Algebra I - Uni Bielefeld

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Algebra I
Prof. Dr. M. Rost
Übungen — Blatt 5 (WS 2015/16)1
Abgabetermin: Donnerstag, 26. November
http://www.math.uni-bielefeld.de/~rost/a1
Erinnerungen an die Vorlesung:
Im Folgenden werden manchmal einige Definitionen und Bemerkungen aus der
Vorlesung zusammengefaßt. Man kann die meisten Dinge auch in Büchern oder
auf den auf der Homepage angegebenen Links nachlesen.
Anmerkungen und Hinweise sind ausdrücklich erwünscht (per Email oder in der
Vorlesung).
Freie Gruppen
Zuerst die konkrete Definition (die Notationen sind gegenüber der Vorlesung
leicht verändert):
Definition 1. Es sei S eine Menge. Die freie Gruppe F (S) auf S ist folgendermaßen definiert.
Als Menge besteht F (S) aus den Folgen (den sogenannten “gekürzten Worten”
in den s ∈ S)
sn1 1 sn2 2 · · · snr r
(r ≥ 0, si 6= si+1 , ni ∈ Z \ {0})
Die Gruppen-Verknüpfung besteht aus der Nebeneinanderstellung (juxtaposition) zweier gekürzter Worte und der Reduktion auf ein gekürztes Wort mittels
der Rechen-Regeln in einer Gruppe.
Bemerkungen
• Ein gekürztes Wort ist genaugenommen zunächst nur eine Folge
(s1 , n1 ), (s2 , n2 ), . . . , (sr , nr )
von Elementen in S × Z mit si 6= si+1 , ni 6= 0. Die Schreibweise
sn1 1 sn2 2 · · · snr r
für solche Folgen ist der geplanten Verwendung angepaßt.
1
Fassung vom 20. November
2
• Für die Reduktion der Nebeneinanderstellung zweier gekürzter Worte habe ich in der Vorlesung ein explizites Rezept angegeben. Somit ist eine
Verknüpfungs-Abbildung F (S) × F (S) → F (S) erklärt. Damit F (S) als
Gruppe etabliert ist, ist die Assoziativität dieser Verknüpfung nachzuprüfen (was ich unterlassen will).
• Im Fall r = 0 ergibt sich das leere Wort. Dies ist das neutrale Element
in F (S).
• Im Fall r = 1, n1 = 1 erhält man die Elemente
s = s1
(s ∈ S)
Auf diese Weise wird S als Teilmenge von F (S) aufgefaßt.
• Die Elemente s ∈ S erzeugen die Gruppe F (S). Jedes Wort
sn1 1 sn2 2 · · · snr r
(ohne spezielle Bedingungen) läßt sich mittels der Rechen-Regeln in einer
Gruppe als gekürztes Wort darstellen.
Beispiele
• Die freie Gruppe auf der leeren Menge ist die triviale Gruppe: F (∅) =
{1}.
• Besteht S nur einem Element, S = {s}, so besteht F (S) aus den Elementen
sn
(n ∈ Z)
(der Fall n = 0 ergibt das leere Wort). Diese Gruppe ist eine unendlich
zyklische Gruppe (isomorph zu Z).
• Besteht S nur aus endlich vielen Elementen, etwa S = {s1 , . . . , sn }, so
schreibt man gerne
F (S) = Fn = hs1 , . . . , sn |i
• Beispielsweise ist
F2 = ha, b |i
die freie Gruppe in a, b.
• Für die Gruppe F2 hatte ich in der Vorlesung einen Graphen Γ beschrieben
auf dem die Gruppe F2 operiert. (Es handelt sich dabei um den CaleyGraphen von F2 , siehe Links.)
3
Lemma 2 (Universelle Eigenschaft der freien Gruppe). Es sei G eine Gruppe,
S eine Menge und
ϕ: S → G
eine Abbildung. Dann gibt es genau einen Gruppen-Homomorphismus
Φ : F (S) → G
mit
Φ(s) = ϕ(s)
Beweis. Man definiert Φ als Abbildung durch
Φ(sn1 1 sn2 2 · · · snr r ) = ϕ(s1 )n1 ϕ(s1 )n2 · · · ϕ(s1 )nr
Es ist evident, daß Φ ein Gruppen-Homomorphismus ist.
