Stillschweigende Umsetzung

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Roh-& Inhaltsstoffe | Analysen, Betrachtungen & Meinungen
Rechtsvorschriften zu Zusatzstoffen
Stillschweigende Umsetzung
Herausforderungen im Zusatzstoffrecht werden gemeistert. Zum 01.06.2013 mussten alle
Lebensmittelhersteller die konsolidierten Rechtsvorschriften zu Zusatzstoffen umgesetzt haben.
Auch wenn die Übergangszeit mit 1 ½ Jahren gut bemessen war, wollten wir aus der Getränkewirtschaft wissen, ob sich Probleme oder andere Herausforderungen ergeben hatten.
von Dr. SYLVIA PFAFF, Food Information Service (FIS) Europe, Bad Bentheim
I m Dezember 2008 wurden die bestehenden Rechtsvorschriften in
vier vereinfachte Verordnungen
(VO) zusammengeführt, die alle sogenannten Stoffe zur Verbesserung
von Lebensmitteln (also Lebensmittelzusatzstoffe, Lebensmittelenzyme
und Aromastoffe) abdecken. Die VO
(EG) Nr. 1331/2008 führte ein einheitliches Zulassungsverfahren für diese
Stoffe ein. Die VO (EG) Nr. 1333/2008
über Lebensmittelzusatzstoffe legte eine Liste der in der EU genehmigten Lebensmittelzusatzstoffe fest, die
in vollem Umfang in der VO (EU) Nr.
1129/2011 veröffentlicht wurde. Zusätzlich wurde mit der VO (EU) Nr.
872/2012 eine Durchführungsverordnung für den Einsatz von Aromastoffen veröffentlicht.
Die von der EU-genehmigten Zusatzsoffe für Getränke werden in der VO
(EU) Nr. 1129/2011 ab der S. 147 aufgelistet. Diese EU-Liste umfasst:
ffdie Bezeichnung des Lebensmittelzusatzstoffes und seine E-Nummer;
ffdie Lebensmittel, denen der Lebensmittelzusatzstoff zugesetzt
werden darf;
Beispiel eines aromatisierten Sportgetränkes (Kategorie 14.1.4)
Verwendete Zusatzstoffe
Einschätzung nach VO (EU) Nr. 1129/2011
E 327 (Calciumlactat)
Zugelassen über Gruppe I, ohne Mengenbeschränkung
E 504 (Magnesiumcarbonat)
Zugelassen über Gruppe I, ohne Mengenbeschränkung
E 202 (Kaliumsorbat)
Zugelassen (ausgenommen Getränke auf Milchbasis), Höchstmenge
250 mg/l, wenn gleichzeitig E 210-E 213 verwendet werden
E 211 (Natriumbenzoat)
Zugelassen (ausgenommen Getränke auf Milchbasis),
Höchstmenge 150 mg/l
E 952 (Natriumcyclamat)
Zugelassen (nur brennwertverminderte oder ohne Zuckerzusatz hergestellte Produkte), Höchstmenge 250 mg/l
E 950 (Acesulfam K)
Zugelassen (nur brennwertverminderte oder ohne Zuckerzusatz hergestellte Produkte), Höchstmenge 350 mg/l
E 951 (Aspartam)
Zugelassen (nur brennwertverminderte oder ohne Zuckerzusatz hergestellte Produkte), Höchstmenge 600 mg/l
E 954 (Natrium-Saccharin)
Zugelassen (nur brennwertverminderte oder ohne Zuckerzusatz hergestellte Produkte), Höchstmenge 80 mg/l
E 300 (Ascorbinsäure)
Zugelassen über Gruppe I, ohne Mengenbeschränkung
E 410 (Johannisbrotkernmehl)
Zugelassen über Gruppe I, ohne Mengenbeschränkung
E 160a (Beta-Carotin)
Zugelassen über Gruppe III, Höchstmenge 100 mg/l
34 | Getränke! 03 | 2013
Roh-& Inhaltsstoffe | Analysen, Betrachtungen & Meinungen
ffdie Bedingungen, unter denen der
Lebensmittelzusatzstoff verwendet
werden darf;
ffBeschränkungen des Verkaufs des
Lebensmittelzusatzstoffes an den
Endverbraucher.
