Civil War and
the amendments to the Constitution was the right to contend for his rights,”
Johnson wrote. He hoped the same would be true for Jews in Russia.46
III. The Jewish Diaspora
Rather than contending with a global color-line, Jews confronted universal
anti-Semitism. The fates of Jews throughout Europe immediately concerned
American Jews, both native-born and immigrants. The majority of the world’s
Jewish population (10 million of 15 million Jews worldwide) lived in the
German, Russian, and Austrian-Hungarian Empires and the Kingdom of
Romania, focusing attention on the Eastern front within the American-Jewish
community. Besides helping Jews caught up in the general mayhem of the war,
American Jewish leaders sounded alerts whenever evidence arose that wartime
passions were unleashing renewed persecution of Jews in Eastern Europe. The
question of how the war might further or impede the Zionist goal for a Jewish
homeland in Palestine further encouraged American Jews to look beyond the
Western Front in considering the global reach of the war.
Because Russian Jews had recently immigrated in large numbers to the United
States, intense interest arose within the Jewish press and community over how
the outbreak of war would affect Jewish communities in Russia. The Jewish
Criterion in Pittsburgh offered readers a steady stream of war news that
focused on Russia.47 Initially these articles expressed hope that the need for
Jewish manpower or pressure from Russia’s British and French Allies might
prompt the Tsar’s regime to reverse its anti-Semitic policies. In a December 18,
1914 editorial, the paper’s editors opined that the war had revealed “a saner
side of the Russian” as they saw Jews stand loyally by the government in its
time of need.48 The paper celebrated the “patriotic work of the Russian Jews”
who offered their hospitals and donated funds to treat wounded soldiers, going
so far as to repeat doubtful stories that some Russian male Jewish reservists
even returned from abroad to fight for Russia.49 The Jewish-American hope
that loyal wartime service by the nearly one million Jews serving in the Russian
46 James Weldon Johnson, Russian Democracy and the Jews, in: New York Age, 22. 3. 1917,
p. 4.
47 The Jewish Criterion, an English-language newspaper for the Pittsburgh Jewish
community, mostly reflected the views of the prosperous German-Jewish community
which traced its roots in Pittsburgh to the 1840s and embraced Reformed Judaism.
Yiddish-speaking Eastern European Jews began settling in Pittsburgh in the 1890s.
48 Jewish Criterion, 18. 12. 1914, p. 1.
49 The inability of Russian Jews to practice their religion within the military had
encouraged many to leave Russia before the war, cf. The Russian Jews and the War, in:
Jewish Criterion, 25. 9. 1914, p. 10.
280
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military would bring about greater equality and an end to religious discrimination echoed similarly optimistic views expressed within the African
American community.
A year later, the paper’s view had shifted dramatically as the German army
drove into the Pale of Settlement, the area in Russia where Jews were allowed to
live permanently. “In spite of all acts of loyalty and high sense of patriotism
shown by the Jews towards Russia, the Czar’s government is still convinced
that the Jews are spies in the employ of Germany and has decided to expel them
from the war zones,” Criterion editors reported.50 Accusing the Jewish
population of giving aid and information to invading German troops, Russian
Gentiles unleashed a series of violent pogroms against their Jewish neighbors.
They ransacked Jewish homes, businesses, and synagogues, taking lives as well
as destroying property. Herman Bernstein wrote in the Jewish Criterion after
visiting Eastern Europe:
Having been defeated upon the battlefield by their enemy and by their own system of
demoralization, the Russian military authorities […] sought to justify themselves before
their own people and before the outside world-to justify the collapse of their military system
by blaming the Jews.51
The Russian government subsequently forced nearly 600,000 Jews, often at a
moment’s notice, to pack up their belongings and move further east in 1915.
Epidemics of disease and famine threatened as refugees poured into Pale of
Settlement towns. The German occupying army allowed many Jews to return to
their homes, a respite that anti-Semites viewed as a reward for helping the
German invasion succeed.52 A similar pattern of scapegoating and expulsion
occurred in Russian Poland and Lithuania, and in Ottoman-controlled
Palestine. The Russian army’s march in Galicia, an area of Jewish concentration within the Austrian-Hungarian Empire, sent 400,000 Jewish refugees
westward. None of these eastern European governments took responsibility
for helping Jews relocate. The 100,000 refugees who descended on Warsaw in
1915, for instance, sought medical care, food, and shelter from the existing
Jewish community.
Funneling aid to Jewish refugees thus became a major concern of AmericanJewish organizations as the hopes for a short war ended. Multiple committees
initially formed to provide relief such as the Central Committee for Relief of the
Jews Suffering Through the War (CRC), an Orthodox group representing
recently arrived, religious Eastern European Jews. Anxiety over the fate of
50 Jewish Criterion, 11. 6. 1915, p. 4.
51 Herman Bernstein, The Tragedy of the Jews in this War, in: Jewish Criterion, 10. 12. 1915,
p. 8.
52 Salo W. Baron, The Russian Jew under Tsars and Soviets, New York 1987,
pp. 156 – 163. Martin Gilbert, The First World War. A Complete History, New York
1994, p. 103, pp. 108 f. and p. 139.
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Americans Respond
281
relatives created a sense of urgency within the Jewish American community.
“[T]he assistance of this committee may save the lives of those who are near
and dear to you. You cannot know where your father or mother, sister or
brother is. Your help through us, may help them” in Europe or Palestine, noted
one appeal.53
To streamline the process of aiding Jewish refugees, leaders from the Orthodox
and Reform community (representing the assimilated, middle-class with
German Jewish roots) agreed to put aside their ideological and religious
differences to form the American Jewish Joint Distribution Committee (JDC)
in November 1914.54 When the socialist labor groups came on board a bit later,
the JDC became the organization that coordinated the bulk of aid American
Jews sent to Jewish war refugees abroad. Over the course of the war the JDC
appealed continuously to the three million Jews living in the United States,
collecting funds and supplies which its staff delivered to Jewish aid organizations operating in Palestine, Russia, Austria-Hungary and Poland.55 The JDC
allowed local groups and individuals to direct their contributions to specific
regions or “a designated relative or friend in the war zone,” recognizing that
communal and familial ties drove many Jewish American donations. JDC
operatives also quizzed Jewish refugees for the names and addresses of
relatives in the United States, and then sent these American residents a direct
appeal to assist their loved ones overseas.56
Still it was not enough just to help relatives, author Mary Antin scolded a New
York audience in 1915. Antin’s 1912 best-selling book, “The Promised Land,”
told her story of fleeing persecution in Russia with her family and using
education to assimilate and succeed in America. In 1915, however, she urged
Jewish women in New York to remember their responsibility to those Jews
unable to escape. “What will you give, you comfortable Jews of America, to
save the scattered remnants of Israel, wandering unprotected amidst the hellflames of war and persecution joined?” she asked.57
53 To the Jews of America, in: Jewish Criterion, 6. 11. 1914, p. 4.
54 In forming the JDC, the two groups merged the Orthodox Central Committee for Relief
of the Jews Suffering Through the War and the Reform community’s American Jewish
Relief Committee. Yehuda Bauer, My Brother’s Keeper. A History of the American Jewish
Joint Distribution Committee, 1929 – 1939, Philadelphia 1974, pp. 6 – 8. The JDC
distributed 15 million US-dollar from 1914 to 1918.
55 Jonathan Frankel, An Introductory Essay. The Paradoxical Politics of Marginality.
Thoughts on the Jewish Situation during the Years 1914 – 1921, in: id. et al. (eds.), Studies
in Contemporary Jewry, vol. 4: The Jews and the European Crisis, 1914 – 1921, Oxford
1988, pp. 3 – 21, here p. 9.
56 An Open Letter from Mr. Felix M. Warburg, Chairman of the Funds for Jewish War
Sufferers, to all Jews of America, in: Jewish Criterion, 7. 7. 1916, p. 7 f.
57 Mary Antin, Close Your Eyes and Repeat the Word “Goluth”, in: Jewish Criterion,
17. 12. 1915, p. 4.
282
Jennifer D. Keene
Jews like Antin celebrated their ability to assimilate into American society.
Demonstrating assimilation by sharing the same relief goals as the rest of the
country was thus very much in evidence within the Reformed Jewish press. In
Pittsburgh, the Jewish Criterion advertised the efforts of the Belgium
Commission of Western Pennsylvania to raise money. “We trust that every
man and woman in our community will do their duty in responding to their
appeal for starving mothers and children,” the paper urged readers.58 Yet even
the most assimilated Jewish Americans grew frustrated with the American
fixation on Belgium civilians. In her address Antin proclaimed:
If the object of American charity is to relive the most bitter need, then the main stream of our
benevolence should be turned into those countries where the Jews are the most numerous,
for there is where the specter of war takes on his most horrid shape.59
“We have heard of Belgian atrocities and of Belgian sufferings. […] But what
has been told of the sufferings of the Jews is not one-hundredth part of the
calamity that has befallen them,” Herman Bernstein told a mass gathering of
his personal tour of war-devastated Eastern Europe.60
One exception occurred when President Wilson, as a result of CRC lobbying,
declared January 27, 1916 as Jewish Sufferers Relief Day which spurred nearly
one million US-dollars in donations.61 For the most part, however, the general
American public thought little about the plight of Jewish refugees. This
disinterest meant that American Jews had to shoulder the burden of Jewish
relief, argued Der fraynd, the Yiddish-language newspaper of the socialist and
labor-oriented Workmen’s Circle (Arbeter Ring). “Jewish help for Jewish
victims,” the paper declared.62
Selling self-taxation stamps was one innovative method that the CRC employed
to raise funds. Contributors bought stamps (sold in one, five, ten, and 25 cent
denominations) to advertise their support. Children pasted one cent stamps
into donation books, and then exchanged full books for a certificate stating
how much they had donated. Rabbis placed 25 cent stamps on marriage
certificates, and workers formed “enlistment clubs” that vowed to purchase a
ten cent stamp a week.63 The CRC often took the initiative, mailing sheets of
stamps to members of Jewish groups with a request that they make a donation
58
59
60
61
Belgium Relief, in: Jewish Criterion, 21. 5. 1915, p. 1.
Antin, Close Your Eyes.
Bernstein, The Tragedy of the Jews in this War.
Relief Day for Jews, in: New York Times, 13. 1. 1916, p. 5. Bauer, My Brother’s Keeper, p. 8.
Roger S. Kohn et al., Inventory to the Records of the Central Relief Committee, vol. 1:
1914 – 1918, New York 1986, p. 2.
62 Quoted in: Mary McCune, The Whole Wide World, Without Limits. International Relief,
Gender Politics, and American Jewish Women, 1893 – 1930, Detroit, MI 2005, pp. 48 f.
63 Stamp Tax for Jewish Relief, in: New York Times, 22. 11. 1914, p. C4.
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Americans Respond
283
and affix the stamps to their correspondence to spread awareness of the Jewish
refugee crisis.
“I feel that when these stamps were sent to me, the party sending same was
ignorant of the conditions surrounding me at present,” wrote Leo Frank from
his jail cell to Harry Fischel, the CRC treasurer.64 Fischel apologized, noting
that no one had vetted the lists of subscribers to Jewish charities to cross off his
name. In 1915, Leo Frank was a household name throughout the United States.
His plight captivated the American Jewish community every bit as much as the
war. In 1913 Frank was convicted of murdering a young girl in Atlanta after a
one-day trial during which the jury accepted the testimony of a southern-born
black watchman (whom many suspected of committing the murder). Frank’s
ongoing appeals kept the case in the press, and his northern-based supporters
(Jewish and Christian) mounted letter-writing campaigns, staged protests, and
raised funds for his defense.