Die Eindeutigkeit von Φ folgt aus der Bedingung Φ(s) = ϕ(s) und der Tatsache,
daß die Elemente s ∈ S die Gruppe F (S) erzeugen.
Definition 3 (freies Erzeugendensystem). Es sei G eine Gruppe und S ⊂ G eine
Teilmenge, die G erzeugt (jedes Element von G ist also ein Wort in den s ∈ S).
S heißt freies Erzeugendensystem von G falls der durch die Inklusion
ϕ: S → G
ϕ(s) = s
nach Lemma 2 definierte Homomorphismus
Φ : F (S) → G
ein Isomorphismus ist.
Ein Erzeugendensystem ist also frei genau dann wenn sich jedes Element von G
sich auf genau eine Weise als gekürztes Wort in den s ∈ S darstellen läßt.
Definition 4. Eine Gruppe heißt frei wenn sie ein freies Erzeugendsystem hat.
Wie Basen von Vektorräumen sind freie Erzeugenden-Systeme nicht eindeutig.
Die Gruppe Z etwa hat +1 und −1 jeweils als freie Erzeuger. Die Gruppe
F2 = ha, b |i
hat a, b aber auch a, a5 b oder auch a2 b, ab als freie Erzeugendensysteme.
Als Beispiel einer Anwendung der universellen Eigenschaft (Lemma 2) soll die
letzte Aussage bewiesen werden:
Lemma 5. Der Homomorphismus
f : hu, v |i → ha, b |i
f (u) = a2 b
f (v) = ab
ist ein Isomorphismus.
4
Beweis. Zunächst sei bemerkt, daß bereits die Definition von f als Homomorphismus auf hu, v |i durch Angabe auf den Erzeugern u, v die universelle Eigenschaft
(Lemma 2) benutzt.
Man definiert nun eine inverse Abbildung auf ähnliche Weise. Dazu sei g der
Homomorphismus
g : ha, b |i → hu, v |i
g(a) = uv −1
g(b) = vu−1v
Man rechnet auf den jeweiligen Erzeugern nach, daß f und g invers zueinander
sind.
Man kann zeigen, daß die Mächtigkeit eines freien Erzeugenden-Systems einer
Gruppe eindeutig bestimmt ist. Insbesondere gilt
Fn 6≃ Fm
(n 6= m)
Der folgende Satz sei hier ohne Beweis mitgeteilt (er ist nicht ganz offensichtlich).
Satz 6. Jede Untergruppe einer freien Gruppe ist frei.
Beispiel (ohne Beweis): In der freien Gruppe F2 = ha, b |i wird die Untergruppe U
erzeugt von a2 , ab, b2 von diesen Elementen sogar frei erzeugt (es gilt U ≃ F3 ).
Erzeugende und Relationen
Vorbemerkung:
Definition 7. Es sei G ein Gruppe und A ⊂ G eine Teilmenge. Der kleinste
Normalteiler von G der A enthält, wird mit hAiN bezeichnet (nicht zu verwechseln
mit dem Normalisator).
Die Gruppe hAiN enthält nach Definition die Teilmenge A und wegen der Normalteiler-Eigenschaft auch alle konjugierten Mengen gAg −1. Sie enthält also die Teilmenge
[
A′ =
gAg −1 ⊂ G
g∈G
Wegen
gA′g −1 = A′
(g ∈ G)
′
ist die von A erzeugte Untergruppe Normalteiler und damit hAiN . Anders gesagt:
Lemma 8. hAiN wird als Gruppe erzeugt von den Konjugierten der Elemente
aus A. Die Elemente von hAiN sind von der Form
g1 a1 g1−1g2 a2 g2−1 · · · gn an gn−1
(ai ∈ A, gi ∈ G)
5
Es sei nun
S = {s1 , . . . , sn }
und es sei
R = {r1 , . . . , rm } ⊂ F (S)
eine Teilmenge der von S erzeugten freien Gruppe.
Definition 9. Die Gruppe
h s1 , . . . , sn | r1 , . . . , rm i := F (S)/hRiN
heißt die Gruppe mit Erzeugern si und Relationen rj .
