Staatsfonds als Investoren: Anforderungen an Zweck und Organisation D I S S E RTAT I O N der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen (HSG) zur Erlangung der Würde einer Doktorin der Rechtswissenschaft vorgelegt von Patrizia Köbeli von Zetzwil (Aargau) Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Dr. h.c. Carl Baudenbacher und Prof. Dr. Matthias Oesch Dissertation Nr. 4669 Helbing Lichtenhahn Verlag, 2017 Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen. St. Gallen, den 23. Mai 2017 Der Rektor: Prof. Dr. Thomas Bieger Danksagung Die vorliegende Arbeit mit dem Titel «Staatsfonds als Investoren: Anforderungen an Zweck und Organisation» wurde im Mai 2017 als Dissertation an der Universität St. Gallen angenommen und hat zum Ziel aufzuzeigen, was die Anforderungen an Zweck und Organisation von Staatfonds sind, damit diese als normale institutionelle Investoren qualifizieren. Die Idee entstand 2012 als eine Debatte geführt wurde, ob die Schweiz einen Staatsfonds gründen soll. Die Diskussionen hielten bis zum Abschluss der Dissertation an und es wird spannend sein zu verfolgen, wie sie sich weiterentwickeln werden. An dieser Stelle möchte ich den Personen danken, die mich bei der Umsetzung meines Projekts unterstützt haben. An erster Stelle bin ich meinem geschätzten Doktorvater Prof. Dr. Dr. h.c. Carl Baudenbacher verpflichtet. Ihm verdanke ich nicht nur einen angenehmen und inspirierenden inhaltlichen Austausch über mein Thema. Er hat mir auch eine spannende und erfüllende Tätigkeit im Institut für europäisches und internationales Wirtschaftsrecht, im «Competence Center for International Law» und im «Executive Master of European and International Business Law – Executive M.B.L.-HSG» ermöglicht. Prof. Dr. Matthias Oesch danke ich für die Übernahme des Koreferats. Mein Projekt wäre aber nicht zu einem guten Ende gekommen ohne die Unterstützung meiner Familie. Erstens danke und gedenke ich meiner Schwester, Michèle Köbeli (1993–2012). Sie hat mir mit ihrer aufgestellten, positiven und liebenswürdigen Art aufgezeigt, dass nichts unmöglich ist und dass es sich lohnt zu kämpfen. Zweitens danke ich meinen Eltern, die immer für mich da waren, sind und die mich in meiner gesamten Ausbildung unterstützt haben. Auch möchte ich meinem Partner, Roger Bachmann, danken. Er hat mich viele Jahre lang bei der Realisierung meines Projekts unterstützt und Verständnis dafür gehabt, dass die Tage lang und die Wochenenden kurz waren. Roger war mir stets ein guter Diskussionspartner, der mich oft durch inspirierende Gespräche aus Schreibblockaden herausgeholt hat. Nicht vergessen möchte ich meine Freundinnen und Freunde, die mich immer wieder motiviert und abgelenkt haben. Zürich, August 2017 Patrizia Köbeli V Abstract Staatsfonds sind vor allem während der Finanzkrise 2007/08 öffentlich diskutiert worden, nachdem sie bei Investitionen in westliche Unternehmen zum Teil grosse Beteiligungen erwerben konnten. Sie existieren jedoch bereits seit über 60 Jahren. Es handelt sich bei ihnen um im Eigentum von Staaten stehende Investitionsvehikel, die überschüssige Währungsreserven verwalten und sowohl im In- als auch im Ausland investieren. Staatsfonds kommen mehrheitlich aus ressourcenreichen Staaten, aber auch aus solchen mit grossen Währungsreserven. Infolge eines jahrelang hohen Erdölpreises sind diese Fonds angewachsen und neue wurden gegründet. Der weltweite Boom dieser nicht privaten, sondern staatlichen Investoren weckte Bedenken, es würde zu politisch statt wirtschaftlich motivierten internationalen Investitionen kommen. Infolgedessen haben verschiedene Staaten Schutzmassnahmen gegen unerwünschte Investitionen ergriffen, darunter Deutschland und die USA. Die vorliegende Arbeit behandelt die Frage, was die Anforderungen an Zweck und Organisation von Staatsfonds sein müssen, damit diese als normale institutionelle Investoren, d.h. nicht politisch motivierte, angesehen werden können. Des Weiteren prüft die Arbeit, ob das bestehende nationale Schweizer Recht den geäusserten Befürchtungen gegenüber Staatsfondsinvestitionen genügend Rechnung trägt. Schliesslich wird diskutiert, wie sichergestellt werden kann, dass die Anforderungen an Zweck und Organisation von den Staatsfonds eingehalten werden, um Vertrauen in ihre normale Arbeitsweise zu schaffen. During the financial crisis 2007–2008, sovereign wealth funds (SWFs) moved into the center of public debate, investing heavily in Western companies. However, SWFs are not new constructs; they have been around for over 50 years. They were mainly founded by resource-rich countries, but also by countries with large currency reserves. SWFs are owned by states and manage excess foreign reserves, investing them both domestically as well as abroad. As a result of years of high oil price, the funds grew rapidly and many countries established new sovereign wealth funds. The sudden worldwide interest, along with the fact that these are not private but public investors, led to global concern. As a result, several states such as Germany and the USA have taken protective measures. The present thesis deals with the actual requirements for purpose and organization of sovereign wealth funds to allow them to be regarded as normal invesVII Abstract tors. Furthermore, it assesses whether Swiss national law is sufficiently taking into account the given concerns regarding SWF investments. Lastly, it deals with the question of how to ensure that the requirements for purpose and organization are complied with by SWFs, so that confidence in their normal operation can be created. Les fonds souverains ont surtout été traités publiquement pendant la Crise financière 2008/2007, après que ces fonds ont acquis des parts importantes d’entreprises occidentales, bien qu’ils existent déjà depuis plus de 60 ans. Il s’agit de véhicules d’investissements d’Etat, qui permettent de gérer les réserves monétaires excédentaires et d’investir dans le pays même ainsi qu’à l’étranger. Ces fonds souverains proviennent surtout de pays riches en ressources naturelles, mais aussi de pays qui ont beaucoup de réserves monétaires. Suite au prix élevé du pétrole, ces fonds ont augmenté et de nouveaux fonds ont été créés. Le boom mondial de ces investisseurs institutionnels – et non privés – a soulevé le doute qu’il pourrait s’agir d’investissements internationaux motivés par des raisons politiques et non économiques. Par conséquent, différents pays – entre autre l’Allemagne et les États-Unis – ont pris des mesures de protection contre ces investissements non désirés. Cette thèse traite de la question suivante: Quelles sont les conditions pour déterminer le but et l’organisation de fonds souverains de sorte que ces fonds puissent être qualifiés d’investisseurs institutionnels normaux et, par conséquent, ne soient pas des investisseurs motivés par des raisons politiques. En outre, cette thèse examine si le droit suisse existant prend suffisamment en compte les doutes mentionnés. Finalement, ce travail permet de voir comment on pourrait s’assurer que les conditions réglementant le but et l’organisation des fonds souverains soient constamment remplies pour créer un climat de confiance dans le mode de fonctionnement habituel des fonds en question. VIII Inhaltsübersicht Abstract . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXI Internetquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LXV Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XCI Erster Abschnitt: Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §2 Beitrag zur Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 §3 Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 §4 Struktur der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 §5 A. B. C. D. . . . . 13 13 18 22 . . 33 51 ... 60 B. C. D. E. Bedrohungsszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Szenario 1: Überfremdung durch Investoren mit einem anderen Wertesystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Szenario 2: Marktverzerrung durch staatliche Eigentümerschaft . . Szenario 3: Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzmarktes . . . Szenario 4: Veränderung der globalen Ordnung . . . . . . . . . . . . . Szenario 5: Negative Auswirkungen auf die Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . 60 76 83 89 94 §7 A. B. C. D. E. Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adressaten und Stakeholder . . . . . . . . . . . . . Zielsetzung und Gegenstand . . . . . . . . . . . . Stufen der Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . Mögliche internationale Foren für Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 100 116 117 121 124 E. §6 A. Staatsfonds als Investitionsvehikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Begriff Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kategorisierung von Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele für Entstehungsgeschichte, Ziele und Organisationsmodelle von Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Einordnung von Staatsfonds und deren Immunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Inhaltsübersicht F. G. Schranken der nationalen Regulierung – Beispiel Schweiz . . . . . . . . . 138 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 §8 A. B. C. D. E. F. G. Regulierungslandschaft der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatliche Unternehmen sowie Kontrollmehrheit . . . . . . . . . . . . Spezialgesetzlich geregelte Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stillschweigepflichten, Geschäftsgeheimnisse und Treuepflichten Geldwäschereigesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 152 154 159 160 165 168 171 §9 A. B. C. D. E. Reaktionen anderer Zielländer auf die Staatsfondsdebatte USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 173 179 183 187 189 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10 Reaktionen internationaler Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 A. OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 B. IWF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 § 11 A. B. C. D. E. F. Regulierung aus Sicht des Herkunftsstaats . . . Grundsätze der Corporate Governance . . . . . OECD-Grundsätze der Corporate Governance Santiago-Prinzipien (GAPP) . . . . . . . . . . . . Norwegen – GPFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Singapur – GIC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 200 201 203 208 216 222 § 12 Handlungsbedarf für die Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 A. Bewertung der aktuellen Gesetzeslandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 B. Identifizierte Lücken im Hinblick auf Staatsfondsinvestitionen im Zielland Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 § 13 Regulierungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Mögliche Massnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Prüfung der Eignung internationaler Organisationen zur Staatsfondsregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 . . . . . . . . . . 233 . . . . . . . . . . 246 . . . . . . . . . . 252 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . 253 A. Forderung nach einem Schweizer Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 B. Gründung eines Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 X Inhaltsübersicht C. D. Bewertung der Gründung eines Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Vierter Abschnitt: Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 § 15 A. B. C. D. E. F. G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatsfonds als Investitionsvehikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedrohungsszenarien durch Staatsfondsinvestitionen . . . . . . . . . . Notwendigkeit einer Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nationale und internationale Reaktionen sowie Überblick über die aktuell bestehende Gesetzeslandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Möglichkeit der Regulierung eines Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 297 298 299 300 . . . 301 . . . 302 . . . 303 § 16 Beantwortung der Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 XI Inhaltsverzeichnis Abstract . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXI Internetquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LXV Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XCI Erster Abschnitt: Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §2 Beitrag zur Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 §3 Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 §4 Struktur der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 §5 Staatsfonds als Investitionsvehikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Begriff Staatsfonds . . I. Staat als Eigentümer . II. Investitionsvehikel . . III. Wirtschaftliche Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Staatliche Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Hedgefonds, Mutual-Funds, Private-Equity-Funds III. Pensionsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stabilisierungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zentralbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Kategorisierung von Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Organisation von Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Führungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Herkunft der Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ziele und Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stabilisierungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konjunkturstabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . b) Volkswirtschaftliches Währungsgleichgewicht 2. Spar- und Generationenfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 13 14 16 17 18 18 19 20 20 21 22 22 22 23 24 26 26 26 27 28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . 29 29 30 30 Beispiele für Entstehungsgeschichte, Ziele und Organisationsmodelle von Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. China – China Investment Corporation (CIC) . . . . . . . . . . . . . . 1. Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herkunft der Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Investitionsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Singapur – Temasek Holdings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herkunft der Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Investitionsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abu Dhabi – Abu Dhabi Investment Authority (ADIA) . . . . . . . 1. Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herkunft der Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Investitionsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kuwait – Kuwait Investment Authority (KIA) . . . . . . . . . . . . . 1. Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herkunft der Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Investitionsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Katar – Qatar Investment Authority (QIA) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herkunft der Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Investitionsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Norwegen – Government Pension Fund – Global (GPFG) . . . . . 1. Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herkunft der Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Investitionsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 33 33 34 35 36 37 37 38 38 38 39 39 40 40 41 41 42 43 43 44 45 45 46 46 46 47 47 48 48 49 Rechtliche Einordnung von Staatsfonds und deren Immunität . . . . . . . I. Der völkerrechtliche Grundsatz der Immunität . . . . . . . . . . . . . . 1. Absolute und relative Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Rahmenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens (UNÜSI) . . . . . . . . . . . . 51 52 53 53 3. Spekulationsfonds . . . . . . . . . . . . . 4. Infrastruktur- und Entwicklungsfonds 5. Pensionsreservefonds . . . . . . . . . . . IV. Investitionsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . D. E. XIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Inhaltsverzeichnis b) Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität (EuÜSI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einzelstaatliches Recht am Beispiel der Schweiz . . . . . . . II. Voraussetzungen für Immunität in Bezug auf Staatsfondsinvestitionen nach dem UNÜSI . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zurechenbarkeit zum Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Staatsfonds mit oder ohne eigener Rechtspersönlichkeit . . b) Staatsfonds als Kapitalsammelstelle . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Gründe für Ausschluss von der Immunität . . . . . . . . . 3. Hoheitliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Arten der Immunität nach UNÜSI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Immunität von der Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollstreckungsimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §6 A. B. C. D. Bedrohungsszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Szenario 1: Überfremdung durch Investoren mit einem anderen Wertesystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herkunft der Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Investitionen in strategische Unternehmen . . . . . . . . . 4. Politisch motivierte Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . III. Massnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Szenario 2: Marktverzerrung durch staatliche Eigentümerschaft I. Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Günstige Finanzierung und geldwerte Vorteile . . . . . . 2. Informationsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mangelnde Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Korruption sowie Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . 5. Wechselkurspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Massnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Szenario 3: Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzmarktes . I. Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Volumina der Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herdenverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Desinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Massnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Szenario 4: Veränderung der globalen Ordnung . . . . . . . . . . . I. Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 54 . . . . . . . . . 55 55 56 56 57 57 58 58 58 ..... 60 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 61 61 62 63 69 72 75 76 76 77 77 78 79 80 81 82 83 83 84 84 85 86 88 89 89 89 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV Inhaltsverzeichnis E. §7 A. B. C. D. E. XVI 1. Verschiebung der Zahlungsströme . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rückkehr des Staatskapitalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Massnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Szenario 5: Negative Auswirkungen auf die Unternehmensführung I. Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Massnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 91 94 94 95 96 99 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Finanzmarktregulierung . . . . . . . . . . a) Teilnehmerregulierung . . . . . . . . b) Verhaltensregulierung . . . . . . . . . 2. Netzbasierte Regulierung . . . . . . . . . II. Bedeutung der Regulierung . . . . . . . . . . III. Theorie der Regulierung . . . . . . . . . . . . 1. Normative Theorie . . . . . . . . . . . . . 2. Positive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . IV. Funktionen der Regulierung . . . . . . . . . 1. Korrektur von Marktversagen . . . . . . a) Natürliche Monopole . . . . . . . . . b) Externe Effekte . . . . . . . . . . . . . c) Öffentliche Güter . . . . . . . . . . . . d) Informationsasymmetrien . . . . . . 2. Schaffung einer Verhaltensnorm . . . . 3. Ordnungs- und Orientierungsfunktion 4. Legitimierungsfunktion . . . . . . . . . . V. Selbstregulierung vs. Fremdregulierung . . Adressaten und Stakeholder . . . . . . . . . . . . . Zielsetzung und Gegenstand . . . . . . . . . . . . I. Offene Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gefahr von Protektionismus . . . . . . . . . . III. Schutz nationaler Sicherheitsinteressen . . Stufen der Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einzelstaatliche Ebene . . . . . . . . . . . . . 1. Verbote und Bewilligungen . . . . . . . 2. Verhaltensgebote . . . . . . . . . . . . . . 3. Lenkungsabgaben . . . . . . . . . . . . . . 4. Subventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Internationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . Mögliche internationale Foren für Regulierung I. Internationale Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 100 101 102 103 104 104 105 106 106 109 109 109 110 111 111 111 112 112 112 113 116 117 118 119 120 121 121 122 122 122 122 123 124 124 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis F. 1. WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ziele der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ministerkonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Allgemeiner Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) WTO-Sekretariat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vertragswerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationaler Währungsfonds (IWF) . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ziele des IWF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weltbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Internationales Zentrum für Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Multilaterale Investitions-Garantie-Agentur (MIGA) . . . . . c) Leitlinien der Weltbank für die Behandlung von ausländischen Direktinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ziele der OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) . . . . . . . . . a) Ziele der BIZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vereinte Nationen (UN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ziele der UN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Informelle Foren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. G7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. G20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schranken der nationalen Regulierung – Beispiel Schweiz . . . . . . . . . I. Einzelstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interventionsmöglichkeiten des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzmässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Öffentliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnismässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schweizerisches Aussenwirtschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 125 125 125 126 126 126 126 127 127 128 128 129 129 131 131 131 132 132 133 133 134 134 135 135 136 136 136 137 138 138 138 139 140 141 141 142 142 143 XVII Inhaltsverzeichnis G. 2. Bilaterale Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die bilateralen Verträge der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bilaterale Verträge im Zusammenhang mit Investitionen von Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft in internationalen Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Welthandelsorganisation (WTO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) OECD-Kodex zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs . . . . c) OECD-Richtlinien für staatliche Unternehmen . . . . . . . . . Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 144 145 145 145 147 148 148 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 §8 A. B. C. D. E. Regulierungslandschaft der Schweiz . . . . . . . . Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . II. Kaufangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vinkulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Börsenkotierte Namensaktien . . . . . . . 2. Nicht-börsenkotierte Unternehmen . . . II. Stimmrechtsbeschränkung . . . . . . . . . . . . III. Stimmrechtsaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatliche Unternehmen sowie Kontrollmehrheit I. Schweizer Nationalbank (SNB) . . . . . . . . II. Post- und Fernmeldedienst . . . . . . . . . . . 1. Schweizerische Post . . . . . . . . . . . . . 2. Swisscom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Transport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Luftfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Seeschifffahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schienenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Radio- und Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . V. Rüstungsbetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Entsorgung radioaktiver Abfälle . . . . . . . . VII. Energieunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . Spezialgesetzlich geregelte Bereiche . . . . . . . . I. Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausländische Beherrschung . . . . . . . . 2. Domizilerfordernisse . . . . . . . . . . . . . 3. Meldepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 152 152 153 153 154 154 155 157 157 157 159 160 161 161 161 162 162 162 163 163 164 164 164 164 165 165 165 166 166 Inhaltsverzeichnis F. G. §9 A. B. C. D. E. II. Börsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Immobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stillschweigepflichten, Geschäftsgeheimnisse und Treuepflichten I. Schutz von Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen . . . . . II. Stillschweigepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geldwäschereigesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 167 168 168 169 170 171 Reaktionen anderer Zielländer auf die Staatsfondsdebatte . . . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Defense Production Act (DPA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Exon-Florio-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Byrd-Amendment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Foreign Investment and National Security Act (FINSA) III. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrenseröffnung durch das Komitee . . . . . . . . . . . 3. Mitigation Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Neuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erfasste Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voranmeldeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachträgliche Meldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 173 173 174 174 175 175 176 177 177 178 178 179 180 181 181 182 183 184 184 184 185 186 187 189 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10 Reaktionen internationaler Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Massnahmen bezüglich Investitionen von Staatsfonds . . . . . . . . 1. OECD Declaration on Sovereign Wealth Funds and Recipient Country Policies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geltung der OECD-Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nichtdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Transparenzanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Progressive Liberalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Standstill . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 . 191 . 191 . . . . . . 192 193 193 193 193 194 XIX Inhaltsverzeichnis B. e) Unilaterale Liberalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Guidelines for Recipient Country Investment Policies relating to National Security . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IWF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. IWGSWF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Santiago-Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. IFSWF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11 Regulierung aus Sicht des Herkunftsstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundsätze der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. OECD-Grundsätze der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . I. Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. OECD-Richtlinien für öffentliche Unternehmen . . . . . . . . . . . . III. OECD-Richtlinien für Pensionsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. OECD-Deklaration für internationale Investitionen und multinationale Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Santiago-Prinzipien (GAPP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsrahmen und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Institutioneller Rahmen und Corporate Governance . . . . . . . . . III. Anlage- und Risikomanagementrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Norwegen – GPFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsrahmen, Ziele, sowie deren Koordination mit makroökonomischen Zielen, GAPP 1–5 . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. GAPP 1: Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. GAPP 2: Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. GAPP 3: Koordination mit makroökonomischen Zielen . . . . 4. GAPP 4: Ein- und Auszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. GAPP 5: Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Institutioneller Rahmen und Corporate Governance, GAPP 6-17 1. GAPP 6: Governance Framework . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. GAPP 7: Kompetenzen und Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . 3. GAPP 8: Verwaltungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. GAPP 9: Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. GAPP 10: Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. GAPP 11: Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. GAPP 12: Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. GAPP 13: Professionelle und ethische Standards . . . . . . . . . 9. GAPP 14: Umgang mit Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. GAPP 15: Vereinbarkeit mit Gesetzen in den Zielstaaten . . . . 11. GAPP 16: Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XX . 194 . . . . . . . . 194 195 195 196 196 197 198 199 . . . . . . 200 200 201 201 202 202 . . . . . . 203 203 204 205 207 208 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 209 209 210 210 210 210 211 211 211 212 212 212 212 212 213 213 213 Inhaltsverzeichnis E. F. 12. GAPP 17: Offenlegung relevanter Finanzdaten . . . . . . . . . . III. Anlage- und Risikomanagementrahmen, GAPP 18–24 . . . . . . . 1. GAPP 18: Investitionsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. GAPP 19: Andere als ökonomische Ziele . . . . . . . . . . . . . . 3. GAPP 20: Vorteilsnutzung durch staatliche Nähe . . . . . . . . . 4. GAPP 21: Aktionärsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. GAPP 22: Risikomanagementrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . 6. GAPP 23: Information des Eigentümers über die Vermögensund Investitionsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. GAPP 24: Überprüfung der Einhaltung der Prinzipien . . . . . Singapur – GIC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsrahmen und Ziele sowie deren Koordination mit makroökonomischen Zielen, GAPP 1–5 . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. GAPP 1: Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. GAPP 2: Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. GAPP 3: Koordination mit der makroökonomischen Politik . 4. GAPP 4: Ein- und Auszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. GAPP 5: Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Institutioneller Rahmen und Corporate Governance, GAPP 6-17 . 1. GAPP 6: Governance Framework . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. GAPP 7: Kompetenzen und Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . 3. GAPP 8: Verwaltungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. GAPP 9: Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. GAPP 10: Rechenschaftsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . 6. GAPP 11: Jahresbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. GAPP 12: Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. GAPP 13: Professionelle und ethische Standards . . . . . . . . . 9. GAPP 14: Umgang mit Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. GAPP 15: Vereinbarkeit mit Gesetzen in den Gastländern . . . 11. GAPP 16: Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. GAPP 17: Offenlegung relevanter Finanzdaten. . . . . . . . . . . III. Anlage- und Risikomanagementrahmen, GAPP 18–24 . . . . . . . 1. GAPP 18: Investitionsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. GAPP 19: Andere als ökonomische Ziele . . . . . . . . . . . . . . 3. GAPP 20: Vorteilsnutzung durch staatliche Nähe . . . . . . . . . 4. GAPP 21: Aktionärsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. GAPP 22: Risikomanagementrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . 6. GAPP 23: Information des Eigentümers über die Vermögensund Investitionsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. GAPP 24: Überprüfung der Einhaltung der Prinzipien . . . . . Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 214 214 214 215 215 215 . 215 . 215 . 216 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 216 216 217 217 217 217 217 218 218 219 219 219 219 220 220 220 220 220 221 221 221 221 221 222 . 222 . 222 . 222 XXI Inhaltsverzeichnis § 12 Handlungsbedarf für die Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Bewertung der aktuellen Gesetzeslandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Szenario 1 – Überfremdung durch ausländische Investoren . . . . . 1. Einzelstaatliche Ebene der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkerrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Szenario 2 – Marktverzerrung durch staatliche Eigentümerschaft . 1. Einzelstaatliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkerrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Szenario 3 – Verlust der Finanzmarktstabilität . . . . . . . . . . . . . 1. Einzelstaatliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkerrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Szenario 4 – Umverteilung der globalen Ordnung . . . . . . . . . . . V. Szenario 5 – Negative Auswirkungen auf die Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einzelstaatliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkerrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Identifizierte Lücken im Hinblick auf Staatsfondsinvestitionen im Zielland Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13 Regulierungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Mögliche Massnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Weiterführende Möglichkeiten auf einzelstaatlicher Ebene 1. Stimmrechts- und Investitionsbeschränkungen . . . . . a) Beschränkung bzw. Entzug der Stimmrechte von Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einführung von Investitionsschwellen . . . . . . . . . c) Beschränkung der Investitionsmöglichkeiten . . . . 2. Staatliche Sonderrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Goldene Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigener Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verstaatlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Subvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anmelde- und Überprüfungsverfahren . . . . . . . . . . . II. Massnahmen auf völkerrechtlicher Ebene . . . . . . . . . . . 1. Rechtlich verbindlicher Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bilaterale Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zertifikate, Self-assessment und Ratings . . . . . . . . . . a) Zertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Self-Assessment-Tools und Case Studies . . . . . . . c) Ratings der Einhaltung der GAPP . . . . . . . . . . . . aa) IFSWF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) SWF Scoreboard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) GeoEconomica’s Santiago Index . . . . . . . . . XXII . . . . . . . . . . . . 224 224 225 225 227 227 227 228 228 228 229 229 . 229 . 230 . 230 . 230 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 233 233 233 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 235 235 236 236 238 239 239 240 241 241 242 242 243 243 243 243 244 244 Inhaltsverzeichnis B. C. 4. Peer Review . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einzelstaatliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkerrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfung der Eignung internationaler Organisationen zur Staatsfondsregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Eignung des IWF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eignung der OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eignung der BIZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Eignung der Weltbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Eignung der UN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Eignung der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Eignung eines informellen Forums wie G7 oder G20 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 245 245 245 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 246 247 249 250 250 250 251 252 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds . . . . . . . . . . . . A. Forderung nach einem Schweizer Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . I. Unterstützung der heimischen Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . II. Bekämpfung des hohen Franken-Kurses und Optimierung der Reserveverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Devisenreserven der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklung der Devisenreserven der Schweiz . . . . . . . . 3. Überbewertung des Schweizer Frankens . . . . . . . . . . . . . III. Generationengerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Nutzung der Negativzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gründung eines Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zu verfolgende Ziele eines Schweizer Staatsfonds . . . . . . . . . 1. Wirtschaftlichkeit und Transparenz der Ziele . . . . . . . . . . 2. Eingliederung in die makroökonomische Politik . . . . . . . 3. Mögliche Zielsetzung für einen Schweizer Staatsfonds . . . II. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anforderungen an die Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herkunft der Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Struktur der Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslagerung der Devisenreserven der SNB . . . . . . . . aa) Darlehen der SNB an den Bund . . . . . . . . . . . . . bb) Erwerb von Aktien durch die SNB . . . . . . . . . . . cc) Darlehen der SNB an den Staatsfonds . . . . . . . . . dd) Ausschüttung von Dividenden . . . . . . . . . . . . . . b) Ausgabe einer Staatsanleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Finanzierung durch Finanztransaktionssteuer . . . . . . . III. Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 . . . 253 . . . 254 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 255 255 256 257 257 257 258 258 259 259 259 259 260 261 261 261 261 262 262 263 264 264 264 XXIII Inhaltsverzeichnis C. a) Organisationsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) In die SNB eingegliederte Kapitalsammelstelle . . . . . bb) Bildung als selbstständige oder unselbstständige Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Öffentlich-rechtliche Gesellschaft . . . . . . . . . . bbb) Bildung als privatrechtliche Gesellschaft . . . . . b) Rechtsform für einen Schweizer Staatsfonds . . . . . . . . . c) Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Formelles Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Notrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatliche Aufgabenerfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslagerung der staatlichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . aa) Auslagerung der Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auslagerung der Aufgabenerfüllung . . . . . . . . . . . . cc) Auslagerung der Organisationseinheit . . . . . . . . . . . dd) Auslagerung öffentlichen Vermögens . . . . . . . . . . . b) Aufgabenerfüllung durch die zentrale Bundesverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Professionelles Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Moral Hazard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hidden Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Adverse Selection . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Klare Aufgabenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gründung als öffentlich-rechtliche Gesellschaft . . . . . . . b) Gründung als unselbstständige Einheit innerhalb der SNB . 5. Unabhängige Überwachungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Strategie und Anlagepolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung der Gründung eines Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anlässe für die Gründung eines Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . II. Berechtigung von Staatsfonds als Investoren in einer liberalen Wirtschaftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung der Ziele einer Staatsfondsgründung . . . . . . . . . . . . 1. Unterstützung der heimischen Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschwächung des Schweizer Frankens . . . . . . . . . . . . . . . 3. Optimierung der Reservenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Generationengerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Nutzung der Negativzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Interessenkonflikte bezüglich Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bewertung der Finanzierungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vereinbarkeit der Auslagerung von Devisenreserven mit der Geldpolitik der SNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIV . 264 . 265 . . . . . . . . . . . . . . 265 265 266 267 268 268 268 269 269 270 270 270 270 271 . . . . . . . . . . . . 271 271 272 273 273 274 275 275 275 276 277 277 . . . . . . . . . 278 280 280 282 282 283 284 284 284 . 285 . 285 Inhaltsverzeichnis D. aa) Auftrag der SNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Geldpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Verwaltung der Währungsreserven . . . . . . bb) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unabhängigkeit der SNB . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Funktionelle Unabhängigkeit . . . . . . . . . . bbb) Institutionelle Unabhängigkeit . . . . . . . . . ccc) Finanzielle Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . ddd) Personelle Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . b) Möglichkeit zur Auslagerung der Devisenreserven . . aa) Qualifizierung der Schweizer Währungsreserven bb) Vereinbarkeit mit dem Auftrag der SNB . . . . . . aaa) Währungsreserven der Schweiz . . . . . . . . bbb) Für die Geldpolitik notwendige Währungsreserven . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vereinbarkeit mit der Unabhängigkeit der SNB . . 2. Finanzierung durch eine langfristige Staatsanleihe . . . . . 3. Finanzierung durch eine Finanztransaktionssteuer . . . . . Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 285 286 288 288 289 289 289 289 289 289 290 291 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 292 292 293 294 Vierter Abschnitt: Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 § 15 A. B. C. D. E. F. G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatsfonds als Investitionsvehikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedrohungsszenarien durch Staatsfondsinvestitionen . . . . . . . . . . . . I. Szenario 1 – Überfremdung durch ausländische Investoren . . . . . II. Szenario 2 – Marktverzerrung durch staatliche Eigentümerschaft . III. Szenario 3 – Verlust der Finanzmarktstabilität . . . . . . . . . . . . . IV. Szenario 4 – Umverteilung der globalen Ordnung . . . . . . . . . . . V. Szenario 5 – Negative Auswirkungen auf die Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notwendigkeit einer Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nationale und internationale Reaktionen sowie Überblick über die aktuell bestehende Gesetzeslandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Möglichkeit der Regulierung eines Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auf Stufe des Herkunftsstaates eines Staatsfonds . . . . . . . . . . . II. Auf Stufe der Zielstaaten von Staatsfondsinvestitionen . . . . . . . . Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 297 298 299 299 299 300 300 . 300 . 300 . . . . . 301 302 302 303 303 § 16 Beantwortung der Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 XXV Abkürzungsverzeichnis ADIA AEUV AG AHV AHVG AJP AktG Art. Aufl. Ausg. AWG AWV BAFIN BankG BEHG BEHV BewG BIP BIZ BkartA BMWi BRICS BV Ca. CalPers CATIC CEO CFIUS CHF CIC CNOOC Co. D.C. DBA DPW EFTA EFV Abu Dhabi Investment Authority Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union Aktiengesellschaft Alters- und Hinterlassenenversicherung Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung Aktuelle juristische Praxis Aktiengesetz Artikel Auflage Ausgabe Aussenwirtschaftsgesetz Aussenwirtschafsverordnung Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen Bundesgesetz über Banken und Sparkassen Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel Verordnung über die Börse und den Effektenhandel Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland Bruttoinlandprodukt Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Bundeskartellamt Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika Bundesverfassung Circa California Public Employees Retirement System China Aero-Technology Import & Export Corporation Chief Executive Officer Committee on Foreign Investment in the United States Schweizer Franken China Investment Corporation China National Offshore Oil Company Company District of Columbia Doppelbesteuerungsabkommen Dubai Port World European Free Trade Association Eidgenössische Finanzverwaltung XXVII Abkürzungsverzeichnis EG EITI EJPD EU EuGH EuÜSI EWSA EZV f. FEEM ff. FGF FHG FHV FINMA FINMAG FINSA FMG FSB FSI FTC G20 G7 GAPP GATS GIC ggf. GPFA GPFG GRF GV GWB IPSAS i.V.m. ICSID IFSWF ILO IMD IMFC IPIC ISA IWF XXVIII Europäische Gemeinschaft Extractive Industries Transparency Initiative Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Europäische Union Gerichtshof der europäischen Union Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss Eidgenössische Zollverwaltung folgende Fondazione Eni Enrico Mattei fortfolgende Future Generation Fund Finanzhaushaltsgesetz Finanzhaushaltsverordnung Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finanzmarktaufsichtsgesetz Foreign Investment and National Security Act Fernmeldegesetz Financial Stability Board Fonds Stratégique d’Investissement Federal Trade Commission Gruppe der Zwanzig Gruppe der Sieben Generally Accepted Principles and Practices General Agreement on Trade in Services Government Investment Corporation Gegebenenfalls Government Pension Fund Act Governmental Pension Fund Global General Reserve Fund Generalversammlung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen International Public Sector Accounting Standards In Verbindung mit International Center for Settlement of Investments Disputes International Forum of Sovereign Wealth Funds International Labor Organization International Institute for Management Development International Monetary and Financial Committee International Petroleum Investment Company Investitionsschutzabkommen Internationaler Währungsfonds Abkürzungsverzeichnis IWGSWF JETRO KG KIA KIC KIO KPCh KR LFG LFV lit. LLC Ltd. i. MAI METI Mrd. MOF NBG NBIM NGO No. OECD OPEC OR PATRIOT P&O PBOC POG Pte. Ltd. QIA QSI RTVG RUAG S. SBB SBBG SchlT Sda SE International Working Group of Sovereign Wealth Funds Japan External Trade Organization Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen Kuwait Investment Authority Korea Investment Corporation Kuwait Investment Office Kommunistische Partei China Kotierungsreglement Bundesgesetz über die Luftfahrt Luftfahrtverordnung Litera Limited Liability Company Limited mit weiteren Hinweisen Multilaterales Investmentabkommen Ministry of Economy and Trade Milliarden Ministry of Finance Nationalbankgesetz Norges Bank Investment Management Non Governmental Organizations Nummer Organization for Economic Cooperation and Development Organization of the Petroleum Exporting Countries Obligationenrecht Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act of 2001 Peninsular & Oriental Steam Navigation Co. Ltd. People’s Bank of China Postorganisationsgesetz Private Limited Qatar Investment Authority Qatar Sports Investment Companies (QSI) Bundesgesetz über Radio und Fernsehen RUAG Holding AG Seite Schweizerische Bundesbahnen Bundesgesetz über die Schweizerischen Bundesbahnen Schlussbestimmungen Schweizerische Depeschenagentur Societas Europeae XXIX Abkürzungsverzeichnis SECO SIF SIX SNB SR SRG StGB SWF SWFI TEAP TRPM u.a. U.S. UBS UMP UNCITRAL UNCTAD UNO, UN UNÜSI US USA UWG Vgl. VegüV VW WpÜG WTO ZaöRV Ziff. zit. ZSR XXX Staatssekretariat für Wirtschaft Strategic Investment Fund Swiss Infrastructure and Exchange Schweizerische Nationalbank Systematische Sammlung des Bundesrechts Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft Schweizerisches Strafgesetzbuch Sovereign Wealth Funds Sovereign Wealth Funds Institute European Advisory Panel Trade Policy Review Mechanism und andere, unter anderen, unter anderem United States United Bank of Switzerland Union für eine Volksbewegung UNCITRAL United Nations Conference on Trade and Development Organisation der Vereinten Nationen Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit United States United States of America Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Vergleiche Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften Volkswagen Wertpapier- und Übernahmegesetz World Trade Organization Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Ziffer zitiert Zeitschrift für Schweizerisches Recht Literaturverzeichnis Abegg Andreas/Bärtschi Harald/Dietrich Andreas: Prinzipien des Finanzmarktrechts. 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Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastruktur (FinfraG): Erläuternder Bericht zur Vernehmlassungsvorlage vom 29. November 2013 (zit. Erläuternder Bericht zur Vernehmlassung 29. November 2013). Bundesrat: Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 15.3017 vom 12. Dezember 2016 (zit. Bericht des Bundesrates vom 12. Dezember 2016). Bundesrat: Finanzleitbild. Ziele, Grundsätze und Instrumente für die Finanzpolitik des Bundesrates, 4. Oktober 1999 (zit. Bundesrat, Finanzleitbild). Bundesrat: Mehr Transparenz bei Spezialfonds und Spezialfinanzierungen. Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats Fischer Roland vom 12. Dezember 2013, 13.4214 (zit. Bericht vom 12. Dezember 2013). XCI Materialienverzeichnis Bundesrat: Stellungnahme des Bundesrates vom 11. September 2015 zum Postulat 15.3581 (zit. Stellungnahme des Bundesrates vom 11. September 2015). Corporate Governance Bericht, 13. September 2006, 06.072 (zit. Corporate Governance Bericht, 13. September 2006). Dringliche Interpellation, 08.3018, Globale Finanzmarktkrise II. Folgen für die Schweiz, Wyss Ursula (zit. Dringliche Interpellation, 08.3018). Dringliche Interpellation, 12.3413, Währungsturbulenzen. Aufwertungsdruck mit gravierenden Folgen für die Schweizer Wirtschaft, Nationalrat, Sommersession 2012, Sechszehnte Sitzung, 14. Juni 2012 (zit. Widmer-Schlumpf, Sommersession 2012). Erläuterungen zur neuen Vereinbarung zwischen dem EFD und der SNB über die Gewinnausschüttung der SNB vom 21. November 2011 (zit. SNB Erläuterungen, 21. November 2011). Gutachten zur notenbankrechtlichen Zulässigkeit der Beteiligung der Schweizerischen Nationalbank am Massnahmepaket zur Stärkung des Finanzsystems («UBS-Transaktion») vom 13. Oktober 2008 (zit. Gutachten, SNB UBS Transaktion). Jahresgutachten Sachverständigenrat vom 7. November 2007, Das Erreichte nicht verspielen (zit. Sachverständigenrat, Jahresgutachten). Merkblatt zu den Richtlinien der SNB über das geldpolitische Instrumentarium vom 1. Januar 2015 (zit. SNB, geldpolitisches Instrumentarium). Motion 13.3975, Nationalrat (Badran Jacqueline). Wiederunterstellung von betrieblich genutzten Immobilien unter die Bewilligungspflicht der Lex Koller vom 27. September 2013 (zit. Motion 13.3975). Motion 13.3976, Nationalrat (Badran Jacqueline). Aufhebung der Privilegierung des Erwerbs von Anteilen an Immobilienfonds und börsenkotierten Immobiliengesellschaften in der Lex Koller vom 27. September 2013 (zit. Motion 13.3976). Postulat 11.4013, Europäische Finanztransaktionssteuer vom 30. September 2011 (zit. Postulat 11.4013). Postulat 15.3581, Prüfung eines Staatsfonds vom 17. Juni 2015 (zit. Postulat 15.3581). Postulat 15.3017, Zukunftsperspektiven für die Schweiz vom 2. März 2015 (zit. Postulat 15.3017). Richtlinien der Schweizerischen Nationalbank (SNB) für die Anlagepolitik vom 27. Mai 2004 (zit. Richtlinien, 27. Mai 2004). XCII Materialienverzeichnis Nationale Strategie zum Schutz kritischer Infrastrukturen vom 27. Juni 2012 (zit. Nationale Strategie vom 27. Juni 2012). Sovereign Wealth Funds and Recipient Country Policies, Report by the OECD Investment Committee, 4. April 2008 (zit. OECD, Report). Umsetzungsplanung zum Corporate Governance-Bericht des Bundesrates, 25. März 2009 (zit. Umsetzungsplanung, 25. März 2009). XCIII Erster Abschnitt: Einleitung § 1 Einführung Staatsfonds gehören zu den grössten und am schnellsten wachsenden institutionellen Investoren weltweit. Wie gross das von ihnen verwaltete Vermögen ist, kann nur geschätzt werden. Es ist weder abschliessend geklärt, welche staatlichen Investitionsvehikel zur Gruppe der Staatsfonds gehören, noch gewähren alle Staatsfonds die gleiche Transparenz hinsichtlich Grösse und Zusammensetzung ihres Portfolios.1 Einen Anhaltspunkt hinsichtlich des Gesamtumfangs der Staatsfondsportfolios geben die Hochrechnungen des Sovereign Wealth Fund Institutes (SWFI)2, welches das von Staatsfonds kumulierte Vermögen Anfang 2017 auf 7,4 Billionen US-Dollar schätzte.3 Staatsfonds blicken auf eine lange Geschichte zurück, rückten aber erst 2005 in den Fokus der Öffentlichkeit, als Rozanov den Ausdruck Sovereign Wealth Funds (SWF)4 in seinem Artikel Who holds the wealth of the nations? erstmalig gebrauchte.5 Mehrere Autoren vertreten die Auffassung, dass der erste Staatsfonds bereits 1816 in Frankreich gegründet worden sei.6 Die französische Caisse des Dépots et Consignations wies bereits vor 200 Jahren Ähnlichkeiten mit einem Staatsfonds auf; wurde aber nie als solcher deklariert. Erst 2008 errichtete Frankreich einen offiziellen Staatsfonds, indem unter Führung der Caisse des Dépots et Consignations der Fonds Stratégique d’Investissement (FSI) gegründet wurde.7 1 2 3 4 5 6 7 Alhashel, literature review, S. 2; Bahgat, Assessment, S. 164; Senn, Institutional Governance, S. 9. Das SWFI ist eine Organisation, die Staatsfonds, Pensionsfonds, Zentralbanken und Stiftungen hinsichtlich ihrem Investitionsverhalten untersucht. Es bietet sowohl Forschungsals auch Beratungsdienstleistungen für Unternehmen, Fonds und Staaten an. Neben einer Zeitschrift die Sovereign Wealth Quarterly, die sie regelmässig herausgibt, organisiert sie auch Konferenzen. Vgl. SWFI, About, S. 1. SWFI, Fund Rankings, S. 1; Alhashel, literature review, S. 2. Auf Deutsch: Staatsfonds. Rozanov, wealth, S. 1; Beck/Fidora, Impact, S. 6; Götz, Russlands Staatsfonds, S. 1; McVea/Charalambu, Game theory, S. 62. Bortolotti/Fotak/Megginson, Sovereign Wealth Fund Discount, S. 7; Lenihan, Acquisition of Power, S. 3; Senn, Institutional Governance, S. 4. SWFI, French Strategic Investment Fund, S. 1. 1 Erster Abschnitt: Einleitung Die Gründung des ersten offiziellen Staatsfonds erfolgte im Jahr 1953 mit der Kuwait Investment Authority.8 Kurz darauf im selben Jahr wurde der Kiribati Revenue Equalization Reserve Fund errichtet; 1976 die Abu Dhabi Investment Authority (ADIA), 1992 der norwegische Pensionsfonds (GPFN), 1974 die singapurische Temasek Holdings, 1981 die Government of Singapur Investment Corporation (GIC), 2000 die Qatar Investment Corporation (QIA) und 2007 die Libyan Investment Authority.9 Mehr als 40 weitere Länder besitzen mittlerweile Staatsfonds und zahlreiche Staaten diskutieren die Errichtung solcher. Die ersten Staatsfonds sind fast alle von Erdöl fördernden Staaten eingerichtet worden, um ihrer Abhängigkeit von der volatilen Rohstoffpreisentwicklung entgegenzuwirken. Daher fanden Staatsfondsgründungen stets in starker Korrelation mit den Erdölpreisen statt. In den Jahren zwischen 1986 und 2000 kam es zu einer Überproduktion an Erdöl sowie zu Preissenkungen aufgrund von Wettbewerb. Die Rohölpreise halbierten sich in dieser Zeit. Erst Anfang des 21. Jahrhunderts stieg die Nachfrage nach Rohöl mit dem starken Wachstum der Volkswirtschaften in China, Brasilien sowie Indien wieder an, was auch einen signifikanten Anstieg des Rohölpreises zur Folge hatte.10 Zwischen 1990 und 2000 waren dementsprechend keine Staatsfondsgründungen zu verzeichnen. Erst zu Beginn des neuen Jahrtausends begann mit wieder steigenden Ölpreisen eine weitere Welle von Gründungen.11 Die meisten der heute mehr als 50 Staatsfonds wurden nach dem Jahr 2005 errichtet.12 Aktuell können aufgrund des starken Verfalls des Erdölpreises keine Neugründungen von Staatsfonds mit Erdöl als Finanzierungsbasis erwartet werden. Die Experten von Goldman Sachs prognostizieren für die nächsten Jahren keine markante Erholung des Erdölpreises.13 In den Jahren 2005/06 gerieten Staatsfonds durch bedeutende Investitionen in westlichen Industriestaaten in den globalen Fokus. Diese Investitionen lösten kontroverse Diskussionen aus: Einerseits begrüssten westliche Unternehmen die zusätzlichen Gelder während der Finanzkrise 2007/08, andererseits kam es zu Bedenken, es könne dadurch zu politischer Einflussnahme durch ausländische Staaten kommen.14 8 9 10 11 12 13 14 2 Alhashel, literature review, S. 2; Bahgat, Assessment, S. 162; Hahn, State Immunity, S. 103; Hemphill, Sovereign Wealth Funds, S. 553; Truman, Threat or Salvation, S. 19. Beck/Fidora, Impact, S. 6; Hahn, State Immunity, S. 103; Hemphill, Sovereign Wealth Funds, S. 553; McVea/Charalambu, Game theory, S. 62. Comoil, Erdöl, S. 1. Bahgat, Gulf, S. 23; Manzer/Witte, Global Rules, S. 316; Sun/Demmler, Sovereign Wealth Funds, S. 8. Balding, Sovereign Wealth Funds, S. 6. Goldman Sachs, new oil order. Die ersten Berichterstattungen zum Thema Staatsfonds waren mehrheitlich ablehnend. Insbesondere deren Grösse und die staatliche Beherrschung weckten Bedenken. Vgl. u.a. § 1 Einführung Die ungeheuren Summen, mit denen Staaten gleich privaten Investoren an den Finanzmärkten agieren und intervenieren, haben für diese Staaten eine neue Machtoption ins Spiel gebracht.15 Ihr neuer Reichtum und ihr Auftreten am Finanzmarkt bewirken ein neues Paradigma, indem die Gelder nicht mehr vom entwickelten Westen in den weniger entwickelten Osten fliessen, sondern vermehrt auch in die entgegengesetzte Richtung.16 Vor allem die Gründung der Staatsfonds in China (CIC) und Russland (National Welfare Fund) sind in westlichen Ländern aufmerksam beobachtet worden.17 Dass zwei neue Supermächte Einfluss auf die globalen Finanzmärkte nehmen können,18 weckte starkes Unbehagen.19 Auch die Möglichkeit der schrittweisen Übernahme strategisch wichtiger westlicher Unternehmen durch «feindliche» Staatsfonds wurde kritisch betrachtet.20 Warnungen vor einem Ausverkauf der Heimat gesellten sich zu Bedenken, dass es zu einem Wiederaufleben des Staatskapitalismus kommen könne.21 Auch ohne konkrete Nachweise für politisch motivierte Investitionen von Staatsfonds oder ihren negativen Einfluss auf die globalen Finanzmärkte gab es politische Reaktionen auf die neue Situation. Insbesondere die USA, Frankreich und Deutschland passten ihre Gesetze an. Auslöser hierfür waren allerdings 15 16 17 18 19 20 21 Beck/Fidora, Sovereign Wealth Funds, S. 354; Heep, Deutsche Reaktionen, S. 2; Kirshna, Warning, S. 1; Megginson/Fotak, Fiduciary State, S. 11; Summers, Logic of Capitalism; S. 1; Weisman, Concern, S.1. Gilson/Milhaupt, New Mercantilism, S. 1374. Das, Paradigm Shift, S. 97; Gilligan, Multilateral governance, S. 394. Cohen, Tradeoff, S. 719; Donges/Eekhoff/Wolfgang et al., Staatsfonds, S. 8; Heep, Deutsche Reaktionen, S. 3 und 11; Heuber, Finanzmarktregulierung, S. 14; Krolop, Schutz vor Staatsfonds, S. 40; Wolff, Selbstverpflichtung, S. 1. Angebracht an dieser Stelle ist die Frage, ob China nicht bereits aktuell die Möglichkeit hat, auf den amerikanischen und damit auch den weltweiten Finanzmarkt Einfluss zu nehmen. Durch den Verkauf von US-Staatsanleihen sind die USA bereits eng mit China verbunden, das neben der US-Notenbank der grösste Gläubiger der USA ist. Weltweit tolerieren Staaten Investitionen in inländische Staatsanleihen, obwohl eine plötzliche Desinvestition massive Auswirkungen sowohl auf nationale als auch internationale Finanzmärkte haben könnte. In den USA wird dies als nicht sehr bedenklich gesehen. Man vertraut darauf, dass China keine plötzlichen Schritte unternehmen wird, da es sich dadurch selbst Schaden zufügen würde. Es konnte bis anhin auch keine Androhung von Verkauf im Falle von Nichtkooperation beobachtet werden. Vgl. Donges/Eekhoff/ Wolfgang et al., Staatsfonds, S. 17; Hackhausen, Weltordnung, S. 1. Cohen, Tradeoff, S. 719; Götz, Russlands Staatsfonds, S. 1; Krolop, Staatliche Einlasskontrolle, S. 1; Lippincott, International Arbitration, S. 655; Manzer/Witte, Global Rules, S. 323 f.; Rásonyi, protektionistische Waffen, S. 2; Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 386; Steiner, Russland, S. 1. Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 309. Heuber, Finanzmarktregulierung, S. 14; Jansen, M&A, S. 103. 3 Erster Abschnitt: Einleitung nicht Investitionen von Staatsfonds, sondern primär staatlicher Unternehmen.22 In der Literatur werden vor allem zwei Transaktionen in den USA genannt, welche die öffentlichen Debatten auslösten: Im Jahr 2005 beabsichtigte die chinesische Staatsunternehmung China National Offshore Oil Company Ltd. (CNOOC), die Unocal, ein amerikanisches Ölunternehmen, zu kaufen. Diese Transaktion erregte die Gemüter im US-Kongress.23 Chevron Corporation, ein amerikanisches Unternehmen, welches die Unocal ebenfalls erwerben wollte, unterlag im Kaufwettbewerb. Mitglieder des Kongresses und Organe von Chevron Corporation kritisierten, dass die CNOOC als staatliches Unternehmen einen besseren Zugang zu staatlich subventionierten Darlehen und Krediten habe und nur deshalb bessere Konditionen als private Marktteilnehmer bieten könne. Neben Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf den Wettbewerb fürchtete man auch den Einfluss, den der chinesische Staat durch die Transaktion gewinnen könnte:24 China hätte durch diese Investition den Ölpreis und das Angebot an Öl massgeblich beeinflussen können.25 Nur ein Jahr später weckte eine weitere Transaktion das öffentliche Interesse. Im Jahre 2006 kaufte die Hafenverwaltungsgesellschaft Dubai Ports World (DPW) die in London ansässige Peninsular and Orient Steam Navigation Company (P&O) auf. Die DPW hätte durch den Deal die Führungsverantwortung über sechs US-amerikanische Häfen (New York, New Jersey, Philadelphia, Baltimore, New Orleans und Miami) übernommen.26 Weder das Komitee für ausländische Investitionen in den USA (CFIUS), noch der damalige Präsident George W. Bush sahen die Transaktion als problematisch an und genehmigten sie. Anders reagierten jedoch Politik, Medien und Öffentlichkeit. Abgeordnete des Kongresses riefen zu mehr Aufmerksamkeit und einer besseren Überprüfung von Transaktionen auf.27 Auf Drängen des Kongresses wurde die Transaktion zwischen der DPW und der P&O daraufhin einer zweiten Prüfung 22 23 24 25 26 27 4 Die öffentliche Diskussion rückte aber vorwiegend die Problematik der Staatfonds in den Vordergrund. Dies kann in erster Linie darauf zurückzuführen sein, dass Staatsfonds schnell und stark angewachsen sind und deshalb als mächtige potentielle Bedrohung angesehen wurden, welche die gleichen Gefahren in sich bargen, aber in der Regel über mehr finanzielle Mittel als staatliche Unternehmen verfügen. Bush, SinoCFIUS, S. 44; Hemphill, Sovereign Wealth Funds, S. 556; Manzer/ Witte, Global Rules, S. 324; Truman, Transparency, S. 7. Alhashel, literature review, S. 3; Gutin, Regulating, S. 756; Manzer/Witte, Global Rules, S. 325. Manzer/Witte, Global Rules, S. 325. Gutin, Regulating, S. 756/S. 767 f.; Rose, FINSA 2007, S. 152; Truman, Treat or Salvation, S. 155. Manzer/Witte, Global Rules, S. 325. § 1 Einführung unterzogen. Die DPW wartete das Ergebnis der erneuten Prüfung nicht ab und entschied sich bereits vorher zur Desinvestition bei P&O.28 In Ländern der Europäischen Union waren es weniger Investitionen aus China und dem nahen Osten, die Bedenken schürten, sondern vielmehr solche aus Russland. Die russisch-ukrainische Gaskrise Ende des Jahres 2005 hatte Europa die eigene Abhängigkeit von der Lieferung wichtiger ausländischen Ressourcen aufgezeigt. Besonders sensibel reagierte die EU auf Ambitionen des staatlich kontrollierten, russischen Gasunternehmens Gazprom, in die europäischen Gasverteilungsnetze zu investieren.29 Der Trend des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts zur Förderung offener Märkte und Liberalisierung des Kapitalverkehrs ist ins Stocken geraten.30 Bereits in der Vergangenheit war es immer wieder zur Abkehr von der Idee des freien Kapitalverkehrs gekommen. Westliche Staaten sahen wiederkehrend ihre nationale Sicherheit durch ausländische Investitionen bedroht.31 In den 1960er, 1970er und 1980er Jahren gab es sukzessive drei Wellen politischer Diskussionen, die auch zu Anpassungen in der rechtlichen Landschaft führten. In den 1960er Jahren sah sich Europa von amerikanischen Investitionen bedroht. In den 1970er Jahren waren es die transnationalen Unternehmen, die in Entwicklungsländern Bedenken hervorriefen, und in den 1980er Jahren war es Amerika, welches sich vor einem Ausverkauf an Japan fürchtete.32 2005/06 waren es zuletzt die Investitionen von Staatsfonds. Nach einer anfänglich heiss geführten Debatte über die Bedrohung durch Staatsfonds wurde die Kritik aber allmählich leiser. Dies lag vor allem daran, dass Staatsfonds während der Finanzkrise 2007/08 grosse Mengen an Kapital in die internationalen Finanzmärkte pumpten33 und zu gern gesehenen Rettern der Finanzindustrie weltweit avancierten.34 28 29 30 31 32 33 34 Baker, Sovereign Wealth Funds, S. 253. Manzer/Witte, Global Rules, S. 326. Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 329; Cohen, Tradeoff, S. 721. Alvarez, Sovereign Concerns, S. 263 f. Cohen, Tradeoff, S. 721; Kirshner, National Security, S. 307; Patton, Globalized World, S. 8; Rose, FINSA 2007, S. 148 f.; Schaub, multinationale Unternehmen, S. 136. 63 Milliarden US-Dollar investierten Staatsfonds in amerikanische und europäische Finanzinstitute, die kurz vor dem Kollabieren standen und gingen dabei Risiken ein, welche andere Investoren nicht eingegangen wären. Vgl. Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 309; Cutin, Regulating, S. 752; Gilligan, Multilateral governance, S. 403; Heuber, Finanzmarktregulierung, S. 36; Schäfer/Bläschke, Aktivitäten von Staatsfonds, S. 4; Schicho, State Entities, S. 79. Capapé/Blanco, Definition of Sovereign Wealth Funds, S. 2; Flückiger/Schneider/ Rüegg, Erhöhte Sensibilitäten, S. 3; Gilligan, Multilateral governance, S. 402; Kirshner, National Security, S. 307; Schäfer/Bläschke, Aktivitäten von Staatsfonds, S. 3. 5 Erster Abschnitt: Einleitung Viele Kommentatoren teilten die Auffassung, dass Staatsfonds in dieser Zeit die letztmögliche Geldquelle darstellten.35 Staaten und Unternehmen buhlten36 regelrecht um ihre Investitionen.37 In den Kommentaren war man sich weitestgehend einig, dass Staatsfonds im Grossen und Ganzen eine stabilisierende Wirkung auf die globalen Finanzmärkte ausübten.38 Auch war die Zufriedenheit der Unternehmen mit Staatsfondsbeteiligungen sehr hoch und Negativmeldungen blieben aus.39 Angesichts dieser neuen Wahrnehmung von Staatsfonds als Retter und des Aufkommens dringlicherer Themen – wie etwa des Zusammenbruchs des Immobilienmarktes in Amerika, Bankeninsolvenzen und der weltweiten Rezession – wurde die Thematik der Bedrohung durch Staatsfonds in der öffentlichen Debatte in den Hintergrund gedrängt.40 Im Zusammenhang mit dem arabischen Frühling sowie dem Krieg in Libyen und der damit verbundenen Einfrierung der Gelder des libyschen Staates wurden 2011 wieder entsprechende Bedenken artikuliert.41 Aktuell bleibt das Thema weiter spannend, da diverse Länder (unter anderem die Schweiz) darüber nachdenken, Staatsfonds zu gründen. Auch wachsen die von Staatsfonds verwalteten Vermögen weiter an.42 Sie stel- 35 36 37 38 39 40 41 42 6 Siehe.u.a. Berliner Zeitung, Staatsfonds als Retter, S. 1; Ferber, wachsende Macht, S. 1; Pentsy, Retter in der Not, S. 1; Schäfer, Retter, S. 1; Sturm/Al-Fil, Heimliche Herrscher, S. 2. Staatsfonds wurden zum Höhepunkt der Finanzkrise regelrecht von den Anfragen hinsichtlich Investitionen in westlichen Unternehmen überrannt. Vgl. Ferber, wachsende Macht, S. 1; Sturm/Al-Fil, Heimliche Herrscher, S. 2. Aufgrund der grossen Nachfrage konnten sich die Scheiche aus dem mittleren Osten wählerisch zeigen und sich die Investitionsziele auswählen. Vgl. Heumann, Scheichs, S. 1. In Deutschland beispielsweise halten Staatsfonds in mehr als 140 Unternehmen Investitionen. Vgl. Roth, Investitionsbeschränkungen, S. 6. Gilligan, Multilateral governance, S. 403; Heuber, Finanzmarktregulierung, S. 36; IFSWF, Application of the Santiago Principles, S. 4; Papaioannou/Park/Van der Hoorn, Proxyclical Behavior, S. 14; Trebilcock/Howse/Eliason, Regulation, S. 568. Malathouni, Sovereign Wealth Funds, S. 255; Meyer, Staatsfonds CIC, S. 2; siehe auch Robert Weber und Christoph Schalast: Bei einer Umfrage bei 80 Unternehmen DAX und MDAX-Unternehmen (20 Rückmeldungen) gaben 75% an, dass sie sich Staatsfondsinvestitionen vorstellen könnten. Vgl. Weber/Schalast: Handlungsspielräume, S. 18/S. 28. Cohen, Tradeoff, S. 713. Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 309. Mehr über die Einfrierung von staatlichen Geldern des libyschen Staates beschreibt Giorgio Sacerdoti. Vgl. Sacerdoti, Freezing Sovereign Wealth Funds, passim. Beim norwegischen Staatsfonds erwartet man, dass er bis 2020 auf 1,1 Trilliarden USDollar anwachsen wird. Vgl. Karain, Norway’s SWF, S. 1. § 1 Einführung len mittlerweile gut etablierte Investoren dar, die an jeder fünften börsenkotierten Unternehmung beteiligt sind.43 In der nächsten Zeit wird besonders zu beobachten sein, wie Staatsfonds, insbesondere solche mit einer Finanzierung aus Erdölreserven, auf den rasanten Verfall des Ölpreises und daraus resultierende Mindereinnahmen aus diesen Verkäufen reagieren werden.44 Werden die Vermögen der Staatsfonds angetastet und kommt es womöglich zu Desinvestitionen mit empfindlichen Auswirkungen auf die Finanzmärkte? Erste Stimmen machen Staatsfonds für die Turbulenzen an den Finanzmärkten 2015/16 verantwortlich.45 Gemäss Caroline Binham und Patrick Jenkins seien 2015 46,5 Milliarden US-Dollar durch Staatsfonds von Vermögensverwaltern abgezogen worden.46 43 44 45 46 Alhashel, literature review, S. 2. Meissl Årebo, Erdölfunds, S. 25; Zschäpitz, heimliche Gefahr, S. 1. Mooney, Turbulent Trading, S. 1; Rose, Selling, S. 51. Binham/Jenkins, asset managers, S. 1. 7 Erster Abschnitt: Einleitung § 2 Beitrag zur Forschung Investitionen von Staatsfonds wurden in der Vergangenheit ökonomisch und politisch beleuchtet. Juristische Arbeiten haben sich mit der Frage auseinandergesetzt, inwiefern das deutsche Aussenwirtschaftsgesetz mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar ist. Johanna Wolff hat in ihrer Dissertation Ausländische Staatsfonds und staatliche Sonderrechte – Zum Phänomen «Sovereign Wealth Funds» und zur Vereinbarkeit der Beschränkung von Unternehmensbeteiligungen mit Europarecht die Vereinbarkeit des deutschen Aussenwirtschaftsgesetzes mit dem Europarecht untersucht und kommt zum Schluss, dass die entsprechenden Bestimmungen einerseits nicht mit dem Europarecht kompatibel sind und andererseits nicht das Phänomen Staatsfonds genügend regeln. Sie führt weiter aus, dass eine Regelung auf EU-Ebene vorteilhafter sei. Gemeinsam könne man Regelungen einführen, um Investitionen von Staatsfonds zu verbieten, welche nicht über ausreichende Unabhängigkeit von der Heimatregierung verfügten. Den Vorteil solcher Regelungen sieht Wolff darin, dass Staatsfonds, die über eine entsprechend ungenügende Unabhängigkeit verfügen, als «verlängerter Arm» des Gründungsstaates nicht den Schutz der Grundfreiheiten der EU geniessen würden.1 Auch Maximilian Clostermeyer hat sich in seiner Dissertation Staatliche Übernahmeabwehr und die Kapitalverkehrsfreiheit zu Drittstaaten. Europarechtliche Beurteilung der §§ 7 Abs. 2 Nr. 6 AWG, 53 AWV mit der Frage der Kompatibilität des deutschen Aussenwirtschaftsgesetzes mit dem Europarecht auseinandergesetzt. Er stellt darin die Frage, welchen Rahmen das Primärrecht staatlichen Beschränkungen von Unternehmensübernahmen aus Drittstaaten in kompetenzieller sowie inhaltlicher Hinsicht setzt. §§ 7 Abs. 2 Nr. 6 AWG, 53 AWV stelle eine Beschränkung des Kapitalverkehrs zu Drittstaaten dar, welche nicht als Massnahme zur Gewährleistung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt werden könne. Möglich wäre eine Rechtfertigung ausschliesslich im Rahmen der sogenannten «Schlüsselbranchen». Im Bereich des Bankensektors, welchen Clostermeyer auch zu den Schlüsselbranchen zählt, würde die Rechtfertigung an der Verhältnismässigkeit scheitern.2 Überdies haben sich Fabio Bassan und Maximilian Preisser vertieft mit der Frage der Regulierung von Staatsfonds befasst. Bassan hat sich in seinem Werk The Law of Sovereign Wealth Funds intensiv mit der Regulierung von Staatsfonds auseinandergesetzt.3 Preisser schlug in seiner Dissertation 1 2 3 8 Wolff, Ausländische Staatsfonds, passim. Clostermeyer, Staatliche Übernahmeabwehr, passim. Bassan, Law of SWFs, passim. § 2 Beitrag zur Forschung Sovereign Wealth Funds – Entwicklung eines umfassenden Konzepts für die Regulierung von Staatsfonds ein duales Regulierungskonzept für Deutschland vor. Auf der einen Seite solle auf Ebene der EU die Transparenz von Staatsfonds mithilfe einer Transparenzverordnung optimiert werden und auf der anderen Seite solle Deutschland seine nationalen Gesetze anpassen; insbesondere durch eine Absenkung der Schwelle für eine mögliche Kontrolle von aktuell 25% auf 10% kapitalmässiger Beteiligung.4 Die Rolle der Staatsfonds in der Corporate Governance hat Guanglong Shi in seiner Dissertation «Sovereign Wealth Funds – Governance and Regulation» beleuchtet. Shi hat die Frage untersucht wie ein regulatorischer Rahmen im Kontext der nationalen Sicherheit und der Corporate Governance entwickelt werden kann.5 4 5 Preisser, Regulierung, passim. Shi, Governance and Regulation, passim. 9 Erster Abschnitt: Einleitung § 3 Forschungsfragen Die vorliegende Dissertation untersucht diejenigen Anforderungen an Zweck und Organisation von Staatsfonds nach internationalem Recht, die zur Einordnung solcher Gebilde als «normale institutionelle Investoren», d.h. Investoren, die nicht politisch motiviert investieren, notwendig sind. Ein Staatsfonds mit diesem Status müsste aus Sicht der Zielstaaten seiner Investitionen nicht mit zusätzlichen Massnahmen reguliert werden, die über die bestehenden Regeln des nationalen und internationalen Rechts zum Schutz vor unerwünschten Investitionen hinausgehen.1 Er wäre vielmehr wie ein «normaler» privater institutioneller Investor zu behandeln. Des Weiteren wird geprüft, ob das bestehende nationale Schweizer Recht den geäusserten Befürchtungen gegenüber Staatsfondsinvestitionen genügend Rechnung trägt. Schliesslich geht die Arbeit der Frage nach, wie sichergestellt werden kann, dass die Anforderungen an Zweck und Organisation von den Staatsfonds eingehalten werden. Dabei wird auch aufgezeigt, wie dadurch das Vertrauen der Zielstaaten in die «normale» Arbeitsweise von Staatsfonds gesteigert werden kann. 1 10 Siehe hierzu Kapitel § 6. § 4 Struktur der Arbeit § 4 Struktur der Arbeit Nachdem bislang Thematik, Aktualitätsbezug und Fragestellung der vorliegenden Dissertation dargestellt wurden, behandelt dieser Abschnitt den weiteren Aufbau der Arbeit. Das Kapitel § 5 beleuchtet das Thema Staatsfonds als Ganzes, umschreibt den Terminus und grenzt Staatsfonds von anderen staatlichen und privaten Investoren sowie Unternehmen ab. Zudem wird auf die Organisation von Staatsfonds, die Herkunft der Mittel, die Ziele und Zwecke und das Investitionsverhalten eingegangen sowie eine Darstellung verschiedener Staatsfonds vorgenommen. Das Kapitel schliesst mit einer Diskussion der rechtlichen Qualifizierung von Staatsfonds. Kapitel § 6 behandelt die Diskussion rund um die Bedrohung durch Staatsfonds, um dann in Kapitel § 7 auf die Thematik der Regulierung einzugehen. Festgestellt werden soll, ob ein regulierender Eingriff grundsätzlich notwendig ist und wie ein solcher zu rechtfertigen wäre. In einem weiteren Schritt wird in Kapitel § 8 am Beispiel der Schweiz analysiert, inwiefern die bereits existierende Regulierungslandschaft den in Kapitel § 6 geäusserten Bedenken genügend Rechnung trägt. Kapitel § 9 geht rechtsvergleichend auf die Regelungen in den USA, Deutschland und Japan ein. Kapitel § 10 stellt das auf Staatsfonds anwendbare Recht auf internationaler Ebene vor und Kapitel § 11 zeigt auf, wie eine Regulierung auf Stufe der Heimatländer von Staatsfonds aussehen kann. Anhand der Ergebnisse aus den Kapiteln § 7 bis § 11 wird in Kapitel § 12 der Handlungsbedarf für die Schweiz aufgezeigt. In Kapitel § 13 wird erörtert, ob weitergehende Regulierungsmassnahmen notwendig sind; sei dies auf nationaler oder auf internationaler Ebene und im Rahmen von Soft Law oder Hard Law. In Kapitel § 14 wird abschliessend die Möglichkeit der Gründung eines Schweizer Staatsfonds diskutiert. Kapitel § 15 fasst die Aussagen der einzelnen Kapitel nochmals zusammen, um in Kapitel § 16 schliesslich zu einer Beantwortung der Forschungsfragen zu kommen. 11 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, was Staatsfonds sind, und stellt ihre Entstehungsgeschichte dar. In einem ersten Abschnitt wird die Natur von Staatsfonds beschrieben, um sie in einem zweiten Abschnitt von anderen staatlichen und privaten Unternehmen sowie Investmentfonds abzugrenzen. Der dritte Abschnitt untersucht, nach welchen Kriterien sich Staatsfonds klassifizieren lassen und der vierte wendet diese Klassifizierungen exemplarisch auf ausgewählte Staatsfonds an. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einer Auseinandersetzung bezüglich der rechtlichen Qualifizierung und Immunität von Staatsfonds. A. Der Begriff Staatsfonds Es gibt keine allgemein anerkannte Definition für den Terminus «Staatsfonds». Die in der Literatur über Staatsfonds zu findenden Umschreibungen variieren stark. Sie reichen von sehr detaillierten Charakterisierungen bis hin zur einfachen Bemerkung, dass es sich um staatliche Investitionsvehikel handele.1 Die Divergenz der Definitionen ist Ausdruck der Komplexität dieser Konstrukte. Um zu beschreiben was Staatfonds sind, lehnt sich die vorliegende Dissertation an die folgende Definition der International Working Group for Sovereign Wealth Funds (IWGSWF)2 an: «SWFs are defined as special purpose investment funds or arrangements, owned by the general government. Created by the general government for macroecono1 2 Lenihan, Acquisition of Power, S. 3. Die IWGSWF wurde 2008 gegründet und 2009 durch das IFSWF abgelöst, um Richtlinien für Staatsfonds zu erarbeiten. Mitglieder der IWGSWF zum Gründungszeitpunkt und somit zum Zeitpunkt der Definition: National Pensions Reserve Fund (Ireland), Korea Investment Corporation (Korea), Kuwait Investment Authority (Kuwait), Libyan Investment Authority (Libyen), New Zealand Superannuation Fund (Neuseeland), Government Pension Fund-Global (Norwegen), Qatar Investment Authority (Katar), Reserve Fund (Russland), Temasek Holdings Pte. Ltd. (Singapur), Government of Singapore Investment Corporation Pte. Ltd. (Singapur), Petroleum Fund of Timor-Leste (TimorLeste), Heritage and Stabilization Fund (Trinidad und Tobago), Abu Dhabi Investment Authority (Vereinigte arabische Emirate), Alaska Permanent Fund (USA), siehe mehr zu IWGSWF und IFSWF unter Kapitel § 10.B. 13 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen mic purposes, SWFs hold, manage, or administer assets to achieve financial objectives, and employ a set of investment strategies that include investing in foreign financial assets. The SWFs are commonly established out of balance of payments surpluses, official foreign currency operations, the proceeds of privatizations, fiscal surpluses, and/or receipts resulting from commodity exports.»3 Vereinfacht dargestellt, werden Staatsfonds von drei Eigenschaften charakterisiert: erstens die Eigentümerschaft des Staates, zweitens die Funktion als Investitionsvehikel und drittens das Streben nach wirtschaftlichen Zielen.4 I. Staat als Eigentümer Wie schon der Name vermuten lässt, steht hinter einem Staatsfonds ein Staat. Die IWGSWF formuliert dies in ihrer Definition als «owned by the general government». Unter «general government» versteht die IWGSWF dabei sowohl Zentralregierungen als auch subnationale Regierungsstellen.5 In der Literatur wird die Frage kontrovers diskutiert, ob auch Investitionsfonds subnationaler staatlicher Einheiten, wie etwa die Fonds des US-amerikanischen Bundesstaates Alaska und der kanadischen Provinz Alberta, zu den Staatsfonds zählen. Edwin M. Truman vertritt die Meinung, dass diese hinzuzuzählen sind, da sie die gleichen Charakteristika wie Staatsfonds auf nationaler Ebene aufweisen, zum Beispiel die politische Einflussnahme durch Investitionen.6 Benjamin J. Cohen hingegen schreibt den Fonds auf subnationaler Ebene nicht die gleiche Eigenständigkeit zu. Diesen Staaten fehle die formelle Souveränität und sie würden deshalb keine eigenständigen politischen Ziele durch ihre Staatsfondsinvestitionen verfolgen können. Die Staatsfonds von Abu Dhabi und Dubai, beides Königreiche der Vereinigten Arabischen Emirate, sowie den Staatsfonds von Hong Kong zählt Benjamin J. Cohen jedoch zur Kategorie der Staatsfonds hinzu, da er ihnen weitgehende Unabhängigkeit und die Möglichkeit politischer Einflussnahme attestiert.7 3 4 5 6 7 14 IWGSWF, Santiago Principles, S. 27. Deutsche Übersetzung: Staatsfonds sind zweckbestimmte Investitionsfonds oder Gliederungen, die im Besitz der Zentralregierung stehen. Gegründet durch die Zentralregierung für makroökonomische Ziele halten und verwalten Staatsfonds Vermögen um finanzielle Ziele zu erreichen. Staatsfonds sind aktuell durch Überschüsse der Zahlungsbilanzen, Devisengeschäften, Privatisierungen, Haushaltsüberschüsse und/oder Einnahmen durch den Export von Rohstoffen finanziert. Bassan, Law of SWFs, S. 23; Beck/Fidora, Impact, S. 6; Capapé/Blanco, Definition of Sovereign Wealth Funds, S. 11; Cohen, Tradeoff, S. 715; IWF, Annex 1.2, S. 45. IWGSWF, Santiago Principles, S. 27; Malathouni, Sovereign Wealth Funds, S. 252. Truman, Threat or Salvation, S. 10. Cohen, Tradeoff, S. 715. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel Die vorliegende Arbeit schliesst sich der Meinung der IWGSWF sowie Edwin M. Trumans an, dass auch Investitionsfonds subnationaler staatlicher Einheiten zur Kategorie der Staatsfonds zu zählen seien, sofern sie in staatlichem Eigentum stehen und die Funktion eines Investitionsvehikels erfüllen. Die potenziellen Gefahren von Staatsfonds unterscheiden sich nicht hinsichtlich einer nationalen oder subnationalen Zugehörigkeit. Somit ist es für die Auswirkungen von Staatsfondsinvestitionen irrelevant, ob der Eigentümer der Staat oder eine substaatliche Stelle ist. Auch substaatlichen Stellen kann es möglich sein, politisch motiviert zu investieren. Überdies bedeutet die Gründung durch eine substaatliche Stelle nicht, dass weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. In der Literatur ist der zur Einordnung als Staatsfonds nötige Grad der Kontrolle resp. Beherrschung der Vermögenswerte durch die staatliche Stelle nicht abschliessend geklärt. Offen ist ebenfalls die Frage, ob die faktische Kontrolle durch den Staat ausreichend ist oder ob der Staat auch rechtlich (vollständiger) Eigentümer der Vermögenswerte sein muss.8 Die IWGSWF scheint von der definitorischen Notwendigkeit der Eigentümereigenschaft auszugehen, da sie in ihrer Definition «owned by the general government» als Kriterium festhält. Sie geht aber nicht weiter darauf ein, ob dieses «owned» bedeutet, dass das Vermögen vollständig im Eigentum des Staates sein muss.9 Festzuhalten ist jedenfalls, dass Staatsfonds oftmals in vollständigem Eigentum von Staaten stehen. Dies stellt jedoch keine zwingende Voraussetzung zur Qualifikation als Staatsfonds dar. Ein Staat kann bereits mit Beherrschung einer Kontrollmehrheit Entscheidungen beeinflussen und seine Interessen durchsetzen. Es braucht hierfür nicht zwingend die vollständige Eigentümerschaft. Neben der staatlichen Eigentümerschaft ist Staatsfonds eigen, dass sie keine oder nur wenige Verbindlichkeiten gegenüber Dritten im Sinne von Fremdkapital aufweisen.10 Die Aufnahme von Fremdkapital ist bei den meisten Staatsfonds auf maximal 5% des verwalteten Vermögens limitiert.11 Gewisse Staatsfonds, wie z.B. der Staatsfonds Temasek Holdings aus Singapur, haben vereinzelt Fremdkapital am Kapitalmarkt aufgenommen. Der Grund dafür kann darin liegen, dass sie während der Finanzkrise 2007/08 grosse Verluste verkraf- 8 9 10 11 Steht die Kontrolle des Staates im Vordergrund und nicht das Eigentum, so qualifizieren mehr Investitionsvehikel als Staatsfonds. Vgl. Capapé/Blanco, Definition of Sovereign Wealth Funds, S. 12. IWGSWF, Santiago Principles, S. 27. Fini/Rethel, corporate reform, S. 164; Monk, Sovereign Wealth Fund Debate, S. 9; Gegenteilig sieht das Edwin W. Truman, welcher auch Pensionsfonds in die Gruppe der Staatsfonds einordnet. Vgl. Cohen, Tradeoff, S. 715. Barbary/Bortolotti/Fotak/Miracky, Monitor Group, S. 20 ff. 15 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen ten mussten, jedoch weiterhin unter Druck standen, positive Ergebnisse zu erzielen.12 Somit ist die Abhängigkeit der Staatsfonds von externen Finanzgebern in der Regel sehr gering und damit vernachlässigbar. Gegenüber staatlichen Stellen können Verpflichtungen bestehen, welche jedoch in der Regel keine direkten Zahlungsverpflichtungen für einen Staatsfonds generieren.13 Selbst ein Staatsfonds mit dem Ziel, das heute erwirtschaftete Vermögen für zukünftige Generationen anzulegen, weist keine direkten und expliziten Verbindlichkeiten auf, da die späteren Auszahlungen nicht direkt zugeordnet werden können.14 Die Bürger eines Staates können somit keine direkten Ansprüche gegenüber einem Staatsfonds geltend machen.15 Dadurch, dass Staatsfonds wenige bis gar keine externen Verpflichtungen haben und deshalb keine Liquiditätsplanung befolgen müssen, reagieren sie gelassener auf Kurseinbrüche und Finanzkrisen. Dies macht Staatsfonds zu zuverlässigen und langfristigen Kapitalgebern.16 Darüber hinaus werden die Gelder der Staatsfonds in der Regel von den Geldern der Zentralbank getrennt und unabhängig von den offiziellen Währungsreserven verwaltet.17 Dies ist notwendig, damit ein Staatsfonds rein renditeorientiert und frei von anderen politischen und strategischen Interessen investieren kann. Eine Zentralbank verfolgt nicht nur rein renditeorientierte Ziele und kann zur Verfolgung ihrer Ziele auch Verluste eingehen.18 II. Investitionsvehikel Staatsfonds sind Investitionsvehikel, also Hilfsmittel zum Zweck der Investition. Als zweites charakterisierendes Element kann somit das Investieren von Geldern am globalen Kapitalmarkt gesehen werden: «SWFs hold, manage or administer assets to achieve financial objectives, and employ a set of investment strategies that include investing in foreign financial assets».19 Die IWGSWF schliesst Vehikel, die im Inland investieren, nicht aus ihrer Definition aus, auch wenn Staatsfonds ihr Vermögen typischerweise im Ausland investieren.20 Investitionsstrategien und damit die Örtlichkeit der Investitionstä12 13 14 15 16 17 18 19 20 16 Barbary/Bortolotti/Fotak/Miracky, Monitor Group, S. 20 ff.; Capapé/ Blanco, Definition of Sovereign Wealth Funds, S. 12. Monk, Calpers, S. 3. Fini/Rethel, Corporate Reform, S. 164; Zetzsche, Fonds im Fokus, S. 37. Monk, Sovereign Wealth Fund Debate, S. 10. Heismann, Blaupause, S. 82. Wolff, Ausländische Staatsfonds, S. 9. Siehe zu den Zielen von Zentralbanken: § 5.B.V. IWGSWF, Santiago Principles, S. 27. Bassan, Law of SWFs, S. 23; Beck/Fidora, Impact, S. 6. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel tigkeit können sich über die Zeit anpassen und ändern. Zu kontroverser Diskussion haben bislang zwar vor allem die Auslandinvestitionen von Staatsfonds geführt, was aber nicht bedeutet, dass ein Staatsfonds zwangsweise ausschliesslich im Ausland investieren muss. Staatsfonds werden generell als passive Investoren gesehen. Vereinzelt nehmen sie jedoch auch eine aktive Rolle ein, wie beispielsweise der norwegische Staatsfonds Government Pension Fund Global (GPFG), der ethische Ziele sowie Schutz, Förderung und Einhaltung von Menschenrechten anstrebt.21 Es ist anzunehmen, dass Staatsfonds zukünftig mehr Einfluss in den investierten Unternehmen nehmen wollen. Die hohen Verluste, die sie im Nachgang der Finanzkrise 2007/08 verkraften mussten, hat sie unter Druck gesetzt. Beispielsweise gibt eine aktive Rolle in Aufsichts- und Verwaltungsräten Staatsfonds die Möglichkeit, Einfluss auf die Geschäftspolitik zu nehmen und dadurch die Entwicklung einer Investition positiv zu beeinflussen.22 Neben zusätzlichen Investitionen in Entwicklungsländern wurde nach der Finanzkrise 2007/08 auch vermehrt in Immobilien investiert.23 Insbesondere weniger konjunkturanfällige Branchen, wie etwa die Konsumgüter- und die Pharmaindustrie, sind vermehrt ins Zentrum von Investitionen gerückt.24 Auch konnte eine Zunahme an inländischen Investitionen beobachtet werden.25 III. Wirtschaftliche Ziele Ein Staatsfonds verwaltet und investiert öffentliche Gelder.26 Die IWGSWF definiert dies folgendermassen als «to achieve financial objectives».27 Die Ziele von Staatsfonds sind wirtschaftlicher Natur; unter anderem geht es um die Maximierung des Gewinns. Dieses Ziel erreichen Staatsfonds, indem sie Gelder am Finanzmarkt anlegen. Weitere Ziele, die als Anlässe zur Gründung eines Staatsfonds dienen, sind: Stabilisierung der Wirtschaft, Sparen- und Generationengerechtigkeit und Entwicklung der nationalen Wirtschaft.28 Mit wenigen Ausnahmen agieren Staatsfonds dabei als langfristige Investoren. Seit der Finanzkrise 2007/08 zeigt sich jedoch ein Trend, dass Staatsfonds 21 22 23 24 25 26 27 28 Ghahramani, Governments, S. 90. Balin, impact, S. 7; Schäfer/Bläschke, Aktivitäten von Staatsfonds, S. 4; Glancy, Political Risk, S. 3. IWF, Long Term Development, S. 2; Wüst, Taskforce, S. 1. Cohen, Tradeoff, S. 718; Heismann, Blaupause, S. 82. Schicho, State Entities, S. 79. IWGSWF, Santiago Principles, S. 27. IWGSWF, Santiago Principles, S. 27. Siehe Kapitel § 5.C.III. 17 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen auch kurzfristige Investitionen tätigen, um die Rendite zu steigern.29 Neu gegründete Staatsfonds, die hauptsächlich Spar- und weniger Stabilisierungszwecke verfolgen, investieren vermehrt auch in Hedgefonds. Mit diesen Investitionen erhoffen sie sich eine bessere Renditemöglichkeit mit einem ausgewogenen Risiko-Ertrags-Profil.30 Die meisten der ersten Staatsfonds (1970–2000) verfolgten mit einem Hauptteil der Investitionen in ausländische Staatsanleihen eine eher passive Investitionsstrategie. Mit der Abschwächung des US-Dollar Anfang des 21. Jahrhunderts veränderte sich das Bild. Immer mehr Staatsfonds investierten nun auch in Aktien grosser und stabiler Unternehmen in den USA und Europa.31 75% der Gesamtinvestitionen entfielen dabei auf Länder der OECD.32 Mitgliedstaaten der OECD bieten vertrauenswürdige Rechtssysteme, liquide Märkte und einen zuverlässigen Investitionsschutz. Es müssen weder Enteignungen, noch Schwierigkeiten hinsichtlich einer möglichen zeitnahen Desinvestition befürchtet werden. Seit der Finanzkrise 2007/2008 zeigt sich ein etwas anderes Bild: Staatsfonds fingen an, in der Hoffnung auf höhere Renditen vermehrt auch in Entwicklungsländer (sogenannte Emerging Markets) zu investieren.33 B. Abgrenzungen Der folgende Abschnitt untersucht andere staatliche und private Unternehmen sowie Investmentgesellschaften im Hinblick auf ihre Abgrenzung gegenüber Staatsfonds. I. Staatliche Unternehmen Im Gegensatz zu Staatsfonds, welche hauptsächlich kleinere Portfolioinvestitionen tätigen, investieren staatliche Unternehmen grundsätzlich mittels direkter Beteiligung, um Waren herzustellen oder Dienstleistungen zu erbringen.34 Charakteristisch für ein staatliches Unternehmen ist der Unterhalt einer operativen Tätigkeit, welche zumindest teilweise auf die Erfüllung öffentlicher Interessen gerichtet ist.35 Beim Staatsunternehmen handelt es sich somit um ein 29 30 31 32 33 34 35 18 Capapé/Blanco, Definition of Sovereign Wealth Funds, S. 19. Sameer/Acuna, Alternative Investments, S. 142. Hemphill, Sovereign Wealth Funds, S. 554; Bahgat, Assessment, S. 167. Glancy, Political Risk, S. 2. Bahgat, Assessment, S. 164; Kunzel/Lu/Petrova/Pihlmann, Investment Objectives, S. 11. Backer, Sovereign Investing, S. 115; Bassan, Law of SWFs, S. 22 ff. Hahn, State Immunity, S. 104; Staatliche Unternehmen sind oftmals im Energie-, Telekommunikations- und Transportsektor zu finden, da sie in der Regel eine Versorgerfunk- § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel klassisches Unternehmen, jedoch mit der Besonderheit der (Mit-)Trägerschaft des Staates.36 II. Hedgefonds, Mutual-Funds, Private-Equity-Funds Anders als klassische Staatsfonds tätigen Hedgefonds spekulative Investitionen als Fremdkapital und unter Einsetzung von Hebeleffekten.37 Dabei versuchen sie, unabhängig von der Entwicklung an den Börsen positive Renditen zu erwirtschaften, wozu sie auch Instrumente wie Leerverkäufe38 einsetzen. Hedgefonds können eine passive Investitionsstrategie verfolgen, sich aber auch wie PrivateEquity-Funds aktiv in die Geschäftstätigkeit der Zielunternehmen einbringen.39 Private-Equity-Funds sind Anlagefonds, welche Anteile an Unternehmen erwerben, diese Unternehmen während einer vordefinierten Zeit umstrukturieren und sie dann wieder verkaufen.40 Gespeist wird ein Private-Equity-Fund vor allem von vermögenden privaten und institutionellen Investoren.41 Manche Staatsfonds haben in letzter Zeit eine ähnliche Investitionstendenz gezeigt, indem sie sich aktiv in die strategische Gesellschaftsführung eingebracht haben, um die Entwicklung von Zukunftstechnologien in Zielunternehmen sowie im Herkunftsstaat des Staatsfonds zu fördern.42 Traditionelle Investmentfonds sehen ihren Auftrag hingegen wie Staatsfonds in der passiven Investitionstätigkeit.43 Im Unterschied zu Staatsfonds verwalten sie jedoch primär Gelder privater und institutioneller Investoren. 36 37 38 39 40 41 42 43 tion wahrnehmen. Vgl. Häsler, Geltung der Grundrechte für öffentliche Unternehmen, S. 32; Wolff, Ausländische Staatsfonds, S. 8. Gemäss Stefan Vogel ist ein Unternehmen eine auf Dauer angelegte Organisationseinheit, die zur Erstellung einer wirtschaftlichen Leistung, mit einer gewissen Autonomie ausgestattet ist. Vgl. Vogel, Der Staat als Marktteilnehmer, S. 34. Kern, Auslandsinvestitionen im Aufwind, S. 8. Bei einem Leerverkauf leihen sich die Fonds Vermögensgegenstände etwa von Banken und veräussern diese dann später. Bei fallenden Preisen werden die Vermögenswerte später günstiger erworben, um sie dann dem Verleiher wieder zurückzugeben. Den Gewinn kann der Fonds behalten. Vgl. Clostermeyer, Staatliche Übernahmeabwehr, S. 39 Becker, Finanzwirtschaft, S. 238; Clostermeyer, Staatliche Übernahmeabwehr, S. 39. Becker, Finanzwirtschaft, S. 237; Shi, Governance and Regulation, S. 22. Shi, Governance and Regulation, S. 22. Kuta/Fojcik, Einfluss von Staatsfonds, S. 558; Roth, Investitionsbeschränkungen, S. 5. Clostermeyer, Staatliche Übernahmeabwehr, S. 38; Friedrich/Bahr, Hedge Funds, S. 7. 19 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen III. Pensionsfonds Ein Pensionsfonds sammelt und verwaltet kollektive Gelder. Diese zahlt er seinen Mitgliedern zu einem späteren Zeitpunkt in Form einer Rente wieder aus.44 Im Unterschied zu Staatsfonds weisen Pensionsfonds klar definierte Verbindlichkeiten mit regelmässigen Zahlungsflüssen in der Zukunft auf.45 Pensionsfonds unterliegen einer treuhänderischen Pflicht, die Vermögen im Sinne der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verwalten und zu investieren.46 Dies hat Einfluss auf die Investitionsentscheidungen.47 Pensionsfonds investieren deshalb überwiegend defensiv und mit einem langfristigen Investitionshorizont.48 IV. Stabilisierungsfonds Staatliche Investitionsfonds mit Investitionen vorwiegend im Inland sind vor allem Stabilisierungsfonds, die oftmals zu den Staatsfonds hinzugezählt werden.49 Sie verfolgen primär das Ziel, die heimische Wirtschaft zu stärken. Stabilisierungsfonds sind Vorgänger der Staatsfonds und investieren primär in sehr liquide und sichere Vermögen wie Staatsanleihen und Festgelder. Die Transformation eines Stabilisierungsfonds hin zu einem Staatsfonds verläuft in aller Regel fliessend und zeigt sich rein in der Investitionsstrategie des Investitionsvehikels.50 Im Gegensatz zu Staatsfonds gleicht die Investitionsstrategie von Stabilisierungsfonds eher der einer Zentralbank, welche grundsätzlich risikoscheu agiert.51 44 45 46 47 48 49 50 51 20 Kraus, Regulierung, S. 34. Beck/Fidora, Impact, S. 6; Gajala, Corporate Governance, S. 37; Monk, Sovereign Wealth Fund Debate, S. 10. Berg, Finanzkrisen und Hedgefonds, S. 26 f.; Monk, Calpers, S. 4. Beck/Fidora, Impact, S. 6; Gajala, Corporate Governance, S. 37; Monk, Sovereign Wealth Fund Debate, S. 10. Berg, Finanzkrisen und Hedgefonds, S. 26 f. Die vorliegende Dissertion ordnet die Stabilisierungsfonds auch zur Kategorie der Staatsfonds hinzu. Dies einzig aus dem Grund, dass sich das Investitionsverhalten eines staatlichen Investitionsvehikels über die Zeit verändern kann und es zwischen der Strategie eines klassischen Staatsfonds sowie derjenigen eines Stabilisierungsfonds situativ wählen kann. Aus diesem Grund wird der Abgrenzung zwischen einem Staatsfonds, welcher investiert, um seine Rendite zu steigern und einem der primär die heimische Wirtschaft zu stärken sucht, Beachtung geschenkt. Naveen, contract, S. 462. Barbieri, European Union, S. 3; Capapé/Blanco, Definition of Sovereign Wealth Funds, S. 15; Gajjala, Corporate Governance, S. 37; Fini/Rethel, corporate reform, S. 164. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel V. Zentralbanken Zentralbanken sind primär für die Organisation des Zahlungsverkehrs und Formulierung der Geld- und Währungspolitik zuständig. Sie verfügen in der Regel über ein Ausgabenmonopol der Währung ihres Staates und steuern das inländische Zinsniveau anhand der Geldmenge. Zentralbanken treten unter unterschiedlichen Namen auf. Sie heissen Zentralbank, Nationalbank, Reserve Bank, teilweise auch konkret Bank of Japan oder Banque de France. Unabhängig vom Namen handelt es sich bei der Zentralbank stets um diejenige Bank, welche die hoheitliche Aufgabe der Geld- und Währungspolitik innehat und dabei wirtschaftspolitische Ziele wie Preis-, Konjunktur- und Finanzstabilität verfolgt. Ihr obliegt normalerweise das Währungsmonopol; sie greift in Finanz- und Devisenmärkte ein und legt Mindestreserven für Banken fest. Zudem überwacht sie Banken sowie Zahlungssysteme und kann die Aufgabe der Staatsbank übernehmen.52 Oftmals nehmen Zentralbanken auch die Funktion eines Lender of Last Resort ein. In dieser Funktion stützen sie bei Bedarf Finanzinstitute, um die Stabilität des gesamten Finanz- und Wirtschaftssystems zu schützen.53 Um ihre Geldpolitik betreiben zu können, ist es notwendig, dass Zentralbanken ihre Aktiva in liquiden Mitteln halten, da sie diese jederzeit wieder veräussern können müssen.54 Ähnlich wie Staatsfonds investieren auch Zentralbanken im Ausland, vorwiegend jedoch in Staatsanleihen. Zudem investieren sie traditionell auch in Devisen und Gold.55 Staatsfonds hingegen sind im Rahmen ihrer gesetzlichen und statutarischen Bestimmungen freier und können überdies Aktien, Derivate und Immobilien erwerben.56 Zentralbanken verfügen nicht über die gleiche Flexibilität wie Staatsfonds, da sie unter anderem die Verantwortung für die Stabilität der Finanzmärkte tragen. Sie haben die Aufgabe, die Inflation und die Währung zu stabilisieren.57 In Krisenzeiten sind sie darauf angewiesen, schnell und zuverlässig auf ihre Devisen zurückgreifen zu können. Zum Erreichen der Stabilitätsziele dürfen sie auch Verluste machen.58 52 53 54 55 56 57 58 Herger, Zentralbank, passim. Herger, Zentralbank, S. 9. Bräuer, Schweiz Staatsfonds, S. 1; SDA, Erhebliche Risiken, S. 2 f. Barbieri, European Union, S. 3; Capapé/Blanco, Definition of Sovereign Wealth Funds, S. 15; Gajjala, Corporate Governance, S. 37; Fini/Rethel, corporate reform, S. 164. Barbieri, European Union, S. 3; Schäfer/Bläschke, Aktivitäten von Staatsfonds, S. 8. Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 311. Hall, False Panacea, S. 144; Kern, Auslandsinvestitionen im Aufwind, S. 12 f.; Schäfer/Bläschke, Aktivitäten von Staatsfonds, S. 8; Wolff, Ausländische Staatsfonds, S. 5. 21 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen C. Kategorisierung von Staatsfonds Staatsfonds lassen sich hinsichtlich ihrer Ziele und Zwecke, ihrer Investitionstätigkeit, der Herkunft ihrer Mittel und hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur kategorisieren. I. Organisation von Staatsfonds Unter organisatorischen Gesichtspunkten können Staatsfonds nach ihrer rechtlichen Struktur und ihrer Führungsstruktur unterschieden werden. 1. Rechtliche Struktur Staatsfonds entstehen durch einen hoheitlichen Akt, wie etwa der Schaffung einer Grundlage in der Verfassung, einem Gesetz oder einer Verordnung. Der Vorteil einer Begründung mittels Verfassungsakts liegt in deren Beständigkeit. Gesetze und Verordnungen sind im Vergleich flexibler bezüglich der Anpassung an neue Rahmenbedingungen und in der Regel detailreicher.59 Staatsfonds können einerseits von der staatlichen Organisation losgelöst geschaffen und mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit ausgestattet werden. Andererseits können sie auch ohne eigene Rechtspersönlichkeit in eine staatliche Organisation eingegliedert werden. In eine staatliche Organisation wie Finanzministerium oder Zentralbank60 eingegliederte Staatsfonds können verschiedene Organisationsformen annehmen: Die Gründung kann als öffentlich-rechtliche oder private Gesellschaft, als Vermögenspool oder als spezialgesetzliche Gesellschaft vollzogen werden.61 Staatsfonds, die als juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit gegründet werden, können sowohl als staatliche Unternehmung gemäss nationalem Gesellschaftsrecht oder durch ein Spezialgesetz errichtet werden. Der Rahmen kann dabei eine gesetzlich vorgesehene Rechtsform sein oder eine speziell für den Staatsfonds geschaffene Struktur.62 Für letztere ist grundsätzlich ein spezieller Verfassungsakt notwendig, wie dies etwa im Fall der Abu Dhabi Investment Authority (ADIA) ist.63 Staatsfonds, die mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind, verfügen oftmals über eine Führungsstruktur, die zwischen Eigentümer, Geschäftsleitung und Aufsichts-/Verwaltungsrat unterscheidet. Die operationelle Unabhängigkeit 59 60 61 62 63 22 Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 38. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 181. Bassan, Law of SWFs, S. 33; Fini/Rethel, corporate reform, S. 164; Hammer/Kunzel/Petrova, Operational Practices, S. 5; McVea/Charalambu, Game theory, S. 63; Megginson/Fotak, Fiduciary State, S. 7; Preisser, Regulierung, S. 21. Preisser, Regulierung, S. 22. IWGSWF, Santiago Principles, S. 11 f. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel kann über Regeln zur Einsetzung und Abberufung der Vorstandsmitglieder sichergestellt werden. Ist der Staatsfonds eine Einheit innerhalb der Zentralbank, kann die operationelle Unabhängigkeit über eine klare Rechtsgrundlage sowie interne Führungsgrundsätze mit klarer Kompetenzverteilung und Aufsichtsdefinition gewährleistet werden. Wichtig ist insbesondere eine klare Definition der Beziehung zwischen Eigentümer und Staatsfondsverwaltung. Im Falle der Integration eines Staatsfonds in das Finanzministerium kann sich die Umsetzung der Unabhängigkeit schwieriger gestalten.64 2. Führungsstruktur Die Verwaltung eines Staatsfonds kann intern sowie extern durchgeführt werden. Dabei stehen zwei Modelle zur Verfügung: Das Managermodell und das Investmentunternehmensmodell. Im Managermodell gründet der rechtliche Eigentümer des Vermögens, in der Regel das Finanzministerium, den Staatsfonds und überträgt die Verwaltung einer externen Stelle. Diese kann wahlweise die Zentralbank, eine unabhängige Managementeinheit oder auch ein externes Unternehmen wie ein Vermögensverwalter oder eine Bank sein.65 Vorteile einer externen Verwaltung liegen darin, dass diese Expertise mitbringt und Zugang zu anderen Märkten verschafft. Dadurch kann sie operationelle Risiken minimieren, die durch potentiellen Mangel an Humankapital und technologischen Ressourcen in einem Staatsfonds entstehen können. Externe Manager können auch als Benchmark für das interne Verwaltungsteam eingesetzt werden, indem anhand der Leistung der externen Verwalter die Leistung der internen Verwalter beurteilt wird.66 Beim Investmentunternehmensmodell gründet der Staat als Eigentümer des Vermögens ein Investmentunternehmen, welches neuer Eigentümer der Gelder wird. Diese Struktur wird vor allem verwendet, wenn der Staatsfonds eine aktive Strategie mit Kontrollabsicht in Bezug auf die Zielunternehmen verfolgt, wie es beispielsweise bei der Temasek Holdings der Fall ist.67 Staatsfonds können auch die Dienstleistung von Finanzintermediären in Anspruch nehmen.68 Mittlerweile verfügen die meisten Staatsfonds über professionelle Verwalter. Die ADIA verfügt beispielsweise über 1500 Mitarbeiter und lässt einen Teil ihres Vermögens durch externe Manager verwalten.69 64 65 66 67 68 69 Das/Lu/Mulder/Sy, Considerations, S. 13. Hall, False Panacea, S. 140. Das/Lu/Mulder/Sy, Considerations, S. 18. Al-Hassan/Papaioannou/Skancke/Chih, Governance Structure, S. 10; Van der Zee, Responsible Investing, S. 144. Hall, False Panacea, S. 140. Sturm/Al-Fil, Heimliche Herrscher, S. 2. 23 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen II. Herkunft der Mittel Finanziert werden Staatsfonds aus Zahlungsbilanzüberschüssen, Einkommen aus Privatisierungen, Handelsbilanzüberschüssen und Einkommen aus Rohstoffverkäufen sowie Devisenüberschüssen des gründenden Staatshaushaltes.70 Für das Wachstum von Staatsfonds können zwei zentrale Faktoren ausfindig gemacht werden: zum einen der Anstieg des Ölpreises in den Jahren ab 200171 und zum anderen eine Zunahme von Währungsreserven, letztere vor allem in Japan, China, Malaysia und Singapur seit 1995.72 Der Anstieg der Währungsreserven kann auf der einen Seite durch eine starke Exportindustrie und auf der anderen Seite durch eine aggressive Wechselkurspolitik zur Abschwächung der eigenen Währung erklärt werden.73 Die chinesische Volksbank (PBOC)74 erwarb im grossen Stil US-Dollar und andere Devisen, um die chinesische Währung abzuwerten und damit die eigene Exportwirtschaft anzukurbeln.75 Auch konnten viele Länder durch Privatisierungen von Staatsunternehmen hohe Einnahmen verzeichnen, was wiederum zu investierbaren Überschüssen in den Staatshaushaltskassen führte.76 Staatsfonds können somit in Commodity- und Non-Commodity-Funds unterteilt werden. Commodity-Funds werden aus Rohstofferlösen gespeist, während Non-Commodity-Funds mit Mitteln aus dem Transfer offizieller Devisenreserven ausgestattet werden.77 Die meisten Commodity-Funds basieren auf Erträgen aus Öl- und Gasexporten, es gibt aber auch solche, die aus Erträgen von Kupfer- und Diamantenverkäufen finanziert werden.78 Die Gelder eines Non-Commodity-Fund stammen 70 71 72 73 74 75 76 77 78 24 IWGSWF, Santiago Principles, S. 27. Das Barrel Öl kostete 1998 10 US-Dollar und 10 Jahre später über 148 US-Dollar. Seit 2010 hat es sich wieder auf einem Preis von 90 bis 110 US-Dollar stabilisiert. Vgl. Megginson/Fotak, Fiduciary State, S. 4. Asiatische Länder unter anderen Indonesien, Malaysia, Philippinen und Thailand verzeichneten in den Jahren zwischen 1980 und 2005 ein starkes Wachstum; das reale BIP pro Kopf wuchs um durchschnittlich 4,7% pro Jahr. Vgl. Ruoss/Zurlinden, Weltwirtschaft, S. 226. Barbieri, European Union, S. 2; Hahn, State Immunity, S. 103; Gilson/Milhaupt, New Mercantilism, S. 1358; Megginson/Fotak, Fiduciary State, S. 4; Monk, Sovereign Wealth Fund Debate, S. 2. People’s Bank of China. Barbieri, European Union, S. 2; Gilson/Milhaupt, New Mercantilism, S. 1358; Megginson/Fotak, Fiduciary State, S. 4; Monk, Sovereign Wealth Fund Debate, S. 2, siehe auch Stefan Oeter zur künstlichen Unterbewertung von Währungen. Vgl. Oeter, Welthandelsordnung, S. 46. Peaucelle, Sustainable Development, S. 2; UNCTAD, National Security, S. 19. Keller, Investors, S. 337; Reisen, Staatsfonds, S. 26. Capapé/Blanco, Definition of Sovereign Wealth Funds, S. 20; Keller, Investors, S. 337. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel in der Regel aus Währungsüberschüssen, welche durch Exporteinnahmen, Einnahmen aus Währungskursinterventionen sowie Einnahmen staatlicher Unternehmen geschaffen werden.79 Staaten, welche über wenig natürliche Ressourcen, dafür aber über ein grosses Arbeitskraftpotential mit niedrigen Löhnen verfügen, haben in der Regel eine starke Exportindustrie und können dadurch ihre Devisenreserven vermehren.80 Durch künstliche Unterbewertung der nationalen Währung kann die Exportindustrie angekurbelt und die Wettbewerbsstellung des Landes durch niedrigere Preise auf dem Weltmarkt verbessert werden.81 Hierfür werden Devisen eingekauft, was oftmals zu einer Anhäufung von grösseren Devisenreserven führt, als die Zentralbanken sie für ihre Tätigkeiten benötigen.82 Diese Währungsreserven können Zentralbanken klassischerweise in Staatsanleihen, Gold oder Geldmarktinstrumenten anlegen oder in einen Staatsfonds auslagern, der riskantere Investitionen tätigt und dadurch die Erwirtschaftung höherer Renditen erlaubt als das klassische Reservemanagement der Zentralbanken.83 Einen Hauptunterschied zwischen einem Commodity- und einem Non-Commodity-Fund besteht darin, dass beim Commodity-Fund die Einnahmen direkt in den Staatsfonds fliessen, ohne zuerst in die nationale Wirtschaft gelangt zu sein. Überdies grenzt sich ein Non-Commodity-Fund von einem CommodityFund dadurch ab, dass es sich bei seinem Vermögen nicht um ursprünglich erwirtschaftete finanzielle Mittel handelt, sondern um geliehenes Vermögen, welches vorwiegend über Interventionen im Währungsmarkt generiert wurde und neutralisiert werden muss, d.h. die Gelder müssen wieder aus der nationalen Wirtschaft gebracht werden, damit es nicht zu einer Inflation kommt.84 Unter «Neutralisierung» versteht man in der Geldpolitik der Zentralbanken den Eingriff in den Devisenmarkt durch begleitende Massnahmen, damit es zu keiner Veränderung der Geldmenge kommt. In vielen Fällen ist das Vermögen von Non-Commodity-Funds bereits von anderen offiziellen Stellen wie etwa der Zentralbank, dem Wirtschafts- oder dem Finanzministerium gehalten worden.85 79 80 81 82 83 84 85 Beck/Fidora, Impact, S. 6; Capapé/Blanco, Definition of Sovereign Wealth Funds, S. 20. Shemirani, International Political Economy, S. 15. Oeter, Welthandelsordnung, S. 46. Zur Diskussion, wieviele Währungsreserven ein Land für die Geldpolitik benötigt, siehe Kapitel § 14.C.V.1.b)bbb). GAO, Sovereign Wealth Funds, S. 6. Lowery, Remarks, S. 2. Shemirani, International Political Economy, S. 18. 25 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen III. Ziele und Zwecke Anhand ihrer Zielsetzung können Staatsfonds nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) in fünf verschiedene Kategorien eingeteilt werden.86 Erstens in die Gruppe der Stabilisierungsfonds (Stabilization Funds), zweitens in die Gruppe der Spar- und Generationenfonds (Saving Funds for Future Generations), drittens in die Gruppe der Spekulationsfonds (Reserve Investment Corporations), viertens in die Gruppe der Entwicklungsfonds (Development Funds) und fünftens in die Gruppe der Pensionsreservefonds (Contingent Reserve Investment Funds). Neben makroökonomischen Zielen verfolgen viele Staatsfonds auch Ethikund Nachhaltigkeitsziele. Diese haben in der gesamten Vermögensverwaltungsindustrie an Bedeutung gewonnen.87 Es ist anerkannt, dass verantwortungsvolles Verhalten sich langfristig auf den Erfolg einer Unternehmung auswirken kann.88 Staatsfonds haben unter anderem die Aufgabe, für die Zukunft finanzielle Mittel zugunsten ihrer Bevölkerung anzulegen.89 Dabei sind ethische und auf Nachhaltigkeit zielende Überlegungen wichtige Erfolgsfaktoren.90 Beispiele für Staatsfonds, die neben finanziellen auch solche Ziele verfolgen, sind die Staatsfonds von Norwegen und Neuseeland.91 Die beiden Staatsfonds haben den UN Global Compact unterzeichnet und sind Gründungsmitglieder der UNPrinzipien für verantwortungsvolles Investment.92 1. Stabilisierungsfonds Stabilisierungsfonds haben einerseits das makroökonomische Ziel der Konjunkturstabilisierung im Fokus, welches sie durch die Abkoppelung der volatilen Rohstoffeinnahmen von den Staatsausgaben zu erreichen versuchen.93 Andererseits verfolgen sie stabile Wechselkurse. a) Konjunkturstabilisierung Insbesondere rohstoffreiche Staaten, in welchen die meisten Staatsfonds ihren Ursprung haben, sehen sich mit Boom- und Bust-Zyklen konfrontiert.94 In Hoch86 87 88 89 90 91 92 93 94 26 Gutin, Regulating, S. 748; IWF, Annex 1.2, S. 46; Malathouni, Sovereign Wealth Funds, S. 255; Senn, Institutional Governance, S. 6. Ghahramani, Governments, S. 90; Wagner, Asset Allocation Strategies, 14. Ghahramani, Governments, S. 87; Raos, Prozessqualität, S. 1. Wagner, Asset Allocation Strategies, 14. Raos, Prozessqualität, S. 1. Fini/Rethel, corporate reform, S. 168; Van der Zee, Responsible Investing, S. 148. IFSWF, Application of the Santiago Priciples, S. 33. Gunselmann/Straub, Staat und Demokratie, S. 2. Bahgat, Assessment, S. 164; Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 47; Gutin, Regulating, S. 748. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel phasen werden diese Staaten von Geldern überschwemmt. Diese Einnahmen werden oftmals ohne Rücklagenbildung direkt wieder für nicht unbedingt notwendige Projekte ausgegeben, zum Beispiel kostenintensive Prestigebauten. Sinken die Einnahmen wieder, sind oftmals nicht genügend Mittel vorhanden, um die Projekte zu beenden oder die Staatsangestellten zu entlohnen.95 Ein Staatsfonds kann hier Abhilfe schaffen, indem die volatilen Einnahmen von den Staatsaufgaben abgetrennt und in einen Staatsfonds ausgelagert werden.96 Insofern helfen Staatsfonds dabei, die Spitzen der oben genannten Zyklen abzuschwächen. Die nachfolgende Darstellung zeigt, dass bei sehr volatilen Einnahmen die Ausgaben stabilisiert werden müssen, um zu verhindern, dass in einem Jahr ein grosser Überschuss herrscht und in einem anderen Jahr ein Defizit eingefahren wird. Abbildung 1: Stabilisierte Ausgaben nach Bauer/Rietveld/Toledano.97 b) Volkswirtschaftliches Währungsgleichgewicht Aussenhandelsüberschüsse können zu einer Aufwertung der Währung führen. Dies verteuert die Produkte der Exportstaaten, was wiederum zu einem Rück95 96 97 Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 47 f. Al-Hassan/Papaioannou/Skancke/Chih, Governance Structure, S. 5; IWGSWF, Santiago Principles, S. 12 f.; Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 398. Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 51. 27 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen gang der Nachfrage führen kann. Dieses Phänomen wird «holländische Krankheit» genannt.98 Ein Staatsfonds kann die Devisenüberschüsse aus Exporteinnahmen neutralisieren, um eine Aufwertung der heimischen Währung und gleichzeitige Inflation im Inland zu vermeiden.99 Dieses Ziel verfolgen vor allem asiatische Staatsfonds wie die Government of Singapore Investment Corporation (GIC), die Temasek Holdings aus Singapur und der chinesische Staatsfonds (CIC).100 Südasiatische Länder machten während der asiatischen Finanzkrise in den Jahren 1997 und 1998 schmerzliche Erfahrungen mit den Auswirkungen der holländischen Krankheit. Am stärksten betroffen waren Indonesien, Südkorea, Thailand, Malaysia, die Philippinen und Singapur.101 Die asiatische Finanzkrise kann unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass Asien bis ins Jahr 1995 ein starkes Wachstum erlebte und grosse Exportüberschüsse verzeichnen konnte. Da die meisten Währungen an den US-Dollar gekoppelt waren, stieg der Kurs der inländischen Währungen in dieser Zeit mit diesem zusammen stark an. In der Folge sank die Nachfrage nach Exporten aus Asien aufgrund der Teuerung der Produkte drastisch ab. Von dieser Entwicklung wurde am stärksten Thailand getroffen, dessen Zentralbank im Sommer 1997 nicht mehr über genügend Ressourcen verfügte, um die Währung zu stabilisieren.102 Um eine solche Entwicklung in Zukunft zu verhindern, stärkten die südasiatischen Länder, die durch die Finanz- und Währungskrise am stärksten betroffen waren, ihre Basis an Devisen.103 Mithilfe dieser Reserven wollten die oben genannten Länder ihre politische Autonomie sichern und eine erneute Abhängigkeit von den internationalen Finanzmärkten und dem IWF vermeiden. Zudem versprach man sich eine Förderung der Exportwirtschaft durch die entsprechend tiefer bewertete Währung.104 2. Spar- und Generationenfonds Zweitens können Staatsfonds der Gruppe der Spar- und Generationenfonds (Saving Funds for Future Generations) zugeordnet werden. Diese Staatsfonds wer98 99 100 101 102 103 104 28 Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 48; Patton, Globalized World, S. 5; Preisser, Regulierung, S. 38; Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 399; Reisen, Staatsfonds, S. 27; Schäfer/Bläschke, Aktivitäten von Staatsfonds, S. 17. Preisser, Regulierung, S. 38; Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 399. Klodt, Staatsfonds, S. 179. Megginson/Fotak, Fiduciary State, S. 4; Preisser, Regulierung, S. 40. Megginson/Fotak, Fiduciary State, S. 4; Preisser, Regulierung, S. 40. Megginson/Fotak, Fiduciary State, S. 4; Preisser, Regulierung, S. 40. Ambrosius/Stiegler, Finanzmärkte, S. 226; Helleiner/Lundblad, Markets, S. 64. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel den gegründet, um Einkommen aus dem Verkauf nicht erneuerbarer Rohstoffe für spätere Generationen anzulegen, sodass sowohl die jetzige als auch zukünftige Generationen von diesen profitieren können.105 Das Ziel von Spar- und Generationenfonds basiert auf der Aufgabe von Staaten, für einen Interessenausgleich zwischen den Bedürfnissen verschiedener Generationen zu sorgen.106 Hierfür werden Einnahmen aus den Verkäufen nicht erneuerbarer Ressourcen in einen Staatsfonds transferiert, um durch Investitionen in Unternehmen Einkommen für die Zukunft zu generieren. Überdies erhofft man sich Zugang zu Fachwissen, welches der inländischen Volkswirtschaft direkten Mehrwert bringt. Katar zum Beispiel strebe mithilfe seiner Investition in die Credit Suisse eine Stärkung der eigenen Finanzindustrie an.107 3. Spekulationsfonds Drittens können Staatsfonds der Gruppe der Spekulationsfonds (Reserve Investment Corporations) angehören. Staatsfonds dieser Gruppe investieren die Devisenreserven einer Zentralbank, welche für die Währungspolitik nicht benötigt werden, mit mehr Risiko und höheren Renditen.108 Ziel ist dabei, durch die Haltung von Devisenreserven entstehende Kosten zu vermeiden; durch riskantere Investitionen kann eine höhere Rendite erwirtschaftet werden.109 Wie unter Kapitel § 5.B.V. bereits dargestellt, investieren Zentralbanken ihre Devisen in der Regel konventionell in kurzfristige, erstklassige Staatsanleihen oder in Geldmarktinstrumente. Die dabei mögliche Rendite ist sehr beschränkt. In den letzten 60 Jahren waren es nur ca. ein Prozent pro Jahr.110 4. Infrastruktur- und Entwicklungsfonds Eine vierte Gruppe stellen die Infrastruktur- und Entwicklungsfonds (Development Funds) dar, welche den Aufbau eines Kapitalstocks bezwecken. Sie investieren längerfristig und international diversifiziert.111 Durch die Bindung von Fondsvermögen an spezifische Projekte kann die Willkür öffentlicher Investitionen ausgeglichen werden. Wassersysteme, Strassen, Schulen und Spitäler kön105 106 107 108 109 110 111 Gunselmann/Straub, Staat und Demokratie, S. 2; Sauer, Liquiditätssicherung, S. 31. Balin, Analysis, S. 4; Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 14; Beck/Fidora, Impact, S. 6; Cappelen/Urheim, Intergenerational Justice, S. 1. Heumann, Scheichs, S. 1. Barbieri, European Union, S. 4. Al-Hassan/Papaioannou/Skancke/Chih, Governance Structure, S. 5 f.; Curto, Next Decade, S. 247; Gutin, Regulating, S. 748; Urban, Macroeconomic Considerations, S. 52. Urban, Macroeconomic Considerations, S. 51. Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 399. 29 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen nen gesichert werden, indem der Abzug von Geldern eines Fonds nur für spezifisch festgelegte Zwecke möglich ist.112 Bevorzugt werden dabei Branchen wie Luftfahrt, Finanzen und Tourismus.113 Staatsfonds aus dem arabischen Emirat Abu Dhabi haben beispielsweise den Schutz der Zukunftsbranchen Luftfahrt und Medizintechnik als Auftrag.114 Auch asiatische Staatsfonds verfolgen unter anderem das Ziel, die nationalen Industrien zu unterstützen. Die Temasek aus Singapur unterstützt beispielsweise Unternehmen in den Bereichen Technologie und Telekommunikation und anderen Schlüsselindustrien.115 Die Verwendung von Mitteln im Inland zur Förderung der heimischen Wirtschaft kann zu Konflikten mit der Stabilisierungspolitik führen, indem sie zu einer Steigerung der Wechselkursrisiken führen. Durch die Investitionen in Heimatland wird ausserdem die einheimische Währung gestärkt, was dem Export von Waren und Dienstleistungen schaden kann.116 Investitionen im Inland sollten deshalb mit der nationalen Wirtschaftspolitik abgestimmt werden.117 5. Pensionsreservefonds Eine fünfte Gruppe stellen die Pensionsreservefonds (Contingent Pension Reserve Funds) dar, welche Zahlungsverpflichtungen in der Zukunft aufweisen. Ein Beispiel dafür ist der Staatsfonds von Norwegen (GPFG), der sowohl die Aufgabe hat, Einnahmen aus norwegischen Ölverkäufen langfristig gewinnbringend anzulegen, als auch für die Zukunft der zunehmend alternden Bevölkerung Rücklagen zu bilden.118 IV. Investitionsverhalten Neben der Unterscheidung nach Herkunft der Mittel, Zielen und Zwecken sowie Organisationsform können Staatsfonds auch nach ihrer Investitionstätigkeit differenziert werden. Je nach Investitionsverhalten unterscheidet Matthias Götz drei Typen von Staatsfonds: Stabilisierungsfonds, Investmentfonds und Private-EquityFunds.119 Stabilisierungsfonds verfolgen eine eher konservative Anlagestrategie. Investmentfonds investieren risikoreicher und legen in Beteiligungen, Ak112 113 114 115 116 117 118 119 30 Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 14. Reisen, Staatsfonds, S. 27. Heismann, Blaupause, S. 85. Heismann, Blaupause, S. 85. Curto, Next Decade, S. 247. Curto, Next Decade, S. 247; Gelb et al., Risks and Opportunities, S. 2 ff.; Gutin, Regulating, S. 755. Shi, Governance and Regulation, S. 16. Götz, Russlands Staatsfonds, S. 1. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel tien und Anleihen an. Das aggressivste Anlageverhalten zeigen staatliche Private-Equity-Funds, welche auch Kontrollinvestitionen beabsichtigen und wie private Private-Equity-Funds 120 agieren.121 Staatsfonds können darüber hinaus in solche, die direkt investieren und solche, die mittels alternativer Investitionsorganisationen wie Hedgefonds, MutualFunds oder Private-Equity-Funds Beteiligungen erwerben, unterschieden werden.122 Gemäss Samuele Matinu und Vittoria G. Scalera investieren Staatsfonds, die wenig transparent sind, eher mittels alternativer Investmentorganisationen im Ausland als solche, die über transparente Strukturen verfügen. Damit wollen sie demonstrieren, dass sie weder strategische noch geopolitische Ziele mit der Investition verfolgen. Das Gleiche könne bei Staatsfonds, die politisch dem Gründungsstaat nahestehen, festgestellt werden.123 Eine weitere Differenzierung ist nach der mehrheitlichen Anlage in Direktoder Portfolioinvestitionen möglich. Portfolioinvestitionen sind Kapitalbeteiligungen, welche keinen direkten Einfluss auf die Unternehmensführung bezwecken. Es handelt sich dabei in aller Regel um Schuldtitel (Geldmarktpapiere, Obligationen), Dividendenpapiere (Aktien, Partizipationsscheine, Genussscheine) und Anlagefondszertifikate. Gemäss SECO, UNCTAD, IWF und OECD sind Investitionen von unter 10% der Unternehmensanteile zu den Portfolioinvestitionen zu zählen.124 Direktinvestitionen hingegen sind auf den Kontrollerwerb ausgerichtet.125 In der Regel geschieht eine Direktinvestition durch einen Unternehmenskauf oder eine Fusion. Auch die Eröffnung einer Zweigstelle, das Gründen einer Tochtergesellschaft und das Eingehen eines Joint Venture gehören dazu.126 Staatsfonds nutzten gemäss Philipp B. Winder bis im Jahre 2010 überwiegend Portfolioinvestitionen, was darauf zurück zu führen ist, dass vielen Staatsfonds der Verwaltungsapparat fehlte oder nicht genügend ausgebaut war, um Direktinvestitionen zu verwalten.127 Dies wird sich in naher Zukunft wahrscheinlich ändern, da Staatsfonds ihre Verwaltungsapparate kontinuierlich aus120 121 122 123 124 125 126 127 Zur Abgrenzung zwischen einem Staatsfonds und einem privaten Private-Equity-Funds siehe Kapitel § 5.B.II. Götz, Russlands Staatsfonds, S. 1. Hall, False Panacea, S. 140. Murtinu/Scalera, Internationalization, S. 253. Beuttenmüller, Auβenwirtschaftsgesetz, S. 281; Peter, Cross-Border Investment, S. 23; SECO, Auslandinvestitionen, S. 1. Beuttenmüller, Auβenwirtschaftsgesetz, S. 281; Lecheler/Germelmann, Zugangsbeschränkungen, S. 9. Zimmermann, Direktinvestitionen, S. 5. Winder, Sovereign Wealth Funds, S. 34. 31 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen bauen.128 Es konnte bereits zwischen den Jahren 2000 und 2013 ein starker Anstieg der direkten Investitionen von Staatsfonds verzeichnet werden.129 Dies kann neben dem Ausbau der Verwaltungsapparate auch auf den Anstieg der Investitionen in Entwicklungsländern zurückgeführt werden.130 Die aktivsten Staatsfonds sind dabei die QIA, GIC, ADIA, CIC, Temasek, Mubadala sowie die KIA. Besonders zahlreich waren Investitionen in Sektoren wie Immobilien, Finanzindustrie, Energie, Herstellung und Tourismus.131 Die Studie New challenges, private markets Sovereign wealth funds’ changing investment strategies aus dem Jahr 2016 von State Street und dem IFSWF hat gezeigt, dass sich die Investitionsstrategie von Staatsfonds in den vorhergehenden drei bis fünf Jahren verschoben hat. Gefördert wurde diese Umstellung durch das Riesenvermögen, über welches Staatsfonds mittlerweile verfügen, und die wirtschaftliche Situation mit Nullzinspolitik vieler Zentralbanken.132 Insbesondere konnte beobachtet werden, dass ein Wechsel von Aktien zu festverzinslichen Anlagen stattgefunden hat. Eine Ausnahme hierzu bildet der Staatsfonds von Norwegen (GPFG). Im Oktober 2016 schlug die beratende Mork-Kommission133 vor, dass der Aktienanteil des norwegischen Staatsfonds von aktuell 60% auf 70% des gesamten verwalteten Vermögens angehoben werden werden solle.134 Norwegens Staatsfonds verfügt aktuell bereits über 1,25% aller börsenkotierten Aktien weltweit.135 Angestiegen sind 2016 vor allem Investitionen von Staatsfonds in ausserbörslichen Beteiligungen, Private Equity, Immobilien und Infrastruktur. Auch konnten mehr Investitionen in Schwellenmärkten festgestellt werden.136 Gemäss State Street und IFSWF werden Staatsfonds ihre Investitionsstrategie in der nächsten Zeit nicht mehr anpassen. Sie haben ihre Strategie auf langfristige Renditen ausgelegt. Überdies empfinden laut der Studie von 2016 viele 128 129 130 131 132 133 134 135 136 32 Barbieri, European Union, S. 4. Anlässlich der 13. Session der UNCTAD in Doha vom 21.-26. April 2012 wurde diskutiert, dass Investitionen von Staatsfonds zur Entwicklung der am wenigsten entwickelten Länder beitragen könnten. Zu dieser Gelegenheit offenbarte Hussain Al Abdulla, Board Member der QIA, dass die QIA bereits 40% in Direktinvestitionen hält. Vgl. UNCTAD, Round Table 21.-26. April 2012, S. 2. Castelli/Scacciavillani, State Investments, S. 21. Castelli/Scacciavillani, State Investments, S. 21. IFSWF, changing investment strategies, S. 4. Die Mork-Kommission wurde am 8. Januar 2016 durch das norwegische Finanzministerium eingesetzt, um den Aktienanteil des norwegenischen Staatsfonds (GPFG) zu analysieren. Gleitet wird die Kommission vom Professor Knut Anton Mork. Mork/Bjørnland, Pressemitteilung vom 18. Oktober 2016, S. 1. Wirtschaftsblatt, Norwegen, S. 1. IFSWF, changing investment strategies, S. 4. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel Staatsfonds die Zukunft der Kapitalmärkte als ungewiss, was sie zu einem Stillstand hinsichtlich ihrer Investitionsstrategie veranlasst hat.137 D. Beispiele für Entstehungsgeschichte, Ziele und Organisationsmodelle von Staatsfonds Der nachfolgende Abschnitt stellt exemplarisch verschiedene Staatsfonds unter Darstellung ihrer Entstehungsgeschichte, ihrer Organisationsstruktur, der Herkunft ihrer Mittel, der von ihnen verfolgten Ziele sowie ihres Investitionsverhaltens vor. I. China – China Investment Corporation (CIC) China gründete am 29. September 2007 seinen Staatsfonds, die China Investment Corporation (CIC).138 1. Organisation Die CIC wurde als öffentlich-rechtliche Gesellschaft in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung errichtet. Sie untersteht chinesischem Gesellschaftsrecht und verfügt über eine eigene Rechtspersönlichkeit.139 China verwendet für die Verwaltung ihres Staatsfonds ein Managermodell. Der Chinesische Staat bleibt Eigentümer der Vermögen, überträgt aber die Führung einem Verwalter unter der Aufsicht des Finanzministeriums.140 Die Führung der CIC übernehmen dabei drei Organe: Die Geschäftsleitung (Board of Directors), der Verwaltungs-/Aufsichtsrat (Board of Supervisors) und der Vorstand (Executive Committee).141 Die CIC verfügt über ein Organisationsmodell, welches Verantwortlichkeiten klar zuweist und effiziente Überprüfungsmechanismen gewährleistet.142 Sie ist sowohl dem Finanzministerium als auch dem Staatsrat143 rechenschafts137 138 139 140 141 142 143 IFSWF, changing investment strategies, S. 5. China Investment Corporation, About CIC, S. 1; Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 399. China Investment Corporation, About CIC, S. 1; Dean/Batson, China Investment Fund, S. 1; Koch-Weser/Haacke, China Investment Corporation, S. 5; IWGSWF, Santiago Principles, S. 36. Anderson, Demise of American Prosperity, S. 48; China Investment Corporation, About CIC, S. 1; Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 399. China Investment Corporation, Annual Report 2014, S. 15. China Investment Corporation, Organizational Structure, S. 1 Der Staatsrat ist das zentrale Regierungsorgan Chinas. Gewählt wird es vom nationalen Volkskongress, welcher durch die Kommunistische Partei Chinas KPCh dominiert wird. Vgl. Hartmann, Politik in China, S. 82. 33 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen pflichtig. Die Aktionärsrechte in Unternehmen, in denen die CIC Anteile hält, nimmt der Staatsrat wahr.144 Die CIC ist eng mit dem chinesischen Staat verbunden. Der aus 25 Mitgliedern bestehende Vorstand untersteht der kommunistischen Partei (KPCh). Von den 25 Mitgliedern sind nur drei weder aktuelle noch ehemalige Regierungsmitglieder.145 2009 wurde ein internationaler Beirat gegründet, der aus 15 Beratern und einem Sekretariat besteht.146 Die CIC hat drei Hauptabteilungen: die Central Huijin,147 die China Jianyin148 und eine Abteilung für ausländische Investitionen.149 Die Central Huijin verfügt über Mehrheitsbeteiligungen in den wichtigsten chinesischen Banken, wie der China Development Bank (47,63%), der Industrial and Commercial Bank of China (35,12%), der Agricultural Bank of China (40,28%), der Bank of China (65,52%) sowie der China Construction Bank (57,26%).150 67,7% des Portfolios lässt die CIC durch externe Vermögensverwalter bewirtschaften. 32,2% übernehmen interne Teams.151 Primär investiert die CIC im Rahmen von Portfolioinvestitionen, tätigt aber auch Direktinvestitionen. Die CIC hält unter anderen folgende Beteiligungen: AES Corporation, Heathrow Airport, Thames Water, EastLink Highway in Melbourne, Mong Duong II Power Plant in Vietnam sowie eine Gasexportfirma in Trinidad und Tobago.152 2. Herkunft der Mittel Die CIC ist ein nicht auf Rohstoffen basierender Staatsfonds (Non-CommodityFund). Die Anfangsfinanzierung der CIC betrug 200 Milliarden US-Dollar.153 Geschaffen wurde das Startkapital durch eine spezielle Staatsanleihe, welche an chinesische Banken sowie Versicherer verkauft wurde. Etwa 87 Prozent der Anleihen wurden von der Agricultural Bank of China erworben.154 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 34 Anderson, Demise of American Prosperity, S. 48. Koch-Weser/Haacke, China Investment Corporation, S. 5. Koch-Weser/Haacke, China Investment Corporation, S. 34. Stellt Kapital nationalen Projekten zur Verfügung. Verwaltet das Kapital nationaler Projekte. Anderson, Demise of American Prosperity, S. 49. China Investment Corporation, Annual Report 2014, S. 41. China Investment Corporation, Annual Report 2014, S. 35. China Investment Corporation, Annual Report 2014, S. 37. Koch-Weser/Haacke, China Investment Corporation, S. 4. Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 399. Etwa 87 Prozent gingen an die Agricultural Bank of China, der Rest wurde auf weitere institutionelle und individuelle Investoren verteilt. Vgl. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 196. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel Die Staatsanleihen wurden durch das Finanzministerium ausgegeben und mussten durch den ständigen Ausschuss des nationalen Volkskongresses genehmigt werden.155 Die finanziellen Mittel stehen der CIC nicht unentgeltlich zur Verfügung, sie muss Darlehenszinsen bezahlen,156 die aus den Einnahmen des Staatsfonds beglichen werden müssen. Nur falls diese Einnahmen nicht ausreichen, dürfen die Zinsen ausnahmsweise aus den Erträgen der Central Huijin Company gedeckt werden.157 Mit den Einnahmen aus der Ausgabe der Staatsanleihen kaufte das Finanzministerium ihrer Zentralbank, der Chinesischen Volksbank (PBOC), Devisenreserven ab. Diese zahlte mit den Einnahmen wiederum die Agricultural Bank of China aus. Dieses komplizierte Konstrukt zur Finanzierung der CIC wurde gewählt, da das chinesische Recht dem Staat verbietet, sich bei der Zentralbank zu verschulden, und es der Zentralbank verboten ist, Schuldtitel des Staates zu kaufen.158 Die CIC erwirtschaftet seit Gründung eine jährliche Durchschnittsnettorendite von 5,66%. 2014 verfügte sie über ein Vermögen von 746,7 Milliarden US-Dollar.159 Die CIC kennt weder explizite Regeln zu ihrer Finanzierung noch solche zur Entnahme von Geldern.160 Der Staatsrat bestimmt über einen möglichen Bezug von Geldern aus dem Staatsfonds oder Aufstockung der Gelder durch das Finanzministerium.161 Im Jahre 2011 erhielt die CIC einmalig zusätzliche Mittel in Höhe von 30 Milliarden US-Dollar.162 3. Ziele Die CIC wurde zur Verfolgung mehrerer Ziele gegründet. Erstens soll sie die Rendite der Währungsreserven, die mehrheitlich in US-Staatsanleihen investiert sind, steigern. Zweitens will man die Inflation dämpfen, indem der chinesischen Wirtschaft Liquidität entzogen wird. China setzt also seinen Wechselkurs künstlich tief, um das Wachstum der Exportindustrie zu unterstützen, und häuft durch dieses Vorgehen grosse Mengen an Währungsreserven an:163 Seit 2006 verfügt es über die weltweit grössten Währungsreserven.164 Um diese Währungsreser155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 Koch-Weser/Haacke, China Investment Corporation, S. 5; IWGSWF, Santiago Principles, S. 36. Koch-Weser/Haacke, China Investment Corporation, S. 5. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 199. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 196 f. China Investment Corporation, Annual Report 2014, S. 3. Koch-Weser/Haacke, China Investment Corporation, S. 4. Koch-Weser/Haacke, China Investment Corporation, S. 17. Koch-Weser/Haacke, China Investment Corporation, S. 4. Balding, Sovereign Wealth Funds, S. 160. Koch-Weser/Haacke, China Investment Corporation, S. 8; Heep, Chinas neuer Staatsfonds, S. 2; Preisser, Regulierung, S. 37. 35 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen ven abzubauen, erwirbt die CIC Devisen von der Notenbank, investiert diese vorwiegend im Ausland und neutralisiert damit die chinesischen Währungsreserven.165 Mittlerweile interveniere die Chinesische Zentralbank am Finanzmarkt um den Yuan gegenüber dem Dollar wieder zu stärken; die Zeiten der Abwertung der eigenen Währung scheinen vorbei zu sein.166 Das dritte Ziel der CIC ist die Förderung der chinesischen Staatskonzerne, indem diesen über Investitionen oder Darlehen Gelder zur Verfügung gestellt werden.167 Der chinesische Staatsfonds lässt sich somit in die Kategorien der Spekulations-, der Stabilisierungs- sowie der Entwicklungsfonds einordnen. 4. Investitionsverhalten Die CIC verfolgt bei ihren Investitionen gemäss Jahresbericht vier Prinzipien: Erstens investiert sie aufgrund kommerzieller Überlegungen mit dem Ziel, maximale Erträge im Rahmen eines vordefinierten Risikoprofils zu erwirtschaften. Zweitens sieht sie sich als Finanzinvestor, der keine Kontrollbeteiligungen eingeht. Drittens verpflichtet sie sich, nationale und internationale Gesetze zu befolgen sowie ihre soziale Verantwortung wahrzunehmen. Viertens sollen ihre Investitionsentscheide im Rahmen einer vertieften Analyse bezüglich ihres Vermögensverwaltungsrahmens stattfinden. Überdies sieht sie sich generell als langfristigen Investor, der auch kurzfristige Volatilität in den Märkten schadlos übersteht.168 Trotz der Selbstverpflichtung, rein kommerziell zu investieren, verfolgt die CIC strategische Ziele im Rahmen der Entwicklung der nationalen Wirtschaft. Sie hat Gelder, die für Auslandsinvestitionen bestimmt waren, zur Stärkung nationaler Banken verwendet und auch Anteile an nationalen Staatsunternehmen gekauft. Überdies arbeitet der Staatsfonds mit anderen internationalen Unternehmen zusammen, um in strategische Sektoren wie Öl und Gas zu investieren. Ihr Verhalten koordiniert die CIC mit anderen chinesischen Staatsbanken und Unternehmen.169 Die CIC bekennt sich ausdrücklich dazu, nur Minderheitsaktionär sein zu wollen; nichtsdestotrotz wirkt sie in ausgewählten Unternehmen aktiv mit, indem sie im Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat Einsitz nimmt.170 Von den grossen internationale Investitionen der CIC sind fünf hier nennenswert: 2007 investierte sie 5,6 Milliarden US-Dollar in die US-amerikanische 165 166 167 168 169 170 36 Preisser, Regulierung, S. 37; Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 399. Müller, China als Währungsmanipulator, S. 1. Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 399. China Investment Corporation, Annual Report 2014, S. 3. Koch-Weser/Haacke, China Investment Corporation, S. 5. Koch-Weser/Haacke, China Investment Corporation, S. 5. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel Bank Morgan Stanley sowie ca. 1 Milliarde US-Dollar in die ebenfalls US-amerikanische Investmentgesellschaft Blackstone Group. Im Jahr 2009 beteiligte sie sich mit 1,5 Milliarden US-Dollar am kanadischen Bergbauunternehmen Teck Resources, 2010 mit 1,6 Milliarden US-Dollar am US-amerikanischen Energieunternehmen AES Corporation und mit 3,15 Milliarden US-Dollar am multinationalen Energieversorger GDF Suez E&P International (heute ENGIE E&P International).171 II. Singapur – Temasek Holdings Die Temasek Holdings (Temasek) wurde 1974 als Investmentgesellschaft gegründet.172 1. Organisation Die Gründung der Temasek erfolgte per Parlamentsbeschluss. Sie verfügt über eine eigene Rechtspersönlichkeit und untersteht dem Gesellschaftsrecht von Singapur.173 Alleiniger Aktionär der Temasek ist der Staat Singapur.174 Als für Singapur wesentliche Gesellschaft gelten für die Temasek die in der Verfassung festgehaltenen Regeln als 5th Schedule Company.175 Die Temasek muss gegenüber dem ihr übergeordneten Finanzminister in regelmässigen Abständen über ihre Entwicklung und Tätigkeit Rechenschaft ablegen.176 Im Übrigen ist die Temasek unabhängig vom Präsidenten und der Regierung.177 Die Temasek hat die verfassungsmässige Pflicht, die Währungsreserven von Singapur zu halten. Für einen Bezug aus den Reserven hat der Präsident sein Einverständnis zu geben.178 Das Finanzministerium ernennt und entlässt die Mitglieder des Verwaltungs-/Aufsichtsrates. Hierzu braucht es die Zustimmung des Präsidenten. Auch die Bestimmung und Absetzung des CEO ist vom Einverständnis des Prä171 172 173 174 175 176 177 178 China Investment Corporation, Annual Report 2014, S. 3; Sender, BlackRock, S. 1. Wilson/Scully, Making Sense of Sovereign Wealth Funds, S. 78. Lee, Evolving Roles, S. 37; Temasek, Review, S. 7. MoF, Policies, S. 1; Temasek, FAQ, S. 1; Temasek, Review, S. 64. Bei einer 5th Schedule Company hat der Präsident von Singapur gewisse Rechte und Pflichten wie die Ernennung und Absetzung von Verwaltungs-/Aufsichtsratsmitgliedern sowie des CEO. Überdies muss sie in der Vergangenheit erwirtschaftete Reserven erhalten. Andere 5th Schedule Companies sind: Central Provident Fund Board, Government of Singapore Investment Corporation Pte Ltd und die Monetary Authority of Singapore. Vgl. Temasek, FAQ, S. 1. Weiter Lee, Evolving Roles, S. 37; Temasek, Review, S. 7. Schäfer/Bläschke, Aktivitäten von Staatsfonds, S. 25. Temasek, Review, S. 4. Temasek, Review, S. 63. 37 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen sidenten abhängig.179 Der Verwaltungs-/Aufsichtsrat der Temasek besteht aus 13 Persönlichkeiten, die vorwiegend aus dem Privatsektor kommen.180 2016 hat die Temasek ein European Advisory Panel (TEAP) gegründet, das Fachexperten und Führungskräfte zusammenbringt, um gemeinsam über wesentliche politische, ökonomische, soziale und industrielle Trends in Europa zu sprechen.181 Seit 2016 ist die Temasek in die Budgetplanung des Staates eingeordnet, wo geregelt ist, dass der Staat die Hälfte der erwarteten Langzeitrendite verwenden darf. Vorher flossen 50% der Dividenden, welche das Finanzministerium von der Temasek ausbezahlt bekam, ins Staatsbudget. Die Integration in das Staatsbudget hat gemäss Lim Boon Heng, Vorsitzender der Temasek, keinen Einfluss auf Dividendenpolitik, Investmentpolitik oder Verwaltung des Staatsfonds.182 2. Herkunft der Mittel Die Temasek ist ein Non-Commodity-Fund. Anders als die meisten Staatsfonds wurde sie nicht mit Geld ausgestattet, sondern erhielt Beteiligungen an staatlichen Unternehmen als Startkapital.183 3. Ziele In den Anfängen investierte die Temasek vorwiegend innerhalb Singapurs, mit dem Ziel, die heimische Wirtschaft zu entwickeln. Mittlerweile investiert sie vermehrt auch in anderen asiatischen Ländern und weiteren Destinationen.184 Sie nimmt dabei primär die Aufgabe eines Entwicklungsfonds wahr. 4. Investitionsverhalten Die Investitionstätigkeit der Temasek basiert auf kommerziellen Überlegungen mit dem Ziel, die risikoangepasste Rendite langfristig zu maximieren. Die Temasek sieht sich als aktive Aktionärin mit der Aufgabe, für eine gute Unternehmensführung in den Zielunternehmen zu sorgen. Hierzu bringt sich die Temasek aktiv auf strategischer Ebene in den Aufsichtsgremien ein. Sie erkennt dabei jedoch an, dass die Unternehmen durch eine funktionierende Geschäftsleitung geführt werden und mischt sich nicht in die operationelle Tätigkeit ein.185 179 180 181 182 183 184 185 38 Temasek, Review, S. 64. Temasek, Institution, S. 1. Temasek, News, S. 1. Temasek, Review, S. 14. Shemirani, International Political Economy, S. 21. Temasek, Review, S. 12. Temasek, Review, S. 4. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel Die Temasek tätigt sowohl Portfolio- als auch Direktinvestitionen. Bei den Direktinvestitionen greift sie teilweise auch auf ihr Private-Equity-Fund-Investment-Team zurück.186 Sie investiert sowohl im In- als auch im Ausland mit einem Hauptfokus auf staatlichen Unternehmen in Singapur und Asien.187 Den Umfang ihres Portfolios legt sie auf ihrer Webseite offen. Es betrug am 31. März 2014 rund 223 Milliarden US-Dollar.188 Die durchschnittliche Rendite in den letzten 10 Jahren betrug 9%; 2014/15 waren es 19,20%.189 Seit der Gründung konnte eine Steigerung der Eigenkapitalrendite in Höhe von 16% erwirtschaftet werden.190 Ihre Hauptbeteiligungen hat die Temasek mit 28% im Finanzsektor, gefolgt von Telekommunikation, Medien und Technologie mit je 24%. Weitere Investitionen tätigt sie in den Bereichen Transport (17%), Immobilien (15%), Energie und Rohstoffe (5%), sowie Naturwissenschaft und Landwirtschaft (3%).191 III. Abu Dhabi – Abu Dhabi Investment Authority (ADIA) Gegründet wurde die Abu Dhabi Investment Authority (ADIA) durch die Regierung des Emirats Abu Dhabi im März 1976 als Nachfolgerin des Abu Dhabi Financial Investment Boards und der Abu Dhabi Investment Administration.192 Die ADIA ist weltweit der zweitgrösste Staatsfonds193 mit einem geschätzten Anlagevermögen von 773 Milliarden US-Dollar.194 Die Rendite von ADIA betrug in einem Zeithorizont von 20 Jahren rund 7,4% und innert 30 Jahren sogar 8,4%.195 1. Organisation Die ADIA ist eine selbstständige Investmentgesellschaft im Eigentum der Regierung von Abu Dhabi. Die ADIA verfügt über eine eigene Rechtspersönlichkeit, um ihre gesetzlich geregelten Aufgaben und Ziele zu erfüllen. Ihre Grundlagen 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 Temasek, Review, S. 24. Wilson/Scully, Making Sense of Sovereign Wealth Funds, S. 78. Temasek, Corporate Profile, S. 1. 1. April 2014 bis 31. März 2015. Vgl. Temasek, Review, S. 7. Temasek, Review, S. 12. Temasek, Review, S. 9 Abu Dhabi Investment Authority, Santiago Principles, S. 1; Abu Dhabi Investment Authority, 2014 Review, S. 67; Natural Resource Governance Institute/Columbia Center on Sustainable Investment, ADIA, S. 3. Bis 2012 war ADIA der grösse Staatsfonds weltweit, wurde aber dann vom Staatsfonds Norwegens überholt. Vgl. Al-Bishi, Second, S. 1. Al-Bishi, Second, S. 1; SWFI, Abu Dhabi Investment Authority, S. 1. Abu Dhabi Investment Authority, 2014 Review, S. 7. 39 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen sind im Gesetz Nummer 5 aus dem Jahr 1976 festgelegt, welches 1981 angepasst worden ist.196 Als staatliches Investitionsvehikel wird die ADIA unter der Aufsicht der Regierung Abu Dhabis verwaltet. Die Leitung des Staatsfonds übernehmen höhere Staatsbeamte und Mitglieder der Königsfamilie.197 Der Geschäftsführer, welcher mit der Führung des Staatsfonds vertraut ist, wird durch eine Verordnung des Emirs von Abu Dhabi ins Amt gesetzt. Er hat die Ziele der ADIA umzusetzen und ist für das Tagesgeschäft verantwortlich. Ihm obliegen auch Entscheidungen hinsichtlich Investitionen und er tritt gegenüber Dritten als rechtlicher Vertreter des Staatsfonds auf.198 2. Herkunft der Mittel Finanziert wird die ADIA über Beiträge des Staats, welche durch Haushaltsüberschüsse aus dem Verkauf von Ölreserven sowie direkten Abgaben durch die Abu Dhabi National Oil Company generiert werden.199 Die ADIA kann somit der Gruppe der Commodity-Funds zugeordnet werden.200 Die ADIA kennt weder klare Regeln für die Einspeisung noch für die Entnahme von Geldern durch den Staat.201 Erwirtschaftet Abu Dhabi in einem Jahr ein Budgetdefizit, kann die Regierung Gelder aus dem Staatsfonds entnehmen, um das Defizit auszugleichen.202 3. Ziele Abu Dhabi verfolgt mit der ADIA ein Spar- und Generationengerechtigkeitsziel. Mittels der Anlage der Einnahmen aus den Ölverkäufen soll für zukünftige Generationen gespart werden.203 Für die Zukunft nach Erschöpfung der Rohstoffreserven soll eine zusätzliche Einkommensquelle generiert werden, um für Wachstum und Wohlstand zu sorgen. Überdies nimmt die ADIA auch ein Stabilisierungsziel wahr. Mit dem Staatsfonds sollen Boom- und Bust-Zyklen ausgeglichen werden, um ein konstantes Einkommen für den Staatshaushalt zu gewährleisten.204 196 197 198 199 200 201 202 203 204 40 Abu Dhabi Investment Authority, Santiago Principles, S. 1. Preisser, Regulierung, S. 16. Abu Dhabi Investment Authority, 2012 Review, S. 44. Natural Resource Governance Institute/Columbia Center on Sustainable Investment, ADIA, S. 2. Abu Dhabi Investment Authority, Santiago Principles, S. 1. Natural Resource Governance Institute/Columbia Center on Sustainable Investment, ADIA, S. 2. Abu Dhabi Investment Authority, 2014 Review, S. 45. Abu Dhabi Investment Authority, Santiago Principles, S. 1. Abu Dhabi Investment Authority, 2014 Review, S. 8. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel 4. Investitionsverhalten Die Investitionen der ADIA basieren auf rein ökonomischen Überlegungen mit dem Ziel, langfristig nachhaltige finanzielle Erträge zu erwirtschaften: «With a long tradition of prudent investing, ADIA’s decisions are based solely on its economic objectives of delivering sustained long-term financial returns». 205 Ihr Investitionsprogramm legt die ADIA gemäss ihrer Webseite und ihres Jahresberichts unabhängig von der Regierung Abu Dhabi’s oder anderen Finanzverwaltungsbehörden selbst fest. 2014 wurden 65% der ADIA-Vermögenswerte von externen Vermögensverwaltern bewirtschaftet; der Rest war indexbasiert investiert.206 Vor 2014 hatte die ADIA noch 75% ihres Vermögens extern zur Verwaltung gegeben. Um das hochprofessionelle interne Investmentteam stärker zu nutzen, wurde 2014 der Anteil des extern verwalteten Vermögens reduziert. Die ADIA gibt an, folgendermassen investiert zu haben: 32–42% in Aktien aus Industrieländern, 10–20% in Aktien aus Entwicklungs- und Schwellenländer, 10–20% in Staatsanleihen, 5-10% in Kredite, 5-10% in alternative Investments wie Hedgefonds, 5-10% in Immobilien, 2–8% in Private Equity, 1–5% in Infrastruktur. Die Geldmittel schwanken zwischen 0 und 10%. Geografisch gesehen investiert die ADIA mit 35–50% vorwiegend in Nordamerika, gefolgt von Europa mit 20–35%, Schwellenmärkten mit 15–25% sowie entwickelten Ländern Asiens mit 10–20%.207 Die ADIA sucht weder kontrollierende Beteiligungen, noch bringt sie sich aktiv in den Unternehmen ein, an denen sie sich beteiligt. In Ausnahmefällen nimmt sie ihre Aktionärsrechte wahr, um ihre Interessen zu wahren oder Eingaben abzuwehren, die Aktionärsrechte beschränken oder verletzen könnten.208 IV. Kuwait – Kuwait Investment Authority (KIA) Die Kuwait Investment Authority (KIA) gilt als der älteste Staatsfonds weltweit. Gegründet wurde die KIA im Jahr 1953 als Kuwait Investment Board – noch acht Jahre vor der Unabhängigkeitserklärung von Kuwait. Im Jahre 1982 wurde das Kuwait Investment Board in die KIA umstrukturiert.209 Die KIA hat die Aufgabe, den Kuwait General Reserve Fund (GRF) sowie den Future Generation Fund (FGF) und andere Vermögen, welche ihr der Fi205 206 207 208 209 Abu Dhabi Investment Authority, Santiago Principles, S. 1. Preisser, Regulierung, S. 16; Abu Dhabi Investment Authority, 2014 Review, S. 7. Abu Dhabi Investment Authority, 2014 Review, S. 7. Abu Dhabi Investment Authority, 2014 Review, S. 21. Abu Dhabi Investment Authority, 2014 Review, S. 48. Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 3. 41 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen nanzminister anvertraut, für den Staat Kuwait zu verwalten. Dabei agiert der GRF als Finanzministerium von Kuwait und erhält alle Einnahmen, inklusive derer aus Rohstoffverkäufen, um damit das Budget von Kuwait zu finanzieren. Der FGF wurde im Jahr 1976 aus der Hälfte der GRF-Bilanzsumme gegründet und bekommt jährlich mindestens 10% der gesamten Staatseinnahmen sowie 10% des Nettoeinkommens des GRF transferiert.210 1. Organisation Kuwait errichtete die KIA als unabhängige Regierungsstelle, welche für die Verwaltung der Vermögenswerte von Kuwait zuständig ist.211 Geschaffen wurde die KIA durch das Gesetz Nummer 47 aus dem Jahr 1982 als eigenständiges Unternehmen mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit.212 Die Führung der KIA hat der Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat inne. Per Gesetz ist definiert, wer in diesem einen Sitz erhält: der Finanzminister, der Minister für Öl, der Vorsitzende der Zentralbank, der Staatssekretär des Finanzministeriums sowie fünf Personen kuwaitischer Nationalität aus dem Privatsektor,213 von denen mindestens drei keine weiteren offiziellen Ämter bekleiden. Die Geschäftsführung wird von einem geschäftsführenden Direktor und seinen Stellvertretern ausgeübt.214 Sowohl der geschäftsführende Direktor wie auch seine Stellvertreter werden durch den Verwaltungs-/Aufsichtsrat gewählt. Des Weiteren wählt der Verwaltungs-/Aufsichtsrat einen Vorstand, welcher aus fünf Mitgliedern besteht. Drei davon stammen aus der Privatwirtschaft. Der Vorsitzende dieses Vorstands ist der geschäftsführende Direktor.215 Die KIA veröffentlicht ihren Geschäftsbericht gegenüber dem Staat Kuwait, welcher die Interessen seiner Bürger zu vertreten hat. Begünstigte des Vermögens der KIA ist die Bevölkerung von Kuwait. Das Parlament, welches von der Bevölkerung gewählt wird, erhält regelmässig, mindestens aber einmal jährlich, einen Bericht über den Geschäftsgang der KIA. Überdies wird gegenüber dem Finanzminister, dem Ministerrat, dem Verwaltungs-/Aufsichtsrat der KIA, dem CEO, dem Vorstand sowie dem unabhängigen staatlichen Revisionsbüro Meldung gemacht.216 210 211 212 213 214 215 216 42 Hatton/Pistor, Political Economy, S. 22; Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 5; Shi, Governance and Regulation, S. 29. Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 3. Art. 1 Gesetz Nummer 47 aus dem Jahr 1982; Bassan, Law of SWFs, S. 33; Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 5. Art. 3 Gesetz Nummer 47 aus dem Jahr 1982. Art. 5 Gesetzes Nummer 47 aus dem Jahr 1982. Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 14. Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 6. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel Obwohl die KIA angibt, über robuste ethische Standards, Verfahrens- und Verhaltensregeln zu verfügen, kann deren Einhaltung aufgrund mangelnder Transparenz nicht überprüft werden. Der KIA ist es verboten, Informationen hinsichtlich ihrer Geschäftstätigkeit offen zu legen.217 Die Jahresrechnung wird jährlich durch zwei der vier weltweit grössten unabhängigen Revisionsstellen geprüft. Zusätzlich gibt es ein Revisionskomitee des Verwaltungs-/Aufsichtsrats, das aus zweien der aus dem Privatsektor stammenden Mitglieder besteht. Der geschäftsführende Direktor darf den Treffen des Revisionskomitees als Beobachter beiwohnen. Zudem muss die KIA zweimal jährlich dem staatlichen Revisionsbüro Meldung über den Geschäftsgang machen. Die KIA verfügt überdies über eine interne Revision. Diese Revisionsstellen rapportieren direkt dem Vorsitzenden des Verwaltungs-/Aufsichtsrats. Zudem führt das Finanzministerium regelmässige Kontrollen durch, die sicherstellen sollen, dass alle administrativen Ausgaben mit internen Regeln in Einklang stehen.218 Die KIA untersteht der Aufsicht durch den Finanzminister. Ihr Hauptsitz muss in Kuwait sein; ihr steht es aber offen, Niederlassungen im Ausland zu gründen.219 2011 errichtete sie als zweite Auslandsvertretung neben der in London ein Repräsentationsbüro in Peking. Aufgabe des Büros in Peking ist die Förderung von Investitionen in China.220 2. Herkunft der Mittel In den 1940er Jahren wurden in Kuwait Erdöl und immense Reserven an natürlichem Gas gefunden.221 Die KIA finanziert sich durch die Einnahmen aus deren Verkauf und kann somit der Kategorie der Commodity-Funds zugeordnet werden.222 3. Ziele Mit Blick auf zukünftige Generationen ist es das Ziel der KIA, eine Alternative zu den Einnahmen aus Rohstoffverkauf zu schaffen. Sie kann somit zu den Spar- und Generationenfonds gezählt werden.223 Weiterhin fördert sie die Entwicklung Kuwaits. Zu diesem Zweck hat sie mehrere kuwaitische Unternehmen 217 218 219 220 221 222 223 Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 76. Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 16. Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 5. Shi, Governance and Regulation, S. 31. Bei diesen Gasvorkommen handelt es sich um die weltweit drittgrösste Quelle. Kuwait Investment Authority, About KIA, S. 1. Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 3. 43 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen gegründet und fördert zahlreiche bestehende lokale Unternehmen, womit sie zusätzlich in die Kategorie der Entwicklungsfonds einzuordnen ist.224 Überdies hat sie die Aufgabe, für die Stabilisierung der Wirtschaft zu sorgen, und kann deshalb auch den Stabilisierungsfonds zugeordnet werden.225 4. Investitionsverhalten Die KIA begründet ihre Investitionsentscheidungen auf rein kommerziellen Überlegungen und gibt an, keine politischen Ziele zu verfolgen:226 «Since its creation in 1953, KIA has based its investment decisions exclusively on commercial considerations, not on the political or foreign policy interests of the State of Kuwait, and will continue to do so in the future. KIA is a force for stability in financial markets: it has a long-term investment horizon and has the ability to bear risk and accommodate short-term volatility, and Kuwait law prohibits KIA from borrowing».227 Grundsätzlich sucht die KIA keine Kontrollbeteiligungen, ausser bei Unternehmen, welche sie für spezifische Zwecke selbst gegründet hat.228 Ihre Aktionärsinteressen nimmt sie unter Rücksicht auf die Interessen Kuwaits und des jeweiligen Unternehmens wahr.229 Der KIA ist es verboten, Gelder am Kapitalmarkt aufzunehmen, es sei denn, dies ist in einem Gesetz vorgesehen.230 Sie verfügt über eine schwarze Liste verbotener Anlageziele, welche den Prinzipien der islamischen Anlagepolitik folgt. So darf sie etwa nicht in Unternehmen investieren, welche in der Erotik- oder der Glücksspielbranche tätig sind. Auch spekulative Geschäfte sind verboten. Die Investitionen des Staatsfonds dürfen pro Unternehmen 5% seines gesamten Anlagevolumens nicht übersteigen.231 Gelder aus dem Future Generation Fund (FGF) können nur entnommen werden, wenn dies ausdrücklich in einem Gesetz geregelt ist. Die Gewinne müssen grundsätzlich gemäss dem Gesetz Nummer 106 aus dem Jahre 1976 reinvestiert werden.232 Die KIA sieht sich als langfristiger Investor, der zu mehr Stabilität auf dem globalen Finanzmarkt beiträgt. Ihre Investitionen verwaltet sie über externe Ver224 225 226 227 228 229 230 231 232 44 Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 9. Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 19. Kuwait Investment Authority, About KIA, S. 1. Kuwait Investment Authority, About KIA, S. 1. Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 12. Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 13. Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 12. Schäfer/Bläschke, Aktivitäten von Staatsfonds, S. 30. Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 12. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel mögensverwalter ausserhalb von Kuwait. Einzig ihr Investitionsarm, das Kuwait Investment Office (KIO) in London, handelt direkt. Neben der KIO hat die KIA weitere Unternehmen gegründet, welche direkt investieren. Die St. Martins für Immobilien in Grossbritannien, die Fosterland/Breadstreet für Immobilien in den USA sowie Wren House Infrastructure für Industrieinfrastrukturinvestitionen.233 V. Katar – Qatar Investment Authority (QIA) Die Qatar Investment Authority (QIA) wurde 2005 gegründet und verfügt über ein Vermögen von 170 Milliarden US-Dollar.234 1. Organisation Die QIA wurde durch eine Verordnung des Emirs geschaffen.235 Geführt wird sie durch den Verwaltungs-/Aufsichtsrat (Board), welcher die Strategie vorgibt. Überdies ist der Verwaltungs-/Aufsichtsrat zuständig für die Einhaltung der Rahmenbedingungen hinsichtlich des Tagesgeschäfts, der Investitionsrichtlinien, der Vorgaben aus der Risikomanagementstrategie sowie der Verhaltensrichtlinien des Staatsfonds. Der CEO leitet zusammen mit seinem Führungsteam das Tagesgeschäft und wird dabei durch den Verwaltungs-/Aufsichtsrat überwacht. Finanzielle Entscheide liegen in der alleinigen Verantwortung des Verwaltungs-/Aufsichtsrats und der operativen Führung. Die Regierung von Katar mischt sich nicht in Investitionen, Desinvestitionen oder andere unternehmensspezifische Entscheide ein. Diese Trennung ist in der Praxis jedoch schwierig, da die Verantwortlichen des Staatsfonds in einer engen Beziehung mit der Herrscherfamilie und weiteren staatlichen Funktionären stehen.236 2014 ernannte der Emir von Katar, Tamim Bin Hamad al Thani seinen Halbbruder Abdullah Bin Mohamed Bin Saud al Thani per Dekret zum CEO des Staatsfonds. Der vormalige CEO Ahmad Al-Sayed bleibt dem Staatsfonds als Berater weiterhin erhalten und hält nach wie vor den Rang eines Ministers.237 Die Revision des Staatsfonds wird durch eine staatliche Revisionsgesellschaft durchgeführt. Auf der Webseite wird ein Jahresbericht angekündigt.238 233 234 235 236 237 238 Kuwait Investment Authority, IFSWF Case Study, S. 18. EDA, Katar, S. 18. Emiri Decision No. 22, 2005. Weiter Qatar Investment Authority, Index, S. 1. Kutscher, Stühlerücken, S. 1. Kutscher, Stühlerücken, S. 1. Qatar Investment Authority, Index, S. 1. 45 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen 2. Herkunft der Mittel Die QIA wird aus Erträgen aus Erdölverkäufen finanziert und kann somit der Kategorie der Commodity-Funds zugeordnet werden.239 3. Ziele Ziel der QIA ist es, für spätere Generationen zu sparen.240 Die QIA ist daher der Gruppe Spar- und Generationenfonds zuzuordnen. Zudem verfolgt Katar das Ziel, ein weltweit führender Finanzplatz zu werden, und reiht sich damit auch in die Kategorie der Entwicklungsfonds ein.241 4. Investitionsverhalten Die QIA investiert mehrheitlich242 ausserhalb von Katar in diversen Sektoren wie Immobilien, Automobilindustrie, Einzelhandel, Tourismus sowie Landwirtschaft.243 Dabei ist die QIA in verschiedene Unterorganisationen gegliedert, so etwa die Qatar Holding LLC (QH), die Delta Two Ltd., die Qatari Diar (QD), die Hassad Food (HF) sowie die Qatar Sports Investment (QSI).244 Mittlerweile hält die QIA ein Vermögen von ungefähr 304 Milliarden USDollar. Sie hält Beteiligungen in verschiedenen internationalen Unternehmen wie etwa der Ladenkette Lifestyle International in Hong Kong sowie dem Kaufhaus Harrods und der Bank Barclays in London.245 Sie besitzt mit dem Shard das höchste Hochhaus in London und darüber hinaus Anteile der Londoner Börse.246 Auch hält die QIA zusammen mit der Qatar Holding LLC grosse Beteiligungen bei Volkswagen Group und Porsche SE, in welchen sie insgesamt drei Verwaltungs-/Aufsichtsratsmandate besetzen.247 Auch in der Schweiz unterhält QIA Investitionen. Sie war mit 12% in Xstrata beteiligt und damit auch an der Fusion mit Glencore. Überdies hält sie 5% der Credit Suisse direkt und 239 240 241 242 243 244 245 246 247 46 Qatar Investment Authority, Governance, S. 1; Qatar Investment Authority, Index, S. 1. Qatar Investment Authority, Governance, S. 1; Qatar Investment Authority, Index, S. 1. Qatar Investment Authority, Index, S. 1. Im Januar 2010 investierte QIA mit einem 5%-Anteil in nationale Banken, um diese von den Folgen der weltweiten Finanzkrise zu schützen. Vgl. WTO, Trade Policy Review Qatar, S. 11. WTO, Trade Policy Review Qatar, S. 11. EDA, Katar, S. 18. Chassany, Missing Santiago Governance Standards, S. 1. Bahgat, Gulf, S. 28; Sturm/Al-Fil, Heimliche Herrscher, S. 1. Kuta/Fojcik, Einfluss von Staatsfonds, S. 562. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel ca. 17% über Optionen.248 Die QIA investiert sehr aggressiv und erwartet eine Mitsprachemöglichkeit in den Zielunternehmen.249 Katar hat einen Vertreter in den Verwaltungsrat der Credit Suisse entsandt.250 VI. Norwegen – Government Pension Fund – Global (GPFG) Der norwegische Staatsfonds (ursprünglich Government Petroleum Fund) wurde 1990 gegründet, um die Einnahmen aus Erdölverkäufen und Steuern besser verwalten zu können.251 1. Organisation Als gesetzliche Grundlage dient der Government Pension Fund Act (GPFA)252 Nummer 123 vom 21. Dezember 2005. Abschnitt 2 bestimmt, dass das norwegische Finanzministerium die Verantwortung für den Government Pension Fund Global (GPFG)253 trägt und für die Festlegung der Investitionsstrategie zuständig ist.254 Das norwegische Finanzministerium ist formeller Besitzer des Staatsfondsvermögens und hat der norwegischen Zentralbank Norges Bank die Verwaltung des Staatsfonds übertragen.255 Innerhalb der Norges Bank nimmt das Norges Bank Investment Management (NBIM) die Aufgabe der renditeorientierten Anlage des Staatsfondsvermögens wahr.256 Das NBIM wurde 1998 gegründet und verfügt über keine eigene Rechtspersönlichkeit.257 Zwischen der Norges Bank und dem Finanzministerium besteht ein Verwaltungsabkommen, in welchem das Mandat für die Verwaltung der Staatsfondsgelder geregelt ist.258 Die Norges Bank führt die Gelder des Staatsfonds als separates Konto und investiert diese in eigenem Namen.259 Das Finanzministerium untersteht dem norwegischen Parlament (Storting) und muss diesem Rechenschaft über Investitionsstrategie, Unternehmensführung und Finanzergebnisse 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 Kutscher, Stühlerücken, S. 2. Hecking, Staatsfonds, S. 107; Zschäpitz, Staatsmächte, passim. EDA, Katar, S. 18. Amstrong, Sovereign Wealth Funds, S. 415; Reiche, Klimaschutz, S. 11; Sauer, Liquiditätssicherung, S. 191. Norwegisch Lov om Statens Pensjonsfond. Statens Pensjonsfond Utland Schäfer/Bläschke, Aktivitäten von Staatsfonds, S. 23. Backer, Regulatory Chameleons, S. 138. Amstrong, Sovereign Wealth Funds, S. 415. Bassan, Law of SWFs, S. 33; Schäfer/Bläschke, Aktivitäten von Staatsfonds, S. 23. Backer, Regulatory Chameleons, S. 141. Backer, Regulatory Chameleons, S. 143. 47 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen des Staatsfonds ablegen.260 Neben der norwegischen Zentralbank sind auch externe Berater an der Verwaltung des GPFG beteiligt.261 Das norwegische Parlament kann auf die grundsätzliche Risikosteuerung des GPFG Einfluss zu nehmen. Dies geschieht in erster Linie in Form parlamentarischer Beratungen anlässlich des GPFG-Jahresberichts. Das Finanzministerium gibt anhand der Beschlüsse des Parlaments dem Staatsfonds einen generellen Rahmen für die Vermögensverwaltung vor.262 Die Jahresrechnung wird durch ein externes, vom Parlament benanntes Unternehmen geprüft. Dieses Prüfunternehmen muss dem Parlament Bericht erstatten und ist ihm rechenschaftspflichtig. Dies sichert die Unabhängigkeit des Staatsfonds von anderen staatlichen Stellen.263 2. Herkunft der Mittel Norwegen entdeckte 1969 durch die Phillips Petroleum Company eines der weltweit grössten Öl- und Erdgasvorkommen im Feld Ekofisk in der Nordsee. Jahr für Jahr wurden Milliardensummen mit dem Gewinn und Export von Rohstoffen aus dem Feld erwirtschaftet.264 Norwegen erachtet alle Ölreserven des Landes als Staatseigentum und erhebt Steuern auf alle Verkäufe. Es verkauft Lizenzen zur Ölgewinnung und erzielt weitere Profite über das teilstaatliche Unternehmen Statoil. Diese Einnahmen werden in den Staatsfonds transferiert, der somit ein Commodity-Fund ist.265 Für den Staatsfonds von Norwegen sind sowohl die Einspeisung als auch die Entnahme von Geldern geregelt.266 Die maximale Höhe der Bezüge, die für das Haushaltsbudget entnommen werden dürfen, ist auf die Rendite des Staatsfonds beschränkt, welche aktuell bei 4% liegt.267 3. Ziele Der Staatsfonds hat den Auftrag, für die Zeit nach dem Abbau der natürlichen Ressourcen finanzielle Mittel zurückzulegen und diese risikooptimiert zu investieren. Obwohl der GPFG für zukünftige Rentenzahlungen anspart, handelt es 260 261 262 263 264 265 266 267 48 Schäfer/Bläschke, Aktivitäten von Staatsfonds, S. 23. Schäfer/Bläschke, Aktivitäten von Staatsfonds, S. 24. Rose, Corporate Governance, S. 936. Backer, Regulatory Chameleons, S. 142. Bräuer, Schweizer Staatsfonds, S. 1. Amstrong, Sovereign Wealth Funds, S. 415. Regjeringen, Staatsfonds, S. 1. Hermann, Schatztruhe, S. 1; IFSWF, 15 Case Studies, S. 115; Regjeringen, Staatsfonds, S. 1 § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel sich nicht um einen klassischen Pensionsfonds. Die vom GPFG verwalteten Vermögen sind nicht zweckgebunden.268 Neben dem Ziel des Generationenausgleichs verfolgt der Staatsfonds von Norwegen auch ein Stabilisierungsund Reserveoptimierungsziel.269 Der Staatsfonds ermöglicht eine bessere Diversifizierung und Einspeisung der Gelder in die Volkswirtschaft und verhindert so eine Überhitzung der inländischen Wirtschaft.270 4. Investitionsverhalten 2004 wurde der Government Pension Fund 271 umbenannt. Dieser ist zum einen in den inländischen Government Pension Fund – Norway (GPFN)272 und zum anderen in den global agierenden Government Pension Fund – Global (GPFG)273 zweigeteilt. Der GPFN investiert hauptsächlich in Unternehmen in Norwegen und den skandinavischen Nachbarländern.274 Der GPFG hingegen investiert vorwiegend im Ausland.275 Der GPFG ist ein generelles Sparinstrument und hat keine zukünftigen Verpflichtungen wie etwa Pensionen.276 Zur Hauptaufgabe des Staatsfonds gehört, die finanziellen Interessen des Staatsfonds zu schützen.277 Um diese zu gewährleisten, muss die Bank eine Reihe internationaler Normen hinsichtlich der Aktionärsrechte einhalten. Darunter finden sich der U. N. Global Compact, die OECD-Richtlinien hinsichtlich Corporate Governance und die OECD-Richtlinien zur Führung einer multinationalen Unternehmung. Diese Normen setzen sowohl nationale als auch internationale Standards hinsichtlich Investitionsentscheidungen und Investorenverhalten.278 Der GPFG hat eine klar definierte Anlagestrategie. Seine Positionen sind international diversifiziert. Er darf nur Minderheitsbeteiligungen bei ausländi- 268 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278 Sauer, Liquiditätsstreben, S. 191. Amstrong, Sovereign Wealth Funds, S. 415; Columbia Center on Sustainable Investment, Norway Government Pension Fund Global, S. 3; Regjeringen, Staatsfonds, S. 1. Amstrong, Sovereign Wealth Funds, S. 415; Columbia Center on Sustainable Investment, Norway Government Pension Fund Global, S. 3; Regjeringen, Staatsfonds, S. 1. Statens Pensjonsfond Statens Pensjonsfond Norge Statens Pensjonsfonds Utland Reiche, Klimaschutz, S. 11. Reiche, Klimaschutz, S. 11. Amstrong, Sovereign Wealth Funds, S. 415; Regjeringen, Staatsfonds, S. 1; Sauer, Liquiditätssicherung, S. 191. Regjeringen, Staatsfonds, S. 1. Backer, Sovereign Investing, S. 33 f. 49 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen schen Unternehmen eingehen.279 Dabei informiert er die Staatsbürger regelmässig und umfassend über die Erträge aus den Anlagen.280 Der GPFG hat die Wahrnehmung seiner Aktionärsrechte institutionalisiert. Der GPFG ist verpflichtet, sich aktiv an Abstimmungen in den Aktionärsversammlungen der Unternehmen, an denen er Anteile hält, zu beteiligen. Er muss seine Aktionärsrechte so einsetzen, dass das unternehmerische Handeln dem norwegischen Standard entspricht.281 Zudem muss er den Dialog mit den Zielunternehmen suchen, mit anderen Aktionären Kooperationen eingehen sowie mit Externen kommunizieren.282 Er setzt sich bei der Ausübung seiner Rechte für die Gleichberechtigung der Aktionäre, eine verstärkte Rechenschaftspflicht der Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte, Standards des guten und effizienten Funktionierens der Märkte, Rechte der Kinder, Klimawandel sowie nachhaltiges Wassermanagement ein. Der GPFG sieht sich verpflichtet, jede Vorlage abzulehnen, die den Transparenzanforderungen des Staatsfonds nicht genügt, und jede Vorlage anzunehmen, welche zu einer Verbesserung der Transparenz führt.283 Er verfolgt den Ansatz eines verantwortungsvollen Investors, der die Interessen der eigentlichen Eigentümer des Staatsfondsvermögens – der Bürger – vertritt.284 Bereits Ende der 1990er Jahre forderten gemäss Danyel Reiche Stimmen in der norwegischen Gesellschaft, dass der norwegische Staatsfonds neben intergenerationeller Gerechtigkeit auch für die Prinzipien, Werte und Normen Norwegens in anderen Ländern einstehen und entsprechend Positives bewirken solle. Ende 2004 schuf das norwegische Parlament ethische Richtlinien für das Handeln des Staatsfonds,285 die ihn auf Nachhaltigkeit im ökonomischen, ökologischen und sozialen Sinne verpflichten.286 Ihre Einhaltung wird von einem Ethikrat überwacht, der sich nicht nur für die nationalen politischen Interessen Norwegens einsetzt, sondern auch für eine Implementierung internationaler Standards hinsichtlich guter Unternehmensführung in den Zielunternehmen des Staatsfonds. Dabei handelt es sich um eine neuartige Form von Extraterritorialismus, mit der Staaten internationales Recht in ihren finanzwirtschaftlichen Aktivitäten durchzusetzen versuchen.287 279 280 281 282 283 284 285 286 287 50 Der Staatsfonds darf max. eine fünfprozentige Beiteiligung an einer Unternehmung eingehen. Vgl. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 192. Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 399. Backer, Sovereign Investing, S. 8. Backer, Regulatory Chameleons, S. 156 ff.; Raos, Prozessqualität, S. 1; Reiche, Klimaschutz, S. 16. Backer, Sovereign Investing, S. 37 f. Hermann, Schatztruhe, S. 1. Reiche, Klimaschutz, S. 14; Siehe auch Borrie/Randin, Negotiations, S. 207. Reiche, Klimaschutz, S. 17. Backer, Sovereign Investing, S. 90. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel Der Ethikrat steht zwischen dem Staat und dem privaten Sektor. Er transferiert die politische Willensbildung in umsetzbare Verhaltensregeln, welche dann fallbasiert Anwendung finden. «Nachhaltiges Investieren» bedeutet für den GPFG nicht nur die Einhaltung internationaler Regeln, sondern auch die aktive Teilnahme an Prozessen zur Optimierung dieser Regeln.288 Mehrfach hat der Staatsfonds bewiesen, dass er diese Richtlinien ernst nimmt, indem er Unternehmensanteile wegen Regelverstössen abstiess. Ein Beispiel dafür ist der Ausstieg aus der US-amerikanischen Supermarktkette Walmart, nachdem diese systematisch gegen die Menschen- und Arbeitnehmerrechte ihrer Angestellten verstossen hatte.289 Ebenso hat er Anteile von Bergwerkgesellschaften verkauft, die an der Verunreinigung von Flüssen beteiligt waren.290 Auch verschiedene Rüstungskonzerne sind von Investitionen ausgeschlossen worden.291 Aktuell sind 52 Unternehmen benannt, die entweder für unethisches Verhalten oder aufgrund der Produkte, die sie herstellen, nicht für Investitionen durch den GPFG in Frage kommen.292 Auf der anderen Seite engagiert der GPFG sich mit über 4,5 Milliarden US-Dollar in Nachhaltigkeitsinvestitionen, u.a. in Umwelttechnologien.293 E. Rechtliche Einordnung von Staatsfonds und deren Immunität Das vorliegende Kapitel untersucht die rechtliche Einordnung von Staatsfonds nach internationalem Handelsrecht sowie die Immunität von Staatsfonds. Staatsfonds nehmen als treuhänderische Verwalter von Staatsgeldern eine Mittelposition zwischen Staaten und privaten Investoren ein.294 Staatsfonds stehen im Besitz von Staaten, agieren aber wie Private auf den Finanzmärkten, indem sie Gelder am Kapitalmarkt anlegen und Beteiligungen an Unternehmen eingehen.295 Die Tätigkeit von Staatsfonds kann in eine privatrechtliche und eine öffentlich-rechtliche Komponente unterteilt werden. Die Tätigkeit des Investie288 289 290 291 292 293 294 295 Backer, Sovereign Investing, S. 101. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 192. Freeport war eine Bergbau-Unternehmung aus den USA, die in Neu-Guinea Kupfer abbaute und dabei das natürliche Flusssystem als Deponie nutzte. Obwohl Papua-Neuguinea dies zuliess, führte Norwegen aus, dass es mit internationalen Standards nicht vereinbar sei, Abfall in Flüssen zu deponieren, da die Schädigungen nicht rückgängig zu machen seien. Reiche, Klimaschutz, S. 18. Regjeringen, Staatsfonds, S. 1. Hermann, Schatztruhe, S. 1; IFSWF, 15 Case Studies, S. 115; Regjeringen, Staatsfonds, S. 1 IFSWF, Application of the Santiago Principles, S. 33. Fini, Domestic Governance, S. 74; Gelpern, Sovereign Wealth, S. 16. Siehe hierzu Kapitel § 5.A.I. 51 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen rens auf Aktien- und Anlagenmärkten sowie des Eingehens von Rechtsgeschäften ist als privatrechtlich zu charakterisieren, das öffentlich-rechtliche Element hingegen lässt sich in der Entscheidung des Gründungstaates finden, einen Staatsfonds zu errichten und diesen zur Vermehrung der öffentlichen Finanzen einzusetzen.296 Daher sei das Vermögen von Staatsfonds als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren.297 Kommerzielle Streitigkeiten zwischen Staatsfonds, Zielstaaten und Privaten können einerseits Fragen aufwerfen, inwiefern ein Staatsfonds Immunität bezüglich Gerichtsbarkeit oder Durchsetzbarkeit von Urteilen geniesst. Auf der anderen Seite kann die Frage aufkommen, ob Vermögen eines Staatsfonds herangezogen werden kann, um Verbindlichkeiten des Herkunftsstaates gegenüber einem Staat oder Privaten zu befriedigen.298 Die Qualifizierung eines Staatsfonds als privat oder öffentlich-rechtlich geschieht in erster Linie über die Gesetze des Gründerstaats. Dieser wählt die Rechtsform des Staatsfonds und umschreibt dessen Zweck. Gründet ein Staat eine unabhängige Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, so ist diese als getrennt vom Staat zu betrachten. Entscheidend ist jedoch weniger, wie der Staatsfonds im Gründungsstaat betrachtet wird, sondern vielmehr, wie ein angerufenes Gericht über die rechtliche Einordnung und Behandlung eines Staatfonds entscheidet. Hierbei ist zu fragen, ob die Tätigkeit eines Staatsfonds dem Gründungsstaat zuzurechnen ist und wie die tatsächliche Tätigkeit des Staatsfonds einzuordnen ist. Anknüpfungspunkt für die Betrachtung dieser Frage ist die Auslegung der Immunität. Das vorliegende Kapitel geht zuerst auf den Begriff der Immunität und die rechtliche Rahmenordnung ein, um dann konkret die Voraussetzungen der Immunität in Bezug auf Investitionen von Staatsfonds darzustellen. I. Der völkerrechtliche Grundsatz der Immunität Der völkerrechtliche Grundsatz der Immunität wurde im 14. Jahrhundert durch den Rechtsgelehrten Bartholus begründet (par in parem non habet imperium299) und ist seit 2004 in der UN-Charta (Art. 2 Nr. 1) festgehalten.300 Er 296 297 298 299 300 52 Adinolfi, State immunity, S. 242. Adinolfi, State immunity, S. 234; Anders Bart De Meester: Das Vermögen eines Staatsfonds im Staatsgebiet des Ziellandes könne nicht als gemeinnützliches Eigentum deklariert werden. Vgl. De Meester, Immunity, S. 815. Hahn, State Immunity, S. 105, siehe hierzu ausführlich: Adinolfi, State immunity, S. 223 ff. Ein Gleicher hat unter Gleichen keine Befehlsgewalt. Botschaft, 25. Februar 2009, S. 1726; De Meester, Immunity, S. 812; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 170; Pullen, Immunität, S. 39. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel sagt aus, dass souveräne Staaten einander gleichgestellt sind und dass das Recht eines Staates an seinen Grenzen endet; sich also nicht in den Geltungsbereich eines anderen souveränen Staates erstreckt. Die Souveränität eines Staates beruht auf der alleinigen Anwendung seines Rechts innerhalb seiner Grenzen.301 Tätigen ein Staat oder seine Organe also in einem anderen Staat wirtschaftliche Geschäfte, so müssen sie sich an die Gesetze des Zielstaates halten.302 Wenn sie dies jedoch nicht tun, schützt die Immunität sie unter Umständen vor der Gerichtsbarkeit und der Vollstreckung von Urteilen durch den Zielstaat. So kann es bei internationalen Investitionen von Staatsfonds zu einer Kollision von Immunitäts- und Souveränitätsprizip kommen. Staatliche Immunität und staatliche Souveränität stehen bei internationalen Investitionen von Staatsfonds in einem Spannungsverhältnis, da der investierende Staat den Geltungsbereich seines eigenen Rechts verlässt (Territorialitätsprinzip) und im Geltungsbereich des Rechts eines anderen Staates aktiv wird – gleichzeitig jedoch als souveräner Staat (im Gegensatz zu privaten Unternehmen) Immunität vor Rechtsverfolgung durch den Zielstaat besitzt und somit effektiv nicht seinem Recht unterliegt. Dadurch entsteht de facto eine Art rechtsfreier Raum für grenzüberschreitende investitionen von Staatsfonds. Bei der näheren Betrachtung des Immunitätsgrundsatzes ist zunächst zwischen der absoluten und der relativen Theorie der Immunität zu unterscheiden. 1. Absolute und relative Theorie Die absoluten Theorie der Immunität geht davon aus, dass jedes staatliche Verhalten der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates entzogen ist. Diese Theorie war bis Ende des 19. Jahrhunderts vorherrschend und wurde dann allmählich durch die relative Theorie der Immunität abgelöst, als Staaten anfingen, wie Private am internationalen Wirtschaftsverkehr teilzunehmen. Die relative Theorie vertritt eine eingeschränkte Geltung der Immunität.303 Dabei sei zwischen privatwirtschaftlicher Tätigkeit (iure gestionis) und hoheitlicher Tätigkeit (iure imperii) zu unterscheiden.304 2. Rechtliche Rahmenordnung In Belgien, Italien und Ägypten wandten Gerichte die relative Theorie der Immunität erstmalig an und mittlerweile hat sie sich im internationalen Recht 301 302 303 304 De Meester, Immunity, S. 812. Narwan, Staat, S. 60 f. Pullen, Immunität, S. 40. Adinolfi, State immunity, S. 230. 53 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen durchgesetzt.305 Einzelne Staaten306 haben sie in Gesetzen und Rechtsprechung geregelt. Auch in internationale Übereinkommen wie beispielsweise im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit (UNÜSI) und im Europäischen Übereinkommen über die Staatenimmunität (EuÜSI) ist die relative Theorie der Immunität verankert.307 Der folgende Abschnitt geht auf diese unterschiedlichen Kodifikationen ein. a) Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens (UNÜSI) Die Aushandlung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit (UNÜSI) dauerte fast 30 Jahre. Am 2. Dezember 2004 wurde das Übereinkommen von der UNGeneralversammlung angenommen. Seither wurde es von 28 Staaten unterschrieben und von 13 Staaten ratifiziert. Insgesamt 30 Staaten müssen es ratifizieren, damit es in Kraft tritt. Das Abkommen hat aktuell also keine bindende Wirkung – zumindest soweit es kein unabhängig davon bestehendes Völkergewohnheitsrecht wiedergibt.308 b) Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität (EuÜSI) Das Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität (EuÜSI) wurde im Rahmen des Europarates ausgearbeitet und am 16. Mai 1972 in Basel unterzeichnet. In Kraft trat es 1976 nach der Ratifikation durch Österreich, Belgien und Zypern. Die Schweiz, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande und Grossbritannien haben es im Nachgang ratifiziert. Die restlichen 38 Mitgliedsländer des Europarats haben das Abkommen nicht ratifiziert, weshalb seine Geltung auf die oben genannten acht Länder beschränkt ist.309 c) Einzelstaatliches Recht am Beispiel der Schweiz Wie viele andere Staaten auch, verfügt die Schweiz über keine eigene Gesetzgebung hinsichtlich die Immunität von Staaten, da sie aufgrund allgemeiner völkerrechtlicher Grundsätze durch Rechtsprechung geregelt ist und so eine einheitliche Praxis für die Schweiz besteht.310 Seit 1918 verfolgt das Schweize305 306 307 308 309 310 54 Adinolfi, State immunity, S. 230. Eine grosse Ausnahmen bilden China und Russland, die beide die absolute Theorie verfolgen. Vgl. Adinolfi, State immunity, S. 231 ff. De Meester, Immunity, S. 813. Pullen, Immunität, S. 42. Pullen, Immunität, S. 41. Botschaft, 25. Februar 2009, S. 1727; Siehe auch BGE 106 Ia 142. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel rische Bundesgericht in seiner Rechtsprechung das Konzept der beschränkten Immunität.311 In der Schweizer Praxis des Bundesgerichts wird unterschieden, ob der Staat unter Geltung seiner Souveränität oder als Träger von Privatrechten handelt. Handelt er als Träger von Privatrechten gilt die Souveränität nicht uneingeschränkt. Damit ein Staat in der Schweiz belangt werden kann, muss das in Frage stehende private Rechtsverhältnis einen Bezug zur Schweiz haben (Binnenbeziehung). Es müssen Umstände vorliegen, die rechtfertigen, dass ein ausländischer Staat vor einem Schweizer Gericht zur Rechenschaft gezogen wird.312 II. Voraussetzungen für Immunität in Bezug auf Staatsfondsinvestitionen nach dem UNÜSI Der vorliegende Abschnitt behandelt drei Voraussetzung gemäss UNÜSI. Unter der Vorassetzung dass 30 Staaten das Abkommen unterzeichen, wäre dies eine Grundlage für den einheitlichen Umgang mit Investitionen von Staatsfonds. Erstens muss das tätige Organ dem Staat zugerechnet werden können, zweitens darf kein Ausschlussgrund vorliegen und drittens muss es sich gemäss der relativen Theorie der Immunität um eine hoheitliche Tätigkeit handeln. 1. Zurechenbarkeit zum Staat Gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. b UNÜSI sind unter Staat nicht nur der Staat selbst und seine Organe, sondern auch Gliedstaaten eines Bundesstaates und die Gebietskörperschaften des Staates zu verstehen, die berechtigt Handlungen in Ausübung der Hoheitsgewalt vornehmen. Somit sind sowohl der Status des Handlungsträgers als auch die Natur der vorgenommenen Handlungen für die Beurteilung der Immunitätsfrage entscheidend, bezüglich der Rechtsform hingegen werden keine Voraussetzungen formuliert. Inkludiert sind Unternehmen mit und ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Auch private Unternehmen sind vom Geltungsbereich in Art. 2 lit. b. ziff. iii UNÜSI umfasst.313 Zum einen kann die Anknüpfung über die Person (ratione personae) vorgenommen werden, wenn ein Verwaltungsorgan des Staates die Leitung übernimmt und im Auftrag des Staates handelt. Zum anderen kann die Anknüpfung aber auch über eine unabhängige Institution erfolgen, die vom Staat ermächtigt ist, hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen (ratione materiae).314 311 312 313 314 Siehe BGE 44 I 53. Siehe BGE 56 I 251; BGE 4.c.379/2006; BGE 106 Ia 142. Adinolfi, State immunity, S. 236. Adinolfi, State immunity, S. 240. 55 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen Wie unter Kapitel § 5.C.I.1. festgehalten, können Staatsfonds als Unternehmen mit oder ohne eigene Rechtspersönlichkeit oder als Kapitalsammelstelle gegründet werden. Hinsichtlich der Geltung der Immunität muss die Organisationsstruktur eines Staatsfonds berücksichtigt werden. a) Staatsfonds mit oder ohne eigener Rechtspersönlichkeit Bei einem Staatsfonds mit oder ohne Rechtspersönlichkeit, der ausserhalb der Zentralbank angegliedert ist, ist die Immunität vor der Gerichtsbarkeit nicht gegeben. Er kann zwar gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. b ziff. iii UNÜSI dem Staat zugeordnet werden, erfüllt aber nicht die Voraussetzung der berechtigten Ausübung hoheitlicher Aufgaben. Anders sieht es hinsichtlich des Vollstreckungsverfahrens aus, an welches weniger hohe Schranken für die Geltung der Immunität gesetzt werden. Das Vermögen des Staatsfonds dient einem hoheitlichen Zweck, sofern es für eine solche Nutzung bestimmt ist und sich im Gerichtsstaat befindet; somit greift auch nicht die Ausnahme des Art. 19 lit. c UNÜSI, dass auf Vermögen zugegriffen werden kann, welches für privatwirtschaftliche Tätigkeiten von Staaten verwendet wird.315 Der Staat kann sich allgemein auf seine Immunität berufen, wenn eine Forderung aufgrund der Tätigkeit seines Staatsfonds mit eigener Rechtspersönlichkeit gegen ihn anhängig gemacht wird, da laut Art. 10 Abs. 3 UNÜSI die Immunität eines Staates von der Gerichtsbarkeit in Rechtsstreitigkeiten mit Bezug zu Investitionen seines selbstständig eigentums- und rechtsfähigen Staatsfonds unberührt bleibt.316 Nur in wenigen Fälle ist dies ausgeschlossen (piercing the corporate veil): wenn der Staat absichtlich seine finanzielle Position falsch deklariert oder Vermögen beiseite geschafft hat, das zur Deckung der Forderung vorgesehen war.317 b) Staatsfonds als Kapitalsammelstelle Ein Staatsfonds, der als Kapitalsammelstelle in die Zentralbank eingegliedert wird, ist gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. b ziff. i. UNÜSI direkt dem Staat zuzurechnen. Er kann sich nur auf die Immunität hinsichtlich des Erkenntnisverfahrens berufen, wenn er hoheitlich tätig ist. Dies ist bei der Verwaltung von Vermögen mit einem Renditeziel nicht gegeben. Die Gelder von einem Staatsfonds, der als Kapitalsammelstelle innerhalb der Zentralbank verortet ist, sind gemäss Art. 21 Abs. 2 UNÜSI von einer Pfändung geschützt, ausser der Staatsfonds willigt ein.318 315 316 317 318 56 Art. 19 lit. c UNÜSI. Adinolfi, State immunity, S. 237. De Meester, Immunity, S. 814. Art. 21 Abs. 2 UNÜSI. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel 2. Keine Gründe für Ausschluss von der Immunität Der Staatsfonds und der Staat können von vornherein auf die Geltung der Immunität verzichten. Gemäss Art. 7 Abs. 2 UNÜSI und Art. 2 EuÜSI muss der Wille für den Verzicht dazu von beiden Parteien geäussert werden; entweder in einer internationalen Vereinbarung oder durch einen schriftlichen Vertrag. Die Vereinbarung hat grundsätzlich vor Klageerhebung und Verfahren zu erfolgen. Es kann jedoch auch jederzeit nach Klageerhebung auf diplomatischem Wege ein Verzicht auf die Immunität beim zuständigen Gericht eingereicht werden. Das reine Erscheinen eines Staatsorgans darf nicht als Einwilligung in die Gerichtsbarkeit gewertet werden.319 Darüber hinaus gibt es im Rahmen der restriktiven Theorie Tatbestände, die zum Ausschluss von der Immunität führen.320 Das UNÜSI sieht folgende Tatbestände als Ausschlussgründe für die Berufung auf Staatsimmunität: Private Rechtsgeschäfte (Art. 10), Arbeitsverträge (Art. 11), Personen- und Sachschäden (Art. 12), Eigentum, Besitz und Gebrauch (Art. 13), geistiges und gewerbliches Eigentum (Art. 14), Beteiligungen an Gesellschaften oder anderen Vereinigungen (Art. 15), Schiffe, die einem Staat gehören oder von ihm eingesetzt werden (Art. 16), Wirkung einer Schiedsvereinbarung (Art. 17). 3. Hoheitliche Tätigkeit Art. 10 UNÜSI bestimmt, dass Streitigkeiten in Zusammenhang mit der privatwirtschaftlichen Tätigkeit eines Staates unter die Gerichtsbarkeit eines anderen Staats fallen können. In seiner privatwirtschaftlichen Tätigkeit kann sich der eine Staat nicht auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit des anderen Staates berufen.321 Für die Beurteilung der Frage, ob es sich um ein privatwirtschaftliches oder ein hoheitliches Geschäft handelt, wird dabei auf die objektive Natur des Handelns abgestellt. Eine Handlung, die auch von einer privaten Person vorgenommen werden kann, gilt dabei regelmässig als privatwirtschaftliche Tätigkeit.322 Als privatwirtschaftliche Rechtsgeschäfte gelten gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. c UNÜSI privatwirtschaftliche Verträge, privatwirtschaftliche Rechtsgeschäfte (Warenkauf/Erbringung von Dienstleistungen), Darlehensverträge sowie weitere Verträge oder Rechtsgeschäfte privatwirtschaftlicher oder gewerblicher Art.323 319 320 321 322 323 Adinolfi, State immunity, S. 244. Adinolfi, State immunity, S. 243. Art. 10 UNÜSI. Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 171. Art. 2 Abs. 1 lit. c. UNÜSI. 57 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen Art. 2 Abs. 2 UNÜSI hält fest, dass bei zur Klärung der Natur eines solchen Rechtsgeschäft in erster Linie auf die Natur des Vertrages abzustellen ist. In einem zweiten Schritt könne auch der Zweck berücksichtigt werden.324 Würde nur auf die staatliche Tätigkeit abgestellt, so würde die Immunität faktisch unbeschränkt gelten, da diese immer einem hoheitlichen Zweck diene.325 Was unter einer hoheitlichen Tätigkeit zu verstehen ist, definiert das Gesetz nicht. Anhaltspunkte lassen sich im Entscheid Deutschland-Iran (45 ILR 57) finden. Als hoheitliche Funktionen werden dort die internationalen Beziehungen, die Landesverteidigung, das Polizeiwesen, die Rechtssetzung sowie die Rechtsanwendung definiert.326 III. Arten der Immunität nach UNÜSI Bei der Geltung der Immunität wird zwischen zwei Arten unterschieden: zum einen die Immunität von der Gerichtsbarkeit und zum anderen die Vollstreckungsimmunität. 1. Immunität von der Gerichtsbarkeit Gemäss Artikel 5 UNÜSI gilt der Grundsatz, dass ein Staat und sein Vermögen Immunität von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates geniesst. In den Artikeln 10–17 UNÜSI wird diese Immunität durch Ausnahmen eingeschränkt.327 Diese Ausnahmen beziehen sich auf rechtsgeschäftliche Handlungen (acta iure gestionis).328 Artikel 15 UNÜSI wiederum sieht explizit eine Ausnahme von der Immunität im Falle von Beteiligungen an Gesellschaften oder anderen Vereinigungen vor.329 2. Vollstreckungsimmunität Die Immunität von der Vollstreckung wird von der Immunität der Gerichtsbarkeit unterschieden, da die Pfändung von Vermögen eines Staates einen schweren und unmittelbaren Eingriff in seine Souveränität darstellt. Die Vollstre- 324 325 326 327 328 329 58 Art. 2 Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit. Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 172. Adinolfi, State immunity, S. 241. Im Europäischen Übereinkommen über die Staatenimmunität (EuÜSI) werden zuerst in den Artikel 1-14 EuÜSI die Ausnahmen besprochen, um dann in Art. 15 EuÜSI festzuhalten, dass die Immunität in allen anderen Fällen angewendet werden soll. Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 171. De Meester, Immunity, S. 814. § 5 Staatsfonds als Investitionsvehikel ckungsimmunität ist praktisch uneingeschränkt.330 Nur falls der Staat seine Einwilligung gibt oder Vermögen ausgesondert hat, das zur Deckung einer Verbindlichkeit dient, kann die Immunität aufgehoben werden. Überdies ist es möglich, dass Vermögen arrestiert wird, dass sich auf Grund und Boden des Forumstaates befindet. Das Vermögen muss der Unternehmung zugerechnet werden können, gegen welche das Verfahren gerichtet ist.331 Gemäss Art. 18 und 19 UNÜSI kann Vermögen eines ausländischen Staates gepfändet werden, das nicht der Ausübung hoheitlicher Tätigkeit dient und das in einem Zusammenhang mit dem Rechtstäter steht, gegen den sich ein Verfahren richtet. Um die Pfändung möglich zu machen, muss eine gerichtliche Entscheidung vorliegen. Sie ist also nur möglich, wenn entweder ein Urteil vorliegt oder der Staat in die Pfändung einwilligt. Anders sieht es das EuÜSI, das Pfändungen ungeachtet etwaiger Urteile nur mit Zustimmung des betroffenen Staates erlaubt.332 Vermögen von Zentralbanken oder anderen staatlichen Währungsbehörden können nicht gepfändet werden und sind vor Zugriffen anderer Staaten zu schützen (Art. 21 Abs. 1 lit. c. UNÜSI), auch wenn diese Vermögen in Marktaktivitäten verwendet werden, die auch privatwirtschaftlicher Natur sein können.333 330 331 332 333 Adinolfi, State immunity, S. 256. De Meester, Immunity, S. 815. Botschaft, 25. Februar 2009, S. 1746. Adinolfi, State immunity, S. 264. 59 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen § 6 Bedrohungsszenarien Die potenziellen Gefahren, die mit Staatsfonds in Verbindung gebracht werden, umfassen systemische und politische Risiken.1 Staatsfonds spiegeln zum einen Bedenken wieder, die auch mit Hedgefonds und Private-Equity-Unternehmen in Verbindung gebracht werden, zum anderen manifestieren sich an ihnen die Probleme aufstrebender Schwellenländer, die nicht die gleichen ordnungspolitischen Vorstellungen wie der Westen2 haben.3 Staatsfonds polarisieren dabei in zwei Richtungen: Einerseits wird eine politische Motivation unterstellt, globale Finanzmärkte und Entscheidungen von Unternehmen zu beeinflussen, andererseits begrüssen die Finanzmarktakteure das Angebot einer langfristigen Finanzierung, die durch private Mittel nicht zu erreichen wäre.4 Das folgende Kapitel setzt sich mit den Bedenken auseinander, die im Zusammenhang mit Staatsfonds genannt werden, und skizziert diese anhand von fünf Szenarien. Im Anschluss an jedes Szenario werden Massnahmen aufgeführt, welche in Kapitel § 12 anhand der aktuell bestehenden Regeln auf einzelstaatlicher Ebene der Schweiz sowie international beurteilt werden, um in Kapitel § 13 weitere Regulierungsmöglichkeiten und -bedürfnisse mit Blick auf die Schweiz aufzuzeigen. A. Szenario 1: Überfremdung durch Investoren mit einem anderen Wertesystem Insbesondere im Jahr 2007 fanden sich viele Artikel in Zeitungen, die sich mit den Thema der «Überfremdung» der nationalen Wirtschaft und des «Ausverkaufs» wichtiger nationaler Unternehmen beschäftigten. Der vorliegende Abschnitt stellt zuerst die geäusserten Befürchtungen dar (Bedenken) und diskutiert sie dann in einem weiteren Schritt (Bewertung). Abschliessend wird erörtert, ob nationale oder internationale Massnahmen zum Schutz gegen diese «Überfremdung» notwendig sind und wie diese ggf. umgesetzt werden sollten (Massnahmen). 1 2 3 4 60 Chaisse/Chakraborty/Mukherjee, Regulatory Strategies, S. 852; Heuber, Finanzmarktregulierung, S. 41; Malathouni, Sovereign Wealth Funds, S. 256. Unter «der Westen» versteht die vorliegende Dissertation «Nationen in Europa und Nordamerika, die gleiche Werte leben (Garantie von Bürger- und Menschenrechten, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit und Individualismus) und eine liberale Demokratie praktizieren». Gnath, Macht der Staatsfonds, S. 1 f. Heep, Deutsche Reaktionen, S. 4; Megginson/Fotak, Fiduciary State, S. 11; Morgan/Pop, Initiativstellungnahme, S. 64. § 6 Bedrohungsszenarien I. Bedenken Befürchtungen hinsichtlich Investitionen von Staatsfonds wurden in diversen Ländern geäussert.5 Insbesondere in den Medien war die Frage des «Ausverkaufs» allgegenwärtig.6 Henning Klodt beispielsweise stellte 2008 in einem Artikel die Frage, ob Deutschland sich vor Staatsfonds schützen müsse.7 Im Economist wurde ein Artikel mit dem Titel The invasion of the sovereign wealth funds veröffentlicht.8 Nicolas Sarkozy, damals Präsident von Frankreich, schlug am Treffen des EU Parlaments am 21. Oktober 2008 vor, dass Staaten der EU Staatsfonds gründen sollten, um die nationalen Unternehmen vor unerwünschten Investitionen ausländischer Staatsfonds zu schützen.9 Auch Angela Merkel, Kanzlerin von Deutschland, setzte sich für den Schutz nationaler Unternehmen vor ausländischen Staatsfondsinvestitionen ein.10 Die Frage des «Ausverkaufs» bzw. der «Überfremdung» wurde begleitet durch Fragen bezüglich der nationalen Sicherheit. Insbesondere in Deutschland, Frankreich und den USA wurden Fragen bezüglich der Gefährdung der nationalen Sicherheit durch Investitionen ausländischer Staatsfonds gestellt; es wurde bezweifelt, ob Staatsfonds tatsächlich nur renditeoptimiert in westlichen Ländern investierten oder ob sie auch geo-strategische Ziele verfolgen würden.11 II. Bewertung Die ablehnende Haltung vieler Industrieländer gegenüber Staatsfonds gründet auf der Tatsache, dass viele der bestehenden Staatsfonds aus nicht demokratisch, sondern autokratisch aufgebauten Staaten stammen, welche ideologisch nicht das Prinzip des freien Marktes verfolgen.12 Überdies wiesen die bekanntesten Staatsfonds (mit Ausnahme des norwegischen GPFG) gemäss dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland (Sachverständigenrat)13 zum Höhepunkt der internationalen Dis5 6 7 8 9 10 11 12 13 Weisman, Concern, S. 1. Siehe hierzu: Bean, Attack, S. 67 ff. Klodt, Staatsfonds, S. 175 ff. Economist, Invasion, S. 1. Singh, Europe, S. 1. Afhüppe/Hauschildt, Angst, S. 1. De Meester, Immunity, S. 785. Bahgat, Assessment, S. 165; Gutin, Regulating, S. 757; Hemphill, Sovereign Wealth Funds, S. 555; Monk, Sovereign Wealth Fund Debate, S. 5. Der Sachverständigenrat ist ein Gremium, welches 1963 eingesetzt wurde, um eine periodische Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen. Diese Berichte sollen die Urteilsbildung bei allen wirtschaftspolitisch verantwortlichen Instanzen und der Öffentlichkeit erleichtern. Geregelt wird der Sachverständigenrat durch das Gesetz über die Bildung eines Sachverständigen- 61 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen kussionen 2007/08 keine transparente Kommunikationspolitik auf. Informationen zu Eigentümer- und Organisationsstruktur, Investitionsstrategie sowie Vermögenszusammensetzung von Staatsfonds waren kaum vorhanden.14 Gründe für die Bedenken hinsichtlich Überfremdung15 können in der Herkunft von Staatsfonds, ihren Investitionen in strategische Unternehmen16 und nationale Prestigeunternehmen17 sowie in potenziell politisch motivierten Investitionen gefunden werden. 1. Herkunft der Staatsfonds Anfangs kamen Staatsfonds primär aus kleineren Ländern und die von ihnen verwalteten Vermögen waren im Vergleich zum heutigen Stand klein, weshalb Staatsfonds wenig Möglichkeit zur Beeinflussung der globalen Finanzmärkte hatten. Seit 2005 stiegen sowohl das verwaltete Vermögen von Staatsfonds als auch die Anzahl von Staatsfonds stark an. Unter anderen kamen Staatsfonds aus einflussreichen Emerging Markets wie China und Russland hinzu.18 Da China sowie Russland gemäss Paul Rose aufgrund ihrer Grösse und ihres politischen Systems in Industrienationen potenziell als Gefahr angesehen 14 15 16 17 18 62 rates zur Begutachtung des gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vom 14. August 1963. Dieses verpflichtet den Sachverständigenrat einmal jährlich ein Jahresgutachten zu publizieren. Überdies hat er bei besonderen Problemlagen und nach Auftrag durch die Bundesregierung ein Sondergutachten zu erstellen. Weiter erstellt er seit 2005 auf Anfrage der Bundesregierung Expertisen zu ausgewählten Themen. Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 399. Gemäss Martin Lüpold findet sich der frühste Text in der Schweiz zur Frage der «wirtschaftlichen Überfremdung aus dem Jahre 1916. Der Rechtsanwalt E. Utzinger sprach in einem Vortrag vor der Neuen Helvetischen Gesellschaft in Zürich am 20. November 1916 davon, «wie wichtig die Abwehr von «wirtschaftlicher Überfremdung» sowohl für die politische Selbstständigkeit des Landes wie auch für «unsere nationale Individualität» sei». Unter der Überfremdung verstand er eine hohe Abhängigkeit von Exporten und Importen sowie einen hohen Anteil an ausländischen Staatsbürgern in der Schweizerischen Wohnbevölkerung. Vgl. Lüpold, Wirtschaftskrieg, S. 224. Unter einem strategischen Unternehmen versteht man ein Unternehmen, das in einem Sektor der strategischen Industrie angesiedelt ist. Was ein strategischer Sektor ist, wird von Land zu Land unterschiedlich definiert. In der Schweiz existiert keine Definition für den Begriff strategisches Unternehmen. Grundsätzlich werden Unternehmen in Branchen, welche die nationale Sicherheit tangieren damit beschrieben, siehe hierzu: Fuster, Totschlagargument, S. 1. Unter einem nationalen Prestigeunternehmen kann man ein Unternehmen verstehen, das nicht in einem strategischen Sektor tätig ist, aber aufgrund von anderen Faktoren wie Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Innovation wichtig für ein Land ist. Benney, National Security, S. 7; Weber/Schalast, Handlungsspielräume, S. 20; Siehe auch § 1. § 6 Bedrohungsszenarien werden,19 entfachten ihre Investitionen insbesondere in den USA und Deutschland kontroverse Diskussionen. Zum einen verfügen sowohl China als auch Russland über eine beachtliche wirtschaftliche und militärische Macht, zum anderen herrscht wenig Transparenz über ihre politischen und wirtschaftlichen Absichten. Auch Investitionen aus Ländern mit islamischer Herkunft werden als Bedrohung wahrgenommen.20 2. Transparenz Eine häufig geäusserte Kritik hinsichtlich Staatsfonds bezieht sich auf deren mangelnde Transparenz und Rechenschaftspflicht: Staatsfonds unterstünden keiner Pflicht, ihre Eigentümerstruktur und Investitionsstrategie offen zu legen, was sie sehr intransparent mache.21 Als Investitionsvehikel von Staaten können sie neben wirtschaftlichen auch politische und geopolitische Ziele22 verfolgen.23 Geopolitische Ziele können etwa die Sicherung des langfristigen Überlebens einer Nation sein. Gemäss Friedrich Ratzel (1844–1904)24 basiert der langfristige Erfolg und das Überleben einer Nation auf zwei Schlüsselelementen: Expansion und Migration. Er geht davon aus, dass jede Nation sich in einem ständigen Existenzkampf um wichtigen Lebensraum befindet.25 Ein Mangel an Informationen zu Grösse, Zielen und Eigentümerverhältnissen von Staatsfonds muss dieser Logik folgend zu Verunsicherung führen, insbesondere, wenn sie in strategisch wichtige Unternehmen im Ausland investieren.26 Transparenz ist gemäss Yvonne Lee ein bedeutender Faktor der Markteffizienztheorie und deshalb zentral für das westliche Wirtschaftssystem, welches auf einer kapitalistischen Marktwirtschaft beruhe.27 Die volkswirtschaftliche Markteffizienztheorie wurde 1970 von Eugene F. Fama begründet: Finanzmärkte seien effizient, wenn alle relevanten Informationen im Preis inkludiert 19 20 21 22 23 24 25 26 27 Rose, Regulation and Politics. Rose, Regulation and Politics, S. 1208. Sandor, Shareholder Governance, S. 959. Siehe zu den Zielen von Staatsfonds Kapitel § 5.A.III. Murtinu/Scalera, Internationalization, S. 250. Der Begriff der «Geopolitik», der von der «Geostrategie» (die planmässige Realisierung strategischer und sicherheitspolitischer Ziele hinsichtlich geopolitischer Überlegungen) abzugrenzen ist, wurde durch Friedrich Ratzel begründet und ist aus der Nazizeit belastet. Sein Begriff von Nation ist heute nicht mehr zeitgemäss. Nichtsdestotrotz wird der Begriff international nach wie vor verwendet. Primär geht es gemäss Nicoll Norbert um die Durchsetzung von Macht und Politik, die Bewahrung der nationalen Unabhängigkeit und die Sicherung von Rohstoffen. Vgl. Norbert, Ende, S. 379 ff. Zitiert in Helmig, Geopolitik, S. 31. Wilson/Scully, Making Sense of Sovereign Wealth Funds, S. 78. Lee, Contemporay Sovereign Wealth Funds, S. 201. 63 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen sind und kein Marktteilnehmer in der Lage ist, durch bessere Informationen zu überdurchschnittlichen Gewinnen zu kommen.28 Sind die Zielstaaten also nicht darüber informiert, was mit einer spezifischen Investition eines Staatsfonds beabsichtigt ist, herrscht eine Informationsasymmetrie zu dessen Vorteil, und es stellt sich die Frage, ob zu den deklarierten ökonomischen Ziele auch geopolitische hinzutreten würden. Dies führt zu Unsicherheit und Abneigung gegenüber Investitionen von Staatsfonds.29 Daniel Drezner hält fest, dass Staatsfonds aus demokratisch organisierten Länder grundsätzlich transparenter seien als solche aus Ländern ohne demokratische Struktur.30 Der grössere Teil der Staatsfonds kommt gemäss Jamie Manzer und Jan Martin Witte jedoch aus Ländern ohne demokratische Regierung.31 Um die Demokratie in einem Land zu messen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, etwa den Democracy Index, den Neuen Index der Demokratie, den Democracy Barometer und den Freedom House Index. Für die Darstellung in dieser Arbeit wird auf den Freedom House Index zurückgegriffen.32 Die Freedom House Organisation ist eine 1942 gegründete unabhängige Überwachungsinstanz, die sich für die weltweite Verbreitung von Freiheit und Demokratie einsetzt. Sie analysiert Herausforderungen für die Demokratie und fördert politische und bürgerliche Rechte. Die Freedom House Organisation erachtet ein Land erst als «frei», wenn es über eine demokratische Ordnung verfügt, in welcher der Staat seinen Bürgern gegenüber Rechenschaft ablegen muss, rechtsstaatliche Gründsätze sowie Meinungsäusserungsfreiheit und die Rechte von Frauen und Minderheiten garantiert.33 Gemäss Freedom House Index kommen nur einer der zwölf grössten Staatsfonds aus einem «freien» Land (F): der norwegische GPFG. Vier (Hong Kong Monetary Authority Investment Portfolio, Kuwait Investment Authority, Temasek und Government Investment Corporation Singapur) kommen aus Ländern, die teilweise frei (PF) sind und sieben Staatsfonds (China Investment Corporation, China SAFE Investment Corporation, China National Social Security Fund, Qatar Investment Authority, SAMA Foreign Holdings, Public Investment Fund und Abu Dhabi Investment Authority) aus Ländern, die nicht frei (NF) sind. 28 29 30 31 32 33 64 Siehe zur Markteffizienttheorie: Fama, Efficient Capital Markets, S. 383 ff. Wilson/Scully, Making Sense of Sovereign Wealth Funds, S. 78. Drezner, Global Finance, S. 122 f. Manzer/Witte, Global Rules, S. 322. Siehe zu den unterschiedlichen Demokratieindexen: Salzborn, Demokratie, S. 99 ff. Zum Democracy Index: Economist, Democracy Index, S. 1. Freedomhouse, About, S. 1. § 6 Bedrohungsszenarien Die nachfolgende Grafik stellt das kumulierte Vermögen der zwölf grössten Staatsfonds dar, aufgeteilt nach Herkunft aus «freien», «teilweise freien» und «nicht freien» Staaten. Abbildung 2: Gewichtung der Vermögen von Staatsfonds in Milliarden US-Dollar 2017 nach Länderkategorisierung des Freedom House Index (eig. Darst.). Dies zeigt, dass viele Staatsfonds aus autoritär geführten Ländern34 stammen. Autoritäre Länder verfügen über einen schwach ausgeprägten Rechtsstaat. Freiheitsrechte, beispielsweise das Recht auf Informationszugang sowie das Recht auf freie Meinungsäusserung, werden nicht in gleichem Masse wie in demokratischen Ländern sichergestellt.35 Zudem werden Staatsfonds oftmals von den Herrscherfamilien geführt, die nicht über demokratische Wahlen an die Macht gekommen sind.36 In diesen Fällen ist die Gefahr gross, dass die Führungselite ihre eigenen Interessen verwirklicht, da sie dem Volk keine Rechenschaft ablegen muss.37 Dies könnte in Unru34 35 36 37 Autokratische Länder verfügen über keine liberale Demokratie. Ihr System ist nicht durch freie und allgemeine Wahlen, parlamentarische Repräsentationsverfahren, ein Minimum an rechtsstaatlichen Garantien, gewissen Formen der Gewaltenteilung, die Möglichkeit eines friedlichen und geregelten Regierungswechsel auf der Basis eines Mehrparteiensystems und die Geltung bestimmter Grundrechte gekenntzeichnet. Vgl. Salomon, Demokratie, S. 76; Siehe zu den Eigenschaften der Demokratie auch: Frevel, Demokratie, S. 61 ff. Beck/Fidora, Impact, S. 13; Plotkin, Foreign Direct Investment, S. 88; Sturm/AlFil, Heimliche Herrscher, S. 3. Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 321. Keenan, Social Arrears, S. 7 f., siehe auch Kapitel § 6.B.II.3. und 4. 65 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen hen in der Bevölkerung mit möglichen Auswirkungen auf Staatsfondsinvestitionen münden.38 Autokratische Regime behelfen sich zur Herrschaftssicherung dann oftmals mit Repression, Unterdrückung und Gewalt gegenüber der Bevölkerung.39 Jamie Manzer und Jan Martin Witte zufolge verfügten 2008 die sieben am wenigsten transparenten Staatsfonds über die Hälfte der globalen Staatsfondsvermögen.40 Mit der Transparenzmessung von Staatsfonds haben sich verschiedene Personen auseinander gesetzt. Carl Linaburg und Michael Maduell vom Sovereign Wealth Funds Institute entwickelten 2008 einen Index, der ein Rating der Transparenz von Staatsfonds ermöglicht. Der Index reicht von einem bis zehn Punkten; ein Staatsfonds muss darauf mindestens acht Punkte erreichen, um als transparent zu gelten.41 Als transparent gemäss Linaburg-Maduell-Transparency-Index gelten der GPFG aus Norwegen, das auch dem Freedom House Index nach als «frei» gilt. Ebenfalls als transparent gelten der singapurische Staatsfonds Temasek, die China Investment Corporation (CIC) und das Hong Kong Monetary Authority Investment Portfolio. Singapur und Hong Kong gelten gemäss Freedom House Index als teilweise frei und China als nicht frei. Als nicht transparent gelten die SAFE Investment Corporation (China), die SAMA Foreign Holdings (SaudiArabien), der Public Investment Fund (Saudi-Arabien), der National Social Security Fund (China), die Qatar Investment Authority (Katar), die Government Investment Corporation (Singapur), die Kuwait Investment Authority (Kuwait) und die Abu Dhabi Investment Authority (Abu Dhabi). 38 39 40 41 66 Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 310; Drezner, Global Finance, S. 118. Schmidt, Staatstätigkeit, S. 418. Manzer/Witte, Global Rules, S. 322. SWFI, Transparency Index, S. 1. § 6 Bedrohungsszenarien Volumen Linaburg- Freedom Maduell- House Index TransparencyIndex Land Name Staatsfonds Norwegen Government Pension Fund – 885 Mrd. Global 10 F Singapur Temasek Holdings 193.6 Mrd. 10 PF China China Investment Corporation 813.8 Mrd. 8 NF 456.6 Mrd. 8 PF Hong Kong Monetary Authority Investment Portfolio Abu Dhabi Abu Dhabi Investment Authority 792 Mrd. 6 NF Kuwait Kuwait Investment Authority 592 Mrd. 6 PF Singapur Government Investment Corporation 350 Mrd. 6 PF Katar Qatar Investment Authority 335 Mrd. 5 NF China National Social Security Fund 295 Mrd. 5 NF SaudiArabien Public Investment Fund 160 Mrd. 4 NF SaudiArabien SAMA Foreign Holdings 576.3 Mrd. 4 NF China SAFE Investment Coperation 474 Mrd. 4 NF Abbildung 3: Eigene Darstellung. Auflistung der zwölf grössten Staatsfonds in Milliarden US-Dollar anhand der Transparenz gemäss Linaburg-MaduellTransparency-Index. Zahlen gemäss Sovereign Wealth Funds Institute.42 Nicht nur Staatsfonds aus «freien» Ländern können transparent sein. Obwohl China laut Freedom House Index als «nicht frei» gilt, ist einer ihrer Staatsfonds sehr transparent nach dem Linaburg-Maduell-Transparency-Index. Einzelne Staatsfonds innerhalb eines Landes können also auch unterschiedlich transparent sein. 42 SWFI, Fund Rankings, S. 1. 67 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen Staatsfonds stammen aus Ländern, die mit hohen Deviseneinnahmen konfrontiert sind. Insbesondere Staatsfonds mit einem Vermögen von über 100 Milliarden US-Doller sind darauf angewiesen, im Ausland zu investieren, da ihre nationale Wirtschaft oftmals nicht über die nötige Kapazität verfügt, um Investitionen in diesem Ausmass aufzunehmen.43 Insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern existieren laut Christian Ambrosius und Ursula Stiegler keine oder nur schwach entwickelte Finanzmärkte.44 In der Konsequenz haben Zielstaaten ausländischer Investitionen auch ein Druckmittel gegenüber Staatsfonds resp. deren Herkunftsstaaten in der Hand, mit dem sie erhöhte Transparenz und westlich geprägte Führungsgrundsätze einfordern können. In dieser Hinsicht können Staatsfonds indirekt dazu beitragen, dass Demokratisierung und globale finanzielle Integration vorangetrieben werden.45 Die westlichen Investitionsauflagen unterstützen somit einen globalen Wandel hin zur Demokratie. Staaten bekommen einen Anreiz, Standards hinsichtlich Transparenz, Organisation etc. von sich aus umzusetzen.46 Indem westliche Staaten Investitionsauflagen an Investitionen ausländischer Staatsfonds knüpfen, profitieren indirekt auch die Bürger der Herkunftsstaaten, da die zumeist geforderte bessere Transparenz der Handlungen ihrer Staatsfonds ihnen zugute kommt.47 Mit Transparenz kann grundsätzlich Vertrauen geschaffen werden. Möchten Staatsfonds ohne öffentliche Widerstände in westliche Märkte investieren, müssen sie die Transparenzansprüche erfüllen, die in den Generally Accepted Principles and Practices (GAPP, auch «Santiago-Prinzipien») gefordert werden.48 Wissen über die Hintergründe einer Investitionstätigkeit schafft Akzeptanz und Vertrauen. Staatsfonds sind davon abhängig, international investieren zu können. Je grösser diese Abhängigkeit ist, desto mehr Anreiz besteht für ihre Herkunftsstaaten, die Regeln der internationalen Gemeinschaft zur Informationspolitik49 von Staatsfonds zu beachten.50 Wenn nicht alle Zielländer die gleichen Transparenzanforderungen stellen, kann es zu Regulierungsarbitrage kommen: Investitionen erfolgen in Ländern mit der niedrigsten Regulierungshürde.51 43 44 45 46 47 48 49 50 51 68 Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 326, siehe auch: Behrendt, Outlook April 2016, S. 2. Ambrosius/Stiegler, Finanzmärkte, S. 221. Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 326; Manzer/ Witte, Global Rules, S. 338. Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 328, siehe hierzu auch: Frevel, Demokratie, S. 162 f. Barbieri, Natural Resources, S. 31. Siehe zu den Santiago-Prinzipien Kapitel § 10.B.II. Siehe hierzu Kapitel § 11.C. Barbieri, Natural Resources, S. 31. Bockmann, Internationale Koordinierung, S. 220. § 6 Bedrohungsszenarien Dieselben Transparenzdefizite wie bei Staatsfonds bestehen im Übrigen auch bei Unternehmen der Privatwirtschaft. Transparenz bietet zwar ein besseres Verständnis, dient aber nicht als eigentlicher Schutz vor unerwünschten politischen Investitionen.52 3. Investitionen in strategische Unternehmen Staatsfonds investieren in westliche Prestigeunternehmen sowie in strategische Unternehmen in den Sektoren Energie, Finanzen und Technologie.53 Diese Investitionen sind gemäss Rolando Avendano strategisch motiviert. Mit ihnen beabsichtigen Staatsfonds einerseits, ihr durch den Verkauf von Rohstoffen erwirtschaftetes Vermögen zu vermehren, andererseits soll jedoch auch der Zugang zu natürlichen Ressourcen nach einem Versiegen der eigenen Quellen gesichert werden. Neben den Sektoren Energie, Finanzen und Technologie finden auch Investitionen in Landwirtschaft, Wasser- und Lebensmittelindustrie statt.54 Solche strategischen Interessen verfolgen auch Zielstaaten von Staatsfondsinvestitionen, welche Unternehmen, die sie als strategisch wichtig einstufen, vor ausländischen Investitionen schützen möchten.55 Verhindert werden soll dabei eine Abhängigkeit von ausländischen Investoren in strategischen Sektoren.56 Beispielsweise kann eine ausländische Investition im Energiesektor die Versorgungssicherheit eines Landes gefährden, wenn der Investor zum Nachteil des Ziellandes in die Strategie des Versorgers eingreift.57 Eine solche Abhängigkeit kann nur entstehen, wenn keine oder zu wenige Substitute für ein Produkt oder eine Dienstleistung vorhanden sind, der Markt sich auf wenige Anbieter konzentriert und die Umstellungskosten für die Wahl eines anderen Produkts oder einer anderen Dienstleistung zu hoch wären, sodass keine neuen Marktteilnehmer in den Markt eintreten können.58 Als Beispiel können die Ambitionen des russischen Staatsunternehmens Gazprom genannt werden, in Europa Gasnetze und Verteilungsunternehmen zu erwerben. Eine solche Investition durch ein russisches Staatsunternehmen kann die Unabhängigkeit der Energieversorgung eu52 53 54 55 56 57 58 Kirshner, National Security, S. 306. UNCTAD, National Security, S. 20; siehe hierzu auch Kapitel § 5.D. Avendano, Natural Endowments, S. Clostermeyer, Staatliche Übernahmeabwehr, S. 38; Heep, Deutsche Reaktionen, S. 4. Bahgat, Assessment, S. 163; Behrendt, Politics, S. 2; Belke/Hendricks, Etatismus, S. 811; Cohen, Tradeoff, S. 713; Götz, Russlands Staatsfonds, S. 2; Jansen, M&A, S. 104; Krolop, Schutz vor Staaatsfonds, S. 40; Lenihan, Acquisition of Power, S. 6; Schönberg, Sovereign Wealth Alarm, S. 57; Schmit Jongbloed/Sachs/Sauvant, Sovereign Investment, S. 11; Senn, Institutional Governance, S. 17; Truman, Do Sovereign Wealth Funds pose a Risk to the United States?, S. 3. Schalast/Tiemann/Tuppi, Neue Akteure, S. 20. Moran, Foreign Acquisitions, S. 373. 69 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen ropäischer Länder einschränken, wodurch Russland ihnen gegenüber ein politisches Druckmittel erhalten würde.59 Überdies können Übernahmen durch ausländische Investoren dazu führen, dass Betriebsstätten verlagert werden und es zu einem Abbau von Arbeitsplätzen im Zielland einer Investition kommt.60 Zudem kann eine Übernahme die finanzielle Aushöhlung eines Unternehmens zur Folge haben, da mit einer Investition auch gezielt Misswirtschaft betrieben werden kann, um ein Unternehmen im Zielland zum Vorteil von Konkurrenzunternehmen im Herkunftsland des Staatsfonds zu schwächen.61 Des Weiteren können Investitionen in strategische Industrien zur gezielten Aneignung von Technologien und Wissen dienen.62 Insbesondere Schwellenländer verfügen oftmals über weniger entwickelte Finanzmärkte und Industrien. Diesen Staaten fehlen das Wissen über und das Verständnis für komplexe Kapitalmärkte. Dieses Wissen kann mithilfe staatlicher Investitionen eingekauft werden.63 Ob dieser Technologietransfer schädlich für die Zielunternehmung resp. das Zielland ist, hängt davon ab, ob das Wissen bereits einer grossen Masse bekannt ist und auch ohne Investition mit einem vertretbaren Aufwand zu beschaffen gewesen wäre.64 Die Angst vor ausländischen Investitionen ist gemäss Martin Lüpold während des vergangenen Jahrzehnts in der schweizerischen Öffentlichkeit immer wieder Thema gewesen: Das Schweizer Wirtschaftsmodell stütze sich auf Wissen, Innovationskultur, gute Infrastruktur und Reputation. Diese Werte sicherten den Marktwert schweizerischer Marken und stellten daher das Rückgrat der schweizerischen Wirtschaft dar.65 Ein Mangel an natürlichen Ressourcen hat in der Schweiz ausserdem zur Bildung von Wirtschaftsschwerpunkten in dienstleistender und verarbeitender Industrie geführt.66 Hoher Exporterfolg führte daraufhin zu einem gehäuften Auftreten von Unternehmen bestimmter Branchen (Banken, Versicherungen, 59 60 61 62 63 64 65 66 70 Roth, Investitionsbeschränkungen, S. 4. Mattes, Beschäftigung und Produktivität, S. 2; UNCTAD, National Security, S. 18. Allen, Keine Panik, S. 1; Clostermeyer, Staatliche Übernahmeabwehr, S. 38; Heep, Deutsche Reaktionen, S. 4. De Meester, Immunity, S. 785; EU Kommission, KOM 2008, S. 4; Heep, Deutsche Reaktionen, S. 4; Hemphill, Sovereign Wealth Funds, S. 556; Malathouni, Sovereign Wealth Funds, S. 256; Manzer/Witte, Global Rules, S. 322; Megginson/Fotak, Fiduciary State, S. 11; Patton, Globalized World, S. 9; Senn, Institutional Governance, S. 17. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 185; Weber/Schalast, Handlungsspielräume, S. 21, Wolff, Selbstverpflichtung, S. 3. Moran, Foreign Acquisitions, S. 378; Slawotsky, Financial Superpowers, S. 1254. Lüpold, Wirtschaftskrieg, S. 99 ff.; siehe auch David/Mach, Corporate Governance, S. 847 f. Fuster, Innovation, S. 34 § 6 Bedrohungsszenarien Uhrenindustrie, Pharma). Diese Einengung der schweizerischen Wirtschaft auf wenige Schlüsselindustrien wiederum verstärkte bestehende Ängste vor deren Zusammenbrechen, was wiederum Forderungen nach wirtschaftlichem Protektionismus zur Folge hatte:67 Beim Verkauf von Unternehmen an ausländische Mehrheitseigentümer besteht eine tatsächliche Gefahr, dass die Exklusivität von Wissen und Reputation – und damit das Rückgrat der schweizerischen Wirtschaft – Schaden nimmt bzw. ins Ausland abgezogen wird.68 Wie in Abschnitt § 5.C.III. dargestellt, werden Staatsfonds grundsätzlich nicht zur geopolitischen Expansion gegründet, sondern zur Absicherung der Wirtschaft der Herkunftsstaaten gegen Währungsschwankungen. Die Bildung von Staatsfonds als Stabilisierungsfonds wird sowohl durch die Weltbank als auch durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) angetrieben und unterstützt, um in Ländern mit einer hohen Rohstoffabhängigkeit für makroökonomische Stabilität und Wachstum zu sorgen.69 Dass auch politische Überlegungen hinter einer Investition stehen können, lässt sich jedoch nicht bestreiten.70 Die Staatsfonds selbst haben diese Möglichkeiten in den Santiago-Prinzipien nicht ausgeschlossen und nur die Absicht kundgetan, dass andere als rein ökonomische Ziele offengelegt werden sollten.71 Solange die Unternehmen mit ausländischer Beteiligung in der Schweiz verbleiben, es zu keinem drastischen Stellenabbau kommt und kein schädlicher Transfer von Technologie oder exklusivem Wissen zur Konkurrenz im Herkunftsland des Staatsfonds stattfindet, wird die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz durch ausländische Eigentümerschaft nicht negativ beeinflusst.72 Aktuell befinden sich praktisch alle grossen Konzerne der Schweiz in ausländischen Händen.73 Nur noch 17,8% der grössten 30 Konzerne sind in schweizerischem Besitz.74 Von den in ausländischem Besitz befindlichen Unternehmen entfallen 43% auf die USA, 8,5% auf Luxemburg, 6,5% auf Grossbritannien und 6% auf Norwegen. Kanada, 67 68 69 70 71 72 73 74 Siehe vertieft zu den verchiedenen Branchen der Schweiz das Branchenhandbuch 2015 der Credit Suisse. Vgl. Credit Suisse, Branchenhandebuch 2015, passim. Müller, Ausverkauf, S. 1. Balding, Sovereign Wealth Funds, S. 5. Balding, Sovereign Wealth Funds, S. 5. Zu den Santiago-Prinzipien siehe Kapitel § 11.C. Brouzos, Schweizer Ausverkauf, S. 1. Siehe zum Ausverkauf der Schweiz Walter Wittmann. Vgl. Wittmann, Schweiz, S. 47 ff. In der Auswertung von UBS, welche durch die NZZ in Auftrag gegeben wurde, sind nur institutionelle Investoren berücksichtigt worden. Kleinere sowie private Anleger wurden nicht miteinbezogen. Nichtsdestotrotz gibt es einen guten Überblick über den Schweizer Aktienmarkt und die Überfremdung der Wirtschaft, welche Ausdruck der Globalisierung ist. Vgl. Rasch, Schweizer Aktienmarkt, S. 1. 71 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen Schweden und Deutschland kommen jeweils auf 2% sowie Irland, Frankreich, Singapur und die Niederlande auf Werte zwischen 0,5% und 2%.75 Die Gefahren sind von Branche zu Branche unterschiedlich, so lassen sich etwa Standorte einiger Branchen leichter verlagern als diejenigen anderer. Beispielsweise können Unternehmen der Maschinenindustrie relativ unproblematisch ins Ausland verlagert werden. Fachpersonal kann in der Schweiz ausgebildet und dann zusammen mit der Gerätschaft ins Ausland gebracht werden. Schwieriger ist die Situation in der Uhrenbranche und der Biotechnologie, wo Forschungslabore, Ökosysteme und die Marke «Swiss Made» von Bedeutung sind.76 Noch befindet sich der Grossteil der schweizerischen Unternehmen im Besitz von Investoren aus Ländern mit einem der Schweiz ähnlichen Wertesystem.77 In letzter Zeit häuften sich zwar Investitionen staatlicher chinesischer Unternehmen in der Schweiz, diese Transaktionen haben jedoch wenig Anlass zu Misstrauen gegeben und die Investoren verhielten sich allesamt passiv.78 Beobachtet werden konnte, dass grosse internationale Unternehmen nur in geringem Umfang neue Arbeitsplätze in der Schweiz schaffen und tendenziell eher Arbeitsplätze ins Ausland verlagern; das Rückgrat der Schweiz sind die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).79 Internationale Unternehmen in der Schweiz sind der Schweiz gegenüber wenig loyal und orientieren sich nach der Standortattraktivität im Vergleich verschiedener Länder. In diesem Vergleich sind die Qualifizierung der Arbeitskräfte sowie der Stand der Forschung entscheidend.80 Gemäss Anselm Mattes, der den Einfluss von ausländischen Übernahmen auf die Entwicklung von Betrieben in Deutschland untersucht hat, gibt es nach einer grösseren ausländischen Investition zumindest kurzfristig keine signifikanten Effekte hinsichtlich Produktivität des Unternehmens und Anzahl der Beschäftigten.81 4. Politisch motivierte Investitionen Eine von vielen Autoren geäusserte Befürchtung ist die potenziell politische Motivation hinter einer staatlichen Investition.82 Staaten könnten mittels Investi75 76 77 78 79 80 81 82 72 Rasch, Schweizer Aktienmarkt, S. 1. Jaberg, Chinesische Investoren, S. 1. Rasch, Schweizer Aktienmarkt, S. 1. Jaberg, Chinesische Investoren, S. 3. Strahm, Reichtum, S. 142. Wittmann, Schweiz, S. 52. Mattes, Beschäftigung und Produktivität, S. 2. Bahgat, Assessment, S. 163; Behrendt, Politics, S. 2; Belke/Hendricks, Etatismus, S. 811; Cohen, Tradeoff, S. 713; Götz, Russlands Staatsfonds, S. 2; Krolop, Schutz vor Staaatsfonds, S. 40; Malathouni, Sovereign Wealth Funds, S. 252; Lenihan, Ac- § 6 Bedrohungsszenarien tionen ihrer Fonds versuchen, ihre Politik im Ausland durchzusetzen.83 Geschürt wird diese Furcht unter anderem dadurch, dass staatliche Organe in der Führung des Staatsfonds Einsitz nehmen.84 Beispielsweise hat Norwegens Staatsfonds GPFG im Sommer 2014 seine Beteiligungen in Russland überprüft und angekündigt, dass er gewillt sei, diese hinsichtlich der Änderungen des geopolitischen Klimas anzupassen und nötigenfalls Desinvestitionen vorzunehmen.85 Die Angst vor politisch motivierten Investitionen ist weltweit ein Thema.86 Eine potenzielle Bedrohung geht aber nicht nur von Staatsfonds, sondern auch von anderen staatlichen Unternehmen aus. In Bezug auf Staatsfonds war die Reaktion auf die Investitionen im Westen in den Medien besonders heftig, da sie als die neuen Power Brokers angesehen wurden, welche über sehr viel Macht und Wachstumspotenzial verfügen.87 Die Angst vor politischen Zielen wird insbesondere von Mängeln bei der Rechenschaftspflicht und Verantwortung in Verbindung mit schwachen Führungs- und Organisationsstrukturen gewisser Staatsfonds gefördert.88 Vor allem Investitionen in Sektoren mit primär öffentlichen Interessen wie Informationstechnologie, Post, Eisenbahn, Flug- und Seehäfen, Strassennetz, Kommunikation und Verteidigung wecken entsprechende Befürchtungen.89 Insbesondere in den USA wurden vielfach Bedenken geäussert, dass Staatsfonds versteckte Agenden verfolgten, welche die nationalen Sicherheitsinteressen anderer Staaten gefährden.90 83 84 85 86 87 88 89 90 quisition of Power, S. 6; Schönberg, Sovereign Wealth Alarm, S. 57; Senn, Institutional Governance, S. 17; Truman, Do Sovereign Wealth Funds pose a Risk to the United States?, S. 3. Keenan, Social Arrears, S. 14. Murtinu/Scalera, Internationalization, S. 253. Bloomberg, Rückzug aus Russland, S. 1. Siehe hierzu: Bahgat, Assessment, S. 163; Behrendt, Politics, S. 2; Belke/Hendricks, Etatismus, S. 811; Cohen, Tradeoff, S. 713; Götz, Russlands Staatsfonds, S. 2; Krolop, Schutz vor Staaatsfonds, S. 40; Malathouni, Sovereign Wealth Funds, S. 252; Lenihan, Acquisition of Power, S. 6; Schönberg, Sovereign Wealth Alarm, S. 57; Senn, Institutional Governance, S. 17; Truman, Do Sovereign Wealth Funds pose a Risk to the United States?, S. 3. Beck/Fidora, Impact, S. 13; Cohen, Tradeoff, S. 718. Rose, Active or Passive, S. 104 ff. Gajjala, Corporate Governance, S. 38; Schalast/Tiemann/Tuppi, Neue Akteure, S. 20. Shemirani, International Political Economy, S. 25. 73 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen Ob es bei Investitionen durch Staatsfonds tatsächlich zu einer politischen Einflussnahme kommt, wird kontrovers gesehen.91 Eine empirische Studie 2008 von Paul Rose hat gezeigt, dass Staatsfonds renditeorientiert und nicht politisch-strategisch investieren. Ihre Positionen wählen sie in der Regel so, dass sie keine beherrschende Position erlangen.92 Andere Autoren wie Paul Behrendt und Daniel Drezner hielten fest, dass in letzter Zeit vermehrt auch politische Ziele zu den finanziellen Zielen von Staatsfonds hinzugetreten seien.93 Beispielsweise baute sich die Qatar Investment Authority (QIA) ein politisches und finanzielles Netzwerk auf, um sich international zu etablieren. Der Staatsfonds Norwegens geriet in Kritik, seine Ethik-Richtlinien zur Durchsetzung seiner Politik zu verwenden.94 Norwegen nutzt seinen Staatsfonds auch als aktives Werkzeug in der Brennstoff-Politik: Das Parlament beschränkte durch einen Beschluss am 27. Mai 2015 die maximal mögliche Höhe von Investitionen des GPFG in Kohle, sodass er nun voraussichtlich Desinvestitionen in der Höhe von 4,5 Milliarden US-Dollar vornehmen muss.95 Staatsfonds gehören zum politischen Apparat eines Staates, auch wenn sie unabhängig von diesem investieren. Aus diesem Grund können Staatsfonds neben der optimalen Verwaltung der Währungsreserven nach rein finanziellen Motiven auch für geostrategische und andere politisch-strategische Ziele wie Nachhaltigkeit und die Einhaltung von ethischen Standards eingesetzt werden. Durch die grossen Vermögen sind sie in der Lage, politischen Druck auf andere Länder auszuüben. Bis dato können zwar einzelne Fälle beschrieben werden, in denen Staatsfonds andere als Renditeoptimierungsziele verfolgt haben, eine akute Gefahr einer wirtschaftlichen Überfremdung durch Staatsfonds lässt sich jedoch nicht ausmachen. Staatsfonds nehmen in westlichen Ländern noch überwiegend Minderheitsinvestitionen vor. 91 92 93 94 95 74 Cohen und Lenihan sehen die Befürchtungen durchaus als legitim an. Vgl. Cohen, Tradeoff, S. 713; Lenihan, Acquisition of Power, S. 2. Anders diese Autoren: Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 309; Barbieri, Natural Resources, S. 27; Drezner, Global Finance, S. 120; Zilinsky, Understanding, S. 32. Rose, Active or Passive, S. 104 ff. Behrendt, Politics, S. 2; Drezner, Global Finance, S. 121. Behrendt, Politics, S. 2; Drezner, Global Finance, S. 121. Storting, out of coal, S. 1. § 6 Bedrohungsszenarien III. Massnahmen Der Angst vor wirtschaftlicher Überfremdung kann national und international entgegengetreten werden. Nationale Massnahmen zur Stärkung der Attraktivität des Schweizer Standorts sind wesentliche Faktoren zur Beseitigung der Überfremdungsängste. Ist die Schweiz ein attraktives Land für Investoren und Unternehmen, so werden trotz ausländischer Investition Unternehmen in der Schweiz verbleiben. Zudem wird durch eine solche Attraktivität ein Anreiz geschaffen, neue Unternehmen (Start-ups) zu gründen.96 Zur Attraktivität eines Standortes tragen Faktoren wie qualifiziertes Personal, vorteilhafte Unternehmenssteuern97 und Zugang zu Technologieclustern98 bei. Insbesondere die Beziehung der Schweiz zur Europäischen Union (EU) und anderen internationalen Netzwerken ist dabei von grösstem Interesse, da die Schweiz stark vom internationalen Handel profitiert.99 Aktuell scheint keine Bedrohung durch Investitionen von Staatsfonds auszugehen. Die für die Schweiz strategisch wichtigen Unternehmen sind entweder in staatlichem Eigentum oder spezial-gesetzlich vor ausländischen Übernahmen geschützt.100 Dennoch ist es bei aller Rücksicht auf die Liberalisierung der Märkte wichtig, dass Länder die Möglichkeit haben, strategisch wichtige Unternehmen vor Investitionen ausländischer Investoren (wie Staatsfonds, staatlichen oder privaten Unternehmen) zu schützen. Insbesondere notwendig ist dies im Bereich der für die Schweiz strategisch wichtigen Unternehmen, der sogenannten kritischen Infrastrukturen. «Infrastrukturen» sind dabei Einrichtungen und Organisationen, die Dienstleistungen und Produkte für die Gesellschaft, die Wirtschaft und den Staat liefern und als «kritisch» gelten solche Infrastrukturen, deren Störung, Ausfall oder Zerstörung gravierende Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Wirtschaft und den Staat haben würde. In der Schweiz sind dies Infrastrukturen in den Bereichen Behörden, Energie, Entsorgung, Finanzen, Gesundheit, Industrie, Information und Kommunikation, Nahrung, Öffentliche Sicherheit und Verkehr.101 Der Schweiz fehlen konkrete Instrumentarien zum Schutz strategischer Unternehmen, wenn diese nicht mehr 96 97 98 99 100 101 Strahm, Reichtum, S. 198. Siehe hierzu Diskussion zur Unternehmenssteuerreform III: https://www.efd.admin.ch/ efd/de/home/dokumentation/gesetzgebung/abstimmungen/reform-der-unternehmensbesteu erung–usr-iii-.html. Netzwerke eng zusammen arbeitender Technololgie-Unternehmen. Siehe hierzu Carl Baudenbacher. Vgl. Baudenbacher, Institutionalisation, S. 324 ff.; Interview NZZ, EU, passim; siehe überdies Strahm, Reichtum, S. 198. Siehe hierzu Kapitel § 8. Siehe hierzu Nationale Strategie vom 27. Juni 2012, S. 7718 f. 75 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen im staatlichen Eigentum oder spezialgesetzlich vor einer ausländischen Übernahme geschützt sind. Die positiven Auswirkungen von Investitionen durch Staatsfonds sollen jedoch nicht durch unnötige protektionistische Massnahmen behindert werden. Deshalb ist es wichtig, einen offenen Dialog zwischen den Herkunftsstaaten von Staatsfonds und den Zielstaaten ihrer Investitionen zu führen, in welchem Staatsfonds im Hinblick auf ihre Struktur, ihre Motive und ihren Umgang mit Transparenz besser kennen gelernt werden können. Durch Herstellung von Transparenz und Verständnis kann die Entstehung von Unsicherheit in den Zielländern bezüglich ausländischer Staatsfonds beeinflusst resp. verhindert werden.102 Um die Akzeptanz von Staatsfonds zu stärken und protektionistische Massnahmen zu verhindern, müssen Staatsfonds ihre Strukturen anpassen. Sie müssen über gute Organisationsstrukturen verfügen, ein solides Risikomanagement aufweisen und transparent über ihre Geschäftstätigkeit berichten, wodurch eine Überwachung durch die Eigentümer der Staatsfondsvermögen möglich wird.103 Auf detaillierte Massnahmen zur Verbesserung der Staatsfondsstruktur wird in den Kapiteln § 13 ff. eingegangen werden. B. Szenario 2: Marktverzerrung durch staatliche Eigentümerschaft Staatsfonds haben das Potenzial, den Markt zu verzerren. Sie verfügen aufgrund der Höhe ihrer Investitionsmittel über Finanzmacht und haben eine mehr oder weniger enge Verbindung zum Staat. I. Bedenken Bedenken gegen Staatsfonds leiten sich auch aus ihrer staatlicher Eigentümerschaft und deren Folgen her: günstige Finanzierungsmöglichkeiten, nahezu unbeschränkt verfügbare Mittel, Zugang zu vertraulichen Informationen sowie mangelnde Überwachung und damit verbunden Anfälligkeit für Korruption und Veruntreuung. 104 Staatsfonds können überdies die Verzerrung von Wechselkursen befördern, indem sie Währungsreserven gewinnbringend anlegen und damit die Opportunitätskosten grosser Währungsreserven minimieren.105 102 103 104 105 76 Siehe hierzu Kapitel § 11.C. IWGSWF, Santiago Principles, S. 1. Wong, Asymmetric Information, S. 1094. Heep, Deutsche Reaktionen, S. 4. § 6 Bedrohungsszenarien II. Bewertung Der vorliegende Abschnitt bewertet die einzelnen Bedenken, die mit der staatlichen Eigentümerschaft in Verbindung gebracht werden: Günstige Finanzierung und geldwerte Vorteile, Informationsbeschaffung, mangelnde Überwachung, Korruption sowie Interessenskonflikte und Wechselkurspolitik. 1. Günstige Finanzierung und geldwerte Vorteile Staatsfonds können den Wettbewerb verzerren. Sie werden durch Staaten finanziert und verfügen über grosse Vermögen, welche sie in der Regel nicht über den Finanzmarkt finanzieren müssen. Möchten sie sich am Finanzmarkt refinanzieren, d.h. Gelder aufnehmen, so können sie dies im Normalfall zu günstigeren Konditionen als Private.106 Staatsfonds profitieren von der staatlichen Eigentümerschaft und dem damit verbundenen Vertrauen darauf, dass der Staat als Lender of Last Resort für den Staatsfonds eintreten würde. Dies spiegelt sich in ihrem prinzipiell guten Rating107 wider.108 Im Zusammenhang mit der Finanzkrise stellte sich heraus, dass dies von den Marktteilnehmern positiv bewertet wurde, da Staatsfonds in Zeiten, in welchen keine anderen Investoren Gelder zur Verfügung stellten, einspringen und damit den globalen Finanzmarkt unterstützen können.109 Private Investoren sind Staatsfonds gegenüber benachteiligt, da ihnen in der Regel nicht dieselben Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.110 Günstige staatliche Finanzierungen und Subventionierung über Staatsfondsinvestitionen in einzelne Unternehmen verzerren somit den Wettbewerb, da nicht alle Unternehmen gleich behandelt werden.111 106 107 108 109 110 111 Siehe hierzu Staaten-Ratings der grössten Ratingagenturen weltweit: Moody’s, Fitch und Standard & Poor’s. Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Unternehmen, Banken und Staaten. Wird die Bonität als schlecht eingestuft, ist es für den betroffenen Staat schwieriger und zu schlechteren Konditionen, Geld am Kapitalmarkt zu besorgen. Vgl. Tagesschau, Ratingagenturen, S. 1. Bei Staatsfonds wird erwartet, dass diese im Notfall durch das Heimatland gerettet werden, weshalb sie ein gutes Rating erhalten. Vgl. Schweitzer, Economic Protectionism, S. 286; Wong, Asymmetric Information, S. 1095. Frühere ökonomische Theorien gingen sogar davon aus, dass Staaten aufgrund der hoheitlichen Kompetenz Geld zu drucken nicht Bankrott gehen können. Dies wurde aber in der jüngsten Geschichte anschaulich widerlegt. Vgl. Diekmann, Staatsinsolvenzen, S. 1 f. Capapé/Blanco, Definition of Sovereign Wealth Funds, S. 18; Schalast/Tiemann/ Tuppi, Neue Akteure, S. 20. Siehe hierzu Kapitel § 1. Chaisse/Chakraborty/Mukherjee, Regulatory Strategies, S. 852; Schweitzer, Economic Protectionism, S. 286; Wong, Asymmetric Information, S. 1095. Johnson, Protectionism, S. 1. 77 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen Überdies verfügen staatliche gegenüber privaten Investoren in gewissen Ländern wie beispielsweise der USA einen wettbewerbsverzerrenden Vorteil, da sie wie Zentralbanken nicht der Verrechnungssteuer für Zinserträge und Dividenden unterliegen.112 Auch in der Schweiz ist nicht geregelt, ob Staatsfonds der Stempelsteuer unterstehen.113 Dass Staaten nicht besteuert werden dürfen aufgrund der Souveränität mag einleuchtend sein; im Zusammenhang mit Staatsfonds, die privatwirtschaftlich investieren, ist dies aus Sicht der Gleichbehandlung mit privaten Investoren schwierig nachzuvollziehen. Aus diesem Grund sollten Staatsfonds gleich wie private Investoren besteuert werden, wenn sie im Ausland investieren. 2. Informationsbeschaffung Staaten haben andere Möglichkeiten, an Informationen zu gelangen, als private Investoren. Sie können über Geheimdienste sowohl an Insiderwissen114 als auch an Geschäftsgeheimnisse gelangen.115 Zusätzlich erhalten Behörden Informationen über Untersuchungen und Konkursfälle im Rahmen von Rechts- und Amtshilfeverfahren früher als die Privatwirtschaft, was ihnen einen weiteren Vorteil verschaffen kann. Obschon die Verwendung solcher Insiderinformationen international verpönt ist,116 kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese von Staats112 113 114 115 116 78 Gajjala, Corporate Governance, S. 37 f. Die Schweiz hat beispielsweise mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnet, das Quellensteuern auf Dividendenzahlungen an Staatsfonds ausschliesst. Vgl. SIF, Medienmitteilung vom 10. Oktober 2011, S. 1. Gemäss Schopper sollen Staatsfonds, die von Regierungen anerkannter Staaten gegründet wurden, gemäss Art. 17a Abs. 1 lit. a StG von der Stempelsteuer befreit sein. Diese Ausnahme soll aber nur für Staatsfonds, welche direkt dem Staat angegliedert sind gelten. Für Staatsfonds, die durch eine Region gegründet wurden, sollte die Ausnahme nicht anwendbar sein. Vgl. Schopper, Fonds Souverains, S. 220, siehe auch Oesterhelt, BSK KAG, S. 22. Siehe für die Definition einer Insider-Information Art. 1 Nr. 1 der europäischen Richtlinie 2003/6/EG, welche durch Richtlinie 2014/57/EU abgelöst wurde: «Insider-Informationen sind nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente direkt oder indirekt betreffen. Informationen, die geeignet wären, die Kursentwicklung und Kursbildung auf einem geregelten Markt als solche erheblich zu beeinflussen, können als Informationen betrachtet werden, die einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere sich darauf beziehende derivative Finanzinstrumente indirekt betreffen.» Auch Private können Spionage betreiben. Staaten verfügen oftmals über Informationen, welche sie in anderen Zusammenhängen erfahren haben und müssen für die Erlangung dieser Informationen nicht spezifische Spionage betreiben. Siehe ausführlich zur strafrechtlichen Sicht der Nutzung von Insiderwissen und Insiderinformation in Koch, Insiderwissen, passim. § 6 Bedrohungsszenarien fonds zum Vorteil gegenüber anderen Investoren genutzt werden.117 Eine Streuung solch heikler Informationen über das «Need-to-Know»-Prinzip hinaus würde von einer ungenügenden Corporate Governance im Herkunftsstaat des Staatsfonds zeugen. Staatsfonds könnten überdies ihren Aktionärsstatus missbrauchen und Zugang zu strategisch wichtigem Wissen erhalten, welches sie an ihren Herkunftsstaat zum Nachteil des Zielunternehmens weiterleiten.118 Nutzt ein Herkunftsstaat eines Staatsfonds seine Informationsquellen, um für seine Investitionstätigkeit relevante Informationen zu erlangen und diese missbräuchlich über den Staatsfonds zu seinem Vorteil einzusetzen, ist dies von den Zielstaaten und Konkurrenten unerwünscht. In der Praxis kann ein solches Verhalten jedoch nur schwer nachgewiesen werden. Die Ahndung eines solchen Fehlverhaltens des Staates kann über staatliche Sanktionen des Ziellandes, politische Intervention oder auch Boykotte geschehen. Die juristische Belangung der Organe des Staatsfonds ist nur möglich, wenn der Akt der Informationsbeschaffung und Verwendung nicht hoheitlicher Natur war.119 3. Mangelnde Überwachung Die Eigentümerschaft des Staates bewirkt, dass die Marktdisziplin auf Staatsfonds nur unvollständig einwirkt, da andere Marktteilnehmer auf eine vermutete Staatsgarantie bauen.120 Staatsfonds sind, anders als andere Investmentgesellschaften, meist nur ihrer Regierung gegenüber rechenschaftspflichtig.121 Insbesondere in nicht demokratisch organisierten Ländern fehlen oftmals Mitspracherechte des Volkes sowie eine staatlich unabhängige Überwachungsinstanz.122 Wird die Überwachung des Staatsfonds durch die Eigentümer nur mangelhaft durchgeführt, d.h. sind die ausführenden und die überwachenden Personen die gleichen oder stehen in einem engen Kontakt zueinander, birgt dies Risiken für den Gründungsstaat, das Zielunternehmen sowie den Zielstaat. Es kann zu Fehlinvestitionen und Veruntreuung von Geldern kommen, indem Gelder nicht nach wirtschaftlichen Kriterien investiert werden. Die Auswirkungen sind primär in den Herkunftsländern zu spüren, können aber auch auf Zielländer Auswirkungen zeigen, beispielsweise durch eine Desinvestition zur Unzeit oder dadurch, 117 118 119 120 121 122 Gajjala, Corporate Governance, S. 38; Ghahramani, Shareholder Activism, S. 61; Slawotsky, Financial Superpowers, S. 1241. Sandor, Shareholder Governance, S. 956. Siehe hierzu Kapitel § 5.E. Wong, Asymmetric Information, S. 1095. Drezner, Global Finance, S. 118; Fini, Domestic Governance, S. 75; Schalast/ Tiemann/Tuppi, Neue Akteure, S. 20. Drezner, Global Finance, S. 118. 79 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen dass Investitionen Gegenstand von Untersuchungen werden, die in einer Beschlagnahme münden. Auch die Anfälligkeit von Staatsfonds für Korruption ist ein ernst zu nehmendes Thema. Sie schadet dem Ansehen von Staatsfonds sowie der investitionsempfangenden Zielunternehmen. 4. Korruption sowie Interessenkonflikte Ist der Staat Aktionär eines Unternehmens, welches er reguliert, kommt es zwangsweise zu Interessenkonflikten.123 Der Staat erhält Informationen, welche ihm einen Vorteil verschaffen können.124 Dies begründet Befürchtungen, die generell mit der staatlichen Eigentümerschaft von Unternehmen in Verbindung gebracht werden. Tritt der Staat am Markt wie ein Privater auf, sollte er auch wie ein solcher behandelt werden. Überdies können Staatsfonds Einfluss auf die Geschäftsleitung im Zielunternehmen nehmen, zum Beispiel dahingehend, Investitionen im Herkunftsstaat zu tätigen.125 Staatsfonds wecken jedoch nicht nur Bedenken in den Zielstaaten ihrer Investitionen, sondern auch in ihren Herkunftsstaaten, zumeist bezüglich Korruption und Einmischung des Staates in die Privatwirtschaft.126 Bei Korruption wird in der Regel eine Machtposition missbraucht, um einen persönlichen Vorteil zu erlangen.127 Organe des Staatsfonds können diesen benutzen, um Investitionen in eigenen Unternehmen oder Unternehmen von Bekannten zu tätigen, die nicht den wirtschaftlichen Zielen des Staatsfonds, sondern der persönlichen Bereicherung dienen.128 Korruption ist schädlich für die Gesellschaft, da es zu Fehlinvestitionen kommt und Ressourcen zugunsten von Einzelinteressen verbraucht werden. Dies führt zu einer Schädigung des Wettbewerbs und beeinflusst das Vertrauen der Bevölkerung in Institutionen negativ.129 In Situationen, in denen der Staat nicht nur Regulator ist, sondern auch in einer privat- oder gemischtwirtschaftlichen Tätigkeit auftritt, ist die Gefahr der Korruption besonders gross.130 Staaten haben grundsätzlich die Aufgabe, Regeln sowie einen Rahmen zu deren Durchsetzung zu schaffen; über Staatsfonds 123 124 125 126 127 128 129 130 80 Nobel, Regulierung, S. 10. Nobel, Regulierung, S. 13. Sandor, Shareholder Governance, S. 956. Cohen, Tradeoff, S. 6; Drezner, Global Finance, S. 118; Malathouni, Sovereign Wealth Funds, S. 259. Buff, Compliance, S. 354 f. Chaisse/Chakraborty/Mukherjee, Regulatory Strategies, S. 852. Buff, Compliance, S. 371 f. Hall, False Panacea, S. 152. § 6 Bedrohungsszenarien treten sie aber gleichzeitig wie Private am Kapitalmarkt auf.131 Der Staatsfonds wird in der Regel aus dem normalen Budgetprozess ausgelagert, seine Strukturen sind kompliziert und es mangelt aufgrund der staatlichen Eigentümerschaft und Nähe der Organe zum Staat an ausreichender Überwachung, was Spielraum für korruptes Verhalten der Organe bietet. Überdies besteht die Gefahr, dass Gelder veruntreut, d.h. nicht dem Zweck des Staatsfonds entsprechend eingesetzt werden.132 Nach Andrew Bauer, Malan Rietveld und Perrine Toledano werden nicht alle Staatsfonds im öffentlichen Interesse gegründet. Manche autoritär geführte Länder gründeten Staatsfonds zur Finanzierung spezifischer Projekte mit mangelnder öffentlicher Akzeptanz. Als Beispiel kann die Libyan Investment Authority (LIA) genannt werden, die unter dem Regime Muammar alGaddafis für seine eigenen Zwecke eingesetzt wurde. Sein Sohn Saif al-Islam Gaddafi übernahm die Leitung des Staatsfonds und investierte vornehmlich in Unternehmen eng Vertrauter.133 Ein anderes Beispiel stellt der Staatsfonds Kuwaits dar, welcher aufgrund unvorteilhafter Investitionen hohe Verluste zu verzeichnen hatte. Diese Verluste standen im Zusammenhang mit regierungsnahen Personen und Freunden der Investitionsmanager und wären nach objektiven Investitionskriterien nicht entstanden.134 Ein weiteres Beispiel für Unregelmässigkeiten stellt der Staatsfonds von Malaysia dar, dessen Organe Gelder veruntreut haben sollen. Aktuell laufen entsprechende Ermittlungen in der Schweiz, den USA und in Singapur. In den USA wurden Vermögenswerte im Wert von rund einer Milliarde US-Dollar beschlagnahmt, die aus Geldern des Staatsfonds eingekauft worden waren, wie etwa Luxusimmobilien in New York und Kalifornien, einige Gemälde und ein Flugzeug.135 5. Wechselkurspolitik Generell sind Staatsfonds ein Zeichen für grosse Leistungsbilanzungleichgewichte in der Weltwirtschaft, die unter anderem durch die Politik der Wechselkurssteuerung hervorgerufen werden. Wie unter Kapitel § 5.C.II. dargestellt, können Leistungsbilanzungleichgewichte auch über Einnahmen durch Rohstoffexport, Privatisierung und Warenexport erwirtschaftet werden.136 131 132 133 134 135 136 Malathouni, Sovereign Wealth Funds, S. 259. Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 14. Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 14. Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 16. Lynch, Pressemitteilung 20. Juli 2016, S. 1. Siehe hierzu Kapitel § 5.C.II. 81 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen Die Gefahr besteht aber tatsächlich, dass systematisch Währungsreserven durch Staaten angehäuft werden, um mehr Vermögen für die Speisung von Staatsfonds bereitstellen zu können.137 Dies hat für das Herkunftsland des Staatsfonds den positiven Nebeneffekt, dass die eigene Währung abgewertet und der Export vergünstigt wird. Ein Land mit einer unterbewerteten Währung kann ein Produkt im Vergleich mit dem inländischen Markt des Ziellandes kostengünstiger anbieten. Dies schwächt die inländische Produktion des Ziellandes und kann zu Arbeitsplatzabbau führen. Die Abwertung einer Währung bedeutet ausserdem als logische Konsequenz die Aufwertung aller anderen Währungen.138 Dieses Zusammenspiel macht Währungen zu einer politischen Waffe mit der Gefahr eines Währungskriegs.139 Dieser wechselkurspolitische Wettkampf um Währungsabwertung ist nicht direkt durch Staatsfonds verursacht. Nichtsdestotrotz senken Staatsfonds die Opportunitätskosten hoher Währungsreserven. Ein Staat jedoch kann nicht grenzenlos die Geldmenge ausweiten, da dies die Inflation verstärkt. Er muss deshalb seine Geldpolitik darauf ausrichten, dass die Inflation auf lange Sicht konstant bleibt. Die diversifizierte Verwaltung staatlicher Devisenreserven durch Staatsfonds ist laut Djordje Cuzovic positiv zu bewerten, da sie eine einseitige Investition nur in US-Dollar-Anleihen verhindere. Die heterogene Ausgestaltung von Staatsfonds und ihre unterschiedlichen Anlagestrategien würden sich stabilisierend auf die globalen Finanzmärkte auswirken, da sie das Risiko der Haltung grosser Währungsreserven weltweit diversifizierten.140 III. Massnahmen Auf nationaler Ebene eines Zielstaates kann der Übernahme nationaler Unternehmen durch finanzstarke ausländische Staatsfonds durch Gründung eines eigenen Staatsfonds entgegengewirkt werden, der in den Bieterwettbewerb einsteigen kann.141 Damit wäre zwar eine ausländische Investition zu verhindern, nationale private Investoren würden allerdings nach wie vor unter unfairen Wettbewerbsbedingungen leiden. Auch ein nationaler Staatsfonds stellt einen Eingriff in den Wettbewerb dar.142 Alternativ können Unternehmen mit nationaler Bedeutung sondergesetzlich vor ausländischer Übernahme geschützt werden.143 Ebenfalls möglich wäre eine 137 138 139 140 141 142 143 82 EU Kommission, KOM 2008, S. 4. Ambrosius/Stiegler, Finanzmärkte, S. 226; Rottwilm, Währungskrieg, S. 1. Krishner, National Security, S. 309; Rottwilm, Währungskrieg, S. 2. Cuzovic, Regulation, S. 12; Preisser, Regulierung, S. 49. Siehe hierzu Kapitel § 13.A.I.2.b). Siehe hierzu Kapitel § 14.D. Siehe hierzu Kapitel § 13.A.I.2. § 6 Bedrohungsszenarien Beschränkung der maximalen Höhe ausländischer Investitionen, um Mehrheitsbeteiligungen ausländischer Staatsfonds an nationalen Unternehmen zu verhindern.144 Der Umgang mit Insiderinformationen sowie fehlender Überwachung muss in erster Linie national im Herkunftsstaat geregelt werden. International können Vereinheitlichungen angestrebt sowie Länder mittels Investitionsvoraussetzungen unter Druck gesetzt werden, um Mindeststandards einzuführen, jedoch obliegt es jedem Land aufgrund seiner Souveränität selbst, Regeln zu setzen bzw. internationale Standards im nationalen Recht zu verankern.145 Hinsichtlich Interessenkonflikten und Korruption müssten die Strukturen vom Staatsfonds so aufgebaut werden, sodass sowohl Interessenkonflikte als auch Korruption verhindert werden können. Wichtig ist eine Rechtsgrundlage mit klaren Kompetenzen für die Organe des Staatsfonds. Überdies müssen diese unabhängig von der Regierung und der Zentralbank sein und über ein unabhängiges Kontrollorgan verfügen. Diese Strukturen müssen durch den nationalen Gesetzgeber vorgegeben werden.146 Bezüglich der Gefahr einer künstlichen Unterbewertung der staatlichen Währung zur Speisung eines Staatsfonds kann an den Herkunftsstaat appelliert werden, seine Geldpolitik anzupassen. C. Szenario 3: Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzmarktes Die Bedenken bezüglich der Stabilität des Finanzmarktes betreffen zum einen ein mögliches Herdenverhalten von Investoren und zum anderen die Auswirkungen umfangreicher Desinvestitionen. Geschürt werden diese Bedenken primär durch die Höhe der Volumina der Staatsfondsportfolios. Der vorliegende Abschnitt stellt zuerst die geäusserten Bedenken dar und bewertet diese dann in einem zweiten Schritt. Abschliessend werden mögliche Massnahmen zur Reduktion der geäusserten Bedenken aufgezeigt. I. Bedenken Durch das plötzliche Auftauchen und rasante Wachstum von Staatsfonds in den Jahren 2000–2007 wurden Befürchtungen geschürt, diese könnten aufgrund ihrer Grösse und Intransparenz mit ihren Aktivitäten zu Schwankungen auf den Finanzmärkten führen.147 Mittlerweile verfügen Staatsfonds über beachtliche 144 145 146 147 Siehe hierzu Kapitel § 13.A.I.1. Siehe zur Souveränität von Staaten Kapitel § 5.E. Siehe hierzu Kapitel § 10.C. Heep, Deutsche Reaktionen, S. 4; Megginson/Fotak, Fiduciary State, S. 11; UNCTAD, National Security, S. 18. 83 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen Vermögen und einzelne Staatsfonds148 haben Grössen erreicht, die sie systemrelevant machen.149 II. Bewertung Die Stabilität des Finanzmarktes kann durch extrem finanzstarke Investoren beeinträchtigt werden, da sie zum einen Herdenverhalten und zum anderen unkoordinierte Desinvestitionen verstärken können. Beides kann vor allem für den Zielstaat unerwünschte Folgen haben. 1. Volumina der Staatsfonds Die gigantischen finanziellen Volumina von Staatsfonds (Stand Anfang 2017: 7,4 Billiarden US-Dollar150) ermöglichen die Tätigung beachtlicher Investitionen mit vergleichsweise starken Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Die zwölf grössten Staatsfonds vereinen dabei fast 80% der gesamten Staatsfondsvermögen auf sich.151 Staatsfonds sind relativ plötzlich auf der Bildfläche erschienen und haben in kurzer Zeit (zwischen 2000 und 2015) ihre Vermögen vervielfacht. Gemäss Samuele Murtinu und Vittoria G. Scalera habe sich das Vermögen von Staatsfonds beispielsweise in der Zeit zwischen September 2007 und September 2014 verdoppelt.152 2009 gingen Analysten wie Stephen Jen davon aus, dass die Vermögen von Staatsfonds bis 2015 auf 12 Billionen US-Dollar ansteigen werden. Steffen Kern ging 2009 noch von einem Vermögen von ca. 10 Billionen US-Dollar im Jahre 2015 aus.153 Die unterschiedlichen Zahlen ergaben sich hierbei auch durch unterschiedliche Auffassungen darüber, was Staatsfonds sind. Die Hochrechnungen von 2007 bis 2009 für die Vermögen der Staatsfonds in den Jahren 2015–2020 griffen tendenziell zu hoch. Mit dem Verfall des Erdölpreises 2015 und den dadurch reduzierten Exporterlösen wurde das Wachstum vieler Staatsfonds gedrosselt. Zum einen wurden den Staatsfonds weniger Mit- 148 149 150 151 152 153 84 Zum Beispiel Norwegens GPFG 885 Mrd. US-Dollar, China Investment Corporation 813.5 Mrd. US-Dollar, Abu Dhabi Inestment Authority 792 Mrd. US-Dollar, Kuwait Investment Authority 592 Mrd. US-Dollar). Vgl. Cuzovic, Regulation, S. 12; Wong, Asymmetric Information, S. 1095. Anderson, Demise of American Prosperity, S. 5; Bahgat, Assessment, S. 163; Bassan, Law of SWFs, S. 7; Megginson/Fotak, Fiduciary State, S. 11. Siehe Kapitel § 1. Miceli, Herd in Equity Markets, S. 1504. Murtinu/Scalera, Internationalization, S. 250. Kern, Staatsfonds und Investitionspolitik, S. 1. § 6 Bedrohungsszenarien tel zugewiesen und teilweise wurden sogar Gelder entnommen, um die Haushalte der Herkunftsstaaten zu unterstützen154, und zum anderen haben sich die Erträge der Staatsfonds aufgrund der weltweit niedrigen Zinsen weniger dynamisch entwickelt, als in den Jahren 2007 bis 2009 erwartet wurde.155 Ungeachtet der Abnahme ihres Umfangs 2015 werden Staatsfonds wieder anwachsen. Insbesondere mit der Erholung des Erdölpreises im dritten Quartal 2016 kann auch von einem baldigen Wiederanstieg der Staatsfondsvermögen ausgegangen werden. Die OPEC-Staaten156 beschlossen beim 171. Treffen der OPEC am 30. November 2016 in Wien, die Fördermenge um 1,2 Millionen Fass pro Tag auf 32,5 Millionen Fass pro Tag zu drosseln, was zu weiter steigenden Preise führen soll.157 2. Herdenverhalten Das Konzept des Herdenverhaltens beschreibt das Phänomen, dass Finanzmarktteilnehmer die gleichen Finanztitel über den gleichen Zeitraum tendenziell in die gleiche Richtung (Verkauf oder Kauf) handeln.158 Andere Marktteilnehmer lassen sich von der Aktivität erfolgreicher institutioneller Investoren leiten. Unter Nutzung maschineller Algorithmen investieren oder desinvestieren sie gleichzeitig in die gleichen Anlageobjekte und generieren so eine grössere Nachfrage oder lassen sie gegebenenfalls schlagartig fallen. Ein solches Verhalten kann innert sehr kurzer Fristen zu starken Schwankungen bei einem Anlageobjekt führen.159 Valeria Miceli untersuchte 2013, ob Aktivitäten von Staatsfonds als Herdenverhalten klassifiziert werden können, und kam zum Ergebnis, dass Staatsfonds kein Herdenverhalten innerhalb ihrer Gruppe zeigten.160 Umgekehrt dürften jedoch Investitionen oder Desinvestitionen grosser Staatsfonds wichtige Impulse für andere Investoren darstellen. 154 155 156 157 158 159 160 Russland hat beispielsweise Gelder aus seinem Staatsfonds abgezogen. Das Vermögen des Staatsfonds hat sich von Mittel April 2014 87 Milliarden US-Dollar auf 50 Milliarden US-Dollar Anfang April 2016 verringert. Vgl. Engerer, Rohstoffpreise, S. 4, siehe auch Kapitel § 6.C.II.3. Engerer, Rohstoffpreise, S. 2 f. Die Organization of the Petroleum Exporting Countries (OPEC) wurde 1960 in Bagdad (Irak) gegründet. Die Organisation hat Ende 2016 13 Mitgliedstaaten (Irak, Iran, Kuwait, Saudi-Arabien, Venezuela, Katar, Libyen, Vereinigte arabische Emirate, Algerien, Nigeria, Ecuador, Gabon, Angola). Vgl. OPEC, Member Countries, S. 1. OPEC, Pressemitteilung vom 30. November 2016, S. 1. Miceli, Herd in Equity Markets, S. 1503. Buschor, Hedge Funds, S. 28. Miceli, Herd in Equity Markets, S. 1517. 85 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen Je nachdem, wie stark ausgeprägt das Herdenverhalten bzw. dessen Ansteckungsgefahr ist, kann es die Stabilität des Finanzmarkts gefährden.161 Diese Gefahr geht nicht nur von Staatsfonds aus, sondern auch von anderen institutionellen Investoren wie etwa Hedgefonds.162 3. Desinvestitionen Eine weitere Gefahr, die eng mit den grossen Volumina von Staatsfonds verbunden ist, kann nach Benjamin J. Cohen im Potential von Desinvestitionen gefunden werden, die Finanzmarktstabilität der Zielländer zu gefährden.163 Zu Desinvestitionen kann es aus verschiedenen Gründen kommen, etwa zum Schutz der Haushaltskasse bei sinkenden Staatseinnahmen,164 als politisches Druckmittel oder auch aus ethischen Überlegungen.165 Von Staatsfonds geht überdies durch ihre Nähe zum Staat ein gewisses Risiko für die Finanzmarktstabilität aus. Wird die wirtschaftliche und organisatorische Trennung zwischen Staatsfonds und Staat nicht eingehalten, kann es zu einer Übertragung politischer Risiken auf den Staatsfonds kommen. Benötigt der Staat dringend Gelder, kann es sein, dass der Staatsfonds desinvestieren muss, und damit Turbulenzen auf dem Finanzmarkt verursacht.166 Steigen politische Risiken167 in den Herkunftsstaaten an, werden diese weniger in der Lage sein, westlichen Unternehmen und Banken Gelder zur Verfügung zu stellen.168 Staatsfonds gelten generell als stabile und langfristig orientierte Investoren, da sie praktisch kein Fremdkapital für ihre Investitionen am Kapitalmarkt aufnehmen und so die Gefahr plötzlicher Desinvestitionen eher gering ist.169 Insbesondere während der Finanzkrise 2007/08 wirkte sich dies stabilisierend auf die internationalen Finanzmärkte aus. Staatsfonds überzeugten in dieser Zeit auch durch ihre Tätigkeit als Buyer of Last Resort: sie stellten Gelder zur Verfügung, 161 162 163 164 165 166 167 168 169 86 Alhasehl, Sovereign Wealth Funds, S. 6; Drezner, Global Finance, S. 118; Schäfer/ Bläschke, Aktivitäten von Staatsfonds, S. 59; Wolff, Ausländische Staatsfonds, S. 80. Lowery, Remarks, S. 2; siehe auch Nugée, State Capitalism, S. 1. Cohen, Tradeoff, S. 718. Siehe zum Ziel der Konjunkturstabilisierung von Staatsfonds Kapitel § 5.C.III. Siehe das Beispiel der Kohlepolitik des norwegischen Staatsfonds unter Kapitel § 6.A. II.3. Preisser, Regulierung, S. 58. Politische Risiken können staatliche Handlungen (wie Enteignungen und Vertragsbrüche), geopolitische Events (wie internationale Kriege, Terrorismus und diskriminierende Besteuerung), sowie soziale und wirtschaftliche Änderungen, welche zu politischen Unruhen führen, mit sich bringen. Vgl. Bremmer/Keat, Fat Tail, S. 10. Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 310. Preisser, Regulierung, S. 46 ff. § 6 Bedrohungsszenarien als keine anderen Mittel verfügbar waren, und retteten dadurch westliche Unternehmen, insbesondere Banken.170 Obwohl Staatsfonds als stabilisierende und langfristige Investoren wahrgenommen werden, können sie auch destabilisierend wirken. Ihr langfristiger Investitionshorizont ermöglicht ihnen, jederzeit aus einer Investition auszusteigen.171 Diese Volatilität von Staatsfonds hat sich kürzlich durch den Verfall des Ölpreises gezeigt. Verschiedene Staatsfonds haben sich aus Investitionen zurückgezogen.172 Beispielsweise hat die russische Regierung das Vermögen ihres Reserve Funds im Jahr 2015/16 innerhalb von 18 Monaten von 90 Milliarden US-Dollar auf 50 Milliarden US-Dollar reduziert. Auch die Saudi Arabian Monetary Agency (SAMA) hat ihr Vermögen 2015/2016 um ca. 20% reduziert.173 Die Auswirkungen dieser Reduktionen liessen sich Anfang 2016 auf den Finanzmärkten beobachten.174 Festzuhalten ist, dass Staatsfonds, ebenso wie andere bedeutende Investoren, grosse Beteiligungen nicht einfach veräussern können, ohne Werteinbussen in Kauf nehmen zu müssen. Möchte ein Staatsfonds politisch intervenieren oder braucht er dringend finanzielle Mittel, schreckt er sehr wahrscheinlich nicht vor einer Desinvestition mit Werteinbussen zurück. Somit muss jederzeit mit grösseren Desinvestitionen von Staatsfonds gerechnet werden. Sven Behrendt stellt fest, dass insbesondere Staatsfonds mit Stabilisierungszweck explizit dafür geschaffen worden seien, dem Staat Gelder zur Verfügung zu stellen, wenn andere Einnahmen zurückgingen. Beispielsweise konnte die norwegische Regierung 2016 Mittel aus dem Staatsfonds nehmen, ohne das Grundkapital anzutasten. Der Staatsfonds erwirtschaftete genügend Gelder, um das Staatshaushaltsdefizit rein aus seinem Gewinn zu decken.175 Verwalter von Staatsfondsvermögen sind jedoch hoch spezialisierte Vermögensverwalter, die bei einem Verkauf darauf achten, dass der negative Preiseinfluss auf ein Minimum reduziert wird. Bei einem Verkauf wird der Schwerpunkt stets auf liquiden Produkten und weniger auf schwierig veräusserbaren Vermö170 171 172 173 174 175 Melone, Tax, S. 159; Preisser, Regulierung, S. 48. Cohen, Tradeoff, S. 718. Bianchi, Sell of Equities, S. 1; Ölproduzierende Staaten haben gemäss Nikolas Panigirtzoglou 2015 90 Milliarden US-Dollar in Staatsanleihen, 50 Millarden US Doller in Unternehmensanteilen, 7 Milliarden US-Dollar in Unternehmensanleihen sowie 15 Millarden Geldanlagen verkauft. Vgl. Rose, Selling, S. 52. Behrendt, Outlook April 2016, S. 1. Mooney, Turbulent Trading, S. 1. Paul Rose sieht hauptsächlich andere Ursachen in den Finanzmarktturbulenzen 2015/2016: Es seien hier weniger die Desinvestitionen von Staatsfonds, sondern vielmehr der Rückgang des Wachstums in China sowie die Diskussionen rund um den Brexit. Vgl. Rose, Selling, S. 54. Behrendt, Outlook April 2016, S. 1. 