Apparently surprised at receiving a request to purchase CRC stamps for Jewish
relief, Frank nonetheless sent in a donation for five dollars and then used the
occasion to garner a bit more publicity for his case. In his reply, which was
subsequently released to the press, he wrote:
Knowing what it is to suffer unjustly, and having a deep sense of sympathy for our
coreligionists who are innocent sufferers because of the European war, it gave me especial
pleasure to be of assistance to them, and to collect among my friends who called to see me the
money for these stamps.65
The mob that lynched Frank in August 1915 in Marietta, Georgia, underscored
a different sort of parallel between events overseas and within the United
States. Prejudice against Jews as an “enemy within” was not contained solely to
Russia. A New York Jew who had only recently moved to Atlanta to work as a
supervisor in his uncle’s pencil factory, Frank perfectly embodied the “Jew as
outsider” stereotype. At first, it seemed that Frank’s life would be spared when
Georgia’s governor commuted Frank’s sentence to life imprisonment in 1915.
A group of law enforcement and former office-holders, however, resolved to
take matters into their own hands by planning and orchestrating Frank’s
kidnapping from prison and the lynching. Allan Davis wrote in the Jewish
Criterion:
If never before, now at least we see that there was some force in the Russian reply to American
protests at the time of the Jewish massacres: that America could urge her point of view with
greater effect if there were no lynchings within her own territory.66
The Frank case had already spurred the creation of the Anti-Defamation
League in 1913 to combat anti-Semitism in American society. In the aftermath
64 Leo Frank Aids War Fund, in: Jewish Criterion, 16. 4. 1915, p. 11.
65 Ibid.
66 Allan Davis, The Death of Leo Frank, in: Jewish Criterion, 20. 8. 1915, p. 3.
284
Jennifer D. Keene
of Frank’s lynching, renewed calls came to hold a Jewish Congress that brought
together representatives from across the religious spectrum to devise ways to
combat global anti-Semitism. “We have to protest not alone against the
outrages against the Jews in Europe, but also against the murdering of Leo
Frank here in America,” one activist declared at a mass meeting championing
the creation of a Jewish Congress.67 The desire to use the lynching to galvanize
a broader movement cut both ways, however. The publicity surrounding
Frank’s lynching, along with the film “Birth of a Nation,” also led to renewed
vigor to protect the ethos of Protestant white supremacy under the auspices of
a revived Ku Klux Klan that targeted both blacks and Jews for persecution.68
The Frank trial and lynching also raised the question of just how “Jewish” one
could be in the United States. In the wake of Frank’s lynching many Atlanta
Jews “were scared to death and kept a low profile,” one resident recalled
decades later.69 Had emigration to the United States freed Jews from
persecution, or just brought them to a place where they needed to discard or
disguise their Jewishness to survive? In 1906 the American Jewish Committee
had formed to encourage Eastern European Jews to immigrate. Once they
arrived, the same group then tutored them on assimilating into American
society for “our own safety [and] our own good name,” noted one US-born
rabbi.70
To members of Hadassah, a Zionist organization for American Jewish women,
the only safeguard against the global reach of anti-Semitism lay in the creation
of Jewish homeland in Palestine. Concern over the war-fueled refugee crisis in
Palestine helped the Federation of American Zionists grow from 7,000 to
150,000 between 1914 and 1918. “It all depends upon us now whether the Jews
shall remain a gypsy nomad people, in spite of the fact that four hundred
thousand of us are fighting at the front, or whether we shall become a nation in
every sense of the word,” wrote Hadassah leader Henrietta Szold in a letter to a
Cleveland supporter in 1914.71 The Jewish Congress finally convened a month
after the signing of the armistice, and subsequently sent representatives to the
Paris peace talks to seek international recognition of the rights of Jewish
peoples and a homeland in Palestine. Many American Jews nonetheless
remained convinced that Palestine offered a potential refuge for Europe’s Jews,
not them.
67 Sentiment for a Congress, in: Jewish Criterion, 27. 8. 1915, p. 7. For an overview of Jewish
political organizations and their activities during this period, see Hasia R. Diner, The
Jews of the United States, Berkeley 2004, pp. 179 – 182 and pp. 189 – 199.
68 Leonard Dinnerstein, The Leo Frank Case, Athens, GA 1987, pp. 148 – 150.
69 Steve Oney, And the Dead Shall Rise. The Murder of Mary Phagan and the Lynching of
Leo Frank, New York 2003, p. 616.
70 Dinnerstein, The Leo Frank Case, p. 63.
71 Henrietta Szold, 9. 11. 1914, quoted in: McCune, The Whole Wide World, p. 51.
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285
IV. Conclusion
Unrestrained by official policy American communities developed strong ties
to Belgian civilians, African soldiers, and Jewish refugees during the so-called
period of neutrality, engaging directly with the global war on their own terms.
Blending domestic and international activism to save the Jewish people from
destruction, American Jews joined Progressive reformers and African Americans in crafting their community’s distinct response to the global war.
Progressives, Jews, and African Americans did not coordinate their efforts, yet
patterns nonetheless emerge when considered collectively.
Rather than remaining neutral in thought as well as deed, these communities
engaged intellectually, politically, and financially with the wars’ multiple fronts
throughout the so-called period of neutrality. Content with America’s
nonbelligerent status, they nonetheless hoped to mitigate the negative
consequences of the war both abroad and at home. These communities
cared deeply about events in far-flung geographical regions, not simply for
humanitarian reasons, but because they linked their own lives and identities as
Americans to the fates of Belgian civilians, African soldiers, and Russian Jews.
Progressive reformers saw an opportunity to define a new global role for
themselves as world citizens by arguing that America had an international
responsibility to safeguard the health and welfare of the world’s less fortunate.
By appreciating the war’s imperial and colonial dimensions, African Americans believed that the war illustrated the striking connection between the
marginalized position that African Americans occupied at home and the world
problem of colonialism. Jewish Americans worried about the fates of relatives
caught up in the mayhem along the Eastern Front, but took care to demonstrate
their own assimilation into American civic society as they organized political
and philanthropic organizations to address the crisis.
American Jews’ concerns were global, but “how they fulfilled that responsibility revealed much about them as Americans,” noted historian Hasia
Diner.72 This statement is equally true of Americans caught up in the cause of
helping Belgian refugees or those trying to erase the world’s color line from
1914 to 1917. The fact that Americans chose disparate global causes to support
revealed much about the demographic diversity of the American population.
At the same time, however, their organizational, fundraising, and publicity
techniques echoed one another, fitting perfectly into the fabric of American
political culture.
Once the United States declared war, the government would follow in the
footsteps of these earlier citizen efforts by employing similar techniques to
publicize the war cause, raise funds, and guarantee compliance with wartime
edicts concerning conscription and food conservation. Even the message –
72 Diner, The Jews of the United States, p. 200.
286
Jennifer D. Keene
that it was the responsibility of average Americans to act on the international
stage – would be the same. The key difference was coercion, as voluntarism
turned into “coercive voluntarism.”73 What had begun as an appeal to
volunteer to advance one’s race, ethnicity, or political ideology evolved into an
obligation that all Americans owed the nation. The wartime ethos of
mandatory voluntarism transformed national pride into patriotic obligation.
Despite the emphasis on nationalism, dedicated citizen activists prevented the
state from completely co-opting these prewar endeavors. In opposition to
official wartime goals and policies, Jewish activists continued to agitate for a
Palestinian homeland, African Americans continued to laud France’s treatment of its colonial troops while criticizing racial discrimination at home, and
humanitarian workers broadened their relief efforts into areas with no
immediate strategic significance to the United States. Understanding the US
response to global war, therefore, both during the period of neutrality and
belligerency, requires going beyond the words and deeds of government
officials.
Prof. Dr. Jennifer D. Keene, Chapman University, Department of History, One
University Drive, Orange, CA 92866, USA
E-Mail: [email protected]
73 “Coercive voluntarism” is a phrase coined by Capozzola to describe the “obligation to
volunteer” during the war. Capozzola, Uncle Sam Wants You, pp. 83 – 116.
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„Ein Drama der gesamten Menschheit“
Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg
von Stefan Rinke*
Abstract: From the point of view of many Latin American contemporaries the outbreak of war in Europe in 1914 marked a turning point. This aspect regarding the
entanglement between global events and local developments during the First World
War has been neglected in the historiography of Latin America. The article concentrates on the interactions of perceptions and social transformations, i. e. the images of
Europe and the new focus of Latin American variants of nationalism in the context of
the First World War. Based on broad research in the entire region, it sheds light on a
hitherto hidden dimension of the global history of the war concerning Latin America.
Als Anfang August 1914 die Nachricht vom Kriegsausbruch in Europa in
Lateinamerika bekannt wurde, waren die führenden Zeitungen von Mexiko im
Norden bis Argentinien im Süden voll von Leitartikeln, die die Geschehnisse in
geradezu epischer Breite und mit dramatischen Metaphern kommentierten. So
sprach man von der „größten Katastrophe der Menschheitsgeschichte“, die die
Welt mit einer Krise bislang ungekannten Ausmaßes konfrontiere. Man
verwendete die Metapher des Unwetters und verglich den Ausbruch der
Kämpfe mit einem Blitz, der im Zentrum einschlage, dessen zerstörerische
Wirkung aber aufgrund der engen globalen Verflechtungen den gesamten
Erdball erschüttere. Der Kommentator der Zeitung La Nacin in Buenos Aires,
einer der führenden Zeitungen Lateinamerikas, brachte dies auf den Punkt, als
er bereits am 2. August 1914 die Geschehnisse als „Drama der gesamten
Menschheit“ bezeichnete, in dem es keine Zuschauer geben könne.1 Tatsächlich bedeutete der Ausbruch des Krieges in Europa 1914 aus der Sicht vieler
lateinamerikanischer Beobachter einen tiefen Schnitt in der historischen
Entwicklung. Sie spürten, dass dieser Krieg eine die ganze Welt betreffende
Dimension hatte, der man sich nicht entziehen konnte.2 Durch die neuartige
Form des Propagandakriegs und durch Kommunikationstechnologien, die
* Dieser Artikel ist eine Vorstudie zu einer Buchveröffentlichung, die der Autor derzeit im
Rahmen eines Einstein Research Fellowships vorbereitet. Der Autor dankt der Einstein
Stiftung und dem Ibero-Amerikanischen Institut PK, das Partnerinstitution für dieses
Projekt ist. Sämtliche Übersetzungen dieses Textes stammen vom Autor.
1 Ecos del da. La catstrofe, in: La Naci
n (Buenos Aires), 2. 8. 1914, S. 1.
2 Als ein Beispiel aus einer Unzahl von derartigen Kommentaren, die Presseorganen aus
15 Ländern der Region im August 1914 entstammen, siehe Chronica, in: Revista da
Semana (Rio de Janeiro), 8. 8. 1914, S. 5.
Geschichte und Gesellschaft 40. 2014, S. 287 – 307
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen 2014
ISSN (Printausgabe): 0340-613X, ISSN (online): 2196-9000
288
Stefan Rinke
zunehmend auf visuelle Elemente setzten, war man direkter als je zuvor in die
Vorgänge involviert. Viele stimmten darin überein, dass in den Augusttagen
von 1914 eine Epoche endete und eine neue, noch ungewisse begann.
Diese Wahrnehmung der Wechselwirkung zwischen globalen Verflechtungen
und lokaler Entwicklung während des Ersten Weltkriegs hat sich in der
Historiographie zu Lateinamerika bislang noch kaum niedergeschlagen. Denn
in der Geschichtsschreibung wird zumeist die Entstehungsphase der lateinamerikanischen Staaten im „langen 19. Jahrhundert“ von der Entwicklung zu
modernen Massengesellschaften im 20. Jahrhundert getrennt. Klassische
Überblicksdarstellungen gehen bei ihren Periodisierungen häufig von einem
Wendepunkt erst um 1930 aus.3 Danach ist die Weltwirtschaftskrise der
Moment, an dem die Geschichte Lateinamerikas eine neue Richtung angenommen habe und an dem das lateinamerikanische 20. Jahrhundert erst
begann. Der Erste Weltkrieg wird nach dieser Interpretation nicht als
Umbruch in der historischen Entwicklung interpretiert.