Umsetzung des Zusatzstoffrechts
in den Getränkebetrieben
Über E-Mail und Telefon kontaktierten
wir 18 Getränkehersteller und -abfüller in Deutschland. Die Aufteilung der
Reaktionen war gedrittelt: 1/3 hat garnicht auf unsere Fragen reagiert, 1/3
hat sofort abgesagt und 1/3 hat die
Fragen beantwortet. Alle sechs reagierenden Hersteller waren über die Änderungen im Recht über ihren Grundstoffhersteller oder über Verbände, Institute oder Fachzeitschriften informiert. Direkt betroffen waren vier der
sechs Hersteller, die beiden anderen
waren reine Dienstleister, die Etiketten
und weiteres Verpackungsmaterial gestellt bekamen.
Alle betroffenen Hersteller mussten
Etiketten neu gestalten. Hierdurch entstanden die unterschiedlichsten Kosten:
ffZeit für die Anpassung der Rezeptur
durch Austausch von Zusatzstoffen
oder Mengenveränderung;
ffErstellung von neuen Druckplatten
für die Bedruckung von Sleeve
Etiketten;
ffKosten durch die Werbeagentur für
die Neugestaltung von Etiketten;
ffVernichtung von alten Etiketten;
ffZeit für die organisatorische Herausforderung, dass zeitgleich alle Etiketten für verschiedene Artikel umgestellt werden mussten.
Die Umstellungen wurden zusätzlich
erschwert, weil teilweise die Interpretationen des Rechts von verschiedenen
Quellen, z. B. Rechtsanwälte oder Labore, unterschiedlich waren. Interessanterweise wurden auch Hinweise auf
eine inkorrekte Etikettierung seitens
der Abfüller an Kunden, die ins europäische Ausland exportierten, ignoriert. Es stellt sich hier die Frage, ob andere Mitgliedstaaten die Umsetzung
laxer handhaben als die Deutschen.
Im Großen und Ganzen ist die Umstellung mit der deutschen Gründlichkeit vollzogen worden und die Kosten
wurden stillschweigend getragen. Im
hart umkämpften Getränkemarkt sind
dies sicherlich wieder eine große Herausforderung für kleine Hersteller, die
sich bald nicht mehr im Kostengefüge
durchsetzen können.
Ausblick
Diese Anpassung war nicht die letzte. Bereits jetzt ist sicher, dass auch die
bis zum 13.12.2014 umzusetzende
Lebensmittelinformationsverordnung
(VO (EU) Nr. 1169/2011) Kennzeichnungsänderungen erforderlich machen
wird. Der Hersteller muss dabei beachten, dass er diese Änderungen solange vorziehen kann, wie die Umsetzung auch dem (noch) geltenden Recht
entspricht. Sind neue Regelungen (wie
etwa der Wegfall der Darstellung des
Mindesthaltbarkeitsdatums im Sichtfenster) nicht mit den geltenden Reglungen zu vereinbaren, muss der Hersteller offi­ziell warten, bis er die Umstellung vollziehen kann. Da dies aufgrund der gleichzeitigen Umstellung aller Etiketten nicht praktikabel ist, und
dadurch auch der Verbraucher nicht
getäuscht wird, wenn das MHD auf der
Flaschen- bzw. Getränkerückseite angebracht ist, sollte der Hersteller seine
zuständige Behörde kontaktieren und
die Pläne für eine Umstellung mit den
auftretenden Problemen besprechen.
