ÖKOLOGIE, NATUR- UND UMWELTSCHUTZ

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4. 2015
ZEITSCHRIFT FÜR
ÖKOLOGIE, NATUR- UND UMWELTSCHUTZ
ÖKO·L 37/4 (2015)
Naturkundliche Station der Stadt Linz
1
Liebe Leserin!
Lieber Leser!
Seit 2005 – also mittlerweile seit
10 Jahren – hat die Naturkundliche Station ihre Heimstätte
im Botanischen Garten. Mit der
Zusammenführung dieser beiden
Abteilungen im Zuge der damaligen Magistratsreform war nicht
nur ein Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung verbunden, sondern es ergab sich auch
eine sinnvolle Symbiose auf fachlicher Ebene: ökologische
und gärtnerische Kompetenz rückten zusammen und die
Möglichkeiten, Naturschutzanliegen einem breiten Publikum zu vermitteln, wurden deutlich verbessert.
INHALTSVERZEICHNIS
ÖKO•L - Jahrgang 37, Heft 4
Zeitschrift für Ökologie, Natur- und Umweltschutz
Hauptartikel
Libellen im
Botanischen Garten Linz
Gäste, Heimkehrer oder
doch nur Fremdlinge?
Exotische Gehölze in unseren Wäldern
Damit wünsche ich Ihnen eine besinnliche und (in Zeiten
wie diesen besonders wichtig!) FRIEDLICHE Weihnachtszeit und viel Glück und Gesundheit im Neuen Jahr!
Ihr
Dr. Friedrich Schwarz
(Abteilungsleiter Botanischer Garten
und
2 Naturkundliche Station)
I-IV
ÖKO•Li
Kinderseite und Poster
H. STEIN ER
Mit dem zu Ende gehenden Jahr rückt auch die Zeit der
Weihnachtsbäume immer näher. Vielleicht haben Sie
sich schon manchmal gefragt, welchen Baum Sie da
eigentlich erstehen, der dann festlich geschmückt im
Wohnzimmer steht? Prof. Michael Hohla, aufmerksamen
ÖKO.L-LeserInnen bestens bekannt für außergewöhnliche
botanische Themen, ist nicht nur diesen Saisonbäumen
nachgegangen, sondern generell den exotischen Gehölzen
in unserer Landschaft. Wobei er die gar nicht leicht zu
beantwortende Frage stellt: Handelt es sich um „Gäste,
Heimkehrer oder doch nur um Fremdlinge“?
Schließlich kommt der Wildbiologe und Geschäftsführer
des Oö. Landesjagdverbandes Mag. Christopher Böck zu
Wort, der uns eine Replik zum Artikel von Rudolf Schauberger über den Feldhasen im ÖKO.L 3-2015 geschickt
hat. Auch hier kann das Gleiche wie im Artikel von Steiner
gelten: manches scheint komplizierter zu sein, als dies bei
oberflächlicher Betrachtung den Anschein hat …
10
M. H O H LA
In der letzten ÖKO.L-Ausgabe des heurigen Jahres wollen
wir diesem kleinen Jubiläum in Form eines Artikels unseres Redakteurs und Libellenforschers Ing. Gerold Laister
Rechnung tragen. Seine Forschungsobjekte befinden sich
ja quasi „vor der Haustür“. Was liegt also näher, als der
Frage nachzugehen, welche Bedeutung der Botanische
Garten für diese Tiergruppe eigentlich hat? Das Ergebnis
kann sich durchaus sehen lassen: immerhin wurden 20
Arten, darunter einige Überraschungen, nachgewiesen.
Ebenfalls regelmäßiger ÖKO.L-Autor ist Dr. Helmut Steiner. Sein in Fachkreisen immer wieder für Diskussionen
sorgender Ansatz, welchen Einfluss Beutegreifer auf die
Population von Vogelarten haben, kommt auch in seinem
neuen Artikel über Spechte zum Ausdruck. Auf den
Punkt gebracht: über Sein oder Nichtsein von Tierarten
entscheidet nicht nur die Lebensraumqualität, sondern
auch der Sicherheitsaspekt, was so viel bedeutet, wie:
Wie hoch ist das „Risiko“, von Feinden erbeutet und
verspeist zu werden? Übrigens: den Spechten ist derzeit
eine interessante Ausstellung im Biologiezentrum des
Oö. Landesmuseums gewidmet (noch zu sehen bis 16.
Oktober 2016).
3
G. LAISTER
Spechte und die
„predation risk landscape“
C. B Ö CK
Der Feldhase im Jagdrevier
Überlegungen aus der Praxis
27
34
Informationen
Buchtipps .......................................................................... 26
Leserbriefe, Richtigstellung ............................................. 33
Impressum ....................................................................... 26
Veranstaltungen ................................................................ 36
Infos zu ÖKO.L
Leseprobe – Abo – Geschenk-Abo
Botanischer Garten und Naturkundliche Station
Roseggerstraße 20-22, 4020 Linz
Tel.: 0732/7070-1862, E-Mail: [email protected]
www.linz.at/umwelt/3911.asp
Abo Jahrgang 2016: € 18,-
TITELBILD
Die Westliche Weidenjungfer (Lestes
viridis) ist eine jener Libellenarten, die
Jahr für Jahr im Botanischen Garten Linz
zu finden sind.
Titelbild: G. Laister
ÖKO·L 37/4 (2015)
ÖKO·L 37/4 (2015): 3-9
ENTOMOLOGIE
Ing. Gerold LAISTER
Libellen im
Botanischen Garten Linz
Stadtgrün und Straßenbetreuung
Abteilung Botanischer Garten
und Naturkundliche Station
Roseggerstraße 20
4020 Linz
[email protected]
Wiesenflächen
bepflanzte Bereiche
Teiche
barrierefreie Wege
nicht barrierefreie Wege
Arbeitsbereiche
Glashäuser
Gebäude
5
6
4
2
3
7
8
9
11
1
10
Abb. 1: Plan des Botanischen Gartens mit den 11 in blau eingezeichneten Teichen.
Jeder Gartenteichbesitzer sieht es –
sobald es so richtig wärmer wird im
Frühling, schwirren die Libellen wieder
über dem Teich. Zwar sind es meist
einige „typische“, häufige Arten, die
an Gartenteichen fliegen, aber Libellen
sind gute Zeigerorganismen. Besonders
die Strukturen – Pflanzenreichtum,
freie Wasserfläche, bewachsene oder
unbewachsene Ufer etc. – spielen
für sie eine große Rolle. Arten haben
sich in unterschiedlichem Ausmaß auf
bestimmte Lebensräume spezialisiert.