Etwas anders ist die Lage in der Nationalgeschichtsschreibung. So liegen für
Länder wie Argentinien, Brasilien, Chile und Mexiko Studien zur Diplomatie
während des Ersten Weltkriegs vor, die jedoch nicht auf transnationale
Verbindungen achten.4 Trotz der großen Unterschiede im Einzelnen fällt auf,
dass sich die Umbruchserfahrungen in vielen Fällen in der Dekade zwischen
1910 und 1920 verdichteten. So wird für Mexiko aufgrund der dann
beginnenden Revolution etwa das Jahr 1910 als Markstein genannt und im
Fall Argentiniens das Jahr 1916 wegen des Regierungsantritts des Kandidaten
der Radikalen Partei, Hip
lito Yrigoyen. Für Bolivien, Chile, Guatemala und
Peru sind die Jahre 1919 / 1920 wegen der zu diesem Zeitpunkt einsetzenden
politischen und sozialen Umbrüche als wichtige Wendepunkte akzeptiert.
Doch auch für kleinere Länder der Region wie Nicaragua, wo 1912 die USamerikanische Militärkontrolle einsetzte, und Panama, wo 1914 kurz vor
Kriegsausbruch der transozeanische Kanal eröffnet wurde und sich die
Präsenz der Vereinigten Staaten ebenfalls massiv verstärkte, lassen sich klare
Einschnitte erkennen. Die Kriegsjahre an sich werden dabei aber nur selten
selbst thematisiert.
3 Siehe z. B. Peter Bakewell, A History of Latin America, Malden 20042 ; Tulio Halperin
Donghi, Geschichte Lateinamerikas, Frankfurt 1994; FranÅois Chevalier, Amrica
Latina de la independencia a nuestros das, Barcelona 1983; Enrique Ayala Mora u. a.
(Hg.), Historia General de Amrica Latina, Bd. 7: Los proyectos nacionales latinoamericanos. Sus instrumentos y articulaci
n, 1870 – 1930, Madrid 2008.
4 Ricardo Weinmann, Argentina en la Primera Guerra Mundial. Neutralidad, transici
n
poltica y continuismo econ
mico, Buenos Aires 1994; Francisco Luiz Teixeira Vinhosa,
O Brasil e a Primeira Guerra Mundial. A diplomacia brasileira e as grandes potÞncias,
Rio de Janeiro 1990; Juan Ricardo Couyoumdjian, Chile y Gran BretaÇa durante la
Primera Guerra Mundial y la postguerra, Santiago 1986; Friedrich Katz, The Secret War
in Mexico. Europe, the United States and the Mexican Revolution, Chicago 1981.
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Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg
289
Demgegenüber hat sich die Historiographie zum Ersten Weltkrieg traditionell
fast ausschließlich auf die Perspektive Europas und der USA konzentriert,
wobei lange Zeit vor allem die politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen
im Mittelpunkt standen. Parallel zum Aufstieg der globalhistorischen Ansätze
in der Geschichtsschreibung sind in den letzten Jahren jedoch diverse Studien
entstanden, die den Krieg bewusst in seinen globalen Kontext einbetten. Selten
wird Lateinamerika dabei berücksichtigt und wenn, dann liegt die Konzentration in der Regel auf mehr oder weniger ausführlichen Schilderungen der
Seeschlachten vor der chilenischen Küste und bei den Falkland-Inseln
1914 / 1915.5
Die Wertung des Ersten Weltkriegs durch die Geschichtsschreibung und die
Wahrnehmung der damaligen Zeitgenossen in Lateinamerika gehen also weit
auseinander.6 Es drängt sich die Frage auf, welche Faktoren Lateinamerikaner
zwischen 1914 und 1918 veranlassten, den Weltkrieg als wichtigen, ja
dramatischen Einschnitt für ihre eigene Lebenswelt anzusehen. Wie nahmen
sie diesen Konflikt, dieses Drama wahr? Wie reagierten sie darauf ? Eine These
ist, dass gerade die reformorientierten Kräfte die teils dramatischen Krisen,
die der Kriegsausbruch hervorrief, als Chance begriffen, um ihre Projekte zur
Umgestaltung der eigenen Gesellschaft voranzutreiben.
Dieser Artikel wird zunächst den politischen und wirtschaftlichen Kontext
rekonstruieren, um dann eine Dimension in den Blick zu nehmen, an der die
Interaktionen von Wahrnehmungen und Wandlungsprozessen und die Verflechtung von sozial- und kulturgeschichtlichen Fragestellungen besonders
deutlich wird. Es soll vor allem um den medialen Krieg und die Neuausrich-
5 Das beste Beispiel ist der monumentale Band von Hew Strachan, The First World War,
Bd. 1: To Arms, Oxford 2001. Siehe auch William K. Storey, The First World War. A
Concise Global History, Lanham 2009, S. 67 – 72; Lawrence Sondhaus, World War One.
The Global Revolution, Cambridge 2011, S. 103 – 109; Michael S. Neiberg, Fighting the
Great War. A Global History, Cambridge 2005, S. 123 – 150; Daniel Marc Segesser, Der
Erste Weltkrieg in globaler Perspektive, Wiesbaden 2010; Heike Liebau (Hg.), The World
in World Wars. Experiences, Perceptions and Perspectives from Africa and Asia, Leiden
2010.
6 Es liegen allerdings diverse klassisch diplomatiegeschichtliche Arbeiten aus den 1920er
Jahren vor, von denen die besonders gründliche Studie von Percy A. Martin, Latin
America and the War [1925], Gloucester 1967, genannt sei. Eine Ausnahme in der
neueren Lateinamerikageschichtsschreibung blieb Bill Albert, South America and the
First World War, London 1988. Seine Arbeit ist noch immer ein Standardwerk für die
wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Kriegs. Sie beschränkt sich aber auf
vier Länder (Argentinien, Brasilien, Chile und Peru) und stützt sich kaum auf
Primärquellen. Neuerdings hat Olivier Compagnon einige interessante Aufsätze zum
Thema vorgelegt. Siehe z. B. Olivier Compagnon, Entrer en guerre? Neutralit et
engagement de l’Amrique latine entre 1914 et 1918, in: Relations Internationales 137.
2009, S. 31 – 43.
290
Stefan Rinke
tung lateinamerikanischer Varianten des Nationalismus im Kontext des
Weltkriegs gehen. Welche Sinndeutungen gab man dem Kriegsgeschehen?
Welche Zukunftsvorstellungen für die eigene Entwicklung wurden daraus
abgeleitet?
Um diese Fragen diskutieren zu können, zeigt der erste Abschnitt zunächst,
wie lateinamerikanische Staaten zwischen Neutralität, Wirtschaftskrieg und
Kriegsbeitritt manövrierten und wie sich die wirtschaftlichen und sozialen
Auswirkungen des Kriegs in der Region bemerkbar machten. Der zweite
Abschnitt nimmt die medienpolitische Dimension des Kriegs und die neuen
Bilder von Europa in den Blick, die in lateinamerikanischen Medien im
Kontext des Ersten Weltkriegs entstanden. Drittens werden Reaktionen in
Lateinamerika auf die Herausforderungen des Kriegs in Europa angesprochen.
Es geht nicht darum, einen direkten Kausalzusammenhang zwischen bestimmten Wahrnehmungen Europas und Reaktionen Lateinamerikas darauf
zu konstruieren, sondern darum, die Interaktionen zwischen globalen
Entwicklungen, in die Lateinamerika auf vielfältige Weise eingebunden war,
und lokalen Bemühungen um Eigenständigkeit nachzuzeichnen.
I. Neutralität, Wirtschaftskrieg und Kriegsbeitritt
Die lateinamerikanischen Regierungen waren anfangs darum bemüht, sich aus
den Auseinandersetzungen in Europa herauszuhalten. Traditionell hatte sich
die lateinamerikanische Außenpolitik nie in europäische Konflikte eingemischt.7 Die als lebenswichtig erachteten wirtschaftlichen Beziehungen sollten
so weit wie möglich aufrechterhalten werden. Weder zu den Alliierten noch zu
den Mittelmächten bestanden politische Verpflichtungen, die eine offene
Parteinahme erforderlich gemacht hätten. Daher erklärten alle Staaten
Lateinamerikas ihre Neutralität.8
Mit ihrer Neutralität folgten die lateinamerikanischen Regierungen dem
Vorbild der USA, die sich trotz der großen Sympathien von Präsident
Woodrow Wilson und der Bevölkerungsmehrheit für die Sache der Entente
ebenfalls aus dem europäischen Krieg heraushalten wollten. Mit Blick auf
Lateinamerika öffnete der Konflikt in Europa den Vereinigten Staaten
ungeahnte Möglichkeiten. Als Schutz- und Polizeimacht hatte man sich in
politisch-militärischer Hinsicht vor allem in Zentralamerika und der Karibik
bereits vor dem Krieg fest etabliert. Das strategische Interesse der USA an
ihrem „Hinterhof“ stieg mit der Eröffnung des Panamakanals am 15. August
1914 noch weiter an. Mit dem Argument des Schutzes des Kanals vor den
7 O Brasil neutro, in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro), 19. 11. 1914, S. 3.
8 Zu den Gründen für die Neutralität Lateinamerikas siehe Roger Gravil, The AngloArgentine Connection, 1900 – 1939, Boulder 1985, S. 112; Pedro Cavalcanti, A presidÞncia de Wenceslau Braz 1914 – 1918, Braslia 1983, S. 97 f.
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Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg
291
Übergriffen der Kriegsparteien und angesichts des kriegsbedingten Ausfalls
der Europäer konnten die Vereinigten Staaten ihren Anspruch als Hegemonialmacht der gesamten westlichen Hemisphäre nun offener und offensiver
vertreten.9 So besetzten U.S. Marines 1915 Haiti, 1916 die Dominikanische
Republik und 1917 Kuba. In diesen Staaten dauerte die US-amerikanische
Präsenz weit über das Kriegsende hinaus an. Das galt auch für Nicaragua, wo
die US-Amerikaner bereits 1912 einmarschiert waren. 1917, wenige Tage vor
dem Kriegseintritt, kauften die Vereinigten Staaten die dänischen Jungferninseln. Auf friedlichem Weg war die US-Regierung unter Woodrow Wilson
darüber hinaus darum bemüht, das seit den 1890er Jahren geschaffene lose
panamerikanische System aus wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen
unter US-amerikanischer Führung auszubauen. Erfolglos erbat Washington
die Zustimmung der lateinamerikanischen Staaten zu Plänen für ein kollektives panamerikanisches Sicherheitssystem mit Schiedsgerichtspflicht.10
Die lateinamerikanischen Staaten selbst blieben angesichts der politischen
Herausforderung des Kriegs in Europa im Wesentlichen passiv. Zwar gab es
Ende 1914 eine venezolanische Initiative zu einer Konferenz der Neutralen,
doch verlief diese im Sand. Lateinamerika fand weder im Panamerikanismus
US-amerikanischer Prägung noch durch die Kooperation untereinander zu
einer gemeinsamen politischen Linie in der Stellungnahme zum Krieg oder gar
zu Planungen für eine kollektive Verteidigung gegen Übergriffe auf die
Neutralität und Souveränität im Verlauf der Kampfhandlungen. Dass man aber
in diesem Krieg mit seinen neuartigen globalen Dimensionen nicht einfach
abseits stehen konnte, dessen waren sich die politischen Eliten wohl bewusst.