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Roh-& Inhaltsstoffe | Analysen & Betrachtungen
Organische Verbindungen für lebenswichtige Funktionen
Vitamine – Hoffnung
und Realität
Gesundheitsförderlich oder gesundheitsschädlich? Wer kennt nicht Vasco da Gama, den portugiesischen Seefahrer, der den Seeweg am Kap der Guten Hoffnung entdeckte? Es ist mittlerweile schon legendär, dass er von seinen 160 Männern auf See ungefähr 100 an die Krankheit
Skorbut verlor. Skorbut war die damals stark gefürchtete Vitaminmangelkrankheit unter den
Seeleuten, begünstigt durch die vitaminarme Ernährung auf hoher See, die hauptsächlich aus
Zwieback und Pökelfleisch bestand. Das Fehlen von Vitamin C löst diese Mangelerscheinungen
aus, die letztendlich zum Tod führten. Abgeholfen wurde dem Übel durch die Entdeckung des
Arztes James Lind, der feststellte, dass ausgerechnet Zitrusfrüchte mit ihrem Vitamin-C-Gehalt
gegen Skorbut wirkten.
von Sibylle Schäfer, Freie Journalistin
Gesundheitsbewusstsein der
Verbraucher
Heutzutage, etwas mehr als 250 Jahre später, gilt die Sorge um die eigene Gesundheit mit als das oberste Gebot beim Verbraucher. Und so hat sich
im Lauf der Zeit auch bei den Durststillern der Konsumenten-Blickwinkel
vom reinen Erfrischungsgetränk zum
Getränk mit gesundheitlichem Zusatznutzen gedreht. Nun streitet sich kein
Experte mehr darüber, dass beim Vitaminverzehr die beste Wahl darin besteht, Obst und Gemüse als Hauptlieferanten von Vitaminen möglichst im
frischen Zustand zu sich zu nehmen.
Der frisch gepresste Orangen- oder
Grapefruitsaft ist dabei ebenso beliebt
wie der Smoothie aus einem Fruchtmix
von Äpfeln, Himbeeren, Ananas, Melone oder Banane. Doch der Alltag ist
hektisch und die täglichen Belastungen
lassen nicht Jederfrau und Jedermann
Zeit und Gelegenheit, den frischen Saft
zu pressen. Was also tun? Sind Fruchtsäfte, Fruchtsaftgetränke oder Limonaden mit zugesetzten Vitaminen in irgendeiner Form ein adäquater Ersatz?
Können isolierte oder künstliche Vitamine an die Wirkung von Vitaminen
aus frischem Obst und Gemüse überhaupt heranreichen?
Natürliche und synthetische
Vitamine
Was sind nun die Nachteile synthetischer Vitamine? Synthetische Vitamine werden in Labors hergestellt. Das
alleine bringt es schon mit sich, dass
sie im Gegensatz zu natürlichen Vitaminen keine zusätzlichen Nährstoffe enthalten können. Somit sind synthetische Vitamine Einzelwirkstoffe,
die nur einen von vielen nützlichen
Nährstoffen kopieren können. Folglich
kann sich das gesundheitsfördernde
Zusammenwirken verschiedener Nährstoffe nicht wie bei Pflanzenstoffen
entfalten. Und wie sehen die Vorteile
der künstlichen Vitamine aus? Abge-
36 | Getränke! 03 | 2013
sehen davon, dass sie durch ihre Herstellung im Labor jederzeit verfügbar
werden, wirken synthetische Vitamine
unter speziellen Bedingungen genauso gut wie natürliche Vitamine. Unter diesen Bedingungen ist die richtige
Dosierung für den Einzelnen allerdings
schwieriger zu erreichen als mit natürlichen Vitaminen.
Die CARET-Studie
In letzter Zeit häufen sich die Stimmen, die vor künstlich hergestellten
Vitaminen warnen, da Studien zu diesem Thema sehr ernüchternd ausfallen. So darf es nicht bei der Binsenweisheit bleiben, dass ein nach wissenschaftlicher Erkenntnis ansonsten
gesunder, aus der Natur kommender
Stoff gefährlich werden kann, wenn
der Mensch ihn isoliert. Denn genau
dazu ist die Wissenschaft im 21. Jahrhundert ohne weiteres fähig. Verstärkt
in den Blickpunkt der Forschung sind
in diesem Zusammenhang Multivitaminsäfte mit den Vitaminzusätzen A,
C und E, sowie dem Provitamin Betacarotin, der Vorstufe von Vitamin A,
gerückt. Ausgangspunkt war schon
in den 90er Jahren die sogenannte
CARET-Studie. Hierbei wurde deutlich, dass in der Zielgruppe der Raucher die Häufigkeit von Lungenkrebs
bei denjenigen Betroffenen zunahm,
die über einen längeren Zeitraum
Vitaminpräparate zu sich genommen
hatten. Anstatt dass sich die Krebsrate, wie erwartet, absenkte, stieg sie
bei den Probanden um 18 %. In die-
Roh-& Inhaltsstoffe | Analysen & Betrachtungen
ser Studie wurde das Provitamin Betacarotin zugeführt. Die Studie wurde mit Bekanntwerden der Ergebnisse abgebrochen und die Verwendung
von Betacarotin sowie seiner chemischen Verwandten ist seither in fast
allen Ländern genau festgelegt. Kein
Wunder also, dass auch für die Beimischung dieser Vitamine zu Lebensmitteln Höchstgrenzen bestehen.