So gibt es Libellenarten, die neue,
noch unbewachsene oder nur spärlich
bewachsene Gewässer bevorzugen und
daher an einem frisch angelegten Teich
gefunden werden können. Sobald der
Pflanzenbewuchs dichter wird, sind
ÖKO·L 37/4 (2015)
sie meist nicht mehr zu sehen, dafür
kommen dann andere Arten, die zuweilen auch besondere Vorlieben haben,
etwa eine größere Röhrichtzone oder
Schwimmpflanzen. Natürlich gibt es
auch Arten, die nicht so sehr an bestimmte Biotope gebunden sind und
daher ganz unterschiedliche Gewässer
besiedeln können. Meist stellen sie
den Großteil der Arten, die beim Gartenteich zu sehen sind.
Die Teiche des Botanischen Gartens
Linz sind natürlich nicht in erster
Linie dazu angelegt, Libellen anzuziehen. Hier gilt es, Pflanzen zu zeigen – etwa Seerosen – Sumpfzonen,
Moorbereiche und andere Biotope
darzustellen. Das Wohlbehagen darf
natürlich auch nicht zu kurz kommen
– im „Garten der Sinne“. Trotzdem
– wo Wasser ist, fliegen Libellen
zu – welche, das wird im Folgenden
beschrieben.
Die Teiche – sonnig bevorzugt!
Auf dem 4,2 ha großen Gelände des
Botanischen Gartens sind elf Teiche
angelegt. Nicht alle eignen sich gleichermaßen für die Besiedlung durch
Libellen (Abb. 1). Stark beschattete
Gewässer werden zum Beispiel nicht
beziehungsweise kaum von diesen
Tieren genutzt. Libellen sind eben
„Sonnentiere“; sie sind bei bedecktem
Himmel auch deutlich weniger aktiv.
3
Abb. 2: Eingebettet in die „Landschaft“ des Alpinums, der große
Alpinumteich.
Abb. 3: Die beiden größten Gewässer des Botanischen Gartens
beherbergen auch die meisten Libellen, im Bild Teich 10.
Abb. 4: Teich 11 mit der Gemeinen Heidelibelle (Sympetrum vulgatum) im Vordergrund.
Zur einfacheren Bearbeitung habe ich
die Teiche nummeriert (Abb. 1). Teich
1, wegen seiner Form Hufeisenteich
genannt, hat kaum Bewuchs und wird
nur spärlich von Libellen genutzt. An
dem nur wenige Meter entfernt im
Senkgarten liegenden Teich 2 ist in
dieser Hinsicht schon mehr los. Er
ist rechteckig 5 x 6 m groß, und eine
besondere Augenweide neben den
Seerosen ist die Lotusblume.
Wendet man sich nach Osten dem
Alpinum zu, ist es ebenfalls nicht
weit zum dritten Teich, der eher natürliche Charakteristik aufweist (Abb.
2). Krebsschere, Seekanne, Teichrose
und ein Röhrichtbereich, finden sich
in dem etwa 6 x 9 m großen Gewässer. Ein Stück weiter ebenfalls im
Alpinum liegt der kleine Alpinumteich
(Teich 4), an dem Pfitzner (1978)
die Schlupfdynamik der Blaugrünen
Mosaikjungfer (Aeshna cyanea) untersuchte. Gleich unterhalb neben dem
Wiesenmoor liegt der dicht bewach4
sene Teich 5. Beide Teiche sind mehr
oder weniger kreisrund und haben
etwa 5 m Durchmesser.
Die Teiche 6 bis 8 liegen im Schatten der Bäume und sind wie schon
erwähnt für Libellen deshalb weniger
attraktiv. Auch Teich 9 ist zum Teil
beschattet, bekommt aber genug
Sonne um Schwertlilie und Teichrose
sowie einigen Libellenarten Lebensraum zu bieten. Mit weniger als 10
m Länge ist seine Größe vergleichbar mit der der bisher behandelten
Gewässer.
Die beiden größten Gewässer (Teich
10: 17 x 7 m, Teich 11: 25 x 10 m)
sind im westlichen Teil des Gartens
zu finden (Abb. 3 und 4). Im freien
Wasser sind Seerosen zu sehen, an
den Ufern werden eine Reihe weiterer Sumpf- und Wasserpflanzen
präsentiert.
Die dem Artikel zugrundeliegenden
Daten stammen aus den Jahren
1988-2015, wobei nicht in allen
Jahren nach Libellen Ausschau gehalten wurde.
Libellenarten – eine Sommerreise
Wie man sieht, liegen die Teiche im
Botanischen Garten relativ nahe beieinander. Libellen sind gute Flieger,
es erscheint daher nicht vordringlich,
die einzelnen Arten bestimmten
Gewässern zuzuordnen, auch wenn
manche Arten immer wieder über
den gleichen Gewässern fliegen. Die
Reihung der Arten folgt deshalb dem
Jahreslauf, beginnend mit den ersten
Arten im Frühjahr bis zu den letzten
im Herbst. Für die Beschreibungen
der Lebensraumansprüche wurde auf
Raab u. a. (2006), Bellmann (1993)
sowie Sternberg u. Buchwald (1999,
2000) zurückgegriffen.
Etwa zwischen dem 20. und dem
25. April beginnt zumindest im Botanischen Garten in Linz die FalkenÖKO·L 37/4 (2015)
libelle (Cordulia aenea) zu schlüpfen
(Abb. 5). Während des Schlupfes – es
kann bis zum Abfliegen des fertigen
Insektes mehrere Stunden dauern
– sind Libellen praktisch wehrlos.
Im Gegensatz zu anderen Arten, die
sich zum Schutz vor Feinden in der
Nacht zum fertigen Insekt wandeln,
schlüpfen Falkenlibellen meist vormittags. Man kann den Schlupfvorgang
so auch gut beobachten. Die Art ist
typisch für Augebiete, hier besiedelt
sie besonders Gewässer mit Röhrichtzone. Im Botanischen Garten
ist sie seit Jahren bodenständig und
hauptsächlich an Teich 3 und Teich
10 zu finden.
Zu den ersten Libellen zählt auch
die Frühe Adonislibelle (Pyrrhosoma
nymphula). Sie besiedelt vor allem
Kleingewässer mit guter Verlandungszone. Als Frühjahrsart ist sie,
wie auch die Falkenlibelle, sobald
sich der Sommer deutlich bemerkbar
macht kaum mehr zu sehen. Im Botanischen Garten ist sie an mehreren
Teichen zu beobachten und ebenfalls
bodenständig (Abb. 6).