So hieß es in einem vertraulichen Rundschreiben des chilenischen Außenministeriums an die Auslandsgesandtschaften, dass der Krieg eine für Lateinamerika schwierige Situation schaffe, da die Interessen der Krieg führenden
Mächte sich eben nicht auf Europa beschränkten, sondern globale Ausmaße
hatten.11 Wie richtig diese Aussage war, zeigte sich schon in den ersten
Kriegsmonaten, als der Konflikt durch den Seekrieg in lateinamerikanische
Gewässer getragen wurde. Die meisten lateinamerikanischen Staaten waren
mit der Aufgabe überfordert, ihre Küsten effektiv zu überwachen und dafür zu
sorgen, dass ihr Hoheitsgebiet nicht von den Krieg führenden Mächten
missbraucht wurde.
9 Die Ziele der US-Politik sind zusammengefasst in: National Archives [im Folgenden
NA], Record Group 59, M 743, Rolle 1, Secretary of State Lansing an Woodrow Wilson,
Washington, 24. 11. 1915, S. 70 – 73. Siehe auch Mark Gilderhus, Pan American Visions:
Woodrow Wilson in the Western Hemisphere, 1913 – 1921, Tucson 1986, S. 26 f.
10 Stefan Rinke, Lateinamerika und die USA. Eine Geschichte zwischen Räumen von der
Kolonialzeit bis heute, Darmstadt 2012, S. 70 – 73.
11 Chile, Archivo del Ministerio de Relaciones Exteriores, Bd. 479, Circular confidencial
No. 2, Santiago de Chile, 29. 8. 1914.
292
Stefan Rinke
Die europäischen Kriegsteilnehmer gaben sich denn auch keine Mühe, die
Neutralitätsrechte der lateinamerikanischen Staaten zu respektieren, und es
kam zu zahlreichen Übergriffen. Insbesondere die „globale Strategie“
Deutschlands, die darauf abzielte, die Briten in ihrem Empire zu treffen, sollte
den Krieg auch in das informal empire Lateinamerika tragen.12 Dies geschah
erstmals während der deutsch-englischen Seegefechte im Südpazifik und
Südatlantik, die zu Protesten der chilenischen Regierung wegen der Verletzung
des Neutralitätsbestimmungen führten.13
Die stärkste Beeinträchtigung der Neutralität Lateinamerikas ergab sich auf
wirtschaftlichem Terrain, denn der Krieg wurde von Beginn an als globaler
Wirtschaftskrieg geführt. Schon 1912 und 1913 hatte sich die spürbare
Zurückhaltung der europäischen Kapitalanleger angesichts der Balkankrisen
negativ bemerkbar gemacht. In der Tat prognostizierten zeitgenössische
Beobachter wie der chilenische Journalist Carlos Silva Vild
sola bei Kriegsausbruch, dass die Auswirkungen des Kriegs vor allem deshalb ernst zu
nehmen waren, weil die lateinamerikanischen Volkswirtschaften seit dem
19. Jahrhundert von den Märkten und dem Kapital Europas abhängig seien.14
Die wichtigste Maßnahme der Alliierten war die im Lauf der Kriegsjahre
zunehmend verschärfte See- und Handelsblockade. Völkerrechtlich gesehen
war eine solche Maßnahme gegen feindliche Küsten und Häfen sowie gegen
feindliche Schiffe und Waren auf hoher See nach den aus dem 19. Jahrhundert
stammenden Regeln für den Wirtschaftskrieg durchaus zulässig. Die Zweite
Haager Konferenz von 1907 sowie die Londoner Seerechtskonferenz von 1908
hatten die Bestimmungen zur Behandlung der Neutralen verfeinert, wenngleich nicht alle Konferenzteilnehmer diese ratifiziert hatten. Diese Bestimmungen definierten die auf neutralen Schiffen beförderten Waren als Konterbande nach unterschiedlichen Kategorien und schränkten etwa die Möglichkeit der Beschlagnahme nicht kriegswichtiger Güter ein.15
Für Lateinamerika brachte die Blockade die Unterbrechung der freien
Handelsbeziehungen nach Europa und damit zu den für viele Länder der
Region noch immer wichtigsten Märkten. So waren etwa Lebensmittel nach
den Bestimmungen „eingeschränkte Konterbande“. Dies bedeutete, dass die
12 Strachan, der diese Strategie des Reichs hervorragend herausarbeitet, geht auf die Rolle
Lateinamerikas darin nicht ein. Strachan, To Arms, S. 694.
13 Germn Bravo Valdivieso, La Primera Guerra Mundial en la costa de Chile. Una
neutralidad que no fue tal, ViÇa del Mar 2005, S. 69 – 71. Lateinamerika war natürlich
kein Einzelfall. In Europa machten die Neutralen ähnlich gelagerte Erfahrungen. Siehe
die vergleichend angelegten Aufsätze in Johan den Hertog u. Samuel Kruizinga (Hg.),
Caught in the Middle. Neutrals, Neutrality, and the First World War, Amsterdam 2011.
14 El aÇo financiero, in: La Naci
n (Buenos Aires), 1. 1. 1915, S. 7. Carlos Silva Vild
sola, Le
Chili et la guerre, Paris 1917, S. 2.
15 Zu den Rechten der Neutralen in Bezug auf die Blockaden: Nigel Hawkins, The
Starvation Blockades. Naval Blockades of World War I, Barnsley 2002, S. 80 – 91.
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Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg
293
britische Regierung von Fall zu Fall entschied, ob bestimmte Waren zu
beschlagnahmen waren oder nicht. Im November 1914 fiel Kaffee darunter, da
wie der costa-ricanische Gesandte in London feststellte, die großen deutschen
Kaffeehändler vor allem in Guatemala und Venezuela getroffen werden sollten.
Dies schuf natürlich Probleme für alle lateinamerikanischen Kaffeeexporteure.16 Die Proteste der amerikanischen Neutralen – inklusive der Vereinigten
Staaten – gegen diese und ähnliche Maßnahmen verhallten jedoch ungehört.17
Gezwungenermaßen mussten die Lateinamerikaner im Lauf des Kriegs die
Geschäfte mit den Alliierten einseitig auf die Ausfuhr kriegswichtiger
Rohstoffe ausrichten.
Um das Verbot des Handels mit dem Feind auch im Ausland durchzusetzen,
schufen die Alliierten in Lateinamerika mit den sogenannten „schwarzen
Listen“ ein besonders innovatives Mittel gegen die deutschen Wirtschaftsinteressen in der Region. Oft wurden die Listen mit diplomatischen Druck oder
gar mit Gewalt durchgesetzt. Vor Ort kümmerten sich Komitees von alteingesessenen Geschäftsleuten der alliierten Staaten um die Durchsetzung. Diese
Aktionen riefen immer wieder Proteste in Lateinamerika hervor, da sie noch
stärker als die Blockade einen Eingriff in die staatliche Souveränität darstellten. Die Alliierten begründeten ihr Verhalten bekanntermaßen mit dem
deutschen U-Bootkrieg, der ebenfalls neuartige Belastungen für Lateinamerika mit sich brachte.
Die Erfolge der schwarzen Listen waren offensichtlich. Allerdings ließ sich die
erhoffte komplette Ausschaltung deutscher und deutschstämmiger Wirtschaftsinteressen in der Region nicht durchsetzen. Schon sehr früh gingen die
Händler dazu über, die Staatsbürgerschaft ihrer Gastländer zu beantragen, um
ihre Aktivitäten zu tarnen.18 Wenige Monate nach Kriegsende berichtete ein
Augenzeuge aus dem südchilenischen Valdivia dem US-amerikanischen
Geheimdienst, dass die Listen häufig ohne genaue Kenntnisse vor Ort
zusammengestellt worden seien. Daher seien nicht immer die wirklich
deutschstämmigen, geschweige denn deutschfreundlichen Kreise darauf
erschienen. Außerdem hätten die schwarzen Listen kontraproduktive Effekte
erzielt, da mancher Kaufmann aus den alliierten Staaten dadurch seinen
Kundenstamm verlor und Bankrott machte. Schließlich hätten sich längst
nicht alle Händler aus dem Umfeld der Alliierten an die Verbote gehalten. So
gab es noch bei Kriegsende durchaus Waren aus alliierter Produktion bei
16 Archivo Nacional de Costa Rica, Relaciones Exteriores, Caja 230, Gesandtschaft von
Costa Rica an Ministerio de Relaciones Exteriores, London, 4. 1. 1915, S. 1.
17 El comercio argentino y la neutralidad, in: La Prensa (Buenos Aires), 29. 11. 1915, S. 3.
18 Kolumbien, Archivo General de la Naci
n, Ministerio de Relaciones Exteriores, Caja 94,
Carpeta 2, Kolumbianischer Generalkonsul an Gesandtschaft, New York, 22. 9. 1914,
S. 81.
294
Stefan Rinke
gelisteten Geschäften zu kaufen.19 Hinzu kam das Problem des ansteigenden
Schmuggels, das nicht nur aus Sicht der Alliierten ärgerlich war, sondern auch
den lateinamerikanischen Neutralen ökonomischen Schaden zufügte.20
Die wirtschaftlichen Folgen des Kriegsausbruchs in der Region waren tiefgreifend, wobei sich mancherorts wie im Fall Argentiniens und Brasiliens die
Negativtrends der letzten Vorkriegsjahre vertieften. Im Bankwesen machte sich
Panikstimmung breit und die Kredithäuser blieben Anfang August 1914 in den
meisten Ländern der Region einige Tage geschlossen, was einen Run auslöste.
Auch der Kapitalzufluss aus Europa kam zu einem abrupten Ende. Die Probleme
wurden durch die Schwierigkeiten des meist von wenigen oder gar nur einem
einzigen Produkt abhängigen Exportsektors verstärkt. Außerdem sanken die
Importe überall so stark, dass Versorgungskrisen nicht ausblieben. Die
Regierungen versuchten meist mit Moratorien und Appellen an die Bevölkerung
der Situation Herr zu werden. Allerdings erzielten die Maßnahmen kaum
Wirkung. Stärker denn je zeigte sich die Krisenanfälligkeit und Abhängigkeit der
lateinamerikanischen Volkswirtschaften von Europa.21 Insgesamt betonten die
Kommentare der führenden Politiker und der Presse immer wieder das
Eingebundensein in einen globalen Kontext, der wenig Spielraum ließ.22
Im Laufe des Jahres 1915 kam es jedoch im Exportsektor einzelner Länder zu
einer Erholung. Da die Preise der für die Alliierten kriegswichtigen Rohstoffe
stiegen und die Einfuhren weit unter Vorkriegsniveau blieben, ergaben sich
sogar vielfach positive Handelsbilanzen. Zinn aus Bolivien, Salpeter und
Kupfer aus Chile und Peru, Weizen aus Argentinien, Fleisch aus Uruguay oder
Zucker aus Kuba zählten zu den stark nachgefragten Produkten.23 In einigen
Ländern wirkte die Importkrise außerdem stimulierend auf die Importsubstituierung durch Industrialisierung und das vor allem dort, wo es bereits vor
dem Krieg Ansätze dazu gegeben hatte.24
Dennoch brachte der Krieg Probleme für die Arbeiterschaft in vielen Ländern
der Region. Der Preisanstieg nahm in den Städten phasenweise erschreckende
Ausmaße an, da auch Güter des Grundbedarfs wie etwa Brennstoffe zu den
19 NA, RG 151, General Records, Government Activities, Box 841, War Dept., Military
Intelligence Division an Bureau of Foreign and Domestic Commerce, Washington,
14. 5. 1919.