87 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen genswerte liegen.176 Mittlerweile bieten viele Börsen und auch die Schweizer Börse Handelsplattformen für Blocktransaktionen177 an, um die Nachteile zu minimieren, die durch den Verkauf grösserer Beteiligungen entstehen können, wie etwa die Reduktion des zu erzielenden Preises. Die SIX Swiss Exchange hat am 8. Juli 2011 den SIX Swiss Exchange Liquidnet Service (SLS) eingeführt, der Verkäufe von Blocktransaktionen unterstützt und den Zugang zu Abnehmern grösserer Investitionen verspricht, sodass ein Verkauf ohne signifikante Preiseinbussen möglich wird.178 Staatsfonds sind in der Regel in ihren Heimatländern reguliert. Die Zielländer haben wenig Einfluss auf Transparenz und Risikomanagement eines Staatsfonds und können nicht direkt regulierend wirken. Dadurch, dass Staatsfonds teilweise gezwungen sind, im Ausland zu investieren, da ihnen die nationalen Märkte zur Investition nicht zur Verfügung stehen, haben die Empfängerstaaten ein gewisses Druckmittel, um indirekt Standards hinsichtlich Organisationsführung, Transparenz sowie Risikomanagement durchzusetzen.179 Insbesondere die Gründung der IWGSWF und die Etablierung der Santiago-Prinzipien kann als Ergebnis dieses Drucks gesehen werden.180 III. Massnahmen Ein mögliches Herdenverhalten lässt sich nur schwer eindämmen. Es bietet sich an, die Investitionsgrösse zu regulieren oder Bewilligungsverfahren einzuführen sowie den Verkauf und Kauf grösserer Beteiligungen durch Unterstützung der Börse in einem spezifisch vordefinierten Rahmen ablaufen zu lassen, der das Herdenverhalten zumindest abschwächt. Auch eine Beschränkung der Investitionen von Staatsfonds auf Indexprodukte ist denkbar.181 Dabei ist festzuhalten, dass der Verkauf von Vermögenswerten grundsätzlich legitim und nicht schädlich ist und ein Staatsfonds jederzeit frei sein sollte, seine Investitionen zu veräussern.182 176 177 178 179 180 181 182 88 Siehe hierzu: Rose, Selling, S. 53. Von einer Blocktransaktion spricht die SIX gemäss Weisung 11. Meldepflicht bei sensitiven Blocktransaktionen (Art. 2 lit. d.), dann wenn die Transaktion im Vergleich zum Durchschnitt der Geschäfte sehr umfangreich ist, « d.h. bei Beteiligungspapieren muss die Transaktion den Gegenwert von mindestens CHF 10 Mio. aufweisen, oder sie muss mehr als 5% der ausstehenden Titel des betroffenen Beteiligungspapiers betreffen». Sulzer, Banken- und Kapitalmarktrecht, S. 33. Siehe hierzu Kapitel § 6.A.II.1. Siehe Kapitel § 11.C. Auf die einzelnen Massnahmen wird weiter hinten in Kapitel § 13 eingegangen. Rose, Selling, S. 56. § 6 Bedrohungsszenarien Unerwünschte Desinvestitionen, welche die Finanzmarktstabilität negativ beeinflussen können, lassen sich vermeiden, indem das Staatsfondsvermögen klar vom Staatsbudget getrennt verwaltet wird und zudem eindeutige Regeln bezüglich der Entnahme von Geldern bestehen.183 Ausserdem tragen ein gutes Risikomanagement und eine gute Corporate Governance von Staatsfonds zum Schutz der Finanzmarktstabilität bei.184 D. Szenario 4: Veränderung der globalen Ordnung Ein weiteres befürchtetes Szenario ist die Veränderung der globalen Ordnung in Form einer Machtverschiebung nach Osten und eines Wiederauflebens des «Staatskapitalismus». I. Bedenken Eine weitere im Westen zu beobachtende Befürchtung, die bereits Ursache für heftige Diskussionen war, liegt in der Veränderung der globalen Finanzströme und einer Verschiebung des Machtzentrums vom Westen in den globalen Osten begründet.185 Bis ins Jahr 2005 waren die Industrienationen stets Nettoexporteure von Kapital gewesen. Yvonne Lee stellt fest, dass die früheren Zielländer von Investitionen aus dem Westen mittlerweile selbst zu beachtlichen Vermögen gekommen sind. Dies sei insbesondere darauf zurückzuführen, dass diverse nicht-westliche Länder wie China, Indien, Kuwait, Russland, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate von den bis Ende 2014 steigenden Ölpreisen profitieren konnten.186 Insbesondere ein Erstarken des Staatapparates und die verstärkte staatliche Einmischung in die Privatwirtschaft haben unter dem Schlagwort «Staatskapitalismus» für Verunsicherung gesorgt. Diese Phänomene sollen im Folgenden untersucht werden. II. Bewertung Der vorliegende Abschnitt bewertet zuerst die Verschiebung der Zahlungsströme und deren Auswirkungen und geht dann auf die Befürchtung vor einer Rückkehr des «Staatskapitalismus» ein. 183 184 185 186 Siehe hierzu Kapitel § 10.C. IWGSWF, Santiago Principles, S. 1. Manzer/Witte, Global Rules, S. 323; Monk, Sovereign Wealth Fund Debate, S. 3; Patton, Globalized World, S. 2. Lee, Contemporay Sovereign Wealth Funds, S. 200. 89 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen 1. Verschiebung der Zahlungsströme Die Struktur der Weltwirtschaft hat sich verändert.187 Es sind nicht mehr nur die transnationalen Unternehmen der Industrienationen, die Auslandsinvestitionen tätigen. Investoren aus Entwicklungsländern nehmen mittlerweile einen grossen Anteil der internationalen Investitionen vor.188 Massimiliano Castelli und Fabio Scacciavillani formulieren die Umverteilung folgendermassen: «SWF’s rapid development mainly reflects the significant shift of emerging economies from the world’s debtors to the world’s creditors».189 Die Währungsreserven, welche vorwiegend aus Leistungsbilanzüberschüssen stammen, haben seit 1990 kontinuierlich zugenommen. 80% der weltweiten Währungsreserven entfallen mittlerweile auf Schwellen- und Entwicklungsländer.190 Zwischen 2000 und 2010 hat das Wachstum in China, Brasilien und Indien dasjenige der Industrienationen der OECD massiv überstiegen.191 Verschiedene Staaten aus dem nahen und fernen Osten, schwerpunktmässig Entwicklungsländer, haben durch den Export von Rohstoffen und Konsumgütern grosse Vermögen erlangt.192 Dies bewirkt, dass die finanziellen Mittel nicht länger nur vom Westen in den Osten, sondern nun in beide Richtungen fliessen.193 Die Mittel der Schwellenländern fliessen dabei in Form von Investitionen staatlicher Unternehmen und Fonds, diejenigen der Industrienationen hingegen vorwiegend in Form privater Investitionen.194 Die Vorherrschaft des Westens und die führende Rolle der USA in der Weltwirtschaft sind nicht unantastbar. Sowohl die Märkte in Asien als auch diejenigen in den BRIC-Staaten sind stark gewachsen und die G7-Staaten haben gegenüber den G20-Staaten an Einfluss eingebüsst.195 Diese neuen Machtverhältnisse verunsichern westliche Länder, insbesondere, wenn Finanzexperten aus den Emiraten von einer «neuen Welt» sprechen, in der nicht länger nur der Westen, sondern nun auch die Scheichs einen Führungsanspruch erhöben.196 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 90 Mezzacapo, Sovereign Wealth Funds, S. 35; Truman, Asia, S. 5. Patton, Globalized World, S. 10; UNCTAD, National Security, S. 17. Castelli/Scacciavillani, State Investments, S. 15. Shemirani, International Political Economy, S. 14. Hahn, State Immunity, S. 103. Heumann, Scheichs, S.1; Bassan, Law of SWFs, S. 8; Das, Paradigm Shift, S. 97; Heuber, Finanzmarktregulierung, S. 13; Hildebrand, Sovereign Wealth Funds, S. 7. Bassan, Law of SWFs, S. 8; Heuber, Finanzmarktregulierung, S. 13; Hildebrand, Sovereign Wealth Funds, S. 7. Farrar/Mayes, New Reality, S. 2. Winder, Sovereign Wealth Funds, S. 33, siehe hierzu auch Heumann: «In den Emiraten sprechen die Banker denn auch selbstbewusst von einer «neuen Welt», in der «nicht nur § 6 Bedrohungsszenarien Das Phänomen der neuen Geldströme aus dem Osten in den Westen ist allerdings nichts Neues. Bereits 1974 wurden in den USA Befürchtungen geäussert, dass sich bei anhaltend hohem Ölpreis die globalen Geldströme durch den Anstieg der nahöstlichen Staatsvermögen zu deren Gunsten verschieben könnten.197 Die Erstarkung der Schwellenländer kann auch durchaus positiv gewertet werden. Beispielsweise wirkt sich die verstärkte Kaufkraft im globalen Osten positiv auf die Exporte und den Tourismus in der Schweiz aus. Gerade die jüngste Verunsicherung (2015/16) an den Börsen durch die sinkenden Ölpreise hat gezeigt, dass die internationalen Märkte den Verlust der Kaufkraft der Schwellenländer bereits als wesentlichen Treiber für die Bewertung der Gesamtwirtschaft miteinbezogen hatten.198 2. Rückkehr des Staatskapitalismus Seit Anfang der 1980er Jahre war die Idee der Deregulierung und Öffnung der Märkte vor allem in Industrienationen von hoher Wirkungsmacht. Damit ging ein starker Glaube an die eigene Marktmacht einher.199 Hauptakteure waren bei dieser Deregulierung nicht die Staaten, sondern vielmehr die Privatwirtschaft.200 Viele staatliche Unternehmen wurden unter dem Vorwurf der Ineffizienz privatisiert.201 Verstärkend kam hinzu, dass viele Staaten auf zusätzliche Gelder angewiesen waren und mit Verkäufen von Staatsunternehmen ihre Haushaltskassen aufzubessern suchten.202 Auch wenn es seit 1980 eine weltweite Privatisierungswelle gab, ist die Form des staatlichen Besitzes nach wie vor weit verbreitet.203 Staatsfonds, die zwischen 2000 und 2008 stark an Vermögen zugenommen haben, wurden jedoch von vielen Industriestaaten als Angriff auf die freie Marktwirtschaft aufgefasst.204 Der Fakt, dass die Investitionen der Staatsfonds ausgerechnet auf Sektoren zielten, die eine Privatisierung durchlaufen hatten, löste eine Debatte darüber aus, ob die mittels der Entstaatlichung erhoffte Steigerung von Effi- 197 198 199 200 201 202 203 204 der Westen etwas zu sagen hat, sondern auch die Scheichs»», Heumann, Scheichs, S. 1; Winder, Sovereign Wealth Funds, S. 33. Balding, Sovereign Wealth Funds, S. 122. Mayer, Chinas Wirtschaftskrise, S. 1. Hildebrand, Sovereign Wealth Funds, S. 6; Drezner, Global Finance, S. 119; Piketty, Kapital, S. 184; Siems, Convergence, S. 264. Bremmer, Free Market, S. 12. Megginson/Fotak, Fiduciary State, S. 3; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, S. 89; Wagner, Asset Allocation Strategies, S. 10. Belke/Hendricks, Etatismus, S. 811. Wagner, Asset Allocation Strategies, S. 10. Kern, Auslandsinvestitionen im Aufwind, S. 15. 91 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen zienz und Innovationsfreudigkeit so vereitelt würde.205 Insbesondere die USA fürchteten eine Rückkehr des Staatskapitalismus, welcher die Maximierung der staatlichen Wohlfahrt verfolgt – mit dem Ergebnis einer Machtverschiebung auf dem Weltmarkt weg von privaten und hin zu staatlichen Investoren.206 Unter Staatskapitalismus versteht Xin Zhang ein politisch-ökonomisches System, das zwischen dem klassischen Kapitalismus und dem Sozialismus steht. Das Vermögen eines Landes wird darin zum Grossteil vom Staat gehalten, der Staat setzt aber auf marktwirtschaftliche Konzepte, um die Wirtschaftsleistung zu steuern und Gewinne zu erzielen. Die so erwirtschafteten Gewinne verteilt der Staat dann auf die Gesellschaft, um Gerechtigkeit zu schaffen. Anhänger des Staatskapitalismus vertreten die Meinung, dass dadurch eine Modernisierung erreicht werde, die durch ein rein kapitalistisches Modell nicht möglich wäre.207 In einem kapitalistischen System ist es das Hauptziel der Marktteilnehmer, den eigenen Gewinn zu maximieren. Verfolgt der Staat andere Ziele als die der Gewinnmaximierung, könne dies zu Fehlallokationen führen.208 Jürgen Braunstein stellt 2014 insbesondere in den USA aufkommende Befürchtungen vor einem Aufleben merkantilistischen Gedankenguts fest.209 Im Merkantilismus setzt der Staat seine wirtschaftlichen und finanziellen Ressourcen primär dazu ein, militärische und geostrategische Vorteile zu erzielen. Länder mit grossen Vermögenswerten können sich so auch militärisch und geostrategisch besser positionieren und Macht aufbauen.210 Im Zeitalter des Merkantilismus (16./17. Jahrhundert) sahen sich die Staaten gegenseitig als Konkurrenz. Sie versuchten, die eigenen Exporte zu steigern und den Import fremder Industriegüter zu vermeiden.211 Im Rahmen des Merkantilismus war die staatliche wirtschaftliche Tätigkeit unbestritten legitim, da sie zu Mehreinnahmen in der Staatskasse führte.212 Staaten haben sich immer wieder aktiv in der Produktion von Gütern und Dienstleistungen betätigt. Sie haben staatliche Manufakturen und Handelsge- 205 206 207 208 209 210 211 212 92 Roth, Investitionsbeschränkungen, S. 7. Bahgat, Assessment, S. 162; Cuzovic, Regulation, S. 6; Dixon, Transparency, S. 2; Ferber, wachsende Macht, S. 1 f.; Gutin, Regulating, S. 745; Heuber, Finanzmarktregulierung, S. 42; Lyons, State Capitalism, S. 183. Zhang, Neoliberalismus, S. 2. Malathouni, Sovereign Wealth Funds, S. 257; Patton, Globalized World, S. 13. Braunstein, Novelty, S. 169. Shemirani, International Political Economy, S. 23. Kussin, Regulierung, S. 149. Rodi, Ökonomische Analyse, S. 209. § 6 Bedrohungsszenarien sellschaften gegründet, um den Handelskampf um die wirtschaftliche Vorherrschaft zu gewinnen.213 Seit der Finanzkrise 2007/08 und dem verstärkten Auftreten von Staatsfonds konnte nicht nur in Asien, sondern auch in europäischen Ländern eine Zunahme des staatlichen Einflusses ausgemacht werden.214 Weltweit wurden Finanzmärkte mit staatlichen Beihilfen stabilisiert. Dies erfolgte nicht nur durch direkte staatliche Zuwendungen, sondern auch durch Staatsfonds und staatliche Unternehmen.215 Thomas Piketty sah im Eingreifen der Staaten die Hauptursache dafür, dass der Schaden der Finanzkrise in Grenzen gehalten werden konnte und nicht die gleichen Ausmasse wie die Grosse Depression im Jahr 1930 annahm.216 Nachdem seit den 1980er Jahre zahlreiche Unternehmen erfolgreich privatisiert worden sind und der Staat sich zu Gunsten der Privatwirtschaft stark zurückgezogen hat, weckt eine Rückkehr zu mehr staatlicher Einmischung in die Privatwirtschaft Befindlichkeiten. Im neoliberal geprägten Konzept des freien Marktes werden Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung angestrebt. Eine Zunahme staatlicher Tätigkeit wird dabei als Rückschritt empfunden. Die Grösse von Staatsfonds und deren Investitionen in private Unternehmen geben den Staaten wieder mehr Macht.217 Gemäss Massimiliano Castelli und Fabio Scacciavillani sind Staatsfonds im Vergleich zu früher staatlichen Unternehmen weniger passiv und ineffizient und würden am Kapitalmarkt eher wie Private agieren.218 Die Grenze zwischen privaten und staatlichen Investoren verschwinde zunehmend und der staatliche Besitz komme durch die Hintertür in die Marktwirtschaft zurück.219 In dieser Hinsicht stellen Staatsfonds eine Bedrohung für marktwirtschaftliche Länder dar, da sie einerseits den Staat in eine Machtposition zurückführen und dadurch die Liberalisierung gefährden sowie andererseits protektionistisches Verhalten von Zielstaaten verursachen, was gemäss der neoklassischen Theorie schädlich für das Wachstum von Märkten ist.220 213 214 215 216 217 218 219 220 Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 325. Nugée, State Capitalism, S. 1. Staaten können selbst entscheiden, welches Wirtschaftssystem sie wählen und damit auch, ob sie staatliche Unternehmen führen oder nicht. Vgl. Schicho, State Entities, S. 40. Piketty, Kapital. S. 629. Belke/Hendricks, Etatismus, S. 811; Gilson/Milhaupt, New Mercantilism, S. 1374. Castelli/Scacciavillani, State Investments, S. 9. Mezzacapo, Sovereign Wealth Funds, S. 26. Hildebrand, Sovereign Wealth Funds, S. 6; Drezner, Global Finance, S. 119; Gajjala, Corporate Governance, S. 40. 93 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen Der Staat beschränkt sich in der Schweiz grundsätzlich auf die Finanzierung öffentlicher Güter. Alle anderen Investitionen werden von Privaten, welche hierzu besser in der Lage sind, ausgeführt. Durch das private Verlustrisiko der handelnden Personen haben private Investoren mehr Anreiz, die Qualität ihrer Investitionen zu überprüfen, was generell die Effizienz optimiert.221 Staatliche Investitionstätigkeiten werden in der Schweiz nicht per se abgelehnt. Neuerdings wird mehr und mehr von einem New Public Management in Form wirkungsorientierter Verwaltungsführung gesprochen, welches nicht mehr vorwiegend auf die Marktmacht vertraut, sondern sich für einen dynamischen Staat einsetzt, der effizient neben den Privaten oder zusammen mit ihnen wirtschaftet.222 Die Aufgaben des Staates konzentrieren sich auf die unverzichtbaren Funktionen des Service Public. Dieser Begriff ist nicht gesetzlich definiert, aber der Bundesrat versteht darunter «die Grundversorgung mit Infrastrukturgütern und -dienstleistungen, welche für alle Bevölkerungsschichten und Regionen des Landes zu gleichen Bedingungen in guter Qualität und zu angemessenen Preisen zur Verfügung stehen sollen.»223 III. Massnahmen Gegen die Umverteilung der Finanzströme lässt sich ausser einer Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit wenig unternehmen. Die Gefahr einer geopolitischen Investition in der Schweiz ist relativ klein. Es kann hierzu auf die Ausführungen unter Kapitel § 6.A.III. verwiesen werden. Um ein potenzielles strategisches Verhalten von Staatsfonds zum Nachteil des Zielstaates zu unterbinden und Unternehmen von nationalem Interesse zu schützen, könnte die Beteiligung von Staatsfonds an Unternehmen ab einer bestimmten prozentualen Investitionsgrösse unter den Vorbehalt einer Bewilligung durch den nationalen Gesetzgeber des Ziellandes gestellt oder die Beteiligung auf einen maximal möglichen Anteil beschränkt werden.224 E. Szenario 5: Negative Auswirkungen auf die Unternehmensführung Investitionen von Staatsfonds können sowohl negative als auch positive Auswirkungen auf die Zielunternehmen haben: Einerseits können sie zu passiv und andererseits zu aktiv sein. Beide Extreme können sich wie nachfolgend dargestellt 221 222 223 224 94 Brunetti, fuw, S. 1. Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, S. 88. UVEK, Service public, S. 1. Siehe hierzu Kapitel § 13.A.I. § 6 Bedrohungsszenarien negativ auf den Geschäftsgang der Zielunternehmung einer Investition auswirken. I. Bedenken Ein Grundprinzip des Kapitalismus ist, dass Aktionäre den Wert ihres Aktienportfolios maximieren wollen. Bei Staatsfonds ist die Gefahr gemäss Anna Sandor jedoch gross, dass sie als verlängerter Arm ihres Herkunftsstaates auch nationale politische Ziele verfolgen.225 In den USA wurden Bedenken geäussert, dass Staatsfonds zum Nachteil der USA eingesetzt werden würden.226 Investitionen von Staatsfonds sehen sich mehreren Autoren zufolge mit dem Dilemma konfrontiert, dass die Zielunternehmen einerseits aus Furcht vor politischer Einflussnahme keine aktive Rolle des Investors wünschen, sich dessen Passivität jedoch anderseits auch negativ auf die Unternehmensführung der Zielunternehmen auswirken kann.227 Es besteht die Gefahr, dass Staatsfonds ihre Aktionärsaufgaben vernachlässigen und falsche Anreize setzen, indem sie etwa keine Stimmrechte wahrnehmen und darauf verzichten, Einfluss auf die Unternehmensführung auszuüben.228 Staatsfonds würden so zu Trittbrettfahrern, die von der Aktivität anderer institutionellen Investoren profitieren, aber selbst keine Verantwortung für gute Corporate Governance im Zielunternehmen übernehmen.229 Passive Staatsfonds würden dem Management so der Zielunternehmung einen Blankoschein erteilen und die Überwachungskosten für die anderen Aktionäre erhöhen. Da Aktionäre nur drei Möglichkeiten haben, auf ein Unternehmen einzuwirken – Voice, Exit und Sue – kann passives Verhalten dazu führen, dass Aktionäre über längere Frist an Einfluss verlieren.230 Die Schwierigkeit einer passiven Rolle institutioneller Investoren zeigt die Debatte über Proxy Voting. In der Schweiz wurden mit der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) Pensionskassen verpflichtet, ihre Stimmrechte bei börsenkotierten schweizerischen Aktiengesellschaften wahrzunehmen, insbesondere bei der Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrats, des Präsidenten des Verwaltungsrats, Mitglie225 226 227 228 229 230 Sandor, Shareholder Governance, S. 954. Sandor, Shareholder Governance, S. 955. Bortolotti/Fotak/Megginson, Sovereign Wealth Fund Discount, S. 10; Gajjala, Corporate Governance, S. 40; Mezzacapo, Sovereign Wealth Funds, S. 31; Nugée, shareholder governance, S. 1; Patton, Globalized World, S. 13. Heep, Deutsche Reaktionen, S. 4. Gajjala, Corporate Governance, S. 39; siehe auch Ruffner, ökonomische Grundlagen, S. 436. Sandor, Shareholder Governance, S. 961. 95 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen der des Vergütungsausschusses und des unabhängigen Stimmrechtsvertreters (Art. 22 Abs. 1 Ziff. 1 VegüV). Mit einer Verpflichtung zur Ausübung ihrer Stimmrechte möchte der Gesetzgeber die Verantwortung von Investoren aktivieren. II. Bewertung Eine aktive Teilnahme von Aktionären ist von den Eigentümern der Zielunternehmen nicht generell unerwünscht. Verschiedene Theorien über den Einfluss institutioneller Investoren auf Unternehmen gehen davon aus, dass institutionelle Investoren die Überwachung des Managements verbessern und damit die Verwaltungskosten reduzieren können.231 In grossen Unternehmen mit einem breit gestreuten Aktionärskreis sei der Eigentümer (Prinzipal) nicht mehr in der Lage, die Unternehmensleitung (Agent) zu überwachen, und diese dadurch der Versuchung ausgesetzt, statt der Unternehmensinteressen eigene Interessen zu verfolgen. Institutionelle Investoren wie Staatsfonds können diese Überwachungsfunktion besser ausüben als einzelne Aktionäre.232 Als Halter eines grösseren Anteils können sie auch einen grösseren Teil des Nutzens dieser Überwachungsanstrengungen ernten. Laut Markus Ruffner sind Überwachungsaktivitäten stets mit Skalenerträgen verbunden.233 Aktionäre informieren sich grundsätzlich nur, ob Entscheide den Aktienwert erhöhen. Sie stimmen so ab, dass ihr Interesse an Ertragssteigerung und Wertvermehrung gewahrt ist. Grosse Aktionäre haben mehr zu verlieren und mehr zu gewinnen, weshalb ihre aktive Einbindung angebracht ist. Die Kosten der Überwachung zahlen sich gemäss Anna Sandor aus.234 Staatsfonds können sowohl über ihre Stimmrechte als auch aufgrund ihrer finanziellen Macht Einfluss auf die Unternehmensführung ausüben.235 Zu unterscheiden ist dabei gemäss Salar Ghahramani zwischen direkter und indirekter Einflussnahme. Direkte Einflussnahme fände etwa auf das Management eines Unternehmens durch die Stimmrechtsausübung in der Generalversammlung oder durch Anordnung einer aktienrechtlichen Sonderprüfung statt.236 Als Aktionär kann ein Staatsfonds beispielsweise in der Schweiz Einfluss auf ein Zielunternehmen nehmen, in welches er investiert hat, indem er seine Aktionärsrechte ausübt. Eine Einflussnahme ist oft bereits bei einer geringen 231 232 233 234 235 236 96 Rose, Corporate Governance, S. 915. Binder, M&A-Rechtsentwicklungen, S. 12; Sandor, Shareholder Governance, S. 959. Ruffner, ökonomische Grundlagen, S. 436. Sandor, Shareholder Governance, S. 960. Sandor, Shareholder Governance, S. 950; Slawotsky, Financial Superpowers, S. 1248. Ghahramani, Shareholder Activism, S. 58 f. § 6 Bedrohungsszenarien Beteiligung möglich, da des Öfteren nur 20–40% der Stimmberechtigten bei einer Generalversammlung anwesend sind.237 Die Aktionärsrechte sind in Artikel 692 ff. OR geregelt: Zum einen kann ein Aktionär in der Generalversammlung bei der Bestellung der Organe mitreden und zum anderen kann er Einfluss auf die Abnahme des Geschäftsberichts und die Verwendung des Gewinns nehmen. Die Generalversammlung findet einmal jährlich statt und wird durch den Verwaltungsrat einberufen (Art. 699 Abs. 1 OR). Weiterhin kann durch den Verwaltungsrat oder Aktionäre, die mehr als 10% des Aktienkapitals vertreten, jederzeit eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen werden (Art. 699 Abs. 2 OR). Überdies kann jeder Aktionär bei der Generalversammlung eine Sonderprüfung beantragen (Art. 697a OR). Wird diese von der Generalversammlung abgelehnt, können Aktionäre, die mehr als 10% des Aktienkapitals vertreten oder über Aktien im Nennwert von mehr als 2 Millionen Schweizer Franken verfügen, bei einem Richter um eine Sonderprüfung ersuchen. Dies hat innerhalb von drei Monaten nach dem ablehnenden Bescheid der Generalversammlung zu erfolgen (Art. 697b OR). Indirekte Einflussnahme kann etwa im Vorbringen von Anträgen bestehen.238 In der Schweiz können Aktionäre, die Aktien im Nennwert von 1 Million Franken vertreten, die Traktandierung eines Verhandlungsgegenstandes verlangen (Art. 699 Abs. 3 OR). Wird dem Begehren nicht innert angemessener Frist durch den Verwaltungsrat entsprochen, ordnet ein Richter dies auf Antrag der Gesuchsteller an (Art. 699 Abs. 4 OR). Überdies kann eine indirekte Einflussnahme subtil erfolgen, indem Aktionäre sich untereinander austauschen. Auch kann ein Staatsfonds mit dem Verkauf seiner Anteil drohen, wenn das Unternehmen nicht seinen Wünschen entsprechend handelt.239 Nuno Fernandes hat in einer Studie 2011 aufgezeigt, dass sich der Markt positiv auf Staatsfondsinvestitionen einstellt und diese sich auf Zielunternehmen stabilisierend auswirken. Fernandes hat dazu einen Datensatz von 27.431 Transaktionen in 7683 Unternehmen und 58 Ländern für den Untersuchungszeitraum von 2002 bis 2007 untersucht. Feststellen konnte er, dass die operative Leistung der Unternehmen nach der Investition anstieg. Tätigten Staatsfonds besonders grosse Investitionen, nahm der Wert um durchschnittlich 15% mehr zu als bei kleineren.240 Staatsfonds können ein Unternehmen hinsichtlich der Verfolgung eigener Interessen statt jener des Unternehmens beeinflussen und durch eine politisch 237 238 239 240 Strahm, Reichtum, S. 223. Ghahramani, Shareholder Activism, S. 58 f. Sandor, Shareholder Governance, S. 957. Fernandes, Investment Choices, S. 12; 30. 97 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen motivierte Investition die Interessen ihres Herkunftsstaates verfolgen, auch wenn dies für das Zielunternehmen und die anderen Aktionäre einen Nachteil bedeutet. Samuele Murtinu und Vittoria G. Scalera zufolge ist die Gefahr vor allem bei Unternehmen mit Politikern und staatlichen Organe in Führungspositionen gross, dass Strategien verfolgt werden, die nicht die Maximierung des Aktienkapitals, sondern andere Interessen zum Ziel haben.241 Dieser Interessenkonflikt kann zu einem Wertverlust der Aktien des Unternehmens führen.242 Fotak et al. haben in einer Studie Investitionen von 75 Staatsfonds zwischen 1989 und 2008 untersucht. Bei Investitionen von Staatsfonds, die eine Buy-and-hold-Strategie verfolgten, war die Rendite einer Aktie in einem Zeitraum von zwei Jahren mit minus 40,96% negativ. Es konnte also festgestellt werden, dass diese Staatsfondsinvestitionen langfristig gesehen einen negativen Effekt auf den Wert der untersuchten Unternehmen hatten. Im kurzfristigen Bereich zeigte sich, dass sich nach Bekanntwerden einer Staatsfondsinvestition eine positive Marktreaktion ergab. Diese lässt sich über die positive Ausstrahlung grösserer Investition erklären. Bei der Studie wurde nicht berücksichtigt, ob die Staatsfonds sich als aktive oder passive Investoren zeigten.243 Verschiedene andere Studien haben ebenfalls gezeigt, dass Staatsfondsinvestitionen über die Dauer von fünf Jahren eine negative Entwicklung aufweisen. Dies kann gemäss John R. Patton auf drei Faktoren zurückgeführt werden: Erstens sind Staatsfonds bei der Auswahl der Investitionsobjekte nicht sehr erfolgreich in Bezug auf Renditemöglichkeit gewesen, zweitens sind sie langfristige Investoren und drittens verfolgen sie nicht nur rein wirtschaftliche Ziele.244 Eine weitere Studie führten Vidhi Chhaochharia und Luc Laeven 2008 durch. Sie stellten fest, dass Zielunternehmen einer Staatsfondsinvestition auf die Ankündigung mit einem Anstieg des Aktienkurses reagierten.245 Es existieren nur wenige Erhebungen zum Verhalten von Staatsfonds. Es kann somit nicht abschliessend gesagt werden, ob Staatsfonds tatsächlich passive und langfristige Investoren oder doch eher aktive Investoren sind. Nach John Baiden nehmen Staatsfonds selten Führungs- und Aufsichtspositionen in ihren Zielunternehmen wahr. Um nicht aufzufallen, brächten sie sich eher selten aktiv ein und investierten vermehrt in Aktien ohne Stimmrechte.246 Mark 241 242 243 244 245 246 98 Murtinu/Scalera, Internationalization, S. 250. Schalast/Tiemann/Tuppi, Neue Akteure, S. 42. Fotak/Bortolotti/Megginson, Impact, S. 14 f. Patton, Globalized World, S. 11. Chhaochharia/Laeven, Investment Strategies, S. 29. Baiden, Exchange Traded Funds, S. 77. § 6 Bedrohungsszenarien Gordon und Sebastian Niles stellten eine Tendenz fest, dass dies sich in Zukunft ändern werde.247 Aktuell existieren laut Anna Sandor keine gesicherten Hinweise darauf, dass Staatsfonds ihre Aktionärsmacht nutzen, um als politische Investitionsvehikel ihres Herkunftsstaates zu dienen.248 III. Massnahmen Um Staatsfonds zu ermöglichen, in ihren Investitionen aktiv auf gute Corporate Governance der Zielunternehmen hinzuwirken, gleichzeitig aber Nachteile für das Zielunternehmen, den Zielstaat und andere Aktionäre auszuschliessen, ist einerseits bei guter Corporate Governance der Staatsfonds selbst anzusetzen, die Vertrauen in die regelkonforme Arbeit der Staatsfonds schaffen kann. Andererseits braucht es klarere Regeln zum Schutz vor geostrategischen Investitionen von Staatsfonds, die beispielsweise in Form von Obergrenzen für Beteiligungen von Staatsfonds an Zielunternehmen jeweils auf nationaler Ebene festgelegt werden können. 247 248 Gordon/Niles, Overview, S. 43. Sandor, Shareholder Governance, S. 960. 99 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs Das vorangegangene Kapitel hat die Bedenken diskutiert, die durch Investitionen von Staatsfonds in deren Zielstaaten aufgeworfen werden. Das vorliegende Kapitel befasst sich mit der Notwendigkeit eines diesbezüglich regulierenden Eingriffs. Hierzu werden in einem ersten Abschnitt Regulierungstheorien vorgestellt. Dabei wird sowohl der Begriff der Regulierung definiert als auch die Notwendigkeit von Regulierung untersucht. In einem zweiten Abschnitt wird auf die Adressaten und Stakeholder eingegangen, während der dritte Abschnitt die Zielsetzung und den Gegenstand einer Regulierung von Staatsfonds untersucht. Der vierte Abschnitt diskutiert dann verschiedene Regulierungsformen und Stufen, um schliesslich in einem fünften Abschnitt die Grenzen von Regulierung aufzuzeigen. A. Grundlagen Das Konzept der Regulierung hat seinen Ursprung in den frühen 1970er Jahre in den USA.1 In Reaktion auf eine vorhergehende Regulierungsphase starteten die USA in dieser Zeit eine weitreichende Deregulierung, während derer private Infrastrukturmonopole im Bereich der Telekommunikation und des Luftverkehrs zerschlagen wurden.2 Nach einer weltweiten Liberalisierung Anfang des 20. Jahrhunderts hatten deren negative Folgen wie die Entstehung von Monopolbereichen, soziale Spannungen und grosse Konjunkturausschläge überhand genommen. Diese Erscheinungen lagen in einem Marktversagen begründet, das korrigiert werden sollte. Die USA fingen daher an, die Monopole zu regulieren: Sie blieben zwar in privatem Besitz, der Staat setzte aber Produktions-, Preisund Angebotsvorschriften. In Europa erlangte der Begriff erst in den 1990er Jahren im Rahmen von Liberalisierungsbestrebungen der EU Bekanntheit.3 Europa hatte als Reaktion auf die negativen Folgen der Liberalisierung Anfang des 20. Jahrhunderts anders als die USA den Weg der Verstaatlichung gewählt. Mit dem Voranschreiten der Globalisierung stellte sich jedoch mit dem Staatsversagen ein neues Phänomen ein: Die staatliche Tätigkeit wirkte hemmend auf die Wirtschaftsentwicklung und war für den globalen Markt nicht kompetitiv genug. Der Glaube an die 1 2 3 Döhler/Wegrich, Regulierung als Konzept, S. 47; Styrsky, Ausländische Direktinvestitionen, S. 37. Döhler/Wegrich, Regulierung als Konzept, S. 35. Döhler/Wegrich, Regulierung als Konzept, S. 35. 100 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs Selbstregulierungsfähigkeit des Marktes kehrte allmählich zurück – in den USA in den 1970er Jahre und in Europa Anfang der 1990er Jahre.4 Somit muss eine US-amerikanische von einer europäischen Regulierungstheorie unterschieden werden. Erstere geht von einem absoluten Vorrang der Wirtschaftsfreiheit aus in welche nur eingegriffen werden darf, wenn ein Marktversagen vorliegt. Aufgrund von Marktmonopolen bestand in Europa hingegen lange Zeit kein Bedarf für Regulierung. Gesellschaftlich notwendige Infrastrukturbetriebe befanden sich im Besitz der öffentlichen Hand. Erst mit der Privatisierung ehemals staatlicher Unternehmen als Antwort auf die weltweiten Rezessionen (1973/74 und 1980-82) entstand in Europa eine Notwendigkeit, regulierend in das Marktgeschehen einzugreifen.5 Mit Marian Döhler und Kai Wegrich lassen sich vier Anwendungsbereiche der Regulierung ausmachen. Erstens im Bereich von Marktöffnung und Deregulierung natürlicher Infrastrukturmonopole wie Telekommunikation, Post, Bahn und Energie. Regulierung stellt hier ein politisches Instrument zur Marktgestaltung dar und ihre Aufgabe ist es, für die Herstellung und Sicherung der Chancengleichheit im Wettbewerb zu sorgen (Netzregulierung). Zweitens wird Regulierung im Bereich zivilisatorischer Risiken wie etwa bei Umweltbelastungen angewendet (Risikoregulierung). Drittens soll Regulierung die Kapazität von Regierung und Verwaltung erhöhen. Diese Bewegung wurde unter Better Regulation bekannt.6 Viertens gibt es Regulierung im Bereich des Finanzsektors, wo sie auf eine verschärfte Kontrolle des Marktgeschehens abzielt (Finanzmarktregulierung).7 Im vorliegenden Kapitel wird zunächst der Begriff der Regulierung beschrieben, um dann exemplarisch zwei Typen von Regulierungen – die Finanzmarktregulierung und die netzbasierte Regulierung – vorzustellen, welche für Staatsfondsinvestitionen relevant sind. Weiter werden Bedeutung, Formen und Theorien von Regulierung dargestellt. I. Begriff Der Begriff Regulierung ist insbesondere in den USA stark ökonomisch geprägt.8 In der Tradition des Common Law hat sich die Economic Regulation zum Wirtschaftsverwaltungsrecht der USA entwickelt.9 Sie wird in der USA 4 5 6 7 8 9 Frey, Liberalisierung, S. 1. Wenzel, Selbstorganisation, S. 27. Süβ, Privatisierung, S. 13. Döhler/Wegrich, Regulierung als Konzept, S. 32. Döhler/Wegrich, Regulierung als Konzept, S. 46. Nobel, Überregulierung, S. 590. Kay, Regulierung, S. 24. 101 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen als äquivalent zur Gesetzgebung gesehen, indem sie Verhaltensnormen der wirtschaftlichen Betätigung definiert.10 Aus ökonomischer Sicht ist die Regulierung gemäss Corinna Wenzel das ordnungspolitische Eingreifen des Staates in die wirtschaftliche Tätigkeit juristischer und natürlicher Personen. Regulierung beinhalte dabei «das Setzen und Durchsetzen von allgemein verbindlichen Regeln» und könne im engeren Sinn oder weiteren Sinn verstanden werden. Regulierung im engeren Sinn zielt demnach auf die Beeinflussung des Verhaltens privater Unternehmen, während die Regulierung im weiteren Sinn auch die Steuerung des Verhaltens öffentlicher Unternehmen umfasst.11 Im juristischen Sinne ist unter Regulierung das Aufstellen von Regeln zu verstehen, die in den Marktmechanismus eingreifen, um die Entscheidungsund Verhaltensmuster von Individuen zu beeinflussen und damit erwünschtes Verhalten herbeizuführen.12 Dies findet über das Aufstellen von Geboten und Verboten statt.13 Im Zentrum der Regulierung steht also die Vermeidung unerwünschter Folgen wirtschaftlichen Handelns. Nicht jedes staatliche Gesetz, jede Verordnung und jede behördliche Massnahme stellt jedoch eine Regulierung dar. Von Regulierung spricht man in der Regel nur dann, wenn eine Korrektur des Handelns bezweckt ist.14 1. Finanzmarktregulierung Die Finanzmarktregulierung bezweckt den individuellen Anlegerschutz und den Schutz des Finanzsystems.15 Regulierung im Bereich der Finanzmärkte zielt auf die Funktionsfähigkeit des Wirtschaftssystems und trägt der Anfälligkeit des Finanzsystems für Störungen Rechnung. Das Handeln von Marktteilnehmern innerhalb des Finanzsystems kann unerwünschte Auswirkungen auf das Finanzsystem und andere Marktteilnehmer haben.16 Solche externen Effekte sind Störungen oder Kosten, welche durch ein Handeln entstehen, aber nicht in der Kostenrechnung internalisiert wurden. Diese externen Effekte können eine Regulierung rechtfertigen, da jemand andernfalls für die entstandenen Kosten oder den Aufwand im Allgemeinen aufkommen muss.17 Insbesondere Informa10 11 12 13 14 15 16 17 Nobel, Überregulierung, S. 590. Wenzel, Selbstorganisation, S. 20. Bühler, Regulierung, S. 10 f.; Rodi, Ökonomische Analyse, S. 205. Buschor, Hedge Funds, S. 141. Picot, Regulierung als Herausforderung, S. 6. Damrau, Selbstregulierung, S. 26; Lanz, Kapitalmarkt, S. 7. Abegg/Bärtschi/Dietrich, Finanzmarktrecht, S. 40. Barbieri, European Union, S. 5. 102 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs tionsasymmetrien können zu Marktdefekten führen. Würden genügend private Anreize zur Informationsbereitstellung vorliegen, bräuchte es keine staatlichen Eingriffe.18 Die Finanzmarktregulierung beinhaltet gemäss Jan H. Hammermeister und Jochen Zimmermann zwei Felder. Zum einen die Unternehmenspublizität und zum anderen die Verhaltenssteuerung. Erstere diene dazu, dass Unternehmen durch den nationalen Gesetzgeber verpflichtet werden, für die Anleger wichtige Informationen offen zu legen. Die Verhaltenssteuerung werde durch Vorschriften zur Corporate Governance und über Anlagerestriktionen gewährleistet.19 Die Finanzmarktregulierung allgemein ist gemäss Miryam Eggen in Produktregulierung, Teilnehmerregulierung und Verhaltensregulierung zu unterscheiden.20 Im Hinblick auf Investitionen von Staatsfonds ist primär die Teilnehmerregulierung relevant. Staatsfonds sind Teilnehmer am Finanzmarktgeschehen und können mit dieser Teilnahme die Finanzmärkte bewegen. Ausserdem kann auch eine Verhaltensregulierung für Staatsfonds gelten. Die Produktregulierung kann im Zusammenhang der Regulierung von Staatsfonds als Möglichkeit in Betracht kommen, die Auswahl der Finanzprodukte, in welche Staatsfonds investieren dürfen, einzuschränken.21 Für Staatsfonds gilt, dass nicht die Anleger, sondern der Staat als Begünstiger in Vertretung der Bürger des Herkunftsstaates sowie die Zielstaaten und -Unternehmen von Staatsfondsinvestitionen geschützt werden müssen. Somit ist der Anlegerschutz bei Staatsfondsinvestitionen vernachlässigbar. Auf Adressaten der Regulierung und Stakeholder wird unter § 7.B. eingegangen. a) Teilnehmerregulierung Die Teilnahmeregulierung stellt gemäss Mirjam Eggen Anforderungen an Transparenz, Struktur und Verfahren von Marktteilnehmern. Ihr Gegenstand seien Transparenz- und Organisationsanforderungen an Banken, Versicherungen und Effektenhändler, die als Finanzinfrastrukturen bezeichnet werden.22 Den Transparenzanforderungen könne durch Informationen bezüglich der finanziellen Lage sowie der organisatorischen Aufstellung entsprochen werden. Zudem gebe es Vorschriften bezüglich Struktur, finanzieller Ausstattung und Organisation.23 Darüber 18 19 20 21 22 23 Hammermeister/Zimmermann, Rolle von Nationalstaaten, S. 199. Hammermeister/Zimmermann, Rolle von Nationalstaaten, S. 198. Eggen, Produktregulierung, S. 41. Zu den möglichen Vorschlägen zur Regulierung von Staatsfonds siehe § 13.A.I. Eggen, Produktregulierung, S. 41. Eggen, Produktregulierung, S. 42. 103 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen hinaus benötige Regulierung auch Verfahren, um diese Transparenz- und Strukturanforderungen durchzusetzen.24 b) Verhaltensregulierung Verhaltensregulierung zielt darauf ab, die Interaktion zwischen verschiedenen Markteilnehmern zu leiten.25 In erster Linie hat die Verhaltensregulierung das Verhalten der Produktanbieter gegenüber dem Kunden im Fokus. Sie erfasst jedoch auch die Verhaltensweisen der sonstigen Marktteilnehmer. Finanzmarktaktivitäten müssen gemäss diverser nationaler Offenlegungspflichten26 offen gelegt werden. Überdies sollen Kunden über die Interessen der Berater informiert werden. Auch die Verhaltensregulierung braucht Vorschriften, welche das Verfahren zur Durchsetzung der Verhaltensregeln ermöglichen.27 Staatsfonds sind den nationalen Regeln derjenigen Länder, in welche sie investieren, unterworfen. Sie müssen die national geltenden Regeln bezüglich Offenlegungspflichten befolgen. Ebenso müssen sie als Marktteilnehmer Marktschutzregeln etwa über das Ausnutzen von Insiderinformationen28 beachten.29 Überdies besitzen viele Staatsfonds nationale Regeln bezüglich Investitionsstrategien und Berichterstattung über ihre Ergebnisse.30 2. Netzbasierte Regulierung Im Bereich der Netze handelt es sich um natürliche Monopole. Bei diesen herrscht ein Zielkonflikt zwischen Kosten- und Allokationseffizienz. Die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend Gütern und Dienstleistungen kann einerseits durch Verstaatlichung und andererseits durch Regulierung sichergestellt werden.31 In den USA nutzte man die Form der Regulierung und in Europa die Form der Verstaatlichung.32 Viele in der Vergangenheit verstaatlichte Unternehmen wurden seit den 1970er Jahre wieder privatisiert. Diese ehemals staatlichen Unternehmen haben nach wie vor eine erhebliche Marktmacht inne, da in ihren Marktbereichen oftmals nicht genügend Wettbewerb herrscht. Die Marktmacht dieser Unternehmen ermöglicht es ihnen, höhere Preise zu verlangen, als es unter Geltung vollkommenen Wettbewerbs möglich wäre, und damit ihre Ein24 25 26 27 28 29 30 31 32 Eggen, Produktregulierung, S. 42. Eggen, Produktregulierung, S. 41. Für die Schweiz siehe Kapitel § 8.A. Eggen, Produktregulierung, S. 46. Für die Schweiz siehe Kapitel § 8.F. Eggen, Produktregulierung, S. 48. Siehe hierzu Kapitel § 5.D. Steger/Büdenbender/Feess/Nelles, Regulierung, S. 54. Frey/Frey Marti, Privatisierung, S. 31 f. 104 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs nahmen zum Nachteil der Konsumenten zu maximieren. Ziel der Regulierung in diesem Bereich ist es, den potenziellen Missbrauch von Marktmacht zu verhindern.33 Allerdings müssen nicht nur Konsumenten, sondern auch Anbieter geschützt werden. Ist der Markt komplett offen und zwingt die Monopolisten dadurch, ihre Infrastruktur für andere Wettbewerber zu öffnen, kann dies einer Enteignung gleichkommen, da viele Infrastrukturbetriebe hohe Initialkosten hatten.34 Überdies möchten Staaten ihre netzbasierten Infrastrukturen oftmals vor übermässiger ausländischer Beteiligung schützen, um die Versorgung ihrer Bevölkerung sowie ihre nationale Verteidigung aufrechterhalten zu können. In der Schweiz wird dieser Service Public 35 als Gewährleistung der Grundversorgung definiert. Jedermann soll zu einem bezahlbaren Preis Zugang zu öffentlichen Infrastrukturleistungen haben.36 Des Weiteren soll ein Land im Streitfall in der Lage sein, sich zu verteidigen sowie die Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können.37 II. Bedeutung der Regulierung Die Globalisierung hat eine Abnahme wirtschaftlicher Grenzen befördert.38 Kategorien des klassischen Völkerrechts wie Staatlichkeit, Souveränität und nationale Grenzen verlieren mehr und mehr an Bedeutung.39 Staaten treten in eine Gemeinschaft ein, in der nationale Rechtssysteme an Bedeutung verlieren.40 Der internationale Handel befindet sich in einem Liberalisierungsprozess.41 Nicht mehr die Nationalstaaten stehen im Wettbewerb, sondern internationale Produzenten von Gütern und Dienstleistungen.42 Länder, welche dabei nicht mitmachen, werden über kurz oder lang von der internationalen Gemeinschaft isoliert.43 Die Rolle des Staates hat sich durch die Globalisierung geändert. Ihm obliegt nun, optimale Rahmenbedingungen zu schaffen, um im Systemwettbewerb 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 Coenen/Haucap/Heimeshoff, netzbasierte Industrien, S. 58. Coenen/Haucap/Heimeshoff, netzbasierte Industrien, S. 58. Zu Service Public siehe Kapitel § 6.D.II.2. Frey/Frey Marti, Privatisierung, S. 23. Siehe Art. 57 BV. Buff, Compliance, S. 136. Buff, Compliance, S. 136; Terhechte, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 959. Bassan, Law of SWFs, S. 3; Bremmer, Free Market, S. 12, Dellbrück, Effects of Globalization, S. 22 f. Buff, Compliance, S. 136; Terhechte, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 959. Cohen, Tradeoff, S. 721; Dixon/Monk, Rethinking, S. 114. Buff, Compliance, S. 136; Terhechte, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 959. 105 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen bestehen zu können.44 Wegen der Liberalisierung bestimmter Sektoren, wie etwa leistungsgebundener Energieversorgung, Eisenbahn und Telekommunikation, muss der Staat nun auch in diesen Bereichen für genügend Wettbewerb sorgen. Hierfür muss er ein geeignetes Instrumentarium zur Verfügung stellen.45 Die Liberalisierung der Märkte hat jedoch zu einem ständig wachsenden internationalen Markt geführt, der wiederum auch reguliert werden muss. Insbesondere die Finanzkrise 2007/08 hat gezeigt, dass Zweifel am neoklassischen Wirtschaftssystem angebracht sind.46 Erstmals haben Länder nach kontinuierlichem Abbau ihrer Handels- und Investitionsschranken angefangen, diese wieder aufzubauen.47 So kam es nach einer Phase der weltweiten Deregulierung (1970–2000)48 zu einer neuen Re-Regulierungswelle. Deregulierung wird beispielsweise in der Schweiz nicht mehr als Garant für bessere wirtschaftliche Leistungen gesehen. Vielmehr geht mit der Deregulierung die Angst vor Abbau im Bereich der Grundversorgung einher: Kosten würden verstaatlicht und der Gewinn privatisiert.49 Mit der neuen Re-Regulierung werden Regeln geschaffen, welche zu einer Harmonisierung und besseren Übersichtlichkeit beitragen sollen.50 Dies zielt auf eine Art Gemeinschaftsordnung, welche die Wirtschaftsbeziehungen international normiert.51 III. Theorie der Regulierung Die Regulierungstheorie kann grundsätzlich in zwei Ansätze unterschieden werden: die normative und die positive Regulierungstheorie. 1. Normative Theorie Die normative Theorie fragt nach der Notwendigkeit eines staatlichen Eingriffes. Damit impliziert sie eine Präferenz für den freien Markt ohne Eingriff und lässt einen solchen nur zu, wenn es rechtfertigende Gründe gibt. Eine solche Rechtfertigung liegt beispielsweise bei Marktversagen vor.52 Insbesondere legt die normative Theorie Kriterien fest, anhand derer zu beurteilen ist, welche Bereiche zu regulieren sind und wie am besten reguliert wird.53 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 Buff, Compliance, S. 136. Rodi, Ökonomische Analyse, S. 208. Helleiner, Geopolitics, S. 300. Cohen, Tradeoff, S. 721. m.w.H. Klaus, Begriffsanalyse, S. 56 ff. Klaus, Begriffsanalyse, S. 60. Buff, Compliance, S. 152. Terhechte, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 959. Kay, Regulierung, S. 27; Knieps, Netzöknomie, S. 181. Damrau, Selbstregulierung, S. 21; Knieps, Netzöknomie, S. 181. 106 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs Der Ausgangspunkt der normativen Regulierung ist laut Günther Knieps, dass ein Marktversagen bzw. eine Marktunvollkommenheit durch einen Regulierungseingriff beseitigt werden müsse. Begründer der Public Interest Theory war Arthur Cecil Pigou (1877-1959),54 der beschrieb, wie ein unabhängiger Regulator handeln solle, um das Gemeinwohl zu maximieren.55 Seine Ausführungen dienten als Grundlage für die neoklassische Wirtschaftstheorie.56 Dieser zufolge stellen regulatorische Eingriffe in erster Linie eine Behinderung des Wettbewerbs und damit auch des Wachstums dar. Lasse sich ein bestimmtes Ziel auch ohne Regulierung erreichen, seien regulatorische Eingriffe zu unterlassen, da jede Regulierung einen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit darstelle und Kosten mit sich bringe.57 Diese neoklassische Theorie fusst auf den Grundideen der klassischen Ökonomie u.a. von Adam Smith und David Ricardo. Sie geht von vollkommenen Märkten aus und erweitert die klassische Ökonomie um die Elemente der Grenznutzenbetrachtung und der Zahlungsbereitschaft, die als Ansatz zur Bestimmung des Preises eines Produktes oder einer Dienstleistung dienen. Sie geht weiterhin davon aus, es herrsche vollkommener Wettbewerb, es gebe keine Steuern, keine Informationskosten, nur rational handelnde Marktteilnehmer, keine Mengen- und Diversifikationsvorteile und Wertpapiere seien teil- und handelbar.58 In diesem Zustand könnten Güter nicht anders verteilt werden, ohne dass eine Partei schlechter gestellt werde. Dies wird Pareto-Gleichgewicht genannt.59 Die neoklassische Wirtschaftstheorie fusst auf drei grundlegenden Annahmen und Forderungen: Staatliche Macht basiere erstens auf dem Erfolg der Privatwirtschaft eines Staates, daher solle der Staat zweitens seine Eingriffe in das Marktgeschehen auf ein Minimum reduzieren, um drittens den finanziellen Erfolg der Unternehmen und einen funktionierenden Kapitalmarkt zu ermöglichen.60 Die Regulierung basiert dabei gemäss Patrick Donges auf einem Konflikt zwischen privaten Interessen und den Interessen der Allgemeinheit. Regulierung müsse sich für die Interessen der Allgemeinheit einsetzen61 und habe daher im öffentlichen Interesse zu erfolgen: Die Leistungsfähigkeit der Märkte soll 54 55 56 57 58 59 60 61 Mehr zur neuklassischen Wirtschaftstheorie von Arthur Cecil Pigou. Vgl. Pigou, Economics of Welfare, 4. Aufl., London 1932. Bühler, Regulierung, S. 22. Damrau, Regulierung, S. 16. Buff, Compliance, S. 153; Keenan, Social Arrears, S. 38. Abegg/Bärtschi/Dietrich, Finanzmarktrecht, S. 7 f.; Trebilcock/Howse/Eliason, Regulation, S. 568. Damrau, Regulierung, S. 16. Peaucelle, Sustainable Development, S. 2. Donges, Sollen und Können, S. 100. 107 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen verbessert und ein eventuelles Marktversagen korrigiert werden.62 Sie findet dabei hoheitlich mithilfe einer generell-abstrakten Norm statt, welche einen Sachverhalt allgemeinverbindlich regelt. Der Regulator ist dabei selbst nicht von der Norm betroffen.63 Nach Andrei Shleifer geht die Public Interest Theory von zwei Annahmen aus: Erstens werde die Geltung der freien Märkte oftmals durch das Vorliegen von Monopolen und externen Effekten gehindert, zweitens könne die Regierung dieses Marktversagen durch Regulierung korrigieren.64 In den 1970er und 1980er Jahren folgte auf den Ölpreisschock 1973 eine weltweite Schuldenkrise. Insbesondere Anhänger der durch Milton Friedman gegründeten Chicago School of Law and Economics machten den Staat für die Schuldenkrise verantwortlich und kritisierten die Public Interest Theory. In der Folge kam es zu weitreichenden Deregulierungen in den USA und später auch zu Privatisierungen in Europa.65 Erstens vertrat die Chicago School gemäss Andrei Shleifer die Meinung, dass der Markt und die Privaten mit den meisten Fällen von Marktversagen selbst zurecht kommen würden und ein staatlicher Eingriff dazu nicht notwendig sei. Zweitens könnten dort, wo der Markt nicht in der Lage sei, sich selbst zu regeln, die Privaten ihre privaten Differenzen mithilfe von Streitlösungsmechanismen beilegen. Selbst wenn der Markt und Gerichte nicht alle Probleme selbst regeln können, sei drittens eine staatliche Regulierung keine gute Lösung für diese Probleme, da staatliche Regulatoren inkompetent, korrupt und voreingenommen seien.66 Kritik an der Chicago School ist, dass ihr Glaube an die private Allokation von Gütern und die Gerichte zu weitgehend sei. Insbesondere der Glaube an die Gerichte, letzten Endes auch staatliche Organisationen, sei wenig fundiert. Vielmehr wurde in der Praxis aufgezeigt, dass Gerichte auch ineffizient, politisch motiviert und korrupt sein könnten. Überdies spräche gegen die Theorien der Chicago School, dass die heutige Gesellschaft wohlhabender sei als angenommen und daher Regulierung zum Schutz von Rechten wohlhabender Konsumenten mehrheitlich wertschätze.67 62 63 64 65 66 67 Abegg/Bärtschi/Dietrich, Finanzmarktrecht, S. 39; Kraus, Regulierung, S. 67. Bühler, Regulierung, S. 22. Shleifer, Understanding Regulation, S. 440. Fiechter, French Strategic Investment Fund, S. 6; Frey/Frey Marti, Privatisierung, S. 31 f.; Mayntz, international Organisationen, S. 263; Rittberger/Kruck/Romund, Grundzüge der Weltpolitik, S. 142 f. Shleifer, Understanding Regulation, S. 440. Shleifer, Understanding Regulation, S. 441. 108 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs Die Kritik an der Public Interest Theory führte zur Entwicklung der positiven Theorie. 2. Positive Theorie Die positive Theorie beschäftigt sich mit den Gründen für das Auftreten von Regulierung. Sie versucht, aus einer ex-post-Sicht die Ursachen für Regulierung zu klären68 und beschäftigt sich aus dieser Perspektive mit der Frage, wie reguliert wird.69 Unterschieden wird die positive Theorie in die Private Interest Theory und die Capture Theory.70 Die Private Interest Theory geht davon aus, dass Regulierung von privaten und nicht öffentlichen Interessen motiviert sei. Sie gilt als Nachfolgerin der Capture Theory, welche gemäss Corinna Wenzel davon ausgeht, dass Regulierungsinstitutionen rationale Akteure seien, die ihre eigenen Zielgrössen maximieren wollen.71 IV. Funktionen der Regulierung Regulierung kann verschiedene Funktionen wahrnehmen. Erstens kann sie eingesetzt werden, um ein Marktversagen zu korrigieren (Normative Theorie). Zweitens dient sie zur Schaffung einer Rechtssicherheit garantierenden Verhaltensordnung. Drittens kann Regulierung eine Ordnungs- und Orientierungsfunktion und viertens eine Legitimierungsfunktion innehaben. 1. Korrektur von Marktversagen Regulierung kann als staatliche Antwort auf Marktversagen verstanden werden: Der Staat stellt Regeln auf, welche den freien Markt einschränken, um die Folgen eines Marktversagens auszugleichen oder abzuwenden.72 Der perfekte Markt wird dabei als eine Plattform gesehen, auf der gleichgestellte Marktteilnehmer Güter, Dienstleistungen und Kapital austauschen. Geleitet wird der freie Markt unter perfekten Voraussetzungen prinzipiell durch seine eigene unsichtbare Hand, weshalb auch kein staatliches Eingreifen notwendig ist.73 68 69 70 71 72 73 Kay, Regulierung, S. 27. Knieps, Netzöknomie, S. 181. Kay, Regulierung, S. 28. Wenzel, Selbstorganisation, S. 25. Unter einem Marktversagen versteht man das Versagen des marktwirtschaftlichen Koordinationssystems. Der Wettbewerb kommt nicht oder nicht in einem gewünschten Mass zustande. Vgl. Klaus, DeRegulierung, S. 133; siehe auch: Amgwerd/Schlauri, Telekommunikation, S. 208; Rodi, Ökonomische Analyse, S. 205. Siehe vorne Kapitel § 7.A.III.1. 109 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen In der Realität existieren jedoch keine solchen perfekten Märkte. Ihre Voraussetzungen, wie etwa das komplett rationale Handeln ihrer Teilnehmer und die Abwesenheit kartellrechtlicher Abreden, negativer Drittwirkungen, öffentlicher Güter, Monopole und Transaktionskosten, sind selten geben.74 Die vorliegende Arbeit folgt der normativen Theorie. Diese setzt eine marktwirtschaftliche Ordnung voraus und sieht die staatliche Regulierung als Ausnahme an: Die regulierende Behörde muss ein bestehendes Bedürfnis für eine Regulierung nachweisen.75 Ein Marktversagen oder eine Unvollkommenheit76 des Marktes rechtfertigt somit nicht immer einen staatlichen Eingriff in Form einer Regulierung. Es muss immer geprüft werden, ob eine Regelung erstens notwendig und zweitens geeignet ist, ein gewünschtes Ziel zu erreichen, und ob drittens nicht eine weniger einschneidende Massnahme zur Verfügung steht.77 a) Natürliche Monopole Die Grundlage für einen funktionierenden Wettbewerb wird in der vollständigen Konkurrenz gesehen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass Produktionsfaktoren und Güter beliebig geteilt werden können. Ist diese Teilbarkeit nicht gegeben, können bestimmte Unternehmen eine höhere Marktmacht ausüben. Können Ressourcen nicht aufgeteilt werden, liegt ein natürliches Monopol vor.78 Dies kommt insbesondere bei Kraftwerken, Strassen und Schienen vor. Weiter kann ein natürliches Monopol entstehen, wenn die Markteintrittskosten für neue Unternehmen sehr hoch sind.79 Bezeichnend ist, dass bei einem natürlichen Monopol die Kosten pro zusätzlich produziertem Gut abnehmen und sogenannte Bündelungs- und Grössenvorteile entstehen.80 Die Gefahr natürlicher Monopole liegt darin, dass die Marktmacht bei nur einem Anbieter liegt und dadurch überhöhte Preise oder zu geringe Mengen angeboten werden können. Überdies kann die Marktgegenseite auch durch mangelnde Qualität benachteiligt werden.81 Ein natürliches Monopol muss aber nicht um jeden Preis reguliert werden. Es kann sein, dass trotz des Vorhandenseins eines Monopols neue Anbieter in 74 75 76 77 78 79 80 81 Bühler, Regulierung, S. 7 f. Kay, Regulierung, S. 27 f.; siehe für die Schweiz Art. 94 Abs. 2 BV. Bei einem Staatsfonds geht man immer von einem Marktversagen aus, da eine Unsicherheit darüber besteht, ob das Verhalten des Staates als Aktionär rein ökonomisch oder auch politisch motiviert ist. Vgl. Mezzacapo, Sovereign Wealth Funds, S. 40. Mezzacapo, Sovereign Wealth Funds, S. 39, siehe auch Art. 5. Abs. 2 BV. Amgwerd/Schlauri, Telekommunikation, S. 209; siehe ausführlich Brunetti, Volkswirtschaftslehre, S. 84 f. Baldwin/Cave/Lodge, Understanding Regulation, S. 15 f.; Rodi, ökonomische Analyse, S. 226. Amgwerd/Schlauri, Telekommunikation, S. 209. Fritsch, Marktversagen, S. 159. 110 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs einen Markt eintreten und den Monopolisten zwingen, seine Preise zu senken. Dies ist aber nur möglich, wenn die Eintrittskosten nicht prohibitiv auf einen potenziellen Markteintritt wirken.82 Um einen ruinösen Wettbewerb zu verhindern, beschränkt der Staat in Bereichen, in welchen ein natürliches Monopol herrscht, in der Regel den Marktzutritt, in dem er spezifische Tätigkeiten gesetzlich regelt und ausgewählten Unternehmen eine Konzession für diese Tätigkeiten erteilt.83 b) Externe Effekte Externe Effekte entstehen insbesondere, wenn die Kosten eines Produktes nicht alle Kosten internalisieren, welche durch seine Produktion entstanden sind.84 Gemäss der neoklassischen Wirtschaftstheorie kommt in einem idealen Markt jeder Teilnehmer für seine Kosten auf und erhält für die durch sein Verhalten erzeugten Vorteile eine finanzielle Entschädigung, wenn er dies wünscht. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, liegen externe Effekte vor.85 c) Öffentliche Güter Von einem öffentlichen Gut ist zu sprechen, wenn andere Marktteilnehmer vom Gebrauch des Gutes nicht ausgeschlossen werden können, also keine Rivalität herrscht. Im Zentrum dieses Konzepts steht somit die Nichtausschliessbarkeit.86 Wie das Ausschlussprinzip angewandt wird, hängt dabei von der jeweiligen Ausgestaltung ab. In einigen Ländern wird mehr ausgeschlossen als in anderen, zum Beispiel der Universitäten- oder Autobahnzugang. Unterschiedlich gehandhabt wird auch, ob man für die Benutzung eines öffentlichen Gutes zahlen muss oder nicht.87 d) Informationsasymmetrien Ein Markt kann versagen, indem er nicht alle Informationen verfügbar macht. Um eine rationale und effiziente Entscheidung treffen zu können, werden die entscheidungsrelevanten Informationen benötigt. Sind diese nicht in genügendem Masse vorhanden, liegt ein Marktversagen vor. Das Nichtvorhandensein genügender Informationen kann dabei auf verschiedene Gründe zurückgeführt werden. Zum einem kostet die Informationsbeschaffung Geld. Zum anderen 82 83 84 85 86 87 Amgwerd/Schlauri, Telekommunikation, S. 220. Damrau, Selbstregulierung, S. 18; Rodi, Ökonomische Analyse, S. 227. Amgwerd/Schlauri, Telekommunikation, S. 209; Baldwin/Cave/Lodge, Understanding Regulation, S. 18; Brunetti, Volkswirtschaftslehre, S. 92 f.; Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S. 43 f. Fritsch, Marktversagen, S. 80. Brunetti, Volkswirtschaftslehre, S. 99 f.; Damrau, Regulierung, S. 18. Fritsch, Marktversagen, S. 77. 111 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen werden Produzenten von Informationen nicht immer für diese entlohnt. Auch kann ein Anreiz bestehen, falsche Informationen bekannt zu geben, um ein Produkt mit mehr Gewinn verkaufen zu können.88 2. Schaffung einer Verhaltensnorm Die Regulierung bezweckt die Verhaltenssteuerung von Individuen und Unternehmen. Sie zeigt auf, was unter welchen Bedingungen möglich ist, und das Wissen um die Konsequenzen einer Handlung schafft Sicherheit. Regulierung hat daher die Funktion, Unsicherheit abzubauen. Marktteilnehmer tendieren zu Misstrauen. Mit Regulierung kann Vertrauen und Sicherheit bezüglich Transaktionen geschaffen werden.89 3. Ordnungs- und Orientierungsfunktion Eine weitere Funktion von Regulierung findet sich in der Setzung von Rahmenbedingungen, damit ein Markt überhaupt entstehen kann. Die Regierung kann vorhandene Märkte gestalten und hat dafür zu sorgen, dass diese dauerhaft ordnungsgemäss und den Rechtsnormen entsprechend funktionieren, um Vertrauen und Rechtssicherheit zu schaffen.90 4. Legitimierungsfunktion Regulierung nimmt auch eine Legitimierungsfunktion wahr. Durch sie wird ein Verhalten rechtlich normiert.91 Die Normierung kann auf Verfassungs- und Gesetzesstufe, durch Exekutivorgane oder durch Selbstregulierung erfolgen.92 Auf Stufe von Verfassung und Gesetz ist eine demokratische Mitwirkung der Betroffenen Voraussetzung für eine politische Legitimität der Regulierung. Die Legitimität von Verfassungs- und Gesetzesnormen ist nur hoch, wenn sie in einem demokratischen Prozess zustande gekommen sind. Regulierungen, die von Exekutivorganen erlassen oder von den Betroffenen selbst geschaffen wurden, geniessen eine geringere Legitimität. Ihnen fehlt die Öffentlichkeit des Verfahrens und das Referendumsrecht.93 88 89 90 91 92 93 Baldwin/Cave/Lodge, Understanding Regulation, S. 18; Macneil, Financial Investments, S. 29; Brunetti, Volkswirtschaftslehre, S. 102 ff. Von der Crone/Linder, Regulierung, S. 731. Bühler, Regulierung, S. 18. Bühler, Regulierung, S. 15 ff. Siehe hierzu nachfolgend Kapitel § 7.A.V. Bühler, Regulierung, S. 18. 112 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs V. Selbstregulierung vs. Fremdregulierung Der Staat hat die Kompetenz, in einen freien Markt zu intervenieren, um dessen Funktionsfähigkeit zu schützen. Erstens kann er entscheiden, d.h. er kann Gesetze erlassen (Entscheidungskompetenz). Zweitens muss er organisieren, d.h. er muss die Einhaltung der Gesetze überwachen (Organisationskompetenz). Drittens muss er die Anwendbarkeit der Regeln auf ihre Angemessenheit überprüfen, d.h. er verfügt über eine Legitimationskompetenz. Diese Tätigkeiten kann der Staat entweder selbst vornehmen, durch nationale oder internationale privatwirtschaftliche Akteure vornehmen lassen oder selbstregulierend dem Markt überlassen.94 Bei der Selbstregulierung schaffen Private Regeln und wenden diese an.95 Nach Patrick Donges bedeutet Selbstregulierung, dass «eine Gruppe von Personen oder Organisationen zusammen eine regulierende Funktion in Bezug auf sich selbst und andere, die ihre Autorität akzeptieren, wahrnehmen».96 Die Regulierung ist dabei das Durchsetzungsinstrument der Interessen der am besten organisierten Gruppe.97 Die Selbstregulierung komplementiert die staatliche Regulierung.98 Der Staat wählt die Form der Selbstregulierung, wenn er sich selbst nicht in der Lage sieht, einen Sachverhalt optimal zu regeln. Dabei lagert er die Regulierungsverantwortung an Private aus.99 Die Selbstregulierung wird dabei nicht zwangsweise durch den Staat initiiert.100 Oft findet die Selbstregulierung neben den staatlichen Organen her statt.101 Selbstregulierung eignet sich insbesondere auch für die Regelung grenzüberschreitender Sachverhalte.102 Zentrale Mittel der Selbstregulierung sind Standards und Codes of Conduct. Ihnen fehlt jedoch in der Regel trotz Anspruchs auf Verbindlichkeit ein durchsetzbarer Sanktionsmechanismus.103 Selbstregulierung läuft Gefahr, dass sie Einzelinteressen stärker berücksichtigt als Gesellschaftsinteressen.104 Die Parteien regeln einen Sachverhalt so, dass 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 Hammermeister Jan H./Zimmermann Jochen, Rolle von Nationalstaaten, S. 198. Baldwin/Cave/Lodge, Understanding Regulation, S. 40 f.; Macneil, Financial Investment, S. 32 f. Donges, Sollen und Können, S. 96. Abegg/Bärtschi/Dietrich, Finanzmarktrecht, S. 39. Faber, Corporate Governance, S. 88. Kraus, Regulierung, S. 68. Bühler, Regulierung, S. 22. Damrau, Selbstregulierung, S. 59. Damrau, Selbstregulierung, S. 80; Kokott, Law Standards, S. 17, Mayntz, internationale Organisation, S. 268; Roth, Soft Law, S. 61. Roth, Soft Law, S. 92. Macneil, Financial Investment, S. 33. 113 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen das Ergebnis für sie stimmig ist – unabhängig von möglichen Auswirkungen auf Dritte. Dabei können externe Effekte entstehen, die bei der Regulierung nicht einbezogen wurden.105 Überdies kann die Selbstregulierung zu Interessenkonflikten und Wettbewerbsbehinderungen führen. In den Gremien, die für die Selbstregulierung zuständig sind, sitzen Vertreter der zu regulierenden Branche. Überdies können Unternehmen, die sich nicht der Selbstregulierung anschliessen, am Marktzutritt gehindert oder gestört werden, was eine Wettbewerbsbehinderung darstellt.106 Im Gegensatz zur Selbstregulierung bietet die Fremdregulierung eine höhere Rechtssicherheit, da ihre Regeln mittels staatlicher Gerichtsbarkeit und Vollstreckung auch durchgesetzt werden können.107 Normen der Selbstregulierung können den staatlichen Durchsetzungsapparat nicht nutzen, vielmehr muss auf privatwirtschaftliche Instrumente wie Verträge ausgewichen werden.108 Die Fremdregulierung ist gemäss Anna Gelpern allerdings weniger flexibel, auch verfüge der Gesetzgeber oftmals nicht über die notwendige Sachkenntnis, um einen Sachverhalt effizient und effektiv zu regulieren. Eine fremdbestimmte Regulierung werde einem Sachverhalt oftmals nicht gerecht oder schränke die Adressaten übermässig ein.109 Dies könne darauf zurückgeführt werden, dass zwischen den Regulierungsbehörden und den von der Regel Betroffenen Informationsdefizite herrschten: Die Regulierer kennen die Tätigkeit der Betroffenen nicht immer genügend gut. Dies kann zu einer Fehl- oder Überregulierung mit negativen Folgen für die Betroffenen führen.110 Die Akzeptanz von Regeln, welche durch die Betroffenen selbst erstellt wurden, ist gemäss Jan Kraus oftmals höher, da sie optimal auf deren Bedürfnisse abgestimmt seien.111 Diese Akzeptanz lässt sich auch bei nicht primär involvierten, aber sekundär betroffenen Parteien eines Regulierungsprozesses erreichen, indem betroffene Organisationen an der Ausarbeitung etwa in Form von Stellungnahmen zu Entwürfen und Vernehmlassungen beteiligt werden. Die Wirkung von Selbstregulierung lässt sich erhöhen, indem den Betroffenen eine staatliche Fremdregulierung in Aussicht gestellt wird, sofern erarbeitete Selbstverpflichtungen nicht ausreichten oder ausreichend umgesetzt würden.112 105 106 107 108 109 110 111 112 Damrau, Selbstregulierung, S. 80. Lanz, Kapitalmarkt, S. 18. Kraus, Regulierung, S. 67 f. Ausführlich zu den Vorteilen der Selbstregulierung; siehe Damrau, Selbstregulierung, S. 76 ff. Damrau, Selbstregulierung, S. 59. Gelpern, Implementing Principles, S. 18. Frey, Liberalisierung, S. 6. Kraus, Regulierung, S. 67 f. Bühler, Regulierung, S. 15 ff. 114 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs Mit der Unterscheidung zwischen staatlichem Recht und Selbstregulierung wird auch eine Trennung zwischen Hard Law und Soft Law vorgenommen. Diese Aufteilung knüpft an die Rechtsverbindlichkeit einer Regelung an.113 Hard Law wird durch ein staatliches Rechtsetzungsverfahren geschaffen und ist für alle Adressaten des Gesetzes verbindlich. Zur Durchsetzung stehen staatliche Mittel zur Verfügung. Die Verbindlichkeit ist jedoch auf das staatliche Hoheitsgebiet beschränkt, weshalb es sich primär für nationale Sachverhalte eignet.114 Soft Law hingegen ordnet sich als eigene Regelungsschicht zwischen Recht und Nicht-Recht ein. Der Name Soft Law beinhaltet dabei einen Widerspruch in sich. Auf der einen Seite bezeichnet der Begriff «Law» Regeln, welche verbindlich sind und befolgt werden müssen. Auf der anderen Seite bedeutet aber Soft Law eben gerade, dass keine Einklagbarkeit von Rechten vorliegt. Die Bindungswirkung von Soft Law beruht auf einer eher sozialen und moralischen Verbindlichkeit.115 Zur Durchsetzung des Soft Law steht der staatliche Sanktionsapparat nicht zur Verfügung und es müssen alternative Sanktionsmechanismen gefunden werden. Insbesondere muss ein Anreiz zur Einhaltung der Regeln geschaffen werden. Marktteilnehmer wägen die positiven und negativen Auswirkungen des Nichtbefolgens von Soft Law gegeneinander ab.116 Eine effiziente Strategie ist das Naming and Shaming: Negative Publizität kann als Anreiz dienen, die Regeln der Selbstverpflichtung einzuhalten.117 Das Naming and Shaming wird insbesondere im Bereich von Umweltstandards eingesetzt.118 Die Einhaltung kann auch über Gruppendruck (Peer Pressure) gefördert werden.119 Weiter können Self Assessments sowie eine externe Beurteilung die Einhaltung von Soft Law fördern.120 Überdies kann der Einsatz von Blacklisting eine effiziente Massnahme sein: Verstösse gegen ein Soft Law werden auf einer Liste (blacklist) veröffentlicht.121 In die Kategorie des Soft Law gehört auch Best Practice. Dieser Ansatz zeigt an Erfolgsbeispielen auf, wie Mindestanforderungen optimal umgesetzt werden können.122 Best Practice lässt Gestaltungsspielräume offen, indem es gewünsch113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 Bühler, Regulierung, S. 23. Bühler, Regulierung, S. 26. Damran, Selbstregulierung, S. 87. Damran, Selbstregulierung, S. 87. Manzer/Witte, Global Rules, S. 337. Ghahramani, Governments, S. 85. Roth, Soft Law, S. 89, Weber/Gertsch, internationale Standards, S. 18. Weber/Gertsch, internationale Standards, S. 18. Wittmann, Schweiz, S. 69. Von der Crone, Corporate Governance, S. 247. 115 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen tes Verhalten belohnt und keine verpflichtenden Normen schafft. Von den Wunschvorstellungen darf abgewichen werden, die Abweichung muss aber transparent gemacht werden (Obey or Explain).123 Obwohl Soft Law rechtlich nicht verbindlich ist, kann es sich dennoch um eine sehr effiziente Regelungsmethode handeln. Durch öffentlichen Druck kann es zu einem faktischen Befolgungsdruck kommen. Wichtig für den Erfolg von Soft Law ist, dass ein Abweichen vom gewünschten Verhalten durch Marktreaktionen sanktioniert wird. Soft Law wirkt somit vor allem bei Unternehmen, welche am Markt exponiert sind. Dies sind in aller Regel Publikumsgesellschaften.124 Soft Law kann genutzt werden, um einen Sachverhalt nach einer Eingewöhnungszeit in Hard Law zu überführen. Für die schweizerische Übernahmepraxis etwa wurden in einem ersten Schritt auf Selbstverpflichtungsbasis Regeln aufgestellt. Überwachungsorgane beobachteten die Umsetzung der Regeln und würdigten ihre Einhaltung. Nach Herstellung allgemeiner Akzeptanz wurden sie schliesslich in das heutige Börsengesetz überführt.125 B. Adressaten und Stakeholder Adressaten der Regulierung von Staatsfonds sind zum einen die Staatsfonds selbst, die keine politischen Ziele verfolgen sowie über gute Transparenz, solide Führungsstruktur und solides Risikomanagement verfügen sollen. Zum anderen sind auch die Zielländer der Investitionen angesprochen: Sie sollen keine protektionistischen Barrieren errichten, müssen gleichzeitig aber die nationale Sicherheit und Grundversorgung ihrer Bevölkerung gewährleisten.126 Stakeholder sind zum einen die Unternehmen, welche auf Finanzierungsquellen angewiesen sind, und zum anderen die Bevölkerung.127 Diese profitiert einerseits von ausländischen Investitionen durch mehr Arbeitsplätze und Wohlstand, hat aber auch ein Interesse an der nationalen Sicherheit. Im Weiteren sind auch die Herkunftsstaaten von Staatsfonds Stakeholder von Regulierung, da sie ein Interesse an offenen Märkten haben, um die überschüssigen Devisenreserven im Ausland investieren und eine Aufwertung der nationalen Währung verhindern zu können.128 Zielstaaten sind an Kapitalzufluss für ihre Unternehmen 123 124 125 126 127 128 Von der Crone, Corporate Governance, S. 248. Bühler, Regulierung, S. 24 f. Binder, M&A-Rechtsentwicklungen, S. 8. Insbesondere Investitionen in den Sektoren Energie, Dual-Use-Technologie, Kommunikation und Medien werden kritisch betrachtet. Vgl. O’Brien, Barriers to Entry, S. 1242; Lecheler/Germelmann, Zugangsbeschränkungen, S. 10. Unternehmen sind darauf angewiesen, dass sie ohne Hürden neues Kapital mobilisieren können. Vgl. Buff, Compliance, S. 71. Hassan, Practical Guide, S. 95. 116 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs interessiert, da erfolgreiche Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit129 eines Landes positiv beeinflussen.130 Nicht alle Staatsfonds weisen die gleiche Problematik auf. Es können drei Regulierungsgruppen aufgezeigt werden: Systemische Staatsfonds, nichtsystemische Staatsfonds und Kleinststaatsfonds, d.h. Staatsfonds mit einem vergleichsweise kleinen Anlagevermögen, die durch Herdenverhalten auf dem Finanzmarkt negative Effekte herbeiführen können.131 Systemische Unternehmen/Fonds können grundsätzlich externe Effekte auslösen und verfügen über eine Grösse und/oder Systemrelevanz, die sie als «too big to fail» oder «too connected to fail» erscheinen lassen. Droht ein Kollaps eines solchen systemrelevanten Unternehmens/Fonds, steht der Staat vor der Entscheidung, ob er für das/den Unternehmen/Fonds einsteht oder nicht. Zu den nichtsystemischen Unternehmen zählen insbesondere Versicherungen und Pensionskassen, die eher passiv investieren. Sie verfügen zwar über grosse Vermögen, nutzen aber wenig Leverage und sind eher langfristig ausgerichtete Investoren. Staatsfonds können generell eher zu dieser Kategorie gezählt werden. Das Verhalten von Kleinststaatsfonds, die selbst nicht gross genug sind, um systemrelevant zu sein, kann dennoch als Teil der Herde empfindliche Auswirkungen auf den Finanzplatz haben. C. Zielsetzung und Gegenstand Wie in Kapitel § 6 dargestellt, wecken Staatsfonds einerseits Bedenken bezüglich politisch motivierter Investitionen und können andererseits durch ihre Investitionen zu systemischen Risiken für die internationalen Finanzmärkte führen. Überdies bergen Staatsfonds einen Zielkonflikt: Auf der einen Seite lockt die Versuchung der hohen Summen, welche der Wirtschaft Impulse geben können, auf der anderen Seite jedoch schreckt die Angst vor einer übermässigen Abhängigkeit und Politisierung von Investitionen.132 Die Ergebnisse des Kapitels § 6 zusammenfassend lässt sich für die Schweiz festhalten, dass Staatsfondsinvestitionen willkommen sind, soweit sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Schweiz nicht beeinträchtigen.133 Ziele einer Regulierung von Staatsfonds sind somit die Gewährleistung der na129 130 131 132 133 Unter der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes versteht man, dass das Land Produkte auf ausländischen Märkten mit einer angemessenen Rendite absetzen kann. Rose, Regulation and Politics, S. 1217. i.A.a. Buschor, Hedge Funds, S. 172. Siehe Kapitel § 6. Cohen, Tradeoff, S. 716. 117 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen tionalen Sicherheit, die Verhinderung protektionistischer Massnahmen und der Erhalt der internationalen Marktöffnung. Hierfür werden im Folgenden zunächst die Eigenschaften offener Märkte aufgezeigt. In einem zweiten Schritt wird auf die Gefahr von Protektionismus eingegangen und drittens der Schutz der nationalen Sicherheitsinteressen der Schweiz aufgezeigt. I. Offene Märkte Offene Märkte, d.h. Märkte ohne Zutritts- und Austrittsbeschränkungen ermöglichen Volkswirtschaften, ihre Ressourcen dort einzusetzen, wo sie den grössten Nutzen erwirtschaften und so ihre komparativen Vorteile auszuschöpfen. Dies kann zu einer Spezialisierung auf Kernkompetenzen führen und damit zu einer bessern Entfaltung von Stärken, Fähigkeiten und Fachkenntnissen. Die Möglichkeit der Arbeitsteilung ermöglicht auch Preissenkungen durch kosteneffizientere Produktion.134 Weiter verhelfen offene Märkte zu einer besseren Steuerbarkeit von Risiken. Gelder können dorthin gelenkt werden, wo sie die beste Rendite erzielen. Auch für Unternehmen ist es attraktiv, Finanzierungen auf denjenigen Märkten zu beschaffen, die die besten Konditionen anbieten.135 Offene Märkte führen zu mehr Auswahl und somit einer besseren Wahlmöglichkeit für die Marktteilnehmer.136 Überdies ziehen Länder mit offenen Märkte mehr ausländische Direktinvestitionen an, was dazu führt, dass diese schneller und effizienter wachsen. Neben mehr Wachstum, mehr Einkommen und mehr Arbeitsplätzen wird auch die Innovation beflügelt.137 Offene Märkte führen weiter dazu, dass durch internationale Investitionen die politischen Beziehungen zwischen den Staaten verbessert werden können. Gemäss John R. Patton sind Herkunftsländer von Staatsfonds daran interessiert, dass es den Unternehmen sowie den Staaten, in welchen ihre Staatsfonds investiert haben, gut gehe, da dies sich letzten Endes positiv auf die Investition und deren Ertrag auswirke.138 Offene Märkte haben zum heutigen Wohlstand der Schweiz beigetragen. Dadurch, dass die Schweiz über einen kleinen Heimatmarkt verfügt, war sie bereits in der Vergangenheit dazu angehalten, exportorientiert zu agieren und sich international zu verflechten.139 Nach wie vor sind ausländische Investitionen für die Schweiz als kleines, rohstoffarmes Land von enormer Bedeutung, da sie die 134 135 136 137 138 139 OECD, Offene Märkte, S. 31; Donges/Eekhoff/Wolfgang et al., Staatsfonds, S. 9. OECD, Offene Märkte, S. 31 OECD, Offene Märkte, S. 31. Das, Paradigm Shift, S. 96; OECD, Offene Märkte, S. 31 Patton, Globalized World, S. 14. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 10. 118 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stärken und Arbeitsplätze schaffen.140 Die Schweiz war jedoch nicht immer so liberal wie heute. Vor 1990 hatte sie ihre Wirtschaft stärker abgeschottet. Mit Vinkulierungen und stillen Reserven hatten Unternehmen damals versucht, ausländische Grossinvestoren von Investitionen abzuhalten.141 II. Gefahr von Protektionismus Die Unsicherheit, dass Staatsfonds andere als rein wirtschaftliche Interessen verfolgen könnten, kann zu protektionistischem Verhalten von Staaten führen. Dies stellt eine Hauptgefahr im Zusammenhang mit Investitionen von Staatsfonds dar.142 Protektionistische Massnahmen führen im schlimmsten Fall zu einem De-facto-Verbot für ausländische Investitionen. Dies verringert das verfügbare Kapital und beeinflusst das Wirtschaftswachstum negativ, was Folgen sowohl für nationale Unternehmen als auch für die Bevölkerung hat. Wird die Kapitalmobilität durch die Politik eingeschränkt, hat dies immer auch Auswirkungen auf den nationalen Dienstleistungs- und Güterhandel.143 Protektionistische Massnahmen gefährden überdies die Errungenschaften der globalen Märkte und werfen sie in ihrer Entwicklung zurück.144 Ein Land kann sich kurzfristig durch Protektionismus besser stellen, indem es beispielsweise Importe besteuert. Wenn andere Länder gleichziehen, verteuern sich Exporte und die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung gehen verloren.145 Überdies wirken sich die Diskussion über Massnahmen zum Schutz vor Staatsfondsinvestitionen und die daraus resultierende Rechtsunsicherheit negativ auf Investitionen von Staatsfonds aus: Negative Berichterstattung lässt Staatsfonds offenbar von Investitionen absehen.146 140 141 142 143 144 145 146 Abt, Freihandelsabkommen, S. 1; Schweizerische Bankiervereinigung, Staatsfonds, S. 5; SECO, Internationale Investitionspolitik, S. 1. Schaub, multinationale Unternehmen, S. 198. Bahgat, Assessment, S. 163; Cohen, Tradeoff, S. 713; Kirshner, National Security, S. 311; Megginson/Fotak, Fiduciary State, S. 11; Piro, Regulatory Response, S. 11. Belke/Hendricks, Etatismus, S. 812; Keenan, Social Arrears, S. 7 f. Gilligan, Multilateral governance, S. 399; Hildebrand, Sovereign Wealth Funds, S. 8; Kirshner, National Security, S. 311; O’Brien, Barriers to Entry, S. 1257, siehe auch Doris Leuthard zur Rede anlässlich der 8. Jahreskonferenz des International Competition Network. Sie spricht von einem klassischen «Eigentor» von Ländern, die protektionistische Massnahmen betrieben. Sie betont, dass protektionistisches Verhalten in Krisen verständlich sei, dabei aber auch eine Gefahr der Krisenverstärkung bestehe. Vgl. Leuthard, Protektionismus, S. 4. Frey/Frey Marti, Privatisierung, S. 241. Carr, National Interest, S. 73. 119 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen III. Schutz nationaler Sicherheitsinteressen Grundsätzlich sollten Investitionen ermöglicht und nur in Ausnahmefällen eingeschränkt werden.147 Das Konzept des Schutzes der nationalen Sicherheit hat sich über die Jahre verändert. Früher diente der Schutz der nationalen Sicherheitsinteressen der Abwehr von Bedrohungen militärischer Art. Heute wird der Schutz nationaler Sicherheitsinteressen148 im Rahmen von Massnahmen in Bezug auf Wirtschaftskrisen sowie zum Schutz strategischer Industrien149 verwendet.150 Wirtschaftlicher Druck auf ein Land kann ähnlich schwerwiegende Folgen wie ein militärischer Angriff haben.151 Im Fokus der Diskussion des Schutzes der nationalen Sicherheitsinteressen stehen insbesondere ausländische Investitionen in Öl- und Gasindustrien sowie Energieunternehmen.152 Auch können nationale Prestigeunternehmen, strategische Infrastrukturbetriebe und wichtige Industriezweige geschützt werden.153 Der Schutz strategischer Industrien wurde erst seit der Liberalisierungs- und Privatisierungswelle in den Jahren ab 1980 Diskussionsthema. Durch Privatisierungen sind zahlreiche Betriebe der strategischen Industrie aus der Kontrolle durch den Staat entlassen worden. Früher hatten Private keine Möglichkeiten, in solche Industrien zu investieren; oder zumindest nur in einem geringen Umfang, der die Kontrollmehrheit beim Staat beliess.154 Das Ziel der schweizerischen Sicherheitspolitik beispielsweise ist es, die Handlungsfähigkeit, Selbstbestimmung und territoriale Integrität der Schweiz und ihrer Bevölkerung zu schützen und die Lebensgrundlage der Bevölkerung zu sichern.155 Die nationale Sicherheit beinhaltet den Staatsschutz im weiteren Sinne. Sie beinhaltet die Abwehr von Gefährdungen und Verletzungen, das Funktionieren öffentlicher Institutionen wie Strassen, Verkehrs- und Versorgungsbetriebe, sowie die Verhinderung und Ahndung strafbarer Handlungen.156 Weiter sind die nationale Sicherheit und die Unabhängigkeit des Landes staatstragende Ziele.157 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 Barbieri, European Union, S. 5. Ab welchem Beteiligungsgrad die nationale Sicherheit gefährdet werden kann, wird international unterschiedlich beurteilt. Die Bandbreite geht von einer 25% bis hin zu einer Mehrheitsbeteiligung. Vgl UNCTAD, National Security, S. 24. Es gibt keine allgemeine Definition für den Terminus strategische Industrie. Jedes Land versteht darunter etwas anderes. Vgl. UNCTAD, National Security, S. 14. UNCTAD, National Security, S. 7. UNCTAD, National Security, S. 9. UNCTAD, National Security, S. 9. UNCTAD, National Security, S. 13. UNCTAD, National Security, S. 14. VBS, Sicherheitspolitik, S. 1. Gygi, Verwaltungsrecht, S. 172. Anderich, Aussenwirtschaftsrecht, S. 6. 120 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs Die Schweizerische Bundesverfassung158 hält hinsichtlich des Schutzes der nationalen Sicherheit in Art. 2 fest: «Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes (Satz 1). Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes (Satz 2). Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern (Satz 3). Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung (Satz 4)».159 Der Art. 2 BV hat eine normative Funktion. Er verleiht weder Handlungskompetenzen noch verfassungsmässige Rechte. Es handelt sich bei Art. 2 BV um einen Zweckartikel, der als Auslegungshilfe beigezogen werden kann.160 In den Artikeln Art. 57 BV sowie Art. 185 BV werden der Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit weiter konkretisiert.161 D. Stufen der Regulierung Der vorliegende Abschnitt evaluiert mögliche Regulierungsformen anhand ihre Eignung für die Staatsfondsregulierung. Hierfür geht er auf die Stufen von Regulierung ein: Regulierung kann auf einzelstaatlicher und internationaler Ebene stattfinden. I. Einzelstaatliche Ebene Auf einzelstaatlicher Ebene können zwei verschiedene Typen der Regulierungstätigkeit unterschieden werden: Marktzutrittsregeln und Marktverhaltensregeln.162 Die Schweiz kennt zur Gefahrenabwehr und Sicherung wirtschaftspolitischer Ziele zum einen die Eingriffs- und zum anderen die Leistungsverwaltung: Auf der einen Seite greift der Staat mittels Geboten, Verboten und Abgaben in das Wirtschaftsgeschehen ein und auf der anderen durch Subventionen und die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen.163 158 159 160 161 162 163 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV) vom vom 18. April 1999, SR 101. Siehe Art. 2 BV. Ehrenzeller, St. Galler Kommentar Art. 2 BV, S. 73 f. Vgl. Art. 57 BV und Art. 185 BV. Biaggini, Aufsichtsrecht, S. 796. Vallender/Hettich/Lehne, Wirtschaftsfreiheit, S. 290 f. 121 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen 1. Verbote und Bewilligungen Eine Möglichkeit zur Regulierung von Staatsfondsinvestitionen in der Schweiz ist die Bewilligung einer Staatsfondsinvestition mit einem Verbotsvorbehalt. Die Tätigkeit ist grundsätzlich erlaubt, darf aber unter bestimmten Umständen verboten werden. Weiter gibt es das Verbot einer Tätigkeit mit Anzeigevorbehalt und das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: Beim Verbot mit Anzeigevorbehalt ist die Tätigkeit nicht erlaubt, solange sie noch nicht bei der zuständigen Behörde angezeigt worden ist, und beim Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist die Tätigkeit verboten, bis sie von einer Stelle bewilligt worden ist. Daneben existieren noch absolute Verbote.164 2. Verhaltensgebote Häufig kommen Verhaltensgebote im Bereich der Gefahrenabwehr und in Bereichen der Wirtschaftspolitik vor, insbesondere in Bereichen, in denen der Gesetzgeber aufgrund Kompetenzen in der Bundesverfassung vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen darf. Grundsätzlich bestehen Verhaltensgebote aus Preisvorschriften sowie Mitwirkungs-, Auskunfts-, Herstellungs- und Verwendungspflichten.165 3. Lenkungsabgaben Lenkungsabgaben sind öffentliche Abgaben, die zur Verhaltenslenkung erhoben werden. Die Motive dafür können sowohl wirtschaftspolitisch als auch polizeilich sein. Unterschieden werden dabei Steuern und Kausalabgaben. Steuern werden bedingungslos erhoben, für eine Kausalabgabe hingegen muss eine Gegenleistung der öffentlichen Hand bestehen.166 4. Subventionen Unter Subventionen versteht man, dass das Gemeinwesen Dritten geldwerte Leistungen zu einem bestimmten Zweck zur Verfügung stellt oder Aufwendungen abgilt, die einem Dritten durch die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben entstanden sind. Subventionen sind keine Geschenke an Dritte, sondern dienen einem öffentlichen Interesse.167 Sie dienen der Beeinflussung des Verhaltens pri164 165 166 167 Vallender/Hettich/Lehne, Wirtschaftsfreiheit, S. 294 ff.; siehe zur Verboten und Bewilligung als Regulierungsmöglichkeit von Staatsfondsinvestitionen Kapitel § 13.A.I.3. Vallender/Hettich/Lehne, Wirtschaftsfreiheit, S. 310; siehe zur Regulierung von Staatsfondsinvestitionen mittels Verhaltensgeboten Kapitel § 13.A.I.1. Vallender/Hettich/Lehne, Wirtschaftsfreiheit, S. 310 f. Seitz/Breitenmoser, Subventionsrecht, S. 150; Vallender/Hettich/Lehne, Wirtschaftsfreiheit, S. 316. 