Die Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella) beginnt zwar auch früh
im Jahr zu fliegen, ist dann aber
den ganzen Sommer lang häufig zu
beobachten (Abb. 7). Sie ist eine der
Arten die an jedem Gartenteich zu
finden sind und zählt ebenso zu den
Arten, die im Botanischen Garten
bodenständig sind. Es gibt allerdings
mehrere Azurjungfer-Arten, bei denen
die Männchen dieser kleinen, blauen
Libelle ähnlich sehen und die sich
hauptsächlich durch die schwarze
Hinterleibszeichnung unterscheiden.
Es ist also Achtsamkeit geboten bei
der Bestimmung. Die Weibchen dieser Arten sind meist noch schwerer
auseinanderzuhalten als die Männchen.
Abb. 5: Ein Weibchen der Falkenlibelle (Cordulia
aenea) kurz nach dem Schlupf.
Abb. 6: Es ist schon in ihrem Namen
enthalten, die Frühe Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula) ist eine der ersten
Libellen im Frühjahr.
Abb. 7: Die Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella) ist bei uns eine der häufigsten Arten.
Unverkennbar mit dem breiten, im
ausgereiften Zustand blau bereiften
Hinterleib ist der Plattbauch (Libellula depressa). Er fliegt vor allem
an vegetationsarmen Gewässern, ist
aber auch häufig an Gartenteichen
(Abb. 8). Im Botanischen Garten ist
er immer wieder an unterschiedlichen
Gewässern zu sehen, ob er bodenständig ist, das heißt, ob er hier auch
regelmäßig seine Entwicklung vollenden kann, ist allerdings nicht geklärt.
Der Vierfleck (Libellula quadrimaculata) gehört, wie dem wissenschaftlichen Namen zu entnehmen
ist, der gleichen Gattung an wie der
Plattbauch, bevorzugt aber vegetationsreiche Weiher und Teiche. Typisch
ÖKO·L 37/4 (2015)
Abb. 8: Normalerweise oft an Gartenteichen zu sehen, zählt der Plattbauch (Libellula
depressa) im Botanischen Garten jedoch nicht zu den häufigen Arten, da er vorwiegend
vegetationsarme Gewässer besiedelt. Foto: H. Rubenser
5
ÖKO·L 37/4 (2015): 10-26
BOTANIK
Gäste, Heimkehrer oder
doch nur Fremdlinge?
Exotische Gehölze in unseren Wäldern
Prof. Michael HOHLA
Therese-Riggle-Straße 16
A-4982 Obernberg am Inn
[email protected]
Abb. 1: Blühende Apfelbäume – Symbole unserer Hügellandschaft.
Mindestens seit der Römerzeit werden Bäume aus fernen Ländern bei uns gepflanzt. Man denke an die vielen
Obstgehölze oder Zierbäume in unseren Gärten oder Parkanlagen. Auch in den Wäldern finden vermehrt fremde
Arten Verwendung. Man pflanzt heute Bäume verschiedenster Herkunft, darunter sogar Exoten aus Übersee. Dies
alles geschieht in der Hoffnung auf gutes Wachstum, sprich Ertrag, für die nächsten Generationen oder aus Lust an
Außergewöhnlichem. Immer wieder stößt man auf Gehölze, die man als Laie ohne fachliche Hilfe oder Spezialliteratur nicht bestimmen kann. Ob diese „Gäste“ in unseren Wäldern nur kurzfristig zu Besuch sein werden oder ob ihr
Aufenthalt ein längerer und erfolgreicher sein wird, das wird allein die Zukunft zeigen.
Abwechslungsreiche Wiesenlandschaften mit üppig tragenden Obstbäumen (Abb. 1), darunter auch
herrliche alte, knorrige Gesellen (Abb.
2), Schatten spendende Kastanienbäume in den Gastgärten (Abb. 3),
der berühmte Nussbaum (Abb. 4) vor
dem Haus, die Marillen „in der Scharten“ (Abb. 5), prächtige Platanen in
den Städten (Abb. 6), der Edelkastanienwald (Castanea sativa – Abb. 7) in
Unterach am Attersee, Pappelwälder
in den Flussauen (Abb. 8) … Bäume
wie diese gehören heute in unsere
Landschaft, zu unserem Alltag, kaum
jemand macht sich noch Gedanken
über deren ursprüngliche Herkunft.
10
Manche frühere Kulturpflanze unter
den Bäumen hat es jedoch nicht
mehr in die Jetztzeit geschafft. So
pflanzte man etwa im 19. Jahrhundert
in Oberösterreich hunderttausende
(!) Maulbeerbäume (Morus alba u. a.
– Abb. 9) für die Zucht von Seidenraupen (Kneifel 1987). Mir selber sind
noch die Erzählungen meines Vaters
in Erinnerung über einen alten Maulbeerbaum im früheren „Pflieglgarten“
(jetzt „Hohlagarten“) in Obernberg
am Inn (vgl. Berger 1925). Er erzählte vom eindrucksvollen Gesang
der Pirole aus der Baumkrone, diese
Kindheitserlebnisse hinterließen
bei ihm einen bleibenden Eindruck.
Maulbeerbäume gibt es heute in
Oberösterreich nur mehr ganz wenige.
Auch andere alte Obstgehölze bzw.
-sorten sind inzwischen selten geworden, neben alten – oft nur regionalen
– Äpfel- und Birnensorten denke ich
auch an Spilling, Zibarte, Pemsen,
Zwispitz, Pfludern, Speierling (Abb.
10) u. a. (Werneck 1950 u. 1961).
Gerade in Zeiten der Globalisierung
werden heute standardisierte, massentaugliche Sorten bevorzugt und in
großem Stil kultiviert. Alte Sorten sind
heute nicht nur etwas für Liebhaber,
sondern auch ein kleiner persönlicher
Kontrapunkt im Angesicht der großen
Strömungen!
ÖKO·L 37/4 (2015)
Fremde Bäume und Sträucher werden auch entlang von Straßen und
Autobahnen, Bach- und Flussuferböschungen gepflanzt. Hier steht
allerdings nicht der Fruchtgenuss im
Vordergrund, sondern die Befestigung
der Böschungen sowie Staub- und
Lärmschutz im Fall der Straßen und
Autobahnen (Abb. 11 u. 12). In den
großen Ebenen pflanzte man schnellwüchsige Bäume, etwa Pappeln, als
Windschutz. In den Städten wachsen
exotische Gehölze an öffentlichen
Plätzen, aus optischen Gründen aber
auch in ihrer wichtigen Funktion als
„grüne Lunge“ und Schattenspender
(Abb. 13 bis 16). Die Stadtbäume
müssen allerdings unempfindlich sein
gegenüber verdichteten Böden und
Schadstoffemissionen des Verkehrs
und der Industrie („industriefest“).
Der Angst vor Sturmschäden und Prozesslawinen fallen leider so manche
der alten wunderbaren Stadtbäume
zum Opfer.