20 Ao Redor da Guerra – a quest¼o do contrabando do guerra, in: Jornal do Commercio
(Rio de Janeiro), 12. 2. 1915, S. 3.
21 Albert, South America and the First World War, S. 37 – 55.
22 Ein gutes Beispiel dafür ist die Jahresansprache des costa-ricanischen Präsidenten
Alfredo Gonzlez im Mai 1915: Alfredo Gonzlez, „Mensaje del Presidente“ (San Jos,
1. 5. 1915), in: Carlos Melndez Chaverri (Hg.), Mensajes presidenciales, Bd. 4:
1906 – 1916, San Jos 1983, S. 210 – 216.
23 So ein Bericht der US-amerikanischen Handelsbehörde: NA, RG 151, General Records,
Government Activities, Box 2925, Economic conditions in foreign countries, 8. 5. 1915.
24 Albert, South America and the First World War, S. 180 – 183.
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Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg
295
Importgütern zählten, die nun ausblieben. Auch die Preise für Lebensmittel
schossen in die Höhe, wobei sogar Grundnahrungsmittel betroffen waren.
Nicht ohne Grund beklagte die Presse den um sich greifenden Wucher und die
Spekulation, die zu diesen Fehlentwicklungen beitrugen.25 Diese Entwicklungen sowie die wachsende Inflation, sinkende Reallöhne und phasenweise
Massenarbeitslosigkeit führten vielerorts zum Anstieg von sozialen Spannungen, die sich jedoch aufgrund der Schwäche der Arbeiterbewegung vor 1917
kaum in größeren Streikaktionen niederschlug.26
Ein weiteres wichtiges Ergebnis für ganz Lateinamerika war der Aufstieg der
Vereinigten Staaten. Schon früh bestand die Befürchtung, die Region könne
wegen des Ausfalls Europas zur „Kriegsbeute“ der Nordamerikaner werden,
von denen man eine regelrechte „kommerzielle Conquista“ befürchtete.27 Die
kolumbianische Regierung begann bereits Ende 1914 ihre Landesprodukte in
den USA offensiv zu bewerben. In der Tat sahen die US-amerikanischen
Interessen große Chancen durch den europäischen Krieg nicht zuletzt auch
angesichts der Verbesserung der Reisemöglichkeiten durch den Panamakanal.
Der Generaldirektor der 1907 gegründeten Pan-American Union, John Barrett,
war sich sicher : „These are the days of unprecedented and legitimate
opportunity in Latin America.“28 Für zahlreiche Länder der Region wurden die
Vereinigten Staaten zum wichtigsten Außenhandelspartner und zur einzigen
noch offenen Quelle von Kapital.
So konnten sich denn auch viele lateinamerikanische Staaten dem Sog nicht
entziehen, der vom Kriegseintritt der USA im April 1917 ausging. Aus Sicht
Washingtons war klar, dass sich „selbst die vom Konflikt am weitesten
entfernten Länder […] die Fragen internationalen Rechts nicht außer Acht
lassen [können], die der Krieg aufwirft.“29 Allerdings entsprachen die
Lateinamerikaner diesen Erwartungen keineswegs in vollem Umfang, und es
ergaben sich regionale Unterschiede. Die unter US-amerikanischer militärischer und wirtschaftlicher Kontrolle stehenden Staaten Kuba und Panama,
erklärten Deutschland prompt ebenfalls den Krieg. Guatemala, Honduras,
Nicaragua, die Dominikanische Republik und Haiti brachen bis Anfang Juli
1917 zunächst die diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich ab und
erklärten dann im Lauf des Jahres 1918 den Krieg. Dies galt auch für Costa
Rica, wo die 1917 durch einen Umsturz an die Macht gekommene Regierung
Federico Tinocos hoffte, auf diese Weise die diplomatische Anerkennung
25 Ecos del da, in: La Naci
n (Buenos Aires), 11. 8. 1914, S. 7.
26 Albert, South America and the First World War, S. 303.
27 Sud-Amrica como botn de guerra americano, in: El Diario del Hogar (Mexiko),
22. 9. 1914, S. 2. Zur „kommerziellen Conquista“ siehe La guerra europea, in: La Naci
n
(Buenos Aires), 1. 10. 1914, S. 11.
28 John Barrett, Our Trade Opportunity in Latin America, in: American Review of Reviews
50. 1914, S. 469.
29 Alemania y los neutrales, in: La Prensa (Buenos Aires), 8. 2. 1917, S. 9.
296
Stefan Rinke
durch die Vereinigten Staaten zu erlangen. Einzig El Salvador, dessen
Regierung über die US-amerikanische Vermittlung in der Grenzfrage mit
Nicaragua verstimmt war, wahrte seine Neutralität.30
Auch wenn zeitgenössische Beobachter wie der chilenische Jurist Alejandro
Alvarez den Kriegseintritt der USA als für ganz Amerika entscheidenden
Umbruch von historischer Bedeutung bewerteten und die interamerikanische
Solidarität betonten, waren die Reaktionen in Südamerika zurückhaltender.31
Zwar brachen Bolivien, Brasilien, Ecuador, Peru und Uruguay noch im Lauf
des Jahres 1917 die Beziehungen zu Deutschland ab, weil es mehr oder weniger
direkte Probleme durch den deutschen U-Bootkrieg gab. Doch trat zunächst
keines dieser Länder in den Krieg ein. Sieben weitere Staaten, darunter
Argentinien, Chile und Mexiko, blieben bis Kriegsende neutral. Die Lage
änderte sich erst im Oktober 1917, als die Regierung in Rio de Janeiro nach der
wiederholten Torpedierung brasilianischer Schiffe dem Deutschen Reich den
Krieg erklärte und sich damit erstmals ein lateinamerikanischer Staat offiziell
an einem bewaffneten Konflikt außerhalb Amerikas beteiligte. Die Ursachen
waren unterschiedlich, aber es lässt sich doch festhalten, dass drei Motive für
den Kriegsbeitritt zentral waren: erstens die wirtschaftliche Zwangslage,
zweitens der politische Druck der Vereinigten Staaten und drittens die
Auswirkungen des deutschen U-Boot-Kriegs. Auf der anderen Seite war die
Entscheidung die Neutralität aufrechtzuerhalten auf den Gegensatz zu den
Vereinigten Staaten, die größere Selbständigkeit der betreffenden Regierungen
oder schlicht die Abwesenheit eines Kriegsanlasses zurückzuführen.
Der direkte Beitrag der lateinamerikanischen Kriegsteilnehmer war alles
andere als kriegsentscheidend. Zahlreiche Kubaner meldeten sich freiwillig für
die Armee der Vereinigten Staaten. Nur Brasilien entsandte 1918 neben einer
Sanitätsmission auch Marineverbände nach Europa, die aber zu spät kamen,
um noch in die Kämpfe einzugreifen. Vielerorts kam es aber zu Zwangsmaßnahmen gegen deutsche Staatsangehörige und deutsches Eigentum.32 Außerdem brachten die Kriegserklärungen eine neue Dimension in die Beziehungen
zwischen Lateinamerika und Europa. Zumindest theoretisch waren die
kriegführenden Länder nun gleichberechtigte Partner der Alliierten im
Kampf gegen die Mittelmächte.
30 Zur Haltung der zentralamerikanischen Staaten siehe: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, 29101, Gesandter Kurt Lehmann an Auswärtiges Amt, San Salvador,
23. 7. 1917; Martin, Latin America and the War, S. 483 – 519.
31 Zit. n. Jos A. Martnez, La entrada de Cuba en la guerra universal, in: Cuba
Contempornea 14. 1917, S. 9 f.
32 Zur brasilianischen Kriegspolitik siehe Francisco Luiz Texeira Vinhosa, O Brasil e a
Primeira Guerra Mundial. A diplomacia brasileira e as grandes potÞncias, Rio de Janeiro
1990, S. 158. Zum Vorgehen gegen die deutschen Interessen Frederic C. Luebke,
Germans in Brazil. A Comparative History of Cultural Conflict During World War I,
Baton Rouge 1987, S. 122 – 175.
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Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg
297
II. Der Krieg als Medienereignis
Diese vermeintliche Gleichberechtigung ließ sich auch an den Bildern Europas
ablesen, die während des Kriegs in Lateinamerika zirkulierten. Sie wurden in
modernen Printmedien transportiert, die seit der Jahrhundertwende immer
stärker die visuellen Elemente betonten, was vor allem in den neuartigen
illustrierten Zeitschriften zur Geltung kam. So wurde der Erste Weltkrieg in
Lateinamerika zu einem Medienereignis ersten Ranges. Führende lateinamerikanische Zeitungen und Zeitschriften brachten regelmäßig nicht nur Fotos
vom Kriegsgeschehen, sondern kommentierten diese auch vor allem durch
Karikaturen und Zeichnungen.
In Lateinamerika spielte dabei die Darstellung des Kriegs als sinnlose und
infernalische Katastrophe eine zentrale Rolle. Dies kam vor allem in Karikaturen, wie sie etwa die argentinische Zeitschrift Caras y Caretas, die zur
damaligen Zeit größte Illustrierte Lateinamerikas, abdruckte, gut zum
Ausdruck. In diesen Bildern hatte der Tod die Welt fest im Griff. Eine
weitsichtige Zukunftsprognose stellten die argentinischen Sozialisten an, die
den Krieg einen „unnötigen und vermeidbaren Zusammenstoß der Völker“
nannten. Der Kommentar in der Zeitung La Vanguardia fuhr fort:
Unmengen von Männern […] prallen in diesen Momenten aufeinander, um den Tod in den
Boden Europas zu säen und ihn zu zerstören. Die Jugend der Völker wird im Krieg zu Mehl
zermahlen […] Lange Monate oder Jahre, die uns wie Jahrhunderte vorkommen werden,
wird die Arbeit von Millionen Männern unterbrochen, um durch die kalkulierte Barbarei
und die gelehrte Grausamkeit der Vernichtungstechnologie ersetzt zu werden.33
Die europäischen Mächte erschienen nicht mehr als überlegene Bezugspunkte,
sondern man stellte sie als beutegierige Raubtiere dar. Eine Ergänzung fanden
die Darstellungen durch Pressekommentare, in denen die Europäer heftig
angegriffen wurden. Durch den Krieg wurden die Werte erschüttert, für die
Europa stand. Häufig fanden sich Bilder, nach denen Europa als alt und
verbraucht dargestellt wurde. So hieß es in einer führenden brasilianischen
Tageszeitung bereits zu Kriegsbeginn der „alte Kontinent“ werde durch die
Konflagration ruiniert und um Jahrzehnte zurückgeworfen.34
Viele Kommentatoren gleich welcher politischen Überzeugung, wie der
argentinische Intellektuelle Jos Ingenieros oder der mexikanische Anthropologe Manuel Gamio, waren schockiert darüber, wie schnell der Krieg zum
„Kulturkrieg“ mutierte und damit das Konzept „Kultur“ die „Elastizität eines
Gummiballs“ erhielt.35 Der Tenor ihrer Attacken lässt sich auf die Formel
33 ¡La guerra!, in: La Vanguardia (Buenos Aires), 2. 8. 1914, S. 1.