Getestete Multivitaminsäfte
Im März 2012 veröffentlichte die Stiftung Warentest die Bewertung von 22
Multivitaminsäften. Dabei wurden vielfältige Schwächen bei der Verwendung von Vitaminen in den betreffenden Fruchtsäften festgestellt.
Zum einen ist den Endverbrauchern
oftmals gar nicht bewusst, dass in den
Säften anstatt Vitaminen aus Früchten
synthetische Vitaminmischungen verwendet werden. Dazu kommt, dass
teilweise im Saft selbst eine höhere
Dosis der Vitamine festgestellt wurde,
als auf der Verpackung angegeben.
Dies birgt die Gefahr einer Überdosierung mit den synthetischen Vitaminen.
So kam die Stiftung Warentest zu dem
Schluss, dass es für den Konsumenten nicht wirklich möglich ist, seinen
Vitaminverbrauch zuverlässig zu berechnen. Während sich sechs Säfte als
mangelhaft erwiesen, war der „sehr
gut“ getestete Rabenhorst „11 plus
11“-Saft der eindeutige Sieger in der
Konkurrenz, gefolgt von „Amecke Intense Multivitamin“ und „Fruchtstern
Multivitaminsaft“ des Netto MarkenDiscount. Wobei Rabenhorst auch mit
einer sehr guten Vitaminzufuhr punkten konnte.
Problematisch bei der Beimischung
von Vitaminen in Fruchtsäften erweist
sich die Tatsache, dass sich die Hersteller aufgrund des Vitaminzerfalls, zum
Beispiel im Licht, gezwungen sehen,
zu Anfang eine höhere Dosis beizumengen. Wie sonst soll bis zum Ende
des Mindeshaltbarkeitsdatums der
Vitaminbestand im Saft gewährleistet werden? Allerdings dürfte solch ein
Problem wie die Lichteinwirkung durch
die Verwendung von dunklen Glasflaschen oder Verbund-Kartonagen leicht
zu umgehen sein.
Gefahr von Überdosierung
Unter dem Blickwinkel der Überdosierung von Vitaminen in Fruchtsäften
würde es für Freunde dieses flüssigen
Obstes zum Problem, jeden Tag einen
Liter des vitaminangereicherten Saftes zu sich zu nehmen. Es müssen also
gar nicht unbedingt die synthetischen
Vitamine in Pillen und Vitaminpräparaten sein, die die Gesundheit gefährden können. Tatsächlich kann auch
der übermäßige Verzehr von Vitamingetränken Gefahr in sich bergen. Wie
kann sich der Verbraucher also schützen? Offensichtlich dient auch hier, wie
bei der gesamten Ernährungszusammenstellung, beim Griff ins Getränkeregal eine regelmäßige Abwechslung
bei den funktionalen Getränken dem
gesunden Ausgleich, der einseitigen
Gefährdungen vorbeugt. Diese Tatsache steht dann allerdings konträr zum
Sinne der Kundenbindung, die die Getränkehersteller
verständlicherweise anstreben und zeigt, dass das Beimischen von Vitaminen eine schwierige Gratwanderung darstellen kann.
So muss jeder Getränkehersteller genau abwägen, wie er diesen Konflikt
auflöst. Denn bei einer Studie oder einem Testverfahren schlecht dazustehen, führt zur negativen Publicity, die
dann für die Marke wiederum gefährlich werden kann.