Abb. 2: Streuobstwiesen im Obst-Hügel-Land Scharten.
Sorten, Hybriden, Cultivare, Klone …
Bei den in den Städten, an Uferböschungen, Straßen, Autobahnen
usw. gepflanzten Bäumen stößt
man als Botaniker beim Versuch der
Artbestimmung regelmäßig an seine
Grenzen. So gibt es heute etwa bei
Pappeln, Ulmen (Abb. 12 u. 17) oder
Linden (Abb. 18) unzählige Sorten
mit entsprechenden Phantasienamen. Alleine für die Stadt Hamburg
werden an die 30 Ulmensorten
angegeben (Mackenthun 2007). Bei
der in Deutschland gegenwärtig am
häufigsten gepflanzten Ulme heißt
es etwa im „Handbuch der Ulmengewächse“ (Mackenthun 2010): „Die
Sorte ‚New Horizon‘ ist eine der vielen
Cultivare aus der amerikanischen
Resista-Reihe von Gene Smalley aus
Madison, Wisconsin. Man kreuzte dabei die Japanische Ulme (U. japonica)
und die Sibirische Ulme (U. pumila).
Die Markteinführung war im Jahr
1994. Die Sorte gilt als hoch resistent
gegenüber der Holländischen Ulmenkrankheit … Da es sich bei modernen
Züchtungen oftmals um Komplexhybride mit drei oder mehr Elternarten
handelt, wird kein Artname angegeben, sondern die Sortenbezeichnung
folgt direkt auf den Gattungsnamen.“
Extrem ist es bei den Pappeln, dort
existieren heute bereits etwa 300
Sorten, die meistens durch Stecklinge
(Klone) ausgepflanzt werden (Bisoffi
u. Gullberg 1996).
Bei dieser Gelegenheit möchte ich
noch etwas zu den in der Überschrift
ÖKO·L 37/4 (2015)
Abb. 3: Die Roß-Kastanie (Aesculus hippocastanum) – ein typischer Stadtbaum – befallen
von der Kastanien-Miniermotte.
Abb. 4: Einer der vielen jungen Wal-Nussbäume (Juglans regia) – noch kein zwingendes
Zeichen des Klimawandels!
11
Abb. 5: Blühende Marillenbäume „in der Scharten“.
Abb. 6: Mächtige Platane (Platanus x hispanica) vor dem ORFLandesstudio Linz.
Abb. 7: Die Europäische Edelkastanie (Castanea sativa) – eine
forstliche Alternative in Zeiten der Klimaerwärmung (L ang 2007)?
Abb. 8: Pappelforst in den Innauen nahe Mühlheim am Inn.
Abb. 9: Weiße Maulbeere (Morus alba) im Herrengarten des Stiftes
Reichersberg.
Abb. 10: Der Speierling (Sorbus domestica) – früher wie auch
heutzutage eine große Rarität.
12
ÖKO·L 37/4 (2015)
Ö K O · L 37/ 4 ( 20 15 )
Naturk undlic h e Station der Stadt L inz
Liebe j unge Naturf reunde!
I
M
an kann besonders im W inter
beobachten, dass manche
Vogelarten bei häufigerem Kontakt
mit M enschen erstaunlich z utraulich
w erden. D a nehmen beisp ielsw eise
K ohl- und Blaumeisen D argebotenes
sogar v on der H and. Seltener tut das
auch mancher Sp erling. Tauben
sind ohnehin nicht besonders
scheu und treiben es bisw eilen
bis z ur Unv erf rorenheit, indem
sie j emanden, der nach
Essbarem „ ausschaut“ ,
geradez u anbetteln, um
nicht z u sagen belagern,
manchmal sogar K op f
und Schultern kurz f ristig
als „Ausflugswarte“
benutz en. D er oder die
Betrof f ene denkt dann
w omö glich: „ Sind die
Tauberl aber lieb z u mir! “
n Gärten, Friedhö f en und P arkanlagen – selbst
oder gerade auch der Groß städte, v erhalten
sich ebenso Säugetiere of t recht unbekü mmert
dem M enschen gegenü ber: Feldhasen, R ehe,
Fü chse, sogar W ildschw eine sind nicht erst neuerdings keine seltenen Stadtbew ohner mehr.
B
ekanntestes und w ohl beliebtestes W ildtier
ist das Eichhö rnchen. Soeben nähert sich
eines dem kleinen Buben, der da mit seiner
M ama M aroni knabbernd den angeschneiten
P arkw eg entlang schlendert und nimmt ihm
den w armen, duf tenden Bissen ohnew eiters
aus der v orgehaltenen H and. I m Nu ist es damit auf dem nebenstehenden Baum, rasp elt
sich die Leckerei rein und – gibt’ s noch w as?
– hockt schon w ieder erw artungsv oll, w ie es
scheint, v or den beiden M enschen.
Eic h h ö rnc h en
E
ichhö rnchen halten j a keinen W interschlaf
w ie etw a M urmeltier, Siebenschläf er und
andere, z u Nagetieren und Bilchen gehö rende
Säugetiere. Sie sind tagaktiv und eher selten
auf dem Boden anz utref f en, legen aber im
Boden, in der Laub- und K rautschicht V orräte
an. Eichhörnchen tragen im Tiefland meist ein
fuchsrotes Fell, in Höhenlagen ist es häufig
braun bis schw arz , w obei der Bauch bei allen
Farbv ariationen stets w eiß ist. D ie O hrsp itz en
z ieren v om H erbst bis ins Frü hj ahr H aarp insel.
B
eim Lauf en und Sp ringen dient der buschige Schw anz als Steuer. Eichhö rnchen
sind w ahre M eister im K lettern und Sp ringen;
sie kö nnen an Baumstämmen auch kop f unter
hinabsausen. Gelegentlich, w enn ihnen ihr ge-
E ic hhö r nc he n ( S c iur us v ulg a r is ) , F o to : J o s e f L i mb e rg e r
f ährlichster Feind, der ebenso schnelle und
gew andte Baummarder bis in die Baumkrone
auf den Leib gerü ckt ist und ein Entkommen
ausgeschlossen scheint, sp ringen sie aus
schw indelnder H ö he z um Boden, w obei der
Schw anz w ie ein Fallschirm benutz t w ird.
D iesen Sp rung w agt der z w ei- bis dreimal
schw erere Jäger meist nicht.
sechs W ochen v erlassen die Jungen erstmals
das Nest.
U
D
ie Nahrung besteht aus Samen v on Nadelbäumen, aus Nü ssen, Bucheckern, Eicheln,
K nosp en, Beeren, P ilz en und R inde. M an
glaubt es kaum, aber V ogeleier und Jungv ö gel stehen ebenf alls auf dem Sp eisep lan des
Eichhö rnchens. Z u seinen Feinden z ählen
Baummarder, H abicht und Uhu. I n f reier Natur
w erden Eichhö rnchen kaum älter als drei Jahre.