34 A victoria da Triplice AllianÅa?, in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro), 2. 8. 1914,
S. 17.
35 Manuel Gamio, Forjando patria [1916], Mexiko-Stadt 1960, S. 103.
298
Stefan Rinke
„Verrat an der Zivilisation“ und Rückfall in die Barbarei reduzieren.36 Diese
Barbarisierung Europas während des Kriegs konnte man, so ein brasilianischer Korrespondent, an Äußerlichkeiten wie beispielsweise der nächtlichen
Verdunklung einer Weltstadt wie London ablesen. Allerdings ging nach
Meinung dieses Beobachters die Erfahrung des Krieges tiefer in die „Psyche
der Nation“ und trug zur Auflösung der Zivilisation bei.37 Der spanischmexikanische Dichter Amado Nervo schrieb in einem Gastbeitrag für die
argentinische Zeitung La Nacin 1914: „[D]er Horror und die Grausamkeiten
des Kriegs von heute übertreffen die aller Barbareneinfälle.“38
Da aber Europa von den genannten Kommentatoren mehr oder weniger
explizit als Zentrum der Welt angesehen wurde, hatte die Kritik immer auch
die globale Dimension im Blick. Der Krieg, so die Kommentare, hatte eine die
ganze Menschheit erschütternde Auswirkung. Das Jahr 1914 war für die ganze
Welt ein „Katastrophenjahr“.39 Dies war nicht nur auf einer metaphorischen
Ebene der Fall, sondern ließ sich an der Ausbreitung auf die außereuropäische
Welt und den desaströsen Folgen in Lateinamerika ablesen, das seinerseits
zum Krieg beitrug. Aufgrund der engen internationalen Verflechtungen
genügte es, wenn nur wenige Staaten Europas zu den Waffen griffen, um die
Welt in ihren Grundfesten zu erschüttern. La Vanguardia stellt schon im
August 1914 fest:
Das, was in diesem Kontinent passiert, ist nur der Widerschein von dem, was in der gesamten
zivilisierten Welt vor sich geht; der Krieg hat sich scheinbar im Raum ausgedehnt, um
Regionen in Mitleidenschaft zu ziehen, die auch nicht im entferntesten an der Auseinandersetzung beteiligt sind.40
Richtete sich die Kritik anfangs noch gegen Europa als Ganzes, so sollte sich
dies im Lauf der Kriegsjahre ändern. Im Medium des Propagandakriegs um die
öffentliche Meinung kam der Konflikt schon sehr früh direkt nach Lateinamerika. Anfangs blieb unklar, auf welcher Seite man stehen soll: „Soll man
sich über den Zar oder den Kaiser aufregen, jene tragischen Spielzeuge in den
Händen des Schicksals? Wer kann die Verantwortung genau zuordnen?“41 Der
Kommentator der argentinischen Kulturzeitschrift Nosotros, der diese Fragen
stellte, war der Auffassung, dass man in Lateinamerika keiner Nation
gerechterweise den Sieg wünschen könne, da keine die alleinige Vertreterin
der Zivilisation sei. Um sich nicht dem Vorwurf falscher und einseitiger
Berichterstattung über die europäischen Ereignisse auszusetzen, mieden
36 Ein Beispiel ist der argentinische Intellektuelle Alejandro Korn, Die Universitätsreform,
in: Angel Rama (Hg.), Der lange Kampf Lateinamerikas, Frankfurt 1982, S. 186.
37 As Financas da Guerra, in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro), 26. 11. 1914, S. 2.
38 Amado Nervo, Ante la catstrofe, in: La Naci
n (Buenos Aires), 6. 10. 1914, S. 5.
39 El nuevo aÇo, in: Zig-Zag (Santiago de Chile), 2. 1. 1915, o. S.
40 Dura lecci
n, in: La Vanguardia (Buenos Aires), 6. 8. 1914, S. 1.
41 La Guerra, in: Nosotros (Buenos Aires) 1914, H. 8, S. 118 f.
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Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg
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manche lateinamerikanischen Medien in den ersten Wochen und Monaten des
Kriegs eine offene Parteinahme.42 1916 betitelte die mexikanische Zeitung El
Nacional ihre Kabel- und Korrespondentensektion über den Krieg „Wahrheiten und Lügen“ (Verdades y Mentiras).43 Das große Interesse der Öffentlichkeit
am Krieg war andererseits so deutlich, dass die Medienberichterstattung nicht
nachließ, dass es sogar zu einer kommerziellen Verwertung des „Spektakels“
kam.44
Doch zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Lage in den Medien schon deutlich
verändert. Einzelne Autoren und Intellektuelle äußerten ihre Meinung in den
Spalten der Presse und nahmen offen Partei für die eine oder andere Seite. Eine
Spaltung in Anhänger der Alliierten und der Mittelmächte in der Presselandschaft war die Folge. Wie der Herausgeber von Caras y Caretas, Julio
Castellanos, feststellte, gab es schnell nur noch „filos“ und „fobos“, alle
verfolgten das Spektakel in Europa, als handele es sich bei den Kriegsgegnern
um nationale politische Parteien.45
Auf dem „Schlachtfeld eines verdeckten Krieges um die öffentliche Meinung
und die wirtschaftliche Vorherrschaft“46 – so der US-amerikanische Propagandadienst – behielten die Alliierten eindeutig die Oberhand. Mit ihren
Nachrichtenagenturen Reuters und Havas hatten sie während des Kriegs quasi
ein Monopol über die Berichterstattung inne. Das erschwerte der lateinamerikanischen Presse die Unparteilichkeit erheblich. Diejenigen, die für die
Alliierten Stellung bezogen, taten dies aus unterschiedlichen Gründen.
Manche erhielten schlichtweg Geld oder andere Vorteile seitens der Alliierten.
Deutlich wird in den Kommentaren aber auch die enge Verbundenheit und
traditionelle Sympathie für Frankreich, das viele Angehörige der lateinamerikanischen Oberschichten als Studenten oder Reisende aus eigener Anschauung kannten. Die französische Kulturpolitik hatte sich darüber hinaus bereits
vor Kriegsbeginn durch die Gründung des Comit France-Amrique unter
dem ehemaligen Außenminister Gabriel Hanotaux erfolgreich um die Pflege
der Beziehungen zu Lateinamerika bemüht.47 Das spiegelte sich in den vielen
42 So die mexikanische Zeitung El Imparcial, die ihre Spalten allen frei zur Verfügung
stellen wollte, die überprüfbare Nachrichten vom Kriegsgeschehen hätten. Notiz der
Hg., in: El Imparcial (Mexiko), 9. 8. 1914, S. 1.
43 Verdades y mentiras, in: El Nacional (Mexiko), 10. 5. 1916, S. 4.
44 La explotaci
n comercial de la guerra, in: Zig-Zag (Santiago de Chile), 3. 7. 1915, o. S.
45 Julio Castellanos, Las consecuencias de la guerra, in: Caras y Caretas (Buenos Aires),
10. 10. 1914, o. S.
46 NA, RG 63, Committee on Public Information, Entry 132, Box 4, South America and the
War, 1918, S. 1.
47 Olivier Compagnon, 1914 – 1918. The Death Throes of Civilization. The Elites of Latin
America Face the Great War, in: Jenny MacLeod u. Pierre Purseigle (Hg.), Uncovered
Fields. Perspectives in First World War Studies, Leiden 2004, S. 281. Compagnon betont
in diesem Aufsatz sehr stark die Frankophilie der lateinamerikanischen Eliten und
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Stefan Rinke
Appellen zur Solidarität mit Frankreich wider, die von mehr oder weniger
bekannten Intellektuellen nun veröffentlich wurden, wobei sie sich häufig auf
die Gemeinsamkeit im Geist der race latine, der „lateinischen Rasse“
beriefen.48 Den anderen Alliierten gegenüber blieben die Aussagen demgegenüber reserviert. Insbesondere Russland stand man in Lateinamerika
kritisch gegenüber.49
Das Deutsche Reich konnte daraus aber keinen Profit schlagen. Hatten die
Frankophilen schon von Kriegsbeginn an die Autokratie und den Militarismus
der Deutschen scharf attackiert, so wurden diese Stimmen in dem Moment
glaubwürdig, als Nachrichten über die Kriegsverbrechen in Belgien an die
Öffentlichkeit kamen.50 Ohnehin wurde der Überfall auf ein neutrales Land
allerorten verurteilt, die Vernichtung von Kulturgütern und die Übergriffe auf
Zivilisten aber vertieften das Bild von der preußischen Brutalität. Dass diese
nicht nur eine Bedrohung für Europa darstellte, machten Kommentatoren klar,
die auf die sogenannte „deutsche Gefahr“ des Pangermanismus rekurrierten,
die vor dem Krieg vermeintlich Südbrasilien bedroht habe und nun sogar noch
weiter ausgreifen könnte, wenn man ihr nicht Einhalt gebieten könne.51 Die
Folge war die im Lauf der Kriegsjahre zunehmende Verbreitung von Bildern
des „hässlichen Deutschen“. Sie dokumentierten eine antideutsche Einstellung, die sich einerseits aus der aktiven Propaganda der Alliierten speiste, aber
andererseits auch das Gerechtigkeitsempfinden vieler Lateinamerikaner widerspiegelte, das mit dem uneingeschränkten deutschen U-Bootkrieg eine
weitere Provokation erlebte.52
Ein Gegengewicht boten einzig die Anstrengungen der in Lateinamerika
lebenden Deutschen und Deutschstämmigen. Sie waren ihrerseits, wenn auch
mit eindeutig geringerem Erfolg, darum bemüht, die Alliierten in Wort und
Bild zu verunglimpfen. Am stärksten waren diese Bemühungen in Buenos
Aires, wo mit La Unin eine spanischsprachige Tageszeitung extra zu diesem
48
49
50
51
52
blendet dabei die Stimmen aus, die sich entweder abwägend oder ausgesprochen
germanophil äußerten.
Beispiele dafür sind etwa: Eduardo Carrasquilla Mallarino, Canto de Guerra, in:
Nosotros (Buenos Aires) 8. 1914, S. 58 – 64; Contra o Germanismo. Carta a Certo Poeta,
in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro), 28. 2. 1915, S. 2.
Juan P. Ramos, Alemania ante la guerra, in: Revista Argentina de Ciencias Polticas 9.
1914 / 1915, S. 443. A miss¼o da Russia prophetizada por Euclides da Cunha, in: A
Repfflblica (Curitiba), 5. 8. 1914, S. 1.
Em torno da Guerra. A historia epica dos Belgas, in: Jornal do Commercio (Rio de
Janeiro), 2. 10. 1914, S. 3. ¡Bravos belgas!, in: El Abogado Cristiano Ilustrado (Mexiko),
15. 10. 1914, S. 2. Siehe auch John Horne u. Alan Kramer, German Atrocities, 1914. A
History of Denial, New Haven 2001, S. 204 – 212.
Pangermanismo, in: La Prensa (Lima), 1. 9. 1918, S. 3.
Der Einband der „Blutchroniken“ des kubanischen Publizisten Fernando de Soignie
(Cr
nicas de sangre, Havanna 1918) ist ein besonders krasses Beispiel.
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Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg
301
Zweck eingerichtet wurde. Einzelne lateinamerikanische Intellektuelle wie
insbesondere der Argentinier Ernesto Quesada verteidigten ebenfalls die
deutsche Haltung.53 Dabei verwendeten sie Bilder, deren ständige Wiederholung und Verwendung sogar in der Produktwerbung darauf schließen lassen,
dass es sich um Stereotypen handelte, die über das klassische Lesepublikum
hinaus verstanden wurden.
III. Die Neubewertung des Eigenen
Das war besonders wichtig, weil nationalistische Bewegungen in Lateinamerika an die negativen Wahrnehmungen Europas anschließen konnten. Der
europäische „Verrat“ an der Zivilisation wog schwer. Lateinamerikanische
Oligarchien hatten sich im 19. Jahrhundert mit dieser Zivilisation identifiziert
und die Imitation europäischer Vorbilder zum Ziel von Entwicklung erklärt.