Gesundheitsförderlich
oder gesundheitsschädlich?
Bei derart heiklen Themen wie „gesundheitliche Förderung“ durch die
Beimischung von Vitaminen in einem
Getränk ist gerade die Vertrauensbasis zum Kunden besonders wichtig.
Der Konsument möchte sich darauf
verlassen können, dass wissenschaftliche Versprechungen haltbar sind, die
angegebene Dosierung richtig ist, kei-
ne falschen Versprechungen gemacht
werden und – vor allem – dass er sich
durch den Verzehr nicht in eine gefährliche Situation hineinmanövriert.
Deshalb empfehlen die Verbraucherzentralen die Anreicherung von Getränken mit Zusatzstoffen nur dann,
wenn tatsächlich ein gesundheitlicher Vorteil damit verknüpft ist. Da
in Deutschland die Bevölkerung nicht
generell unter Vitaminmangel leidet,
kann nicht oft genug auf die Sensibilität dieses Themas hingewiesen werden. Ansonsten laufen Hersteller von
funktionellen Getränken Gefahr, mit
der Werbung für ihre Produkte durch
einen so einfachen wie simplen Hinweis an die Bevölkerung vom Tisch
gefegt zu werden: „Ernähren Sie sich
abwechslungsreich und gesund mit
Obst und Gemüse. Das ist die notwendige Grundvoraussetzung, um
gesund zu bleiben.“
Ob es sich um das Beimischen natürlicher oder synthetischer Vitamine in Getränken handelt, der sensible Umgang mit dieser Problematik entscheidet auch bei Getränken mit über
den Erfolg oder Misserfolg der jeweiligen Marke. Deshalb sollte ein offener
und offensivere Umgang mit dem Thema das A und O der Getränkehersteller sein, die sich in diesem Marktsegment bewegen. So vermeiden sie am
ehesten, dass ihre innovativen Produktreihen mit einfachen Tipps von außen
ganz leicht unattraktiv erscheinen können.
drinktec 2013
AfG-Markt mit neuen Herausforderungen
Frankreich führte im Januar 2012 die
sogenannte „Cola-Steuer“ für alle
mit Zucker oder Süßstoff angereicherten Getränke ein. In Ungarn gibt
es bereits seit September 2011 eine
„Chips-Steuer“, die u. a. übermäßig süße Getränke betrifft. Auch die
USA erwägen die Einführung einer
solchen Abgabe. Diese Entwicklungen zwingen die Getränkeindustrie,
bei der Zusammensetzung und Herstellung ihrer Produkte umzudenken.
Weltweit prägen derzeit vier Trends
das Verbraucherverhalten beim Konsum alkoholfreier Getränke. Der Verbraucher achtet beim Kauf zunehmend auf „Natürlichkeit“, also auf
Produkte mit natürlichen Inhaltsstoffen. Außerdem werden Produkte mit
gesundheitlichem Nutzen bevorzugt
– funktionelle Getränke gelten derzeit als Innovationsmotor. Natürlich-
keit und Funktion alleine machen jedoch noch keinen zufriedenen Verbraucher: Das Trinken soll auch einen
Genuss darstellen, und zwar durch
hervorragenden Geschmack, Aroma und „Mouthfeeling“. Schließlich greift nach wie vor der Convenience-Gedanke in unserer mobilen Gesellschaft. Diese Trends haben
Auswirkungen auf alle alkoholfreien Getränke, angefangen bei Wasser, Softdrinks, Säften und Nektaren
über Energy- und Sportdrinks bis hin
zu Kaffee- und Teefertiggetränken.
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zeigt die drinktec 2013 auf dem Gelände der Messe München.
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Getränke! 03 | 2013 | 37
Roh-& Inhaltsstoffe | Analysen & Betrachtungen
Auswertung wissenschaftlicher Informationen zu Aspartam
Süß und sicher?