D as H ö chstalter in Gef angenschaf tshaltung ist
18 Jahre.
nser Nager legt hoch im Baum ein kugeliges
Nest mit ein bis z w ei Eingängen an, den
sogenannten K obel. So ein K obel besteht aus
verflochtenem Astgewirr und wird mit Gras,
Blättern und M oos ausgelegt. H ält sich das
abt eine gute Z eit
Tier im Nest auf , stop f t es die Eingänge z u.
Euer R udolf
Etw a im M ärz w erden nach 4 0 Tagen Tragz eit
drei bis f ü nf nackte, blinde Junge geboren.
O f t sind es z w ei W ü rf e im Jahr. Nach rund Tex t und Z eichnungen: R udolf S c h a u b e r g e r
H
ÖKO·L 37/4 (2015): 27-33
ORNITHOLOGIE
Spechte und die
„predation risk landscape“
Dr. Helmut STEINER
Inst. f. Wildtierforschung
Mühlbachgasse 5
4533 Piberbach
[email protected]
Abb. 2: Naturverjüngung auf Baumstumpf
in einem guten Specht-Lebensraum in den
nördlichen Kalkalpen.
Foto: H. Steiner
Abb. 1: Lebensraum des Weißrückenspechts in den nördlichen Kalkalpen.
Foto: H. Steiner
Spechte sind nicht einfach Anzeiger
von viel Totholz oder Insekten. Sie
reagieren genauso auf das FeindRisiko (Scherzinger 1998): Bei einer
Borkenkäfer-Massenvermehrung im
Nationalpark Bayerischer Wald wurden
deckungsarme Bereiche kaum genutzt.
Die Gefahr ist an unterschiedlichen
Orten höher oder geringer: Neben der
Deckung ist die Nähe von Greifvogel- oder Eulen-Nestern ein wichtiger
Faktor. Das Überfliegen von Freiflächen
und Tälern ist wegen Falken gefährlich.
Unsere einheimischen Spechte sind
nahrungsökologisch unterschiedlich
eingenischt von Totholzinsekten
(Weißrückenspecht) über Borkenkäfer
(Dreizehenspecht), Baum-Ameisen
(Schwarzspecht), Boden-Ameisen
(Grün-, Grauspecht), Pflanzensamen
und diverse Kleintiere (Buntspecht),
bis zum Abklauben von Insekten in
Bäumen (Mittelspecht, Kleinspecht).
Untersuchungen zum Bruterfolg und
Lebensraum wurden schon öfters
ÖKO·L 37/4 (2015)
Abb. 3: Guter Specht-Lebensraum (unter
anderem Grauspecht) in den nördlichen
Kalkalpen.
Foto: H. Steiner
Abb. 4: Totholz ist wichtig, aber nicht alles
für Spechte.
Foto: H. Steiner
durchgeführt (z. B. Ruge u. Weber
1974,Glutz von Blotzheim u. Bauer
1980, Scherzinger 1981, 1990, 1995,
1996, 2006, Weselowski u. Tomialojc
1986, Hansen 1990, Blume 1996,
L ange 1996, Pechacek 1995, Weselowski 1995, Mikusinski u. Angelstam 1997, Frank 2002, Stadler
2003a, b; Abb. 1-11, 16-17).
kommt noch vor dem Eichelhäher
(Prof. H. Winkler mündl.). Er hat einen
großen Einfluss auf den Bruterfolg
von Weidenmeise, Haubenmeise,
Zwergschnäpper, Trauerschnäpper,
Halsbandschnäpper oder Kleinspecht
und plündert oft mehr als die Hälfte
der Bruten (z. B. Gatter 2000 mit
weiteren Zitaten). Selbst habe ich einmal beobachtet, wie er ein BuchfinkNest in nur rund ein Meter Höhe in
einem Busch plünderte.
Der Buntspecht ist der effektivste
Nestplünderer bei Singvögeln und
27
Abb. 5: Grünspecht – seine Hauptfeinde sind Habicht und Wanderfalke.
Foto: R. Katzinger
Abb. 7: Der Kleinspecht wird durch Konkurrenz seitens des Buntspechts zurückgedrängt.
Foto: R. Katzinger
Aber auch Spechte haben viele Feinde
(Abb. 11). Waldkäuze zum Beispiel
können sie aus den Höhlen ziehen
(Uttendörfer 1939). Marder klettern
in die Höhlen von Schwarzspechten.
Die Tiefe der Buntspecht-Höhlen ist
genau so bemessen, dass ein Marder
mit seiner Pfote den Boden mit den
brütenden Vögeln nicht erreicht. Wir
wissen aber viel weniger über die
Feindvermeidung als über die Nahrungsökologie.
Hier werden folgende Fragen untersucht:
] Wie unterscheidet sich die Erbeutung einzelner Specht-Arten bei Sperber, Habicht, Baumfalke, Wanderfalke
und Mäusebussard?
] Wie ist die jahreszeitliche Erbeutung von Buntspecht und Schwarzspecht bei Sperber und Habicht? Wie
hoch ist der Anteil flügger Jungvögel?
] Wie variiert die Erbeutung mit
der Landschaft, in waldärmeren und
waldreicheren Gebieten?
28
Abb. 6: Der Schwarzspecht hat sich in die fragmentierte Kulturlandschaft ausgebreitet und er wechselt oft in seinem typischen
langsamen Flug von Waldinsel zu Waldinsel. Er sucht regelmäßig
Nahrung in der Nähe von Habicht-Brutplätzen, brütet aber im Gegensatz zum Bunstpecht dort kaum.
Foto: R. Katzinger
Abb. 8: Der Buntspecht ist meistens der wichtigste Nestfeind der
kleinen Singvögel. Die Erbeutung des Buntspechts durch Greifvögel dürfte sich positiv auf Kleinvögel auswirken und sollte näher
untersucht werden.
Foto: R. Katzinger
] Wie ist das Verhalten und Brüten
des Buntspechtes in der Nähe seiner
Feinde, insbesondere des Habichts?
2006, Sergio u. Hiraldo 2008), oder
für Watvögel (Ydenberg u. a. 2004,
Pomeroy u. a. 2006, Cresswell 2008).
Das Denkkonzept der „predation
risk landscape“ oder „landscape of
fear“ besagt, dass der Sicherheitsaspekt wichtig für die Standortwahl
eines Individuums ist. Immer mehr
zeigt sich, dass die herkömmliche
„Habitatstrukturforschung“ an ihre
Grenzen gelangt ist. Aufwändige
Statistiken mit zahllosen Parametern werden produziert, wie oft bei
Raufußhuhnstudien in Mitteleuropa.