Das ging so weit, dass manche gar einen Bevölkerungsaustausch durch
forcierte Einwanderung propagierten. Doch die Entwicklungsversprechen
konnten nicht eingelöst werden. Selbst nach einhundert Jahren Unabhängigkeit war Lateinamerika nur oberflächlich in der europäischen Moderne
angekommen. Daher entzündete sich bereits um die Jahrhundertwende die
Kritik an den einseitig auf Europa ausgerichteten Entwicklungsvorstellungen.
Intellektuelle wie der Kubaner Mart oder der Uruguayer Rod
, Jos Vasconcelos und Antonio Caso in Mexiko, Francisco Garca Calder
n in Peru,
Raimundo de Farias Brito in Brasilien und Tancredo Pinochet in Chile nannten
bestimmte Fehlentwicklungen beim Namen und unterbreiteten aus unterschiedlichen Perspektiven Gegenvorschläge. Ihre Alternativen sahen Lateinamerika einerseits als Erfüllung Europas, sozusagen als einen besseren,
idealistischen Teil des Westens. Andererseits sahen sie die Notwendigkeit des
Strebens nach Authentizität und Souveränität beziehungsweise nach vollständiger nationaler Souveränität und Gleichberechtigung im internationalen
System.54
Schnell wurden diese Ideen zum Allgemeingut einer wachsenden Zahl von
lateinamerikanischen Reformern. Neu war nun aber die Breitenwirkung und
Dynamik, die diese Vorstellungen im Klima des Ersten Weltkriegs durch den
äußeren und inneren Druck gewannen. Mit der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage wich die Katastrophenstimmung vom August 1914 einer nüchterneren Betrachtungsweise. Naheliegend war der Gedanke, durch den Krieg
die eigene wirtschaftliche Situation zu verändern, um sich aus der Abhängigkeit von den europäischen Märkten zu lösen. Bereits im Oktober 1914
veranstaltete die argentinische Kulturzeitschrift Nosotros eine Umfrage unter
53 Ernesto Quesada, El „peligro alemn“ en Sud Amrica, in: Revista Argentina de Ciencias
Polticas 9. 1914 / 1915, S. 387 – 407.
54 Stefan Rinke, Geschichte Lateinamerikas, München 2010, S. 84 – 86.
302
Stefan Rinke
Intellektuellen mit der Frage, was die Auswirkungen des Weltkriegs für die
Menschheit und für Lateinamerika im Besonderen sein werden. Darauf
antwortete der Soziologe Augusto Bunge, dass Argentinien nun die Chance
habe, vor allem die enge Bindung an England und an ausländische Monopole
zu lösen. Andere Stimmen, wie die des italienischstämmigen Zoologen
Clemente Onelli, bestätigen dies. Der Weltkrieg könne, so Onelli, eine
Lehrstunde für das Land werden, um sich auf sich selbst zu besinnen.55 Die
Forderung, es den europäischen Mächten gleichzutun und den Handelsaustausch mit den regionalen Nachbarn zu intensivieren, ließ sich aufgrund der
ökonomischen Zwänge aber nicht immer umsetzen.56
Vor allem in Mexiko wies man darauf hin, dass die Gewaltausbrüche im so
bewunderten Europa denen in der eigenen Region nicht nur in nichts
nachstünden, sondern diese sogar noch überträfen. Mit feiner Ironie schrieb
die mexikanische Zeitung El Demcrata, dass man, Gott sei Dank, in
Lateinamerika noch nicht so weit entwickelt sei wie in Europa. Daher sei das
Blutvergießen im mexikanischen Bürgerkrieg im Vergleich zum Horror des
Kriegs in Europa auch überschaubar.57 Noch kurz vor Kriegsausbruch hatte
der Argentinier Leopoldo Lugones in einem Artikel, der dann erst Anfang
August in Buenos Aires erschien, aus Paris berichtet:
Wie kann es Europa seltsam erscheinen, dass Mexiko nicht alle seine Indios in 100 Jahren
Unabhängigkeit zivilisiert hat, wenn die albanische oder marokkanische Barbarei sich seit
grauer Vorzeit mitten in Europa halten konnte? Und außerdem: was soll es uns kümmern, ob
das Europa seltsam erscheint oder nicht? Wir sind ganz allein die Herren unseres Schicksals
[…]. Die Neue Welt hat eine neue Zivilisation zur Grundlage und sie hat damit bereits
begonnen.58
In vielen Ländern der Region kam es zu einer umfassenden Politisierung durch
den Krieg. Kämpfe zwischen Anhängern der Alliierten und der Mittelmächte
gab es insbesondere dort, wo in größerem Umfang Einwanderer aus den
kriegführenden Staaten lebten. 1914 eilten etwa in Chile viele Deutschstämmige, aber auch Anglo-Chilenen, nach Europa um mitzukämpfen. In Hafenstädten wie Buenos Aires kam es zu Schlägereien zwischen den nationalistisch
aufgeheizten Gruppierungen, die in Demonstrationszügen mit ihren Nationalflaggen in der Hand und patriotischen Liedern auf den Lippen durch die
Straßen zogen. Der Konflikt forderte zu einer Parteinahme geradezu heraus
und es schien unmöglich, einfach neutral und unbeteiligt zu bleiben. Die neu
gegründeten proalliierten Verbände wie die im März 1915 erstmals zusammengerufene Liga pelos Alliados unter Rui Barbosa in Rio de Janeiro und die
55
56
57
58
Nuestra tercera encuesta, in: Nosotros (Buenos Aires) 8. 1914, S. 144 u. S. 169.
Ruptura de la solidaridad econ
mica, in: La Prensa (Buenos Aires), 5. 8. 1914, S. 3.
La guerra de Europea y nuestra revoluci
n, in: El Dem
crata (Mexiko), 25. 9. 1914, S. 2.
Leopoldo Lugones, La viga en el ojo (Paris, Juli 1914), in: La Naci
n (Buenos Aires),
10. 8. 1914, S. 3.
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Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg
303
Verbände der in Lateinamerika lebenden Deutschen und Deutschstämmigen
lieferten sich auch in der Folgezeit teils heftige verbale Auseinandersetzungen.59
Allerdings beschränkten sich die Konfrontationen keineswegs nur auf Angehörige nationaler Minderheiten. Nach dem Kriegseintritt der lateinamerikanischen Staaten 1917 steigerten sich diese Konfrontationen aufgrund des
deutschen U-Boot-Kriegs und im Zusammenhang mit der Propagandaoffensive der Alliierten. Die Mobilisierung der Massen vor allem in den Städten
nahm ungekannte Ausmaße an und gewaltsame Übergriffe auf Einrichtungen
der deutschen Minderheiten häuften sich. Insbesondere in Südbrasilien
machte sich die Fremdenfeindlichkeit in demonstrativen Gewaltakten im
öffentlichen Raum Luft, die von den Autoritäten geduldet wurden. Dabei
handelte es sich anfangs oft um spontane Protestbewegungen zur Wiederherstellung der nationalen Würde und Souveränität. Die Solidarisierung mit der
Sache der Alliierten, deren Propaganda den Krieg als Kampf der Demokratien
gegen das autokratische Deutschland zu präsentieren wusste, war ebenfalls ein
wichtiges Motiv.60
Insgesamt stellte der Krieg die Hilflosigkeit der regierenden Oligarchien
angesichts der Abhängigkeit vom Ausland und der sozialen Probleme im
Innern zur Schau und trug damit zum weiteren Gesichtsverlust dieser Schicht
bei. Daher war es kein Wunder, dass die reformorientierten Kräfte Lateinamerikas unter den spezifischen Bedingungen des Kriegs vielerorts ihre
Aktivitäten intensivierten. Insbesondere die akademisch gebildeten städtischen Mittelschichten traten mit dem Anspruch an, im Namen der Nation
gesellschaftliche Reformen voranzutreiben.61 Manche organisierten sich in
neuen nationalistischen Parteien. Andere engagierten sich in Gruppierungen,
die zum Beispiel für die Rechte der indigenen Bevölkerung oder der Arbeiter
eintraten. Meist handelte es sich um Aktionsbündnisse oder Bewegungen, bei
denen sich nationalistische Überzeugungen und Reformentwürfe mit dem
Anspruch der Modernisierung paarten.
Auch die Frauenrechtsbewegungen gewannen in diesem Kontext an Fahrt und
brachten ihre Forderungen nachdrücklicher zur Geltung.62 Das konnten sie
unter anderem deshalb, weil das Bild der Frau im Kontext des Kriegs eine neue
Dimension gewann. Obwohl selbst die kriegführenden Staaten Lateinamerikas
in der Regel nur indirekt durch Spenden und Nachschubsicherung am Krieg
beteiligt waren, war die Repräsentation des eigenen Beitrags zum Krieg
wichtig, leitete sich doch ein neues Selbstbewusstsein daraus ab. Da man auf
59 Liga pelos Alliados, in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro), 18. 3. 1915, S. 3.
60 Für Brasilien dazu im Detail Luebke, Germans in Brazil, Kap. 5 u. 7.
61 Dies hat der Autor am Beispiel Chiles untersucht: Stefan Rinke, Cultura de masas,
reforma y nacionalismo en Chile 1910 – 1931, Santiago de Chile 2002.
62 Asunci
n Lavrin, Women, Feminism, and Social Change in Argentina, Chile, and
Uruguay, 1890 – 1940, Lincoln, NE 1995, S. 267.
304
Stefan Rinke
das klassische Bild des Mannes als Krieger nicht zurückgreifen konnte, wurden
häufig Bilder von militarisierten Frauen zum Symbol des Kriegsbeitrags der
eigenen Nation verwendet. Wiederholt zeigten sie die aufopferungsvolle weiße
Frau in allegorischer Form, die im Roten Kreuz ihren Dienst tat oder sogar in
soldatischer Pose, die Nationalflagge schwenkend, als Symbol einer idealisierten, ethnisch einheitlichen Nation vorgeführt wurde.63
Die liberalen Oligarchien behielten jedoch die symbolische Mobilisierung
nicht mehr unter Kontrolle. Das galt nicht nur für die Frauenrechtsgruppen,
die in vielen Ländern der Region zwischen 1914 und 1918 rege Aktivitäten
entfalteten. Im Kontext des Kriegs brachen sich die unterschiedlichsten
gesellschaftlichen Interessen und sozialen Bewegungen Bahn und trugen ihre
Forderungen zunehmend in den öffentlichen Raum. Deutlich werden dabei
sowohl die Interaktionen mit äußeren Einflüssen als auch die transnationalen
Verflechtungen. Bekannt ist der revolutionäre Nationalismus Mexikos, der sich
in der Verfassung von 1917 mit ihren Bestimmungen zur Nationalisierung der
Bodenschätze aber auch in den Ansätzen zur Schaffung eines lateinamerikanischen Blocks der Neutralen niederschlug.64
Wichtig ist ferner die organisierte Arbeiterschaft, denn der Erste Weltkrieg
brachte in ganz Lateinamerika eine starke Zunahme des Protestpotenzials. Bill
Albert, dessen Wirtschaftsgeschichte einiger südamerikanischer Länder im
Ersten Weltkrieg ein Standardwerk bleibt, schrieb dazu:
[E]ven a small sample of the extensive workers’ press shows that the course of events in
Russia, as well as in Europe and Mexico was followed in great detail and with much interested
comment. At May Day rallies the Russian workers’ victory was recounted and praised.65
In der Tat gingen Arbeiter, angespornt durch die Russische Revolution ab 1917,
in den Städten und auf dem Land vielerorts zu einer kämpferischen Vertretung
ihrer Interessen über. Vielerorts flammten Streiks auf, wobei es sich nicht nur
um die Reaktion auf Hungerkrisen, sondern auch um politische Streiks mit
dem Ziel der Verkürzung der Arbeitszeit oder des Schutzes des Streikrechts
handelte. Die Streiks dokumentierten das Wachstum der Arbeiterschaft im
Zuge der Verstädterung sowie das Aufbrechen der Herrschaft durch die
europäisierte Oligarchie.66
63 K. Lynn Stoner, Cuban Interference with the United States, in: Hans-Joachim König u.
Stefan Rinke (Hg.), North Americanization of Latin America? Culture, Gender, and
Nation in the Americas, Stuttgart 2004, S. 144 – 146.