Einschätzung von Aspartam durch die EFSA. Immer wieder sind künstliche Süßungsmittel in der
Kritik. Obwohl sie wie Aspartam bereits seit 30 Jahren zugelassen sind und verwendet werden,
ist eine erneute Sicherheitsbewertung durch die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde
(EFSA) zur unbedenklichen Aufnahme sinnvoll. Denn künstliche Süßungsmittel haben auch Vorteile: Sie sind praktisch kalorienfrei und süßen das Getränk ohne diesen negativen Begleitumstand. Durch zuckerhaltige Getränke werden durchschnittlich 600 Kalorien zusätzlich am Tag
aufgenommen, die zu Übergewicht beitragen können.
von Dr. SYLVIA PFAFF, Food Information Service (FIS) Europe, Bad Bentheim
G emäß den EU-Rechtsvorschriften bedürfen Lebensmittelzusatzstoffe einer Zulassung, bevor sie in Lebensmitteln
verwendet werden dürfen. Die Zulassung seitens der Risikomanager erfolgt nach gründlicher Sicherheitsbewertung durch die EFSA. Sobald die
Substanzen genehmigt sind, werden
sie in eine EU-Liste zulässiger Lebensmittelzusatzstoffe aufgenommen, die
auch die jeweiligen Verwendungsbedingungen näher aufführt. Die Sub­
stanzen müssen außerdem die genehmigten Reinheitskriterien der Verordnung (EU) Nr. 231/2012 erfüllen.
Sicherheitsbewertung von
Lebensmittelzusatzstoffen
Im Dezember 2008 wurden die bestehenden Rechtsvorschriften in vier
vereinfachten Verordnungen (VO) zusammengeführt, die alle sogenannten Stoffe zur Verbesserung von Lebensmitteln (also Lebensmittelzusatzstoffe, Lebensmittelenzyme und Aro-
mastoffe) abdecken. Die VO (EG) Nr.
1331/2008 führte ein einheitliches
Zulassungsverfahren für diese Stoffe
ein. Die VO (EG) Nr. 1333/2008 über
Lebensmittelzusatzstoffe legte eine
Liste der in der EU genehmigten Lebensmittelzusatzstoffe fest, die in vollem Umfang in der Verordnung (EU)
Nr. 1129/2011 veröffentlicht wurde.
Zusätzlich wurde mit der VO (EU) Nr.
872/2012 eine Durchführungsverordnung für den Einsatz von Aromastoffen veröffentlicht.
Die EFSA hat drei Hauptaufgaben im
Bereich der Lebensmittelzusatzstoffe:
ffdie Sicherheitsbewertung von neuen Lebensmittelzusatzstoffen oder
vorgeschlagenen neuen Verwendungen von vorhandenen Lebensmittelzusatzstoffen, bevor diese für
die Verwendung in der EU zugelassen werden können;
ffdie Neubewertung aller bereits
vor dem 20.01.2009 zugelassenen Lebensmittel­zusatzstoffe in
der EU;
ffdie Beantwortung von Ad-hoc-Ersuchen der Europäischen Kommission um Überprüfung bestimmter Lebensmittelzusatzstoffe angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und/oder veränderter
Verwendungsbedingungen.
Im Rahmen ihrer Sicherheitsbewertungen von Lebensmittelzusatzstoffen
legt die EFSA, wenn genügend Informationen vorliegen, für jede einzelne
Substanz eine zulässige tägliche Aufnahmemenge (Acceptable Daily Intake – ADI) fest. Beim ADI-Wert handelt es sich um die Menge eines Stoffes, die ein Mensch lebenslang täglich
zu sich nehmen kann, ohne dass ein
nennenswertes Risiko für seine Gesundheit besteht. ADI-Werte werden
gewöhnlich in Milligramm (der Sub­
stanz) pro Kilogramm Körpergewicht
pro Tag (mg/kg KG/Tag) angegeben.
Der ADI-Wert kann sich auf einen bestimmten Zusatzstoff oder eine Gruppe von Zusatzstoffen mit ähnlichen Eigenschaften beziehen. Bei der Neubewertung von früher zugelassenen Zusatzstoffen kann die EFSA nach Auswertung aller verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse einen bestehenden ADI-Wert entweder bestätigen oder abändern.