Man vergisst, dass das Haselhuhn
früher in Feldhecken, das Auerhuhn
teils auf Feldern lebte. Früher wurde
pauschal von „Feinden“ gesprochen.
Man muss jedoch differenzieren. Die
allermeisten Tiere haben mehrere
Feinde, und es gibt einen Kompromiss
oder Tauschhandel über die relative
Sicherheit. Dies gilt sogar für die
früher als mehr oder weniger immun
gegen Feinde angesehenen Greifvögel
(z. B. Übersichten von Steiner u. a.
Viel öfter als gedacht kommt es zu
„Schutzschirm“-Effekten (umbrella
species), bei denen Säuger und Vögel
– wie Spechte – gezielt in der Nähe
gefährlicher Greifvögel wie Sperber,
Wanderfalke, Habicht oder Adler
leben (Ratcliffe 1993, Ueta 2001,
Pakkala u. a. 2006: Dreizehenspecht
beim Habicht, Byholm u. a. 2012).
Über Specht-Dichten in den Tief- und
Hügellagen Oberösterreichs berichten
Weissmair u. Rubenser (2009) und
Weissmair (2011): Der Buntspecht
erreicht etwa 1-20 Reviere/km2 (meist
7-8); der Grünspecht knapp über 1
Revier/km2; vom Schwarzspecht gibt
es nur eine Angabe aus den TraunDonau-Auen mit ca. 0,25 Revieren/
km2, und aus dem Hausruck mit
0,23 Revieren/km2 (L. Mühllechner
in Stadler 2003c).
ÖKO·L 37/4 (2015)
Methoden
Die Untersuchungen fanden in Oberösterreich statt, mit Schwerpunkt
Traunviertel.
Die Rupfungen an den GreifvogelHorsten wurden im Zug der umfangreichen Populationsstudien systematisch aufgesammelt und sorgfältig
bestimmt (Steiner 1998). Falls möglich, wurde das Erbeutungsdatum auf
Monat und gegebenenfalls Dekade
geschätzt. Frischflügge Individuen
wurden an den Blutkielen erkannt.
Der Zeitraum der Daten umfasst
1990 bis 2014. Der Prozentanteil
der Spechte in den Beutelisten der
Sperber-Brutreviere hing nicht von
der Stichprobengröße ab (p = 0,2,
nicht signifikant), sodass die Verwendung der Daten in der vorliegenden
Form gerechtfertigt ist.
Abb. 9: Der Mittelspecht ist heute eine gefährdete Art, da Wälder nicht mehr alt genug
werden, um eine entsprechend raue Borke zu entwickeln.
Foto: R. Katzinger
Bei der Kontrolle der Greifvogelhorste wurde auch in Radien von etwa
100 m auf Buntspechtbruten und von
etwa 300 m auf Schwarzspechtbruten kontrolliert. Gefundene Spechthöhlen wurden mit Datum und auf
10 m geschätzter Entfernung zum
Horst in Datenblätter eingetragen.
Ergebnisse
414 Specht-Todesfälle durch verschiedene Greifvögel kamen zur Auswertung. Beim Buntspecht wurden
die höchsten Anteile beim Habicht,
gefolgt von Wanderfalke und Sperber erreicht. Beim Schwarzspecht
bestand dieselbe Reihenfolge. Nur
der Grünspecht wurde etwas öfter
vom Wanderfalken erbeutet. Die 4
Grünspecht-Nachweise beim Sperber
betrafen je 2 Jung- und 2 Altvögel,
letztere jedenfalls vom Weibchen. Der
Baumfalke erbeutete kaum Spechte
(Abb. 12). Nur je einmal wurden ein
Kleinspecht vom Wanderfalken und
ein Wendehals vom Sperber erbeutet. Nicht direkt vergleichbar ist der
Mäusebussard, bei dem der Anteil der
Vögel in der Beuteliste neben anderen
Wirbeltieren und Wirbellosen nicht
genau bekannt ist. Unter 151 VogelBeuteobjekten machten Buntspechte
2,6 % aus. Er erbeutete insgesamt
schätzungsweise 20-30 % Vögel
(Biomasse).
Übereinstimmend bei Habicht und
Sperber lag der Gipfel der Buntspecht-Erbeutung im Juni, wenn die
meisten Jungen die Höhle verlassen.
Sonst wurden deutlich weniger erbeutet: Beim Sperber wurden im Mai
weniger als die Hälfte, beim Habicht
ÖKO·L 37/4 (2015)
Abb. 10: Der Dreizehenspecht ist ein Borkenkäfer-Spezialist. Er braucht in seinem Lebensraum jedoch genauso Deckung gegenüber Greifvögeln.
Foto: R. Katzinger
Abb. 11: Rupfung eines Buntspechtes (Sperber).
Foto: H. Steiner
29
ÖKO·L 37/4 (2015): 34-35
JAGD
Der Feldhase
im Jagdrevier
Überlegungen aus der Praxis
Der Feldhase wird durch viele Faktoren beeinflusst. In unserer intensiven Kulturlandschaft, die als „Superfaktor“ bezeichnet werden kann und zahlreiche andere
Faktoren verstärkt, ist diese Beeinflussung meist negativ. Die Folge war, dass die
Dichte zurückging. Das hat ihm den Titel „Säugetier des Jahres 2015“ beschert
und man fragt sich, ob das der Feldhasen-Population etwas hilft. Vielleicht gelangt der Hase mehr ins Bewusstsein mancher Leute, die sich mit diesem Tier
kaum beschäftigt haben, doch reicht das?
80000
70000
Anzahl Hasen
60000
50000
40000
30000
20000
10000
1969/70
1971/72
1973/74
1975/76
1977/78
1979/80
1981/82
1983/84
1985/86
1987/88
1989/90
1991/92
1993/94
1995/96
1997/98
1999/00
2001/02
2003/04
2005/06
2007/08
2009/10
2011/12
2013/14
0
Abb. 1: Jahresjagdstrecken des Feldhasen in Oberösterreich von 1969 bis 2014.
Mag. Christopher BÖCK
Wildbiologe und Geschäftsführer
des Oö. Landesjagdverbandes
Hohenbrunn 1
A-4490 St. Florian
[email protected]
Im Artikel über den Feldhasen als
„Säugetier des Jahres 2015“ im
ÖKO.L 37/3 2015 schreibt Herr
Schauberger auf Seite 3, dass der
Bestandesrückgang des Feldhasen
neben anderen Faktoren auch auf
„Überjagung zurückzuführen ist“
...und dass „der Feldhase heute kaum
noch bejagt wird“.