122 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs vatrechtlicher juristischer und natürlicher Personen sowie dem Entgelt für eine im öffentlichen Interesse liegende und durch diese erbrachte Leistung. Subventionen werden im Schweizer Subventionsgesetz (SUG) weiter in Finanzhilfen und Abgeltungen unterschieden.168 Finanzhilfen sind gemäss Art. 3 Abs. 1 SuG geldwerte Vorteile, die gewährt werden, um die Erfüllung einer Aufgabe sicherzustellen. Der Empfänger muss dabei ausserhalb der Bundesverwaltung sein.169 Die Abgeltung gemäss Art. 3 Abs. 2 SuG ist hingegen eine Leistung an einen Empfänger ausserhalb der Bundesverwaltung zur Minderung oder zum Ausgleich finanzieller Lasten, die sich aus einer Aufgabe ergeben, die dem Empfänger vom Bund übertragen worden ist.170 Die Frage der Subvention stellt sich, wenn die Schweiz einen Staatsfonds errichten würde.171 II. Internationale Ebene Internationale Regelungen können auf zwei Arten entstehen: durch den Abschluss völkerrechtlicher Verträge zwischen einzelnen Staaten und durch die Rechtsetzung internationaler Organisationen, sofern diese dazu befugt sind. Völkerrechtliche Verträge sind für alle Staaten, die einem solchen Abkommen beigetreten sind, verbindlich. Enthalten völkerrechtliche Verträge Regeln, welche direkt anwendbar sind, können sich Individuen vor der zuständigen Instanz direkt darauf berufen. Für die Durchsetzung völkerrechtlicher Verträge können eigenständige Organe eingesetzt werden. Sieht der Gründungsvertrag einer internationalen Organisation Kompetenzen vor, für Mitgliedstaaten verbindliche Regeln zu treffen, handelt es sich um eine supranationale Organisation. Diese kann Regeln schaffen, welche für individuelle Staatsangehörige aller Mitgliedstaaten verbindlich sind.172 Internationale Organisationen nehmen eine wichtige Rolle im Bereich der Regulierung neben Staaten und nicht staatlichen Akteuren ein. Funktionen einer internationalen Organisation sind Normsetzung, Regulierung und Überwachung der Regeleinhaltung.173 Internationale Organisationen setzen Spielregeln in der Gesellschaft und definieren den Umgang zwischen Staaten.174 168 169 170 171 172 173 174 Vallender/Hettich/Lehne, Wirtschaftsfreiheit, S. 314 f. Vallender/Hettich/Lehne, Wirtschaftsfreiheit, S. 317. Seitz/Breitenmoser, Subventionsrecht, S. 151. Siehe hierzu Kapitel § 13.A.I.2 und § 14. Mosimann/Völger Winsky, Öffentliches Recht, S. 34. Peters/Leininger/Freistein, Theoretische Grundlagen, S. 7. Peters/Leininger/Freistein, Theoretische Grundlagen, S. 8. 123 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen E. Mögliche internationale Foren für Regulierung Dieser Abschnitt stellt mögliche Foren für Regulierung auf völkerrechtliche Ebene durch internationale Organisationen und auf informeller Ebene dar. I. Internationale Organisationen Für die Regulierung von Staatsfonds können verschiedene Foren als Regelungsinstanz eingesetzt werden. Der nachfolgende Abschnitt geht auf mögliche internationale Organisationen ein: die WTO, den IWF, die Weltbank, die OECD, die BIZ und die UN. 1. WTO Die WTO wurde am 1. Januar 1995 als Nachfolgeorganisation des GATT durch die Uruguay-Runde gegründet. Sie war die erste Organisation, die auf globaler Ebene einen einheitlichen institutionellen Rahmen für die Regelung der Handelsbeziehungen zur Verfügung stellte.175 Anders als das GATT ist die WTO eine internationale Organisation und verfügt über eine eigene Rechts- und Handlungsfähigkeit.176 Die WTO verfügt aktuell über 164 Mitgliedstaaten und 27 Beobachterstaaten.177 Die Verhandlungen der WTO-Mitgliedstaaten haben geholfen, Handelsbarrieren abzubauen und die Märkte der Mitgliedstaaten für den Handel zu öffnen. Das Herzstück der WTO sind ihre Verträge, welche durch die Handelsnationen der Welt ausgehandelt und ratifiziert wurden. Diese Verträge legen den rechtlichen Grundstein für den internationalen Handel. Sie erkennen die Bedeutung des freien Flusses von Gütern und Dienstleistungen für das Wirtschaftswachstum sowie den Wohlstand der Nationen an.178 Die von den Mitgliedstaaten beschlossenen Verpflichtungen sind rechtlich bindend. Die Mitgliedstaaten können im Bereich des Dienstleistungshandels Einschränkungen festlegen, welche von der Geltung der Verträge ausgenommen sind, so zum Beispiel spezifische Sektoren.179 175 176 177 178 179 Lehne, internationaler Warenhandel, S. 18; Terhechte, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 960. Art. I und VIII WTO; Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 119. WTO, Members and Observers, S. 1. Staaten, die Beobachterstatus haben, müssen innerhalb von fünf Jahren nach Erlange des Beobachterstatus ein offizielles Beitrittsgesuch einreichen; siehe Artikel XII des WTO-Übereinkommens. WTO, Understanding, S. 1. Mattoo/Subramanian, Currency Undervaluation, S. 1156. 124 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs a) Ziele der WTO Das Ziel der Vorgängerorganisation GATT war die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und des Wohlstands durch Abbau von Handelshemmnissen und Schlichtung von Handelskonflikten. Das Hauptziel der heutigen WTO ist der Abbau von Diskriminierung zwischen importierten und heimischen Gütern, die Liberalisierung und die Förderung des Freihandels.180 Die WTO dient als Forum für die Mitgliedstaaten, um miteinander in den im Abkommen und den Anhängen genannten Bereichen Verhandlungen über multilaterale Handelsbeziehungen führen zu können. Je nachdem, wie die Ministerkonferenz beschliesst, kann die WTO auch als Rahmen für die Umsetzung der Verhandlungsergebnisse eingesetzt werden.181 Somit kann weder die Ministerkonferenz noch der Generalrat Sekundärrecht erlassen. Massnahmen müssen über Verhandlungen der Mitgliedstaaten erarbeitet werden.182 Überdies bietet die WTO ihren Mitgliedstaaten ein Forum für Streitschlichtungen.183 Hierzu hat die WTO eine multilaterale Vereinbarung über Regeln beschlossen und mit dem Dispute Settlement Understanding (DSU) ein Schlichtungsverfahren geschaffen.184 b) Organisation Das Hauptorgan der WTO ist die Ministerkonferenz, die sich genmäss Art. IV:I des WTO-Übereinkommens aus Vertretern aller Mitgliedstaaten zusammensetzt. Sie tagt mindestens alle zwei Jahre. Das Tagesgeschäft übernimmt der Allgemeine Rat, der sich ebenfalls aus allen Mitgliedstaaten der WTO zusammensetzt, ausserdem gibt es ein Sekretariat.185 aa) Ministerkonferenz Die Ministerkonferenz hat drei Ausschüsse eingesetzt: den Ausschuss für Handel und Entwicklung, den Ausschuss für Zahlungsbilanzbeschränkung und den Ausschuss für Budget, Finanzen und Verwaltung.186 180 181 182 183 184 185 186 BMZ, Akteure WTO, S. 1. Art. III:2 WTO-Übereinkommen. Von Engelhardt, Demokratische Legitimität, S. 132. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 172. Terhechte, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 960. Art. IV:2 WTO-Übereinkommen. Art. IV:7 WTO-Übereinkommen. 125 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen bb) Allgemeiner Rat Der Allgemeine Rat nimmt die Aufgaben und Funktionen der Ministerkonferenz zwischen deren Treffen wahr, die wie oben beschrieben alle zwei Jahre stattfinden. Der Allgemeine Rat überwacht drei Organe, deren Aufgabe wiederum die Überwachung der Einhaltung der jeweiligen WTO-Verträge ist: der Rat für Warenhandel, der Rat für Dienstleistungshandel und der Rat für handelsbezogene Immaterialgüterrechte.187 Der Allgemeine Rat nimmt auch das Amt des Streitbeilegungsorgans188 ein.189 cc) WTO-Sekretariat Das Sekretariat wird von einem Generaldirektor geführt, der organisatorische und beratende Aufgaben wahrnimmt.190 c) Beschlussfassung Die Beschlussfassung in der WTO erfolgt zunächst über das Konsensprinzip.191 Kann kein Konsens192 gefunden werden, so entscheiden die Ministerkonferenz und der Allgemeine Rat mit anhand der Materie definierter Mehrheit. Jeder Mitgliedsstaat verfügt dabei über eine Stimme und für alle Entscheidungen, welche nicht per Vertragswerk ein anderes Mehrheitserfordernis aufweisen, gilt das einfache Mehr.193 d) Vertragswerk Das Vertragswerk der WTO besteht aus dem Gründungsabkommen, dem WTOAbkommen und den Anhängen zum Abkommen. Der Anhang 1A beinhaltet das GATT194 plus zwölf weitere Abkommen195 zur Konkretisierung des GATT. Der 187 188 189 190 191 192 193 194 195 Art. IV:5 WTO-Übereinkommen. Laut Art. IV:III. kann das Streitbeilegungsorgan einen eigenen Vorsitzenden haben. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 187; Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 122. Art. VII WTO-Übereinkommen. Art. IX WTO-Übereinkommen. Der Konsens ist zwingend vorgeschrieben für Änderungen grundlegender Vorschriften. Für alle anderen Entscheidungen sind qualifizierte Mehrheitsentscheide möglich. Vgl. von Engelhardt, Demokratische Legitimität, S 132 f. Art. IX und X WTO-Übereinkommen, siehe auch Hobe, Völkerrecht, S. 377; Rhinow/ Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 187. GATT ist die Abkürzung für General Agreement on Tariffs and Trade. Es handelt sich dabei um das Abkommen zur weiteren Liberalisierung und Regelbildung des internationalen Güterhandels. Abkommen über technische Handelshemmnisse, Übereinkommen über handelsbezogene Investitionsmassnahmen (TRIMs), Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichs- 126 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs Anhang 1B beinhaltet das GATS,196 der Anhang 1C das TRIPS,197 der Anhang 2 das DSU und der Anhang 3 die Trade Policy Review.198 Das Hauptabkommen sowie die drei Anhänge sind für alle Mitgliedstaaten bindend.199 Daneben sind in Anhang 4 plurilaterale Verträge enthalten, denen WTO-Mitglieder auf freiwilliger Basis beitreten können.200 e) Streitbeilegung Mitglieder der WTO können einem Schiedsgericht unterstellt werden. Zuständig hierfür ist das zentrale Streitbeilegungsorgan (DSB).201 Geregelt wird der Streitbeilegungsmechanismus in Art. XXII, XXIII GATT, Art. XXII, XXIII GATS und Art. 64 TRIPS. Überdies finden die Bestimmungen der Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Streitbeilegung vom 15. April 1994 (DSU) Anwendung. Eine Besonderheit des Streitschlichtungsverfahrens der WTO ist, dass es diplomatische und gerichtsähnliche Mechanismen verbindet und eine gütliche Einigung anstrebt. Ist eine Partei mit einem Entscheid nicht einverstanden, kann sie eine Berufungsinstanz, den sog. Appellate Body anrufen. Dieser ist ein eigenständiges Organ, das sich nicht erst konstituieren muss.202 2. Internationaler Währungsfonds (IWF) Der Internationale Währungsfonds (IWF) wurde am 27. Dezember 1945 als Sonderorgan der UN errichtet.203 29 Länder unterzeichneten das Abkommen zur Gründung des IWF. Mittlerweile hat der IWF 188 Mitgliedsstaaten.204 196 197 198 199 200 201 202 203 204 zahlungen, Antidumping-Übereinkommen, Übereinkommen über Schutzmassnahmen, Vereinbarung über Regeln und Verfahren der Streitbeilegung (sog. Dispute Settlement Understanding, DSU), Übereinkommen über die Landwirtschaft, Übereinkommen über Textilwaren und Bekleidung, Übereinkommen über Kontrollen vor dem Versand, Übereinkommen über Ursprungsregeln, Übereinkommen über Einfuhrlizenzregeln, handelspolitischer Prüfungsmechanismus (Trade Policy Review Mechanism, TPRM); siehe hierzu Hobe, Völkerrecht, S. 375. GATS steht für General Agreement on Trade in Services und ist das Abkommen der WTO über den internationalen Dienstleistungshandel. Zum GATS siehe Kapitel § 7.F.II.1.3.a). Die Abkürzung TRIPS steht für Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights. Beim TRIPS handelt es sich um das Abkommen über handelsrelevante Aspekte geistiger Eigentumsrechte. Lehne, internationaler Warenhandel, S. 18 f. Mattoo/Subramanian, Currency Undervaluation, S. 1156. Lehne, internationaler Warenhandel, S. 18 f. Strahm, Schweiz, S. 195. Hobe, Völkerrecht, S. 378. BMZ, Akteure IWF, S. 1. IWF, Informationsblatt, S. 1. 127 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen a) Ziele des IWF Der IWF hat zum Ziel, die internationale Währungspolitik zu stärken und für stabile Währungsverhältnisse zu sorgen.205 Überdies hat er die Aufgaben, die internationale Zusammenarbeit in der Währungspolitik zu fördern, das Wachstum des Welthandels zu erleichtern, das Ungleichgewicht in den Zahlungsbilanzen zu minimieren sowie während Finanz- und Währungskrisen mit Krediten auszuhelfen.206 Hierfür hat der IWF die Wechselkurse zu überwachen und sicherzustellen, dass die Wechselkurspolitik der Mitgliedstaaten nicht die weiteren Ziele des IWF behindert.207 Anfangs bestand das IWF-Abkommen208 aus einem System fester Wechselkurse: das Bretton-Woods-System.209 Dieses System brach im März 1973 zusammen, als die USA 1971 die Goldbindung des US-Dollar aufhob.210 Die heutige Hauptaufgabe des IWF ist es, Mitgliedstaaten bei Währungskrisen, d.h. wenn sich eine Währung plötzlich stark abwertet, kurzfristig Kapital zu geben.211 Überbrückungskredite können gewährt werden, wenn sich das in einer Notlage befindende Mitgliedsland bereit erklärt, ein finanz- und wirtschaftspolitisches Sanierungsprogramm durchzuführen. Diese Kredite sind darauf ausgerichtet, die makroökonomische Situation im Empfängerland zu stabilisieren.212 b) Organisation Das oberste Organ des IWF ist der Gouverneursrat, in welchem jedes Mitgliedsland einen Sitz hat. Für sein Tagesgeschäft ist das 24-köpfige Exekutivdirektorium zuständig, welches die Wirtschafts- und Währungspolitik der Mitgliedstaaten überwacht.213 205 206 207 208 209 210 211 212 213 Volz, IWF, S. 145. BMZ, Akteure IWF, S. 1. Volz, IWF, S. 147. Das Abkomen wurde viermal überarbeitet; 1968, 1978, 1992 und 2009. Vgl. Volz, IWF, S. 145. Das Bretton Woods-System bestand zwischen 1945 und 1971. Es handelte sich dabei um ein System fester Wechselkurse, die eine global koordiniert Governance der Finanzmärkte ermöglichte. Grenzüberschreitende Kapitalflüsse wurden reguliert, indem Wechselkurse an den mit Gold hinterlegten Dollar gebunden waren. Die USA hob 1971 ihre Hinterlegung mit Gold auf und die Weltordnung wurde ab 1973 durch ein System frei konvertibler Währungen ersetzt. Neu bestimmen Angebot und Nachfrage auf den Devisenmärkten den Wechselkurs. Vgl. Ambrosius/Stiegler, Finanzmärkte, S. 223. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 169. Ambrosius/Stiegler, Finanzmärkte, S. 225. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 170. Terhechte, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 961; Volz, IWF, S. 150. 128 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs 3. Weltbank Die Weltbank wurde gleichzeitig mit dem IWF gegründet und verfügt über die gleichen Mitglieder wie der IWF. Die Stimmen der Mitglieder sind nach einem bestimmen Quorum gewichtet. Das Hauptorgan der Weltbank ist der Gouverneursrat, in welchem jedes Mitglied vertreten ist.214 Wie beim IWF handelt es sich um eine rechtlich unabhängige Organisation, die von Kapitaleinlagen der Mitgliedstaaten finanziert wird. Die Aufgabe der Weltbank ist die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung bedürftiger Staaten mit mittleren und kleinen Einkommen sowie die Vergabe finanzieller Hilfe und Beratungen.215 Die Weltbank ist ein Konglomerat aus fünf unabhängigen, rechtlich selbstständigen internationalen Organisationen. Im Einzelnen sind dies: Die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA), die Internationale Finanz-Corporation (IFC), die Internationale Investitionsgarantie-Agentur (MIGA) und das Internationale Zentrum für Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID).216 Die Weltbank erkannte sehr früh an, dass privatwirtschaftliche Investitionen die eigenen Entwicklungsziele fördern, und setzte sich für Prozesse zum Schutz von Investitionen ein.217 Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern war es jedoch schwierig, einen Konsens bezüglich dieser Prozesse zu finden.218 a) Internationales Zentrum für Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) Das ICSID stellt für Streitigkeiten im Bereich von Auslandinvestitionen einen organisatorischen Rahmen zur Verfügung.219 Geschlossen wurde das ICSID-Abkommen 1966. Mittlerweile ist das ICSID eine der führenden internationalen Institutionen für Schiedsverfahren. Seine Gründung kann als grosser Erfolg der Weltbank angesehen werden.220 Ziel der ICSID ist es unter anderem, ein Forum zur Verfügung zu stellen, das ein von den staatlichen Gerichten unabhängiges Verfahren ermöglicht. Mit dem Gründungsabkommen wurde beabsichtigt, private Investitionen und die Ent- 214 215 216 217 218 219 220 Hobe, Völkerrecht, S. 395 f. Hänni/Stöckli, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 287; Rowohl, Abgrenzung, S. 25. Hänni/Stöckli, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 286. Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 30. Lippincott, International Arbitration, S. 667; Nacimiento, Streitbeilegung, S. 171; Naveen, Contract, S. 469; Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 222. Herrmann/Weiss/Ohler, Welthandelsrecht, S. 363. Lippincott, International Arbitration, S. 667; Nacimiento, Streitbeilegung, S. 171; Naveen, Contract, S. 469; Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 222. 129 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen wicklung investitionsempfangender Länder zu fördern.221 Das ICSID-Verfahren steht privaten und staatlichen Unternehmen offen, weshalb auch Investitionen von Staatsfonds darin behandelt werden können.222 Das ICSID hat seinen Sitz in Washington D.C. und sollte als neutraler Vermittler zwischen Staaten und Bürgern stehen. 2012 hatten bereits 158 Staaten das Abkommen unterzeichnet.223 Bis heute wurden bereits mehr als 285 Fälle entschieden, welche von Investoren gegen Staaten aufgrund einer Verletzung eines Investitionsschutzvertrages initiiert wurden.224 Investitionen von Staatsfonds fallen nur unter den Schutz der ICSID, wenn sie Direktinvestitionen tätigen, die vordefinierte Voraussetzungen erfüllen. Um abzuklären, ob eine Investition den Anforderungen entspricht, wird der SalianiTest durchgeführt: das Projekt muss eine gewisse Dauer haben, mit einem nicht unbeachtlichen Risiko verbunden sein und regelmässige Einkünfte abwerfen. Überdies muss es sich bei der Investition um eine wesentliche Kapitalanlage mit hoher Bedeutung für den Zielstaat handeln.225 Diese Anforderungen sind für Staatsfonds generell schwierig zu erfüllen, wenn sie nur finanziell motiviert und ohne Mehrheitsbeteiligung investieren.226 Zusätzlich müssen drei weitere Voraussetzungen erfüllt sein, um das ICSIDVerfahren in Anspruch nehmen zu können: Erstens muss der Rechtsstreit direkt aus einer Investition erfolgen. Zweitens muss es sich um einen Rechtsstreit zwischen einem Vertragsstaat und einem Bürger eines anderen Vertragsstaates handeln. Rein private Streitfälle sollen vor nationalen Gerichten behandelt werden und solche zwischen Staaten durch den Internationalen Gerichtshof oder den Ständigen Schiedshof, beide mit Sitz in Den Haag. Das ICSID ist deshalb nur für Streitigkeiten zwischen Privaten und Staaten offen und damit ein Staatsfonds unter den Anwendungsbericht des ICSID fällt, muss die private Komponente der Qualifikation des Staatsfonds überwiegen. Wird ein Staatsfonds als staatliche Stelle qualifiziert, kann er keine Fälle gegen andere Mitgliedstaaten vorbringen.227 Wird aber der privat-rechtliche Charakter eines Staatsfonds stärker gewichtet, wäre dem Staatsfonds die Anrufung eines ICSID-Schiedsgerichts möglich. Im Umkehrschluss ist davon auszugehen, dass Private keine Fälle gegen Staatsfonds vor einem ICSID-Schiedsgericht verhandeln können.228 Drit221 222 223 224 225 226 227 228 Lippincott, International Arbitration, S. 667; Schill, Investitionsschutzrecht, S. 277. Lippincott, International Arbitration, S. 663. Lippincott, International Arbitration, S. 667. Naveen, Contract, S. 469. Nacimiento, Streitbeilegung, S. 176. Sornarajah, Regulation of Investments, S. 280. Siehe zur Qualifizierung eines Staatsfonds Kapitel § 5.E. Lippincott, International Arbitration, S. 672. 130 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs tens ist für die Unterstellung unter ein ICSID-Schiedsgericht ein Konsens zwischen den Streitparteien wichtig.229 Dieser kann über ein Investitionsschutzabkommen erreicht werden, in dem zwei Staaten einwilligen, dass sie sich dem Urteil eines ICSID-Schiedsgerichts unterstellen.230 Die Parteien werden durch den Schiedsspruch eines ICSID-Tribunals rechtlich gebunden. Ein Schiedsspruch hat die gleiche Geltung wie ein nationaler rechtskräftiger Urteilsspruch.231 Ein ICSID-Urteil ist nur unter spezifischen Voraussetzungen und in einem engen Rahmen anfechtbar. Eine Überprüfung durch ein nationales Gericht ist ausgeschlossen.232 b) Multilaterale Investitions-Garantie-Agentur (MIGA) Am 1. Oktober 1985 gründete die Weltbank die Multilaterale Investitions-Garantie-Agentur (MIGA). Die MIGA hat zur Aufgabe, Auslandsinvestitionen in Entwicklungsländern zu fördern. Sie ist mehr prozeduraler als materiell-rechtlicher Natur.233 c) Leitlinien der Weltbank für die Behandlung von ausländischen Direktinvestitionen Die Leitlinien der Weltbank für die Behandlung von ausländischen Direktinvestitionen wurden 1992 durch die Weltbank herausgegeben. Sie stellen einen Kompromiss hinsichtlich der Behandlung ausländischer Investitionen dar. Das Abkommen hat keine rechtliche Verbindlichkeit und ist nur vage formuliert.234 4. OECD Die Convention on the Organization for Economic Co-operation and Development (OECD) wurde 1960 als Nachfolgerin der OEEC (Organization for European Economic Cooperation)235 mit der Schweiz als Gründungsmitglied errichtet. Die Schweiz ist vollberechtigtes Mitglied und kann ihre Interessen geltend 229 230 231 232 233 234 235 Lippincott, International Arbitration, S. 668; Nacimiento, Streitbeilegung, S. 174 ff. Lippincott, International Arbitration, S. 671. Art. 53 ICSID-Übereinkommen; Nacimiento, Streitbeilegung, S. 183. Oesch, Aussenwirtschaftsrecht, S. 1279. Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 223. World Bank Guidelines on the Treatment of Foreign Direct Investment; Ziegler, Multilateraler Investitionsschutz, S. 69; Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 223. Die OEEC wurde 1948 gegründet um den Wiederaubau der durch den 2. Weltkrieg zerstörten Länder mittels Koordination zu fördern. Im Zentrum der Aufgaben stand die Überwachung der Umsetzung der Marschallplanhilfe. Vgl. Martens/Schulze, OECD, S. 148. 131 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen machen.236 Sie verfügt über eine ständige Delegation, welche sich aus Vertretern der Bundesverwaltung sowie der SNB zusammensetzt.237 Die OECD verfügt über 34 Mitgliedstaaten.238 Sie ist ein Zusammenschluss der westlichen Industrieländer, steht aber in einem engen Kontakt mit Schwellen- und Entwicklungsländern.239 Insbesondere mit Brasilien, Chile, China, Indien und Russland pflegt sie einen intensiven Austausch.240 a) Organisation Die OECD ist eine zwischenstaatliche Organisation, in welcher jeder Mitgliedstaat ein Vetorecht hat. Sie verfügt über keine Supranationalität.241 Das Hauptorgan der OECD ist der Rat. Dieser besteht aus Repräsentanten aller Mitgliedstaaten.242 Unterstützt wird der Rat von einem Exekutivausschuss sowie weiteren Nebenorganen.243 Der Rat trifft sich in der Regel einmal im Jahr.244 Der Rat kann bindende Beschlüsse fassen, Resolutionen beschliessen sowie Empfehlungen an die Mitglieder aussprechen.245 Die Beschlussfassung erfolgt im Konsens.246 Weiter kann er mit Mitgliedstaaten, Nichtmitgliedstaaten sowie internationalen Organisationen Verträge abschliessen.247 Das am häufigsten verwendete Instrument ist die Empfehlung, die keine rechtliche Bindungswirkung hat, sondern lediglich die Absicht erklärt, etwas gemeinsam erreichen zu wollen.248 b) Ziele der OECD Gemäss Art. 1 der OECD-Konvention sind die Ziele der OECD in den Bereichen Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigungspolitik einzuordnen: Die Entwicklung der Weltwirtschaft soll mit dem Ziel eines weltweit steigenden Le236 237 238 239 240 241 242 243 244 245 246 247 248 Baldi/Beglinger, OECD, S. 43; Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 42. Baldi/Beglinger, OECD, S. 43. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 172. BMZ, Akteure OECD, S. 1. Martens/Schulze, OECD, S. 185; Terhechte, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 962; Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 43. Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 43. Stingelin/Leduc, OECD, S. 14. Stingelin/Leduc, OECD, S. 14; Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 43. Stingelin/Leduc, OECD, S. 15. Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 43. Stingelin/Leduc, OECD, S. 15. OECD, Ziel der Organisation, S. 1. Odendahl, Zusammenarbeit, S. 17. Stingelin/Leduc, OECD, S. 15. 132 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs bensstandards gefördert werden, insbesondere soll ein gesundes Wirtschaftswachstum in den Entwicklungsländern ermöglicht werden.249 Die OECD deckt den gesamten Wirtschaftsbereich ab. Sie möchte allen Staaten ermöglichen, von der Globalisierung zu profitieren sowie ihre wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu meistern.250 Die OECD setzt sich für die Entwicklung internationaler Regeln für den Kapitalverkehr, internationale Investitionen und den Dienstleistungstransfer ein. Mitgliedsstaaten haben feste Regeln vereinbart, für sich selbst ebenso wie für multinationale Unternehmen. Die geschaffenen Hauptinstrumente der OECD sind der OECD-Kodex zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs und die OECDRichtlinien für staatliche Unternehmen.251 5. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) wurde am 17. Mai 1930 als Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht mit Sitz in Basel gegründet; gleichzeitig besitzt sie aber den Status als internationale Organisation. Sie ist die älteste internationale Finanzorganisation. Die Mitglieder der BIZ sind 60 Zentralbanken252 mehrerer Länder, die zusammen 95 Prozent des weltweiten BIP ausmachen.253 Finanziert wird sie durch ihre Mitglieder.254 a) Ziele der BIZ Das Ziel der BIZ ist es, Zentralbanken dabei zu unterstützen, ihre Geldpolitik zu betreiben und für Stabilität zu sorgen. Die BIZ fördert den Austausch sowie die Zusammenarbeit zwischen Nationalbanken; sie unterstützt den Dialog mit ande249 250 251 252 253 254 BMZ, Akteure OECD, S. 1; Odendahl, Zusammenarbeit, S. 16; Rhinow/Schmid/ Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 172. Odendahl, Zusammenarbeit, S. 16. Allen/Caruana, A Work Agenda, S. 20; Bahgat, Assessment, S. 168; OECD, Report, S. 3. Algerien, Argentinien, Australien, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Hongkong SVR, Indien, Indonesien, Irland, Island, Israel, Italien, Japan, Kanada, Kolumbien, Korea, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malaysia, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Mexiko, Neuseeland, den Niederlanden, Norwegen, Peru, den Philippinen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Saudi-Arabien, Schweden, der Schweiz, Serbien, Singapur, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Südafrika, Thailand, der Tschechischen Republik, der Türkei, Ungarn, den USA, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Vereinigten Königreich sowie die Europäische Zentralbank. Vgl. BIZ, Währungs- und Finanzstabilität, S. 2. BIZ, About, S. 1; Hobe, Völkerrecht, S. 396. BIZ, About, S. 1. 133 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen ren Stellen, betreibt Forschung und führt Analysen in Gebieten durch, die für Geld- und Finanzmarktstabilität relevant sind. Überdies ist sie die zentrale Anlaufstelle für Zentralbanken bei deren Finanztransaktionen sowie Treuhänderin im Zusammenhang mit internationalen Finanztransaktionen.255 b) Organisation Die BIZ ist in drei Hauptabteilungen organisiert: die Währungs- und Wirtschaftsabteilung, die Bankabteilung und das Generalsekretariat. Die ersten beiden sind für wirtschaftspolitische Analysen und das Bankgeschäft zuständig und die dritte Abteilung, das Generalsekretariat kümmert sich um allgemeine interne Unterstützung.256 Neben den drei Hauptabteilungen beherbergt die BIZ drei Vereinigungen: das Financial Stability Board, die internationale Vereinigung der Einlagesicherung und die internationale Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden.257 Die BIZ unterstützt überdies verschiedene Ausschüsse organisatorisch. Der wichtigste dabei ist der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht.258 Dieser nimmt Aufgaben in Bezug auf Informationsaustausch, Verbesserung der Aufsichtstechniken und Empfehlungen aufsichtsrechtlicher Mindeststandards im Bereich von Banken- und Finanzdienstleistungsrecht wahr. Beispiele von Regulierungsmassnahmen des Bankenausschusses sind Basel I, Basel II und Basel III, die mittlerweile über eine de-facto-Verbindlichkeit für Banken als Soft Law verfügen und damit gemäss Stephan Hobe als Bestandteil des Völkerrechts angesehen werden können.259 Organisiert durch die BIZ treffen sich alle zwei Monate, in der Regel in Basel am Sitz der BIZ, Präsidenten oder hochrangige Vertreter der BIZ-Mitgliedbanken um über die aktuellen Entwicklungen sowie Aussichten für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte zu diskutieren.260 6. Vereinte Nationen (UN) Die Organisation der Vereinten Nationen (UN) wurde im Jahr 1945 unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg gegründet.261 Die Mitgliedstaaten der UN verban255 256 257 258 259 260 261 BIZ, About, S. 1; Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 260. BIZ, Währungs- und Finanzstabilität, S. 2. BIZ, Währungs- und Finanzstabilität, S. 3. Weitere Ausschüsse sind der Ausschuss für das weltweite Finanzsystem, der Ausschuss für Zahlungsverkehr und Marktinfrastrukturen, weitere Marktausschüsse, die Central Bank Governance Group und das Irving Fisher Committee on Central Bank Statistics. Hobe, Völkerrecht, S. 396. BIZ, Währungs- und Finanzstabilität, S. 3. BMZ, Akteure OECD, S. 1; United Nations, Overview, S. 1. 134 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs den sich durch einen völkerrechtlichen Vertrag, welcher ihre Rechte und Pflichten als Mitglieder einer internationalen Gemeinschaft festschrieb.262 Die UN zählen über 193 Mitgliedstaaten.263 Sie ist sowohl hinsichtlich der diskutierten Themen als auch der beteiligten Parteien universell und verfügt über eine einzigartige Legitimität.264 Sie bieten Staaten ein Forum, um über Probleme zu diskutieren und gemeinsame Lösungen zu finden.265 a) Ziele der UN Die Ziele der UN sind in der Charta der Vereinten Nationen festgelegt. Es sind dies der Erhalt des internationalen Friedens, die Pflege freundschaftlicher Beziehungen zwischen Staaten, die internationale Zusammenarbeit hinsichtlich internationaler Fragestellungen, die Förderung der Anerkennung von Menschenrechten und die Harmoniserung staatlichen Handelns.266 b) Organisation Die Hauptorgane der UN sind der Sicherheitsrat, der Wirtschafts- und Sozialrat, der internationale Gerichtshof, der Treuhandrat, die Generalversammlung sowie das Generalsekretariat. Das oberste Organ ist die UN-Generalversammlung, in welcher jeder Mitgliedstaat eine Stimme hat.267 Die Generalversammlung trifft sich einmal im Jahr im September.268 Beraten werden internationale Angelegenheiten, die in der Charta erfasst sind.269 Die UN entscheiden nicht nach dem Konsens-, sondern nach dem Mehrheitsprinzip.270 Für wichtige Beschlüsse zu Frieden und Sicherheit, Budgetentscheidungen und Aufnahme neuer Staaten ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der Generalversammlung notwendig.271 Beschlüsse der UN sind nur Empfehlungen; sie kann keine rechtsverbindlichen Entschlüsse fassen.272 Immer wieder wurde erfolglos versucht, der UN eine wichtigere Stellung zu verschaffen, mit dem Ergebnis, dass sich innerhalb der UN zahlreiche Spezialorganisationen und -institutionen bilden konnten.273 Auf 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 BMZ, Akteure OECD, S. 1. United Nations, Overview, S. 1. EDA, Vereinte Nationen, S. 1. United Nations, Overview, S. 1. Art. 1 Charta der Vereinten Nationen. BMZ, Akteure UN, S. 1. United Nations, Main Organs, S. 1. BMZ, Akteure UN, S. 1. Peter, Cross-Border Investment, S. 146. United Nations, Main Organs, S. 1. BMZ, Akteure UN, S. 1. Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 30. 135 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen zwei dieser Spezialorganisationen und -institutionen wird nachfolgend eingegangen. aa) Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) 1964 gründeten die UN die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) als ständige zwischenstaatliche Einrichtung mit Sitz in Genf. Sie fungiert als Hauptorgan der UN-Generalversammlung für die Themen Handel, Investitionen und Entwicklung. Die UNCTAD hat das Ziel, die Handels-, Investitions- und Entwicklungsmöglichkeiten der Entwicklungsländer zu maxieren. Überdies unterstützt sie Entwicklungsländer, damit sich diese in der Weltwirtschaft integrieren können.274 bb) Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) Die UN haben mit der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) Regeln für Investitionsstreitigkeiten geschaffen. Diese können in bilaterale Investitionsschutzabkommen integriert werden. Die UNCITRAL sieht ein Ad-hoc-Schiedsgericht vor. Die Entscheidungen der UNCITRAL haben keine Bindungskraft und ihre Entscheidungen können von nationalen Gerichten überprüft werden.275 Dies kann zu Unsicherheit und zusätzlichen Kosten führen.276 II. Informelle Foren Neben nationalem Recht, Regelsetzung durch internationale Organisationen und internationale Institutionen gibt es informelle Foren, um bestimmte Themen zu besprechen. Zum einen gibt es Gruppen von Staaten wie die G7, G8, G8+5, G11, G20 und G77, zum anderen auch thematisch organisierte informelle Foren.277 Weiter hinzukommen NGOs. Diese sind weder durch eine Regierung, noch durch einen Staatsvertrag gegründet. Sie sind typischerweise private Institutionen, Stiftungen oder Vereine.278 NGOs können Gruppen oder Unternehmen motivieren, freiwillige Selbstverpflichtungen einzugehen, und überwachen deren Einhaltung.279 274 275 276 277 278 279 Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 33. Lippincott, International Arbitration, S. 664. Lippincott, International Arbitration, S. 665. Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 34. Roth, Soft Law, S. 79. Roth, Soft Law, S. 77. 136 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs Die G7 sowie die G20 haben sich sehr stark in das internationale Wirtschaftsrecht eingebracht, weshalb sie laut Stephan Hobe fast als Völkerrechtssubjekte eingeordnet werden können.280 Aus diesem Grund wird nachfolgend auf diese beide Foren eingegangen. Beiden Foren ist gemeinsam, dass sie keine formale Basis haben und ihre Kernaufgaben nicht kodifiziert sind. Jedoch lässt sich eine Tendenz ausmachen, dass die Aufgaben dieser Foren in der internen Koordination zwischen den Mitgliedstaaten sowie der externen Beeinflussung anderer Akteure liegen. Die G7 und G20 können als Versuch einer globalen Regulierung angesehen werden; mit dem Ziel der Koordination der globalen Politik.281 1. G7 Die G7 sind ein informelles Forum der Staats- und Regierungschefs, in welchem diese Fragen zu Wirtschaft und Aussenpolitik in einer kleinen Runde erörtern. Mitglieder der G7 sind Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Japan, USA und Kanada. Russland war bis 2014 Mitglied. Die Europäische Kommission hat einen Beobachterstatus. Die G7-Staaten machen 10,5% der Weltbevölkerung und 44% des weltweiten BIP aus. Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten treffen sich im Rahmen der G7-Gipfeltreffen einmal im Jahr.282 Das erste Treffen der G8-Staaten (heute G7)283 zu Staatsfonds fand im November 2008 statt. Das Treffen hatte die Abstimmung der nationalen Finanzund Währungspolitik zum Inhalt. Die G8-Staaten trafen sich, da ihrer Auffassung nach in Organisationen wie UN oder OECD nicht genügend Informalität herrschte, um diese Themen angemessen diskutieren zu können.284 Die Aktivitäten der G7 betreffen nahezu alle Lebensbereiche, finden jedoch informell statt: Es gibt kein Statut, keine kodifizierte Regularien und kein Sekretariat. Ihre Absprachen treffen die Mitglieder auf Basis des Konsensprinzips. Um ihre Politik durchzusetzen, greifen sie auf Kooperationen mit internationalen Organisationen zurück.285 280 281 282 283 284 285 Hobe, Völkerrecht, S. 396. Gronau, Selbstlegitimation, S. 40; S. 59. BMZ, Akteure G7/G8, S. 1. Russland war zu diesem Zeitpunkt Mitglied, deshalb G-8. Gronau, Selbstlegitimation, S. 36. Gronau, Selbstlegitimation, S. 41 f. 137 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen 2. G20 Während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/08 wurde das seit 1999 bestehende G20-Forum zunehmend wichtig und avancierte zum wichtigsten globalen Koordinationsgremium für Wirtschafts- und Finanzfragen.286 Mitglieder der G20 sind die Mitgliedstaaten der G7 sowie Argentinien, Australien, Brasilien, China, Indien, Indonesien, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei sowie die EU.287 Die Länder der G20 erwirtschaften zusammen mehr als 85% des weltweiten BIP.288 Das erste Treffen der G20 fand anlässlich der asiatischen Finanzkrise 1999 in Berlin statt. Seither treffen sich die G20 einmal jährlich im Rahmen eines Finanzministertreffens mit Repräsentanten des IWF, der Weltbank, des Finanzstabilitätsrats (FSB), der OECD, der WTO, der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der UN.289 F. Schranken der nationalen Regulierung – Beispiel Schweiz Grundsätzlich kann ein Land aufgrund seiner Souveränität selbst bestimmen, ob und wie es ausländische Investitionen zulässt.290 Durch das Eingehen bilateraler und multilateraler Staatsverträge setzt sich ein Land jedoch Schranken.291 Im Rahmen dieser Verpflichtungen muss der nationale Gesetzgeber bei der Rechtsgestaltung die Schranken des internationalen Rechts beachten.292 Der folgende Abschnitt zeigt zuerst auf, welche Schranken auf nationaler Ebene bestehen, bevor er auf die internationalen Regeln mit Geltung für die Schweiz eingeht. I. Einzelstaatliches Recht In der Schweiz wird die Wirtschaftsfreiheit umfassend geschützt; Bund und Kantone haben sich gemäss Art. 94 BV an den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit zu halten.293 Die Schweiz hat sich somit prinzipiell für eine privatwirtschaftlich 286 287 288 289 290 291 292 293 Alexander/Löschmann/Schüle, Gruppe der Zwanzig, S. 2. Berensmann/Fues/Volz, G20, S. 2; BMZ, Akteure G20, S. 1. BMZ, Akteure G20, S. 1. Bundesregierung, G20, S. 1; Gronau, Selbstlegitimation, S. 38. Hobe, Völkerrecht, S. 371. Schaub, multinationale Unternehmen, S. 195 f. Bornkämper, Grenzüberschreitende Unternehmensbeteiligungen, S. 34. «Bund und Kantone halten sich an den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit (Satz 1). Vgl. Art. 94 Abs. 1. BV. 138 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs orientierte Marktwirtschaft entschieden.294 Garantiert wird die Wirtschaftsfreiheit zum einen in Art. 27 BV, welcher das Recht des Einzelnen schützt, am Marktgeschehen teilzunehmen: Ein Unternehmen soll selbst entscheiden können, mit wem es eine Geschäftsbeziehung eingeht.295 Zudem schützt Art. 94 BV den Wettbewerb, indem der staatlichen Tätigkeit Schranken gesetzt und günstige Rahmenbedingungen für die private Wirtschaft296 festgelegt werden.297 Die Wirtschaftsfreiheit steht natürlichen und juristischen Personen inländischer sowie ausländischer Herkunft298 zu.299 1. Wirtschaftsfreiheit Das Konzept der Wirtschaftsfreiheit geht in der Schweiz, wie anderswo, auf die klassische Nationalökonomie und das individuelle Naturrecht zurück.300 Die klassische Nationalökonomie wurde von Adam Smith (1723–1790) begründet. Dieser vertrat die Ansicht, dass der Staat den Handel sowie das Gewerbe ihren Gesetzmässigkeiten überlassen solle. Der Markt würde sich in einem Gleichgewicht einpendeln, was gewährleiste, dass nicht mehr als nötig produziert werde. Überdies ging Adam Smith davon aus, dass der freie Handel die Bildung von Monopolen verhindern würde.301 Das Naturrecht hingegen sieht die Wirtschaftsfreiheit als Freiheitsrecht an. Im Zentrum stehen nicht ökonomische Überlegungen, sondern solche zur Natur des Menschen.302 Der Mensch wird als vernünftiges, rational handelndes Individuum gesehen, das ein natürliches Recht auf Freiheit hat.303 In der Schweiz liegen der Theorie der Wirtschaftsfreiheit ökonomische Überlegungen zugrunde.304 Jedes Freiheitsrecht gilt nur innerhalb von Schranken, d.h. die Wirtschaftsfreiheit gilt in Relation zu anderen Rechtsgütern. Wird 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 Botschaft, 5. November 2008, S. 8969; Krähenmann, Privatwirtschaftliche Tätigkeit, S. 91. Die Vertragsfreiheit gemäss Art. 27 BV schützt nur die wirtschaftliche Tätigkeit. Vgl. Uhlmann, BSK 27, S. 543. «Sie sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für günstige Rahmenbedingungen für die private Wirtschaft» (Satz 2); siehe Art. 94 Abs. 2 BV. Botschaft, 5. November 2008, S. 8969. Für die Geltung der Wirtschaftsfreiheit von ausländischen Personen müssen zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein. Sie müssen entweder über eine Niederlassungsbewilligung in der Schweiz verfügen oder einen staatsvertraglichen Anspruch auf einen Aufenthalt in der Schweiz haben. Uhlmann, BSK 27, S. 549. Marti, Wirtschaftsfreiheit, S. 19. Marti, Wirtschaftsfreiheit, S. 20; siehe auch Kapitel § 7.A.III.1. Marti, Wirtschaftsfreiheit, S. 20. Frey/Frey Marti, Privatisierung, S. 229. Marti, Wirtschaftsfreiheit, S. 21. 139 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen die Wirtschaftsfreiheit eingeschränkt, so bedarf es dazu einer gesetzlichen Grundlage.305 2. Interventionsmöglichkeiten des Staates Der Staat kann aus verschiedenen Gründen die privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit regeln. Einerseits tut er dies, um öffentliche Interessen zu schützen, und andererseits, um klare Rahmenbedingungen zu schaffen, welche das Wirtschaften vereinfachen sollen.306 Dabei hat der Staat das Subsidiaritätsprinzip zu beachten: Er darf eine Aufgabe nur dann wahrnehmen, wenn die Privatwirtschaft hierzu nicht in der Lage ist.307 Der Staat darf somit nur intervenieren, wenn gemäss Art. 36 BV öffentliche Interessen einen Eingriff rechtfertigen und dieser verhältnismässig ist.308 Auch kann gemäss Art. 94 Abs. 4 BV ein staatliches Handeln in der Bundesverfassung vorgesehen sein. Dabei wird von einem grundsatzkonformen und einem grundsatzwidrigen Eingriff gesprochen. Eingriffe, die vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen, müssen in der Bundesverfassung vorgesehen oder durch kantonale Regalrechte begründet sein. Grundsatzkonforme Beschränkungen hingegen sind unter den Voraussetzungen aus Art. 36 BV zulässig.309 Bei jedem staatlichen Handeln muss sichergestellt werden, dass die Massnahme grundsätzlich wettbewerbsneutral ist.310 Insbesondere müssen Konkurrenten gleichbehandelt werden.311 Die Wirtschaftsfreiheit gilt auch im grenzüberschreitenden Verkehr.312 Der Gesetzgeber kann auch im grenzüberschreitenden Verkehr gemäss Art. 101 BV vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen, um die inländische Wirtschaft zu schützen. Art. 101 BV muss dabei völkerrechtskonform ausgelegt werden.313 305 306 307 308 309 310 311 312 313 Vgl. Art. 36 BV; Marti, Wirtschaftsfreiheit, S. 69. Uhlmann, BSK 27, S. 552. Krähenmann, Privatwirtschaftliche Tätigkeit, S. 153. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 335. Uhlmann, BSK 94, S. 1505; Vallender, SGK 94, S. 1794. Botschaft, 5. November 2008, S. 8969. «Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit sind nur zulässig, wenn sie – neben den Anforderungen der gesetzlichen Grundlage und des überwiegenden öffentlichen Interesses – mit den verfassungsmässigen Geboten der Verhältnismässigkeit und der Gleichbehandlung, namentlich von Konkurrenten, vereinbar sind.» Vgl. BGE 128 II 292 E. 5, S. 297; Uhlmann, BSK 27, S. 553; Vallender, SGK 94, S. 1795. «Beachtlich ist hingegen wiederum, dass die in Art. 31 BV gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit auch die Aussenwirtschaftsfreiheit mit einschliesst, und zwar insbesondere auch die Freiheit, immaterialgüterrechtlich geschützte Produkte ein- und auszuführen.» Vgl. BGE 124 III 321 E. 2 g, S. 331; Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 80. Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 80. 140 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs a) Gesetzmässigkeit Die Gesetzmässigkeit setzt voraus, dass ein Rechtssatz in einem korrekten Verfahren erlassen worden ist.314 Für einen schwerwiegenden Eingriff bedarf es einer formellen Grundlage im Gesetz selbst. Weniger einschneidende Eingriffe können auch auf Verordnungsstufe erfolgen.315 Dabei ist von einem stufenlosen Ansatz auszugehen: «Je schwerer der Eingriff wiegt, desto bestimmter ist die entsprechende Eingriffsnorm zu formulieren».316 Für eine Vorschrift auf Gesetzesstufe muss die Kompetenzgrundlage in der Bundesverfassung festgelegt werden. Die Vorschrift darf keiner bereits bestehenden Verfassungsnorm widersprechen.317 Möchte der Gesetzgeber ein neues Gesetz statuieren, so kann er die Prüfung nicht auf eine bestimmte Norm beschränken. Vielmehr muss er sich mit verschiedenen Möglichkeiten befassen und deren potenzielle Wirkungen gegeneinander abwägen. Die beabsichtigte Norm muss bei den Betroffenen auf eine Mindestakzeptanz stossen.318 b) Öffentliches Interesse Das Handeln des Gesetzgebers muss im öffentlichen Interesse sein.319 Früher meinte dies primär den Schutz von Polizeigütern, heute wird das öffentliche Interesse viel weiter gefasst.320 Öffentliche Interessen können sich aus sämtlichen Staatsaufgaben ableiten.321 Ein öffentliches Interesse ist insbesondere bei der Sicherstellung einer angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen oder dem Schutz des freien Wettbewerbs gegeben.322 Das öffentliche Interesse hat dabei grundsatzkonform zu sein. Nicht jedes öffentliche Interesse ist jeweils ausreichend, um einen Eingriff zu rechtfertigen.323 Jedes öffentliche Interesse muss im Einzelfall betrachtet werden und es gibt keinen Numerus Clausus der möglichen öffentlichen Interessen.324 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 Eggen, Produktregulierung, S. 123. Hangartner, Wirtschaftsfreiheit, S. 349; Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 105. Uhlmann, BSK 27, S. 554. Eggen, Produktregulierung, S. 124. Eggen, Produktregulierung, S. 123. Eggen, Produktregulierung, S. 124. Uhlmann, BSK 27, S. 555. Eggen, Produktregulierung, S. 124. Picot, Regulierung als Herausforderung, S. 659 f. Uhlmann, BSK 27, S. 555. Uhlmann, BSK 27, S. 555. 141 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen c) Verhältnismässigkeit Art. 36 Abs. 3 BV setzt voraus, dass eine Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit verhältnismässig ist. Dabei müssen die individuelle Einschränkung der Auswirkung auf ein Individuum und auch mögliche Wettbewerbsverzerrungen beachtet werden.325 Laut Verhältnismässigkeitsprinzip muss das geplante staatliche Handeln dazu geeignet und erforderlich sein, das angestrebte Ziel zu erreichen. Auch muss es für die Betroffenen zumutbar sein. Der Gesetzgeber prüft die Verfassungsmässigkeit einer neuen Norm in generell-abstrakter Weise. Betrachtet werden dabei insbesondere die Kosten im Verhältnis zum Nutzen. Übersteigen die Kosten den Nutzen, ist eine Norm nicht verhältnismässig.326 II. Schweizerisches Aussenwirtschaftsrecht Die Schweiz ist auf multilateraler und bilateraler Ebene Verträge eingegangen, die sie zur Einhaltung bestimmter Prinzipien anhalten. Insbesondere das Regelwerk der WTO und bilaterale Verträge enthalten Regeln, die der Schweiz Schranken bezüglich der Beschränkung ausländischer Investitionen setzen. Das schweizerische Aussenwirtschaftsrecht umfasst alle internationalen, d.h. grenzüberschreitenden Wirtschaftsbeziehungen327 und besteht somit aus der Summe der nationalen sowie der anwendbaren völkerrechtlichen Rechtsnormen im internationalen Verkehr der Schweiz.328 Dies umfasst auch das Verhältnis zur EU und dem EWR sowie deren Mitgliedstaaten.329 Dabei gilt, dass für jeden Staat nur das Völkerrecht anzuwenden ist, zu dessen Einhaltung er sich verpflichtet hat.330 Die Schweizerische Bundesverfassung (BV) bestimmt das völkerrechtliche Handeln der Schweiz. In ihr ist festgelegt, welche staatlichen Akteure die Schweiz nach aussen vertreten und an welche innerstaatlichen Regeln die Akteure gebunden sind.331 Aufgrund ihrer Souveränität ist die Schweiz in ihrem nationalen und internationalen Handeln grundsätzlich frei.332 Dieses Handeln findet über völkerrechtliche Verträge statt. Die völkerrechtlichen Verträge, welche die Schweiz 325 326 327 328 329 330 331 332 Uhlmann, BSK 27, S. 558. Eggen, Produktregulierung, S. 125. Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 7. Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 8. Odendahl, Völkerrecht, S. 24. Lehne, internationaler Warenhandel, S. 17. Odendahl, Völkerrecht, S. 25. Odendahl, Völkerrecht, S. 24. 142 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs schliesst, werden mit dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens zu nationalem Recht und so Bestandteil der schweizerischen Rechtsordnung.333 Für das schweizerische Aussenwirtschaftsrecht sind primär der Bundesrat sowie die Bundesversammlung zuständig. Hinzu kommen Volk und Stände.334 Im Zentrum des für die Schweiz relevanten Völkerrechts stehen das Völkergewohnheitsrecht, bilaterale Verträge, sowie die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen. 1. Völkergewohnheitsrecht Im Völkerrecht lassen sich keine Bestimmungen finden, welche die Tätigkeit von Staatsfonds spezifisch regeln. Es bestehen weder eine Marktöffnungspflicht noch direkte Regeln für das Verhalten von Staatsfonds.335 Einzig ableitbar ist, dass Staaten aufgrund ihrer Souveränität336 selbst bestimmen können, ob und wie sie ihre Märkte für ausländische Investitionen öffnen wollen oder nicht.337 Somit haben Staaten keinen völkerrechtlichen Anspruch darauf, in einem anderen Land Handel zu treiben oder Investitionen zu tätigen.338 Das Völkergewohnheitsrecht garantiert Schutz für bestehende Investitionen, indem es vorschreibt, dass das Vermögen von Ausländern nur im Interesse des Gemeinwohls sowie diskriminierungsfrei unter einer angemessenen Entschädigung enteignet werden darf.339 Weitere Regeln konnten sich nicht etablieren, weshalb der Schutz internationaler Investitionen oftmals in bilateralen Investitionsschutzabkommen geregelt wird.340 2. Bilaterale Verträge Bilaterale Verträge dienen der Regelung von Sachverhalten auf internationaler Ebene. Sie können Vorstufen zum Beitritt einer regionalen Vereinigung sein 333 334 335 336 337 338 339 340 SECO, Rechtliche Grundlagen, S. 1. Odendahl, Völkerrecht, S. 26. Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 82. Unter der Souveränität versteht man die durch die UN-Charta eingeräumte und garantierte Autonomie jedes einzelnen Landes. Staaten haben das Recht auf gleiche Entfaltung und Eigenverantwortung, siehe ausführlich: Fassbender, Souveränität des Staates, S. 1090 ff. Geiger, Beschränkungen von Direktinvestitionen, S. 263; Hahn, State Immunity, S. 107; Lee, Contemporary Sovereign Wealth Funds, S. 213. Herrmann/Weiss/Ohler, Welthandelsrecht, S. 34. Herrmann/Weiss/Ohler, Welthandelsrecht, S. 33 und 362; Rensmann, Enteignungsschutz, S. 30; Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 596. Herrmann/Weiss/Ohler, Welthandelsrecht, S. 33 und 362; Rensmann, Enteignungsschutz, S. 30. 143 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen oder auch Verwendung finden, wenn der Beitritt zu einer Organisation aus politischen Gründen nicht möglich ist. Überdies finden sie aber auch Anwendung, falls noch nicht genügend Liberalisierungsmassnahmen vorgenommen wurden und wenn ein Bedarf zur Regelung besteht.341 Da kein internationaler Kodex hinsichtlich internationaler Investitionen existiert, werden Sachverhalte, welche Investitionen im Ausland betreffen, über bilaterale Verträge geregelt.342 Der internationale Investitionsschutz besteht somit aus einem Netzwerk bilateraler Abkommen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Diese enthalten oftmals Regeln zum Schutz vor Diskriminierung, zu fairer und gleichwertiger Behandlung und zum Schutz vor Enteignung.343 Überdies kennen viele Investitionsschutzabkommen das Prinzip der Meistbegünstigung.344 Investitionsschutzabkommen sehen grundsätzlich internationale Schiedsverfahren vor, die Investoren Möglichkeiten bieten, ihre Rechte indirekt vor einem internationalen Schiedsgericht durchzusetzen.345 a) Die bilateralen Verträge der Schweiz Das erste Investitionsschutzabkommen (ISA) wurde 1959 zwischen Deutschland und Pakistan geschlossen. Dieses war auf den Schutz ausländischer Investitionen ausgerichtet. Später wurde das Abkommen ausgeweitet und um Schutz von Immaterialgüterrechten, industriepolitische Fragen und spezifische Streitschlichtungsmechanismen ergänzt.346 Kurz nachdem Deutschland und Pakistan das erste Investitionsschutzabkommen geschlossen hatten, folgte im Jahre 1961 ein Investitionsschutzvertrag zwischen der Schweiz und Tunesien.347 Zuständig für Investitionsschutzabkommen ist in der Schweiz das Staatssekretariat (SECO), welches für die Verhandlungen völkerrechtlicher Investitionsverträge zuständig ist.348 Mittlerweile verfügt die Schweiz mit 120 Investitionsverträgen über die weltweit drittmeisten nach China und Deutschland.349 Die Schweiz hat sogenannte Freihandelsabkommen der ersten Generation geschlossen, welche nur den Warenhandel liberalisierten. Mit Mexiko, Singa341 342 343 344 345 346 347 348 349 Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 59. Oesch, Aussenwirtschaftsrecht, S. 1277; Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 59. Im Falle einer Enteignung muss für eine angemessene Entschädigung gesorgt werden. Krolop, Staatliche Einlasskontrolle, S. 18; Oesch, Aussenwirtschaftsrecht, S. 1277. Schill, Investitionsschutzrecht, S. 277. Lippincott, International Arbitration, S. 660. Baudenbacher, Challenges of International Law, S. 656 f. SECO, Vertragspolitik, S. 1. SECO, Vertragspolitik, S. 1. 144 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs pur, Chile sowie Südkorea hat die Schweiz bereits ein Abkommen der zweiten Generation geschlossen, welches auch grenzüberschreitend erbrachte Dienstleistungen sowie den Zugang zu und den Schutz von Auslandsinvestitionen regelt.350 b) Bilaterale Verträge im Zusammenhang mit Investitionen von Staatsfonds Bilaterale Investitionsschutzabkommen dienen Staaten zum Schutz ihrer Investitionen in den unterzeichnenden Staaten und garantieren sowohl materielle als auch verfahrensrechtliche Sicherheit für ausländische Investoren. Zum einen wird in der Regel ein Minimalstandard festgelegt, welcher ausländischen Investoren mindestens diejenigen Rechte garantiert, die ihnen aus internationalem Recht zustehen. Ein ausländischer Investor muss bei einer möglichen Enteignung zumindest angemessen entschädigt werden. Ihre Rechte können Investoren in Streitfällen meist durch Streitschlichtungsverfahren (Arbitration) durchsetzen.351 Internationale Investitionsschutzabkommen schützen in der Regel nur Investitionen natürlicher und juristischer Personen und bieten keinen Schutz für Streitigkeiten zwischen Staaten. Ob ein solches Abkommen Anwendung findet, hängt somit von der Einordnung des Staatsfonds als öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Unternehmung ab. Oftmals werden Staatsfonds als private Investoren eingeordnet.352 Überdies zielen insbesondere die älteren Investitionsschutzabkommen auf die Zeit nach der Investition und bieten keinen Schutz hinsichtlich der Möglichkeit, eine Investition zu tätigen.353 3. Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft in internationalen Organisationen Sowohl die WTO wie auch die OECD sehen Regeln für die Liberalisierung der Märkte vor. a) Welthandelsorganisation (WTO) Aus Sicht der WTO wurde die Staatsfonds-Problematik bis anhin nur rudimentär betrachtet. Insbesondere der Frage der Reziprozität wurde nur wenig Beachtung geschenkt.354 Gestreift wird die Thematik der Staatsfonds lediglich im General 350 351 352 353 354 Abt, Freihandelsabkommen, S. 9. Bassan, Law of SWFs, S. 124. Zur Qualifikation eines Staatsfonds siehe § 5.E. Chalamish, Protectionism, S. 8. Schweizerische Bankiervereinigung, Staatsfonds, S. 12. 145 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen Agreement on Trade in Services (GATS), welches Regeln für den Dienstleistungssektor enthält.355 Das GATS, welches auch auf Investitionen von Staatsfonds Anwendung findet, sieht Ausnahmen für seine Geltung vor: Erstens steht es den Mitgliedstaaten frei, bestimmte Sektoren ganz von der Geltung des GATS auszunehmen.356 Zweitens fallen nur Direktinvestitionen und keine Portfolioinvestitionen unter die Geltung des GATS und es muss durch die Investition Kontrolle übernommen werden können.357 Drittens wird staatliche Tätigkeit von der Geltung des GATS ausgenommen, da der Staat seine Tätigkeit jederzeit auch ohne Wettbewerb mit der Privatwirtschaft wahrnehmen können muss.358 Vertragsstaaten des GATS können den Zugang zu ihrem Markt einschränken, um die öffentliche Moral und Ordnung zu schützen.359 Hierzu muss eine tatsächliche und hinreichend schwerwiegende Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft nachgewiesen werden. Auch eine Rechtfertigung zum Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen gemäss Art. XIVbis GATS kann Anwendung finden, aber nur für den engen Bereich der militärischen Sicherheit.360 Das GATS sorgt dafür, dass für die Erbringung einer Dienstleistung in einem Mitgliedstaat eine kommerzielle Präsenz aufgebaut werden kann.361 Es gewährt jedoch allein keinen Anspruch auf Marktzugang. Erst die Übernahme spezifischer Verpflichtungen eines Mitgliedstaates gemäss Art. XVI GATS generiert eine Marktöffnungspflicht in einem bestimmten Sektor.362 Hierfür sieht das GATS vier Modalitäten vor, unter denen Staaten Liberalisierungsverpflichtungen eingehen können. Gemäss Modus 3 kann ein Staat seinen Dienstleistungshandel mittels kommerzieller Präsenz im Hoheitsgebiet eines anderen Staates anbieten.363 Verhindert ein WTO-Mitgliedstaat eine ausländische Direktinvestition durch einen Staatsfonds aus einem anderen Mitgliedstaat, obwohl er eine spezifische 355 356 357 358 359 360 361 362 363 Bornkämper, Grenzüberschreitende Unternehmensbeteiligungen, S. 36; Chaisse, GATS, S. 2; Chaisse/Chakraborty/Mukherjee, Regulatory Strategies, S. 861 f.; Krolop, Staatliche Einlasskontrolle, S. 19; Mattoo/Subramanian, Currency Undervaluation, S. 1153. Mattoo/Subramanian, Currency Undervaluation, S. 1153. Bassan, Law of SWFs, S. 76; Mattoo/Subramanian, Currency Undervaluation, S. 1156. Bericht vom 2. Dezember 2005, S. 4; Chalamish, Protectionism, S. 7. Art. XIV GATS; BMWi, Begründung, S. 4. Bornkämper, Grenzüberschreitende Unternehmensbeteiligungen, S. 38. Art. I Abs. 2 lit. c GATS; Roth, Investitionsbeschränkungen, S. 54. Chaisse, GATS, S. 3; Roth, Investitionsbeschränkungen, S. 53. Bornkämper, Grenzüberschreitende Unternehmensbeteiligungen, S. 37; Chaisse, GATS, S. 3; Herrmann/Weiss/Ohler, Welthandelsrecht, S. 389. 146 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs Verpflichtung eingegangen ist, kann dies ein WTO-Verfahren nach sich ziehen. Anwendung finden hierbei das Meistbegünstigungsprinzip (Art. II Abs. 1 GATS), das Transparenzprinzip (Art. III GATS) und die Inländergleichbehandlung (Art. XVII GATS).364 Eine Festsetzung einer generellen Höchstgrenze für ausländische Unternehmensbeteiligungen würde einen Verstoss gegen das GATS darstellen.365 b) OECD-Kodex zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs Der OECD-Kodex zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs (OECD-Kodex) aus dem Jahre 1961 richtet sich gegen mitgliedsstaatliche Regeln zur Verhinderung grenzüberschreitender Direktinvestitionen zwischen zwei Mitgliedstaaten.366 Er wurde durch einen Beschluss des OECD-Rates geschaffen und ist rechtlich verbindlich.367 Anders als die Abkommen der WTO stellt er jedoch keinen völkerrechtlichen Vertrag dar.368 Der OECD-Kodex etabliert Grundprinzipien für das Verhalten von Kapitalempfängerstaaten. Über die Jahre hinweg immer wieder geändert und angepasst, soll er die Mitgliedstaaten dazu anhalten, sich gegenüber (insbesondere staatlichen) Investoren fair zu verhalten und eine Inländergleichbehandlung bei Portfolio- und Direktinvestitionen sicherstellen.369 Der OECD-Kodex beinhaltet weiter Regeln zur Nicht-Diskriminierung und Transparenz: Ein ausländischer Investor darf gegenüber einem inländischen nicht schlechter gestellt werden. Darüber hinaus fördert er eine progressive Liberalisierung, indem er die Mitglieder verpflichtet, Schranken abzubauen und keine neuen zu errichten, unabhängig davon, ob andere Länder gleichziehen.370 Von dieser Pflicht zur Liberalisierung der Märkte kann zu drei Zwecken abgewichen werden: erstens zum Schutz der öffentlichen Ordnung und öffentlichen Gesundheit, Moral und Sicherheit, zweitens zur Sicherung der nationalen Sicherheit der Staaten und drittens, um Verpflichtungen zum Schutz des internationalen Friedens und der Sicherheit nachkommen zu können.371 364 365 366 367 368 369 370 371 Chaisse, GATS, S. 7 f.; Chalamish, Protectionism, S. 7; Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 166. Bornkämper, Grenzüberschreitende Unternehmensbeteiligungen, S. 37. Bornkämper, Grenzüberschreitende Unternehmensbeteiligungen, S. 35; OECD, Investment Policy, S. 3; Senn, Institutional Governance, S. 17; Ziegler, Multilateraler Investitionsschutz, S. 71. Roth, Investitionsbeschränkungen, S. 48. Geiger, Beschränkungen von Direktinvestitionen, S. 289. Cohen, Tradeoff, S. 725; Roth, Investitionsbeschränkungen, S. 49. Bahgat, Assessment, S. 168; Oecd, Investment Policy, S. 3; Wolff, Ausländische Staatsfonds, S. 90. Cohen, Tradeoff, S. 726; Keenan, Social Arrears, S. 37. 147 Zweiter Abschnitt: Diskussionsgrundlagen c) OECD-Richtlinien für staatliche Unternehmen Die OECD-Richtlinien für staatliche Unternehmen können auf Staatsfonds und Zielländer Anwendung finden, auch dann, wenn Staatsfonds keine Staatsunternehmen sind.372 Gemäss diesen Regeln dürfen ausländische Investitionen nicht diskriminiert werden, es muss Transparenz hinsichtlich geltenden Regeln herrschen und zudem müssen sich die Mitgliedstaaten langfristig deregulieren.373 G. Zwischenfazit Regulierung kann dort eingesetzt werden, wo der Markt nicht richtig funktioniert. An die Stelle des Markts tritt dann der Staat, welcher die Marktteilnehmer mit Normen zu einem bestimmten Verhalten bewegt. Seine Massnahmen müssen dabei verhältnismässig sein. Jeder staatliche Eingriff zieht Kosten mit sich, welche den Mehrwert der Regulierung nicht übersteigen dürfen. Können Private einen Sachverhalt besser regeln, sollte die Regelsetzung an diese ausgelagert werden. Regeln können als verbindliches (Hard Law) oder unverbindliches Recht (Soft Law) aufgestellt werden. Von der betroffenen Gruppe selbst erstellte Regeln stossen grundsätzlich auf grössere Akzeptanz als extern erlassene. Jedoch steht für sie der staatliche Sanktions- und Durchsetzungsapparat nicht zur Verfügung, sondern nur Gruppendruck durch Furcht durch etwaigen Reputationsschäden («soziale Sanktionen»). Regeln des Soft Law, welche zwar keine Rechtsverbindlichkeit besitzen, sich aber etablieren konnten und von den Adressaten befolgt werden, können oftmals ohne grössere Schwierigkeiten in verbindliches Hard Law überführt werden. Die Ziele einer Staatsfondsregulierung sind zum einen offene Märkte ohne willkürlichen Protektionismus und zum anderen Gewährleistung der nationalen Sicherheit der Zielstaaten. Regelungen dazu können auf nationaler und internationaler Ebene getroffen werden. Auf nationaler Ebene kann zum einen der Marktzutritt und zum anderen das Marktverhalten reguliert werden. Verkomplizierend tritt der Faktor hinzu, dass Investitionen auch grenzüberschreitend durchgeführt werden, der nationale Gesetzgeber jedoch nur den Sachverhalt im Inland regeln kann. Das Verhalten eines Staatsfonds liegt für den Gesetzgeber des Ziellandes ausserhalb seiner rechtlichen Reichweite. Werden protektionistische Massnahmen auf nationaler Ebene ergriffen, kann es zu einem negativen Regulierungswettbewerb kommen. Staatsfonds können auf andere Länder mit niedrigeren Hürden ausweichen. Auf multilateraler 372 373 Barbieri, European Union, S. 10; IFSWF, Kuwait Declaration, S. 1 f. Bassan, Classification, S. 49. 148 § 7 Notwendigkeit eines regulierenden Eingriffs Ebene kann ein Sachverhalt umfassender angegangen werden, allerdings ist es hier deutlich schwieriger, einen Konsens zu erzielen. Verschiedene internationale Organisationen würden sich mehr oder weniger gut als Forum zur Regelung der Staatsfondsthematik eignen. Das vorliegende Kapitel ist auf den IWF, die WTO, die OECD, die Weltbank, die BIZ sowie die UN als mögliche Foren eingegangen. 149 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds § 8 Regulierungslandschaft der Schweiz Im Kapitel § 6 wurden die Befürchtungen untersucht, die gegenüber Staatsfondsinvestitionen bestehen. Kapitel § 7 stellte die Grundlagen, Anwendungsfälle und -möglichkeiten sowie Grenzen der Regulierung dar. Das vorliegende Kapitel untersucht nun die Schweizer Gesetzeslandschaft auf den Umgang mit Staatsfondsinvestitionen. Der schweizerische Bundesrat hat sich im Jahre 2008 gegen die Schaffung neuer Gesetze hinsichtlich Staatsfonds ausgesprochen und festgehalten, dass Staatsfonds und deren Aktivitäten vorerst nur beobachtet werden sollen.1 Bereits im Jahre 1991 hatte sich die Schweiz im Rahmen der Aktienrechtsrevision gegen einen Prüfmechanismus für Investitionen in sensible Bereiche entschieden.2 Der Bundesrat begrüsste 2008 die internationale Entwicklung und insbesondere die Schaffung eines internationalen Kodex für mehr Transparenz von Staatsfonds.3 Die aktuelle Gesetzeslandschaft der Schweiz wird vom Bundesrat als zum Schutz der Schweiz ausreichend empfunden. Die für die Schweiz essenziellen Infrastrukturbereiche sind in öffentlicher Hand oder durch Spezialgesetze vor Übernahme geschützt. Im Falle von Privatisierungen können Auflagen zu Eigentümerstruktur und Marktverhalten erteilt werden.4 Der Schweizer Gesetzgeber stellt Unternehmen verschiedene Instrumente zum Schutz vor unerwünschten Beteiligungen zur Verfügung und hat darüber hinaus Gesetze aufgestellt, die dem Staat ein Eingreifen in die Privatwirtschaft ermöglichen. Diese Instrumente und Gesetze sollen folgend dargestellt werden. 1 2 3 4 Raab, Staatsfonds, S. 7. Bornkämpfer, Grenzüberschreitende Unternehmensbeteiligungen, S. 32; Botschaft, 23. Februar 1983, S. 781 f. Raab, Staatsfonds, S. 7. Dringliche Interpellation, 08.3018, S. 4. 151 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds A. Aufsichtsrecht Der vorliegende Abschnitt behandelt die Offenlegungspflichten,5 das öffentliche Kaufangebot6 und die Ad-hoc-Publizität.7 I. Offenlegungspflichten Die Pflicht zur Offenlegung von Beteiligungen beabsichtigt, eine Transparenz hinsichtlich der tatsächlichen Beherrschungsverhältnisse eines Unternehmens herzustellen. Diese Transparenz verfolgt im Interesse von Kleinaktionären und Investoren insbesondere den Zweck, Informationen über Positionen von Grossaktionären und Grossaktionärsgruppen zeitnah bekannt zu geben. Zudem soll so für Transparenz und einen wirksamen Anleger- und Funktionsschutz gesorgt werden.8 Möchte ein Staatsfonds eine massgebliche Beteiligung an einer börsenkotierten Unternehmung erwerben oder veräussern, so muss er ab einer Beteiligung von 3% eine öffentliche Meldung machen.9 Diese Meldepflicht findet auch auf Gesellschaften mit Sitz im Ausland Anwendung.10 Die Meldung muss nicht nur durch den wirtschaftlich Berechtigten, sondern neu seit dem 1. Januar 2016 auch durch einen zur freien Stimmrechtsausübung befugten Dritten gemacht werden.11 Art. 120 FinfraG12 regelt: «Wer direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Aktien oder Erwerbs- oder Veräusserungsrechte bezüglich Aktien einer Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz, deren Beteiligungspapiere mindestens teilweise in der Schweiz kotiert sind, für eigene Rechnung erwirbt oder veräussert und dadurch einen Grenzwert von 3, 5, 10, 15, 20, 25, 33 1/3, 50 oder 66 2/3 Prozent der 5 6 7 8 9 10 11 12 Mit dem Inkrafttreten des neuen Finanzinfrastrukturgesetzes (FinfraG) am 1. Januar 2016 wird die Offenlegung von Beteiligungen nicht mehr im Börsengesetz (BEHG), sondern im FinfraG geregelt. Konkretisiert wird das FinfraG durch die Finanzinfrastrukturverordnung (FinfraV) sowie die Finanzinfrastrukturverordnung-FINMA (FinfraV-FINMA). Vgl. Essebier/Wyss, Offenlegung, S. 156. Art. 135 FinfraG. Art. 53 KR-SIX. Art. 20 BEHG; Botschaft, 24. Februar 1993, S. 1379/1368 ff.; Weber, KommentarBEHG, S. 166 f. Bachmann, Meldepflichten, S. 6; Meier-Hayoz, Gesellschaftsrecht, S. 460; Senn, Institutional Governance, S. 18. Botschaft, 24. Februar 1993, S. 1368 ff.; Weber, Kommentar-BEHG, S. 166. Botschaft, 3. September 2014, S. 7582. Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effektenund Derivatehandel vom 19. Juni 2015 (Finanzmarktinfrastrukturgesetz, FinfraG), SR 958.1. 152 § 8 Regulierungslandschaft der Schweiz Stimmrechte, ob ausübbar oder nicht, erreicht, unter- oder überschreitet, muss dies der Gesellschaft und den Börsen, an denen die Beteiligungspapiere kotiert sind, melden.»13 Handelt es sich um eine vertraglich oder auf andere Weise organisierte Gruppe, muss die Meldung gemäss Art. 121 FinfraG (alt Art. 20 Abs. 3 BEHG) als Gruppe durchgeführt werden.14 Sie muss innerhalb von vier Börsentagen nach Entstehen der Meldepflicht gegenüber der Börse und dem Unternehmen erfolgen. Diese Meldepflicht soll verhindern, dass heimlich eine Mehrheitsposition aufgebaut wird.15 II. Kaufangebot Unter einem Kaufangebot ist das öffentliche Angebot an die Inhaber von Beteiligungspapieren (Aktien, Partizipations- und Genussscheine) einer börsenkotierten Gesellschaft (Zielgesellschaft) zu verstehen, ihre Beteiligungspapiere zum im Angebot festgelegten Preis zu kaufen. Ein Grossaktionär, der mehr als ein Drittel der Stimmrechte eines Unternehmens erwirbt, muss gemäss Art. 135 FinfraG (alt: Art. 32 Abs. 1 BEHG) ein Kaufangebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der Gesellschaft machen, ungeachtet dessen, ob seine Stimmrechte ausübbar sind oder nicht.16 Hierbei muss der Preis dem Börsenkurs entsprechen und darf gemäss Art. 135 Abs. 2 FinfraG (Art. 32 Abs. 2 BEHG) nicht mehr als 25% unter dem höchsten Preis liegen, den der Anbieter in den letzten zwölf Monaten für Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft bezahlt hat. Der Grenzwert von einem Drittel der Stimmrechte eines Unternehmens kann gemäss Art. 135 Abs. 1 FinfraG (alt: Art. 32 Abs. 1 BEHG) in den Statuten bis auf 49% der Stimmrechte erhöht oder gänzlich ausgeschlossen werden. Dabei muss das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 706 OR berücksichtigt werden.17 III. Ad-hoc-Publizität Ad-hoc-Publizität bedeutet, dass alle gegenwärtigen und potenziellen Marktteilnehmer chancengleich mit potenziell kursrelevanten Informationen versorgt 13 14 15 16 17 Art. 120 FinfraG. Art. 20 Abs. 3 BEHG. Art. 123 Abs. 1 FinfraG i.V.m. Art. 24 FinfraV-FINMA; Meier-Hayoz/Forstmoser, Gesellschaftsrecht, S. 460 f. Meier-Hayoz/Forstmoser, Gesellschaftsrecht, S. 462; Tschäni/Diem/Iffland/Gaberthüel, Öffentliche Kaufangebote, S. 21. Binder, M&A-Rechtsentwicklungen, S. 9; Meier-Hayoz/Forstmoser, Gesellschaftsrecht, S. 462 f.; Tschäni/Diem/Iffland/Gaberthüel, Öffentliche Kaufangebote, S. 51 153 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds werden, um Transparenz und Gleichbehandlung der Marktteilnehmer zu gewährleisten.18 Ein Emittent muss den Markt gemäss Art. 53 Abs. 1 Kotierungsreglement der SIX (KR)19 über alle kursrelevanten Informationen unterrichten, die seinem Tätigkeitsbereich zuzuordnen und im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit entstanden sind.20 Diese Meldung muss so erfolgen, dass eine Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer möglich ist.21 B. Gesellschaftsrecht Die Schweiz überlässt es ihren Bürgern, selbst zu bestimmen, mit wem sie eine Geschäftsbeziehung eingehen wollen. Der Gesetzgeber gibt den Unternehmen deshalb die Möglichkeit, sich vor übermässiger Einflussnahme zu schützen. Dazu kennt das Gesetz die Vinkulierung, die Beschränkung von Stimmrechten, die Ausgabe von Stimmrechtsaktien sowie Nationalitäts- und Wohnsitzanforderungen für Organe. Diese Möglichkeiten zielen nicht direkt auf Investitionen ausländischer Investoren wie Staatsfonds ab, bieten Unternehmen aber gute Schutzmöglichkeiten gegen unerwünschte Investitionen jeder Art.22 Das Gesellschaftsrecht kennt weiterhin Regeln bezüglich Transparenz sowie Treuepflichten für Organe und Mitarbeiter.23 I. Vinkulierung Aktiengesellschaften können in ihren Statuten die Übertragbarkeit von Namensaktien24 beschränken, d.h. vinkulieren.25 Für die Übertragung einer vinkulierten Namensaktie ist die Zustimmung des Verwaltungsrats notwendig.26 18 19 20 21 22 23 24 SIX, Ad-hoc-Publizität, S. 1. Art. 27 FinfraG verankert den Grundsatz der Selbstregulierung. Die SIX Swiss Exchange hat im Rahmen dessen das Reglement über die Zulassung von Effekten zum Börsenhandel, Kotierungsreglement der SIX (KR) erlassen. Tschäni/Diem/Iffland/Gaberthüel, Öffentliche Kaufangebote, S. 57. Tschäni/Diem/Iffland/Gaberthüel, Öffentliche Kaufangebote, S. 61. Zihler, Gesellschaftsrechtliche Abwehrmöglichkeiten, S. 2. Auf diese wird unter § 8.F. eingegangen. Das Schweizer Aktienrecht unterscheidet zwischen Inhaber- und Namensaktien (Art. 622. Abs. 1 OR). In den Statuten einer Aktiengesellschaft muss festgelegt werden, ob Inhaber- oder Namensaktien ausgegeben werden, darüber hinaus auch das Verhältnis zwischen diesen. Eine Inhaberaktie ist gemäss Art. 689a Abs. 2 sowie 978 Abs. 1 OR ein echtes Inhaberpapier. Sie ist leicht handelbar, die Übertragung erfolgt aufgrund sachrechtlicher Grundsätze und kann nicht beschränkt werden. Seit dem 1. Juli 2015 gilt für die Inhaberaktie eine Meldepflicht: Jede natürliche und juristische Person muss der Gesellschaft melden, wenn sie Inhaberaktien erwirbt. Anders als im Börsengesetz ist die Meldung an keine Schwelle gebunden und bereits der Erwerb einer einzelnen Aktie löst eine 154 § 8 Regulierungslandschaft der Schweiz Bei der Vinkulierung wird grundsätzlich zwischen börsenkotierten und nicht-börsenkotierten Unternehmen unterschieden.27 1. Börsenkotierte Namensaktien Börsenkotierte Namensaktien können auf drei Arten vinkuliert werden: Erstens kann eine Aktiengesellschaft gemäss Art. 685d Abs. 1 OR eine prozentmässige Begrenzung für einzelne Aktionäre oder verbundene Aktionärsgruppen in ihre Statuten aufnehmen. Beim Überschreiten der festgelegten Grenze wird der Erwerber als Aktionär bzw. Nutzniesser gemäss Art. 685a Abs. 2 OR abgelehnt. Sinn dieser Beschränkungsmöglichkeit mittels Quoten ist, dass die Gesellschaft zu einem bestimmten Mass darüber entscheiden kann, wie sich der Aktionärskreis zusammensetzt.28 Um eine solche Quotenregelung in die Statuten aufzunehmen, braucht es einen GV-Beschluss mit einem qualifizierten Mehr von zwei Dritteln der Stimmen und der absoluten Mehrheit der vertretenen Nennwerte. Ein solcher Beschluss kann keine rückwirkende Geltung entfalten.29 Manche Schweizer Publikumsgesellschaften besitzen in ihren Statuten Bestimmungen, welche den Erwerb von Aktien auf 5% oder 10% beschränken und Investoren ablehnen, die eine höhere Beteiligung beabsichtigen.30 Trotz Ablehnung gehen in diesem Fall das Eigentum und die Rechte an den Erwerber über; verwehrt werden ihm einzig die Stimmrechte. Die Gesellschaft muss den Erwerber als nicht stimmberechtigter Aktionär ins Aktienbuch eintragen. Die anderen Aktionärsrechte wie der Anspruch auf Dividende und das Recht auf Bezug bleiben erhalten.31 Zweitens kann der Verwaltungsrat gemäss Art. 685d Abs. 2 OR den Eintrag ins Aktienbuch verweigern, wenn der Erwerber nicht ausdrücklich bestä- 25 26 27 28 29 30 31 Meldepflicht aus (Art. 697i Abs. 1 OR). Eine Namensaktie ist gemäss Art. 684 Abs. 2 OR ein gesetzliches Orderpapier. Um Aktionärsrechte geltend zu machen, muss der Aktionär neben dem Besitz des Aktientitels auch einen Eintrag im Aktienbuch aufweisen. Die Aktiengesellschaft ist verpflichtet, ein Aktienbuch zu führen, in welchem sie die Inhaber der Aktienpapiere führt. Vgl. Baudenbacher, BSK 622, S. 307 f.; Bieri, Statutarische Beschränkungen, S. 205; Facincani/Sutter, Meldepflichten, S. 216 f.; Zihler, Gesellschaftsrechtliche Abwehrmöglichkeiten, S. 2. Baudenbacher, BSK 622, S. 308; Zihler, Gesellschaftsrechtliche Abwehrmöglichkeiten, S. 2. Facincani/Sutter, Meldepflichten, S. 217. Oertle/Wolf/Du Pasquier, BSK 685a, S. 724. Binder, M&A-Rechtsentwicklungen, S. 3; Gehrer, Abwehrmassnahmen, S. 81. Oertle/ Wolf/Du Pasquier, BSK 685a, S. 725. Oertle/Wolf/Du Pasquier, BSK 685d, S. 741. Binder, M&A-Rechtsentwicklungen, S. 3. Art. 685 f Abs. 3 OR; Binder, M&A-Rechtsentwicklungen, S. 3. 155 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds tigt, dass er die Aktien im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erworben hat.32 Drittens kann eine Unternehmung gemäss Art. 4 SchlT AG33 in den Statuten eine Beschränkung der Anerkennung von Personen als Erwerber börsenkotierter Namensaktien festlegen, sofern dies notwendig ist, um Bundesrecht einzuhalten.34 Dem Verwaltungsrat obliegt die Pflicht, vor der Ablehnung zu überprüfen, ob das Bundesgesetz anwendbar ist. Oftmals handelt es sich um eine Beschränkung der Nationalität der Investoren. Diese Vinkulierungsmöglichkeit soll garantieren, dass zwingende Vorgaben anderer Bundesgesetze eingehalten werden. Eine ausländische Herkunft alleine reicht nicht aus.35 Reine Ausländerquoten dürfen nicht einführt werden, da eine Aktiengesellschaft gemäss Art. 717 Abs. 2 OR der Pflicht zur Gleichbehandlung der Aktionäre unterliegt.36 Seit der Aktienrechtsreform 1991 kann ein Aktienerwerber nicht mehr ohne Grundangabe abgelehnt werden.37 In der Schweiz kotierte Unternehmen müssen die Eintragungskriterien für vinkulierte Namensaktien offenlegen.38 Die Gleichbehandlungsplicht gilt dabei nicht absolut und es dürfen Differenzierungen nach gleichem Massstab erfolgen. Es kann beispielsweise gerechtfertigt sein, aufgrund der Höhe von Beteiligungen zu unterscheiden.39 Die Quoten müssen aufgrund von sachgemässen und objektiven Kriterien festgelegt werden, die von den Aktionären eingesehen werden können.40 Echte Publikumsgesellschaften haben so die Möglichkeit, den Einfluss eines Investitionsfonds zu beschränken, indem sie durch eine prozentuale Begrenzung verhindern, dass Gross- oder Kontrollaktionäre entstehen. Dabei ist das Unternehmen an das Gleichbehandlungsgebot bzw. Willkürverbot gebunden, d.h. der Verwaltungsrat darf keine ungerechtfertigten Unterscheidungen zwischen den Aktionären machen und so etwa nur ihm genehme Grossund Kontrollaktionäre zulassen. Grundsätzlich obliegt es der Generalversammlung, ob sie unter Wahrung des qualifizierten Mehr gemäss Art. 704 Abs. 1 Ziff. 3 OR die Übertragbarkeit von Namensaktien einschränken will oder nicht.41 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 Binder, M&A-Rechtsentwicklungen, S. 3; Böckli, Aktienrecht, S. 655. Schlussbestimmungen zum Sechsundzwanzigsten Titel. Vgl. Pasquier/Wolf/Oertle, BSK 4 SchlT AG, S. 2677 ff. Bieri, Statutarische Beschränkungen, S. 160 ff.; Gehrer, Abwehrmassnahmen, S. 81. Meier-Hayoz/Forstmoser, Gesellschaftsrecht, S. 507. Meier-Hayoz/Forstmoser, Gesellschaftsrecht, S. 455. Binder, M&A-Rechtsentwicklungen, S. 3; Meier-Hayoz/Forstmoser, Gesellschaftsrecht, S. 506 f. Bieri, Statutarische Beschränkungen, S. 205; Böckli, Aktienrecht, S. 205; Oertle/ Wolf/Du Pasquier, BSK 685d, S. 742. Meier-Hayoz/Forstmoser, Gesellschaftsrecht, S. 455. Oertle/Wolf/Du Pasquier, BSK685d, S. 742. Zihler, Gesellschaftsrechtliche Abwehrmöglichkeiten, S. 3. 156 § 8 Regulierungslandschaft der Schweiz 2. Nicht-börsenkotierte Unternehmen Anders sieht es bei nicht-börsenkotierten Unternehmen aus. Der Eintrag ins Aktienbuch kann verweigert werden, wenn ein wichtiger, sachlicher und in den Statuten genannter Grund vorliegt, wobei dem Unternehmen ein weiter Ermessensspielraum offen steht.42 Mögliche Gründe sind die gewünschte Art der Zusammensetzung des Aktionärskreises, die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks und die wirtschaftliche Selbstständigkeit des Unternehmens gemäss Art. 685b Abs. 2 OR.43 II. Stimmrechtsbeschränkung Neben der Vinkulierung hat das Zielunternehmen die Möglichkeit, gemäss Art. 692 Abs. 1 OR und Art. 627 Ziff. 10 OR die Stimmenzahl der Besitzer mehrerer Aktien zu beschränken. Mit einer statutarisch festgelegten Stimmrechtsbegrenzung kann der Einfluss eines Staatsfonds eingeschränkt werden. Eine solche Stimmrechtsbeschränkung kann verhindern, dass eine Unternehmung durch einen oder wenige Aktionäre beherrscht wird. Dabei ist jedem Aktionär mindestens eine Stimme anzuerkennen. Die Kompetenz und das Ermessen liegen hierfür bei der Generalversammlung.44 III. Stimmrechtsaktien Weiter besteht die Möglichkeit, gemäss Art. 693 OR Stimmrechtsaktien einzuführen. Stimmrechtsaktien sind Aktien, die über einen kleineren Nennwert als andere Aktien verfügen, aber trotzdem eine Stimme in der Generalversammlung der Unternehmung besitzen.45 Stimmrechtsaktien ermöglichen somit einem Aktionär oder einer Aktionärsgruppe, mit einem vergleichbar kleinen Aktienkapital die Unternehmung zu beherrschen.46 Stimmrechtsaktien sind somit ein Instrument zur Bildung von Führungsschwergewichten,47 um damit z.B. bestehende Machtverhältnisse zu festigen.48 Nicht möglich ist die Einführung von Aktien mit unterschiedlicher Stimmkraft.49 42 43 44 45 46 47 48 49 Böckli, Aktienrecht, S. 654; Gehrer, Abwehrmassnahmen, S. 77; S. 95, Tschäni, Vinkulierung, S. 14. Zihler, Gesellschaftsrechtliche Abwehrmöglichkeiten, S. 4. Meier-Hayoz/Forstmoser, Gesellschaftsrecht, S. 499; Zihler, Gesellschaftsrechtliche Abwehrmöglichkeiten, S. 4. Länzlinger, BSK OR 693, S. 837. Häusermann, Stimmrechtsaktien, S. 241. Botschaft, 23. Februar 1983, S. 787; Häusermann, Stimmrechtsaktien, S. 241. Gehrer, Abwehrmassnahmen, S. 84. Länzlinger, BSK OR 693, S. 837. 157 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Eine Stimmrechtsaktie kann nicht uneingeschränkt eingeführt werden. Gemäss Art. 693 Abs. 2 OR ist das Stimmprivileg auf das Zehnfache des Nennwerts der Stimmrechtsaktie beschränkt.50 Damit soll sichergestellt werden, dass die Stimmkraft und die Kapitaleinlage nicht allzu stark voneinander abweichen.51 Überdies sieht Art. 693 Abs. 3 OR spezifische Wahlen und Abstimmungen vor, bei denen das Stimmrecht nicht nach Anzahl von Aktien geht.52 Ausgeschlossen ist das Stimmrechtsprivileg bei der Wahl der Revisionsstelle (Art. 727), der Ernennung von Sachverständigen zur Prüfung der Geschäftsführung oder einzelner Teile (Art. 731 Abs. 2 OR), der Beschlussfassung über die Einleitung einer Sonderprüfung (Art. 697b) und der Beschlussfassung über die Erhebung einer Verantwortlichkeitsklage.53 Eine weitere Einschränkung der Stimmrechtsaktien ist, dass bei wichtigen Beschlüssen gemäss Art. 704 Abs. 1 OR ein doppeltes Quorum zum Einsatz kommt.54 Beim doppelten Quorum muss zusätzlich zum allgemeinen gesetzlichen Quorum nach Art. 703 (absolute Mehrheit der vertretenen Stimmen) auch das absolute Mehr der vertretenen Nennwerte vorliegen. Für wichtige Beschlüsse nach Art. 704 Abs. 1 Ziff. 1–8 müssen zwei Drittel der vertretenen Stimmen und das absolute Mehr der vertretenen Nennwerte erreicht werden. Diese sind: · Änderung des Gesellschaftszwecks, · Einführung von Stimmrechtsaktien, · Einführung oder Verschärfung der Vinkulierung, · genehmigte oder bedingte Kapitalerhöhung, · Kapitalerhöhung aus EK, gegen Sacheinlage oder zwecks Sachübernahme, · die Gewährung besonderer Vorteile, · Einschränkung oder Aufhebung des Bezugsrechts, · Verlegung des Sitzes der Gesellschaft und · Auflösung der Gesellschaft.55 Stimmrechtsaktien können gemäss Art. 704 Abs. 1 Ziff. 2 OR nur eingeführt werden, wenn die Gleichbehandlung der Aktionäre gewahrt bleibt.56 Zudem bedarf es dafür gemäss Art. 704 Abs. 1 Ziff. 2 OR eines qualifizierten Mehrs von zwei Dritteln der Stimmen und der Mehrheit der vertretenen Nennwerte.57 In 50 51 52 53 54 55 56 57 Art. 693 Abs. 2 OR Länzlinger, BSK OR 693, S. 837. Art. 693 Abs. 3 OR. Länzlinger, BSK OR 693, S. 839. Art. 704 OR. Art. 704 Abs. 1 OR; Dubs/Truffer, BSK 704, S. 1034 f. Zihler, Gesellschaftsrechtliche Abwehrmöglichkeiten, S. 4. Ruffner, ökonomische Grundlagen, S. 557. 158 § 8 Regulierungslandschaft der Schweiz der Schweiz sind nur verdeckte Stimmrechtsaktien zulässig. Die Stimmrechte ergeben sich aufgrund der Anzahl an Aktien, die unterschiedliche Nennwerte aufweisen können.58 C. Wettbewerbsrecht Das primäre Ziel des schweizerischen Wettbewerbsrechts ist die Verhinderung sozial schädlicher Auswirkungen von Kartellen und anderer Wettbewerbsbeschränkungen. Es soll gewährleistet werden, dass keine marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens entsteht oder verstärkt wird, welche zu einer Beseitigung wirksamen Wettbewerbs führt.59 Der Wettbewerb soll gemäss Bundesverfassung in einer freiheitlichen und marktwirtschaftlichen Ordnung gefördert werden.60 Dabei geht das Gesetz davon aus, dass ein fairer Wettbewerb die Grundvoraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft ist.61 Das schweizerische Kartellrecht bietet dem Staat Möglichkeiten, um Investitionen zu untersagen. Dabei bedient sich das Schweizer Recht einer präventiven Zusammenschlusskontrolle mit Vollzugsverbot.62 Jede Transaktion, die bestimmte Schwellen überschreitet, muss gemäss Art. 9 KG63 der Wettbewerbskommission (WEKO) gemeldet werden. Diese Meldepflicht besteht, wenn die beteiligten Unternehmen mindestens einen Umsatz von insgesamt 2 Milliarden Franken oder einen Umsatzanteil von 500 Millionen Franken in der Schweiz erzielen und wenn mindestens zwei der beteiligten Unternehmen in der Schweiz einen Umsatz von je mindestens 100 Millionen Franken erwirtschaften.64 Diese Schwellen finden gemäss Art. 9 Abs. 4 KG keine Anwendung, sofern rechtskräftig festgestellt worden ist, dass das Unternehmen in der Schweiz auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung hat.65 Für die Schwellenberechnung ist das letzte Geschäftsjahr massgeblich.66 Für Banken und Versicherer besteht eine andere Schwellenberechnung.67 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 Meier-Hayoz/Forstmoser, Gesellschaftsrecht, S. 498. Art. 1 KG; Hänni/Stöckli, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 51. Art. 94 BV; Buff, Compliance, S. 407 Buff, Compliance, S. 407. Frick/Hasler/Kuhn et al., M&A-Transaktionen, S. 586. Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen vom 6. Oktober 1995 (Kartellgesetz, KG), SR 251. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 415 Frick/Hasler/Kuhn et al., M&A-Transaktionen, S. 590; Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 415. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 415. Botschaft, 7. November 2001, S. 2046 f. 159 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Die Meldung muss vor dem Zusammenschluss erfolgen. Der Zusammenschluss kann gemäss Art. 10 KG verboten werden, wenn er zu einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 9 KG) führen oder eine solche verstärken würde. Neben einem Verbot kann auch eine Zulassung unter Bedingungen oder Auflagen durch die Wettbewerbskommission ausgesprochen werden.68 D. Staatliche Unternehmen sowie Kontrollmehrheit In der Schweiz sind strategisch wichtige Unternehmen in staatlichem Besitz oder spezialgesetzlich geschützt.69 Strategisch wichtige Unternehmen finden sich vor allem in Sektoren, in denen die wirtschaftliche Tätigkeit dem Staat vorbehalten ist, da er einen Leistungsauftrag zu erfüllen hat. Dem Staat ist diese Aufgabe in der Verfassung zugeteilt worden.70 Im staatlichen Eigentum stehen in der Schweiz vor allem Unternehmen, die im Bereich von Monopolen des Staates wirtschaftlich tätig sind. Monopole des Staates werden in rechtliche und faktische Monopole unterschieden.71 Monopole entstehen durch die Aufgabe des Staates, für hinreichende Infrastruktur zur Versorgung der Bevölkerung mit den notwendigen Gütern und Dienstleistungen zu sorgen.72 Beispiele hierfür sind das Post- und Fernmelderegal, das Radio- und Fernsehregal, das Eisenbahnwesen und weitere Verkehrsträger.73 Um seine Interessen zu schützen, hält der Bund Mehrheitsanteile an Unternehmen, die Dienstleistungen in Sektoren anbieten, die dem staatlichen Monopol vorbehalten sind. Zudem verfügt er über folgende Instrumente, um Einfluss zu nehmen: die Einsetzung des Verwaltungsrates, die Festlegung strategischer Ziele für das Unternehmen sowie die Genehmigung des Geschäftsberichts und der Jahresrechnung.74 Überdies kann der Staat sich statutarisch vorbehalten, einen staatlichen Vertreter in den Verwaltungsrat oder die Revisionsstelle einer Aktiengesellschaft zu entsenden.75 68 69 70 71 72 73 74 75 Hänni/Stöckli, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 116 ff.; Rhinow/Schmid/Biaggini/ Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 415. Senn, Institutional Governance, S. 17. Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, Bundesstaatsrecht, S. 209; Rhinow/Schmid/ Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 331. Häfelin/Müller/Uhlmann, Verwaltungsrechts, S. 588; Uhlmann, BSK 27, S. 560. Hänni/Stöckli, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 590. Häfelin/Müller/Uhlmann, Verwaltungsrechts, S. 588. UVEK, Bundesnahe Betriebe, S. 1. Art. 762 Abs. 1 OR; Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 334. 160 § 8 Regulierungslandschaft der Schweiz I. Schweizer Nationalbank (SNB) Die Schweizer Nationalbank (SNB) hat gemäss Art. 99 BV für die Geld- und Währungspolitik der Schweiz zu sorgen.76 Sie ist eine spezialgesetzliche, börsenkotierte Aktiengesellschaft, deren Aktien vollständig liberiert77 und zu 55% im Besitz der öffentlichen Hand sind. Aktionäre der SNB sind Kantone, Kantonalbanken, öffentlich-rechtliche Körperschaften und private Investoren.78 Ihre Jahresrechnung und ihr Jahresbericht müssen durch den Bundesrat genehmigt werden.79 II. Post- und Fernmeldedienst Der Bund hat die Aufgabe, für eine ausreichende und preiswerte Grundversorgung mit Post- und Fernmeldediensten in allen Landesgegenden zu sorgen:80 «Das Post- und Fernmeldewesen ist Sache des Bundes (Satz 1). Der Bund sorgt für eine ausreichende und preiswerte Grundversorgung mit Post- und Fernmeldediensten in allen Landesgegenden. Die Tarife werden nach einheitlichen Grundsätzen festgelegt (Satz 2)».81 Diese Aufgaben übernehmen die Schweizerische Post und die Swisscom. 1. Schweizerische Post Die Schweizerische Post ist eine Holdinggesellschaft mit drei Tochterunternehmen: Die Post CH AG, die PostFinance AG und die Postauto Schweiz AG.82 Die Schweizerische Post ist ein eigenständiges Unternehmen des öffentlichen Rechts in der Rechtsform einer spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft.83 Der Bund ist alleiniger Aktionär und damit Inhaber der Holding.84 Die Aufgaben als Eigentümer werden durch das Generalsekretariat des Departementes für Um76 77 78 79 80 81 82 83 84 Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 331, siehe auch Kapitel § 14.C.V.1.aa). Das Aktienkapital der SNB beträgt 25 Millionen Franken, welche in 100.000 Aktien aufgeteilt sind. Stimmberechtigt sind nur im Aktienbuch eingetragene Personen. Eingetragen werden gemäss Art. 26 Abs. 2 NBG nur 100 Aktien pro Person. Diese Vinkulierung gilt nicht für die Kantone, Kantonalbanken und öffentlich-rechtliche Körperschaften. Vgl. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 451. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 451; Geschäftsbericht SNB 2015, S. 126 f. Geschäftsbericht SNB 2015, S. 128. Art. 92 BV; Hänni/Stöckli, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 431 f.; Schott, Staat und Wettbewerb, S. 404. Siehe Art. 92 BV. Schweizerische Post AG, Rechtsform, S. 1. Schweizerische Post AG, Geschäftsbericht 2015, S. 59. Art. 2 POG i.V.m. Art. 6 POG; Schweizerische Post AG, Rechtsform, S. 1. 161 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds welt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) wahrgenommen.85 Die UVEK soll dabei die Eigentümerinteressen unabhängig von der weiteren Rolle als Regulator ausüben.86 Die Grundlage und Tätigkeit der Post ist in Art. 3 POG87 spezialgesetzlich festgelegt.88 Staatsfonds können theoretisch Anteile der Post erwerben. Gemäss Art. 6 POG muss der Bund jedoch die Kapital- und Stimmenmehrheit beibehalten. Die Einflussnahme durch einen Staatsfonds wird durch diese Regelung stark beschränkt. 2. Swisscom Das Fernmelderegal wird durch die Swisscom wahrgenommen. Ausgestaltet ist die Swisscom als spezialgesetzliche Aktiengesellschaft mit dem Bund als Hauptaktionär.89 Ende Dezember 2015 besass der Bund 50,95% der Aktien.90 Staatsfonds steht es offen, in die Swisscom zu investieren, solange der Bund die Kapital- und Stimmenmehrheit behält.91 III. Transport Der Bund ist ausserdem für Eisenbahn- und Seilbahnverkehr, Schifffahrt sowie Luft- und Raumfahrt zuständig.92 1. Luftfahrt Die Luftfahrt wird durch das Bundesgesetz über die Luftfahrt (LFG)93 geregelt.94 Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, welche gewerbsmässig Personen oder Güter befördern, benötigen eine Betriebsbewilligung des zuständigen Bundesamtes.95 Die Konkretisierung des Gesetzes findet sich in der Luftfahrtverord- 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 Schweizerische Post AG, Rechtsform, S. 1. UVEK, Strategische Ziele, S. 1. Bundesgesetz über die Organisation der Schweizerischen Post vom 17. Dezember 2010 (Postorganisationsgesetz, POG), SR 783.1. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 334. Siehe Art. 2 i.V.m. Art. Art. 6 Abs. 1 TUG. Swisscom, Geschäftsbericht 2015, S. 100. Siehe Art. 6 Abs. 1 TUG. Siehe Art. 87 BV. Bundesgesetz über die Luftfahrt vom 21. Dezember 1948 (Luftfahrtgesetz, LFG), SR 1748.0. Neuhaus/Buholzer, Luftfahrt, S. 49 ff. Siehe Art. 27 Abs. 1 LFG; Krähemann, Privatwirtschaftliche Tätigkeit, S. 34 f. 162 § 8 Regulierungslandschaft der Schweiz nung (LFV).96 Art. 103 Abs. 1 lit. c LFG verlangt, dass das Aktienkapital, sofern es sich bei der Gesuchstellerin um eine Aktiengesellschaft handelt, zu mehr als der Hälfte aus Namensaktien bestehen muss und sich die Aktien mehrheitlich im Eigentum von Schweizer Bürgern oder schweizerisch beherrschten97 Handelsgesellschaften oder Genossenschaften befinden müssen.98 2. Seeschifffahrt Ebenso geregelt ist die Schweizer Seeschifffahrt.99 Möchte eine Aktiengesellschaft ein Seeschiff für die Hochseeschifffahrt im schweizerischen Seeschifffahrtsregister eintragen, müssen die Mehrheit des Aktienkapitals sowie über zwei Drittel der Stimmen in der Hand von Aktionären sein, die über einen Wohnsitz in der Schweiz verfügen.100 Wenn eine Aktiengesellschaft als Eigentümerin eines Rheinschiffes die schweizerische Flagge führen will, so müssen Personen aus der Schweiz oder der Schweiz gleichgestellten Staaten über mindestens zwei Drittel des Aktienkapitals sowie der Stimmrechte der Gesellschaft verfügen.101 3. Schienenverkehr Der Schweizer Zugverkehr wird durch die Schweizerische Bundesbahn (SBB) ausgeführt. Die SBB ist eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft im vollständigen Besitz des Bundes.102 Der Bundesrat kann beschliessen, Aktien an Dritte zu verkaufen sowie durch Dritte zeichnen zu lassen.103 Der Bund muss aber gemäss Art. 7 Abs. 3 SBBG104 jederzeit die Aktien- und Stimmenmehrheit besitzen.105 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 Verordnung über die Luftfahrt vom 14. November 1973 (Luftfahrtverordnung, LFV), SR 748.01. Mehr als die Hälfte der Stimmen der Unternehmung müssen im Eigentum von Schweizer Bürgern oder Unternehmen sein. Bieri, Statutarische Beschränkungen, S. 336; Wiede, Reiserecht, S. 51. Bieri, Statutarische Beschränkungen, S. 165. Siehe Art. 5a lit. c der Seeschifffahrtsverordnung vom 20. November 1956, SR 747.301; Bieri, Statutarische Beschränkungen, S. 336. Siehe Art. 11 Abs. 1 lit. b der Schiffsregisterverordnung Siehe Art. 7 SBBG; Häfelin/Müller/Uhlmann, Verwaltungsrecht, S. 336; Senn, Institutional Governance, S. 17 f. Siehe Art. 7 Abs. 2 SBBG. Bundesgesetz über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG) vom 20. März 1998, SR 742.31. Siehe Art. 7 Abs. 3 SBBG. 163 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds IV. Radio- und Fernsehen Aufgabe des Bundes ist weiter das Radio- und Fernsehwesen.106 Das Anbieten von Radio- und Fernsehprogrammen braucht in der Schweiz gemäss Art. 3 lit. b RTVG107 eine staatliche Konzession. Die Konzessionsvergabe unterliegt bestimmten Voraussetzungen.108 Der Konzessionsbewerber muss die Herkunft des Kapitals sowie Beteiligungen offenlegen. Diese Norm zielt primär darauf ab, Marktkonzentrationen zu verhindern.109 Einer ausländisch beherrschten juristischen Person oder einer inländischen Person mit Ausländerbeteiligung kann die Konzession verweigert werden, falls der entsprechende ausländische Staat Schweizer Unternehmen nicht in ähnlichem Umfang Gegenrecht gewährt.110 Die dominierende Programmveranstalterin in der Schweiz ist die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG). Diese ist die einzige Trägerin einer Service-Public-Verpflichtung. Die SRG ist als privatrechtlicher Verein organisiert, ihre Finanzierung hingegen ist gesetzlich geregelt.111 V. Rüstungsbetriebe Die Bereitstellung von Rüstungsgegenständen zum Eigengebrauch der Schweiz sichert die RUAG Holding AG (RUAG).112 Die RUAG ist eine privatrechtliche Aktiengesellschaft mit dem Bund als Haupteigentümer.113 VI. Entsorgung radioaktiver Abfälle Die Entsorgung radioaktiver Abfälle der Schweiz übernimmt die NAGRA. Sie ist eine privatrechtliche Genossenschaft, an der verschiedene Gemeinwesen sowie öffentliche Unternehmen der Energiewirtschaft Beteiligungen halten.114 VII. Energieunternehmen Die Energieunternehmen in der Schweiz befinden sich vorwiegend im Besitz der Kantone oder des Bundes. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass die Kantone und der Bund über die Sachherrschaft über den öffentlichen Grund und Boden verfügen. Zum anderen soll das Interesse der Versorgungssicherheit ge106 107 108 109 110 111 112 113 114 Siehe Art. 93 BV. Bundesgesetz über Radio und Fernsehen vom 24. März 2006 (RTVG), SR 784.40. Saxer/Brunner, Rundfunkrecht, S. 296. Saxer/Brunner, Rundfunkrecht, S. 297. Art. 44 Abs. 2 RTVG; Bieri, Statutarische Beschränkung, S. 170. Saxer/Brunner, Rundfunkrecht, S. 285. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 331. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 324. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 334. 164 § 8 Regulierungslandschaft der Schweiz schützt werden, was durch die öffentliche Eigentümerschaft der Unternehmen im Energiebereich erreicht werden kann.115 E. Spezialgesetzlich geregelte Bereiche Bei Banken, Börsen und Immobilien gelten Beschränkungen für Aktionäre und Investoren, die folgend weiter ausgeführt werden. I. Banken Gemäss Art. 3 Abs. 1 BankG116 benötigen Banken für die Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit einer Bewilligung durch die FINMA.117 Dabei handelt es sich um eine Polizeibewilligung: Erfüllt der Antragssteller die Kriterien, so muss ihm die Bewilligung erteilt werden.118 Für die Bewilligung erforderlich sind eine Definition des Geschäftskreises, eine funktionierende Organisation, ein Mindestkapital sowie eine Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit.119 Die Gewähr muss die Bank auch für ihre Aktionäre abgeben, welche direkt oder indirekt mit mindestens 10% des Kapitals oder der Stimmen an der Bank beteiligt sind oder auf eine andere Weise die Geschäftstätigkeit der Bank massgeblich beeinflussen können.120 1. Ausländische Beherrschung Wird die Bank durch ausländische Personen oder Unternehmen beherrscht, kann die Bewilligung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht werden.121 Erstens muss der schweizerischen Bank im Heimatstaat der sie beherrschenden Ausländer Gegenrecht gewährt werden. Zweitens muss der Name der Bank verhindern, dass man darauf schliessen könnte, dass es sich um eine schweizerische Bank handelt. Drittens muss die Bank der SNB Auskunft über ihren Geschäftskreis sowie ihre Beziehungen zum Ausland erteilen.122 115 116 117 118 119 120 121 122 Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 498. Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934 (Bankengesetz, BankG), SR 952.0. Bieri, Statutarische Beschränkungen, S. 166; Frick/Hasler/Kuhn et al., M&ATransaktionen, S. 586 f.; Hänni/Stöckli, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 376. Favre, Banken, S. 55. Frick/Hasler/Kuhn et al., M&A-Transaktionen, S. 587. Art. 3 Abs. 2 lit. cbis BankG; Favre, Banken, S. 58. Art. 3bis Abs. 1 BankG; Favre, Banken, S. 59. Bieri, Statutarische Beschränkungen, S. 166; Hänni/Stöckli, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 376. 165 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Eine ausländische Beherrschung gemäss Art. 3bis Abs. 3 BankG liegt vor, wenn Ausländer mittels einer qualifizierten Beteiligung direkt oder indirekt die Mehrheit der Aktien halten oder in einer sonstigen Weise einen beherrschenden Einfluss ausüben können.123 Wird die Beherrschung nicht bloss von einem, sondern von mehreren Ausländern mit qualifizierten Beteiligungen ausgeübt, so müssen diese ihren Einfluss ausserdem vertraglich oder faktisch abgestimmt haben.124 2. Domizilerfordernisse Das Bankgesetz bestimmt, dass die mit der Geschäftsführung der Bank betrauten Personen ihren Wohnsitz dort haben müssen, wo sie die Geschäftsführung auch tatsächlich und verantwortlich ausführen können.125 Für die Oberleitung der Bank wird festgehalten, dass eine massgebliche Anzahl ihrer Mitglieder einen Bezug zur Schweiz aufweisen müssen, der über den Lebensmittelpunkt, die berufliche Laufbahn sowie die Ausbildung der betroffenen Personen bestimmt wird.126 3. Meldepflicht Wenn eine natürliche und juristische Person direkt oder indirekt eine qualifizierte Beteiligung an einer Bank bzw. einer Effektenhändlerin erwirbt oder veräussert, hat sie dies der FINMA gemäss Art. 3 Abs. 5 BankG zu melden.127 Unter einer qualifizierten Beteiligung sind dabei gemäss Art. 3 Abs. 2 lit. cbis BankG eine Beteiligung von mindestens 10% des Kapitals oder der Stimmen der Bank oder die Fähigkeit zur massgebenden Beeinflussung der Geschäftstätigkeit der Bank auf andere Weise zu verstehen. Zusätzlich müssen die Aktionäre gewährleisten, dass sie ihren Einfluss nicht zum Schaden einer umsichtigen und soliden Geschäftstätigkeit ausüben.128 Wird eine qualifizierte Beteiligung vergrössert oder verkleinert, sodass sie eine Schwelle von 20%, 33% oder 50% des Kapitals oder der Stimmen überoder unterschreitet, muss ebenfalls eine Meldung an die FINMA erfolgen. Die Meldepflicht besteht sowohl für den Investor als auch für die Bank. Zeitpunkt für die Meldung ist vor dem Erwerb, also vor dem Vollzug der Transaktion.129 123 124 125 126 127 128 129 Hänni/Stöckli, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 375. Schweizerische Bankiervereinigung, Staatsfonds, S. 12; Tschäni, M&A, S. 465. Art. 3 Abs. 2 lit. d BankG. Favre, Banken, S. 58. Schweizerische Bankiervereinigung, Staatsfonds, S. 12. Meier-Hayoz/Forstmoser, Gesellschaftsrecht, S. 454. Frick/Hasler/Kuhn et al., M&A-Transaktionen, S. 597. 166 § 8 Regulierungslandschaft der Schweiz II. Börsen Gemäss Art. 2 lit. a Ziff. 1 FinfraG gehören Börsen zu den Finanzinfrastrukturen und unterliegen damit der Regelung des FinfraG. Finanzinfrastrukturen benötigen für ihre Betriebstätigkeit gemäss Art. 4 Abs. 1 FinfraG eine Bewilligung der FINMA. Voraussetzung für die Erteilung der Bewilligung ist, dass Gewähr für eine einwandfreie Geschäftsführung abgegeben werden kann.130 Für qualifizierte Beteiligungen muss der Investor über einen guten Ruf verfügen. Zudem muss sichergestellt werden, dass qualifizierte Investoren ihren Einfluss nicht zum Schaden einer guten Geschäftsführung einsetzen.131 Eine qualifizierte Beteiligung liegt – wie im BankG – vor, wenn eine natürliche oder juristische Personen mindestens 10% des Kapitals oder der Stimmrechte hält oder die Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf andere Weise massgebend beeinflussen kann.132 III. Immobilien Eine weitere Einschränkung für ausländische Investoren kann im Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG)133, auch Lex Koller genannt, gesehen werden. Personen im Ausland 134 benötigen für den Erwerb von Grundstücken in der Schweiz eine Bewilligung.135 Diese Regelung verfolgt den Zweck, den «einheimischen Boden» vor «Überfremdung» zu schützen.136 Für juristische Personen ist diese Bewilligungspflicht stark relativiert, indem sie nur einer Bewilligungspflicht unterliegen, wenn sie von Personen im Ausland beherrscht werden. Unter einer Beherrschung ist gem. Art. 6 Abs. 1 BewG zu verstehen, dass aufgrund der finanziellen Beteiligung, des Stimmrechts oder aus anderen Gründen alleine oder gemeinsam mit anderen Personen im Ausland die Verwaltung oder Geschäftsführung entscheidend beeinflusst werden kann. Grundsätzlich wird eine Beherrschung angenommen, wenn ausländische Perso130 131 132 133 134 135 136 Art. 9 Abs. 1 FinfraG. Art. 9 Abs. 3 FinfraG. Art. 9 Abs. 4 FinfraG. Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 16. Dezember 1983 (BewG), SR 211.412.41. Unter dem Begriff «Personen im Ausland» versteht man gemäss Art. 5 Abs. 1 Bst. a und abis BewG i.V.m. Art. 2 BewV Ausländerinnen und Ausländer mit Wohnsitz im Ausland; Ausländerinnen und Ausländer mit Wohnsitz in der Schweiz, die weder Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft (EG) oder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) sind noch eine gültige Niederlassungsbewilligung C besitzen. Art. 2 BewG. Frick/Hasler/Kuhn et al., M&A-Transaktionen, S. 599. 167 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds nen mehr als ein Drittel des Aktienkapitals besitzen oder über mehr als ein Drittel der Stimmen in der Generalversammlung verfügen. Der Gesellschaft steht dabei offen, trotz Überschreitens der Schwellenwerte nachzuweisen, dass sie von Schweizern beherrscht wird.137 F. Stillschweigepflichten, Geschäftsgeheimnisse und Treuepflichten Die Schweiz kennt Regeln zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen.138 Diese finden sich im UWG139, im StGB140 und im OR.141 I. Schutz von Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen Wer Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse verwendet oder weiterleitet, die er ausgekundschaftet oder auf andere Art unrechtmässig erfahren hat, handelt gemäss Art. 6 UWG unlauter.142 Auch die Anstiftung zum Verrat oder zur Auskundschaftung ist miterfasst.143 Bestraft wird nicht die Kenntnis, sondern nur die unrechtmässige Verwertung, welche auch unter einen Straftatbestand fällt:144 Art. 162 StGB setzt jemandem, der das «Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis, welches er infolge einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht bewahren sollte, verrät, wer den Verrat für sich oder einen anderen ausnützt» in Aussicht, zu bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt zu werden.145 Verwaltungsräte unterliegen überdies aufgrund der allgemeinen Treuepflicht nach Art. 717 OR der Geheimhaltungspflicht. Welche Daten nicht vom Verwaltungsrat weiterverbreitet werden dürfen, ergibt sich aus ihrem Schädigungspotenzial. Auch wenn der Verwaltungsrat keinen Arbeitsvertrag mit der Gesellschaft hat, können analog die Kriterien aus Art. 321a Abs. 4 OR146 herangezogen wer137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 Bieri, Statutarische Beschränkungen, S. 164 f. De Martinis/Gaudino/Respess, Trade Secrets Study, S. 10. Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 19. Dezember 1986 (UWG), SR 241. Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (StGB), SR 311.0 De Martinis/Gaudino/Respess, Trade Secrets Study, S. 11. BGE 6B_65/2015; Baudenbacher/Glöckner, Lauterkeitsrecht Art. 6, S. 750 ff. Art. 4 lit. c UWG; Baudenbacher/Glöckner, Lauterkeitsrecht Art. 4, S. 684 ff. Meier-Gubser, UWG, S. 1496. Art. 162 StGB. Aus Sicht des Unternehmens schützenswerte Informationen sind im Obligationenrecht (Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911, SR 220) gegen Verrat oder Verwertung durch deren Angestellte geschützt. Art. 321a Abs. 4 OR statuiert eine Vertrauenspflicht, 168 § 8 Regulierungslandschaft der Schweiz den. Es sind primär Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse, die geschützt werden. Darunter lässt sich praktisch alles verstehen, was die Gesellschaft als geheimzuhalten einschätzt.147 Weiter bestimmt Art. 147 FinfraG, dass die Verletzung des Berufsgeheimnisses mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft wird. Dies gilt für jeden, der vorsätzlich «ein Geheimnis offenbart, welches ihm oder ihr in seiner oder ihrer Eigenschaft als Organ, Angestellte, Beauftragte oder Beauftragter oder Liquidatorin oder Liquidator einer Finanzmarktinfrastruktur anvertraut worden ist oder das sie oder er in dieser Eigenschaft wahrgenommen hat.»148 Auch das Verleiten zur Verletzung sowie das Ausnutzen eines unter Verletzung gewonnenen Geheimnisses sind unter Strafe gestellt.149 II. Stillschweigepflichten Weiter schützt das FinfraG150 vor Insidertätigkeit. Erlangt ein Staatsfonds in seiner Funktion als Aktionär einer schweizerischen Unternehmung eine Insiderinformation und nutzt diese Information oder leitet sie an einen Dritten weiter, handelt er unzulässig. Dieser Tatbestand ist zusammen mit dem Straftatbestand der Kursmanipulation seit dem 1. Januar 2016 in den Artikeln 142 und 143 FinfraG geregelt. Bis zum 1. Mai 2013 fanden sich die Regeln im StGB151 und dann bis Ende 2015 in den Artikeln 40 und 40a BEHG152.153 Auch die Kursmanipulation wird rechtlich verfolgt: Bestraft wird mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe, wer wider besseren Wissens falsche oder irreführende Informationen mit der Absicht verbreitet, den Kurs von Effekten, welche an einem Handelsplatz in der Schweiz zum Handel zugelassen sind, 147 148 149 150 151 152 153 die Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren: Ein Arbeitnehmer darf «geheim zu haltende Tatsachen, von denen er im Dienst Kenntnis erlangt, während des Arbeitsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen. Geheim sind alle Tatsachen, die nicht offenkundig, allgemein zugänglich sind und an denen der Arbeitgeber ein Geheimhaltungsinteresse hat. Der Arbeitnehmer hat die Geheimhaltungspflicht auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beachten. Sie besteht jedoch nur, soweit es zur Wahrung der berechtigten Interessen des Arbeitgebers erforderlich ist». Vgl. Geiser/Müller, Arbeitsrecht, S. 134 f.; Meier-Gubser, UWG, S. 1496. Müller/Lipp/Plüss, Verwaltungsrat, S. 288. Art. 147 ABs. 1 lit. a FinfraG. Art. 147 Abs. 1 lit. b und c FinfraG. Früher das BEHG. 161a und 161bis a StGB. Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel vom 24. März 1995 (Börsengesetz, BEHG), SR 954.1. Art. 3 FINMAG (Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht vom 22. Juni 2007 (Finanzmarktaufsichtsgesetz, FINMAG), SR 956.1); Druey/Druey Just/Glanzmann, Gesellschafts- und Handelsrecht, S. 239; S. 95. 169 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds erheblich zu beeinflussen, um daraus für sich oder für einen anderen einen Vermögenswert zu erzielen.154 Beträgt der Vermögensvorteil mehr als eine Million Franken, kann die Strafe bis zu 5 Jahre Freiheitsentzug oder Geldstrafe betragen.155 III. Verantwortlichkeit Staatsfonds, die in Schweizer Unternehmen investieren, können unter Umständen einen Sitz im Verwaltungsrat beanspruchen. Mitglieder des Verwaltungsrats unterstehen verschiedenen Pflichten. Der Verwaltungsrat hat gemäss Art. 716 Abs. 2 OR diejenigen Geschäfte zu führen, die er nicht Dritten übertragen kann. Art. 716a OR legt fest, welche unübertragbaren sowie unentziehbaren Organisations- sowie Kontrollaufgaben dies sind, und Art. 717 OR regelt die Sorgfalts- und Treuepflicht des Verwaltungsrats. Die Sorgfaltspflicht bestimmt, dass die Verwaltungsräte ihre Aufgabe mit aller Sorgfalt erfüllen müssen, während die Treuepflicht regelt, dass Mitglieder des Verwaltungsrats keine Geschäfte mit Dritten abschliessen dürfen, welche konträr zu den Interessen der Gesellschaft stehen.156 Dies sind insbesondere Geschäfte, die zu einem persönlichen Vorteil des Verwaltungsratsmitglieds führen. Ein Verwaltungsratsmitglied, welches gegen das Verbot verstösst, haftet gemäss Art. 754 OR für einen möglichen Schaden.157 Art. 754 Abs. 1 OR regelt, dass alle Mitglieder des Verwaltungsrats sowie alle mit der Geschäftsführung betrauten Personen für den Schaden, welchen sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursacht haben, haftbar gemacht werden können. Den Schaden einklagen können die Gesellschaft, die Aktionäre sowie Gesellschaftsgläubiger. Passivlegitimiert sind sowohl formelle als auch materielle Organe. Zu den formellen Organen gehört auch der Verwaltungsrat. Der Abs. 1 geht aber von einem funktionalen Organbegriff aus und umfasst alle mit der Geschäftsführung betrauten Personen: Alle Personen, welche Entscheide treffen und die Willensbildung einer Gesellschaft massgeblich beeinflussen können. Ein materielles Organ hingegen wurde mittels gesellschaftsinternen Aktes eingesetzt und verfügt über eine Organfunktion.158 Damit ein formelles oder materielles Organ für den Schaden haftbar gemacht werden kann, muss es bei Entscheidungen in einer Weise mitgewirkt haben, welche wesentlich über die Vorbereitung und Grundlagenbeschaffung hinausgeht.159 154 155 156 157 158 159 Art. 155 FinfraG. Art. 155 Abs. 2 FinfraG. Müller/Lipp/Plüss, Verwaltungsrat, S. 283. Müller/Lipp/Plüss, Verwaltungsrat, S. 282 f. Gericke/Waller, BSK 754, S. 1651. Gericke/Waller, BSK 754, S. 1652. 170 § 8 Regulierungslandschaft der Schweiz Neben der Haftung für Schäden kann eine nicht interessenwahrende Geschäftsführung gemäss Art. 158 StGB für ungetreue Geschäftsbesorgung bestraft werden.160 G. Geldwäschereigesetz Am 1. Januar 2016 ist die Neufassung des Geldwäschereigesetzes (GwG)161 in Kraft getreten. Ziel dieser Revision ist Transparenz hinsichtlich der hinter einer juristischen Person stehenden und diese kontrollierenden natürlichen Personen. Zur Figur des wirtschaftlich Berechtigten tritt so die Rechtsfigur des Kontrollinhabers hinzu.162 Erwirbt jemand alleine oder in Absprache mit Dritten Aktien, welche nicht an der Börse kotiert sind, und erreicht dabei einen Schwellenwert von 25% der Kapital- und Stimmrechte des Unternehmens, muss er innerhalb einer Monatsfrist die natürliche Person melden, für welche er handelt.163 Überdies erfordert das Geldwäschereigesetz, dass bei Kapital- oder Stimmrechtsbeteiligungen von mehr als 25% die begünstigte Person hinter der Beteiligung offengelegt wird.164 Sitzgesellschaften müssen wie nach dem alten GwG auch ihre wirtschaftlich Berechtigten melden.165 Börsenkotierte Gesellschaften, mehrheitlich von ihnen beherrschte Tochtergesellschaften und Gesellschaften, deren Beteiligungsrechte als Bucheffekten ausgestaltet sind, müssen nach wie vor keine Meldung machen. Alle anderen Unternehmen müssen neu nach Art. 4 Abs. 2 lit. b GwG die kontrollierenden wirtschaftlich Berechtigten melden.166 Nach neuem Recht können nur noch natürliche Personen wirtschaftlich Berechtigte sein.167 Es muss somit bis zum ultimate beneficial owner, welcher eine natürliche Person sein muss, zurückgeblickt werden. Neu wird auf den Kontrollinhaber abgestellt. Die GwV-FINMA168 definiert den Term Kontrollinhaber anders als das OR und das GwG. Das GwV-FINMA unterscheidet zwischen 160 161 162 163 164 165 166 167 168 Müller/Lipp/Plüss, Verwaltungsrat, S. 280. Bundesgesetz über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung vom 10. Oktober 1997 (Geldwäschereigesetz, GwG), SR 1955. 0. Kilgus/Losinger, Geldwäschereigesetz, S. 280. Art. 697j Abs. 2 OR; Facincani/Sutter, Meldepflichten, S. 217. Art. 20 VSB 16. Kilgus/Losinger, Geldwäschereigesetz, S. 280 Kilgus/Losinger, Geldwäschereigesetz, S. 280. Art. 2a Abs. 3 GwG und Art. 4 Abs. 2 GwG. Verordnung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht über die Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor vom 3. Juni 2015 (Geldwäschereiverordnung-FINMA, GwV-FINMA), SR 955.033.0. 171 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds dem Inhaber der Kontrolle an der juristischen Person einerseits und dem wirtschaftlich Berechtigten andererseits. Art. 2 Abs. 1 lit. f GwV-FINMA bestimmt: «Kontrollinhaberin oder -inhaber: natürliche Personen, die über Stimmen oder Kapital mit mindestens 25 Prozent direkt oder indirekt, allein oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten oder auf andere Weise die Kontrolle über eine operativ tätige juristische Person oder Personengesellschaft ausüben und als wirtschaftlich Berechtigte an diesen von ihnen kontrollierten operativ tätigen Unternehmen gelten, oder ersatzweise die geschäftsführende Person eines solchen Unternehmens.» Gemäss Art. 2a Abs. 1 lit. a GwG und Art. 13 Abs. 3 GwV-FINMA müssen ausländische Funktionsträger und ihnen nahestehende natürlichen und juristischen Personen als sogenannte «politisch exponierte Personen» von der Geschäftsleitung explizit genehmigt sowie ihrem Risiko entsprechend besser überwacht werden.169 169 Kilgus/Losinger, Geldwäschereigesetz, S. 282 f. 172 § 9 Reaktionen anderer Zielländer auf die Staatsfondsdebatte § 9 Reaktionen anderer Zielländer auf die Staatsfondsdebatte Verschiedene Länder haben ihre Aussenwirtschaftsgesetze angepasst, um den Besonderheiten staatlicher Unternehmen und Staatsfonds gerecht zu werden. Das vorliegende Kapitel setzt sich mit den Regelungen in den USA, Deutschland, Japan und der EU auseinander. A. USA Die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) verfügen über ein grundsätzlich offenes Investitionsklima, es gibt dort keine spezifischen Gesetze zur Beschränkung von Investitionen durch Staatsfonds.1 Nichtsdestotrotz kennen sie Instrumente zum Schutz der nationalen Sicherheit, die infolge der Staatsfondsdebatte verschärft und angepasst worden sind.2 In den USA kann eine ausländische Investition, welche zu einer Mehrheitsbeteiligung führt, überprüft und gegebenenfalls verboten oder unter Bedingungen gestellt werden. Diese Regelung geht auf den Defense Production Act aus dem Jahre 1950 zurück.3 I. Zuständigkeit Für das Überprüfungsverfahren ist das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) zuständig, das 1975 durch eine Executive Order des USPräsidenten geschaffen wurde.4 Gegründet wurde das CFIUS als Antwort auf zunehmende Investitionen aus Ländern der OPEC nach der Ölkrise im Jahr 1970.5 Das CFIUS ist eine behördenübergreifende Stelle.6 Mitglieder des CFIUS sind der Secretary of the Treasury, der Secretary of Homeland Security, der Secretary of Commerce, der Secretary of Defense, der Secretary of State, der Attorney General of the United States, der Secretary of Energy, der Director of National Intelligence sowie jeder Vorstehende eines Exekutivdepartments, sofern der 1 2 3 4 5 6 Gutin, Regulating, S. 745. FINSA wurde 2007 durch den US-Kongress in Kraft gesetzt und kann als Balanceakt zwischen dem Schutz der nationalen Sicherheit und einem offenen Investitionsklima gesehen werden. Vgl. Rose, FINSA 2007, S. 145. Sie auch: Gordon/Niles, Overview, S. 36; Kern, Auslandsinvestitionen im Aufwind, S. 21. Cohen, Tradeoff, S. 722; Gutin, Regulating, S. 766; Wolff, Ausländische Staatsfonds, S. 118. Executive Order 11858; 50. U.S.C. App. 2062(k); Bahgat, Assessment, S. 167; Jackson, Homeland Security, S. 1; Rose, FINSA 2007, S. 146. Patton, Globalized World, S. 15. Jackson, Homeland Security, S. 1 173 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds US-Präsident seine Teilnahme für notwendig erachtet.7 Vorstehender des CFIUS ist der Secretary of the Treasury.8 Das CFIUS trägt die Verantwortung, Vorschläge zu neuen Gesetzen zu ausländischen Investitionen zu prüfen. Überdies hat es die Aufgabe, die Auswirkungen ausländischer Portfolio- und Direktinvestitionen in den USA zu überwachen sowie einzelne Transaktionen zu überprüfen.9 II. Defense Production Act (DPA) Der Defense Production Act (DPA) von 1950 ermächtigt den US-Präsidenten, Massnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheitsinteressen zu autorisieren.10 Der DPA wurde in den letzten Jahren immer wieder durch Zusätze in Bezug auf ausländische Direktinvestitionen in den USA angepasst und weiterentwickelt (Exon-Florio-Regelung, Byrd-Amendment, FINSA). Nachfolgend wird auf die einzelnen Änderungsschritte eingegangen. 1. Exon-Florio-Regelung 1988 wurde im Zusammenhang mit Auslandinvestitionen durch den Omnibus Trade and Competitiveness Act eine erste Änderung des DPA verabschiedet, welche die Exon-Florio-Regelung 11 enthält. US-Präsident Ronald Reagan setzte den Omnibus Trade and Competitiveness Act durch die Executive Order 12661 in Kraft. Er übergab mit dieser der CFIUS die Aufgabe, ausländische Investitionen zu überprüfen und entsprechend Empfehlungen auszusprechen.12 Auslöser für diese Anpassung war der Versuch des japanischen Unternehmens Fujitsu, den US-amerikanischen Halbleiterhersteller Fairchild zu übernehmen.13 Fujitsu nahm das Angebot zurück, als es in der Reagan-Regierung auf starken Gegenwind stiess.14 7 8 9 10 11 12 13 14 Die Teilnahme der weiteren Vorstände eines Executivedepartments wurde mit der Executive Order am 23. Januar 2008 von Präsident Georg W. Bush (Executive Order 13456), mit welcher der Foreign Investment and National Security Act (FINSA) implementiert wurde, eingeführt. Diese sollten die Verfahren überwachen, wenn notwendig sich involvieren und dem Präsidenten Bericht erstatten. Vgl. Jackson, Committee, S. 8; 50 U.S.C. App. 2170, Section 721, (k)(2)(A-J). 50 U.S.C. App. 2170, Section 721, (k)(3); Executive Order 13456. Jackson, Committee, S. 2; Rose, FINSA 2007, S. 146 f. 50. U.S.C. App. 2062(a)(1); Section 2(a)(1) of the DPA; Brown/Else, DPA, S. 1; Patton, Globalized World, S. 15. 50 U.S.C. App. 2170, Section 721; Brown/Else, DPA, S. 22. Jackson, Committee,S. 5. Jiang/Li, CFIUS, S. 70. Watai, National Security, S. 1. 174 § 9 Reaktionen anderer Zielländer auf die Staatsfondsdebatte Die Exon-Florio-Änderung kodifizierte das Verfahren zur Prüfung einer ausländischen Investition durch das CFIUS. Überdies wurde gesetzlich festgehalten, dass der US-Präsident Zusammenschlüsse in den USA verbieten kann, die eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA darstellen.15 Weiter kodifizierte die Änderung die Überprüfungspraxis des CFIUS, indem folgende Schritte festgelegt wurden: 1) Der Prozess beginnt nach einer freiwilligen Meldung durch die Parteien oder einer behördlichen Überprüfung, die auf Antrag des Kongresses durchgeführt wird, 2) während 30 Tagen wird überprüft, ob die Transaktion einer spezifischen Prüfung unterzogen werden muss, 3) ggf. zusätzliche 45 Tage für die spezifische Prüfung, 4) Entscheidung durch den Präsidenten.16 2. Byrd-Amendment Eine weitere Anpassung wurde 1992 mit dem Byrd-Amendment vorgenommen. Das Byrd-Amendment führte eine Pflicht zur Überprüfung aller Investitionen von Unternehmen mit ausländischer Staatsbeteiligung ein.17 Jede Investition eines ausländischen Unternehmens mit massgeblicher Staatsbeteiligung, welche zu einer ausländischen Kontrollmehrheit in einem Unternehmen in den USA führt, wird seit dem Byrd-Amendment standardmässig überprüft.18 3. Foreign Investment and National Security Act (FINSA) Im Nachgang zu den Fällen CNOOC und Dubai Port World (DPW) hat der USamerikanische Kongress 2007 den Foreign Investment and National Security Act (FINSA) verabschiedet und damit das Mandat des Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) erweitert:19 Ausländische Investitionen sind nun nicht mehr nur auf ihre Relevanz für die Homeland Security, sondern auch für die National Security zu überprüfen.20 Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde der USA PATRIOT Act (Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act of 2001) verabschiedet, der nä15 16 17 18 19 20 Cohen, Tradeoff, S. 722; Rose, FINSA 2007, S. 150. Rose, FINSA 2007, S. 150. Bahgat, Assessment, S. 168; Rose, FINSA 2007, S. 13; Schweitzer, Economic Protectionism, S. 260. Rose, FINSA 2007, S. 152. Executive Order 13456; Cohen, Tradeoff, S. 722; Piro, Regulatory Response, S. 13. Manzer/Witte, Global Rules, S. 326. 175 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds her spezifiziert, was unter dem Begriff Critical Infrastructure 21 zu verstehen ist. Er definiert dazu 17 Sektoren22, die als kritische Infrastruktur zu werten sind.23 Die Gesetze hinsichtlich ausländischer Investitionen wurden durch den FINSA nicht massgeblich erweitert, jedoch hat das CFIUS sein Verhalten an die neue Situation angepasst und wendet das in § 9.A.II.1 beschriebene Verfahren nun strenger und öfter an.24 Das CFIUS muss neu alle Transaktionen – nicht mehr nur Kontrollbeteiligungen, in denen eine ausländische, staatlich kontrollierte Unternehmung involviert oder kritische Infrastruktur betroffen ist – standardmässig überprüfen.25 In begründeten Fällen kann der Secretary of the Treasury zusammen mit dem federführenden Leiter der Prüfungsstelle gemäss Sektion 2(b)2(D) FINSA von einer Prüfung absehen.26 III. Verfahren Das CFIUS-Verfahren hat einen formellen und einen informellen Teil. Beim formellen Teil können die Parteien vor der offiziellen Anmeldung der Transaktion Kontakt zum CFIUS aufnehmen und diese mit ihr besprechen.27 Er beginnt entweder durch eine freiwillige Meldung28 oder durch eine Eröffnung durch das CFIUS und hat einen vierstufigen Ablauf.29 Die beteiligten Unternehmen sind nicht verpflichtet, eine Transaktion beim CIFUS anzumelden, das CFIUS kann jedoch eine bereits abgeschlossene Transaktion überprüfen, wenn diese als covered transaction gilt.30 Eine covered transaction ist ein Zusammenschluss, ein Unternehmenskauf oder eine Übernahme mit der Folge einer Kontrollbeteiligung in einem Unternehmen, das Handel in den USA betreibt.31 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 «Systems and assets, whether physical or virtual, so vital to the United States that the incapacity or destruction of such systems and assets would have a debilitating impact on security, national economic security, national public health or safety, or any combination of those matters». Vgl. Jackson, Homeland Security, S. 4; Jackson, Exon-Florio, S. 11. Agriculture and Food; Defense Industry Base; Energy; Public Health and Healthcare; Chemical; Commercial Facilities; Dams; Emergency Services; Commercial Nuclear Reactors, Materials and Waste; Information Technology; Telecommunications; Postal and Shipping; Transportation Systems; Government Facilities. Jackson, Homeland Security, S. 4. Manzer/Witte, Global Rules, S. 326. Rose, FINSA 2007, S. 156. Gutin, Regulating, S. 766. Jackson, Committee, S. 7. Vor der Anmeldung einer Transaktion können die Parteien mündlich oder schriftlich Kontakt zu den Behörden aufnehmen. Vgl. Jiang/Li, CFIUS, S. 73. Jiang/Li, CFIUS, S. 73. Jiang/Li, CFIUS, S. 72; Rose, FINSA 2007, S. 160. «The term ‹covered transaction› means any merger, acquisition, or takeover that is proposed or pending after August 23, 1988, by or with any foreign person which could result 176 § 9 Reaktionen anderer Zielländer auf die Staatsfondsdebatte Der Begriff control wird durch den FINSA nicht definiert und kann durch das CFIUS mit weitem Ermessen angewandt werden.32 Laut US-Finanzministerium wird unter control die unmittelbare oder mittelbare Befugnis verstanden, die Angelegenheiten eines Unternehmen zu entscheiden – unabhängig davon, auf welcher Ebene diese Befugnis besteht und ob sie tatsächlich ausgeübt wird.33 Diese Definition der Kontrolle führt dazu, dass auch Portfolioinvestitionen einer Überprüfung unterzogen werden können. Jede Beteiligung mit einem Beeinflussungspotenzial kann eine Überprüfung nach sich ziehen.34 1. Ablauf Das CFIUS-Verfahren beginnt mit der National Security Review. In der Regel melden die Parteien eine Transaktion freiwillig an. Eine Transaktion kann während des Verfahrens jederzeit zurückgenommen werden. Mit einer Frist von 30 Tagen prüft und entscheidet das CFIUS, ob eine Sicherheitsprüfung stattfinden soll.35 Wird ein Verfahren eröffnet, findet die National Security Investigation mit einer 45-tägigen Frist statt, an deren Ende das CFIUS dem US-Präsidenten schriftlich berichtet.36 Dieser entscheidet in letzter Instanz innerhalb einer 15-tägigen Frist über die Zulassung der Investition.37 Der Entschluss ist endgültig und es gibt keine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit.38 2. Verfahrenseröffnung durch das Komitee Stellt die CFIUS fest, dass es sich bei einer Transaktion um eine covered transaction handelt, muss sie ein Verfahren eröffnen.39 Gemäss Sektion 6 der Executive Order 13456 kann jedes Komiteemitglied eine Untersuchung eröffnen. Die 32 33 34 35 36 37 38 39 in foreign control of any person engaged in interstate commerce in the United States». Vgl. 50 U.S.C. App. 2170, Section 721 (a)(3). «Control has the meaning given to such term in regulations which the commitee shall prescribe». Siehe 50 U.S.C. App. 2170, Section 721 (a)(2). «The power, direct or indirect, whether or not exercised, through the ownership of a majority or dominant minority of the total outstanding voting interest in an entity, board representation, proxy voting, a special share, contractual arrangements, formal or informal arrangements to act in concert, or other means, to determine, direct, or decide important matters affecting an entity.» Siehe 31 CFR 800.204(a) Rose, FINSA 2007, S. 159. Jiang/Li, CFIUS, S. 72; Rose, FINSA 2007, S. 161. 50 U.S.C. app. 2170 Section 721 (b)(2)(D); Tietje/Kluttig, Rechtslage, S. 8. 50 U.S.C. app. 2170 Section 721 (d); Tietje/Kluttig, Rechtslage, S. 9; Jackson, Exon-Florio, S. 9. 50 U.S.C. app. 2170 Section 721 (e); Tietje/Kluttig, Rechtslage, S. 9; Jackson, Exon-Florio, S. 9. 50 U.S.C. app. 2170 Section 721 (b)(1)(A)(i). 177 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Kommunikation gegenüber den Parteien erfolgt ausschliesslich über die Lead Agency 40 oder über die vorsitzende Person des Komitees, wenn keine Lead Agency benannt ist.41 3. Mitigation Agreements Die FINSA-Anpassung 2007 hat überdies sogenannte Mitigation Agreements eingeführt, mit denen sich die Gefährdung der nationalen Sicherheit minimieren lässt. Wirft eine Transaktion Bedenken auf, kann sie unter Bedingung der Anpassung bestimmter Faktoren genehmigt werden.42 Die Möglichkeit zur Anpassung von Transaktionen bestand jedoch bereits vor FINSA; durch FINSA wurden die Mitigation Agreements lediglich kodifiziert.43 IV. Anwendung Bekannt sind erst wenige Fälle, in denen eine Transaktion in den USA verboten worden ist. Viele Unternehmen ziehen ihre Angebote zurück, bevor eine Transaktion offiziell verboten werden kann.44 1990 versuchte die China National Aero-Technology Import & Export Corporation (CATIC), den Flugzeugteilehersteller MAMCO zu übernehmen.45 Ein weiterer Fall wurde im September 2012 bekannt, als US-Präsident Barack Obama eine Transaktion gemäss FINSA blockierte. Das chinesisch beherrschte amerikanische Unternehmen Ralls Corporation wollte ein Windenergie-Projekt in der Nähe eines Trainingsgeländes der U.S. Navy in Oregon kaufen. Zum ersten Mal seit CATIC 1990 nutzte der Präsident seine Kompetenz und legte sein Veto ein. Eine Beschwerde von Ralls beim U.S. Federal Court wurde nicht zugelassen, da die Entscheidung des Präsidenten keine Rechtsmittel offen lässt und nicht angefochten werden kann.46 Dieser Fall demonstrierte das grosse Ermessen des Präsidenten bei der Entscheidung, welche Transaktion eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellt und welche nicht.47 Das CFIUS-Verfahren hat zur Folge, dass ausländische Investoren auf die Beratung durch Anwälte angewiesen sind, die sich in CFIUS-Prozessen auskennen. Geschulte Anwälte nehmen bereits im Vorfeld der Transaktion Kontakt zu 40 41 42 43 44 45 46 47 Zur Funktion der «Lead Agency» sieht Sektion 5 des Executive Orders 13456. Executive Order 13456. 50 U.S.C. app. 2170 Section 721 (l); Cohen, Tradeoff, S. 722; Piro, Regulatory Response, S. 13. Rose, FINSA 2007, S. 154. Jiang/Li, CFIUS, S. 76; Watai, National Security, S. 1. Brown/Else, DPA, S. 21. Jiang/Li, CFIUS, S. 76. Watai, National Security, S. 1 f. 178 § 9 Reaktionen anderer Zielländer auf die Staatsfondsdebatte den zuständigen Behörden auf, um eine Transaktion so strukturieren können, dass sie keinen Anlass für ein Verfahren bietet.48 Nichtsdestotrotz wird das Verfahren als zeitaufwendige und für die Investoren mühsame Prozedur beschrieben.49 Der CFIUS-Prozess hat den Vorteil, dass keine starren Beteiligungsgrenzen für die Überprüfung von Transaktionen festgelegt sind. Unter covered transactions können jegliche Transaktionen fallen, die zu einer beherrschenden Einflussnahme auf eine in der USA operierende Unternehmung führen.50 Dies ist gleichzeitig auch ein Nachteil, da dies zu willkürlichen Entscheidungen führen kann und die betroffenen Unternehmen, nicht eindeutig abschätzen können, ob eine Transaktion unter die covered transactions fällt. Abhilfe schafft hier die Möglichkeit, die CFIUS im Vorfeld der Transaktion zu konsultieren und den Prozess zu besprechen.51 Ein weiterer Mangel des Verfahrens ist das Fehlen einer Definition des Begriffs Nationale Sicherheit, das einen sehr weiten Ermessensspielraum und damit die Tür für Willkür öffnet.52 Auch das Fehlen einer Einspruchsmöglichkeit gegen die Entscheidung des Präsidenten ist mit rechtsstaatlichen Prinzipien nur schwer in Einklang zu bringen. Eine derart schwer in die Wirtschaftsfreiheit eingreifende Entscheidung sollte durch ein unabhängiges Gremium überprüft werden können.53 B. Deutschland In Deutschland wurden als Antwort auf die Staatsfonds-Diskussionen im Spätsommer 2008 sowohl das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) als auch die dazugehörige Außenwirtschaftsverordnung (AWV) überarbeitet. Die Änderungen basieren auf dem Vorbild des US-amerikanischen Aussenwirtschaftsrechts und wurden am 24. April 200954 durch das 13. Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsrechts in Kraft gesetzt.55 48 49 50 51 52 53 54 55 Rose, FINSA 2007, S. 160. Rose, FINSA 2007, S. 159. Siehe hierzu Kapitel § 10.A.III. Siehe hierzu Kapitel § 10.A.III. Siehe hierzu Kapitel § 10.A.II. Siehe hierzu Kapitel § 10.A.III. 2013 wurden das Aussenwirtschaftsgesetz und die Verordnung sprachlich überarbeitet und gestrafft. Vgl. BMWi, Aussenwirtschaftsrecht, S. 1. Krolop, Staatliche Einlasskontrolle, S. 40; Manzer/Witte, Global Rules, S. 327. 179 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds I. Neuerungen Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) erhielt durch die Änderungen Kompetenzen für weitreichende Interventionen.56 Das BMWi wurde ermächtigt, Transaktionen, welche zu einem direkten oder indirekten Erwerb von mindestens 25% der Stimmrechte eines deutschen Unternehmens führen, zu überprüfen. Erachtet das BMWi eine Transaktion als «Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland», kann die Transaktion mit Zustimmung der Bundesregierung untersagt werden.57 Neu umfasst der Schutzbereich, der früher nur auf die militärische Sicherheit Anwendung fand, alle Sektoren, die relevant für die öffentliche Sicherheit sind.58 Überprüft werden können auch private Transaktionen sowie gesetzliche Erwerbsvorgänge nach dem Umwandlungs- oder Erbrecht.59 Die zentralen Sicherheitsinteressen der Gesellschaft sowie weitere Grundinteressen sollen damit geschützt werden (Art. 52, Art. 65 Abs. 1 AEUV).60 Um eine Transaktion zu verbieten, muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen.61 Die Begriffe öffentliche Ordnung und Sicherheit sind dabei aus europarechtlicher Perspektive zu verstehen. Gemäss dem Gerichtshof der europäischen Union (EuGH) ist die öffentliche Sicherheit betroffen, wenn die Versorgung der Bevölkerung in Sektoren mit strategischer Bedeutung (z.B. Telekommunikation, Elektrizität) nicht mehr gewährleistet ist.62 Mit der Ausweitung der Geltung des AWG auf alle Sektoren bezweckte der Gesetzgeber, der sich ständig weiterentwickelnden Wirtschaft Rechnung zu tragen. Eine Beschränkung auf bestimmte Branchen hätte die Gefahr geborgen, dass erst später als sensitiv erkannte Sektoren nicht erfasst worden wären.63 56 57 58 59 60 61 62 63 Krolop, Staatliche Einlasskontrolle, S. 40; Manzer/Witte, Global Rules, S. 327. § 4 Abs. 1 Nr. 1 AWG; Altmeppen/Ego, Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, Rz. 725; BMWi, Fragen und Antworten, S. 2; Heep, Deutsche Reaktionen, S. 4; Ràsonyi, protektionistische Waffen, S. 2; Stork, German Foreign Investment Regime, S. 270. Krolop, Staatliche Einlasskontrolle, S. 40; Manzer/Witte, Global Rules, S. 327; Ràsonyi, protektionistische Waffen, S. 2; Stork, German Foreign Investment Regime, S. 262. Seibt/Wollenschläger, Unternehmenstransaktionen, S. 836. § 4 Abs. 1 Nr. 1–4; Altmeppen/Ego, Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, Rz. 725; Stork, German Foreign Investment Regime, S. 270. Bornkämper, Grenzüberschreitende Unternehmensbeteiligungen, S. 22; Weber/Schalast, Handlungsspielräume, S. 35. Vgl. EuGH, Urteil vom 14.3.2000, C-54/99, Rz. 19; BMWi, Begründung, S. 3; BMWi, Fragen und Antworten, S. 2. BMWi, Fragen und Antworten, S. 1. 180 § 9 Reaktionen anderer Zielländer auf die Staatsfondsdebatte II. Zuständigkeit Für die Überprüfung und Beschränkung von Investitionen ist das BMWi zuständig.64 Da die Parteien nicht verpflichtet sind, eine geplante Transaktion anzumelden, obliegt es dem BMWi, binnen einer Frist von drei Monaten eine etwaige Prüfung von Amts wegen einzuleiten.65 Die relevanten Transaktionen muss das BMWi selbst ermitteln, um eine zusätzliche Belastung für ausländische Investoren zu vermeiden.66 Die dafür nötigen Informationen bekommt das BMWi von der Finanzdienstleistungsaufsicht sowie dem Bundeskartellamt. Erstere hat dem BMWi gemäss § 7 Abs. 1 Satz 2 WpÜG sämtliche Informationen zu übermitteln, welche ihr über Unternehmensübernahmen vorliegen. Überdies kann das Bundeskartellamt gemäss § 50c Abs. 3 GWB Angaben über Unternehmen, die an einem Zusammenschluss beteiligt sind, an das BMWi weiterleiten, sofern dies zur Verfolgung aussenwirtschaftlicher Ziele notwendig ist.67 III. Erfasste Transaktionen Die Schwelle für die Überprüfung von Investitionen durch das BMWi liegt bei einer Beteiligung von 25% der Stimmrechte.68 Diese wird rein technisch bemessen und bei einer Unklarheit obliegt es dem Käufer, den Beweis zu erbringen, dass die Beteiligung unter 25% liegt.69 Erwirbt ein Käufer eine Beteiligung von weniger als 25% oder einen Anteil ohne Stimmrechte, kann das BMWi nichts gegen die Transaktion unternehmen.70 Bei der Berechnung der 25%-Stimmrechtsquote werden dem Erwerber Stimmrechte anderer Gesellschaften, an denen er mit mindestens 25% beteiligt ist, gem. § 56 Abs. 2 Ziff. 1 AWV zugerechnet. Dasselbe gilt gem. § 56 Abs. 2 Ziff. 2 AWV, wenn der Erwerber mit Dritten Vereinbarungen über eine gemeinsame Stimmrechtsausübung abgeschlossen hat. Somit werden nicht nur die Beteiligungen drittstaatenansässiger Fonds erfasst, sondern auch die ihrer Konzerntöchter und solcher Investoren, die Stimmrechtsvereinbarungen mit Staatsfonds abgeschlossen haben.71 64 65 66 67 68 69 70 71 Altmeppen/Ego, Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, Rz. 724; BMWi, Fragen und Antworten, S. 3; Jost, German Policy Reaction, S. 459; Stork, German Foreign Investment Regime, S. 261. BMWi, Fragen und Antworten, S. 2; Stork, German Foreign Investment Regime, S. 261; § 55 Abs. 3 AWV. BMWi, Begründung, S. 1. BMWi, Begründung, S. 12 f. § 56 Abs. 1 AWV; Beuttenmüller, Auβenwirtschaftsgesetz, S. 283. Stork, German Foreign Investment Regime, S. 265. Stork, German Foreign Investment Regime, S. 267. BMWi, Fragen und Antworten, S. 2; Stork, German Foreign Investment Regime, S. 261; § 55 Abs. 3 AWV. 181 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Transaktionen fallen nur dann unter die aussenwirtschaftliche Investitionskontrolle, wenn sie «gemeinschaftsfremd» sind. Gemeinschaftsfremd sind per Legaldefinition alle natürlichen und juristischen Personen bzw. Personenvereinigungen, die ihren Wohn- oder Satzungssitz, ihre Hauptverwaltung oder dauernde Niederlassung nicht in der Europäischen Union (EU) haben.72 Die Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) werden hierbei als Teil der EU behandelt.73 IV. Verfahren Das BMWi-Prüfverfahren verläuft zweistufig: Die erste Stufe, das Vorprüfverfahren gemäss § 55 Abs. 3 AWV, dient der Überprüfung, ob ein Verfahren initiiert werden soll. Hierfür hat das BMWi drei Monate Zeit. Neben der Prüfung, ob nach Investition eine ausländische Beherrschung (ein Anteil von mindestens 25%) vorliegen würde, untersucht das BMWi auch, ob eine Bedrohung für die nationale Sicherheit wahrscheinlich ist. Der Erwerber wird per Verwaltungsakt informiert, ob ein Verfahren durchgeführt wird oder nicht. Mit dieser Mitteilung endet das Vorprüfungsverfahren. Wird ein Verfahren aufgenommen, werden die Parteien aufgefordert, alle sachdienlichen Unterlagen einzureichen.74 Nach vollständiger Einreichung der Unterlagen setzt die Frist für das Hauptprüfverfahren ein. Werden die Unterlagen nicht innerhalb einer angemessenen Frist zur Verfügung gestellt, kann das Ministerium den Erwerb ohne weitere Prüfung untersagen. Das Hauptverfahren, d.h. die formelle Überprüfung der Unterlagen für die Transaktion, wird innerhalb von zwei Monaten durchgeführt.75 In diesem Entscheidungsstadium werden diejenigen Bundesministerien einbezogen, die sachlich von der Prüfung berührt sein könnten.76 Neben dem offiziellen Prüfverfahren gibt es die Möglichkeit der Selbstanmeldung, um eine rechtlich verbindliche Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erwirken, welche bestätigt, dass keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt.77 Hierzu müssen der geplante Erwerb, der Erwerber sowie dessen Geschäftsfeld in Grundzügen dargestellt werden.78 Die Prüfung ist 72 73 74 75 76 77 78 Roth, Investitionsbeschränkungen, S. 59. BMWi, Eckpunkte, S. 1; BMWi, Fragen und Antworten, S. 1. § 57 AWV. § 59 AWV. BMWi, Begründung, S. 2; S. 10. § 58 AWV; BMWi, Begründung, S. 3; BMWi, Eckpunkte, S. 1; Fragen und Antworten, S. 3. § 58 AWV; Beuttenmüller, Auβenwirtschaftsgesetz, S. 283. 182 § 9 Reaktionen anderer Zielländer auf die Staatsfondsdebatte auch im Vorfeld einer Transaktion möglich, ein Einreichen der Verträge ist dazu nicht notwendig.79 Entscheidet sich das Ministerium innerhalb eines Monats, ein Verfahren zu eröffnen, leitet es ein Vorprüfungsverfahren gemäss § 53 Abs. 1 S. 1 AWV ein. Für das ordentliche Verfahren hat das BMWi eine weitere dreimonatige Frist einzuhalten. Für Staatsfonds aus Drittstaaten besteht selbst bei sensiblen Transaktionen ein Anreiz zur Selbstanzeige, um den Prozess zu beschleunigen und möglichst schnell Rechtssicherheit zu erlangen.80 Das BMWi hat die Bundesregierung über das Prüfergebnis zu unterrichten. Für die Anordnung von Massnahmen oder die Untersagung einer Transaktion ist die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich.81 Die Entscheide des BMWi können durch ein Verwaltungsgericht überprüft werden.82 C. Japan Japan kennt keine spezifischen Regeln für Direktinvestitionen. Es lassen sich aber Bestimmungen im Foreign Exchange and Foreign Trade Act No 28 (FEFTA) aus dem Jahr 1949 finden.83 Der FEFTA regelt unter anderem ein Anmeldeverfahren für ausländische Investitionen, um die Souveränität und nationale Sicherheit Japans zu schützen.84 Vor 1991 musste jede ausländische Transaktion in Japan genehmigt werden. Seit 1991 braucht es in der Regel nur noch eine nachträgliche Meldung an das Finanzministerium – mit wenigen Ausnahmen.85 2007 hat Japan seine Gesetze zur Regelung von Investitionen ausländischer Unternehmen angepasst, um den geänderten Verhältnissen der Sicherheitsumgebung Japans sowie den neuen Trends internationaler Geldflüsse Rechnung zu tragen.86 Ziel der Änderung war unter anderem, zu verhindern, dass für Japans Verteidigung wichtige Technologie das Land verlässt. Die Liste der Sektoren, welche einer Voranmeldepflicht unterliegen, wurde in den Bereichen der DualUse-Industrien und der Waffentechnologien erweitert.87 79 80 81 82 83 84 85 86 87 Stork, German Foreign Investment Regime, S. 269; Weber/Schalast, Handlungsspielräume, S. 37. Stork, German Foreign Investment Regime, S. 269. BMWi, Fragen und Antworten, S. 3. BMWi, Begründung, S. 3; BMWi, Fragen und Antworten, S. 4. Akimoto, Foreign Exchange Law, S. 1; APEC, Guide, S. 65; Baiden, Exchange, S. 88 f.; Hamamoto, Japan, S. 454; U.S. Department of State, Japan 2015, S. 5. U.S. Department of State, Japan 2015, S. 7. APEC, Guide, S. 65; Hamamoto, Japan, S. 454. Cohen, Tradeoff, S. 722. Akimoto, Foreign Exchange Law, S. 5; Shujiro, Foreign Direct Investment, S. 104. 183 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Während der Finanzkrise 2007/08 wurde auch der japanische Finanzmarkt durch Verkäufe von Hedgefonds und anderen privaten Investoren erschüttert. Um die Wirtschaft zu stärken, suchte man stabilisierende Investitionen von Staatsfonds, wie sie auch Unternehmen in den USA und Europa erhalten hatten. Japan lancierte verschiedene Initiativen, um ausländische Staatsfonds anzulocken.88 Diese Bestrebungen führten zu einer Auflockerung des FEFTA im Jahr 2009; insbesondere wurden die Fristen für die Meldung erweitert.89 I. Definitionen Der FEFTA definiert die Begrifflichkeiten ausländischer Investor sowie ausländische Investition in Art. 26 FEFTA.90 Der Gesetzgeber versteht unter einem ausländischen Investor einen Investor, der in Japan weder heimatberechtigt noch ansässig ist. Auch eine juristische Person, die nach ausländischem Recht gegründet worden ist oder ihren Hauptsitz in einem ausländischen Staat hat, gilt danach als ausländischer Investor. Überdies sind Unternehmen, in welchen mehr als 50% der Stimmrechte durch ausländische Personen oder Unternehmen gehalten werden, als ausländisch zu betrachten. Dasselbe gilt für Unternehmen, in denen die Mehrheit der operativ tätigen Geschäftsleitung ausländischer Herkunft ist.91 II. Zuständigkeit Für die Zulässigkeit ausländischer Investitionen in beschränkten Sektoren sind der Finanzminister und das jeweils sachlich betroffene Ministerium zuständig.92 III. Verfahren Eine ausländische Direktinvestition in Japan bedarf mittlerweile keiner Genehmigung mehr, sie muss jedoch angemeldet werden. Je nach Branche ist eine Anmeldung im Voraus oder eine Anmeldung im Nachhinein notwendig.93 Die Meldepflicht entsteht bei Überschreitung einer im jeweiligen Gesetz definierten Investitionshöhe. Ob die Meldung vor oder nach der Transaktion vorgenommen werden muss, hängt vom Sektor ab, in dem die Investition durchge- 88 89 90 91 92 93 U.S. Department of State, Japan, S. 1; Hayashi, Japan, S. 1. Akimoto, Foreign Exchange Law, S. 5; U.S. Department of State, Japan 2015, S. 8. Hamamoto, Japan, S. 454. Art. 26 Abs. 1 FEFTA; Akimoto, Foreign Exchange Law, S. 2; Westhoff, Ausländische Direktinvestition, S. 267. Hamamoto, Japan, S. 454. Westhoff, Ausländische Direktinvestition, S. 267. 184 § 9 Reaktionen anderer Zielländer auf die Staatsfondsdebatte führt wird.94 Eine vorgängige Meldung an das zuständige Ministerium ist in folgenden drei Fällen notwendig: Erstens, wenn die Investition in einen für die nationale Sicherheit wichtigen Sektor wie Waffen, Luft- und Raumfahrt, DualUse-Güter und Atomenergie geht. Zweitens, wenn die Investition die öffentliche Ordnung beeinträchtigen könnte, was insbesondere in den Bereichen Elektrizität, Gas, Öl, Kommunikation, Wasser, Schienen und Transport der Fall sein kann. Drittens ist eine Meldung bei Investitionen im Bereich der öffentlichen Sicherheit notwendig.95 Darüber hinaus bedarf es in folgenden Sektoren einer vorgängigen Anmeldung: Landwirtschaft, Bergbau, Waldwirtschaft und Fischerei. Bei diesen Sektoren handelt es sich traditionellerweise um strategisch wichtige Sektoren für Japan.96 1. Voranmeldeverfahren In den genannten Sektoren müssen Investitionen gemäss Artikel 27 FEFTA im Vorfeld dem Finanzministerium und weiteren zuständigen Ministerien angezeigt werden. Es handelt sich dabei um Investitionen, welche die nationale Sicherheit stören, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bedrohen sowie erhebliche negative Auswirkungen auf die Verwaltung der japanischen Wirtschaft haben können.97 Möchte ein ausländischer Investor eine Transaktion vornehmen, die direkt oder indirekt zu einer Beteiligung von 10% oder mehr an einer japanischen börsenkotierten Unternehmung führen würde, welche in einem der genannten Sektoren98 tätig ist, so muss er diese Absicht sechs Monate vor der geplanten Transaktion beim zuständigen Ministerium anmelden.99 Das Gesetz hatte vor der Änderung 2009 vorgesehen, dass sie drei Monate vor der geplanten Transaktion dem Finanzminister sowie weiteren zuständigen Ministerien angemeldet werden müsse.100 Möchte ein ausländischer Investor Anteile einer nicht-kotierten Unternehmung kaufen, so muss er unabhängig von der Höhe der Investition eine Meldung machen.101 Nach der Meldung muss gemäss Article 3(6) Ordinance No 1 94 95 96 97 98 99 100 101 Akimoto, Foreign Exchange Law, S. 2. APEC, Guide, S. 79. Akimoto, Foreign Exchange Law, S. 3; APEC, Guide, S. 65; Lee, Trade Barriers, S. 485; Paprzycki/Fukao, Foreign Direct Investment, S. 43; Westhoff, Ausländische Direktinvestition, S. 269. Hamamoto, Japan, S. 454. § 7.C.III. Article 3(3) Cabinet Order; Hamamoto, Japan, S. 455. Akimoto, Foreign Exchange Law, S. 4. Akimoto, Foreign Exchange Law, S. 4. 185 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds vom 20. November 1980 eine Wartefrist von 30 Tagen eingehalten werden, bevor die Transaktion durchgeführt werden kann. Das gleiche gilt für Investitionen in börsenkotierte Unternehmen.102 Die Wartefrist kann auf bis zu fünf Monate verlängert werden, sofern das relevante Ministerium eine Notwendigkeit hierfür sieht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die nationale Sicherheit bedroht ist, die öffentliche Ordnung gestört wird, Gesundheitsinteressen gefährdet werden oder eine gute Unternehmungsführung nicht gewährleistet ist. Das Ministerium kann neben der Untersagung einer Transaktion auch eine Anpassung verlangen.103 Wird ein solches Änderungsverlangen nicht akzeptiert, kann die Transaktion nicht durchgeführt werden.104 2. Nachträgliche Meldung Sofern keine Voranmeldungspflicht besteht, muss ein ausländisches Unternehmen, das einen Anteil von mehr als 10% an einer japanischen Unternehmung erwirbt, die Transaktion dem Finanzministerium und dem Ministerium melden, welches den betroffenen Sektor reguliert. Diese Meldung hat auch an die Bank of Japan zu erfolgen und muss bis zum 15. des auf die Durchführung der Transaktion folgenden Monats erfolgen. Vor der Revision 2009 galt eine fünfzehntägige Frist für die Meldung nach Abschluss der Transaktion.105 Für die Berechnung der Beteiligungshöhe werden die Beteiligungen von dem ausländischen Investor nahestehenden anderen Investoren einbezogen. Darunter fallen insbesondere Unternehmen, welche durch den ausländischen Investor beherrscht werden.106 Bei der Meldepflicht wird zwischen börsenkotierten und nicht-börsenkotierten Unternehmen unterschieden. Bei nicht-börsenkotierten Unternehmen wird der Verkauf von einem ausländischen Investor zu einem anderen nicht als ausländische Direktinvestition betrachtet, mit der Folge, dass keine Meldung gemacht werden muss. Anders sieht es bei einer börsenkotierten Gesellschaft aus. Jede Transaktion, welche zu einer Beteiligung von 10% oder mehr führt, löst eine Meldepflicht aus.107 102 103 104 105 106 107 Akimoto, Foreign Exchange Law, S. 4; Hamamoto, Japan, S. 456. Akimoto, Foreign Exchange Law, S. 4. Article 27(5)-(10); Brown, Investments, S. 350; Hamamoto, Japan, S. 456. Akimoto, Foreign Exchange Law, S. 2; Westhoff, Ausländische Direktinvestition, S. 269. Akimoto, Foreign Exchange Law, S. 2. Akimoto, Foreign Exchange Law, S. 3. 186 § 9 Reaktionen anderer Zielländer auf die Staatsfondsdebatte D. Europäische Union Trotz Anerkennung eines gewissen Gefährdungspotenzials erachtet die Europäische Union (EU) es als nicht notwendig, Regelungen hinsichtlich der Investitionen von Staatsfonds zu treffen. Stattdessen spricht sie sich für einen Dialog zwischen den Herkunfts- und Zielstaaten aus.108 Um unkoordinierte Massnahmen von Mitgliedstaaten zu verhindern, die sich negativ auf den Finanzmarkt auswirken könnten, veröffentlichte die Europäische Kommission am 27. Februar 2008 eine Stellungnahme. Diese sollte als Wegweiser dienen und entfaltete keine rechtliche Wirkung.109 Im Zentrum der Mitteilung stand die Notwendigkeit der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten innerhalb der EU sowie der EU mit internationalen Organisationen. Anhand von fünf Prinzipien wurden Empfehlungen an die Mitgliedstaaten zum Umgang mit Staatsfondsinvestitionen gegeben: Erstens solle ein offenes Investitionsumfeld erhalten bleiben. Zweitens sollten die Bemühungen auf multilateraler Ebene gefördert werden. Drittens sollten anstelle der Schaffung neuer bereits bestehende Instrumente eingesetzt werden. Viertens sei dafür zu sorgen, dass die Verträge der EU und andere internationale Verpflichtungen eingehalten werden. Fünftens sollten Massnahmen verhältnismässig und transparent sein.110 Mit dieser Mitteilung bekräftigte die Kommission, dass die EU sehr positiv gegenüber Investitionen aus dem Ausland eingestellt ist: Drittländer sollen in der EU ungehindert investieren können. Einzelstaatliche Massnahmen würden den Kapitalfluss in die EU unnötig behindern.111 Zudem könnten einschränkende Handlungen reziproke Massnahmen anderer Staaten provozieren, die wiederum zur Behinderung von Investitionen aus EU-Mitgliedstaaten führen würden.112 Die Europäische Kommission hatte erwogen, Massnahmen hinsichtlich Investitionen von Staatsfonds und staatlicher Unternehmen zu erlassen. Am Ende entschied sie sich aber dagegen, da weder Kontrollsysteme noch europäische Golden Shares 113 notwendig seien.114 Solche Interventionen könnten laut Kommission in Konflikt zu internationalen Abkommen der EU oder ihrer Mitgliedstaaten stehen und einzig Massnahmen in Bezug auf die Transparenz seien da- 108 109 110 111 112 113 114 Almunia, References to OECD Guidance, S. 1; Wolff, Ausländische Staatsfonds, S. 99. EU Kommission, KOM 2008, S. 115. Chaisse/Chakraborty/Mukherjee, Regulatory Strategies, S. 858. Wolff, Ausländische Staatsfonds, S. 98. Zetzsche, Fonds im Fokus, S. 39. Siehe zu Golden Shares Kapitel § 13.A.I.2.a). Schweitzer, Economic Protectionism, S. 265. 187 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds bei zielführend.115 Die Kommission unterstützte stellvertretend für die EU das Vorgehen auf internationaler Ebene durch den IWF und die OECD hinsichtlich Transparenz, Berechenbarkeit und Zurechenbarkeit.116 Die EU ist informell an den Gesprächen des IWF sowie der OECD beteiligt.117 Sollte dieser Ansatz nicht ausreichen, will die Kommission Massnahmen prüfen, um legitime Interessen zu schützen.118 Die EU kennt bereits harmonisierte Regeln zum Schutze spezifischer Sektoren, wie etwa des Energiesektors, für welchen sie Aussenkompetenz besitzt. Damit soll gewährleistet werden, dass die Bevölkerung der EU mit Energie versorgt wird. Die Energiepolitik ist ein zentrales Politikfeld der EU. Geregelt ist die Aussenkompetenz der EU in den Art. 205 ff. AEUV. Auch hinsichtlich des Binnenmarktes sehen Art. 194 und 122 AEUV eine weitgehende Regelungszuständigkeit der EU vor.119 Gemäss Richtlinien 2009/72/EC und 2009/73/EC müssen Unternehmen aus Drittländern und von Investoren aus Drittländern beherrschte Unternehmen spezifische Voraussetzungen erfüllen, um im Energiesektor der EU investieren zu können. Der Investor muss beweisen, dass seine Investition unbedenklich ist.120 Insbesondere darf die Investition die Versorgungssicherheit der Mitgliedstaaten nicht bedrohen.121 Für die Übertragungsnetze ist überdies spezifisch festgelegt, dass diese nicht durch eine oder mehrere Personen aus Drittländern kontrolliert werden dürfen.122 Die Kontrolle dieser Vorgaben übernehmen die nationalen Behörden in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission.123 Eine weitere Regelung sieht die Richtlinie 1008/2008/EC im Bereich der Luftfahrt vor. Ein Unternehmen, das im Bereich der Luftfahrt tätig sein möchte, muss erstens seinen Hauptsitz in einem Mitgliedstaat haben und zweitens müssen mehr als 50% des Unternehmens durch einen Investor aus einem Mitgliedstaat gehalten werden. Die effektive Kontrolle über das Unternehmen darf nicht in Händen von Personen aus Drittländern liegen.124 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 Zetzsche, Fonds im Fokus, S. 39. Schmit Jongbloed/Sachs/Sauvant, Sovereign Investment, S. 21. Chaisse/Chakraborty/Mukherjee, Regulatory Strategies, S. 858. Bahgat, Assessment, S. 168. Lecheler/Germelmann, Zugangsbeschränkungen, S. 11. Roth, Investitionsbeschränkungen, S. 8. Trackman/Ranieri, Regionalism, S. 132. Roth, Investitionsbeschränkungen, S. 8. Schweitzer, Economic Protectionism, S. 281. Trackman/Ranieri, Regionalism, S. 133. 188 § 9 Reaktionen anderer Zielländer auf die Staatsfondsdebatte E. Bewertung Deutschland und die USA sehen für ausländische Investitionen eine freiwillige Voranmeldung mit Verbotsmöglichkeit vor. Die Freiwilligkeit entbürokratisiert das Verfahren, bringt aber auch Unsicherheit. Eine bereits abgeschlossene Transaktion kann nachträglich einer Überprüfung unterzogen werden. Durch eine freiwillige Anmeldung kann Rechtssicherheit erreicht werden, indem eine Unbedenklichkeitsbescheinigung eingeholt wird. In den USA müssen Investitionen durch staatliche Unternehmen generell überprüft werden, in Deutschland hingegen besteht die Möglichkeit ab einer Beteiligung von 25% des Kapitals oder der Stimmen. Die USA haben somit mehr Spielraum, wenn es darum geht, eine kritische Beteiligung abzulehnen. Die im Falle Deutschlands recht hohe Schwelle von 25% des Kapitals oder der Stimmen bewirkt, dass darunter liegende Investitionen, die dennoch kritisch für die nationale Sicherheit sein könnten, nicht überprüft werden. Während der Präsident in den USA abschliessend entscheidet, fällt in Deutschland hingegen das BMWi einen Entscheid, der vor einem Verwaltungsgericht angefochten werden kann. Japan kennt ein Verfahren der Anmeldung. Je nach Sektor ist eine Meldung vor oder nach der Transaktion vorgesehen. Die Grenze für eine meldepflichtige Investition liegt bei einer Beteiligung von 10% der Stimmrechte. Die Investition wird überprüft und kann unter bestimmten Voraussetzungen verboten werden. Investitionen von unter 10% müssen nicht gemeldet werden. Die EU hat ihre Mitgliedstaaten aufgerufen, keine protektionistischen Massnahmen zu ergreifen, die über den Schutz der nationalen Sicherheitsinteressen hinausgehen. Die EU selbst besitzt in Energiefragen Aussenkompetenz und lässt nur Investoren zu, die die Sicherheit der EU nicht tangieren. Auch für die Luftfahrt kennt die EU spezifische Bestimmungen. 189 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds § 10 Reaktionen internationaler Organisationen Verschiedene Staaten haben Massnahmen zum Schutz vor Staatsfondsinvestitionen getroffen; andere Länder haben dies diskutiert. Um protektionistische Massnahmen zu verhindern, wurden kollektive Massnahmen gefordert.1 Der Anstoss zu den internationalen Bemühungen einer multilateralen Staatsfondsregulierung wurde durch die G8-Staaten (heute G7) gegeben. Bei den G7-Staaten handelt es sich jedoch nicht um eine internationale Organisation, sondern ein informelles Forum von Staats- und Regierungschefs, die sich einmal jährlich zu einem Gipfel treffen, um Fragen der Weltpolitik zu besprechen und konstruktive Lösungen zu finden. Im Oktober 2007 trafen sich die Staats- und Regierungschefs der G8Staaten im deutschen Heiligendamm und sprachen dort unter anderem auch über Staatsfondsinvestitionen.2 Die G8-Staaten einigten sich, dass keine Restriktionen für Staatsfondsinvestitionen geschaffen werden sollten, die über den Schutz legitimer nationaler Sicherheitsinteressen hinausgingen. Zudem solle auf einen common ground zwischen Herkunftsstaaten von Staatsfonds, Staatsfonds selbst und Zielstaaten von deren Investitionen hingewirkt werden. Auf Druck Frankreichs und der USA trafen sich die Zentralbankenchefs und Finanzminister der G8-Staaten vier Monate später für weiterführende Gespräche. Als Ergebnis forderten die G8-Staaten die OECD und den IWF auf, Best-Practice-Empfehlungen für den Umgang mit Staatsfondsinvestitionen auszuarbeiten. Die Staatsfondsproblematik sollte auf zwei Ebenen angegangen werden: zum einen über die Herkunftsstaaten von Staatsfonds und zum anderen über die Staaten, welche vorwiegend das Ziel von Investitionen sind.3 Der IWF und die OECD wurden durch die G7-Staaten gebeten, Regeln für den Umgang mit Staatsfondsinvestitionen aufzustellen. Die OECD sollte auf Stufe der Zielstaaten Massnahmen treffen und der IWF auf Stufe der Staatsfonds.4 Ein Vorgehen auf nur einer Ebene wurde als nicht zielführend erachtet.5 Die beiden Organisationen sollen sich gegenseitig ergänzen und den Sachverhalt mit ihren Empfehlungen umfassend regeln.6 1 2 3 4 5 6 Cohen, Tradeoff, S. 723; Beck/Fidora, Impact, S. 13. G7-Gipfel, Gipfelerklärung, S. 6 f. Bahgat, Assessment, S. 167; Beck/Fidora, Impact, S. 13; Cohen, Tradeoff, S. 723, Truman, Treat or Salvation, S. 122. Schmit Jongbloed/Sachs/Sauvant, Sovereign Investment, S. 20; UNCTAD, National Security, S. 21. Cohen, Tradeoff, S. 725. Gutin, Regulating, S. 763. 190 § 10 Reaktionen internationaler Organisationen A. OECD Auf Stufe der OECD wurden Best-Practice-Empfehlungen für die Zielstaaten von Staatsfondsinvestitionen erstellt. Dieser Verhaltenskodex wurde im Rahmen des Programms Freedom of Investment, National Security and Strategic Industries herausgegeben. Dieser Kodex beabsichtigt, nicht nur Investitionen von Staatsfonds, sondern auch grenzüberschreitende Investitionen insgesamt zu regeln.7 I. Massnahmen bezüglich Investitionen von Staatsfonds Als Forum für die Ausarbeitung des Kodex dienten die FOI Roundtables des OECD-Programms Freedom of Investment, National Security und Strategic Industries.8 Mitgliedstaaten und Nichtmitgliedstaaten der OECD trafen sich zu Gesprächen, an deren Ende ein Bericht stand, der im April 2008 veröffentlicht wurde. Er enthielt die Ergebnisse der Diskussionen zwischen den 30 OECDMitgliedstaaten, 10 Nicht-Mitgliedstaaten, die den Investitionsrichtlinien der OECD folgen, vier weiteren Regierungen sowie der Europäischen Kommission.9 Der Bericht hält fest, dass die bereits bestehenden Prinzipien der OECD für eine faire Behandlung von Staatsfonds ausreichen. Die OECD erkennt an, dass neue Akteure auf den Finanzmärkten Befürchtungen wecken können, und will ihnen mit einem Dialog begegnen. Intergouvernementale Dialoge sollen das Verständnis erhöhen, zu guten Rahmenbedingungen beitragen und protektionistisches Verhalten verhindern.10 Für die Thematik der Staatsfonds hat die OECD ein dreigeteiltes Vorgehen gewählt: Erstens veröffentlichte sie die OECD Declaration of Sovereign Wealth Funds and Recipient Country Policies, zweitens bekräftigte sie die Geltung der OECD-Prinzipien der Nicht-Diskriminierung, des Abbaus protektionistischer Massnahmen sowie des Vorantreibens der Liberalisierung und drittens erstellte sie eine Richtlinie zum Schutz der nationalen Sicherheit der Zielstaaten.11 7 8 9 10 11 Sauer, Liquiditätssicherung, S. 207. Das Projekt Freedom of Investment, National Security und Strategic Industries bietet Mitgliedstaaten seit 2006 einen intergouvernementalen Dialog, in dem Staaten sich über die Herausforderungen der Förderung offener Märkte sowie des Schutzes nationaler Sicherheitsinteressen austauschen können. Vgl. Oecd, Sovereign Wealth Funds, S. 1. OECD, Report, S. 1; Barbieri, European Union, S. 10; Schmit Jongbloed/Sachs/ Sauvant, Sovereign Investment, S. 21. OECD, Report, S. 2 f. Gallo, Protection of Public Interest, S. 472; Gordon/Niles, Overview, S. 42, OECD, Sovereign Wealth Funds, S. 1. 191 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds 1. OECD Declaration on Sovereign Wealth Funds and Recipient Country Policies Die Declaration on SWFs and Recipient Country Policies (OECD-Deklaration) wurde bei der OECD-Ministerratstagung vom 4.-5. Juni 2008 in Paris veröffentlicht.12 Obwohl das Investmentkomitee der OECD bereits an der Ausarbeitung des Programms Freedom of Investment, National Security und Strategic Industries arbeitete, war ein halbes Jahr nach Anfrage nur ein Papier angefertigt, welches den Status Quo sicherte. Die OECD erachtete es nicht als notwendig, weitergehende Regeln zu setzen, da sie die bereits bestehenden für ausreichend hielt.13 Die OECD bestätigt, dass Staatsfonds generell einen wertvollen Beitrag zur Weltwirtschaft leisten und nur Bedenken auslösen, wenn sie nicht über genügend Transparenz verfügen und nicht rein ökonomische, sondern unzulässige politische Ziele verfolgen.14 Es wurde festgehalten, dass Staatsfonds, die politische und keine kommerziellen Absichten verfolgen, eine Gefahr für die nationale Sicherheit der Zielstaaten darstellen können.15 Grundsätzlich würden Staatsfonds aber zur wirtschaftlichen Entwicklung der Herkunfts- und Zielstaaten von Investitionen beitragen. Die OECD führte weiter aus, dass Staatsfonds sich bis anhin als zuverlässige, langfristige und wirtschaftlich motivierte Investoren dargestellt und zu globaler finanzieller Stabilität beigetragen hätten.16 Überdies hält die OECDDeklaration fest, dass Herkunftsstaaten das Vertrauen in die Transparenz und Führungsgrundsätze ihrer Staatsfonds erhöhen können und dass die OECD es begrüsse, wenn Länder mit Staatsfonds und Zielstaaten von Investitionen in Austausch träten, da dies das gegenseitige Vertrauen stärke.17 Dies könne sich im Abbau protektionistischer Massnahmen zeigen.18 Die OECD-Deklaration hält die Zielstaaten von Investitionen dazu an, zurückhaltend hinsichtlich protektionistischer Massnahmen und Diskriminierung gegenüber ausländischen Staatsfonds zu sein. Sofern eine Bedrohung für die nationale Sicherheit ausmachbar ist, sollten die ergriffenen Abwehrmassnahmen verhältnismässig, zuverlässig, transparent und vorhersehbar sein.19 12 13 14 15 16 17 18 19 Barbieri, European Union, S. 10; Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 332. Cohen, Tradeoff, S. 725. Barbieri, European Union, S. 10; Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 332. Gordon/Pohl, OECD, S. 129; OECD, Declaration, S. 2. Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 332. OECD, Declaration, S. 2. OECD, Declaration, S. 2. Bahgat, Assessment, S. 168. 192 § 10 Reaktionen internationaler Organisationen Festzuhalten ist, dass diese Empfehlungen sich nur an OECD-Mitgliedstaaten richten und keinerlei Verpflichtung begründen.20 2. Geltung der OECD-Prinzipien Die OECD-Deklaration hält fest, dass die generellen OECD-Investitionsrichtlinien auf Staatsfonds ebenso wie auf alle anderen ausländischen Investoren anzuwenden sind. Unter anderem finden der OECD-Kodex zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs aus dem Jahre 1961, die Nichtdiskriminierung, Transparenzanforderungen, die Progressive Liberalisierung, das Standstill sowie die unilaterale Liberalisierung entsprechend Anwendung.21 a) Nichtdiskriminierung Das OECD-Abkommen basiert auf dem Prinzip der Nichtdiskriminierung. Öffnet ein Land seine Märkte, muss das für alle OECD-Staaten gelten; auch Einschränkungen müssen auf alle Länder die gleiche Anwendung finden. Eine einzige Ausnahmen besteht bezüglich der EU: Eingeständnisse, die sich die Mitglieder der EU untereinander machen, müssen nicht auf alle OECD-Staaten erstreckt werden.22 b) Transparenzanforderungen Informationen zu Einschränkungen des Kapital- und Dienstleistungsverkehrs müssen in allen Ländern transparent sein, d.h. lückenlos, aktuell, umfassend und allgemein zugänglich. OECD-Mitgliedstaaten müssen erstens alle Massnahmen zur Einschränkung des Kapital- und Dienstleistungsverkehrs und zweitens jegliche Änderungen dieser Massnahmen melden sowie drittens möglichst genau in den spezifischen Länderlisten eintragen, damit sie auf der OECD-Webseite für alle Mitgliedstaaten einsehbar publiziert werden können.23 c) Progressive Liberalisierung Das oberste Ziel der OECD ist die Liberalisierung der Märkte. Mitgliedstaaten sollen bestehende Beschränkungen schrittweise abbauen. Dabei dürfen sie ihre nationalen Besonderheiten berücksichtigen. Baut ein Land seine Restriktionen nicht ab, wird es regelmässig überprüft und die anderen Mitgliedstaaten erhalten 20 21 22 23 Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 332; Gordon/ Pohl, OECD, S. 129; OECD, Declaration, S. 2. Bahgat, Assessment, S. 169; OECD, Investment Policy, S. 3. OECD, Liberalisierung, S. 12. OECD, Liberalisierung, S. 10. 193 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds einen Bericht darüber, warum das Land an seinen Restriktionen festhält. Sie nehmen den Bericht zur Kenntnis und können versuchen, das Land zu überzeugen, die Massnahmen wegfallen zu lassen oder weniger einschneidende Massnahmen zu wählen. Obwohl kein Zwang zur Liberalisierung besteht – weder direkt noch indirekt – haben die Mitgliedstaaten bereits wichtig Liberalisierungsschritte vorgenommen.24 d) Standstill Als Standstill wird bezeichnet, dass Staaten keine neuen Beschränkungen des Kapital- und Dienstleistungsverkehrs einführen dürfen.25 e) Unilaterale Liberalisierung Das OECD-Abkommen sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Konzessionen eingehen, ohne dabei von anderen Ländern Gegenseitigkeit zu erwarten.26 3. Guidelines for Recipient Country Investment Policies relating to National Security Am 25. Mai 2009 veröffentlichte die OECD empfehlende Richtlinien für Zielstaaten staatlicher Investitionen:27 die Guidelines for Recipient Country Investment Policies relating to National Security.28 Diese berücksichtigen das Interesse von Zielstaaten, ihre nationale Sicherheit zu schützen, und stellen eine Orientierungshilfe für entsprechende Schutzmassnahmen dar.29 Sie empfehlen, dass diese nicht diskriminierend, transparent, voraussehbar und proportional sein sollten und die Behörden für ihr Verhalten Rechenschaft ablegen müssten.30 Die OECD fordert auch Nicht-Mitgliedstaaten auf, diese Prinzipien zu befolgen, um mit den OECD-Mitgliedern auf einem Level Playing Field zu sein. Überdies instruiert die OECD das Investitionskomitee31, mit Nicht-Mitgliedstaaten Treffen zu arrangieren, um die Themen freier Kapitalverkehr, nationale Si- 24 25 26 27 28 29 30 31 OECD, Liberalisierung, S. 11. OECD, Liberalisierung, S. 10. OECD, Liberalisierung, S. 11. Empfehlung gemäss Art. 5b der Convention of the Organisation for Economic Cooperation and Development of 14 December 1960. OECD, Investment Policy, S. 1. Bassan, Law of SWFs, S. 77. OECD, Declaration, S. 2. Das Investitionskomitee wurde 2004 gegründet und ist verantwortlich für die Liberalisierungsinstrumente bezüglich international Investitionen und Dienstleistungen. Vgl. OECD, Investment Committee, S. 1. 194 § 10 Reaktionen internationaler Organisationen cherheit und Schutz strategischer Industrien zu besprechen sowie diesbezügliche internationale Entwicklungen anzugleichen.32 II. Umsetzung Mithilfe eines Peer-Review-Prozesses kann seit über 50 Jahren die Compliance der OECD-Mitgliedstaaten bezüglich verschiedener Prinzipien überprüft werden.33 Die Idee dahinter ist, dass Staaten von einander lernen können. Unter Peer Review versteht die OECD folgendes: «Peer review can be described as the systematic examination and assessment of the performance of a state by other states, with the ultimate goal of helping the reviewed State to improve its policy making, adopt best practices, and comply with established standards and principles.»34 Gegenstand des Peer-Review-Prozess ist die Beurteilung eines spezifischen Kriteriums in einer vorher festgelegten Reihe von Mitgliedstaaten oder aber eine Art Länderanalyse, in der einzelne Länder sich vorstellen. Das Peer Review wird durch das OECD-Sekretariat unterstützt.35 Abgeschlossen wird der Prozess in der Regel mit einem Bericht, der die bisherige Umsetzung und weiteres Verbesserungspotenzial feststellt sowie Empfehlungen für das betrachtete Land ausspricht, die nicht bindend sind und nicht umgesetzt werden müssen.36 Auch Nicht-OECD-Mitgliedstaaten können daran teilnehmen.37 Vorteil und Schwäche des Peer-Review-Prozesses ist, dass die Länder sich gegenseitig beurteilen. Dies führt zwar zu Akzeptanz, da alle Länder gleich behandelt werden, ermöglicht aber keine generellen Standards. Insbesondere die mangelnde Rechtsverbindlichkeit der Empfehlungen und das Fehlen von Durchsetzungsmechanismen stellen Schwächen des Peer-Review-Prozesses dar. III. Bewertung Die Regeln der OECD, insbesondere ihre Richtlinien für Zielstaaten hinsichtlich Fragen ihrer nationalen Sicherheit, tragen dazu bei, dass die OECD-Mitgliedstaaten sich für offene Märkte einsetzen und Investitionen nicht behindern. Sie lassen jedoch Beschränkungen zu Zwecken der nationalen Sicherheit zu. Die OECD unterlässt es dabei, den Begriff der nationalen Sicherheit näher zu definieren. Dies eröffnet einen weiten Ermessensspielraum für die Zielstaaten, der 32 33 34 35 36 37 Bassan, Law of SWFs, S. 77. OECD, Declaration, S. 1. OECD, Peer Review, S. 9. OECD, Peer Review, S. 9. OECD, Peer Review, S. 9. OECD, Declaration, S. 1. 195 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds dem Interesse der Herkunftsländer an Rechtssicherheit entgegensteht. Die Richtlinien sind rechtlich unverbindlich und nicht durchsetzbar.38 Trotz Unverbindlichkeit der Regeln werden die Prinzipien der OECD grundsätzlich gut eingehalten.39 Die OECD überwacht insbesondere die Nichtdiskriminierung, die Transparenz, die progressive Liberalisierung, das Standstill-Abkommen sowie die unilaterale Liberalisierung. Hierzu sammelt ihr Sekretariat länderspezifische Informationen. Weiterhin werden Informationen mittels Peer Review erhoben und Empfehlungen ausgesprochen.40 Grundsätzlich werden Staaten, die gegen das Prinzip der fairen Behandlung verstossen, einem Peer-Review-Prozess unterzogen. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Staat Ausnahmen aufgrund nationaler Sicherheitsinteressen getroffen hat.41 B. IWF Die Best-Practice-Empfehlungen für Staatsfonds wurden mithilfe des IWF von Staatsfonds, Herkunftsstaaten von Staatsfonds und Zielstaaten von Staatsfondsinvestitionen zusammen ausgearbeitet. Die ersten Ergebnisse waren eine Arbeitsagenda, die am 29. Februar 2008 präsentiert wurde. Es folgte ein Treffen der Herkunftsländer von Staatsfonds vom 30. April bis zum 1. Mai 2008 in Washington D. C., das zur Gründung der Internationalen Arbeitsgruppe für Staatsfonds (IWGSWF) führte.42 I. IWGSWF Die IWGSWF43 wurde gegründet, um Richtlinien für Staatsfonds zu erarbeiten, die zu mehr Transparenz beitragen sollten.44 Es wurde auf die Form einer Arbeitsgruppe zurückgegriffen, da diese gemeinsame Ergebnisse ermöglicht, die mittels Dialog erarbeitet wurden und so auf grössere Akzeptanz unter den Beteiligten stossen.45 38 39 40 41 42 43 44 45 Siehe hierzu Kapitel § 10.A.II. OECD, Liberalisierung, S. 11. Gordon/Pohl, OECD, S. 131. Cohen, Tradeoff, S. 726 Hemphill, Sovereign Wealth Funds, S. 559; IWGSWF, Santiago Principles, S. 1; Malathouni, Sovereign Wealth Funds, S. 252. Das Mandat der IWGSWF war auf die Formulierung der Santiago-Prinzipien beschränkt. Die IWGSWF wurde 2009 durch das International Forum of Sovereign Wealth Funds (IFSWF) abgelöst. Vgl. Malathouni, Santiago Principles, S. 263. Gutin, Regulating, S. 762. Manzer/Witte, Global Rules, S. 333. 196 § 10 Reaktionen internationaler Organisationen Die IWGSWF46 setzt sich aus Repräsentanten der Führungsetagen von Staatsfonds aus 23 Mitgliedstaaten des IWF zusammen und ist de facto eine Fachorganisation für Staatsfonds. Zudem wird die Gruppe durch drei Staaten (SaudiArabien, Oman und Vietnam), die Weltbank und die OECD als permanente Beobachter begleitet.47 Die IWGSWF beschloss, dass sie mit Unterstützung des IWF die Erarbeitung der IWF-Richtlinien initiieren und vorantreiben wolle. Das erste Treffen der IWGSWF fand in Washington D. C. statt und weitere Treffen folgten in Singapur und Santiago de Chile.48 Die Arbeitsgruppe ist weder eine supranationale Behörde noch sind ihre Beschlüsse rechtsverbindlich.49 II. Santiago-Prinzipien Vor Einrichtung der Arbeitsgruppe waren die Herkunftsstaaten von Staatsfonds bezüglich einer Best-Practice-Empfehlung des IWF für Staatsfonds skeptisch gewesen, da sie keinen Anlass für eine Regulierung sahen. Interventionen und Überzeugungsarbeit des U.S. Treasury Department brachten jedoch sowohl die ADIA als auch die GIC dazu, sich an der Ausarbeitung von Prinzipien für Staatsfonds und Zielstaaten zu beteiligen.50 Am 20. März 2008 hielten mehrere Staatsfonds in einer Absichtserklärung fest, dass sie nur kommerziell investieren, ihre Offenlegungspraxis sowie Führungsstruktur verbessern, für einen fairen Wettbewerb mit der Privatwirtschaft sorgen und nationale Regeln der Zielländer einhalten und respektieren wollten.51 Nach Veröffentlichung dieses Schreibens bildete sich die IWGSWF und noch im Jahr 2008 wurden die Generally Accepted Principles and Practices for Sovereign Wealth Funds (GAPP) verabschiedet, die auch als Santiago-Prinzipien bekannt sind.52 Diese Prinzipien basieren auf der bereits bestehenden IWFRichtlinie für die Verwaltung von Währungsreserven aus dem Jahre 2001.53 46 47 48 49 50 51 52 53 Die IWGSWF vereinte 26 Mitglieder mit eigenen Staatsfonds des IWFs. Zu den Mitgliedstaaten gehörten: Australien, Aserbaidschan, Bahrain, Botswana, Kanada, Chile, China, Äquatorialguinea, Iran, Irland, Korea, Kuwait, Libyen, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Katar, Russland, Singapur, Osttimor, Trinidad und Tobago, die Vereinigten Arabischen Emirate und die USA. Vgl. IWGSWF, Santiago Principles, S. 1. Al-Suwaidi, Statement, S. 1. Barbieri, European Union, S. 9. Bagnall/Truman, SWF Scoreboard, S. 14; Everly, Shareholder Democratisation, S. 385; Gutin, Regulating, S. 763; Norton, Santiago Principles, S. 125; Senn, Institutional Governance, S. 8.Wolff, Ausländische Staatsfonds, S. 96; Wolff, Selbstverpflichtung, S. 2. Drezner, Global Finance, S. 122; Hemphill, Sovereign Wealth Funds, S. 558. Bahgat, Assessment, S. 168; Manzer/Witte, Global Rules, S. 333. Drezner, Global Finance, S. 122. Hemphill, Sovereign Wealth Funds, S. 558. 