Diese Gruppe ist also die Faktorgruppe der freien Gruppe (ohne Relationen)
h s1 , . . . , sn | i modulo den Elementen rj (genauer: des von den rj erzeugten
Normalteilers).
(Die Endlichkeit von S und R ist für diese Konstruktion nicht wichtig. Ich habe
sie hier nur der Einfachheit halber angenommen.)
Es gilt die folgende universelle Eigenschaft. Sie ist eine Kombination der universellen Eigenschaften der freien Gruppe und der Faktorgruppe.
Wir denken uns ein Element r ∈ F (S) als ein Wort
r = r(s1 , . . . , sn ) = sn1 1 sn2 2 · · · snr r
in den si .
Lemma 10. Es sei G eine Gruppe und es seien
g1 , . . . , gn ∈ G
Elemente von G.
Es gibt genau dann einen Homomorphismus
Ψ : h s1 , . . . , sn | r1 , . . . , rm i → G
mit
Ψ(si ) = gi
wenn in G die Bedingungen
rj (g1 , . . . , gn ) = 1
(i = 1, . . . , n)
(j = 1, . . . , m)
gelten.
Beweis. Nach der universellen Eigenschaften der freien Gruppe gibt es einen Homomorphismus
Ψ ′ : h s1 , . . . , sn | i → G
mit
Ψ′ (si ) = gi
(i = 1, . . . , n)
6
Nach der universellen Eigenschaften der Faktorgruppe faktorisiert Ψ′ genau dann
über die gewünschte Abbildung Ψ wenn
Ψ′ hRiN = {1}
Dies ist gleichbedeutend mit
Ψ′ (rj ) = 1
Die Behauptung folgt aus
Ψ′ (rj ) = rj (g1 , . . . , gn )
Variante zur Notation: Man schreibt die Relationen oft in Gleichungsform. Statt
h s1 , . . . , sn | r1 , . . . , rm i
schreibt man etwa
h s1 , . . . , sn | r1 = · · · = rm = 1 i
Variationen davon sind
h a, b, c | c = aba−1 i = h a, b, c | aba−1 c−1 i
h a, b | a = a−1 , ab = ba i = h a, b | a2 , aba−1 b−1 i
etc.
Beispiele:
Die symmetrische Gruppe S3 : Wie in der Vorlesung besprochen, haben wir
den Homomorphismus
f3 : h s, t | s2 = t2 = (st)3 = 1 i → S3
s 7→ (12)
t 7→ (23)
Dies ist ein Isomorphismus (Beweis siehe unten).
Die symmetrische Gruppe Sn : Nach Blatt 4 (vor allem Aufgabe 2) erhalten
wir einen Homomorphismus
fn : h a1 , . . . , an−1 | a2i , (ai ai+1 )3 , (ai aj )2 (|i − j| > 1) i → Sn
ai 7→ ti = (i, i + 1)
Weil die ti die Gruppe Sn erzeugen, ist fn surjektiv. Man kann zeigen, daß fn ein
Isomorphismus ist. Siehe hierzu auch Blatt 4, Lemma 1.
Die Diedergruppe Dn : Hier gibt es den Isomorphismus
hn : h a, b | a2 = 1, bn = 1, aba−1 = b−1 i → Dn
(ohne Beweis).
7
Die Quaternionen-Gruppe Q8 : Hier gibt es den Isomorphismus
k : h a, b | a4 = 1, a2 = b2 = (ab)2 i → Q8
(siehe Aufgaben).
Die Gruppe SL2 (Z): Die ganzzahligen Matrizen
0 1
0 1
A=
,
B=
−1 0
−1 1
haben die Determinante 1, liegen also in SL2 (Z). Sie erfüllen die Relationen
−1 0
4
2
A = E4 , A =
= B3
0 −1
Nach Lemma 10 gibt es daher den Homomorphismus
h a, b | a4 = 1, a2 = b3 i → SL2 (Z)
a 7→ A
b 7→ B
Dieser Homomorphismus ist sogar ein Isomomorphismus (nicht einfach).
Zum Abschluß sollen explizit die Argumente zur Beschreibung der Gruppe S3 mit
Erzeugenden und Relationen wiederholt werden.