Wie kommt aber der Autor darauf?
Seit den 1980er-Jahren gehen die
Feldhasenstrecken in Oberösterreich
bis etwa zum Jahr 2005 mit natürlichen Schwankungen stetig nach
oben (Abb. 1, von etwa 24.000 im
Jahr 1980 bis über 57.700 im Jahr
2005, Statistik Austria)! Erst dann
wirken sich einerseits die nicht mehr
verpflichtende Brachenerhaltung im
Rahmen der EU-Agrarpolitik sowie
andererseits die schlechten Witterungsverhältnisse in der Aufzuchtzeit
der Hasen vor allem im Mai und
Juni (größte Anzahl der gesetzten
Junghasen) auf die Besätze aus.
„Überbejagung“ einzelner Besätze
hat es möglicherweise woanders in
Österreich gegeben, für Oberösterreich kann dies auf Grund der Zahlen
aber deutlich widerlegt werden!
Zunehmende Bestände opportunistischer Beutegreifer wie jene des
Rotfuchses und der Rabenkrähe
beeinflussen zusätzlich die Feldhasendichte – und natürlich zahlreiche
Bodenbrüter. Auch die Hauskatze ist
in diesem Zusammenhang zu nennen, ohne die Katze „dämonisieren“
zu wollen; sie macht das ja nicht
böswillig, ist aber auch nicht auf die
gefangene Nahrung angewiesen. Die
nach dem Österr. Tierschutzgesetz
verpflichtende Kastration soll hier der
Vollständigkeit halber erwähnt sein.
Abb. 2: Eigentlich ist der Feldhase gut gegen Feinde gerüstet: Fast 360 Grad „Rundumblick“, lange Ohren zum Richtungshören und für den Temperaturausgleich, gute Tarnfarbe
und kräftige Hinterbeine, die Sprünge, um schnell und Haken schlagend zu flüchten.
Dennoch: Gegen die moderne Landwirtschaft und eine „Überzahl“ an die Kulturlandschaft
angepasster Feinde haben Jungtiere wenig Chance.
Foto: Ch. Böck
34
Von „kaum noch bejagt“ kann ebenso
keine Rede sein. Die Jagdstrecken
sind zwar gewisse Weiser, bei geringerer Dichte wird aber unterdurchschnittlich gejagt, denn selbstverständlich hat die Nachhaltigkeit bei
den Jägern großen Stellenwert und
wenn kaum Zuwachs der Feldhasenbesätze zu verzeichnen war, heißt es
„Hahn in Ruh“.
ÖKO·L 37/4 (2015)
Zum Glück gibt es aber Jagdstrecken,
denn ein Monitoring dieser Tierart ist
zwar gut möglich, würde aber wohl
sehr teuer werden. Außerdem variiert die Feldhasendichte von Gebiet
zu Gebiet gewaltig, da sogenannte
Hegemaßnahmen heutzutage eben
das Um und Auf darstellen. Hege
bezeichnet übrigens alle Maßnahmen,
die eine nachhaltige Nutzung des
Wildes sichern, und das bei gleichzeitiger Bewahrung, Wiederherstellung
und Entwicklung regionaltypischer
Ökosysteme mit ihren zugehörigen
Tier- und Pflanzenarten.
Im Zuge dessen werden auch Lebensraumverbesserungsmaßnahmen in
großem Stil durch die Jägerschaft gemeinsam mit den Landwirten und den
Imkern durchgeführt, die ab heuer im
Zuge der neuen GAP (Gemeinsame
Agrarpolitik) der EU hoffentlich den
Wildtieren wieder zugute kommt. Der
gute Lebensraum alleine macht‘s aber
nicht aus, andere Faktoren spielen
ebenfalls eine entscheidende Rolle...
Wir wollen außerdem auch jagen,
denn die natürliche Ressource Wildbret ist in Bezug auf Nachhaltigkeit,
Regionalität und Tierschutzgerechtigkeit nicht zu vernachlässigen.
Auch die Aussagen auf Seite 4 des
oben zitierten Beitrages, dass Raubwild seine Beute nicht ausrotte und
selbiges zu erlegen sei „unsinnig, zumal einige ihrer Vertreter auch schon
ziemlich rar geworden sind und längst
unter Naturschutz stehen sollten“ ist
nicht nur kühn zu behaupten, sondern
schlichtweg falsch und monokausal
gesehen.
Ausrotten wird zum Beispiel der
Fuchs den Hasen nicht, aber zweiterer
ist nicht alleinige Beute des Fuchses,
der ob nicht mehr vorhandener Tollwut Populationsgrößen erreicht hat,
die ihresgleichen suchen, und somit
wird der Feldhase in der Prädationsfalle (auch durch andere Beutegreifer)
sitzen, ohne jemals wieder mehr zu
werden (vereinfacht ausgedrückt).
Nachhaltige und selbstverständlich
legale Raubwildbejagung hilft nicht
nur jagdbaren Tierarten, sondern
auch anderen wie etwa dem Braunkehlchen, dem Kiebitz, der Feldlerche
oder der Wachtel.
Das heißt nicht, dass Habicht, Rohrweihe oder Uhu wieder bejagt werden
sollen. Ganz im Gegenteil: Die drei genannten Arten sind bereits geschützt:
Der Habicht ist als „jagdbare“ Tierart
(in der Schonzeitenverordnung angeführt und somit juristisch als Wild
bezeichnet) ganzjährig geschont, die
ÖKO·L 37/4 (2015)
Abb. 3: Zu hohe Deckung liegt dem Feldhasen nicht. Er will hinaus sehen können, um
notfalls schnell „Hasenpanier ergreifen“ zu können.
Foto: N. Mayr
Rohrweihe und der Uhu sind im Sinne
des Naturschutzgesetzes geschützt.
Versuchen wir uns also gemeinsam
für Kulturflüchter wie den Feldhasen
einzusetzen und betreiben wir keine
Feindbildpflege. Die Energie und
letztlich die Synergien aller Naturliebhaber sollten nicht verschwendet,
sondern richtungsweisend eingesetzt
werden!
Literatur
Frey-Roos F. (2012): Schonzeiten für
Raubwild und Neubürger? 18. Österreichische Jägertagung 2012: 59-60
Guthörl V. (2011): „Häschen in der Grube“
- Synthesen zur ökologischen Dominanz
der Prädation in Kulturlandschaften.
http://wildlandweltweit.de/downloads/
(16.10.2015)
Litzbarski H. (1998): Prädatorenmanagement als Artenschutzstrategie.
Naturschutz und Landschaftspflege in
Brandenburg, Heft 1.