Wissenschaftliche Gutachten zur
Sicherheit von Aspartam
Vom 08.01. – 15.02.2013 führte die
EFSA eine öffentliche Online-Konsultation über ihren Entwurf eines wissenschaftlichen Gutachtens zur Sicherheit von Aspartam durch. Sämtliche Interessenvertreter und interessierte Dritte waren dabei aufgerufen, ihre Stellungnahmen zum besagten Gutachtenentwurf abzugeben. Im
Rahmen dieses wichtigen Prozesses
38 | Getränke! 03 | 2013
Roh-& Inhaltsstoffe | Analysen & Betrachtungen
sowie angesichts der Verpflichtung
der Behörde zur aktiven Einbeziehung
ihrer Interessengruppen hielt die EFSA
zudem eine Sitzung mit interessierten Dritten ab, auf der der Gutachtenentwurf sowie die Rückmeldungen
aus der öffentlichen Online-Konsultation erörtert wurden. Im Zuge der Online-Konsultation gingen bei der EFSA
über 200 Stellungnahmen ein. Durch
diesen Prozess wurde sichergestellt,
dass nichts unversucht bleibt, um ein
breitmöglichstes Spektrum an wissenschaftlichen Ansichten und Informationen zu berücksichtigen, bevor das
Gremium für Lebensmittelzusatzstoffe und Lebensmittel zugesetzte Nährstoffquellen sein Gutachten verabschiedet.
Aspartan – Eigenschaften &
Verwendungen
Aspartam ist ein kalorienarmes, intensives künstliches Süßungsmittel. Es
handelt sich um ein weißes, geruchloses Pulver, das etwa 200-mal süßer ist
als Zucker. In Europa ist Aspartam für
die Verwendung als Tafelsüßstoff sowie als Lebensmittelzusatzstoff in Getränken, Desserts, Süßwaren, Milchprodukten, Kaugummi, kalorienreduzierten Produkten und Erzeugnissen zur Gewichtskontrolle zugelassen. Aspartam wird entweder als alleiniger Süßstoff oder in Verbindung
mit Zucker oder anderen Süßungsmitteln eingesetzt. In Verbindung mit anderen Süßungsmitteln trägt Aspartam
dazu bei, den metallischen bzw. bitteren Nachgeschmack verschiedener
Süßstoffe wie Saccharin oder Acesulfam-K zu verdecken.
Aspartam wird aus zwei Aminosäuren hergestellt. Diese Eiweißbausteine sind von Natur aus in Eiern, Fleisch,
Fisch und Obst enthalten. Verschiedene Geschmackstests haben belegt, dass sich Aspartam und Zucker
vom Geschmack her so ähnlich sind,
dass viele Verbraucher in Wasserproben praktisch keinen Unterschied zwischen den beiden Süßungsmitteln erkennen können. Darüber hinaus dient
Aspartam der Fruchtgeschmacksverstärkung, was insbesondere bei der
Herstellung von Fruchtsaftgetränken
und Fruchtzubereitungen für Jogurts
von großem Nutzen ist. Aspartam ist
praktisch kalorienfrei und kann den
Kaloriengehalt von alkoholfreien Erfrischungsgetränken daher um bis zu
99 % reduzieren. Alkoholfreie, mit Aspartam gesüßte Erfrischungsgetränke haben einen frischen, zuckerähnlichen Geschmack, der in Getränken
vieler verschiedener Geschmacksrichtungen, insbesondere aber bei Zitrusfruchtsäften, zur Geltung kommt.
Das Süßungsmittel Aspartam und seine Abbauprodukte sind seit mehr als
30 Jahren Gegenstand umfassender
Untersuchungen, darunter Tierversuchsstudien, klinische Studien, Verzehrstudien, epidemiologische Stu­
dien und Überwachungsstudien nach
dem Inverkehrbringen. Aufgrund eingehender
Sicherheitsbewertungen
gilt Aspartam als unbedenklich für
den menschlichen Verzehr.
Neubewertung von Aspartam
Die Hauptaufgabe der EFSA im Zusammenhang mit der Sicherheitsbewertung von Aspartam besteht darin, auf Ersuchen der Risikomanager
um wissenschaftliche Beratung zu
antworten und kontinuierlich die wissenschaftliche Fachliteratur, die einen
Einfluss auf die Beurteilung der Unbedenklichkeit dieses Stoffes haben
könnte, zu sichten und auszuwerten.