64 Pablo Yankelevich, La revoluci
n mexicana en America Latina. Intereses polticos e
itinerarios intelectuales, Mexiko-Stadt 2003, S. 11 – 22. Jean Meyer, La marca del
nacionalismo, Mexiko-Stadt 2010, S. 13 – 46.
65 Albert, South America and the First World War, S. 237.
66 Die Streikwelle begann in Argentinien Ende 1916 und verstärkte sich 1917 in Peru, Chile,
Brasilien, Kolumbien, Ecuador, Bolivien, Uruguay und Kuba. Siehe dazu Hobart A.
Spalding, Organized Labor in Latin America, London 1977. In Peru kam es zu
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Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg
305
Bei aller Heterogenität der Bewegungen, die von anarchistischen Gruppierungen über indigenistische oder hispanistische Kulturvereinigungen bis hin
zu antisemitischen und fremdenfeindlichen Kampfverbänden reichten, ist ein
verbindendes Merkmal erkennbar : die Betonung der Jugend. Entscheidend
war dabei die Bezugnahme auf das Bild des alten und verbrauchten Europa, aus
dem sich das Gegenbild der Jugend Amerikas ableiten ließ. Dies blieb
keineswegs auf die symbolische Ebene beschränkt. Das Selbstbewusstsein der
lateinamerikanischen Jugend drückte sich direkt in der transnationalen
Studentenbewegung aus, die sich seit Anfang 1918 vom argentinischen
C
rdoba aus nach Peru und Chile verbreitete. Ihr ging es neben der radikalen
Reform des Studienbetriebs um einen nationalen Neuanfang. Die Forderungen der Studenten waren untrennbar verbunden mit der wenn auch nur
mittelbaren Erfahrung des Krieges. So berichtete der argentinische Studentenführer Anbal Ponce zehn Jahre nach C
rdoba rückblickend einerseits von
der prägenden Erfahrung des „Horrors der europäischen Tragödie“. Andererseits bezeichnete er den Krieg aber auch als „großen Befreier“, der seine
Generation gelehrt habe, der Vergangenheit zu misstrauen.67
Mit dieser Absage an eine von europäischen Konventionen und Modellen
geprägte Vergangenheit, korrespondierte die Überzeugung von der eigenen
Zukunftsfähigkeit. Sie wurde mit einer Sprache beschworen, die mit Metaphern von der Opferbereitschaft der Jugend durchsetzt war und sich eng an die
Rhetorik der Kriegführenden anlehnte. Im Gründungsmanifest der Studentenbewegung von 1918 hieß es: „Die Jugend ist immer bereit, sich aufzuopfern.
Sie ist uneigennützig, sie ist rein. Sie hat noch keine Zeit gehabt sich zu
infizieren.“68 In der Tat waren Anhänger dieser Gruppierungen bereit, ihre
Visionen in Straßenkämpfen, die im letzten Kriegsjahr überall zunahmen,
gewaltsam durchzusetzen. Angesichts dieser Entwicklungen trat der fiktive
Charakter der Vorstellung von der monolithischen Einheit der Nation immer
deutlicher zutage.
Als im November 1918 die Nachricht vom Waffenstillstand in Europa in
Lateinamerika bekannt wurde, gingen allerorten Menschen auf die Straßen,
um das Ende des Völkermordens zu feiern.69 Die Bedeutung, die sie diesem
Ereignis beimaßen, und die Handlungsorientierungen, die sie daraus ableiteten, waren allerdings höchst unterschiedlich. In der Öffentlichkeit vor allem
Aufständen der indigenen Landarbeiter v. a. zwischen 1918 und 1923. Siehe dazu Jos
Deustua u. Jos Luis Rnique, Intelectuales, indigenismo y descentralismo en el Perffl,
1897 – 1931, Cuzco 1984, S. 90 – 98.
67 Anbal Ponce, Hacia la democracia proletaria [1927], in: Juan Carlos Portentario (Hg.),
Estudiantes y poltica en Amrica Latina, 1918 – 1938, Mexiko-Stadt 1978, S. 367.
68 Das Manifest von C
rdoba [1918], in: Rama, Der lange Kampf, S. 175.
69 A victoria dos Alliados. ManifestaÅes populares. As acclamaÅes Belgica foram
delirantes, in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro), 16. 11. 1918, S. 4. Jfflbilo popular,
in: La Prensa (Buenos Aires), 12. 11. 1918, S. 9.
306
Stefan Rinke
der kriegführenden Länder wie Brasilien dominierten die Stimmen, die den
Sieg der „Zivilisation gegen den Pangermanismus“ und der Demokratie gegen
die Autokratie sowie die Zerstörung des Mythos von den unbesiegbaren
Preußen bejubelten.70 Gleichzeitig meldeten selbst die Neutralen nun Forderungen zur gleichberechtigten Beteiligung an der internationalen Nachkriegsordnung an.71 Auf die Euphorie und die großen Hoffnungen sollte für
Lateinamerika im Kontext der Gründung des Völkerbunds jedoch schon bald
die Ernüchterung folgen, denn eine echte Gleichstellung hatten die europäischen Großmächte nicht einmal für ihre lateinamerikanischen Verbündeten
vorgesehen.72
Doch nicht nur auf der diplomatischen, sondern eben auch auf vielen anderen
Ebenen hatte der Krieg dazu beigetragen, Hoffnungen auf Wandel zu wecken
und die Forderungen danach zu radikalisieren. Insbesondere die nationalistischen Bewegungen erhielten in vielen Ländern Auftrieb. Außerdem bewiesen
die Ereignisse der „tragischen Woche” in Argentinien und die Unruhen in
vielen weiteren Staaten zu Beginn des Jahres 1919, dass der Erste Weltkrieg ein
Erbe der Gewalt hinterlassen hatte, dem man sich auch in Lateinamerika nicht
entziehen konnte.73 Zweifellos lag der marxistische Intellektuelle Jos Carlos
Maritegui aus Peru richtig, wenn er 1925 rückblickend schrieb:
Der Weltkrieg hat nicht nur die Wirtschaft und die Politik des Westens verändert und
erschüttert. Er hat auch sein Denken und seinen Geist verändert und erschüttert. Die
wirtschaftlichen Auswirkungen […] sind nicht mehr deutlich oder wahrnehmbar als die
geistigen und psychologischen Konsequenzen. Die Politiker und die Staatsmänner werden
vielleicht durch Experimente eine Formel oder Methode finden, um ersteres in den Griff zu
bekommen, aber sie werden sicherlich keine Theorie und Praxis finden, die ausreichend
wäre, um letzteres Problem zu lösen.74
IV. Fazit
Mit sicherem Gespür für die globale Tragweite des Geschehens hatten viele
Beobachter in Lateinamerika die Bedeutung des Kriegsausbruchs für die eigene
Wirklichkeit früh erkannt. Die Erkenntnis blieb nicht auf die Oberschichten und
politisch interessierten Gruppen beschränkt, sondern verbreitete sich aufgrund
der bald einsetzenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme in allen Schichten.
70 Victor Viana, A derrocada allem¼, in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro),
12. 11. 1918, S. 3. A derrota da Allemanha, in: ebd., S. 5.
71 Los derechos de los neutrales, in: La Uni
n (Valparaso), 4. 1. 1919, S. 1.
72 Für diese Zusammenhänge siehe Thomas Fischer, Die Souveränität der Schwachen.
Lateinamerika und der Völkerbund, 1920 – 1936, Stuttgart 2012.
73 Edgardo Bilsky, La semana trgica, Buenos Aires 2011, S. 99 – 112.
74 Jos Carlos Maritegui, La emoci
n de nuestro tiempo [1925], in: Amauta 31. 1930,
S. 4 f. Zit. n. Albert, South America and the First World War, S. 314.
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Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg
307
Zwar hatte es in der Region auch auf dem Höhepunkt der Weltmarktintegration im
19. Jahrhundert immer wieder Krisen gegeben. Nur unterschied sich die durch
den Ersten Weltkrieg ausgelöste Krise in der Dauer, Intensität, in der die gesamte
Region betreffenden Dimension sowie in den Reaktionen darauf von allen
vorangegangenen.
In den neuen Bildern von Europa und vom Krieg spiegelte sich die Unzufriedenheit über die bisherige einseitige Ausrichtung auf europäische Entwicklungsmodelle ebenso wider wie der Schrecken vor dem Rückfall in die Barbarei. Die Bilder
blieben bestimmt von der Gegenüberstellung des „Wir und Europa“. Nur stand
die Wertung des Vergleichs nun unter umgekehrten Vorzeichen. Der Drang zur
Abgrenzung und zur Verdeutlichung der Differenz, der bereits seit der Jahrhundertwende in Ansätzen erkennbar war, rückte dadurch stärker in den Mittelpunkt.
Sowohl in wirtschaftlicher als auch in kultureller Hinsicht gab der Krieg Anlass zu
emanzipatorischen Bestrebungen, die sich während des Konflikts oder unmittelbar nach Kriegsende bemerkbar machten. Das soll nicht heißen, dass diese
Prozesse erst durch den Krieg ausgelöst wurden. Aber der Erste Weltkrieg wirkte
als Katalysator. Seit längerem bestehende soziale Konfliktpotenziale verschärften
sich allerorten. Die Probleme beziehungsweise die Wahrnehmung ihrer Dringlichkeit spitzten sich während des Kriegs zu und wurden in einer sich
modernisierenden Presselandschaft kontrovers diskutiert. Die Diskussionen
mündeten in neue soziale Bewegungen. Ihre Ausrichtung war höchst unterschiedlich, doch ähnelten sie sich in zwei Punkten: Erstens handelte es sich um
transnationale Bewegungen, die nicht auf ein oder wenige Länder beschränkt
blieben, sondern an vielen Orten wirkten und miteinander verflochten waren.
Zweitens beanspruchten sie für sich, in Abgrenzung vom alten Europa und den in
Lateinamerika herrschenden Oligarchien die Jugend zu repräsentieren und damit
auch die Zukunft zu bestimmen. Nur, wie diese Zukunft ausgestaltet sein sollte
und auf welchen Wegen man dorthin kommen wollte, darüber gab es unterschiedliche Ansichten. Dass die Antworten auf die Frage nach der weiteren
Entwicklung Lateinamerikas in zunehmend heftigeren Kämpfen gesucht wurden,
war auch eine Erbschaft des Ersten Weltkriegs, der als „Drama der gesamten
Menschheit“ auch vor Lateinamerika nicht Halt gemacht hatte.
Prof. Dr. Stefan Rinke, Freie Universität Berlin, Lateinamerika-Institut,
Rüdesheimer Straße 54 – 56, D-14197 Berlin
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Aus dem Inhalt von Heft 3-2014
Lebensraum Meer
Herausgegeben von Christian Kehrt und Franziska Torma
Christian Kehrt
„Dem Krill auf der Spur“. Antarktisches Wissensregime und globale
Ressourcenkonflikte in den 1970er Jahren
Ariane Tanner
Utopien aus Biomasse. Plankton als wissenschaftliches und gesellschaftspolitisches
Projektionsobjekt
Franziska Torma
Lebende Ressourcen und symbolisches Kapital. Westdeutsche Fischereiexperten am
Golf von Thailand (1959–1974)
Sabine Höhler
Die Weltmeere. Science und Fiction des Unerschöpflichen in Zeiten neuer
Wachstumsgrenzen
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