Lemma 11. Es gibt einen Homomorphismus
f3 : h s, t | s2 = t2 = (st)3 = 1 i → S3
s 7→ t1 = (12)
t 7→ t2 = (23)
und dieser ist ein Isomorphismus.
Beweis. Schritt 1: Existenz von f3 . Nach Lemma 10 sind die Relationen für s, t
für die Elemente t1 , t2 in S3 nachzurechnen:
t21 = t22 = (t1 t2 )3 = 1
Nun, dies rechnet man nach (die ti sind Transpositionen, t1 t2 = (123) ist ein
3-Zykel).
Schritt 2: f3 ist surjektiv. Dies folgt durch Inspektion in der Gruppe S3 . Man
findet, daß die Elemente
1, t1 , t2 , t1 t2 , t2 t1 , t1 t2 t1 = (31) = t2 t1 t2
genau die 6 Permutationen sind.
Schritt 3: f3 ist injektiv. Man versucht, die Elemente in
h s, t | s2 = t2 = (st)3 = 1 i
8
auf möglichst einfache Form zu bringen. Jedes Element ist ein Wort in s, t. Wegen
der Relationen s2 = 1 und t2 = 1 kann man annehmen, daß die Exponenten von
s und t alle 1 (oder 0) sind. Daher ist jedes Element von einer der 4 Formen
(st)n , (ts)n , s(ts)n , t(st)n
Die dritte Relation
1 = (st)3 = ststst = (sts)(tst)
schreibt man bequemerweise so (unter Verwendung von s2 = 1 und t2 = 1):
sts = tst
Damit kann man die 4 Typen reduzieren auf die Elemente
1, s, t, st, ts, sts = tst
Jedes Element ist also von dieser Form. Diese werden bijektiv auf die Elemente
von S3 abgebildet.
9
Aufgabe 1. Erinnerung: Q8 ist die Untergruppe von GL2 (C) erzeugt von den
Matrizen
i 0
0 −1
α=
β=
0 −i
1 0
Man zeige, daß einen Isomorphismus
k : h a, b | a4 = 1, a2 = b2 = (ab)2 i → Q8
gibt.
Aufgabe 2. Wir betrachten die Gruppe
H = h u, v, w | u2 = v 2 = w 2 = 1, uw = wu, (uv)3 = 1 = (vw)3 i
(a) Man zeige
(uwv)4 = 1
in H.
(b) Man zeige, daß die Elemente
uw, v(uw)v
in H miteinander kommutieren.
(c) Man gebe einen Epimorphismus
H → S3
an.
Anmerkung. Erinnert sei an den Epimorphismus
f4 : H → S4
u 7→ t1 = (12)
v 7→ t2 = (23)
w 7→ t3 = (34)
Dieser tritt in den Aufgaben nicht explizit auf, ist aber vielleicht zum Verständnis
hilfreich. (Sie dürfen nicht benutzen, daß f4 ein Isomorphismus ist. Die Aufgaben
sind vielmehr erste Schritte zum Beweis dazu.)
10
Aufgabe 3. Die sogenannte obere Halbebene ist die Menge
H = { z ∈ C | Im z > 0 }
der komplexen Zahlen mit positivem Imaginärteil.
Die Menge der nicht-rellen komplexen Zahlen ist die Vereinigung der oberen und
unteren Halbebene:
R \ C = H ∪ (−H)
Für eine reelle 2 × 2-Matrix
a b
A=
(ad − bc 6= 0)
c d
mit nicht verschwindender Determinante sei
fA : C \ R → C \ R
az + b
fA (z) =
cz + d
(Weil c, d reell sind, hat der Nenner nur reelle Nullstellen, die Funktion ist also
für alle nicht-reellen komplxen Zahlen definiert.)
(a) Man zeige: Ist det(A) > 0, so bildet fA die Halbebenen H, −H jeweils
in sich ab. Ist det(A) < 0, so werden die obere und untere Halbebene
vertauscht.
(b) Man zeige:
fAB = fA ◦ fB
Anmerkung. Man erhält so eine Operation von SL2 (R) auf der oberen Halbebene.
Aufgabe 4. Man zeige,
0
A=
−1
erzeugt wird.
daß die Gruppe GL2 (Z) von den Matrizen
1
0 1
0 1
,
B=
,
T =
0
−1 1
1 0
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