Im Rahmen des Programms zur Neubewertung aller vor dem 20.01.2009
zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe bis zum Jahr 2020 muss die EFSA
auch die Unbedenklichkeit von Aspartam erneut überprüfen. Diese Neubewertung, deren Abschluss ursprünglich für spätestens 2020 vorgesehen
war, wurde auf Ersuchen der Europäischen Kommission auf 2013 vorgezogen.
Diese neue wissenschaftliche Arbeit
war mit der bislang umfassendsten
und gründlichsten Auswertung wissenschaftlicher Informationen zu Aspartam verbunden, welche sich auf
Daten und Studien von den 1960er
Jahren bis heute erstreckte. Dabei
wurden neben den Informationen, die
erstmals vor der Zulassung von Aspartam bewertet worden waren, auch
aktuellere wissenschaftliche Literatur
und Daten kritisch ausgewertet und
interpretiert.
Darüber hinaus gingen in die neue
Risikobewertung der EFSA auch die
jüngsten wissenschaftlichen Denkansätze und methodischen Herangehensweisen bei der Risikobewertung
von in Lebensmitteln eingesetzten
chemischen Stoffen ein.
Während der ADI-Wert von
40 mg/kg Körpergewicht pro Tag bei
früheren Sicherheitsbewertungen von
Aspartam aus Langzeittoxizitätsstudien an Tieren abgeleitet worden war,
werden bei der neuen Risikobewertung auch Informationen aus Studien
am Menschen herangezogen. Der bis-
herige ADI-Wert erlaubt einem 70 kg
schweren Menschen einen Verzehr
von 4,5 l energiereduzierte bzw. zuckerfreie Getränke ohne Alkohol, die
bis zu 600 mg Aspartam pro Liter enthalten können.
Aspartam wird im Zuge des Stoffwechsels in seine Bausteine Asparaginsäure, Phenylalanin und Methanol
zersetzt. Es ist daher für Menschen,
die mit Phenylketonurie leben, nicht
geeignet, da die Anreicherung der
Aminosäure Phenylalanin im Körper
zu ernsten gesundheitlichen Schäden
führt. Lebensmittel, die den Süßstoff
enthalten, tragen daher den Warnhinweis „enthält eine Phenylalaninquelle“. In der EU müssen Lebensmittel, die Aspartam enthalten, als solche
gekennzeichnet sein, indem entweder
die Bezeichnung „Aspartam“ oder die
entsprechende E-Nummer (E 951) auf
der Verpackung angegeben wird.
Trotz der bereits gesichteten Stellungnahmen und Sitzungen sind die
EFSA und die Europäische Kommission übereingekommen, den Zeitrahmen für die von der Behörde vorgenommene vollständige Neubewertung von Aspartam zu verlängern, damit ausreichend Zeit zur Verfügung
steht, um Rückmeldungen – einschließlich neuer Informationen aus
der zum Gutachtenentwurf durchgeführten öffentlichen Konsultation – zu
berücksichtigen und darauf einzugehen. Das vollständige Gutachten wird
daher im November 2013 zur Verfügung stehen.
Literatur
(1)
www.efsa.europa.eu/de/topics/to
www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/as
partame.htm
(2)
www.efsa.europa.eu/de/faqs/faqaspar
tame.htm#2
(3)
www.prozesstechnik-online.de/food/-/
article/5829531/25665270/S%C3% BC%C3%9F(4)
und-gesund/art_co_INSTANCE_0000/maximized/
www.zusatzstoffe-online.de/zusatz
stoffe/291.e951_aspartam.html
(5)
FEI-Jahrestagung 2013
Der Forschungskreises der Ernährungsindustrie e.V. (FEI) läd zur Jahrestagung am 10./11.09.2013 ins
Karlsruher Institut für Technologie
(KIT) ein. Sechs Projektleiter präsentieren Forschungsergebnisse ihrer
Projekte, die über den FEI realisiert
wurden.
i
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www.fei-bonn.de
Getränke! 03 | 2013 | 39
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