Meinecke B., Voigt U. (2009): Literaturstudie zur Prädation bei den Niederwildarten
Feldhase, Rebhuhn und Fasan. Institut
für Wildtierforschung an der Stiftung
Tierärztliche Hochschule Hannover.
Statistik Austria: Jagdstatistik des jeweiligen Jahres; Schnellbericht 1.11 (www.
statistik.at)
35
Stadtgrün und Straßenbetreuung
Abteilung Botanischer Garten
und Naturkundliche Station
Roseggerstraße 20, Tel. 0732/7070-1870
1. Quartal 2016
Kreatives & Entspannung
In den Workshop-Kosten ist der Eintritt in
den Botanischen Garten inkludiert.
Freitag, 12. Februar, 15:30 – 18:30 Uhr
und Samstag, 13. Februar, 9 – 16 Uhr,
Seminarraum: Geist der Natur. Pflanzen
malen mit chinesischer Tusche und Aquarellfarben mit Yonghui Deistler-Yi. Mind. 8,
max. 16 TeilnehmerInnen. Kosten: € 95,-.
Materialien bei der Kursleiterin erhältlich.
Infos und Anmeldungen: 0660/400 15 28
oder [email protected],
www.yi-kunst.com
Exkursionen
& Führungen
In Kooperation mit der
Volkshochschule Linz
Ausstellungen Natur & Botanik
Samstag, 2. Jänner bis Sonntag, 31. Jänner: Zitronen, Orangen & Co. – zauberhafte
Vielfalt der Zitrusgewächse. Eingangshaus
Samstag, 30. Jänner bis Sonntag, 13.
März: Exotische Schönheiten – die Welt
der tropischen Orchideen. Orchideenhaus,
Eingangshaus
Freitag, 4. März bis Sonntag, 6. März:
Sonderausstellung des Oö. Orchideenvereins mit Verkauf und Beratung. In Kooperation mit Orchideen Kopf/Deggendorf
und Orchideen Handlbauer/Gramastetten.
Eingangshaus
Samstag, 19. März bis Sonntag, 8. Mai:
„Frühling, ja du bist’s! Dich hab ich
vernommen!“ – Frühlingserwachen im
Botanischen Garten. Freiland
Kunstausstellungen
Samstag, 23. Jänner bis Sonntag, 7.
Februar, Seminarraum: Johanna Gebetsroither: Titanweiß und Himbeerrot.
Ölmalerei auf Holz. Vernissage: Freitag,
22. Jänner, 18 Uhr
Samstag, 19. März bis Sonntag, 3. April, Seminarraum: Barbara Ritterbusch
Nauwerck: natura naturans. Die Natur als
Künstlerin – die Künstlerin und Biologin
als Interpretin. Vernissage: Freitag, 18.
März, 18 Uhr
Vorträge
In Kooperation mit der
Volkshochschule Linz
Seminarraum, jeweils Montag, 18 Uhr, Eintritt € 7,- / keine Anmeldung erforderlich
Montag, 15. Februar, 17 Uhr: Dr. Friedrich
Schwarz: Ausflug in die Tropen mitten im
Winter. Spezialführung durch die Schauhäuser des Botanischen Gartens. Eintritt:
€ 7,- / keine Anmeldung erforderlich.
jeweils Dienstag, 14 Uhr, Eintritt: € 5,- /
keine Anmeldung erforderlich
Montag, 18. Jänner: Dr. Anton Weissenhofer: Kaokoland – der Norden Namibias.
Botanische und ethnologische Besonderheiten aus dem Land der Himbas
Vogelbeobachtung als Naturerlebnis.
Vogelkundliche Führungen mit Konsulent
Herbert Rubenser. Dauer der Exkursionen:
jeweils 2 – 3 Stunden, Ausrüstung: festes
Schuhwerk, Fernglas, ev. Bestimmungsbuch. Preis: Erw. € 5,-, Kinder und StudentInnen € 2,50
Dienstag, 2. Februar: Richtiges Schneiden
von Obstgehölzen. Freinberg, Treffpunkt:
Jägermayrhof
Montag, 22. Februar: Dr. Herbert Reisinger: Die Orchideen – zauberhafte Schönheiten und raffinierte Verführer
Dienstag, 16. Februar: Exotische Schönheiten für Zuhause. Pflege von Zimmerorchideen
Montag, 29. Februar: Dr. Thomas Mohrs:
Vielfalt ist Leben – Einfalt (gefährlich)
öd. Über den Wert der Diversität unserer
Kulturpflanzen
] Samstag, 6. Februar, Pichlingersee:
Gefiederte Wintergäste. Treffpunkt: 7 Uhr,
Parkplatz beim Campingplatz
] Samstag, 19. März, Pferdebahnpromenade St. Magdalena: Waldvögel. Treffpunkt: 7 Uhr, Park neben der Feuerwache
Nord
A U S S T E L L U N G
Gartenpraxis
Dienstag, 23. Februar: Richtiges Schneiden von Ziergehölzen im Garten
Dienstag, 1. März: Kakteenpflege – Topfen,
Düngen, Vermehren
Dienstag, 15. März: Gartenrundgang auf
der Suche nach Osterdekoration
Dienstag, 22. und 29. März: Der Schnitt
der Rosen praktisch erklärt
G A RT E N P R A X I S
Der Schnitt der
Rosen praktisch
erklärt
Montag, 7. März: DIin Eva Thun-Täubert:
Gärten in Großbritannien – ein persönlicher Querschnitt durch die reiche Gartenfülle. In Kooperation mit der Österr.
Gartenbau-Gesellschaft
Montag, 14. März: Ing. Herbert Pointl:
Heimische Wildblumen für Natur-ErlebnisGärten
A U S S T E L L U N G
TITANWEISS &
HIMBEERROT
Ölmalerei auf Holz
Johanna Gebetsroither
Di., 31. März und 7. April, 14 Uhr
Botanischer Garten:
Treffpunkt Portier
Eintritt: € 5,-
&
ZITRONEN,
ORANGEN
CO
Zauberhafte Vielfalt der Zitrusgewächse
Samstag, 31. Oktober 2015 bis Sonntag, 31. Jänner 2016
Botanischer Garten, Eingangshaus, täglich von 8 bis 17 Uhr geöffnet
(außer 24., 25., 31. Dezember und 1. Jänner).
Samstag, 23. Jänner bis Sonntag, 7. Februar 2016
Vernissage: Freitag, 22. Jänner, 18 Uhr, Botanischer Garten: Seminarraum
Stadtgrün und Straßenbetreuung
Stadtgrün und Straßenbetreuung
Botanischer Garten und Naturkundliche Station
Stadtgärten
Botanischer Garten und Naturkundliche Station
Botanischer Garten und Naturkundliche Station
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ÖKO·L 37/3 (2015)
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