197 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Bei den Verhandlungen gab es nicht nur Spannungen zwischen den Mitgliedstaaten der OECD und den Staatsfonds, sondern auch zwischen den Staatsfonds untereinander. Die bereits seit Jahrzehnten existierenden Staatsfonds, welche bis im Jahre 2006 ohne Aufsehen investieren konnten, gaben den neuen Staatsfonds die Schuld an der öffentlichen Aufmerksamkeit.54 III. IFSWF Am 6. April 2009 wurde in Kuwait City mit der Kuwait Declaration das International Forum on Sovereign Wealth Funds (IFSWF) gegründet.55 Diese Erklärung hält fest, dass das Forum eine freiwillige Gruppe von Staatsfonds zusammenbringt, welche sich treffen, um ihre Ansichten auszutauschen und ihr Verständnis und ihre Umsetzung der Santiago-Prinzipien rund um die Aktivitäten der Staatsfonds in Einklang zu bringen. Analog zur IWGSWF soll das IFSWF weder eine supranationale Organisation sein, noch die Macht besitzen, Regeln zu setzen. Das IFSWF hat keinen konstituierenden Vertrag zur Grundlage.56 Neben dem Diskurs unter den Staatsfonds soll es weiter den Austausch zwischen Vertretern von Zielstaaten, multilateralen Organisationen und dem privaten Sektor fördern. Jeder Mitgliedstaat des IWF mit einem Staatsfonds kann teilnehmen, sofern er die Santiago-Prinzipien umzusetzen beabsichtigt.57 Das IFSWF hat drei Untergruppen. Das erste Subkomitee hat die Aufgabe, die Anwendung der Santiago-Prinzipien zu überprüfen und dem IFSWF zu berichten, welchen Problemen die Herkunftsstaaten von Staatsfonds bei der Umsetzung der Santiago-Prinzipien begegnen. Obwohl dieses Subkomitee sich mit der Umsetzung der Santiago-Prinzipien beschäftigt, ist dabei nicht gewünscht, dass dieses sich zu einer Regulierungs- und Überwachungsinstitution entwickelt. Das zweite Subkomitee zielt darauf ab, den Dialog zwischen Zielstaaten und internationalen sowie regionalen Investitions- und Handelsorganisationen zu fördern.58 Das dritte Subkomitee befasst sich mit dem Investitions- und Risikomanagement von Staatsfonds.59 Im Rahmen des Treffens des IFSWF am 19. November 2014 in Doha hat das IFSWF einen Drei-Jahres-Strategieplan entwickelt. Das Forum soll sich bis im Jahre 2018 als eine globale und auf Mitgliedschaft basierende Institution etabliert haben, die ein Netzwerk bietet, in dem Peers voneinander lernen und profi- 54 55 56 57 58 59 Manzer/Witte, Global Rules, S. 335. IFSWF, Kuwait Declaration, S. 3. Malathouni, Santiago Principles, S. 266. Barbieri, European Union, S. 10; Malathouni, Santiago Principles, S. 264. Malathouni, Santiago Principles, S. 264. Malathouni, Santiago Principles, S. 265. 198 § 10 Reaktionen internationaler Organisationen tieren können. Das Forum möchte zu einem offenen und stabilen Umfeld für Staatsfondsinvestitionen beitragen.60 IV. Bewertung Der zentrale Nachteil der auf IWF-Stufe entwickelten Santiago-Prinzipien61 ist, dass es keine Pflicht zu deren Einhaltung gibt. Überdies ist nicht geregelt, wie mit neuen Staatsfonds zu verfahren ist, die bei der Formulierung der SantiagoPrinzipien noch nicht existierten. Das IFSWF hat weiter ein Transparenzdefizit. Seit 2013 verfügt es über eine Verfassung, jedoch ist diese nicht öffentlich einsehbar. Viele Dokumente bleiben für die Öffentlichkeit verschlossen.62 Positiv zu werten ist, dass die Mitgliedstaaten des IFSWF Self-assessments (Selbsteinschätzungen) zur Einhaltung der Santiago-Prinzipien durchführen. Am 8. Jahrestreffen des IFSWF in Auckland, Neuseeland, im Jahr 2016 hat der Präsident der IFSWF und CEO des New Zealand Superannuation Fund bekannt gegeben, dass 27 Mitgliedstaaten das Self-assessment ausgefüllt und zwölf Staaten detaillierte Fallstudien zu ihrer Erfahrung mit der Einhaltung der SantiagoPrinzipien durchgeführt hätten.63 Laut Sven Behrendt sind die Ergebnisse der Self-assessments noch verbesserungsbedürftig.64 60 61 62 63 64 IFSWF, Board Policy Note 3-year Strategic Plan, S. 2 ff. Auf die einzelnen Bestimmungen der Santiago-Prinzipien wird in Kapitel § 11 eingegangen. Hsu, Santiago GAPP, S. 121 f., 113. IFSWF, Implementing the Santiago Principles, S. 5. Behrendt, Outlook March 2016, S. 1. 199 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds § 11 Regulierung aus Sicht des Herkunftsstaats Das vorliegende Kapitel zeigt Möglichkeiten der Regulierung von Staatsfonds durch Herkunftsstaaten von Staatsfonds auf.1 Hierfür wird einleitend auf die Corporate Governance eingegangen. Dann werden Bestimmungen des IWF sowie der OECD vorgestellt, die auf Staatsfonds Anwendung finden. Abschliessend wird die Umsetzung der Santiago-Prinzipien durch Staatsfonds in Singapur und Norwegen untersucht. A. Grundsätze der Corporate Governance Ein Staatsfonds braucht eine gute Unternehmensführung (Corporate Governance), welche sicherstellt, dass die Unternehmensziele über die Eigenziele des Managements gestellt werden.2 Es braucht Mechanismen, die bei Unternehmensentscheidungen zu einer wirksamen Kontrolle des Managements führen. Mit diesen Anforderungen setzt sich die Disziplin der Corporate Governance auseinander. Ihren Ursprung hat die Corporate-Governance-Diskussion im Cadbury Report, der unter Corporate Governance ein System versteht, welches regelt, wie Unternehmen zu führen und zu überwachen sind.3 Das CorporateGovernance-System setzt sich aus Gesetzen, Regulierungen, Selbstregulierungsverpflichtungen sowie Geschäftspraktiken (Business Practices) zusammen.4 Im Zentrum der Corporate-Governance-Diskussion steht die PrinzipalAgent-Problematik:5 Prinzipal (Eigentümer) und Agent (Management) verfolgen oftmals unterschiedliche Ziele; ein Mangel an Interesse und Motivation, aber auch die Verfolgung eigener Interessen können zu einem Konfliktfall führen.6 Über die Delegation von Entscheidungskompetenzen vom Prinzipal zum Agenten entstehen Informationsasymmetrien7 zwischen Prinzipal und Agenten eines Unternehmens.8 Probleme entstehen insbesondere dann, wenn das Management nicht über die notwendigen Fähigkeiten verfügt, das Unternehmen zu führen.9 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Auf das nationale Recht wird absichtlich nicht eingegangen, da dies den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde. Behandelt wird die übergeordnete Ebene, welche zu einer Harmonisierung der nationalen Regeln führen sollte. Reinholz, Corporate Governance Problematik, S. 9. Ariff/Farrar, governance and regulation, S. 282; Cadbury, Report, S. 3 ff. Ariff/Farrar, governance and regulation, S. 282; Cadbury, Report, S. 3 ff. Reinholz, Corporate Governance Problematik, S. 15. Reinholz, Corporate Governance Problematik, S. 16. Informationen sind nicht allen handelnden Personen bekannt. Vgl. Klaus, DeRegulierung, S. 241. Reinholz, Corporate Governance Problematik, S. 15. Reinholz, Corporate Governance Problematik, S. 16. 200 § 11 Regulierung aus Sicht des Herkunftsstaats Der Corporate-Governance-Ansatz versucht, innerhalb einer Aktiengesellschaft das Verhältnis zwischen Kontrolle und Führung auszubalancieren und die Rolle der Aktionäre, welche das Risiko tragen, zu stärken.10 Die Corporate Governance im öffentlichen Sektor unterscheidet sich von derjenigen im privaten Sektor. Die Prozesse sind komplizierter, da der Faktor Politik hinzutritt. Der Staat ist als Eigentümer und Leistungserbringer in einer Doppelrolle. Als Eigentümer verfolgt er Effizienz- und Renditeziele, als Leistungserbringer möchte er jedoch sicherstellen, dass der öffentliche Auftrag zufriedenstellend erfüllt wird.11 Wichtig ist somit an erster Stelle, dass eine klare Eigentümerstrategie definiert wird. Es braucht eine nachhaltige Rollenverteilung zwischen Eigentümer, Politik und Management, ausserdem eine klare Definition der Verantwortlichkeiten, Kompetenzen und Strukturen für die verschiedenen Organe eines Unternehmens. Dies trägt zu zuverlässiger Entscheidungsfindung sowie zur Gewährleistung der Kontrolle der Unternehmensführung durch die Aktionäre innerhalb des Unternehmens bei.12 B. OECD-Grundsätze der Corporate Governance Die OECD hat Grundsätze zur guten Führung privater und staatlicher Unternehmen geschaffen. I. Corporate Governance Die OECD entwickelte 1998 auf Ministerebene in Zusammenarbeit mit nationalen Regierungen, anderen internationalen Organisationen und dem privaten Sektor Standards und Leitlinien für eine gute Corporate Governance. 1999 traten die ausgearbeiteten Grundsätze in Kraft. 2004 wurden sie ein erstes Mal revidiert.13 Die aktuell geltenden Prinzipien, die G20/OECD-Grundsätze der Corporate Governance, wurden am 4./5. September 2015 beim G20 Finanzminister- und Notenbankgouverneurstreffen in Ankara vorgestellt und beim G20Regierungschef-Treffen am 15./16. November 2015 bestätigt.14 Gegenstand der Prinzipien sind der Schutz der Aktionärsrechte, die Gleichbehandlung der Aktionäre, die Rollen der verschiedenen Unternehmensbeteiligten in der Corporate Governance sowie Offenlegung und Transparenz. Auch 10 11 12 13 14 Böckli/Huguenin/Dessemontet, Corporate Governance, S. 19. Müller, Corporate Governance, S. 44. Hammermeister/Zimmermann, Rolle von Nationalstaaten, S. 201; Müller, Corporate Governance, S. 44. Schreiber, International Standards, S. 30 f. OECD, G20/OECD, S. 1. 201 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds die Pflichten der Verwaltungsräte werden thematisiert. Ihr Ziel ist es, den Regierungen von Mitglieds- und Nichtmitgliedsstaaten Leitlinien zur Überprüfung des institutionellen und ordnungspolitischen Rahmens der Corporate Governance zu geben. Diese Leitlinien sollen nur Richtschnur sein und die Thematik nicht im Detail regeln. Die Staaten sind aufgefordert, anhand der Leitlinien eigene Prinzipien für eine gute Unternehmensführung aufzustellen.15 Die OECD-Prinzipien finden keine direkte Anwendung und können gerichtlich nicht durchgesetzt werden. Nichtsdestotrotz weisen sie eine beachtliche Wirkung auf.16 Laut OECD sind die Prinzipien ein unverzichtbarer und weltweit anerkannter Standard zur Evaluation und Optimierung der Corporate Governance von Unternehmen und dem Financial Stability Board zufolge sind sie ein wichtiger Standard für gut funktionierende Finanzsysteme; so habe etwa die Weltbank sie bereits in über 60 Länderprüfungen angewandt.17 II. OECD-Richtlinien für öffentliche Unternehmen Die OECD-Richtlinien für öffentliche Unternehmen sind Empfehlungen an Staaten zur effizienten, transparenten und rechenschaftspflichtigen Führung ihrer Staatsunternehmen. Sie beruhen auf international vereinbarten Prinzipien der Ausübung staatlicher Eigentümerfunktion mit dem Ziel, negative Auswirkungen sowohl einer zu passiven als auch einer zu aktiven Funktion zu minimieren. Auf öffentliche Unternehmen finden auch die G20/OECD-Grundsätze der Corporate Governance Anwendung.18 III. OECD-Richtlinien für Pensionsfonds Weiter finden auch die OECD-Richtlinien für Pensionsfonds auf Staatsfonds Anwendung.19 Bei ihnen handelt es sich um einheitliche internationale Richtlinien für die Pensionsfondsverwaltung. Enthalten sind zwölf Massnahmen, welche den Schutz des Versichertenanspruchs zum Ziel haben. Die Verwaltungsstruktur muss ihnen zufolge so aufgebaut sein, dass die Verantwortlichkeit geteilt ist und regelmässige Wirtschaftsprüfungen stattfinden.20 15 16 17 18 19 20 Schreiber, International Standards, S. 30 f. Müller, Corporate Governance, S. 31. OECD, G20/OECD, S. 1. OECD, Guidelines, S. 3. Allen/Caruana, A Work Agenda, S. 27. DPN, Investitionsfonds, S. 1. 202 § 11 Regulierung aus Sicht des Herkunftsstaats IV. OECD-Deklaration für internationale Investitionen und multinationale Unternehmen Die OECD-Deklaration für internationale Investitionen und multinationale Unternehmen (OECD-Leitsätze) wurde 1979 herausgegeben und periodisch in den Jahren 1982, 1991 und 2000 überarbeitet.21 Ziel der OECD-Leitsätze ist die Entschärfung der Kritik an multinationalen Unternehmen (MNU) und die Schaffung eines positiven Investitionsklimas.22 Sie setzen sich aus bindenden und nicht bindenden Elementen zusammen23 und thematisieren Verbraucherschutz, Steuern und Korruption.24 Für ihre Überwachung und Weiterentwicklung ist ein Investitionskomitee zuständig,25 während ihre Einhaltung durch die OECD-Mitgliedstaaten sichergestellt wird. Diese verpflichten sich, für die Umsetzung der Leitsätze durch die MNU Sorge zu tragen.26 Somit sind nicht die MNU, sondern die Staaten gebunden. Sie müssen einen Streitschlichtungsmechanismus anbieten und errichten Kontaktstellen zur Unterstützung der Heimatstaaten von MNU.27 Sie nehmen Beschwerden anderer Länder entgegen und unterstützen bei der Vermittlung. Sie können auch Empfehlungen abgeben, aber weder Sanktionen noch Strafen aussprechen.28 C. Santiago-Prinzipien (GAPP) Die IWGSWF hat unter der Leitung des IWF 2008 die Santiago-Prinzipien entwickelt. Sie stellen ein Rahmenwerk dar, dessen Einhaltung Staatsfonds ermöglicht, als ökonomisch und finanziell orientierte Investoren anerkannt zu werden.29 Sie definieren gewisse Standards, zu deren Einhaltung Staatsfonds sich freiwillig selbst verpflichten können, und stellen so eine Richtschnur für die Ausgestaltung einer angemessenen Unternehmensführung und Rechnungslegung sowie eine Grundlage für adäquate Investitionspraktiken seitens der Staatsfonds dar.30 So soll Vertrauen sowohl im Herkunftsstaat als auch im Zielstaat aufgebaut werden, indem Organisation, Führungsprinzipien, Transparenz und 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 Bahgat, Assessment, S. 169; Schaub, multinationale Unternehmen, S. 224. Schaub, multinationale Unternehmen, S. 222. Gordon/Pohl, OECD, S. 130. Cohen, Tradeoff, S. 726. Schreiber, International Standards, S. 34. Cohen, Tradeoff, S. 726. Gordon/Pohl, OECD, S. 130. Schaub, multinationale Unternehmen, S. 225. Siehe hierzu Kapitel § 10.B. Al-Suwaidi, Statement, S. 3; Behrendt, Sovereign Wealth Funds and the Santiago Principles, S. 16; Kern, Staatsfonds und Investitionspolitik, S. 20. 203 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Investitionsstrategie optimiert werden.31 Solches Vertrauen ist für den Zugang zu Investitionen ohne unnötige Barrieren und Bedenken nötig.32 Weiter sollen die Beziehungen zwischen Staat und Staatsfonds sowie die Ziele eines Staatsfonds offengelegt werden. Der Gebrauch privilegierter Informationen soll vermieden werden, insbesondere wenn sie durch Staatsnähe erlangt worden sind.33 Im Vordergrund stehen dabei die Prinzipien Transparenz und Rechenschaftspflicht. Als Interpretationshilfe werden die Prinzipien jeweils von einer Erklärung begleitet, welche die Überlegungen bei der Schaffung jedes einzelnen Artikels dokumentiert. Die Santiago-Prinzipien sollten nicht als abschliessend, sondern als Startpunkt für weitere Diskussionen verstanden werden. Es sind freiwillige Regeln, zu denen sich Staatsfonds verpflichten können.34 Weitere Ziele der Santiago-Prinzipien sind, für offene Finanzmärkte zu sorgen, zur Finanzmarktstabilität beizutragen und protektionistisches Verhalten zu verhindern.35 Die Santiago-Prinzipien enthalten 24 Artikel, welche in drei Überkategorien eingeteilt sind: Erstens Rechtsrahmen und Ziele, zweitens institutioneller Rahmen und Corporate Governance sowie drittens Anlage- und Risikomanagement.36 I. Rechtsrahmen und Ziele Art. 1 GAPP fordert, dass Staatsfonds einen soliden Rechtsrahmen aufweisen müssen. Dieser soll eine klare, institutionell geregelte Organisation sowie eine klar definierte Führungsstruktur mit klaren Verantwortlichkeiten aufweisen. Ohne einen solchen Rahmen im Sinne der Santiago-Prinzipien können laut den Erläuterungen zu den Santiago-Prinzipien weder Ziele noch Investitionsstrategien formuliert und umgesetzt werden. Art. 1 Abs. 1 GAPP setzt voraus, dass ein Staatsfonds nach nationalem Recht ordentlich aufgesetzt ist, um rechtliche Legitimität zu erhalten.37 Der Verwalter des Staatsfonds muss mandatiert sein, das Vermögen für den Staatsfonds zu verwalten. Weiter muss klar gestellt sein, wer der rechtliche Eigentümer des zu verwaltenden Vermögens ist und wer der Begünstigte. Art. 1 Abs. 2 GAPP verlangt, dass sowohl die Rechtsstruktur des Staatsfonds als auch die Beziehung zwischen Organen des Staatsfonds und (anderen) 31 32 33 34 35 36 37 Barbieri, European Union, S. 9; IFSWF, Application of the Santiago Priciples, S. 4; Monk, Sovereign Wealth Fund Debate, S. 4; Sauer, Liquiditätssicherung, S. 206. IFSWF, Application of the Santiago Priciples, S. 4. Barbieri, European Union, S. 10. Norton, Santiago Principles, S. 124. Behrendt, Sovereign Wealth Funds and the Santiago Principles, S. 4. Malathouni, Santiago Principles, S. 272. IWGSWF, Santiago Principles, S. 11. 204 § 11 Regulierung aus Sicht des Herkunftsstaats staatlichen Stellen wie Zentralbanken, Entwicklungsbanken und staatlichen Unternehmen benannt werden. Neben der Organisation müssen gemäss Art. 2 GAPP die Ziele von Staatsfonds offengelegt werden, insbesondere solche politischer Natur. Ein professionelles Management soll dabei geopolitische Strategien verhindern. Politische Ziele sind explizit erlaubt, solange sie deklariert sind.38 Da Staatsfonds in der Regel für makroökonomische Ziele gegründet werden, ist es wichtig, dass ein Staatsfonds gemäss Art. 3 GAPP eng mit dem Finanzministerium zusammenarbeitet. Die Aktivitäten von Staatsfonds müssen sich in die allgemeine makroökonomische Politik eines Staates eingliedern, da deren Tätigkeit grosse Auswirkungen39 auf die nationale Wirtschaft haben. Weiter müssen Staatsfonds gemäss Art. 4 GAPP klare und öffentlich einsehbare Regeln hinsichtlich Mittelherkunft und Wachstum des Staatsfonds aufweisen. Auch die Entnahme von Mitteln aus dem Staatsfonds und deren Verwendung muss gemäss Art. 4 Abs. 1 und 2 GAPP detailliert geregelt werden. Diese Regeln müssen dabei in einem Gesetz oder in der Gründungsurkunde hinterlegt werden.40 Art. 5 GAPP schreibt vor, dass grundlegende statistische Daten gegenüber dem Eigentümer offengelegt werden müssen.41 Es wird aber unterlassen, genauer auszuführen, welche Daten damit gemeint sind. Gemäss den Erklärungen zu den GAPP handelt es sich um Daten, die die offiziellen Statistikstellen grundsätzlich sammeln. Es sei wichtig, dass auch Daten bezüglich Staatsfonds erfasst werden würden, da diese für Wirtschaftsberichte über ein Land von Bedeutung sind.42 II. Institutioneller Rahmen und Corporate Governance Gemäss Art. 6 GAPP muss ein zuverlässiger Führungsrahmen existieren, der eine klare Verteilung der Rollen zulässt. Dies gewährleistet die Übernahme von Verantwortung und die operationelle Selbstständigkeit des Staatsfondsmanagements ohne politische Beeinflussung. Art. 7 GAPP schreibt vor, dass die Mitglieder der Staatsfondsverwaltung nach vorher klar definierten Zielen ausgewählt werden müssen und ihre Tätigkeit von einem fähigen Gremium überwacht werden muss. Der Eigentümer defi- 38 39 40 41 42 IWGSWF, Santiago Principles, S. 12 f. Die Aktivitäten von Staatsfonds können Auswirkungen auf die Haushaltsbilanz eines Staates, die Geldpolitik, die Fremdwährungsbilanz und den Wechselkurs haben. Vgl. IWGSWF, Santiago Principles, S. 13. IWGSWF, Santiago Principles, S. 13. IWGSWF, Santiago Principles, S. 14. IWGSWF, Santiago Principles, S. 15. 205 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds niert die Ziele für den Staatsfonds und überwacht deren Einhaltung.43 Weiter regelt Art. 8 GAPP, dass die Mitglieder des Verwaltungsorgans im besten Interesse des Staatsfonds zu handeln haben. Sie müssen einen klaren Auftrag zugewiesen bekommen und die Kompetenz erhalten, den Auftrag auch auszuführen.44 Die Verwaltungsbehörden des Staatsfonds legen in aller Regel die Strategie und Richtlinien fest, um die angestrebten Ziele zu erfüllen. Sie sind überdies für die Entwicklung des Staatsfonds zuständig. Der Auftrag der Verwaltungsbehörden kann unter anderem besagen, dass über die Implementierung der Strategie zu entscheiden ist. Die Verwaltungsbehörden regeln die Delegation von Verantwortlichkeiten und das Aufsetzen eines Komitees für die Einstellung und Absetzung des Führungsgremiums des Staatsfonds, insbesondere, wenn der Staatsfonds als separate juristische Person aufgestellt ist. Das Führungsgremium soll effizient und unabhängig handeln können sowie eine objektive Haltung hinsichtlich seiner Verantwortlichkeiten einnehmen. Ein Mindeststandard für die Kompetenzen des Führungsgremiums muss vorhanden und seine konkreten Aufgaben und Verantwortlichkeiten sollen öffentlich einsehbar sein.45 Art. 9 GAPP verlangt, dass die operative Geschäftsführung des Staatsfonds die Strategie unabhängig und vereinbar mit den klar definierten Verantwortlichkeiten umsetzen und implementieren können muss. Der Staat darf keinen Einfluss auf die operative Führung nehmen. Gemäss Art. 10 GAPP muss die Verantwortung für Handlungen des Staatsfonds in einem Gesetz, der Satzung, der Gründungsurkunde des Staatsfonds oder einem Managementvertrag geregelt werden.46 Art. 11 GAPP fordert einen jährlichen Bericht inklusive Jahresrechnung nach international anerkannten Rechnungslegungsvorschriften und Informationen zur Weiterentwicklung des Vermögens und der Verbindlichkeiten des Staatsfonds. Die Jahresrechnung sowie die Tätigkeiten des Staatsfonds müssen gemäss Art. 12 GAPP jährlich durch eine Revision überprüft werden. Art. 13 GAPP fordert, berufliche wie ethische Kodexe klar zu definieren und den Mitarbeitern zugänglich zu machen. Mitarbeiter müssen gut ausgewählt und qualifiziert sein.47 Bei Geschäften mit Drittpersonen müssen gemäss Art. 14 GAPP die Entscheidungen aufgrund ökonomischer und finanzieller Gründe getroffen werden.48 43 44 45 46 47 48 IWGSWF, Santiago Principles, S. 15. IWGSWF, Santiago Principles, S. 15. IWGSWF, Santiago Principles, S. 16. IWGSWF, Santiago Principles, S. 17. IWGSWF, Santiago Principles, S. 18. IWGSWF, Santiago Principles, S. 19. 206 § 11 Regulierung aus Sicht des Herkunftsstaats Art. 15 GAPP besagt, dass die Tätigkeiten von Staatsfonds mit dem inländischen Recht der Zielstaaten und deren einschlägigen Offenlegungsvorschriften im Einklang stehen müssen.49 Art. 16 GAPP hebt hervor, dass der Regulierungsrahmen, die Ziele und die Abhängigkeit des Managements vom Eigentümer des Staatsfonds transparent sowie öffentlich einsehbar sein müssen. Die Offenlegung der Ziele und des Führungsrahmenwerks dient einem genauen Verständnis von Ziel und Zweck des Staatsfonds.50 Art. 17 GAPP verlangt die Veröffentlichung wichtiger Finanzinformationen bezüglich des Staatsfonds, um einen Beitrag zur Stabilität der Finanzmärkte zu leisten und das Vertrauen der Empfängerstaaten in Staatsfonds und deren Investitionen zu fördern. Wichtige Finanzinformationen sind die Vermögensallokation und die vergangenen Renditen.51 III. Anlage- und Risikomanagementrahmen Gemäss Art. 18 GAPP muss die Investitionspolitik klar definiert sowie mit Zielen, Risikotoleranz und Investitionsstrategie konsistent sein und einem soliden Portfoliomanagementansatz entsprechen. Die Investitionsrichtlinien sollen darlegen, wie der Staatsfonds seine Ziele umsetzen will. Für die Festlegung der Investitionsziele hat der Staatsfonds sich diszipliniert an einen klaren Investitionsplan zu halten.52 Die Investitionsentscheidungen sollen gemäss Art. 19 GAPP darauf zielen, gemessen am eingegangenen Risiko den maximalen Ertrag zu erwirtschaften. Stehen andere als rein ökonomische Ziele im Vordergrund, müssen diese gemäss Art. 19 Abs. 1 GAPP offengelegt werden. Für die Verwaltung des Vermögens von Staatsfonds sollen gemäss Art. 19 Abs. 2 GAPP generell akzeptierte Vermögensverwaltungsprinzipien angewendet werden. Die Verwaltung der Staatsfondsvermögen soll mit Fachkenntnis und Sorgfalt durchgeführt werden. Der gleiche Ansatz soll gelten, wenn die Verwaltung der Staatsfondsvermögen an Dritte ausgelagert wird. Unter Sorgfaltsgesichtspunkten soll nicht nur die einzelne Investition, sondern der Gesamtkontext der Staatsfondsverwaltung betrachtet werden. Auch sollen die Gebühren, die für die Verwaltung bezahlt werden, moderat und der Prozess der Bezahlung gegenüber den Eigentümern des Staatsfondsvermögens transparent sein.53 49 50 51 52 53 IWGSWF, Santiago Principles, S. 19. IWGSWF, Santiago Principles, S. 19. IWGSWF, Santiago Principles, S. 20. IWGSWF, Santiago Principles, S. 20. IWGSWF, Santiago Principles, S. 22. 207 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Art. 21 GAPP sieht die Aktionärsrechte als fundamentale Rechte von Investoren an. Nimmt ein Staatsfonds seine Rechte wahr, so soll er diese im Einklang mit seiner Anlagepolitik und zum Schutze des Vermögenwertes seiner Investition ausüben.54 Art. 22 GAPP regelt die Anforderungen an das Risikomanagement. Dieses muss die Risiken der Tätigkeit klar identifizieren und Massnahmen zum Umgang mit dem Risiko treffen. Gemäss Art. 22 Abs. 1 GAPP soll das Risikomanagement zuverlässig und zeitnah Informationen liefern, damit ein adäquates Monitoring möglich ist.55 Art. 22 Abs. 2 GAPP beschreibt die Publizitätsanforderung des Risikomanagements. Art. 23 GAPP hält fest, dass dem Eigentümer des Staatsfonds regelmässig nach genau festgelegten Prinzipien die Entwicklung des Vermögens und der Investitionen dargelegt werden muss.56 Gemäss Art. 24 GAPP soll die Umsetzung der GAPP-Regeln regelmässig überprüft werden.57 Das IFSWF verfasst hierzu regelmässig Berichte, welche es anhand von Rückmeldungen der Staatsfonds hinsichtlich ihrer Befolgung der GAPP erstellt. Der erste Bericht erfolgte 2011 und der zweite 2013. 2014 wurde ein Bericht mit Fallstudien zu verschiedenen Staatsfonds herausgegeben. Weitere Berichte sind zu erwarten.58 Die Berichte verfolgen die Entwicklung der Staatsfonds und erkennen dabei an, dass die Umsetzung der Prinzipien ein laufender Prozess mit Entwicklungspotenzial ist.59 D. Norwegen – GPFG Norwegen ist eine etablierte europäische Demokratie. Dem norwegischen Staatsfonds GPFG wird oftmals eine Vorbildfunktion insbesondere hinsichtlich seiner Transparenz attestiert.60 Dem norwegischen Finanzministerium zufolge hat er alle Bestimmungen der Santiago-Prinzipien umgesetzt und kann als vollständig mit den Santiago-Prinzipien vereinbar gelten.61 Es veröffentlicht regelmässige Berichte zur Einhaltung der Santiago-Prinzipien als Teil der darin vorgesehenen laufenden Selbstüberprüfung.62 54 55 56 57 58 59 60 61 62 IWGSWF, Santiago Principles, S. 22. IWGSWF, Santiago Principles, S. 23. IWGSWF, Santiago Principles, S. 24. IWGSWF, Santiago Principles, S. 25. Die vorliegende Arbeit behandelt die Berichte bis Ende 2016. IFSWF, 2013 Report, S. 3. Shemirani, International Political Economy, S. 19. Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 3 ff. Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 2; siehe Art. 24 GAPP; die Berichte können auf der Webseite des Parlaments eingesehen werden: https://www.regjeringen.no/en/. 208 § 11 Regulierung aus Sicht des Herkunftsstaats I. Rechtsrahmen, Ziele, sowie deren Koordination mit makroökonomischen Zielen, GAPP 1–5 Die Artikel 1–5 der GAPP enthalten Prinzipien zum Rechtsrahmen und den Zielen eines Staatsfonds sowie zur Koordination dieser Ziele mit makroökonomischen Zielen. 1. GAPP 1: Rechtlicher Rahmen Der Führungsrahmen des GPFG erfüllt die Voraussetzungen gemäss Art. 1 GAPP eines soliden Rechtsrahmens. Der Staatsfonds ist nach nationalem Recht ordentlich aufgesetzt worden. Die rechtlichen Grundlagen des GPFG finden sich im Government Pension Fund Act (GPFA).63 Es ist klar definiert, wer die Vermögen des Staatsfonds verwaltet, wer Eigentümer und wer Begünstiger der Staatsfondsvermögen ist.64 Der GPFA kann auf der Webseite der Norges Bank abgerufen werden.65 Das Finanzministerium amtiert als Eigentümer des Staatsfondsvermögens.66 Es wurde durch das norwegische Parlament (Storting) mandatiert, das Vermögen zu verwalten, und das Finanzministerium hat dazu Richtlinien erlassen. Die operative Verwaltung hat das Finanzministerium der Norges Bank übertragen. Diese führt das Staatsfondsvermögen als eigenes Sonderkonto. Erträge aus dem Fonds dürfen in das Staatsbudget übernommen werden, hierfür ist aber gemäss GPFA ein Beschluss des Parlaments (Storting) notwendig.67 Das Zusammenspiel zwischen Finanzministerium und Norges Bank wird in einem Verwaltungsabkommen geregelt.68 Dieses enthält auch Vorgaben zu Risikomanagement, Berichterstattung und nachhaltiger Investitionspraxis. Innerhalb dieses Rahmens muss der Staatsfonds versuchen, die bestmögliche Rendite zu erwirtschaften.69 2. GAPP 2: Ziel Auch Art. 2 GAPP setzt der GPFG um, indem sein Zweck im GPFA festgelegt wurde: Der Staatsfonds soll den Staat dabei unterstützen, für die zukünftigen 63 64 65 66 67 68 69 Siehe hierzu Kapitel § 5.VI.1. Sektion 2 GPFA. Siehe https://www.nbim.no/en/the-fund/governance-model/government-pension-fund-act/. Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 3. Sektion 5 GPFA. Das Verwaltungsabkommen The Management Mandate for the Government Pension Fund Global (GPFG mandate) kann auf der Webseite des norwegischen Parlaments eingesehen werden. Vgl. https://www.nbim.no/en/the-fund/governance-model/managementmandate/. Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 3. 209 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Rentenausgaben zu sparen und die Einnahmen aus den Erdölverkäufen optimal zu verwalten.70 3. GAPP 3: Koordination mit makroökonomischen Zielen Das Finanzministerium gibt an, dass der GPFG im Einklang mit den makroökonomischen Zielen von Norwegen agiere.71 Er investiert ausschliesslich im Ausland72 und wird von Einnahmen aus dem Verkauf von Erdöl gespeist. Der GPFA regelt sowohl die Einzahlung als auch die Auszahlung von Geldern des Staatsfonds. Sein Einkommen setzt sich aus dem Nettogeldzufluss aus dem Staatsbudget, den Finanzergebnissen aus Erdölverkäufen sowie dem Ergebnis der Staatsfondsverwaltung zusammen.73 4. GAPP 4: Ein- und Auszahlungen Gemäss Art. 3 GAPP verfügt der GPFG über gesetzlich festgelegte Regeln zu Entnahme und Äufnung von Geldern.74 Einzahlungen, Entnahmen sowie Ausgaben in Bezug auf den Staatsfonds werden in den Publikationen zum Staatsbudget gemäss GPFA veröffentlicht. Das norwegische Parlament entscheidet über einen möglichen Transfer mit der Einschränkung, dass dieser nur ins nationale Budget fliessen darf. Die fiskalpolitische Richtlinie bestimmt, dass maximal der langfristig erwartete Ertrag übertragen werden darf. Dieser ist aktuell 4% des verwalteten Vermögens.75 5. GAPP 5: Offenlegung Die Norges Bank informiert vierteljährlich über die Entwicklung des Staatsfonds. Die Berichte enthalten Angaben zum Risikoprofil sowie zu Kosten und Ertrag.76 Die Berichte sind auf der Webseite des NBIM für jedermann einsehbar.77 II. Institutioneller Rahmen und Corporate Governance, GAPP 6-17 Der vorliegende Abschnitt zeigt die Umsetzung der GAPP bezüglich Corporate Governance auf. 70 71 72 73 74 75 76 77 Sektion 1 GPFA; Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 3. Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 5. Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 4. Siehe hierzu Kapitel § 5.D.VI.2. Siehe hierzu Kapitel § 11.D.I.3. IFSWF, 15 Case Studies, S. 115. Siehe für die Berichte: https://www.nbim.no/en/transparency/reports/. IFSWF, 15 Case Studies, S. 116. 210 § 11 Regulierung aus Sicht des Herkunftsstaats 1. GAPP 6: Governance Framework Bezüglich der Führungsstruktur gibt das norwegische Finanzministerium an, dass es Art. 6 GAPP vollständig umgesetzt habe.78 Das Rahmenwerk des GPFG ist im GPFA niedergelegt.79 Formell ist das Finanzministerium für den Staatsfonds zuständig und amtet auch als Eigentümer seines Vermögens. Die Verwaltungstätigkeit übernimmt die Norges Bank über eine Vermögensverwaltungseinheit, das NBIM. Wie die Investitionen zu erfolgen haben, hat das Finanzministerium in einem Mandat festgehalten. Dieses Mandat regelt auch die Aufsichtspflichten. In Zusatzprotokollen werden die ethischen Standards konkretisiert, welche das NBIM bei seiner Verwaltungstätigkeit einzuhalten hat.80 Im Mandat ist ausdrücklich festgehalten, dass die Norges Bank unabhängig vom Finanzministerium ist.81 Die Organe des GPFG werden durch verschiedene Gesetze legitimiert. Der Verwalter hat im besten Interesse des Staatsfonds zu wirtschaften. Sein Mandat umfasst die Ziele der Verwaltung, die strategischen Zielvereinbarungen, verantwortungsvolles Investieren, Standards der Berichterstattung, Risikomanagement, Kosten sowie Information und Beziehung zwischen Eigentümer und Verwalter.82 2. GAPP 7: Kompetenzen und Verantwortlichkeit In seinem Self-assessment-Bericht aus dem Jahr 2015 führt das Finanzministerium von Norwegen aus, dass Art. 7 GAPP umgesetzt werde: Das Rahmenwerk zur Verantwortlichkeit innerhalb des GPFG sei in Gesetzesform (NBA, GPFA) sowie im Verwaltungsabkommen zwischen dem GPFG und der Norges Bank niedergelegt.83 3. GAPP 8: Verwaltungstätigkeit Das Mandat, welches das Finanzministerium dem Exekutive Board übertragen hat, soll sicherstellen, dass die Manager im besten Interesse des Staatsfonds handeln. Das Verwaltungsabkommen zwischen der Norges Bank und dem Finanzministerium beinhaltet unter anderem Informationen zu Verwaltungszielen, strategischen Benchmarks, nachhaltigem Investieren, Berichterstattungsstandards, 78 79 80 81 82 83 Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 6. § 5.D.VI.1. Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 6. Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 6. Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 6. Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 7; siehe hierzu auch: § 5.D.VI. 211 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Risikomanagement, Kosten, Berichterstattung sowie der Beziehung zwischen dem Eigentümer und dem Manager.84 4. GAPP 9: Unabhängigkeit Art. 8 GAPP entsprechend regelt ein Verwaltungsabkommen die Beziehung zwischen der Norges Bank, der Verwaltung vom Staatsfonds sowie dem Finanzministerium.85 5. GAPP 10: Verantwortlichkeit Auch die Verantwortlichkeit der an der Staatsfondsverwaltung beteiligten Stellen und Personen ist im Verwaltungsabkommen geregelt. 6. GAPP 11: Berichte Das Verwaltungsabkommen bestimmt, dass die Norges Bank einen vierteljährlichen sowie einen jährlichen Bericht über die Verwaltung des Investitionsportfolios zu erstellen hat. Auch der GPFG veröffentlicht einmal jährlich einen Bericht. Die Berichte haben gemäss dem Abkommen nach der Massgabe höchstmöglicher Transparenz innerhalb der Grenzen einer soliden Vermögensverwaltung zu erfolgen.86 Sie müssen den Standards bezüglich der Buchhaltung der Norges Bank genügen. Die Norges Bank verfolgt die IFRS-Standards.87 7. GAPP 12: Revision Der Jahresbericht der Norges Bank hinsichtlich des GPFG wird einmal jährlich durch ein internationales Revisionsunternehmen überprüft, welches durch den Supervisory Council der Norges Bank bestimmt wird. 2015 führte Deloitte die Revision durch.88 8. GAPP 13: Professionelle und ethische Standards Das Finanzministerium gibt im Bericht zur Umsetzung der Santiago-Prinzipien aus dem Jahr 2015 an, dass die Standards für die Mitarbeiter des GPFG auf sei- 84 85 86 87 88 Siehe hierzu Kapitel § 11.D.I.1. Siehe hierzu Kapitel § 11.D.II. Sektion 6.1 Verwaltungsabkommen. Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 9. Die Revision werde in der Richtlinie Regulation on financial reporting at Norges Bank geregelt. Leider existiert diese nur auf Norwegisch. Sie kann hier gefunden werden: https://lovdata.no/dokument/SF/forskrift/2011-01-01-1 212 § 11 Regulierung aus Sicht des Herkunftsstaats ner Webseite publiziert seien.89 Sie enthalten Prinzipien zu Transparenz, Objektivität und Restriktionen hinsichtlich bestimmter Transaktionen gemäss den Ethik-Richtlinien90.91 9. GAPP 14: Umgang mit Dritten Laut norwegischem Finanzministerium ist die Beziehung des GPFG zu Outsourcing-Anbietern und externen Manager im Verwaltungsabkommen definiert.92 Überdies regelt die Verordnung über das Risikomanagement und die interne Kontrolle der Norges Bank, dass diese die Verantwortung für das Risikomanagement sowie internen Kontrollen in Bezug auf ausgelagerte Operationen trägt. Die Vereinbarung berechtigt die Organe der Norges Bank dazu, ausgelagerte Geschäfte zu kontrollieren und zu überwachen. Überdies enthält die Vereinbarung Bestimmungen zum Umgang mit Dritten; so etwa muss sichergestellt werden, dass Geschäfte mit Dritten wirtschaftlichen Interessen des GPFG dienen.93 10. GAPP 15: Vereinbarkeit mit Gesetzen in den Zielstaaten Die Norges Bank verfügt über eine Compliance-Abteilung deren Aufgabe es ist, zu überwachen, dass alle regulatorischen und Offenlegungspflichten wahrgenommen werden. Die Compliance-Abteilung kann Risken und Interessenskonflikte direkt dem Executive Board melden.94 11. GAPP 16: Unabhängigkeit Der Führungsrahmen und die Ziele des Staatsfonds sind transparent und öffentlich einsehbar. Sie sind vom Parlament gesetzlich festgelegt.95 Das Verwaltungsabkommen hält in Sektion 1.1 fest, dass die Norges Bank ihre Investitionsentscheide unabhängig vom Finanzministerium zu treffen hat. Dem Parlament wird jährlich durch das Finanzmininisterium über die Verwaltung des GPFG be89 90 91 92 93 94 95 Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 10; siehe Conduct of Business vom 1. Dezember 2011 der Norges Bank, abrufbar unter https://www.nbim.no/en/the-fund/gover nance-model/policies/conduct-of-business/. Die Ethikrichtlinien Guidelines for observation and exclusion of companies sind auf der Webseite der Norges Bank unter https://www.nbim.no/en/responsibility/exclusion-ofcompanies/ abrufbar. Sie bestimmen, in welche Unternehmen der Staatsfonds nicht investieren darf. IFSWF, 15 Case Studies, S. 119. IFSWF, 15 Case Studies, S. 119; siehe Sektion 1.8 Verwaltungsabkommen. Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 10. IFSWF, 15 Case Studies, S. 119. IFSWF, 15 Case Studies, S. 120. 213 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds richtet; der Bericht enthält eine Diskussion der Investitionsstrategie sowie Informationen zur Führung und Überwachtung des GPFG.96 12. GAPP 17: Offenlegung relevanter Finanzdaten Das NBIM berichtet dem Finanzministerium und der Öffentlichkeit quartalsweise. Die Finanzinformationen sind im Jahresbericht der Norges Bank inkludiert. Relevante Finanzinformationen sind auch im Staatsbudget und in der Staatsrechnung enthalten.97 III. Anlage- und Risikomanagementrahmen, GAPP 18–24 Die Artikel 18–24 des GAPP enthalten Bestimmungen zum Anlage- und Risikomanagement. 1. GAPP 18: Investitionsrichtlinie Die Grundlagen der Anlagepolitik des GPFG sind im GPFA festgelegt. Im Jahresbericht für das Parlament wird über die Entwicklung der Strategie des Staatsfonds berichtet. Die Strategie ist in das Verwaltungsmandat eingefügt und wird durch den Finanzminister festgelegt.98 2. GAPP 19: Andere als ökonomische Ziele Der GPFG befolgt laut Finanzministerium den U.N. Global Compact, die OECD-Grundsätze der Corporate Governance 99 und die OECD-Deklaration für internationale Investitionen und multinationale Unternehmen.100 Zudem regelt die Vereinbarung die Wahrnehmung der Eigentümer- und Stimmrechte des Staatsfonds im Rahmen seiner Investitionen.101 Überdies besitzt das NBIM Richtlinien, die festlegen, in welcher Form es diese Rechte in Anspruch nehmen kann. Das NBIM hat Regeln zur Wahrnehmung seiner Stimmrechte festgelegt. Diese sollen die Transparenz sowie die Voraussehbarkeit sicherstellen. Das NBIM publiziert auf seiner Webseite die Ergebnisse der Aktionärsabstimmungen und das eigene Stimmverhalten.102 96 97 98 99 100 101 102 Die Berichte können unter http://www.government.no/gpf abgerufen werden. IFSWF, 15 Case Studies, S. 120. Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 11. Siehe hierzu Kapitel § 11.B. Siehe hierzu Kapitel § 11.B.IV. Siehe hierzu Kapitel § 5.D.VI.4. Norwegian Ministry of Finance, Adherence, S. 12. 214 § 11 Regulierung aus Sicht des Herkunftsstaats 3. GAPP 20: Vorteilsnutzung durch staatliche Nähe Der GPFG tätigt keine Investitionen in Norwegen.103 Durch die Trennung zwischen Finanzministerium und NBIM sollen verhindert werden, dass vertrauliche Informationen der Regierung im NBIM bekannt werden. Weiter gibt es eine klare Trennung zwischen der Norges Bank und dem NBIM. Interne Richtlinien halten fest, dass der Executive Direktor des NBIM nicht an Treffen der Geschäftsleitung der Norges Bank teilnehmen darf.104 4. GAPP 21: Aktionärsrechte Der GPFG hat öffentlich einsehbare Prinzipien bezüglich seiner Aktionärsbeteiligungen. Das NBIM hat zum Ziel, aktiv bei allen Generalversammlungen ihrer Beteiligungen teilzunehmen. Jedes Jahr stimmt sie so in über 10.000 Generalversammlungen ab.105 5. GAPP 22: Risikomanagementrichtlinien Der Bankrat ist für die Überprüfung der Wirksamkeit des Risikomanagements zuständig. Die interne Kontrollstelle soll für das Executive Board sicherstellen, dass ein adäquates und effektives Risikomanagement mit zufriedenstellenden internen Kontrollen vorhanden ist. 6. GAPP 23: Information des Eigentümers über die Vermögens- und Investitionsentwicklung Die norwegische Regierung geht sehr offen mit Transparenz um. Der Staatsfonds informiert die Öffentlichkeit mit Informationen zur Investitionsstrategie. Zudem veröffentlicht die norwegische Regierung vierteljährlich die Investitionsresultate, monatlich den Gewinn und einmal jährlich die Aktien und Anleihen, welche der Staatsfonds an anderen Staaten und Unternehmen hält.106 7. GAPP 24: Überprüfung der Einhaltung der Prinzipien Der GPFG setzt alle Santiago-Prinzipien um. Das norwegische Finanzministerium beobachtet die Entwicklung der Regeln kontinuierlich. Würde sich etwas an den GAPP oder der Verwaltung des Staatsfonds ändern, würde der Staats- 103 104 105 106 Sektion 3.1(2)(a) Verwaltungsabkommen. IFSWF, 15 Case Studies, S. 121. IFSWF, 15 Case Studies, S. 121. Truman, Transparency, S. 9. 215 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds fonds laut Finanzministerium sofort reagieren und die eigenen Anpassungen dokumentieren.107 E. Singapur – GIC Singapur hat zwei Staatsfonds: die Temasek und die GIC. Die Temasek gilt als vorbildlich, indem sie die Santiago-Prinzipien grösstenteils umsetzt. Die GIC hat noch Optimierungsbedarf.108 Vorliegend wird auf die GIC eingegangen. Die GIC geht offen mit der Umsetzung der Santiago-Prinzipien um und erläutert auf ihrer Webseite und in Self-assessments wie sie die Einhaltung umsetzt. Schwierig ist die Überprüfung, da die Informationen sehr oberflächlich sind und die zugrundeliegenden Gesetze und Statuten auf der Webseite nicht auffindbar sind. I. Rechtsrahmen und Ziele sowie deren Koordination mit makroökonomischen Zielen, GAPP 1–5 Der vorliegende Abschnitt behandelt die Umsetzung der GAPP hinsichtlich des Rechtsrahmens, der Ziele sowie deren Koordination mit makroökonomischen Zielen. 1. GAPP 1: Rechtlicher Rahmen Die Rechtsgrundlage der GIC Private Limited liegt im Singapore Companies Act. Unter diesem Recht wurde die GIC 1981 inkorporiert. Eigentümer der GIC ist der Staat Singapur. In einem Verwaltungsmandat werden die Investitionsziele, der Investitionshorizont, die Risikoparameter sowie die Investitionsrichtlinien festgelegt. Diese müssen von der GIC eingehalten werden, wenn sie das Portfolio verwalten. Der Companies Act von Singapur ist öffentlich einsehbar. Auch das Verhältnis zum Staat legt die GIC auf ihrer Webseite wie auch in ihrem Jahresbericht offen.109 2. GAPP 2: Ziel Die Zielsetzung der GIC ist klar definiert und öffentlich auf der Webseite und im Jahresbericht publiziert: «We aim to achieve good long-term returns for the Government – a reasonable risk-adjusted rate above global inflation over a 20-year investment horizon. By achieving these returns, we meet our responsibility to preserve and enhance the 107 108 109 IFSWF, 15 Case Studies, S. 123. Behrendt, Santiago Compliance, S. 2. IFSWF, 15 Case Studies, S. 135. 216 § 11 Regulierung aus Sicht des Herkunftsstaats international purchasing power of Singapore’s foreign reserves. The reserves provide a stream of income that can be spent or invested for the benefit of present and future generations.» 3. GAPP 3: Koordination mit der makroökonomischen Politik Die GIC investiert nur ausserhalb von Singapur. Dabei verfolgt sie das Ziel, die eigene internationale Kaufkraft zu erhalten sowie zu steigern.110 4. GAPP 4: Ein- und Auszahlungen Die GIC publiziert die Herkunft ihrer Einnahmen sowohl auf ihrer Webseite als auch im Jahresbericht. Die Startfinanzierung fand über die Ausgabe einer Staatsanleihe, Staatsbilanzüberschüsse sowie Einnahmen aus staatlichem Landverkauf statt. Die Verfassung von Singapur bestimmt den Anteil des Staatsfondsertrags, welcher durch den Staat verwendet werden darf. Dies sind bis zu 50% des langfristig erwarteten Ertrags der GIC sowie 50% des Ertrages der Zentralbank von Singapur. Der Übertrag erfolgt ins Staatsbudget.111 5. GAPP 5: Offenlegung Die GIC informiert das Buchhaltungsdepartement im Finanzministerium einmal monatlich sowie zusätzlich vierteljährlich. Die Meldungen enthalten die Finanztransaktionen, die Beteiligungen und die Bankbestände. Die Berichte enthalten detaillierte Leistungsberichte sowie Risikoanalysen. Zudem umfassen sie auch eine Aufteilung des Portfolios nach Vermögensklassen, Investitionsdestinationen und Währungen.112 II. Institutioneller Rahmen und Corporate Governance, GAPP 6-17 Der nachfolgende Abschnitt stellt die Regeln der GIC hinsichtlich ihres institutionellen Rahmens sowie ihrer Corporate Governance dar. 1. GAPP 6: Governance Framework Die Verwaltungsvereinbarung der GIC umfasst alle wesentlichen Informationen zu Personalgewinnung, Investmentzielen, Investitionshorizont, Risikoparametern und Richtlinien zur Verwaltung des Portfolios. Die Verwaltung des Portfolios wird unabhängig vom Finanzministerium durch das Board wahrgenommen. Dieses hat das Vermögen effizient und mit dem Investmentmandat vereinbar zu 110 111 112 IFSWF, 15 Case Studies, S. 135. IFSWF, 15 Case Studies, S. 135. IFSWF, 15 Case Studies, S. 135. 217 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds erfüllen. Der Staat wird lediglich durch das Finanzministerium repräsentiert. Das Board ist gegenüber dem Finanzministerium rechenschaftspflichtig und muss in regelmässigen Abständen über die Portfolioentwicklung berichten.113 Als Fifth Schedule Company muss die GIC dem Präsidenten auf seine Anordnung hin Informationen offenlegen, die er zum Schutz der öffentlichen Reserven benötigt. Das Board beaufsichtigt kritische Bereiche hinsichtlich Investitionspolitik, Risiko, Revision sowie Personal. Überdies beschäftigt die GIC externe Berater, die über globale Erfahrung verfügen. Der Hauptrevisor wird durch den Präsidenten von Singapur ins Amt gesetzt. Er hat dem Präsidenten und dem Parlament einen Bericht über seine Revisionstätigkeit abzugeben.114 2. GAPP 7: Kompetenzen und Verantwortlichkeit Gemäss Bericht des Staatsfonds von Singapur würden die Ziele der GIC durch die Regierung festgelegt. Als Vertreter der Regierung ernennt das Finanzministerium die Mitglieder des Verwaltungsrats für eine feste Laufzeit, die verlängert werden kann. Darüber hinaus darf niemand ohne Zustimmung des Präsidenten von Singapur, der von der Regierung unabhängig ist und nicht Mitglied einer politischen Partei sein darf, ins Gremium des Staatsfonds ernannt oder aus diesem entlassen werden. Dies bietet einen zusätzlichen Prüfungsmechanismus.115 3. GAPP 8: Verwaltungstätigkeit Das Board muss gegenüber der Regierung Rechenschaft über seine Tätigkeit ablegen. Es hat dafür zu sorgen, dass eine effiziente Verwaltung im Rahmen des Investitionsmandats möglich ist. Indem der Präsident für die Einsetzung der Boardmitglieder sein Einverständnis geben muss, soll gewährleistet werden, dass nur integre Personen, welche über die Kompetenz zur zuverlässigen Verwaltung des ihnen anvertrauten Vermögens verfügen, eingesetzt werden. Überdies unterstützen externe Berater mit globaler Erfahrung in der Vermögensverwaltungsbranche die Investitionsstrategie des Board. Diese externen Berater sind Mitglieder im Investitionsstrategiekomitee und im Risikokomitee. Sie sollen eine externe Perspektive einfliessen lassen.116 113 114 115 116 IFSWF, 15 Case Studies, S. 135. IFSWF, 15 Case Studies, S. 135. IFSWF, 15 Case Studies, S. 135. IFSWF, 15 Case Studies, S. 135. 218 § 11 Regulierung aus Sicht des Herkunftsstaats 4. GAPP 9: Unabhängigkeit Der durch das Finanzministerium repräsentierte Staat mischt sich nicht in Investitionsentscheide der GIC ein. Das Management führt die Investitionsstrategie aus, ist verantwortlich für Transaktionen und rapportiert regelmässig dem Board und der Regierung.117 5. GAPP 10: Rechenschaftsmechanismus Die Rechenschaftspflicht ist im Investitionsmandat, in der Verfassung von Singapur sowie im Singapore Companies Act geregelt. Das Investitionsmandat zwischen der Regierung und der GIC definiert die Anstellungsbedingungen, die Investitionsziele, den Investitionshorizont, Risikoparameter sowie Investitionsrichtlinien hinsichtlich der Verwaltung des Portfolios. Die GIC wurde 1981 durch den Companies Act gegründet. Der Companies Act sowie die Satzung der GIC bestimmen, wie sich das Board der GIC zusammensetzt. Darüber hinaus enthält es weitere Informationen zur Führung und zum Verhalten des Board.118 6. GAPP 11: Jahresbericht Die GIC generiert monatliche sowie vierteljährliche Berichte, welche sie dem Hauptbuchhalter des Finanzministeriums zukommen lässt. Einmal jährlich trifft das Management der GIC offizielle Vertreter des Finanzministeriums, um ihnen formell über den Gang des Geschäfts zu berichten.119 Den ersten Jahresbericht publizierte die GIC im September 2008. Seither erscheint jedes Jahr Ende Juli der Jahresbericht des zurückliegenden Jahres.120 7. GAPP 12: Revision Die GIC sowie das Portfolio des Staates, das die GIC verwaltet, werden einmal jährlich durch den Hauptrevisor geprüft. Dieser wird durch den Präsidenten ernannt, um die Unabhängigkeit zu wahren. Überdies sieht die Verfassung Normen vor, welche verhindern, dass seine Vergütung reduziert oder er seines Amtes enthoben wird. Über seine Entlassung aus dem Dienst entscheidet ein unabhängiges Panel. Dies soll ermöglichen, dass der Revisor seine Tätigkeit ohne Angst ausführen kann.121 117 118 119 120 121 IFSWF, 15 Case Studies, S. 136. IFSWF, 15 Case Studies, S. 136. IFSWF, 15 Case Studies, S. 136. IFSWF, 15 Case Studies, S. 137. IFSWF, 15 Case Studies, S. 137. 219 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds 8. GAPP 13: Professionelle und ethische Standards Die GIC verfügt über einen Ethikkodex, den die Mitarbeiter einzuhalten haben. Die Mitarbeiter sind verpflichtet, alle in- und ausländischen Gesetze und Richtlinien im Gründungsstaat wie auch in den Zielländern einzuhalten. Des Weiteren sind laut Selbstbeschreibung des Staatsfonds Richtlinien bezüglich des Umgangs mit Interessenkonflikten vorhanden. Die Einhaltung werde durch regelmässiges Training des Personals gewährleistet.122 9. GAPP 14: Umgang mit Dritten Die Zusammenarbeit mit Dritten hinsichtlich der Verwaltung von Staatsfondsvermögen muss nach wirtschaftlichen und finanziellen Kriterien stattfinden und klaren Regeln und Verfahren folgen.123 Die GIC gibt in ihrem Self-assessment an, dass externe Vermögensverwalter nach ihren Fähigkeiten ausgesucht werden, welche diejenigen der Verwaltung der GIC übersteigen und so die Fähigkeiten der GIC komplementieren sollen.124 Sie führt nicht weiter aus, nach welchen Kriterien die Auswahl stattfindet und wie der Umgang geregelt ist. 10. GAPP 15: Vereinbarkeit mit Gesetzen in den Gastländern Die GIC gibt an, alle Offenlegungspflichten der Länder einzuhalten, in denen sie investiert. Das Investitions- und das Operationsteam arbeite Hand in Hand mit der internen Rechts- und Compliance-Abteilung.125 Es konnten bis dato keine Anhaltspunkte dafür gefunden werden, dass die GIC Verstösse gegen Offenlegungspflichten begangen habe. 11. GAPP 16: Unabhängigkeit Im Jahresbericht sowie auf der Webseite der GIC sind ihr Führungsrahmen und ihre Investitionsziele offengelegt. Zudem wird dargelegt, wie die operationelle Unabhängigkeit gegenüber dem Eigentümer sichergestellt werden soll.126 12. GAPP 17: Offenlegung relevanter Finanzdaten. Der Jahres- und Finanzbericht der GIC wird über die Webseite der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Berichte enthalten Informationen zu Investitionszielen, Rechts- und Corporate-Governance-Rahmen, Investitionsansatz sowie 122 123 124 125 126 IFSWF, 15 Case Studies, S. 137. Art. 14 GAPP. IFSWF, 15 Case Studies, S. 138. IFSWF, 15 Case Studies, S. 138. IFSWF, 15 Case Studies, S. 138. 220 § 11 Regulierung aus Sicht des Herkunftsstaats Risikorahmen. Die GIC bemüht sich fortlaufend, die Transparenz zu erhöhen. Seit 2011 legt sie die Entwicklung der nominellen Erträge und die Volatilität der Erträge über verschiedene Zeitperioden (5, 10 und 20 Jahre) offen.127 III. Anlage- und Risikomanagementrahmen, GAPP 18–24 Art. 18–24 GAPP enthalten die Prinzipien bezüglich Anlage- und Risikomanagement. Der vorliegende Abschnitt stellt dar, inwiefern diese Prinzipien durch die GIC umgesetzt werden. 1. GAPP 18: Investitionsrichtlinie Die GIC verfügt über eine Investitionsrichtlinie, die die Anlageklassen, in welche der Staatsfonds investieren darf, festlegt. Das Risikoprofil wird durch die Regierung als Vertretung des Eigentümers der GIC vorgegeben.128 Die Aufteilung zwischen internen und externen Verwaltern wird anhand der optimalen Eignung entschieden: Externe Manager werden hinzugezogen, wenn sie die Fähigkeiten der GIC komplettieren können. Für Investitionen, welche die GIC selbstständig durchführen kann, werden keine externen Berater eingesetzt.129 Die Investitionsrichtlinie ist nicht öffentlich auffindbar. 2. GAPP 19: Andere als ökonomische Ziele Die GIC verfolgt laut Self-assessment ausschliesslich finanzielle Interessen.130 3. GAPP 20: Vorteilsnutzung durch staatliche Nähe Die GIC gibt an, keinen Zugang zu bevorzugten Informationen zu haben. Trotz Nähe zum Staat habe dieser keine Möglichkeit, unangemessenen Einfluss zu nehmen. Der Staat darf sich nicht in die Investitionstätigkeiten der GIC einmischen und deren Mitarbeiter hätten einen Verhaltenskodex einzuhalten, welcher den Zugang zu privilegierten Informationen regelt und deren Nutzung verbietet.131 4. GAPP 21: Aktionärsrechte Die GIC gibt an, ihre Aktionärsrechte zu nutzen, um ihre finanziellen Interessen an einer Investition zu schützen.132 127 128 129 130 131 132 IFSWF, 15 Case Studies, S. 139. IFSWF, 15 Case Studies, S. 139. IFSWF, 15 Case Studies, S. 139. IFSWF, 15 Case Studies, S. 139. IFSWF, 15 Case Studies, S. 140. IFSWF, 15 Case Studies, S. 140. 221 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds 5. GAPP 22: Risikomanagementrichtlinien Die Identifikation und das Management von Risiken ist integrierter Bestandteil aller Managementverantwortlichkeiten. Die Risikomanagementrichtlinien regeln die Rechenschaft und die Verantwortung für die Übernahme von Risiko. Neben dem Board und dem Risikokomitee haben weitere Stellen die Aufgabe, Risiken zu identifizieren, zu analysieren, zu überwachen, zu verwalten und darüber zu rapportieren. Das Risikomanagement der GIC basiert auf drei Säulen: Die Verwaltung des Portfoliorisikos soll gewährleisten, dass erstens angemessen und effizient Risiko angenommen wird, zweitens Entscheidungen gut implementiert werden und drittens personelle Risiken richtig behandelt werden.133 6. GAPP 23: Information des Eigentümers über die Vermögens- und Investitionsentwicklung Die GIC informiert den Staat Singapur als Eigentümer der Vermögen über die Entwicklung des Vermögens sowie die Zusammensetzung der Investitionen.134 7. GAPP 24: Überprüfung der Einhaltung der Prinzipien Die GIC überprüft regelmässig, ob sie die GAPP einhalten. Ihr letztes Ergebnis hat sie im IFSWF-Bericht anlässlich des 6. Jahrestreffens der IFSWF 15 Case Studies präsentiert.135 F. Bewertung Um Vertrauen in Staatsfondsinvestitionen zu schaffen, ist eine transparente und zuverlässige Staatsfondsführung notwendig. Dazu können Staatsfonds sich an nationale Richtlinien hinsichtlich guter Corporate Governance sowie an die Empfehlungen der OECD halten. Überdies können Staatsfonds die Absicht bekunden, die Santiago-Prinzipien einhalten zu wollen. Diese wurden eigens für Staatsfonds geschaffen und stellen einen ersten Schritt in Richtung globaler Regulierung dar. Über die Santiago-Prinzipien können Staatsfonds darlegen, dass sie über eine gute Corporate Governance verfügen und transparent sind. Die Santiago-Prinzipien sind als Soft Law weder verpflichtend noch durchsetzbar, können aber dennoch ein wirksames Mittel sein. Soft Law kann über sozialen Druck dafür sorgen, dass die Regeln aus Angst vor Reputationsschäden 133 134 135 IFSWF, 15 Case Studies, S. 141. IFSWF, 15 Case Studies, S. 141. IFSWF, 15 Case Studies, S. 141. 222 § 11 Regulierung aus Sicht des Herkunftsstaats oder Ausschluss aus einer Gruppe (Cold Shouldering) eingehalten werden.136 Staatsfonds sind ausserdem auf liquide Märkte angewiesen, um ihre Gelder investieren zu können. Durch die Einhaltung der Santiago-Prinzipien können sie sich einen guten Ruf verschaffen, der sich positiv auf ihre Investitionsmöglichkeiten auswirkt. 136 Siehe hierzu Kapitel § 7.A.V. 223 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds § 12 Handlungsbedarf für die Schweiz In den Kapiteln § 8, § 9, § 10 und § 11 wurde auf die auf Investitionen von Staatsfonds aktuell anwendbaren Bestimmungen eingegangen. Anhand dieser Ausführungen wird vorliegend analysiert, inwiefern die aktuell bestehenden Regeln ausreichend sind, um den in Kapitel § 6 skizzierten Gefahren zu begegnen, und an welcher Stelle noch Handlungsbedarf besteht. A. Bewertung der aktuellen Gesetzeslandschaft In Kapitel § 6 wurden fünf mögliche Bedrohungsszenarien dargestellt und bewertet. Überdies wurde aus Sicht der Schweiz ein Lösungsansatz für die Erhaltung einer Balance zwischen offenem Investitionsklima und Schutz nationaler Sicherheitsinteressen aufgezeigt. Kapitel § 8 hat dargestellt, welche Gesetze der Schweizer Gesetzgeber bereits in Kraft gesetzt hat, die auf Investitionen von Staatsfonds Anwendung finden und als Massnahmen für die skizzierten Gefahren eingesetzt werden könnten. Kapitel § 9 hat rechtsvergleichend aufgezeigt, welche Gesetze in Deutschland, der USA und Japan in Kraft sind, die für die Schweiz eine weiterführende Möglichkeit zum Schutz nationaler Sicherheitsinteressen darstellen könnten. Kapitel § 10 hat sich mit der Regulierung durch internationale Organisationen und Kapitel § 11 mit der Regulierung in den Herkunftsstaaten von Staatsfonds auseinandergesetzt. Sinn und Zweck des vorliegenden Kapitels ist es, folgend aufzuzeigen, ob die aktuell anwendbaren Gesetze auf einzelstaatlicher Ebene in der Schweiz den in Kapitel § 6 skizzierten Gefahren genügend Rechnung tragen, oder ob analog zu den Beispielen in den USA und Deutschland (Kapitel § 9) weiterführende Gesetze in Betracht gezogen werden müssen. Überdies werden die Santiago-Prinzipien daraufhin analysiert, ob sie als Richtlinien an Zweck und Organisation von Staatsfonds ausreichen, damit diese als gewöhnliche institutionelle Investoren betrachtet werden können, die weniger Bedenken in Zielstaaten auslösen. Überdies stellt das Kapitel dar, welche gesetzlichen Bestimmungen die Schweiz einzuhalten hat, um nicht gegen von ihr eingegangene Pflichten zur Liberalisierung des Schweizer Marktes zu verstossen. Es wird des Weiteren analysiert, ob diese Verpflichtungen ausreichend sind, um zu verhindern, dass protektionistische Massnehmen zum Schaden der Schweizer Wirtschaft ergriffen werden. 224 § 12 Handlungsbedarf für die Schweiz I. Szenario 1 – Überfremdung durch ausländische Investoren Szenario 1 behandelte die Thematik der Bedenken vor «Überfremdung» durch ausländische Investitionen von Staatsfonds. Diese Bedenken werden dadurch geschürt, dass Staatsfonds vorwiegend aus Ländern kommen, die über keine demokratische Struktur verfügen. Überdies existieren Bedenken hinsichtlich der wahren Investitionsmotive: Geht es wirklich nur um Rendite oder stecken auch andere strategische, politische oder gar geostrategische Motive hinter einer Investition?1 Der vorliegende Abschnitt analysiert zuerst die Schweizer Gesetzgebung, die in Kapitel § 8 zusammengefasst worden ist und beurteilt dann die Massnahmen, die auf internationaler Ebene hinsichtlich Staatsfondsinvestitionen ergriffen wurden. 1. Einzelstaatliche Ebene der Schweiz Der schweizerische Gesetzgeber stellt Unternehmen und Regierung Instrumente zur Verfügung, um Schweizer Unternehmen vor unerwünschten ausländischen Investitionen zu schützen. Einerseits sind dies Bestimmungen im Gesellschaftsrecht, welche Unternehmen ermöglichen, Stimmrechte sowie die Übertragbarkeit von Aktien (Vinkulierung) zu beschränken oder die Stimmrechtsverteilung mittels Stimmrechtsaktien so zu wählen, dass kein Investor mittels einer Investition eine Kontrollbeteiligung im Zielunternehmen erlangen kann.2 Andererseits kann das Parlament gesetzlich festlegen, dass der Staat in bestimmten Unternehmen eine Kapital- bzw. Stimmenmehrheit halten muss, um so den möglichen Einfluss ausländischer Investoren zu begrenzen. Für strategische Unternehmen der Schweiz ist dies bereits erfolgt und der Staat hält Mehrheitsbeteiligungen an spezifischen Unternehmen in den Sektoren Energie, Telekommunikation, Fernmeldewesen, Verkehr, Radio- und Fernsehen sowie Rüstung.3 Sowohl die Beschränkung von Stimmrechten als auch die Verteilung der Stimmrechte muss im Vorfeld einer Investition mittels eines Beschlusses der Generalversammlung erfolgen und in den Statuten festgelegt werden. Diese Bestimmungen greifen somit nur, falls die Unternehmen in ihren Statuten bereits Bestimmungen zur Beschränkung von Investitionen aufweisen oder der Staat bereits Kontrollrechte innehat. Nach einer erfolgten Investition können die Statuten nicht mehr als Abwehrmassnahme zum Nachteil einer spezifischen Investition angepasst werden.4 Falls keine entsprechenden Bestimmungen vorliegen, 1 2 3 4 § 6.A. § 8.B.I. § 8.D. § 8.B. 225 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds kann der Staat bei einer unerwünschten Investition nicht eingreifen, ausser nach dem Grundsatz der ultima ratio durch eine Verstaatlichung.5 Eine weitere Möglichkeit bietet das Schweizer Kartellgesetz, das bei Zusammenschlüssen greift, die zu einer Marktbeherrschung führen, und ebenso bei marktbeherrschendem Verhalten. Das Kartellgesetz findet aber nur in einem engen Rahmen Anwendung, wenn der Wettbewerb gestört wird oder gestört zu werden droht. Staatsfondsinvestitionen könnten zu einer Bedrohung werden, ohne die Schwellen für ein Eingreifen der Wettbewerbsbehörde zu überschreiten.6 Weiter verfügt das Schweizer Gesetz über Bestimmungen zur Offenlegung von Beteiligungen. Unternehmen erfahren so, wenn spezifische Investitionsschwellen, die im Gesetz definiert sind, überschritten werden, allerdings sieht es keine Möglichkeit vor, gegen eine unerwünschte Investition vorzugehen. Das Ziel der Offenlegungspflicht des FinfraG ist die Herstellung von Transparenz zugunsten anderer Aktionären und Investoren.7 Das Schweizerische Aussenwirtschaftsrecht sieht keinen Schutz vor unerwünschten Investitionen durch Staatsfonds vor. Vielmehr hat sich die Schweiz in internationalen sowie bilateralen Abkommen verpflichtet, Investitionen im Inland zu fördern und bereits getätigte Investitionen ausländischer Investoren in der Schweiz zu schützen. Insbesondere das WTO-Übereinkommen, das OECDAbkommen und die bilateralen Verträge, welche die Schweiz mit anderen Staaten geschlossen hat, sehen Bestimmungen zur weiteren Liberalisierung der Märkte vor. Die Schweiz muss die Normen des WTO-Übereinkommens, seiner Anhänge und der bilateralen Verträge, die sie geschlossen hat, bei möglichen Massnahmen zur Beschränkung von Staatsfondsinvestitionen beachten. Allerdings sehen weder die Bestimmungen des GATS noch existierende bilaterale Verträge für die Schweiz eine Pflicht vor, ausländische Investitionen in der Schweiz zu bewilligen.8 Auch die OECD-Mitgliedschaft bedeutet keine direkte Marktöffnungspflicht für die Schweiz. Die bilateralen Verträge der Schweiz sind auf die Situation nach erfolgter Investition ausgelegt. Es wird nicht geregelt, wann eine Investition zulässig ist. Auch stellt sich die Frage der Anwendbarkeit: Bilaterale Investitionsverträge ermöglichen es natürlichen und juristischen Personen, vor nationalen Gerichten eines Zielstaates gegen den Staat zu klagen, sofern ihm von diesem Rechte in Bezug auf seine Investition entzogen werden. Staatsfonds müssen als privat5 6 7 8 Siehe hierzu: § 8.B. Siehe hierzu: § 8.C. Siehe hierzu § 8.A. § 7.F.II. 226 § 12 Handlungsbedarf für die Schweiz rechtliche Investoren gelten, damit entsprechende Bestimmungen aus bilateralen Verträgen auf sie anwendbar sind.9 2. Völkerrechtliche Ebene Auf internationaler Ebene haben Staatsfonds im Rahmen der IWGSWF die Santiago-Prinzipien (GAPP) herausgegeben. Diese haben zum Ziel, einerseits die Transparenz zu fördern und andererseits die Führungsstruktur von Staatsfonds zu verbessern. Sie fordern von Staatsfonds eine Offenlegung ihrer Ziele und einen gesonderten Hinweis, wenn andere als renditeorientierte Ziele hinter einer Investition stehen. Leider wurde nicht spezifisch geregelt, was renditeorientierte und was politische Ziele sind. Überdies sehen die GAPP keine Sanktionsmassnahmen vor, wenn ein Staatsfonds seine Ziele nicht offenlegt oder trotz anderweitiger Absichtserklärung doch eine politisch motivierte Investition zum Nachteil des Zielstaats tätigt.10 Überdies fehlt den Santiago-Prinzipien ein Durchsetzungsmechanismus, sodass die Prinzipien nur zögerlich umgesetzt werden.11 II. Szenario 2 – Marktverzerrung durch staatliche Eigentümerschaft Szenario 2 beschäftigte sich mit Gefahren, die durch die staatliche Eigentümerschaft verstärkt werden können. Dies sind Bedenken hinsichtlich unfairen Wettbewerbs durch günstige staatliche Finanzierungen und geldwerte Vorteile, unfaire Informationsbeschaffung durch den Staat, mangelnde Überwachung, Korruption und Interessenkonflikte sowie manipulative Wechselkurspolitik.12 1. Einzelstaatliche Ebene Die Schweiz kennt keine Obergrenze für Investitionen von Staatsfonds. Es ist den Unternehmen überlassen, eine Beschränkung des möglichen Investitionsumfangs festzulegen. Damit der Aktienbesitz beschränkt werden kann, bedarf es einer Regelung in den Statuten des jeweiligen Unternehmens.13 Die Schweiz hat aktuell die Möglichkeit, Unternehmen zu verstaatlichen und Subventionen zu erteilen, wenn ein strategisch wichtiges Unternehmen in die Hände eines ausländischen Staates zu fallen droht.14 9 10 11 12 13 14 Siehe hierzu Kapitel § 5.E. und § 7.F.II.2. § 11.C.I. Siehe hierzu: § 10.B.IV. § 6.B. § 8.B. Siehe hierzu weiter hinten unter § 13.A.I.2. 227 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Damit kein strategisches Wissen ins Ausland gelangt, sehen sowohl das OR als auch das FinfraG Bestimmungen zur Sanktionierung der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen und Insiderinformationen vor.15 Der Nachteil dieser Bestimmungen ist, dass die Durchsetzung schwierig sein dürfte, da es sich bei den Tätern in der Regel um ausländische Organe handelt, die potenziell der Immunität vor der Gerichtsbarkeit unterliegen.16 Ähnlich sieht die Situation bezüglich der Verantwortlichkeit von ausländischen staatlichen Organen als Verwaltungsräte aus.17 2. Völkerrechtliche Ebene Der Umgang mit Missbrauch von Insiderinformationen sowie fehlender Überwachung muss in erster Linie national im Herkunftsland eines Staatsfonds geregelt werden. International können Vereinheitlichungen angestrebt und Länder unter Druck gesetzt werden, um die Umsetzung von Mindeststandards zu erreichen, jedoch obliegt es jedem Land aufgrund seiner Souveränität selbst, entsprechende Regeln zu setzen.18 Die GAPP empfehlen in Art. 15, dass Investitionen von Staatsfonds mit dem nationalen Recht der Zielstaaten vereinbar sein sollten. Das Ausnutzen von Insiderinformationen ist in den meisten Ländern verboten. Des Weiteren enthalten die GAPP Empfehlungen zur Unternehmensführung, zum Umgang mit staatlichen Stellen sowie ein Risikoframework. Wie unter § 10.B.IV. dargestellt, fehlt es den Santiago-Prinzipien jedoch an rechtlicher Verbindlichkeit.19 III. Szenario 3 – Verlust der Finanzmarktstabilität Szenario 3 behandelte die finanzielle Wirkungskraft der Staatsfonds sowie die Auswirkungen auf die Finanzmärkte durch plötzliche Desinvestitionen sowie Herdenverhalten.20 1. Einzelstaatliche Ebene Wie bereits zum ersten Szenario ausgeführt, sind die aktuellen Schutzmechanismen vor unerwünschten ausländischen Investitionen in der Schweiz den Unternehmen überlassen.21 Sie können ihre internationalen Verflechtungen selbst re15 16 17 18 19 20 21 § 8.F. Siehe zur rechtlichen Qualifikation von Staatsfonds: § 5.E. § 8.F. § 5.E. § 10.B.IV. § 6.C. § 13.A.I. 228 § 12 Handlungsbedarf für die Schweiz geln. Spezifische Bestimmungen, die vor Desinvestitionen sowie Herdenverhalten und damit verbundener Destabilisierung schützen, sind nicht vorhanden. 2. Völkerrechtliche Ebene Die Santiago-Prinzipien enthalten Bestimmungen, die sich positiv auf die Finanzmarktstabilität auswirken, sofern sie von den Staatfonds eingehalten werden. Die Gefahr zeitlich unpässlicher Desinvestitionen kann verringert werden, indem ein Staatsfonds vom nationalen Budget getrennt verwaltet wird und klare Regeln existieren, wie Gelder in einen Staatsfonds einbezahlt werden, unter welchen Voraussetzungen Gelder aus dem Staatsfonds entnommen werden können und wie hoch der zu entnehmende Anteil maximal sein darf. Bestimmungen diesbezüglich finden sich in Art. 4 GAPP.22 Überdies sollen Staatsfonds gemäss Art. 15 GAPP diejenigen Offenlegungsverpflichtungen einhalten, die das Zielland der Investitionen fordert. Des Weiteren sieht Art. 17 GAPP vor, dass Staatsfonds relevante finanzielle Informationen offenlegen müssen, um damit zur Finanzmarktstabilität beizutragen.23 Das Hauptproblem liegt aber in der Umsetzung dieser Regeln. Dadurch, dass Staatfonds nicht verpflichtet sind, die Santiago-Prinzipien zu verfolgen, ist der Kontrollmechanismus zum Schutz der Finanzmärkte sehr schwach. IV. Szenario 4 – Umverteilung der globalen Ordnung In Szenario 4 wurden Bedenken dargestellt, welche mit der Umverteilung der globalen Ordnung zusammenhängen.24 Diese Problematik besteht nur, wenn Staatsfonds für strategische Investitionen eingesetzt werden, weshalb hierzu auf die Ausführungen unter § 12.A.I. verwiesen wird. V. Szenario 5 – Negative Auswirkungen auf die Unternehmensführung Szenario 5 setzte sich mit den negativen Auswirkungen von Staatsfondsinvestitionen auf die Unternehmensführung der Zielunternehmen auseinander.25 Insbesondere wurde das Dilemma der Wahl zwischen aktivem oder passivem Aktionärsverhalten institutioneller Investoren beleuchtet. Auch wenn aktives Aktionärsverhalten allgemeintheoretisch zu bevorzugen ist, ist bei Staatsfonds die Gefahr eines Interessenkonflikts zwischen Aktionärsfunktion und politi22 23 24 25 § 11.C.I. § 11.C.II. § 6.D. § 6.E. 229 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds scher Funktion gross: Durch die Nähe zum Staat besteht die Gefahr eines politisch motivierten Abstimmverhaltens, das nicht allein auf gute Geschäftsführung des Zielunternehmens zum Zwecke der Renditeoptimierung ausgerichtet ist und damit dem Unternehmen und anderen Aktionären schadet. 1. Einzelstaatliche Ebene Hier bietet beispielsweise das Bankengesetz eine Möglichkeit, das von qualifizierten Investoren eine Gewähr für gute Geschäftsführung verlangt.26 Auch qualifizierte Beteiligungen an der Börse erfordern, dass der Investor über einen guten Ruf verfügt und sichergestellt werden kann, dass er seinen Einfluss nicht zum Schaden einer guten Geschäftsführung einsetzt.27 2. Völkerrechtliche Ebene Auf Ebene internationaler Organisationen lassen sich aktuell keine Bestimmungen finden, die den Einfluss von Staatsfonds bezüglich Einflussnahme in Zielunternehmen regeln. B. Identifizierte Lücken im Hinblick auf Staatsfondsinvestitionen im Zielland Schweiz Die aktuelle Gesetzgebung in der Schweiz schützt strategische Sektoren, indem sie in den Besitz des Bundes gebracht werden. Andere Massnahmen können einzig durch die Unternehmen selbst erfolgen (etwa Stimmrechtsaktien, Vinkulierungen und Stimmrechtsbeschränkungen). Dafür sind jedoch die Interessen der Aktionäre des Unternehmens und nicht die Gesamtinteressen der Schweiz ausschlaggebend. Für die Schweiz wichtige Unternehmen, die nicht in Staatsbesitz stehen, können ins Ausland verkauft werden, ohne dass der Staat intervenieren kann. Die Schweiz hat ein Interesse, dass in der Schweiz investierende Staatsfonds keine politischen Absichten verfolgen und über eine gute Corporate Governance verfügen, welche die ausschliessliche Verfolgung wirtschaftlicher Ziele sicherstellt. Hierfür stellen die Santiago-Prinzipien einen ersten Schritt dar. Sie sind aber weder ein völkerrechtlicher Vertrag noch ein Gesetz, sondern lediglich die multilaterale Bekundung eines gemeinsamen Ziels. Überdies sind die Unterzeichner nicht Staaten, sondern Staatsfonds.28 Den Staatsfonds sowie den Herkunftsländern von Staatsfonds war es bei der Aufsetzung der Prinzipien äusserst 26 27 28 § 8.E. § 8.E. §11.C. 230 § 12 Handlungsbedarf für die Schweiz wichtig, dass die Santiago-Prinzipien eher vage formuliert und nicht bindend sind. Den Staatsfonds sind durch die Unterzeichnung der Santiago-Prinzipien keinerlei Verpflichtungen entstanden. Sie müssen die Santiago-Prinzipien weder umsetzen noch einhalten und können sie nach eigenem Gutdünken implementieren – oder auch nicht.29 Die Santiago-Prinzipien sind wenig praktikabel und erhalten viele unbestimmte Rechtsbegriffe, die eine Auslegung schwierig machen. Sie beschreiben die Rolle von Staatsfonds in der Weltwirtschaft und liefern Ansätze zur Ausgestaltung ihrer Struktur, Führung und Verwaltung. Es mangelt ihnen aber an Leitlinien zum Umgang mit den Zielländern der Investitionen sowie an einem Katalog von Kriterien, an denen die Einhaltung der Prinzipien operationalisiert messbar wäre.30 Aufgrund der Unverbindlichkeit der Prinzipien werden diese nur zaghaft umgesetzt und sind bei vielen Staatsfonds noch nicht vollständig implementiert. Erstaunlicherweise wird wenig Druck von Zielstaaten hinsichtlich der Einhaltung der Prinzipien durch Staatsfonds ausgeübt. Seit der Gründung der Prinzipien wurden sie nicht mehr weiterentwickelt. Wahrscheinlich ist den Zielstaaten die Einwerbung weiterer Investitionen so wichtig, dass sie Staatsfonds nicht mit Restriktionen verschrecken wollen.31 Staatsfonds werden sehr wahrscheinlich die Santiago-Prinzipien weiter umsetzen, um eine gute Reputation zu erlangen. Sie haben selbst ein Interesse daran, dass Mitglieder ihrer Gruppe die Santiago-Prinzipien umsetzen, da dies den Ruf der Gruppe als Ganzes verbessert.32 Eine gute Reputation ist notwendig, um Spannungen zu verhindern. Staatsfonds, welche die Santiago-Prinzipien einhalten, werden weniger Restriktionen bezüglich Investitionen erfahren. Sie können sich ein Qualitätslabel verpassen, indem sie die Santiago-Prinzipien unterschreiben und diese auch umsetzen.33 Einige Staatsfonds führen Self-assessments (Selbsteinschätzungen) über ihre Einhaltung der Santiago-Prinzipien durch, deren Qualität von Staatsfonds zu Staatsfonds verschieden ist.34 Zusammengefasst sind die Santiago-Prinzipien zwar ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung, indem zumindest die Bereitschaft gezeigt worden ist, an einen Tisch zu sitzen und gemeinsam Best-Practice-Empfehlungen 29 30 31 32 33 34 § 10.B.II. Sie auch zu den Schwächen der Santiago-Prinzipien: Manzer/Witte, Global Rules, S. 316; Norton, Santiago Principles, S. 123; Wong, Asymmetric Information, S. 1105. §11.C. Truman, Asia, S. 11. Cohen, Tradeoff, S. 724. § 10.B.IV. 231 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds zu formulieren. Dies trägt sicherlich wesentlich zu mehr Transparenz bei und kann als erster Schritt hin zu einer globalen Regelung verstanden werden. Die Schwäche der Santiago-Prinzipien besteht darin, dass viele Begriffe unklar definiert und zu wenig bestimmt sind. Daher reichen sie bislang nicht aus, die Bedenken von Zielländern hinsichtlich der in Kapitel § 6 skizzierten Bedrohungsszenarien zu entkräften. Die OECD, welche mit der Declaration on SWFs and Recipient Country Policies das Verhalten der Zielländer regeln sollte, hat es versäumt, die Thematik weiterführend zu regeln.35 Sie haben einzig den Status Quo gesichert. Es besteht für Zielstaaten weiterhin die Möglichkeit, für Staatsfondsinvestitionen Beschränkungen zum Schutz der nationalen Sicherheit vorzusehen. Dies dient grundsätzlich dazu, dass Nationalstaaten ihre Sicherheitsinteressen wahrnehmen können, bietet aber auch Raum für Willkür und Protektionismus; insbesondere dadurch, dass der Term nationale Sicherheit nicht präzise definiert ist. Der weite Ermessensspielraum ermöglicht Flexibilität, führt aber nicht zur gewünschten Rechtssicherheit für Investoren.36 Zudem hat die OECD es versäumt, die Gesetze zur Verhinderung protektionistischer Massnahmen an die Besonderheiten von Staatsfonds anzupassen. Die OECD-Massnahmen entfalten nur über Peer Reviews gegebenenfalls eine schwache Bindewirkung und sind ansonsten recht unverbindlich. Es ist schade, dass rechtliche Regelungslücken bislang nicht geschlossen worden sind. Viele Länder haben nach wie vor Ausnahmen in Kraft oder halten sich nicht vollständig an die Prinzipien. 35 36 Siehe hierzu Kapitel § 10.A.I. Truman, Asia, S. 13. 232 § 13 Regulierungsansätze § 13 Regulierungsansätze Das Kapitel § 12 hat den Handlungsbedarf bezüglich Investitionen von Staatsfonds sowohl auf einzelstaatlicher Ebene der Schweiz und völkerrechtlicher Ebene dargestellt. Das vorliegende Kapitel geht zuerst auf weiterführende Massnahmen ein, um dann nachfolgend zu diskutieren, auf welcher Stufe mögliche Massnahmen ergriffen werden sollten. Zur Diskussion stehen Massnahmen auf unilateraler und völkerrechtlicher Ebene. A. Mögliche Massnahmen Der vorliegende Abschnitt zeigt Möglichkeiten zur weiterführenden Regulierung auf einzelstaatlicher und völkerrechtlicher Ebene auf. I. Weiterführende Möglichkeiten auf einzelstaatlicher Ebene Auf einzelstaatlicher Ebene sind Instrumente zum Schutz der nationalen Sicherheit vor Staatsfondsinvestitionen vorhanden, diese sind aber nicht für alle in Kapitel § 6 beschriebenen Szenarien ausreichend. Der Schutz vor Investitionen liegt in der Schweiz im Ermessen der privaten Wirtschaftsteilnehmer. Ihnen steht ein Set von Möglichkeiten zur Verfügung, damit sie selbst entscheiden können, mit wem sie Verträge eingehen. Der Staat selbst hat nur über das Wettbewerbsrecht und die Steuerung staatlicher Unternehmen oder Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung durch den Staat direkten Einfluss. Würden öffentliche Unternehmen in der Schweiz weiter privatisiert, müssten Massnahmen ergriffen werden, um nationale Sicherheitsinteressen der Schweiz zu schützen. Weiterführende Möglichkeiten, die nachfolgend diskutiert werden, sind Stimmrechts- und Investitionsbeschränkungen, staatliche Sonderrechte sowie Anmelde- und Überprüfungsverfahren. 1. Stimmrechts- und Investitionsbeschränkungen Eine Möglichkeit auf einzelstaatlicher Ebene, die nationale Sicherheit und die Finanzmarktstabilität zu schützen, die wie in Kapitel § 6 dargestellt durch Staatsfondsinvestitionen gefährdet werden können, findet sich in Stimmrechtssowie Investitionsbeschränkungen für Staatsfonds. a) Beschränkung bzw. Entzug der Stimmrechte von Staatsfonds Eine Möglichkeit der Regulierung auf einzelstaatlicher Ebene ist die Beschränkung bzw. der Entzug von Stimmrechten.1 Von Staatsfonds gehaltenen Aktien 1 Aizenman/Glick, Stepping Stones, S. 3; Kuta/Fojcik, Einfluss von Staatsfonds, S. 564; Malathouni, Santiago Principles, S. 260; Truman, Threat or Salvation, S. 63. 233 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds könnten die Stimmrechte für die Dauer der Haltung entzogen werden. Das Stimmrecht würde ruhen und bei einem Verkauf an einen privaten Investor wieder aufleben. Die Beschränkung bzw. der Entzug der Stimmrechte müsste auf alle Staatsfonds gleichermassen Anwendung2 finden und es dürfte nicht unterschieden werden zwischen Staatsfonds, die geopolitisch investieren und solchen, die rein wirtschaftliche Motive verfolgen, da es neben der Gefahr einer Ungleichbehandlung ausserdem schwierig wäre, ein makroökonomisches Ziel (Stabilität des Preisniveaus, Wirtschaftswachstum, hoher Beschäftigungsgrad, Begrenzung des staatlichen Defizits und Schuldenstands) von einem geopolitischen Ziel (Macht auf dem internationalen Markt gegenüber anderen Ländern zu maximieren) abzugrenzen. Überdies müsste klar geregelt werden, welche staatlichen Investitionsvehikel tatsächlich als Staatsfonds zu klassifizieren sind.3 Die Einschränkung bzw. der Entzug von Stimmrechten für Staatsfonds würde es Gründungsstaaten von Staatsfonds stark erschweren bis verunmöglichen, mittels ihrer Staatsfonds auf das Zielunternehmen Einfluss zu nehmen. So könnte zwar die Gefahr negativer Auswirkungen durch eine potenziell geopolitische Motivation einer Staatsfondsinvestitionen verringert werden, ohne dass Investitionen ins Zielland verboten werden müssten. Gleichzeitig jedoch würden Staatsfonds ihre Mitbestimmungsrechte nicht mehr wie andere Aktionäre wahrnehmen können, was (wie in Kapitel § 6.E. erläutert) negative Auswirkungen auf die Corporate Governance des Zielunternehmens entfalten kann.4 Überdies wäre ein nur für Staatsfonds geltender Entzug der Stimmrechte diskriminierend. Es müsste deshalb gemäss Art. 36 BV geprüft werden, ob diese Diskriminierung gerechtfertigt ist. Hierfür müsste die Verhältnismässigkeit der Massnahme diskutiert werden.5 Ausserdem könnte sie Staatsfonds dazu bringen, die Regulierungsarbitrage zu nutzen und sich Investitionsziele in Jurisdiktionen suchen, die keinen Entzug von Stimmrechten vorsehen.6 Besitzt ein Staatsfonds eine massgebliche finanzielle Beteiligung an einem Unternehmen, kann er auch ohne Stimmrechte Einfluss auf dieses Unternehmen ausüben. Wie unter Kapitel § 8.B.II. ausgeführt, hat ein Aktionär auch ohne Stimmrechte die Möglichkeit, seine Anteile zu verkaufen oder die Unternehmensführung gemäss Art. 754 OR zu verklagen. Auch kann er von seinen Ein2 3 4 5 6 Gilson/Milhaupt, New Mercantilism, S. 1364. Anders Dilip Das: Er sieht den Stimmrechtsentzug nur in bestimmten Fällen vor. Für einen Entzug brauche es vordefinierte Kriterien. Einen generellen Entzug sieht er als nicht verhältnismässig an. Vgl. Das, Paradigm Shift, S. 106. Siehe Kapitel § 5.A. zur Problematik der Definition von Staatsfonds. Siehe Kapitel § 6.E. Siehe Art. 36 BV. Siehe Kapitel § 6.A.II.2. 234 § 13 Regulierungsansätze sichtsrechten gemäss Art. 697 OR Gebrauch machen.7 Es kann somit durch einen Entzug der Stimmrechte nicht sichergestellt werden, dass Staatsfonds sich nicht in die Unternehmensentwicklung einmischen oder Druck auf die Geschäftsleitung des Zielunternehmens ausüben. Jedoch kann das angestrebte Ziel unter Umständen mit einer weniger einschneidenden Massnahme erreicht werden, etwa der Einführung von Investitionsschwellen oder der Beschränkung von Investitionsmöglichkeiten.8 b) Einführung von Investitionsschwellen Weniger einschneidend wäre die Einführung einer Investitionsschwelle für Staatsfondsinvestitionen.9 Staatsfonds wäre es hierbei nur bis zu einer gewissen Schwelle (von Stimmrechten oder finanzieller Beteiligung) erlaubt, Anteile eines Unternehmens zu erwerben. Gewisse Staatsfonds haben sich selbst eine solche Regel auferlegt, wie beispielsweise der GPFG aus Norwegen.10 Wie bei der Beschränkung der Stimmrechte, ist auch bei der Einführung einer Investitionsschranke auf einzelstaatlicher Ebene durch den nationalen Gesetzgeber die Problematik gegeben, dass Staatsfonds definiert und von anderen staatlichen Investoren abgegrenzt werden müssen, was in der Umsetzung sehr schwierig sein würde.11 Der Ansatz wäre insoweit zielführend, als dass ein Einsitz im Verwaltungsrat sowie eine stimmenmässige Einflussnahme für Staatsfonds nicht mehr direkt möglich wäre. Wie in § 13.A.I.1.a) ausgeführt, könnte der Staatsfonds jedoch auch hier Anteile verkaufen oder das Unternehmen verklagen, wenn dessen Verwaltung zu seinem Schaden erfolgt.12 c) Beschränkung der Investitionsmöglichkeiten Eine weitere Möglichkeit wäre die Beschränkung der Investitionen auf Indexprodukte wie Indexzertifikate, Indexaktien und Indexfonds.13 Indexprodukte werden nicht aktiv verwaltet, sondern folgen einem Index.14 Indexprodukte ermöglichen die Vermögensverwaltung, d.h. das Verfolgen einer risikoangepassten Rendite, verunmöglichen aber eine politische oder geostrategische Investition. 7 8 9 10 11 12 13 14 Siehe Kapitel § 8.B.II. Siehe Kapitel § 13.A.I.1.b) und c). m.w. Verw. Das, Paradigm Shift, S. 106; Malathouni, Santiago Principles, S. 260. Der GPFG investiert so, dass er zu maximal 5% stimmbeteiligt ist. m.w. Verw. Das, Paradigm Shift, S. 106; Malathouni, Santiago Principles, S. 260. Siehe hierzu Kapitel § 6.E. und § 13.A.I.1.a) Aizenman/Glick, Stepping Stones, S. 3; Cohen, Tradeoff, S. 728. Amtmann, Pensionsvorsorge, S. 45. 235 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Die Investition in Aktien sowie weitere Finanzprodukte wie Bonds und Anleihen würde Staatsfonds verboten werden. Mit dieser Strategie könnte die Verfolgung geopolitischer Interessen durch Staatsfonds verhindert werden.15 Dieser Ansatz hat jedoch die Schwäche, dass es zu einer schwer zu rechtfertigenden Benachteiligung von Staatsfonds kommt. Überdies handelt es sich um einen rein nationalen Ansatz. Staatsfonds würden für ihre Investitionen vermehrt Länder berücksichtigen, die eine solche Regelung nicht kennen. Auch würde eine solche Regelung Rettungsmassnahmen durch Staatsfonds wie während der Finanzkrise 2007/08 künftig verhindern.16 2. Staatliche Sonderrechte Weitere Möglichkeiten zur Regulierung finden sich im gezielten Schutz strategischer Industrien durch staatliche Sonderrechte, Goldene Aktien, die spezifische Förderung nationaler Unternehmen oder die Errichtung eines Staatsfonds zur Abwehr unerwünschter ausländischer Investitionen. a) Goldene Aktien Eine Möglichkeit zur Regulierung der Investitionen von Staatsfonds ist die Einführung von Goldenen Aktien17 für Institutionen, die der Zielstaat als besonders schützenswert erachtet. Die Goldene Aktie ist nichts Neues. Sie wurde 1988 durch die britische Thatcher-Regierung eingeführt und in der Folge von anderen Staaten übernommen.18 Eine Goldene Aktie ist eine Aktie, die ihren Eigentümer mit mehr Rechten als gewöhnliche Anteilseigner ausstattet.19 Goldene Aktien werden eingesetzt, um die positiven Vorteile einer Privatisierung zu erreichen, 15 16 17 18 19 Aizenman/Glick, Stepping Stones, S. 3; Cohen, Tradeoff, S. 728. Siehe hierzu auch Einschätzung zum Verhalten der Schweiz bezüglich Regulierung von Staatsfondsinvestitionen 2008 im Zusammenhang mit der Investition der GIC in die UBS durch Donges et al. Vgl. Donges/Eekhoff/Wolfgang et al., Staatsfonds, S. 13 ff. Für eine detaillierte Darstellung Pießkalla Michael, Goldene Aktien aus EG-rechtlicher Sicht, passim. Entwickelt hat sich die Praxis der Goldenen Aktie kurz nach einer umstrittenen Investition eines Staatsfonds. 1988 baute die KIO eine Beteiligung bei BP auf und erreichte in kürzester Zeit eine Beteiligung in der Höhe von 21,7% des Aktienkapitals von BP. Die Kontrollmöglichkeit eines ausländischen Aktionärs über eine britische Unternehmung löste Bedenken bei der britischen Regierung aus. Nach einer Untersuchung der Britischen Wettbewerbsbehörde war die Regierung in ihren Befürchtungen bestärkt, die KIO könnte gegen das öffentliche Interesse handeln, mit der Folge, dass die KIO gezwungen wurde, ihre Anteile auf weniger als 10% zu reduzieren. Vgl. Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 330 f. Clostermeyer, Staatliche Übernahmeabwehr, S. 326 f. 236 § 13 Regulierungsansätze ohne aber den Einfluss des Staates auf das Unternehmen vollständig aufgeben zu müssen. Besitzer Goldener Aktien verfügen beispielsweise über Vetorechte oder die Möglichkeit, eigene Vertreter in ein Leitungsgremium des Unternehmens zu entsenden.20 Goldene Aktien bedeuten einen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit und bevorzugen bestimmte Unternehmen, weshalb bei ihrem Einsatz die Verhältnismässigkeit gewahrt bleiben muss. Steht ein weniger einschneidendes Mittel zur Verfügung, muss dieses gewählt werden.21 Der Schaffung massgeblicher Mitwirkungsrechte des Staates in Unternehmen bei weitgehender Aufgabe der Eigentümerposition sind in der EU durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) enge Grenzen gesetzt worden.22 Dieser hat sich mehrfach mit Goldenen Aktien auseinandergesetzt, da sie nicht in jedem Fall mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu vereinbaren sind.23 Das erste Urteil erfolgte gegen Italien in der Rechtssache C-58/99. Dabei ging es um ein Privatisierungsrahmengesetz, welches die staatliche Kontrolle im Energie- und Telekommunikationssektor gewährleisten sollte.24 Weitere Entscheidungen bezüglich Goldene Aktien wurden 2002 getroffen. Die Kommission hatte Klage in den Rechtssachen C-503/99, C-483/99 und C-367/98 gegen Belgien, Frankreich und Portugal erhoben. Diese hätten ihre Verpflichtung aus Artikel 43 und 56 des Vertrages der europäischen Union (AEUV) verletzt, indem sie Vereinbarungen zu goldenen Aktien in Unternehmen der inländischen Industrie erliessen.25 2003 sprach sich der Europäische Gerichtshof in Sache C-463/00 und C-98/ 01 gegen die goldenen Aktien Frankreichs und Englands in den Unternehmen Elf Aquitaine und der British Airports Authority aus. Frankreich vertrat die Meinung, dass die goldenen Aktien notwendig gewesen seien, um die Erdölreserven von Elf Aquitaine dem französischen Staat zur Verfügung stellen zu können. Der EuGH bemängelte jedoch, dass die für den Erwerb von Anteilen und für bestimmte Transaktionen vorgeschriebenen Genehmigungspflichten nicht genügend spezifisch auf den Zweck zugeschnitten gewesen wären und es zu viel Freiraum für eine willkürliche Ausübung der staatlichen Sonderrechte gegeben habe. Denselben Grund führte der Gerichtshof hinsichtlich der goldenen Aktien des Vereinigten Königreichs bei der British Airports Authority an.26 20 21 22 23 24 25 26 Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 403. Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 409. Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 406. Europäische Kommission, Ausgewählte Rechtsprechung, S. 1. Europäische Kommission, Ausgewählte Rechtsprechung, S. 1. Backer, The Private Law of Public Law, S. 14; Europäische Kommission, Ausgewählte Rechtsprechung, S. 1. Sachverständigenrat, Jahresgutachten, S. 403. 237 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Im Jahre 2005 und 2008 entschied der EuGH gegen Italien in Rechtssache C-174/04 und C-328/07 und empfand, dass die Regelung über eine Aussetzung der Stimmrechte bei einer Beteiligung von mehr als 2% an öffentlichen Unternehmen, die in Gas- und Elektrizitätsunternehmen investieren, sowie die Gewährleistung einer Beteiligung staatlicher Stellen, die über das Mass hinausgeht, welches die Stellung als Anteilseigner normalerweise zulässt, nicht mit Europarecht vereinbar sind.27 Auch Spanien wurde 2008 erneut in ein Verfahren (C-274/06 und C-207/07) involviert, in dem der EuGH entschied, dass eine vorangehende Bewilligung einer Transaktion die Energieversorgungssicherheit nicht in allen Fällen gewährleiste und das Auferlegen spezieller Verpflichtungen für Energieunternehmen ein angemesseneres Mittel gewesen wäre. Auch Sonderrechte in Portugal inklusive Vetorechten bei Entscheidungen der Unternehmensleitung bei der Privatisierung der Portugal Telecom wurden vom EuGH abgelehnt.28 Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU. Sie regelt die Beziehung zur EU mittels bilateraler Verträge. Diese enthalten jedoch keine Bestimmungen zur Kapitalverkehrsfreiheit zwischen der Schweiz und der EU.29 Für die Schweiz wäre die Einführung Goldener Aktien eine Option im Falle von Privatisierungen von Unternehmen, die aktuell in staatlichem Besitz sind. Der Bund würde weiterhin Einfluss auf die Entscheidungen der Unternehmen nehmen und so verhindern können, dass Entscheide entgegen dem nationalen Interesse der Schweiz getroffen werden. b) Eigener Staatsfonds Auch die Gründung eines eigenen Staatsfonds würde sich als Massnahme gegen unerwünschte ausländische Investitionen anbieten, indem ein neu zu gründender Staatsfonds in Unternehmen investiert, welche durch Übernahmen von ausländischen Investoren bedroht sind. Diese Massnahme passt in das System verschiedener Staaten ihre nationalen Unternehmen zu schützen.30 27 28 29 30 Europäische Kommission, Ausgewählte Rechtsprechung, S. 1. Europäische Kommission, Ausgewählte Rechtsprechung, S. 2. EDA, Abkommen, S. 5 ff. Sowohl Deutschland als auch Frankreich kennen solche Verfahren. Im Falle von EADS (Airbus) ergriffen Deutschland und Frankreich gemeinsam Massnahmen. Frankreich mischt sich regelmässig in Übernahmeaktivitäten ein. Ein Beispiel ist die geplante Übernahme des Pharmaunternehmens Aventis durch Novartis. Diese wurde durch Intervention des französischen Staats verhindert und stattdessen wurde 2004 eine innerstaatliche Lösung mit Sanofi gefunden. Im selben Jahr wurde auch der Versuch von Siemens verhindert, Teile von Alstom zu erwerben. Hierfür übernahm der französische Staat eine Minderheitsbeteiligung, welche er später dem französischen Konzern Bouygues verkaufte. 238 § 13 Regulierungsansätze Zwei Möglichkeiten stehen dem Bund bereits jetzt offen, um eine nationale Unternehmung zu stützen: Verstaatlichung und Subvention. aa) Verstaatlichung Liegt es im öffentlichen Interesse, dass eine Unternehmung von privatem in staatlichen Besitz übergeht, und ist die Verhältnismässigkeit gewahrt, so kann der Staat eine Unternehmung verstaatlichen. Dies ist auch gegen den Willen der bisherigen Eigentümer möglich. Hierzu muss er die privaten Besitzer marktgerecht entschädigen.31 Die Bundesverfassung schützt das Eigentum im Sinne einer Institutsgarantie. Der Gesetzgeber darf das Eigentum als Institut der Rechtsordnung nicht antasten. Geschützt ist somit der Bestand des Eigentums, aber nicht das Eigentum an sich.32 bb) Subvention Neben der Verstaatlichung einer Unternehmung kann der Bund auch Subventionen auszahlen. Diese müssen hinreichend begründet sein, ihren Zweck auf wirtschaftliche und wirkungsvolle Art erreichen, einheitlich und gerecht geleistet sowie nach finanzpolitischen Erfordernissen ausgestaltet werden.33 In der Regel werden Subventionen mittels Verfügung erteilt. In Ausnahmefällen ist auch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag oder eine formlose Vergabe möglich.34 Subventionen sind in wettbewerbsneutrale und wirtschaftslenkende Förderungen zu unterscheiden. Subventionen, die Lenkungseffekte aufweisen, sind in der Regel grundsatzwidrig und bedürfen einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.35 Strukturprotektionistische Massnahmen sind immer grundsatzwidrig.36 Eine grundsatzwidrige Subvention ist nicht zwangsweise unzulässig. Grundsatzwidrige Bundessubventionen können – im Gegensatz zu kantonalen Subventionen – i.S.v. Art. 94 Abs. 4 BV gerechtfertigt sein. Der Bund weicht aber nur in sehr seltenen Fällen von der Wirtschaftsfreiheit ab. Der Bund ist grundsätzlich gehalten, Subventionen grundsatzkonform auszugestalten, d.h. nur solche Massnahmen zu ergreifen, die dem Schutz von Polizeigütern wie dem Schutz der öffentlichen Ordnung, der Gesundheit, Sittlichkeit und Sicher- 31 32 33 34 35 36 Vgl. Binder, M&A-Rechtsentwicklungen, S. 14; Heinemann, Ökonomischer Patriotismus, S. 16 ff. Siehe Art. 26 BV. Häfelin/Müller/Uhlmann, Verwaltungsrecht, S. 518 f. Siehe Art. 1 SuG. Siehe Art. 16 SuG; Häfelin/Müller/Uhlmann, Verwaltungsrecht, S. 569 f. Bundi, Beihilfen, S. 126 f. Bundi, Beihilfen, S. 110. 239 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds heit sowie Treu und Glauben im Geschäftsverkehr dienen.37 Weiter werden auch gesundheits-, umwelt-, energie- und kulturpolitische Interessen als zulässige und hinreichende Kriterien für grundsatzkonforme Subventionen anerkannt.38 3. Anmelde- und Überprüfungsverfahren Es wäre ausserdem möglich, analog zu den entsprechenden Gesetzen Deutschlands und der USA ein Aussenwirtschaftsgesetz zu verabschieden. Ein solches Abwehrdispositiv bietet die Möglichkeit, mehr Transparenz über Transaktionen zu erhalten sowie im Notfall eine Transaktion modifizieren oder verbieten zu können.39 Die Kehrseite eines Abwehrdispositives ist, dass es abschreckend auf ausländische Investoren wirken kann. Insbesondere erhöht es die Kosten, die Dauer und die Unsicherheit einer Transaktion: Die Parteien sind in der Schwebe, bis die Frist zur Überprüfung abgelaufen ist.40 Die Möglichkeit, eine Transaktion anzumelden, um eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erhalten, bietet einerseits zwar eine Möglichkeit, Rechtssicherheit zu erlangen, andererseits bringt eine Meldung auch die Gefahr, abgelehnt zu werden oder Auflagen zu erhalten.41 Es kann jedoch nicht garantiert werden, dass jede Transaktion erfasst wird, und es entstehen Gefahren hinsichtlich willkürlicher Entscheidungen und der Förderung von Protektionismus.42 Bereits 1988 prüfte die vorbereitende Kommission des Nationalrates, ob für den Bundesrat ein Interventionsrecht geschaffen werden müsse, für den Fall, dass eine in der Schweiz kotierte Unternehmung unter Gefährdung von Landesinteressen in ausländische Hände übergehen sollte. Die Kommission sprach sich jedoch eindeutig gegen das Ergreifen eines solchen Verfahrens aus.43 Nach wie vor sind in der Schweiz Unternehmen von nationalem Interesse spezialgesetzlich geschützt, an denen entweder der Bund Eigentümer ist oder die stimm- oder kapitalmässige Mehrheit halten muss.44 Durch die Internationalisierung der Weltwirtschaft kommen insbesondere Monopolbereiche immer mehr unter Druck. Würde der Bund die Mehrheit an den oben genannten Unter- 37 38 39 40 41 42 43 44 Bundi, Beihilfen, S. 109. Bundi, Beihilfen, S. 110. Lecheler/Germelmann, Zugangsbeschränkungen, S. 24. Fiechter, French Strategic Investment Fund, S. 10; Lecheler/Germelmann, Zugangsbeschränkungen, S. 24; Rose, FINSA 2007, S. 32; Rásonyi, protektionistische Waffen, S. 3. Rose, FINSA 2007, S. 32; Schönberg, Sovereign Wealth Alarm, S. 58. Gilligan, Multilateral governance, S. 401. Böckli, Aktienrecht, S. 658. Siehe hierzu auch: Vogel, der Staat als Marktteilnehmer, S. 74. 240 § 13 Regulierungsansätze nehmen abgeben, wäre es notwendig, vertieft über ein solches Anmelde- und Überprüfungsverfahren nachzudenken. Andere Länder verfügen – wie unter Kapitel § 9 beschrieben – über ein solches System. Deutschland denkt bereits darüber nach, sein aktuell geltendes Gesetz weiter zu verschärfen.45 II. Massnahmen auf völkerrechtlicher Ebene Einen ersten wichtigen Schritt zur Regulierung von Staatsfonds auf völkerrechtlicher Ebene stellte die Veröffentlichung der Santiago-Prinzipien dar.46 Vorher waren die Forderungen nach mehr Transparenz immer lauter geworden; Edwin M. Truman forderte sogar, dass die Transparenzansprüche an Staatsfonds diejenigen an Private übersteigen sollten.47 Zu hohe Transparenzverpflichtungen führen jedoch zu hohen Kosten sowohl für die betroffenen Staatsfonds als auch für die Zielländer von Staatsfondsinvestitionen. Auch bei Massnahmen auf völkerrechtlicher Ebene muss die Verhältnismässigkeit gewahrt werden.48 Das vorliegende Kapitel behandelt die Gründung einer globalen Organisation, die Überarbeitung bilateraler Verträge und weniger einschneidende Massnahmen wie Zertifikate, Selbstüberwachungsmassnahmen und Ratings. 1. Rechtlich verbindlicher Kodex Auf völkerrechtlicher Ebene könnte ein rechtlich verbindlicher Kodex geschaffen werden, der Richtlinien für Staatsfonds und Zielländer aufstellt. Inhaltlich könnte ein solcher Kodex aus den Massnahmen der Santiago-Prinzipien sowie des OECD-Kodexes abgeleitet werden. Er könnte durch eine bestehende Organisation herausgegeben werden oder auch von einer neu zu schaffenden Organisation wie zum Beispiel einer World Investment Organization (WIO), die unter dem Dach der Vereinten Nationen (UN) angesiedelt sein könnte. Die UN können durch Mehrheitsbeschluss in gewissem Rahmen rechtsverbindlich agieren. Fraglich ist jedoch, ob ein solcher Mehrheitsbeschluss zustande käme.49 Vorteile einer solchen internationalen Organisation bestünden in einer abschliessenden Regelung der Thematik und der möglichen Einrichtung eines verbindlichen Streitschlichtungsmechanismus, der für alle beteiligten Parteien 45 46 47 48 49 Siehe hierzu: Finanzen, AWG, S. 1. § 9.E. Aizenman/Glick, Stepping Stones, S. 3; Truman, Transparency, S. 6 f. Aizenman/Glick, Stepping Stones, S. 3. Cohen, Tradeoff, S. 726. 241 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Rechtssicherheit bringen würde. Eine Umsetzung wäre aufgrund der sehr unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Beteiligten sehr schwierig. Die Nationalstaaten müssten in einem langwierigen und wenig Erfolg versprechenden Prozess Teile ihrer Souveränität aufgeben.50 2. Bilaterale Verträge Die meisten bilateralen Verträge zielen auf den Schutz bereits getätigter Investitionen ab und tragen wenig zur weiteren Liberalisierung bei.51 Um der Staatsfondsthematik besser gerecht zu werden, könnten die Santiago-Prinzipien in bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen Staaten integriert werden.52 Staaten müssten sich dabei verpflichten, dass ihre Staatsfonds die SantiagoPrinzipien einhalten, und Verstösse ggf. sanktionieren.53 Man könnte Regeln für einen Streitschlichtungsmechanismus einführen, damit im Falle einer Verletzung gegen den Staatsfonds vorgegangen werden kann.54 Der Vorteil bilateraler Verträge liegt darin, dass sie rechtsverbindlich sind und im Streitfall Streitschlichtungsmechanismen zur Verfügung stehen – vorausgesetzt, dass Staatsfonds als vom Staat unabhängige Unternehmen angesehen werden und die Immunität auf sie keine Anwendung findet. Dieser Ansatz bringt jedoch einen hohen administrativen Aufwand und hohe Kosten mit sich. Jeder Staat müsste seine Abkommen erneuern. 3. Zertifikate, Self-assessment und Ratings Die Wirkung der Santiago-Prinzipien basiert auf einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Staatsfonds. Um die Verbindlichkeit der Prinzipien zu erhöhen, könnten Zertifikate, Self-assessment-Verpflichtungen und Ratings eingeführt werden, um die Einhaltung der Prinzipien zu bestätigen. Solche Massnahmen würden Unternehmen und Länder dabei unterstützen, den Zustand der Umsetzung der Santiago-Prinzipien transparenter zu machen, was auch Staatsfonds weiteren Anreiz geben könnte, diese einzuhalten. Fänden die Prinzipien unter allen Staatsfonds Anerkennung und würden zum grössten Teil eingehalten, würde dies den Weg für eine allgemeine internationale Verpflichtung ebnen. 50 51 52 53 54 Cohen, Tradeoff, S. 726. Chaisse, GATS, S. 5. Lippincott, International Arbitration, S. 662. Chalamish, Protectionism, S. 7. Lippincott, International Arbitration, S. 662. 242 § 13 Regulierungsansätze a) Zertifikate Für Zertifikate kann der U.N. Global Compact als Beispiel herangezogen werden.55 Er wurde 1999 durch den damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan ins Leben gerufen und zielt auf den Aufbau sozialer sowie ökologischer Eckpfeiler für die wirtschaftliche Globalisierung. Damit ein Unternehmen in den Global Compact aufgenommen wird, muss es schriftlich nachweisen, dass es dessen 10 Prinzipien umsetzt: Unterstützung und Einhaltung der internationalen Menschenrechte, Abschaffung von Zwangsarbeit, Kinderarbeit sowie jeglicher Art von Diskriminierung, Sorge für die Umwelt sowie die Verhinderung von Korruption.56 Ein solches Zertifikat könnte Staatsfonds auszeichnen, welche die SantiagoPrinzipien umsetzen, und Ihnen eine Einordnung als «normale» institutionelle Investoren ermöglichen. b) Self-assessment-Tools und Case Studies Ein weiteres Mittel wäre die Einsetzung von Self-assessment-Tools. Staatsfonds überprüfen und bewerten mithilfe eines Self-assessment-Tools die Einhaltung der Santiago-Prinzipien und veröffentlichen die Ergebnisse. Hsu schlägt vor, ein Online Reporting System zur Verfügung zu stellen, das Staatsfonds hilft, ihre Vereinbarkeit mit den Santiago-Prinzipien zu bewerten und darüber zu berichten.57 Ein weiteres Element wären Case Studies, um über die Umsetzung der Prinzipien zu rapportieren. Die Santiago-Prinzipien motivieren bereits jetzt zur Durchführung von Self-assessments und Case Studies. Ein Mehrwert wäre ein standardisiertes Verfahren und eine statutarische Pflicht. c) Ratings der Einhaltung der GAPP Eine weitere Möglichkeit wäre die Einführung von Ratings. Es gibt bereits verschiedene Institutionen, die sich mit der Einhaltung der GAPP durch Staatsfonds auseinandersetzen und dadurch über die nötige Expertise zur Durchführung von Ratings verfügen. aa) IFSWF Eine solche Institution ist zunächst das IFSWF, das seinen ersten Bericht am 7. Juli 2011 veröffentlichte. Bei diesem Bericht handelt es sich um eine Selbsteinschätzung der Staatsfonds über die Compliance der 21 IFSWF-Mitglieder 55 56 57 Hemphill, Sovereign Wealth Funds, S. 560. De Geus, UN Global Compact, S. 2. Hsu, Santiago GAPP, S. 106. 243 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds hinsichtlich der Santiago-Prinzipien.58 2016 erfolgte eine weitere Selbsteinschätzung, an der 27 Mitgliedstaaten teilnahmen. Überdies reichten 12 Mitgliedstaaten detaillierte Fallstudien zur Umsetzung der Santiago-Prinzipien ein.59 bb) SWF Scoreboard Bereits vor Aufstellung der Santiago-Prinzipien untersuchte Edwin M. Truman die Struktur und Transparenz von Staatsfonds und entwickelte hierfür das SWF Scoreboard. 2008 fügte er seinem Modell noch einen Punkt hinzu, mit dem zu analysieren ist, wie Staatsfonds die Santiago-Prinzipien einhalten.60 cc) GeoEconomica’s Santiago Index 2014 überprüfte die GeoEconomica Organisation in einer anderen Studie 31 Staatsfonds auf ihre Compliance hinsichtlich der Santiago-Prinzipien anhand des GeoEconomica’s Santiago Index. Diese Studie kam zu dem Schluss, dass gerade die aktiveren Staatsfonds die Prinzipien weniger einhalten, darunter am wenigsten die QIA. Als teilweise mit den Santiago-Prinzipien vereinbar wurden die CIC und GIC eingeschätzt und auch ältere Staatsfonds wie ADIA und KIA erfüllten die Santiago-Prinzipien nur teilweise.61 4. Peer Review Eine weitere Möglichkeit stellt das Peer Review dar, wie es schon auf Stufe der OECD62 und der WTO63 existiert. Peer Review kann eine Rolle bei der Streitschlichtung spielen sowie den Dialog zwischen Staaten fördern und helfen, Positionen verständlicher auszudrücken. Die Effektivität des Peer Review liegt im Gruppendruck (Peer Pressure). Es können formelle Empfehlungen ausgesprochen, informelle Gespräche unter den Mitgliedstaaten durchgeführt oder abweichende Verhaltensweisen öffentlich blossgestellt werden. Ausserdem kann Transparenz auch Druck durch Bevölkerung und Politik verursachen. Peer Review hat die beste Wirkung, wenn es öffentlich ist und bereits ein Wille vorliegt, gewisse Richtlinien einzuhalten.64 58 59 60 61 62 63 64 Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 333. IFSWF, Implementing the Santiago Principles, S. 5. Megginson/Fotak, Fiduciary State, S. 16; Truman, Scoreboard, passim. Chassany, Missing Santiago Governance Standards, S. 1 f. Siehe zum Peer Review Prozess der OECD § 10.A.II. Peer Policy Review im TPRM der WTO. Dieses sieht zwei Berichte vor: Einer wird durch das betroffene Land selbst erstellt und der andere durch das WTO-Sekretariat. Vgl. Hsu, Santiago GAPP, S. 118 OECD, Peer Review, S. 9 ff. 244 § 13 Regulierungsansätze III. Auswertung Der folgende Abschnitt bewertet die vorgeschlagenen Massnahmen hinsichtlich ihrer Tauglichkeit für die Schweiz als Zielland von Staatsfondsinvestitionen. 1. Einzelstaatliche Ebene Die Ebene des Einzelstaates bietet die Möglichkeit einer massgeschneiderter Lösung für den Einzelfall, gleichzeitig aber auch die Gefahr missbräuchlich protektionistischen Verhaltens. Überdies können einzelstaatliche Massnahmen auf potenzielle Investoren abschreckend wirken, sodass diese verstärkt in andere Länder ausweichen, die weniger Restriktionen vorsehen. Aktuell ist die Schweiz für ihre Bedürfnisse genügend geschützt. Investitionen von Staatsfonds können keine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellen, da für die Schweiz strategische Sektoren in öffentlicher Hand sind. Im Falle von Privatisierungen aktuell staatlicher Unternehmen jedoch müsste der Bund Massnahmen zum Schutz dieser Unternehmen vor ausländischen Investitionen ergreifen, da weder die Beschränkung der Stimmrechte noch die Festlegung einer Höchstgrenze für finanzielle- oder stimmenmässige Beteiligungen in Schweizer Unternehmen dafür hinreichend sind. Ein möglicher Ansatz dazu, der aktuell bereits Anwendung findet, ist die Einführung staatlicher Sonderrechte, was jedoch auf Kompatibilität mit dem Recht der Europäischen Union überprüft werden müsste. Ähnlich gelagert ist der Fall bei Anmelde- und Überprüfungsverfahren.65 Auf die weitere Möglichkeit der Gründung eines eigenen Staatsfonds zur Abwehr unerwünschter Investitionen wird detailliert in Kapitel § 14 eingegangen. 2. Völkerrechtliche Ebene Der Vorteil einer weltweit einheitlichen Regulierung liegt darin, dass die Gefahr einer Regulierungsarbitrage klein ist und so ein schädlicher Regulierungswettbewerb weitestgehend vermieden werden könnte. Ein Nachteil liegt darin, dass eine allgemeine Regulierung für alle Staatsfonds und alle Zielstaaten den regionalen Gegebenheiten nicht individuell Rechnung tragen kann und so zu suboptimalen Ergebnissen führen muss.66 Überdies würden sich die Verhandlungen schwierig gestalten, da für eine allgemeine Akzeptanz alle einwilligen müssen. Die meisten bilateralen Regeln zielen auf den Schutz bereits getätigter Investitionen und tragen wenig zur Liberalisierung bei. Die Santiago-Prinzipien könnten ebenso wie Streitschlichtungsmechanismen in bilaterale Investitions65 66 Siehe hierzu: Diskussion zum Deutschen Auβenwirtschaftsgesetz in Kapitel § 9.B./E. Siehe hierzu: Picot, Regulierung als Herausforderung, S. 658. 245 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds schutzabkommen eingebettet werden. Aufgrund des entstehenden Mehraufwands und der mangelnden Bereitschaft der Staaten, die Santiago-Prinzipien verbindlich zu machen, könnte diesen Ansatz jedoch schwer umzusetzen sein. Die wiederholte Analyse und Evaluation der Santiago-Prinzipien-Compliance durch Staatsfonds bewirkt einen Druck zu deren Umsetzung. Staatsfonds sollten ein starkes Interesse haben, die Bedenken der Zielstaaten zu entkräften, um so möglichen Restriktionen für ihre Investitionen entgegenzuwirken.67 Aufgrund der begrenzten Investitionskapazitäten in ihren Heimatmärkten und denen der Entwicklungsländer sind Staatsfonds darauf angewiesen, auch im Westen zu investieren.68 Eine internationale Regulierung findet insbesondere dann Zustimmung, wenn sie mehr Vor- als Nachteile mit sich bringt.69 Da Staatsfonds neue Akteure an den Finanzmärkten sind, werden sie argwöhnisch betrachtet und können ein besonderes Objekt von Restriktionen sein. Staatsfonds haben somit einen Anreiz, sich einen guten Ruf zu machen, um ohne Hindernisse investieren zu können. Die Anwendung der Santiago-Prinzipien ist ein gutes Instrument, um die eigene Reputation auf den Finanzmärkten zu verbessern.70 B. Prüfung der Eignung internationaler Organisationen zur Staatsfondsregulierung Der vorliegende Abschnitt behandelt mögliche Foren für eine weiterführende Regulierung auf internationaler Stufe. Er geht dabei auf den IWF, die OECD, die BIZ, die Weltbank, die UN und die WTO als Forum ein.71 I. Eignung des IWF Der IWF scheint sich als Forum für eine Weiterführung der Santiago-Prinzipien anzubieten. Einerseits hat er bereits bei der Formulierung dieser Grundsätze mitgewirkt72, andererseits verwalten Staatsfonds öffentliche Reserven, die in den Aufgabenbereich des IWF fallen.73 Der IWF hat in seinem Jahresbericht 2008 festgehalten, dass die Auswirkungen von Staatsfonds auf die makroökonomi67 68 69 70 71 72 73 Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 333. Hassan, Practical Guide, S. 95. Krieger, Immunität, S. 242. Gurrìa, ICGN Annual Conference, S. 2; Norton, Santiago Principles, S. 125; Raab, Staatsfonds, S. 9 Die einzelnen internationalen Organisationen wurden bereits unter § 7.E. vorgestellt. Jedenfalls hat der IWF mit der Gründung des IFSWF bereits ein Forum gegründet, das über breite Akzeptanz verfügt. Siehe hierzu Kapitel § 10.B. 246 § 13 Regulierungsansätze sche und finanzielle Stabilität in seinen Aufgabenbereich Überwachung des reibungslosen Funktionierens des internationalen Währungssystems fallen.74 Der IWF zeichnet sich durch seine Erfahrung hinsichtlich makroökonomischer und finanzieller Stabilität aus. Er verfügt über 188 Mitglieder, weshalb eine Regelung innerhalb des IWF breite Akzeptanz finden würde.75 Für die Aufnahme neuer Länder werden keine Bedingungen gestellt.76 Somit steht der Beitritt jedem Land mit einem Staatsfonds ebenso wie den Zielstaaten offen. Der IWF hat sich überdies bereits mit der wirtschaftlichen Lage sowie dem organisatorischen Aufbau seiner Mitgliedstaaten auseinandergesetzt und ist in der Lage, auf die Bedenken der Herkunftsländer und Zielstaaten gleichermassen einzugehen. Der IWF hat Einfluss auf die Wechselkurspolitik sowie die Konvertibilität laufender Zahlungen und trägt Verantwortung für die Finanzmarkstabilität.77 Seine Autorität über die Geldflüsse inklusive Investitionen ist jedoch nur vage definiert. Bis anhin hat der IWF nur Erfahrungen darin, Best-PracticeEmpfehlungen für Kreditnehmer aufzustellen, die er durch ihre Kreditnehmereigenschaft auf die Einhaltung der Prinzipien verpflichten kann.78 Aufgrund seiner heterogenen Mitgliedschaft mit unterschiedlichen Zielsetzungen könnte sich die Einführung verbindlicher Regeln durch den IWF schwierig gestalten.79 Er ist nicht unumstritten. In der Vergangenheit hat er mehrfach Kredite zu schnell vergeben und dann den begünstigten Ländern sehr harte Auflagen auferlegt, die schwer einzuhalten waren. Dies hat dem IWF viel Kritik eingebracht.80 II. Eignung der OECD Auch die OECD könnte sich als Forum für ein multilaterales Abkommen eignen. Die OECD geniesst starkes Interesse und starken Rückhalt bei ihren Mitgliedsstaaten. Selbst bei Nicht-Mitgliedstaaten verfügt die OECD über eine hohe Akzeptanz. Dies kann sicherlich unter anderem auf den Mechanismus der Zusammenarbeit zurückgeführt werden.81 74 75 76 77 78 79 80 81 Sandor, Shareholder Governance, S. 970. IWF, Informationsblatt, S. 1. Hänni/Stöckli, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 285. Gelpern, Sovereign Wealth, S. 10; Wahl, Anpassungsdruck, S. 2. Gelpern, Sovereign Wealth, S. 10; Wahl, Anpassungsdruck, S. 2. Terhechte, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 961. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 170; Terhechte, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 961. Stingelin/Leduc, OECD, S. 14; siehe zum Mechnismus der Zusammenarbeit Kapitel § 7.E.I.4. 247 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Die OECD verfügt bereits über relevante Erfahrung bei der Verhandlung von Abkommen dieser Art.82 Im Jahre 1998 scheiterte die Verhandlung zum Entwurf des Multilateralen Investmentabkommens (MAI), welches in den früheren 1990er Jahren aufgenommen worden war.83 Ziel dieses Abkommens sollte der Schutz ausländischer Investitionen sein.84 Die USA förderten die Übernahme der Verhandlungen zum MAI durch die OECD, obwohl die EU die WTO als Forum bevorzugt hätte. Die EU sah bei der OECD das Problem der Einseitigkeit, da ausschliesslich Industriestaaten in der OECD etabliert sind. Die USA bevorzugte jedoch die Verhandlung auf Ebene der OECD, da sie die Homogenität ihrer Mitglieder als Vorteil für einen besseren Verhandlungserfolg sahen. Die Parteien der MAI-Verhandlungen gingen davon aus, dass nach einem OECD-Abkommen diese beschlossenen Prinzipien in die Verträge der WTO implementiert werden könnten.85 Die Entwicklungsländer sollten diese Prinzipien auch ohne Beteiligung an ihrer Entwicklung nach Abschluss des Abkommens übernehmen.86 Trotz aller Bemühungen scheiterten die Verhandlungen in einem bereits weit fortgeschrittenen Stadium am 3. Dezember 1998 an unüberwindbaren Interessengegensätzen und die Gespräche liefen nur noch informell weiter.87 Im Mai 2006 gab die OECD schliesslich ein unverbindliches Set of Good Practices, das Policy Framework for Investment heraus.88 Gründe für das Scheitern der Verhandlungen waren laut Anna Gelpern die mangelnde Involvierung von Entwicklungsländern sowie die dadurch fehlende rechtliche Legitimation. Selbst NGOs hatten sich gegen die Schaffung der MAI auf Stufe der OECD ausgesprochen. Auch die Uneinigkeit unter den OECD-Mitgliedstaaten wirkte sich negativ auf die Verhandlungen aus.89 Die Etablierung eines Systems auf globaler Ebene, das private und öffentliche Inter- 82 83 84 85 86 87 88 89 Mavroidis, From ITO to WTO, S. 35 f.; Perkams, Investitionsrecht, S. 84; Ziegler, Multilateraler Investitionsschutz, S. 76. Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 41. Mavroidis, From ITO to WTO, S. 35 f.; Perkams, Investitionsrecht, S. 84; Ziegler, Multilateraler Investitionsschutz, S. 76. Mavroidis, From ITO to WTO, S. 35 f.; Perkams, Investitionsrecht, S. 84; Ziegler, Multilateraler Investitionsschutz, S. 76. Hirsch, International Tribunals, S. 345. Hobe, Völkerrecht, S. 388; Mavroidis, From ITO to WTO, S. 35 f.; Perkams, Investitionsrecht, S. 84. Uneinigkeit bestand etwa über Ausnahmen im kulturellen Sektor oder bei der Durchbrechung des Nichtdiskriminierungsgrundsatzes bezüglich Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 597. Gelpern, Governance Conundrum, S. 311; Gilligan, Multilateral governance, S. 405; Hirsch, International Tribunals, S. 345; Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 230 f. 248 § 13 Regulierungsansätze essen gleichermassen berücksichtigen und miteinander in Einklang bringen soll, stellt eine grosse Herausforderung dar.90 Ein Hindernis für die Aufsetzung von Regeln für Staatsfondsinvestitionen auf Ebene der OECD ist also darin zu sehen, dass nur wenige Herkunftsstaaten von Staatsfonds OECD-Mitglieder sind. Die OECD arbeitet sehr intensiv mit Nicht-Mitgliedstaaten zusammen. Für einen OECD-Beitritt sind hohe Schranken gesetzt. Ein Land hat nachzuweisen, dass es in die OECD passt (likemindedness). Für die Prüfung werden folgende Aspekte näher beleuchtet: Marktwirtschaft, demokratische Prinzipien, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Rechtsstaatlichkeit und Schutz der Menschenrechte.91 Einem Grossteil der Herkunftsstaaten von Staatsfonds wäre eine Mitgliedschaft verwehrt, da sie nicht demokratisch organisiert sind.92 Auch wenn die OECD nicht alle Staaten als Mitglieder umfasst, vereinen die Mitglieder doch einen grossen Prozentsatz des Welthandels.93 Unter den Mitgliedern herrscht eine grössere Homogenität als in der WTO, was für eine Einigung förderlich sein könnte. Nicht-Mitgliedstaaten könnten auch an den Verhandlungen teilnehmen und ein Abkommen mit den OECD-Staaten unterzeichnen.94 III. Eignung der BIZ Die BIZ könnte sich als Instanz eignen, da 60 Zentralbanken Mitglieder sind, die 95% des weltweiten BIP ausmachen. Überdies ist es die Aufgabe der BIZ, Zentralbanken bei der Geld- und Finanzstabilität zu unterstützen.95 Die BIZ könnte ein Investitionsbüro mit der Aufgabe bilden, unparteiisch die Risikoprofile Staatsfonds oder anderen staatlichen Investoren zu evaluieren und zu überwachen. Die Institution würde Ratings ausgeben und könnte dabei von einer qualifizierten Forschungseinrichtung oder NGO unterstützt werden. Staatsfonds, die den Anforderungen entsprechen und als risikoneutral klassifiziert werden, könnten in den Zielstaaten von Sonderprüfungen ausgenommen werden. Staatsfonds würden dadurch mehr Rechtssicherheit erhalten und wären von nationalen Investitionsbeschränkungen weniger betroffen.96 90 91 92 93 94 95 96 Schill, Investitionsschutzrecht, S. 276. Stingelin/Leduc, OECD, S. 17. Siehe hierzu Kapitel § 6.A.II. Rhinow, Schmid, Biaggini, Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 170. Cohen, Tradeoff, S. 731. § 7.E.I.5. Barbary/Bortolotti, Sovereign Wealth Funds and Political Risk, S. 337. 249 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds IV. Eignung der Weltbank Die Weltbank eignet sich weniger als der IWF für eine Weiterentwicklung der Santiago-Prinzipien. Die Aufgabe der Weltbank liegt eher in der Armutsbekämpfung und weniger darin, für ein stabiles Weltwirtschafts- und Währungssystems zu sorgen.97 Einzig das ICSID-Verfahren könnte von Interesse für Staatsfonds sein, die Direktinvestitionen tätigen. Herkunftsstaaten von Staatsfonds und Zielstaaten von Staatsfondsinvestitionen könnten die Anwendbarkeit der ICSID-Regeln in ihren bilateralen Investitionsschutzverträgen regeln und überdies Staatsfonds als privatrechtliche Akteure definieren. V. Eignung der UN Für eine Umsetzung weiterführender Massnahmen über die UN spricht, dass diese über eine grosse Anzahl an Mitgliedern verfügen, die sowohl Industrienationen als auch Schwellen- und Entwicklungsländer sind.98 Die UN waren bereits in der Vergangenheit Diskussionsforum für Auslandsinvestitionen. Diverse Resolutionen wurden verabschiedet. Diese liessen aber verschiedene Interpretationen zu oder waren nicht im Interesse der Industriestaaten formuliert.99 Obwohl die UN über eine konkurrenzlos hohe Akzeptanz verfügen, ist auf ihrer Stufe wegen zu unterschiedlicher Interessenlagen nur schwer ein Konsens zu finden, der für den Erlass von rechtsverbindlichen Regeln unerlässlich ist.100 VI. Eignung der WTO Die WTO hat im Hinblick weiterführende Massnahmen hinsichtlich Staatsfondsinvestitionen den Nachteil, dass Verhandlungen in ihrem Rahmen langsam sind und nicht immer erfolgreich abgeschlossen werden können, wie das Beispiel der Doha-Runde zeigt. Durch die hohe Anzahl an Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Interessen ist es auch hier schwierig, einen gemeinsamen Nenner zu finden.101 Zudem ist die veränderte Situation der Geldströme eine neue Herausforderung für die WTO. Früher flossen Investitionen vor allem vom Westen in den Osten – von Industrieländern hin zu Entwicklungs- und Schwellenländern. Dies hat sich jedoch in den letzten Jahren stark verändert. Heute investieren Entwicklungs- und Schwellenländer vermehrt auch in Industrieländern. Dieser neue Geldfluss eröffnet interessante Möglichkeiten für internationale Kooperationen 97 98 99 100 101 Rowohl, Abgrenzung, S. 65, S. 69. United Nations, Main Organs, S. 1. Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 221. Siehe auch: Knauff, Regelungsverbund, S. 270 ff. Cohen, Tradeoff, S. 727; Hamamoto, Japan, S. 478. 250 § 13 Regulierungsansätze in der WTO. Zusätzlich liegt der Vermögensfluss von den Entwicklungsländern hin zu den entwickelten Ländern meistens in den Händen von Staaten und nicht privaten Investoren.102 Diese Umverteilung der Kapitalflüsse kann sich positiv auf Verhandlungen auf Stufe der WTO auswirken. Überdies existiert bereits ein sehr enges Netz an bilateralen Investitionsschutzabkommen.103 Weiter sind fast alle Staaten mit Staatsfonds sowie Zielstaaten von Staatsfondsinvestitionen Mitglieder der WTO.104 Die G20-Staaten könnten den Anstoss zur Entwicklung eines Abkommens auf Stufe der WTO geben.105 Innerhalb der WTO können verschiedene Verhandlungsthemen kombiniert werden (Single Undertaking); dies kann nützlich sein, indem schwierigere Themen mit wichtigen kombiniert werden, um Beschlüsse in verschiedenen schwer zu verhandelnden Themen herbeizuführen. Dieses Vorgehen erschwert aber auch das Finden eines Konsens.106 Festzuhalten ist, dass es grundsätzlich nach wie vor schwierig ist, im Rahmen der WTO zu positiven Verhandlungsergebnissen zu kommen, da in der heterogenen Mitgliedschaft zu unterschiedliche Interessenlagen herrschen. VII. Eignung eines informellen Forums wie G7 oder G20 Der Vorteil informeller Treffen der Staats- und Regierungschefs liegt in einem schnelleren und effizienteren Verfahren als über eine internationale Organisation wie die WTO, die UN oder die OECD. Insbesondere die kleine Anzahl Teilnehmer sowie die Heterogenität der Beteiligten hilft, kurzfristige Lösungen zu finden. Diese können durch rechtskräftige multilaterale Verträge kodifiziert werden, finden jedoch ausserhalb der G7-Staaten in der Regel keine Anwendung. Für die Umsetzung sind sie auf die Zusammenarbeit mit einer internationalen Organisation angewiesen. Das Hauptproblem der G7 und der G20 ist das der Legitimation. Für eine Regelung von Weltwirtschaftsproblemen wie den Investitionen von Staatsfonds und anderen internationalen staatlichen Investoren ist ihre Legitimation zu schwach, die sie lediglich aus der ökonomischen Potenz ihrer Mitglieder beziehen. Ihre Möglichkeiten sind sehr beschränkt und übersteigen diejenigen der UN nicht.107 Insbesondere ist es problematisch, dass 173 Länder der Erde nicht durch die G20 repräsentiert werden, was die Frage aufwirft, wie diese Länder in 102 103 104 105 106 107 Mattoo/Subramanian, Currency Undervaluation, S. 1149. Aslund, MIA, S. 1. Chaisse, GATS, S. 3. Aslund, MIA, S. 7; Rose, Selling, S. 57. Ziegler, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 234; § 7.E.1. Siehe zu den Grenzen der G20: Melber, Global Governance, passim. 251 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Diskussionen und Entscheidungen durch die G20 zu berücksichtigen wären. Eine Möglichkeit wäre die Einbindung von Regionalgruppen.108 C. Zusammenfassung Die Regulierung von Staatsfonds sowie ihren Herkunfts- und Zielstaaten kann auf einzelstaatlicher und völkerrechtlicher Ebene stattfinden. Massnahmen auf einzelstaatlicher Ebene bieten die grösste Flexibilität und sind in der Regel – verglichen mit anderen Massnahmen – einfach umzusetzen, da lediglich der nationale Konsens gefunden werden muss. Damit die nationalen Massnahmen nicht protektionistisch ausgestaltet werden, ist jedoch ein Kodex notwendig, der die Rahmenbedingungen für die nationalen Gesetzgeber festlegt. Insbesondere der Terminus «nationale Sicherheit» müsste definiert werden, sodass nationale Regierungen nicht unter dem Deckmantel der «nationalen Sicherheit» Protektionismus betreiben können. Überdies finden nationale Regulierungen nur Anwendung im staatlichen Herrschaftsbereich. Dadurch dass Länder unterschiedliche Regulierungsmassnahmen treffen, können Staatsfonds auf Länder ausweichen, die weniger strenge Investitionsbedingungen kennen und so die sogenannte Regulierungsarbitrage nutzen. Auf völkerrechtlicher Ebene wurden bereits Best Practices und die Santiago-Prinzipien herausgegeben, um Staatsfondsinvestitionen sowohl auf Ebene der Herkunftsländer als auch auf Ebene der Zielländer von Staatsfondsinvestitionen zu regulieren. Problematisch ist, dass Verstösse gegen Best Practice und die Santiago-Prinzipien nur sozial, nicht aber rechtsverbindlich sanktioniert werden können. Die Einhaltung bestehender Regeln lässt sich nicht rechtssicher durchsetzen, da eine zuständige Gerichtsbarkeit fehlt, die Verstösse ahnden und Strafen verhängen könnte. Dies kann auf Ebene multilateraler Konsens-Organisationen offenbar nicht geschehen, da diese nur unverbindliches Soft Law generieren können. Ein Mehrheitsbeschluss der UN-Generalversammlung oder der WTO zur Einrichtung verbindlicher Regelungen und deren laufende Überprüfung durch eine UN- oder WTO-Stelle, die auch eine Schiedsgerichtbarkeit mit Durchsetzungsbefugnis umfassen müsste, scheint der einzig gangbare Weg zur Schaffung eines Hard Law zu sein, das auch tatsächlich durchsetzbar wäre. Dies scheint aber angesichts der globalen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen zurzeit nicht wahrscheinlich, sodass eine Klärung der Situation wohl nur allmählich und marktförmig durch Selbstverpflichtung und Peer Pressure zu erwarten ist. 108 Berensmann/Fues/Volz, G20, S. 2. 252 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds Das vorliegende Kapitel stellt anhand eines potenziell zu gründenden Schweizer Staatsfonds dar, wie ein Staatsfonds aufgestellt werden müsste, damit er den Anforderungen einer guten Unternehmensführung entspricht und dazu beiträgt, dass er als «normaler» institutioneller Investor angesehen wird. Hierzu wird zuerst auf Forderungen nach einem Staatsfonds eingegangen. In einem zweiten Schritt werden Möglichkeiten der Gründung sowie die Umsetzung diskutiert. In einem dritten Schritt wird betrachtet, wie ein Staatsfonds organisiert sein müsste, um mit den Santiago-Prinzipien konform zu sein. Abschliessend werden Argumente für und gegen die Gründung eines Schweizer Staatsfonds abgewogen; unter besonderer Berücksichtigung der Frage, ob ein Staatsfonds als Abwehrmassnahme für eine ausländische Investition geeignet ist. A. Forderung nach einem Schweizer Staatsfonds Die Schweiz sieht sich wiederkehrend mit Forderungen aus Politik und Bevölkerung nach der Einrichtung eines Staatsfonds konfrontiert.1 Ziele eines Staatsfonds könnten unter anderem die Unterstützung der heimischen Wirtschaft, die Senkung des hohen Franken-Kurses und ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit sein.2 Des Weiteren würde eine renditeoptimierte Bewirtschaftung der Devisenreserven mit einem höheren Ertragspotenzial und einer breiteren Diversifizierung ermöglicht, indem ein Teil der Devisenreserven der SNB in den Staatsfonds ausgelagert werden könnte.3 Ausserdem sollen die aktuell günstigen Zinsen für die Aufnahme eines Darlehens zur Gründung eines Staatsfonds genutzt werden.4 Martin Landolt 5 und Konrad Graber 6 haben beide unabhängig voneinander per Postulat den Bundesrat beauftragt, die Schaffung eines Staatsfonds zu prüfen. Der Bundesrat trat auf den Antrag ein und hat die Möglichkeit einer Gründung analysiert.7 Das Ergebnis kommunizierte er am 12. Dezember 2016 im Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 15.3017. Der Bundesrat 1 2 3 4 5 6 7 AEK, Geschäftsbericht, S. 17; Borkert, Staatsfonds, S. 1; Chapman, SNB, passim; Habegger, Swiss Funds, S. 9; Wyss, Staatsfonds, S. 1. Reichlin/Liechti, Strategie, S. 37. Borkert, Staatsfonds, S. 1; Habegger, Swiss Funds, S. 9; Rozanov, the next 10 years, S. 4. Kleck, Schaffung eines Staatsfonds, S. 1. BDP-Politiker und Nationalrat. CVP-Politiker und Ständerat. Postulat, 15.3581; Postulat, 15.3017. 253 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds äusserte sich darin gegen die Errichtung eines Staatsfonds. Als Gründe führte er an, dass ein Staatsfonds zur einer Erhöhung der Verschuldung führen würde, was im Widerspruch zur Schuldenbremse stünde. Überdies sieht er die Gefahr, dass der Bund durch die Gründung eines Staatsfonds und der Investition im Ausland zur Schwächung des Schweizer Frankens Wechselkursrisiken übernehmen würde. Des Weiteren bestehe die Gefahr, dass in die Unabhängigkeit der SNB eingegriffen würde, da der Bund seine Investitionen mit der Tätigkeit der SNB abstimmen müsste.8 Die vorliegende Arbeit berücksichtigt die ablehnende Haltung der SNB und des Bundesrates und zeigt eine Möglichkeit auf, ohne Einverständnis der SNB oder des Bundes einen Staatsfonds zu gründen. Nachfolgend wird auf die unterschiedlichen Anlässe für die Gründung eines Staatsfonds eingegangen. I. Unterstützung der heimischen Wirtschaft Stéphane Garelli, Professor am Lausanner Management Institut (IMD), und Konrad Graber schlugen vor, einen Staatsfonds zur Investition in Infrastruktur, Forschung, Entwicklung sowie Bildung einzusetzen.9 Darin sollten Mittel für grössere Infrastrukturinvestitionen10 und Abwehrmassnahmen gegen unerwünschte ausländische Investitionen11 angespart werden. Ein solcher Staatsfonds könne in Unternehmen investieren, die Gelder benötigen und für die Schweiz von strategischer Bedeutung sind.12 Überdies könnte ein Staatsfonds Schweizer Volksvermögen im Ausland in Immobilien und Unternehmen anlegen. Möglich wären auch Beteiligungen der SNB an zukunftsträchtigen ausländischen Industrien.13 Gerhard Pfister 14 und Hans Altherr 15 sehen einen Staatsfonds als Mittel, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer KMU zu stärken. Mittels Mehrheitsbeteiligungen in ausländischen Unternehmen solle Ertrag erwirtschaftet werden, der inländischen Unternehmen zu Gute käme.16 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Bericht des Bundesrats vom 12. Dezember 2016, S. 4. Knupfer,Staatsfonds, S. 1; siehe Punkt 1 im Postulat 15.3017. AEK, Geschäftsbericht, S. 17; Reichlin/Liechti, Strategie, S. 37. Vgl. § 13. Bodenmann, Staatsfonds, S. 1 f.; Sidler, BVG-Einheitsfonds, S. 501 ff. Postulat, 15.3017, Punkt 2 und 6. CVP-Politiker und Nationalrat. FDP-Politiker und ehemaliger Ständerat. Borkert, Staatsfonds, S. 1; Habegger, Swiss Funds, S. 9. 254 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds II. Bekämpfung des hohen Franken-Kurses und Optimierung der Reserveverwaltung Zweitens könnte der Staatsfonds dazu dienen, den Schweizer Franken abzuwerten.17 Dieser wurde im Laufe der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/08 einem starken Wachstumsdruck ausgesetzt, sodass die SNB am Devisenmarkt intervenieren musste, um den Schweizer Franken abzuwerten. Diese Interventionen haben dazu geführt, dass sich die Aktiva der SNB, insbesondere die Devisenreserven,18 fast verzehnfacht haben.19 Ein Staatsfonds würde die Möglichkeit bieten, diese Schweizer Devisenreserven mit mehr Ertrag zu bewirtschaften. Durch geschickte Investitionen erhoffen die Befürworter eine höhere Rendite als durch eine einfache Geldanlage durch die SNB.20 1. Devisenreserven der Schweiz Ende 2015 verfügte die Schweiz über Devisenreserven21 in der Höhe von CHF 541 Milliarden und stand damit an vierter Stelle hinter China, Japan und Saudi-Arabien.22 Die Devisenreserven der Schweiz sind nicht wie bei einem Grossteil der Staatsfonds durch den Export von Rohstoffen erwirtschaftet worden, sondern vielmehr durch Geldschöpfung der SNB.23 2. Entwicklung der Devisenreserven der Schweiz Durch eine unerwartet starke Aufwertung des Schweizer Frankens wurde die schweizerische Wirtschaft im Nachgang der Wirtschaftskrise 2007/08 in Bedrängnis gebracht. Der Euro war von einem Höchststand im Jahre 2007 (1,67 Franken pro Euro) kontinuierlich gesunken, bis er am 9. August 2011 die Parität unterschritten hatte. Nachdem die Nationalbank verschiedentlich am Devisenmarkt aktiv geworden war, um den überbewerteten Schweizer Franken abzuwerten, kündigte sie am 6. September 2011 an, einen Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro verteidigen zu wollen. Dies sei notwendig, um der deflationären Entwicklung entgegenzuwirken; zur Umsetzung dieses Mindestkurses 17 18 19 20 21 22 23 Borkert, Staatsfonds, S. 1; Habegger, Swiss Funds, S. 9. Grundlage jeder Staatsfondsgründung sollte das Vorhandensein exzessiver Währungsreserven sein, welche das Mass für die Geldwirtschaft benötigter Reserven übersteigen. Vgl. Reisen, Staatsfonds, S. 26. Hügli, Interview, S. 1; Amman, Lösung, S.1. Bericht des Bundesrats vom 12. Dezember 2016, S. 20; Chapman, SNB, passim. Unter Währungsreserven versteht man Aktiva der Nationalbank, die man für internationale Zwecke einsetzen kann. Dazu gehören Gold, Devisen sowie Reservepositionen beim IWF. Vgl. Baltensperger, Währungsreseven, S. 309. Hügli, Interview, S. 1; Amman, Lösung, S.1. Hügli, Interview, S. 1. 255 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds sei sie bereit, wenn notwendig unbeschränkt Devisen einzukaufen.24 Am 15. Januar 2015 entschied sich die SNB, dieses Kursziel fallen zu lassen und der Schweizer Franken stieg zeitweise auf 0.85 Franken pro Euro an. In der Folge fuhr die SNB mit regulären Interventionen zur Schwächung des Schweizer Frankens fort und häufte dadurch grosse Mengen an Devisen an.25 Die folgende Darstellung zeigt die Entwicklung der Währungsreserven der Schweiz von 2006 bis 2015: 600 500 400 300 200 100 0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Abbildung 4: Entwicklung der Devisenreserven anhand der Jahresberichte der SNB 2006–2015 in CHF. Vgl. Geschäftsberichte SNB. 3. Überbewertung des Schweizer Frankens Die Überbewertung des Schweizer Frankens hat verschiedene Ursachen. Unter anderem verfügt die Schweiz über einen Leistungsbilanzüberschuss, d.h. sie exportiert mehr, als sie importiert.26 Dieser Leistungsbilanzüberschuss enthält auch ausländische Direktinvestitionen,27 Bankgeschäfte und Erträge aus dem Rohstoffhandel. In der Vergangenheit konnte die Schweiz den Überschuss in 24 25 26 27 SNB, Medienmitteilung 6. September 2011, S. 1; Sornette, Souveränitätsfonds, S. 2. Sornette, Souveränitätsfonds, S. 1; SNB, Medienmitteilung 1. Januar 2015, S. 1. Der Leistungsbilanzüberschuss hat wieder stark abgenommen. Betrug er 2013 noch CHF 68 Milliarden, waren es 2014 und 2015 noch CHF 45 Milliarden. Vgl. Neinhaus, Leistungsbilanz, S. 1; SNB, Zahlungsbilanz, S. 1; Schöchli, Schweizer Leistungsbilanz, S. 1. Die Schweiz geniesst im Ausland, insbesondere im Euro-Raum, einen guten Ruf. Dies zieht viele Investoren an, was die Nachfrage nach Schweizer Franken ansteigen lässt. Dieser Anstieg des Schweizer Frankens lässt den Wechselkurs und damit den Wert des 256 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds der Leistungsbilanz durch ein Defizit in der Kapitalbilanz ausgleichen. Im Jahre 2010 und den darauf folgenden Jahren nahmen die schweizerischen Investitionen ins Ausland ab.28 Dieser Rückgang kann unter anderem durch die unsicheren Bedingungen im Ausland erklärt werden, die dazu führten, dass weniger Schweizer Investoren im Ausland investierten.29 Überdies gilt die Schweiz generell als «sicherer Hafen» und hatte so insbesondere im Nachgang der Finanzkrise viele ausländische Investoren angezogen, was die Nachfrage nach Schweizer Franken stark ansteigen liess.30 Ein weiterer Faktor für die Überbewertung sind laut Bundesrat die hohen inländischen Ersparnisse der Schweiz, die seit 2010 vermehrt in der Schweiz angelegt würden.31 III. Generationengerechtigkeit Mittels eines Staatsfonds solle ausserdem die obligatorische Vorsorge restrukturiert werden.32 Ein Staatsfonds könnte zusätzliche Einnahmen zur Finanzierung der AHV generieren und damit zur Generationengerechtigkeit beitragen, wie Ziel verschiedener Staatsfonds ist.33 IV. Nutzung der Negativzinsen Das aktuelle Negativzinsumfeld weckt Begehrlichkeiten, es zur Gründung eines Staatsfonds zu nutzen. Unter anderen schlug der CVP-Politiker, Konrad Graber die Schaffung eines Staatsfonds mithilfe der Ausgabe einer langfristen Staatsanleihe vor.34 B. Gründung eines Staatsfonds Der vorliegende Abschnitt geht auf eine mögliche Gründung eines Staatsfonds ein und zeigt anhand der Santiago-Prinzipien und der Schweizer Bestimmungen für gute Corporate Governance 35 auf, was bei einer solchen Gründung zu beachten wäre. Hierzu wird zuerst auf die Zielsetzung, dann auf die Finanzierung 28 29 30 31 32 33 34 35 Schweizer Frankens gegenüber dem Euro ansteigen. Vgl. Mugglin, Ende Wechselkurs, S. 5. Sornette, Souveränitätsfonds, S. 2. Mugglin, Ende des Mindestkurses, S. 17. Bericht des Bundesrats vom 12. Dezember 2016, S. 6; Fuster, Innovation, S. 23. Bericht des Bundesrats vom 12. Dezember 2016, S. 6. Bodenmann, Staatsfonds, S. 1 f.; Sidler, BVG-Einheitsfonds, S. 501 ff. Siehe Kapitel § 5.C.III. und § 5.D. Kleck, Schaffung eines Staatsfonds, S. 1; Ritter/Mussler, 500 Milliarden, S. 1. Corporate Governance des Bundes, Leitsätze, S. 1. 257 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds und rechtliche Grundlage und abschliessend auf die Organisationsstruktur eines möglichen Schweizer Staatsfonds eingegangen. I. Zu verfolgende Ziele eines Schweizer Staatsfonds Mit Staatsfonds wird die Gefahr verbunden, dass sie anstatt für rein wirtschaftliche auch für politische, strategische und teilweise sogar geostrategische Zwecke genutzt werden können.36 Für einen Staatsfonds ist es deshalb wichtig, seine Ziele transparent und nachvollziehbar offenzulegen. Überdies müssen seine Ziele mit der makroökonomischen Politik des Gründungsstaates in Einklang stehen.37 1. Wirtschaftlichkeit und Transparenz der Ziele In vorangegangenen Kapiteln ist dargestellt worden, dass es für einen Staatsfonds, der keine Bedenken aufwerfen will, notwendig ist, die ausschliessliche Verfolgung rein wirtschaftlicher Ziele transparent und glaubhaft darzulegen.38 Reine Wirtschaftlichkeit ist dann gegeben, wenn ausschliesslich geldwerter Nutzen angestrebt wird, der zu einer Verbesserung der eigenen ökonomischen Situation führt.39 Die Motivation hinter einer Investition ist für Aussenstehende jedoch oftmals nur schwer bis unmöglich nachzuvollziehen und ein generelles Verbot politischer Investitionen schwer umzusetzen.40 Deshalb verbieten die Santiago-Prinzipien politische Investitionen nicht, sondern fordern stattdessen einen offenen und transparenten Umgang mit den eigenen Zielen und Motiven.41 Der Anlass für die Gründung eines Staatsfonds muss im öffentlichen Interesse liegen und gemäss Art. 42 BV42 zwingend in der Bundesverfassung festgehalten werden. Die Ziele und Motive eines Schweizer Staatsfonds müssen im Gründungsstatut definiert werden. Damit wäre der von den Santiago-Prinzipien geforderten Transparenz der Ziele Genüge getan.43 36 37 38 39 40 41 42 43 § 6.A.I. Siehe Art. 2 und 3 GAPP. Siehe hierzu Kapitel § 6.B. und § 11.C.I. Meier-Hayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, S. 115. Benyon, National Champions, S. 97. § 11.C.I. «Der Bund erfüllt die Aufgaben, die ihm die Bundesverfassung zuweist (Satz 1). Siehe Art. 42 Abs. 1 BV. Siehe Art. 2 GAPP. 258 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds 2. Eingliederung in die makroökonomische Politik Die Gelder eines Staatsfonds müssen so verwaltet werden, dass sie mit der makroökonomischen Politik des Gründungsstaates in Einklang stehen, insbesondere darf die Tätigkeit der Nationalbank nicht konterkariert werden.44 Dies hat zur Folge, dass die Investitionstätigkeit des Staatsfonds mit der SNB abgesprochen werden müsste, was heikel hinsichtlich der Unabhängigkeit der beiden Institutionen ist. 3. Mögliche Zielsetzung für einen Schweizer Staatsfonds Kapitel § 5.C.III. behandelte mögliche Ziele von Staatsfonds: Konjunkturstabilisierung, Wahrung eines volkswirtschaftlichen Währungsgleichgewichts, Gewährleistung von Generationengerechtigkeit, Optimierung der Reserveverwaltung, Entwicklung der heimischen Wirtschaft sowie ethische Zwecke und solche der Nachhaltigkeit.45 Wie unter § 14.A. dargestellt, sind die Vorstellungen der Zielsetzung für einen Schweizer Staatsfonds sehr unterschiedlich. Sie reichen von einer Abschwächung des Schweizer Frankens bis hin zur Unterstützung der nationalen Wirtschaft. Auf die Umsetzbarkeit der Ziele wird unter § 14.III. eingegangen. II. Finanzierung Der vorliegende Abschnitt geht auf die Finanzierung eines Schweizer Staatsfonds ein. In einem ersten Teil setzt er sich mit den Anforderungen an die Finanzierung auseinander, in einem zweiten Teil mit der Herkunft der Mittel und in einem dritten Teil behandelt er die Struktur einer möglichen Finanzierung. 1. Anforderungen an die Finanzierung Zur Finanzierung eines Staatsfonds sowie zur Entnahme von Geldern sind klare, gesetzlich normierte Regeln vorzusehen, insbesondere wenn der Staatsfonds das Haushaltsbudget unterstützen muss.46 Existieren keine bindenden Regeln, besteht die Gefahr, dass masslos Gelder bezogen werden oder keine Einzahlungen stattfinden.47 Die Santiago-Prinzipien fordern deshalb Regeln, die auch offen gelegt werden sollen.48 44 45 46 47 48 Art. 3 GAPP; § 11.C.I. Siehe § 5.C.III. Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 5; Das/Lu/Mulder/Sy, Considerations, S. 8. Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 21. Principle 4 GAPP. 259 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds Wichtig ist überdies, dass geeignete Rechnungslegungsstandards ausgewählt werden und eine an diese angepasste Finanzierungsstruktur besteht.49 Die Santiago-Prinzipien sehen hierfür vor, dass international akzeptierte oder nationale Standards gewählt werden sollen.50 Die Schweiz sieht für öffentlich- wie auch privatrechtliche Unternehmungen vor, dass sie eine Rechnungslegung vornehmen. Die Aufgabe der Rechnungslegung ist: die Dokumentation, die Rechenschaftsablegung und Information, die Kontrolle und die Disposition.51 Für öffentlich-rechtliche Unternehmen bestimmt das Finanzhaushaltsgesetz, dass sich die Rechnungslegung des Bundes nach allgemein anerkannten Rechnungslegungsstandards richtet.52 Der Bund wählt laut Art. 53 FHV die IPSAS (International Public Sector Accounting Standards).53 Für privatrechtliche Unternehmen ist die Rechnungslegung im Obligationenrecht festgelegt. Unternehmen, die im vorangegangenen Jahr einen Umsatzerlös von CHF 500.000 oder mehr erzielt haben, sind gemäss Art. 957 OR zur Buchführung und Rechnungslegung verpflichtet.54 Ein Staatsfonds der Schweiz müsste unabhängig vom staatlichen Budget verwaltet werden. Es müsste klar geregelt werden, wie Mittel eingebracht werden und für welche Zwecke Mittel entnommen werden können. Diese Regeln müssten im Gründungsstatut hinterlegt werden. 2. Herkunft der Mittel Wie unter § 5.C.II. dargestellt, können Staatsfonds aus Einkünften aus dem Verkauf endlicher Rohstoffen oder aus anderen Währungsreserven finanziert werden.55 Für die Gründung eines Staatsfonds ist es somit irrelevant, woher die Devisen stammen.56 Beispiele für Staatsfonds, welche nicht aus Rohstofferlösen gegründet worden sind, sind die Staatsfonds aus China und Singapur.57 Diese Staatsfonds könnten der Schweiz als Vorbild dienen, da ihre Geldmittel nicht aus dem Verkauf endlicher Rohstoffe stammen, was auch in der Schweiz der Fall wäre.58 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 Staub/de Planta, Schweiz, S. 17. Art. 11 GAPP. EFV, Haushaltsführung, S. 41. Art. 48 FHG. Art. 53 Finanzhaushaltsverordnung (FHV) vom 5. April 2006, SR 611.01. Art. 957 OR. Hügli, Interview, S. 1. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 181. Hügli, Interview, S. 1. Kleck, Schaffung eines Staatsfonds, S. 1. 260 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds 3. Struktur der Finanzierung Grundsätzlich kommen drei Möglichkeiten zur Finanzierung eines Schweizer Staatsfonds in Frage: Erstens könnten die nicht für die Geldpolitik erforderlichen Devisenreserven der SNB in einen Staatsfonds ausgelagert werden. Zweitens könnten die finanziellen Mittel für eine Staatsfondsgründung durch die Aufnahme langfristiger Staatsanleihen am Kapitalmarkt besorgt werden.59 Drittens könnten die Gelder durch die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen eingenommen werden.60 a) Auslagerung der Devisenreserven der SNB Eine Möglichkeit zur Staatsfondsfinanzierung ist die Auslagerung der nicht für die Geldwirtschaft benötigten Devisenreserven in einen Staatsfonds. Dies hätte eine positive Auswirkung auf die Renditemöglichkeiten und Risiken der Währungsreserven für die SNB.61 Für die Auslagerung stehen vier Möglichkeiten zur Verfügung: Erstens mithilfe eines Darlehens der SNB an den Bund, zweitens über einen Aktienkauf von Staatsfondsaktien durch die SNB, drittens durch ein direktes Darlehen der SNB an den Staatsfonds und viertens durch die Ausschüttung überschüssiger Währungsreserven in Form einer Gewinnausschüttung an den Staatsfonds. aa) Darlehen der SNB an den Bund Die SNB kann theoretisch dem Bund ein Fremdwährungsdarlehen in Höhe der für die Währungspolitik nicht benötigten Währungsreserven gewähren. Mit diesen Mitteln würde dem Staatsfonds das Dotationskapital zur Verfügung gestellt.62 Aktuell fehlt im Schweizer Recht jedoch die Grundlage für diese Auslagerung; der SNB ist es vielmehr verboten, dem Bund ein Darlehen zu gewähren.63 bb) Erwerb von Aktien durch die SNB Die Auslagerung kann überdies geschehen, indem die SNB Aktien des Staatsfonds mit einem Teil der Devisenreserven erwirbt. Die SNB kann gemäss Art. 12 NBG64 Beteiligungen eingehen, wenn dies der Erfüllung ihrer Aufgaben 59 60 61 62 63 64 Brunetti, fuw, S. 1; siehe auch i.A. Gelpern, Governance Conundrum, S. 294. Kleck, Schaffung eines Staatsfonds, S. 1; SP-Schweiz, Medienmitteilung, S. 1. Chapman, SNB, passim.; Rozanov, the next 10 years, S. 4. Staub/de Planta, Schweiz, S. 17. Gemäss NBG darf die SNB dem Bund weder Kredite noch Überziehungsfazilitäten zur Verfügung stellen. Vgl. Art. 11 Abs. 1 NBG; siehe auch: Jordan, Erläuterungen, S. 5. Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank vom 3. Oktober 2003 (Nationalbankgesetz, NBG), SR 951.11. 261 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds dient. Art. 12 NBG richtet sich primär an Zweckgesellschaften, welche zur Herstellung von Banknoten und des Zahlungsverkehrs beitragen.65 Wird der Staatsfonds als Instrument zur Bekämpfung des hohen Schweizer Frankens eingesetzt, kann argumentiert werden, dass die Beteiligung der SNB an einem Staatsfonds durch Art. 12 NBG i.V.m. Art. 5 NBG gedeckt ist. Für weitere Zwecke wäre die Argumentation schwierig zu führen. cc) Darlehen der SNB an den Staatsfonds Alternativ könnte der Staatsfonds direkt ein Devisendarlehen von der SNB erhalten. Dieses Darlehen müsste durch SNB-repofähige Effekte besichert werden. Gemäss Art. 9 Abs. 1 lit. e NBG kann die SNB zur Umsetzung ihrer gesetzlichen Aufgaben gemäss Art. 5 Abs. 1 und 2 NBG Kreditgeschäfte mit Banken und anderen Finanzmarktteilnehmern66 abschliessen. Bedingung dafür ist, dass für das Darlehen ausreichend Sicherheiten verfügbar sind. Der Gesetzgeber unterlässt es, den Begriff ausreichende Sicherheiten zu definieren.67 Gemäss Merkblatt zu den Richtlinien der SNB über das geldpolitische Instrumentarium sind nur marktfähige und hochliquide Finanzinstrumente SNB-repofähig.68 Das Dotationskapital für den Staatsfonds müsste durch den Bund zur Verfügung gestellt werden. dd) Ausschüttung von Dividenden Eine weitere Möglichkeit ist die Ausschüttung von Gewinne an einen Staatsfonds. Grundsätzlich verfolgt die SNB nicht das Ziel, Gewinne zu erwirtschaften und diese auszuschütten. Erwirtschaftet sie Gewinn, kann sie selbst darüber entscheiden, ob und wieviel Gewinn sie ausschüttet.69 Bei der Ausschüttung muss sie aber berücksichtigen, dass sie durch die BV verpflichtet ist, aus den Erträgen ausreichende Währungsreserven zu bilden.70 Sind ausreichende Währungsreserven gebildet, kann der übrige Teil an Bund und Kantone ausgeschüt- 65 66 67 68 69 70 Gutachten, SNB UBS Transaktion, S. 9. Eine zur Verwaltung von Devisenreseven gegründete Zweckgesellschaft kann als Finanzmarktteilnehmer klassifiziert werden. Gemäss Botschaft sind Finanzmarktteilnehmer Personen, die auf den Finanzmärkten tätig sind. Vgl. Botschaft, 26. Juni 2002, S. 6195; Gutachten, SNB UBS Transaktion, S. 7. Vor der Revision legte Art. 14 NBG im Detail fest, was unter einer SNB-repofähigen Effekte verstanden wird. Mit der Änderung wollte man ermöglich, den aktuellen Gegenbenheiten Rechnung zu tragen, ohne jedesmal das Gesetz ändern zu müssen. Vgl. Botschaft, 26. Juni 2002, S. 6199. SNB, geldpolitisches Instrumentarium, S. 4. Kuhn, Revision, S. 548. Art. 99 Abs. 3 BV i.V.m. Art. 30 NBG. 262 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds tet werden.71 Die aktuellen Bestimmungen müssten angepasst werden, sodass auch Ausschüttungen an einen Staatsfonds möglich würden.72 Bei der Revision zum neuen Nationalbankengesetz wurde diskutiert, Gewinne der SNB in einen Ausschüttungsfonds zu transferieren, der von Bund und Kantonen gemeinsam verwaltet werden würde. Der Vorschlag wurde jedoch vom Nationalrat abgelehnt.73 Die aktuell hohen Währungsreserven benötigen gemäss SNB und eidgenössischem Finanzdepartement eine Stärkung der Eigenkapitalbasis der SNB. Da Ausschüttungen nur vorgenommen werden dürfen, wenn dies nicht zu einer Unterdeckung der Ausschüttungsreserve führt, ist es eher unwahrscheinlich, dass zusätzliche Währungsreserven in einen Staatsfonds ausgeschüttet werden können.74 Dieser Weg würde offen stehen, wenn etwa der Euro ansteigen und die Schweiz durch dessen Verkauf Gewinn erwirtschaften würde.75 b) Ausgabe einer Staatsanleihe Eine weitere Möglichkeit ist, dass der Bund mittels der Ausgabe einer Staatsanleihe das Geld für den Staatsfonds beschafft.76 Laut Art. 60 Abs. 2 FHG77 kann die Eidgenössische Finanzverwaltung Gelder am Kapitalmarkt aufnehmen, um die Zahlungsbereitschaft sicherzustellen.78 Das aktuelle Tief- und Negativzinsumfeld zeigt sich günstig für die Ausgaben langfristiger Obligationen.79 Der Bund würde sich jedoch verschulden und ein spekulatives Risiko eingehen.80 In dieser Konstruktion würde der Staatsfonds als Zweckgesellschaft mit dem Bund als Hauptaktionär gegründet werden. Dieser bringt die Gelder, welche er durch die Anleiheausgaben erhalten hat, als Aktienkapital in den Staatsfonds ein. Der Staatsfonds hat dann die Möglichkeit, Devisen von der Nationalbank zu erwerben, um diese im Ausland zu investieren. Der Bund würde mit der Aufnahme einer Staatsanleihe und der Gründung eines Staatsfonds ein Risiko eingehen und müsste auch für einen allfälligen Verlust einstehen.81 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 Art. 30 Abs. 2 NBG; SNB Erläuterungen, 21. November 2011, S. 1. Widmer-Schlumpf, Sommersession 2012, S. 4. Kuhn, Revision, S. 548. SNB Erläuterungen, 21. November 2011, S. 1. Kalt, Staatsfonds, S. 1. Handelszeitung, Frankenstärke, S. 1 f.; Kleck, Schaffung eines Staatsfonds, S. 1. Bundesgesetz über den eidgenössischen Finanzhaushalt (FHG) vom 7. Oktober 2005, SR 611.0. Art. 60 Abs. 2 FHG. Wyss, Staatsfonds, S. 1. Handelszeitung, Frankenstärke, S. 1 f.; Kleck, Schaffung eines Staatsfonds, S. 1. Bericht des Bundesrats vom 12. Dezember 2016, S. 25 f. 263 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds c) Finanzierung durch Finanztransaktionssteuer Eine weitere Möglichkeit zur Finanzierung eines Schweizer Staatsfonds wäre die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, d.h. auf jede Finanztransaktion in der Schweiz würde eine Steuer erhoben werden und die Einnahmen aus dieser Steuer würden in einen Staatsfonds transferiert werden.82 Für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist eine verfassungsrechtliche Grundlage notwendig.83 III. Organisation Ein Staatsfonds muss eine klar definierte Organisationsstruktur aufweisen.84 Diese umfasst einen rechtlichen Rahmen, der eine effiziente Führung ermöglicht sowie Verlässlichkeit und Transparenz schafft.85 Der rechtliche Rahmen umfasst die Rechtsform des Staatsfonds und seine Struktur. Verfügt der Staatfonds über keine gute Corporate Governance und keine klar definierten Verantwortlichkeiten, stärkt dies den Einfluss des Staates und damit die Gefahr politisch motivierter Investitionen.86 1. Rechtliche Grundlage Der Rechtsrahmen muss so aufgesetzt sein, dass er einer primär renditeorientierten Zielsetzung des Staatsfonds Rechnung trägt. Gemäss Santiago-Prinzipien muss der Rechtsrahmen fundiert sein und ermöglichen, dass die festgelegten Ziele effizient erreicht werden können.87 Gemäss Corporate-Governance-Bericht der Schweiz soll eine Rechts- und Organisationsform so gewählt werden, dass sie der Besonderheit der Aufgabe entspricht, da sie die Grundlage der Steuerung verselbstständigter Einheiten bildet.88 a) Organisationsform Für die Gründung eines Schweizer Staatsfonds stehen verschiedene Möglichkeiten offen. Ein Staatsfonds kann als Kapitalsammelstelle der SNB, als öffentlichrechtliche oder als private Gesellschaft jeweils mit oder ohne eigene Rechtspersönlichkeit gegründet werden.89 82 83 84 85 86 87 88 89 Postulat 11.4013. Beusch, Abgaberecht, S. 900. Gajjala, Corporate Governance, S. 42; Lowery, Remarks, S. 2. Al-Hassan/Papaioannou/Skancke/Chih, Governance Structure, S. 9. Chalamish, Protectionism, S. 4. § 11.C.I. Corporate Governance Bericht, 13. September 2006, S. 8267. Siehe hierzu auch Kapitel § 5.C.I. 264 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds aa) In die SNB eingegliederte Kapitalsammelstelle Soll der Staatsfonds als Einheit unter der SNB gegründet werden, um einen Teil der Reserven zu verwalten, so müssen die Struktur der SNB und ihr Gründungsgesetz beachtet werden. Die Geschäftsleitung der SNB verfügt über die alleinige Kompetenz, über die Anlage ihrer Aktiva zu entscheiden.90 Der Bankrat hat die Aufgabe, die innere Organisation der SNB zu regeln. Dem Bundesrat obliegt die Pflicht, das Organisationsreglement zu genehmigen.91 Die SNB könnte eine unabhängige Stelle berufen, welche die überschüssigen Währungsreserven unabhängig von der restlichen Tätigkeit der Nationalbank verwaltet. Hierfür müsste die Geschäftsleitung der SNB den Entscheid zur Einsetzung einer spezifischen Verwaltungseinheit fällen und der Bankrat müsste die Organisation der SNB hierzu anpassen.92 bb) Bildung als selbstständige oder unselbstständige Gesellschaft Das schweizerische Recht kennt verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten für die Gründung öffentlich-rechtlicher Gesellschaften. Diese können entweder öffentlichem Recht (Verwaltungsrecht) oder Privatrecht (Obligationenrecht) unterstellt sein.93 aaa) Öffentlich-rechtliche Gesellschaft Unterschieden werden weiter die unselbstständige und die selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt sowie die öffentlich-rechtlichen Körperschaften.94 Die unselbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt besitzt keine Rechtspersönlichkeit. Sie ist nicht rechtsfähig und verfügt weder über ein eigenes Vermögen, noch kann sie Handlungssubjekt sein. Das Vermögen wird dem staatlichen Träger zugeschrieben, wobei die Finanzrechnung gesondert geführt werden darf. Eine unselbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt kann organisatorisch selbstständig sein und dadurch über eine weitgehende Autonomie verfügen.95 Die selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt ist mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit ausgestattet und besitzt gemäss Art. 52 Abs. 2 ZGB eigene Rechte und Pflichten. Sie kann über eigenes Vermögen verfügen und ist auch 90 91 92 93 94 95 Art. 46 Abs. 2 lit. c NBG. Art. 42 Abs. 2 lit. a NBG. Art. 42 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 46 Abs. 2 lit. c NBG. Schedler/Gulde/Suter, Corporate Governance öffentlicher Unternehmen, S. 14. Schedler/Gulde/Suter, Corporate Governance öffentlicher Unternehmen, S. 14. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 328; Schedler/Gulde/Suter, Corporate Governance öffentlicher Unternehmen, S. 14. 265 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds persönlich haftbar.96 Es besteht die Möglichkeit einer subsidiären Staatshaftung.97 Überdies hätte eine Beteiligung des Bundes zur Folge, dass die Staatsfondsgründung auch unter dem Gesichtspunkt des Subventionsrechts gewürdigt werden müsste.98 Des Weiteren gibt es die Form einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Diese ist mitgliedschaftlich verfasst und untersteht dem öffentlichen Recht. Sie erfüllt selbstständig öffentliche Aufgaben.99 Die öffentlich-rechtlichen Körperschaften umfassen zum einen die spezialgesetzlichen Aktiengesellschaften und zum anderen Genossenschaften des öffentlichen Rechts.100 Bei der Gründung als spezialgesetzliche Aktiengesellschaft muss das Gesetz die Grundlage selbst festlegen, ansonsten ist es ausreichend, wenn das Gesetz eine Ermächtigung vorsieht, welche Art, Umfang und Zweck beschreibt.101 Der Vorteil der spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft liegt darin, dass sie für sachgerechte Lösungen eingesetzt werden kann, da sie eine Einzelfallbetrachtung ermöglicht.102 bbb) Bildung als privatrechtliche Gesellschaft Weiter gibt es öffentlich beherrschte privatrechtliche Gesellschaften. Diese nehmen öffentliche Aufgaben wahr und können als Aktiengesellschaft oder Genossenschaft konstituiert sein. Überdies gibt es gemischtwirtschaftliche Unternehmen, die als Aktiengesellschaft oder Genossenschaften organisiert sind. In diesen hat das Gemeinwesen entweder eine Mehrheitsbeteiligung oder geniesst andere besondere Vorrechte nach Art. 762 OR. Für ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen ist es typisch, dass es neben einer öffentlichen Aufgabe auch Gewinnziele verfolgt.103 Es ist auch möglich, dass die öffentliche Hand sich an einer privaten Gesellschaft mit einer blossen Minderheitsbeteiligung engagiert, ohne dabei Sonderrechte zu geniessen. Grundsätzlich ist es dem Bund aber verwehrt, Aktien gewinnorientierter Unternehmen zu erwerben. Auch einige Kantone kennen diese Einschränkung.104 96 97 98 99 100 101 102 103 104 Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 328. Schedler/Gulde/Suter, Corporate Governance öffentlicher Unternehmen, S. 15. Bericht des Bundesrates vom 12. Dezember 2016, S. 27. Schedler/Gulde/Suter, Corporate Governance öffentlicher Unternehmen, S. 15. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 329. Häfelin/Müller/Uhlmann, Verwaltungsrecht, S. 338; Tschannen/Zimmerli/ Müller, Verwaltungsrecht, S. 81. Häfelin/Müller/Uhlmann, Verwaltungsrecht, S. 336. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 329. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 330. 266 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds b) Rechtsform für einen Schweizer Staatsfonds Gemäss Leitsatz 1 der Corporate-Governance-Leitsätze des Bundes sollen verselbstständigte Einheiten, die Bundesaufgaben erfüllen, in der Form einer öffentlich-rechtlichen Anstalt gestaltet werden. Die Gründung in Form einer privatrechtlichen Aktiengesellschaft ist nur in bestimmten Fällen zu wählen. Beispiele sind Einheiten, die Leistungen am Markt anbieten, wirtschaftlich selbstständig sind und an denen sich Dritte beteiligen können.105 Bei einem Staatsfonds sollte deshalb die Form einer öffentlich-rechtlichen Aktiengesellschaft gewählt werden. Der Staatsfonds würde am Markt wie ein Privater auftreten und keine hoheitliche Tätigkeit ausüben. Gemäss Leitsatz 14 der Corporate-Governance-Leitsätze des Bundes können private Aktiengesellschaften Kooperationen und Beteiligungen im Rahmen ihrer Zweckumschreibung eingehen. Anstalten können dies nur ausnahmsweise machen.106 Ein weiterer Vorteil der Gründung als öffentlich-rechtliche Aktiengesellschaft ist, dass die aktienrechtliche Organisationsstruktur und die Entscheidungswege für Fragen der Verwaltung und der Geschäftsführung vorgegeben sind. Wirkt eine Behörde mit, muss dies als Ausnahme verstanden werden und bedarf einer Regelung im Gesetz, die auch begründet werden muss. Durch die aktienrechtliche Struktur kann die Unabhängigkeit hervorgehoben werden. Sie ermöglicht unabhängige Entscheidungswege. Zudem kann das Vermögen vor Eingriffen durch den Staat geschützt werden.107 Alternativ könnte der Staatsfonds als Kapitalsammelstelle bei der Nationalbank errichtet und durch ein spezifisch hierfür eingesetztes Team betreut werden. Dieses müsste gegenüber der SNB unabhängig sein. Die Unabhängigkeit könnte über ein Vermögensverwaltungsmandat sichergestellt werden, welches die Aufgabe, die Kompetenzen sowie die Unabhängigkeit klar definiert. Die Unabhängigkeit ist besonders wichtig, da die SNB für die Politik der Währungsreservenhaltung verantwortlich ist und ihre Interessen andere als die eines Staatsfonds sind, der nur seine Rendite zu maximieren sucht. Die Zentralbank hat auch für Preisstabilität zu sorgen.108 Aus diesem Grund ist es wichtig, dass ein Staatsfonds über den Einsatz der durch ihn verwalteten Vermögen frei nach seinem Ermessen handeln kann.109 Die Einsetzung einer spezifischen Kapitalsammelstelle zur Verwaltung der überschüssigen Devisenreserven bedarf keiner Änderung des NBG, sofern die 105 106 107 108 109 Corporate Goverance des Bundes, Leitsätze, S. 1. Corporate Goverance des Bundes, Leitsätze, S. 2. Botschaft, 26. Juni 2002, S. 6124; Hübscher/Kuhn, Nationalbank, S. 561. Siehe hierzu Kapitel § 5.B.V. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 214. 267 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds SNB selbst die Gründung und Auslagerung der Devisenreserven beschliesst. Würde die Änderung von aussen kommen, müsste hierfür das NBG angepasst werden, was entweder durch das Parlament oder durch die Stimmbürger angeregt werden kann.110 Da SNB und Bundesrat die Gründung eines Staatsfonds bereits abgelehnt haben, wäre noch ein Entscheid des Volkes oder des Parlaments zur Gründung eines Staatsfonds möglich.111 c) Gründung Einem Staatsfonds würden Verwaltungsaufgaben übertragen werden, weshalb gemäss Art. 178 Abs. 3 BV i.V.m. Art. 2 Abs. 4 RVOG112 eine formell-gesetzliche Grundlage erforderlich ist.113 Für die Gründung einer öffentlichen Unternehmung ist generell eine Grundlage in einem formellen Gesetz notwendig.114 Der Staatsfonds kann auf Stufe der Verfassung geschaffen werden oder durch ein formelles Gesetz. Auch möglich wäre die Gründung über das Notrecht mit einer späteren Überführung in ordentliches Recht.115 aa) Verfassung Für die Normierung des Staatsfonds auf Verfassungsstufe wäre zwingend eine Verfassungsänderung notwendig (Obligatorisches Referendum). Diese benötigt die Mehrheit der Abstimmenden und der Kantone.116 Änderungen der Verfassung werden in der Regel durch das Parlament initiiert, aber auch die Stimmbürger haben die Möglichkeit, mit 100.000 Unterschriften ein entsprechendes Anliegen einzubringen.117 bb) Formelles Gesetz Das Parlament hat das Recht, ohne obligatorische Zustimmung Gesetze zu schaffen. Mit 50.000 Unterschriften kann das Volk eine Abstimmung erzwingen.118 110 111 112 113 114 115 116 117 118 § 14.B.III.1.c. Siehe zur Möglichkeit der Gründung eines Staatsfonds durch einen Volksentscheid: § 14. B.III.1.c.). Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (RVOG), SR 172.010. Handelszeitung, Frankenstärke, S. 1 f.; Arnold, Staatsfonds, S. 1; siehe hierzu auch: Bericht des Bundesrats vom 12. Dezember 2016, S. 26. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 323. Handelszeitung, Frankenstärke, S. 1 f. Siehe Art. 140 BV. Siehe Art. 139 BV. Siehe Art. 141 BV. 268 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds cc) Notrecht Das Notrecht existiert als Dringlichkeitsrecht im Sinne von Art. 165 BV sowie für Vorfälle von staatsexistenzbedrohender Tragweite wie etwa die zwei Weltkriege im 20. Jahrhundert. Auf die Gründung eines Staatsfonds kann das Notrecht im Sinne einer Polizeigeneralklausel gemäss Art. 173 i.V.m. Art. 184 Abs. 3 und Art. 185 Abs. 3 BVAnwendung finden. Die Polizeigeneralklausel ersetzt die formalgesetzliche Rechtsgrundlage. Sie kann direkt vom Bundesrat oder der Bundesversammlung erlassen werden und legitimiert Massnahmen im Falle landesweiter interner sowie externer Störungen.119 Primär dient die Massnahme dem Schutz von Polizeigütern.120 Voraussetzung für ihre Anwendung ist eine schwere und unmittelbar drohende Gefahr oder eine bereits erfolgte schwere Störung. Zudem darf sich keine andere spezielle gesetzliche Regelung als Massnahmemöglichkeit anbieten. Dauert ein Zustand über längere Zeit an, so muss der formelle Gesetzgeber eine Regelung erlassen.121 Für die Gründung eines Staatsfonds kommt das Notrecht eher nicht in Frage, da eine Dringlichkeit nicht ausgemacht werden kann – es sei denn, die Schweiz würde einen Staatsfonds einsetzen, um ein Unternehmen vor einer ausländischen Übernahme zu retten. 2. Staatliche Aufgabenerfüllung Wie unter § 14.B.III.1.c. aufgeführt, benötigt der Bund zur Errichtung eines Staatsfonds eine Ermächtigung in der Verfassung, welche ihm die Kompetenz erteilt, Vermögen im Namen der Bevölkerung zu verwalten zur Erfüllung eines im öffentlichen Interessen liegenden Zwecks.122 Fraglich ist, ob die Gelder des Staatsfonds Finanz- oder Verwaltungsvermö123 gen darstellen. Verwaltungsvermögen dient der unmittelbarern Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe. Zum Finanzvermögen zählen die übrigen Vermögenswerte.124 Da Gelder von einem Staatsfonds nur mittelbar der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dienen, sind sie dem Finanzvermögen zuzuordnen. Laut Art. 62 FHG darf die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) nicht benötigte Gelder anlegen mit der Bedingung, dass die Sicherheit und ein marktkonformer Ertrag 119 120 121 122 123 124 Kley, UBS-Rettung, S. 124. Polizeigüter lassen sich unter dem Oberbegriff «Öffentliche Sicherheit und Ordnung» zusammenfassen. Kley, UBS-Rettung, S. 124. § 14.B.III.1.c. Art. 3 Abs. 5 FHG. EFV, Haushaltsführung, S. 45. 269 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds gewährleistet ist.125 Der Bundesrat spricht sich für eine potentielle Zuordnung der Gelder zum Verwaltungsvermögen, da es sich um die «Schaffung eines Vermögenswertes, der unmittelbar Verwaltungszwecken dient, nämlich der Sicherstellung von ausreichenden Investitionen zur bestmöglichen Erfüllung von öffentlichen Aufgaben» handle. Mit dieser Zuordnung wäre das Vermögen vor dem Zugriff von Privatgläubigern geschützt.126 Die Aufgabe der Vermögensverwaltung kann dann der Staat entweder selbst wahrnehmen (Erfüllungsverantwortung) oder sie an private oder staatliche Organisationseinheiten auslagern (Gewährleistungs- oder Regulierungsverantwortung).127 a) Auslagerung der staatlichen Tätigkeit Es ist zwischen der Auslagerung von Aufgaben, der Auslagerung der Aufgabenerfüllung, der Auslagerung von Organisationseinheiten und der Auslagerung öffentlichen Vermögens zu unterscheiden.128 aa) Auslagerung der Aufgabe Der Staat hat die Möglichkeit eine Aufgabe komplett in die Privatwirtschaft auszulagern; in diesem Fall handelt es sich um eine Vollprivatisierung. Der Staat entledigt sich dabei einer Aufgabe komplett und der einzige verbleibende Einfluss besteht über die Regulierung.129 bb) Auslagerung der Aufgabenerfüllung Bei der Auslagerung der Aufgabenerfüllung überträgt der Staat Dritten ausserhalb der zentralen Bundesverwaltung die Wahrnehmung der Aufgabe; die Verantwortung verbleibt beim Staat und der staatliche Charakter der Aufgabe bleibt erhalten.130 cc) Auslagerung der Organisationseinheit Einheiten der zentralen Bundesverwaltung können rechtlich verselbstständigt werden. Diese Einheiten werden in öffentlich- oder privatrechtliche Unternehmen umgewandelt.131 125 126 127 128 129 130 131 EFV, Haushaltsführung, S. 50. Bericht des Bundesrates vom 12. Dezember 2016, S. 27. Corporate Governance Bericht, 13. September 2006, S. 8245. Corporate Governance Bericht, 13. September 2006, S. 8244. Corporate Governance Bericht, 13. September 2006, S. 8244. Corporate Governance Bericht, 13. September 2006, S. 8244. Corporate Governance Bericht, 13. September 2006, S. 8244. 270 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds dd) Auslagerung öffentlichen Vermögens Auch die Auslagerung für die Aufgabenerfüllung benötigten Vermögens ist möglich.132 b) Aufgabenerfüllung durch die zentrale Bundesverwaltung Der Bund kann seine Aufgaben über die zentrale Bundesverwaltung wahrnehmen. In diesem Rahmen bleibt die Erfüllungsverantwortung beim Staat.133 Primär ist das bei der klassischen Verwaltungstätigkeit der Fall; wenn eine gesetzliche Ermächtigung dies vorsieht134; es ist jedoch auch die Erbringung von Leistungen mit privatwirtschaftlichem Charakter möglich.135 3. Professionelles Management Jeder Staatsfonds braucht eine professionelle Verwaltung.136 Dafür ist ein funktionierendes Risikomanagement mit einer transparenten Risikostrategie zentral.137 Ausserdem müssen die Organe des Staatsfonds mit Sorgfalt ausgewählt werden. Als Beispiel könnten die Voraussetzungen dienen, welche das Gesetz für das Direktorium der SNB fordert: Mitglieder des Direktoriums müssen einen einwandfreien Ruf geniessen und ausgewiesene Kenntnisse in Währungs-, Bankund Finanzfragen haben. Überdies sollen sie das Schweizer Bürgerrecht besitzen und in der Schweiz wohnhaft sein.138 Um Interessenkonflikte zu vermeiden, ist es Mitgliedern verwehrt, andere wirtschaftliche Tätigkeiten auszuüben oder ein anderes Amt zu bekleiden.139 Des Weiteren sollten auf die Mitarbeiter des Staatsfonds die öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Kaderlöhne des Bundes Anwendung finden.140 Gemäss Art. 164 Abs. 1 lit. g BV muss die Organisation und das Verfahren von Bundesbehörden in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden.141 Die Verwaltung der Währungsreserven kann durch den Staatsfonds selbst oder durch externe Vermögensverwalter vorgenommen werden. Der Einsatz externer Verwalter zur Verwaltung exzessiver Währungsreserven wirft Fragen be132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 Corporate Governance Bericht, 13. September 2006, S. 8244. Corporate Governance Bericht, 13. September 2006, S. 8245. Art. 41 FHG. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 327. Tsani/Abhmadov/Aslanli, Remarks, S. 8; siehe auch Art. 6 GAPP ff. in § 11.C.II. EU Kommission, KOM 2008, S. 10; Lowery, Remarks, S. 2. Siehe Art. 44 Abs. 1 NBG. Siehe Art. 44 Abs. 2 NBG. Für die SNB ist die Geltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Kaderlöhne des Bundes in Art. 42 Abs. 2 lit. j NBG festgelegt. Siehe Art. 164 Abs. 1 lit. g BV. 271 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds züglich Sicherheit, Liquidität und Geheimhaltung auf. Abhilfe kann eine ausführliche Vereinbarung zwischen dem Eigentümer und dem Verwalter der Währungsreserven schaffen. Für den Einsatz externer Verwalter spricht, dass mit ihrer Hilfe das Investitionsportfolio erweitert werden kann, ohne gegen statutarische Bedingungen zu verstossen. Sie verfügen über weitere Expertise zur Verwaltung der überschüssigen Devisenreserven, die eine risikooptimierte Anlage erlaubt. Externe Verwalter können überdies auf den Märkten als Anbieter sowie Nachfrager auftreten, ohne dass sie als Zentralbank identifiziert werden. Damit können Signalwirkungen verhindert werden.142 Bei der Auslagerung der Verwaltung der Devisenreserven an einen externen Vermögensverwalter kann es zu einem Prinzipal-Agenten-Problem kommen: Ein Prinzipal-Agenten-Problem besteht, wenn zwei Akteure über unterschiedliche Informationen143 verfügen und ein Vertragsverhältnis eingehen, in dem der eine dem anderen unterstellt ist. Beide Akteure versuchen ihren Gewinn resp. Nutzen zu maximieren.144 Zudem agieren Akteure mit fremdem Vermögen grundsätzlich risikofreudiger als mit eigenen Geldern, was das Risiko der Investitionstätigkeit erhöht.145 Die Staatsfonds hätte in diesem Fall die Rolle des Prinzipals, während der externe Vermögensverwalter der Agent ist. Sie stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis. Deshalb müssen gewisse Dinge geregelt werden, etwa der zu verfolgende Benchmark, die zur Verfügung stehenden Instrumentarien sowie die Breite der zu investierenden Währungen. Überdies muss die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel festgelegt werden. Für das Handeln des Agenten wird vom Prinzipal so ein Rahmen definiert.146 Durch die Informationsasymmetrie zwischen Prinzipal und Agenten kann es zu Moral Hazard, Hidden Information sowie Adverse Selection kommen.147 a) Moral Hazard Der Ursprung der Moral-Hazard-Thematik lässt sich in der Versicherungswissenschaft finden.148 Moral Hazard 149 beschreibt das Verhalten eines Individuums oder Unternehmens, wenn bekannt ist, dass im Schadensfall die Versiche142 143 144 145 146 147 148 149 Sauer, Liquiditätssicherung, S. 208. Informationsasymmetrien. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 208. Authers, Rise of Markets S. 4. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 209. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 209. Macneil, Financial Investment, S. 31. Das moralische Risiko, das Kapitalgeber zusätzlich zum Ertrags- und Verschuldensrisiko tragen, da Unternehmer nicht immer im Interesse der Kapitalgeber handeln. Vgl. Baudenbacher-Tandler, Anlegerrisiken, S. 40. 272 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds rung oder später in der Finanzwirtschaft der Staat eintreten werden.150 Staaten und Regulatoren geben selten eine entsprechende explizite Willensbekundung ab; der Markt antizipiert allerdings solches Verhalten, was zu einer Moral Hazard führt. Unternehmen gehen mehr Risiken ein, als sie ohne Geltung des Moral Hazard eingehen würden.151 b) Hidden Information Unter Hidden Information versteht man, dass der Prinzipal zwar beobachten kann, wie der Agent seine Arbeit verrichtet und wieviel Zeit er dafür aufwendet; er aber nicht sehen kann, auf welcher Basis der Agent seine Entscheidungen trifft. Im Bereich der Auslagerung von Devisenreserven an einen externen Verwalter kommt die Hidden Information häufiger vor als die Moral Hazard.152 Ein externer Vermögensverwalter sollte nicht zu sehr durch den Staatsfonds eingeschränkt werden und innerhalb des gesetzlich erlaubten Rahmens eigenständig agieren können.153 c) Adverse Selection Adverse Selection ist ein Phänomen der Informationsasymmetrie vor Vertragsschluss. Geprägt wurde der Begriff von George A. Akerlof, der beschrieb, wie schlechte Angebote die guten Angebote vom Markt drängen: Wählt der Staatsfonds einen externen Vermögensverwalter aus, verfügt er nicht über alle nötigen Informationen, um einen guten Kandidaten auszuwählen. Zunächst können Dritte herangezogen werden, die ihn bei der Auswahl unterstützen. Überdies kann der Agent versuchen, sich durch objektive Eigenschaften besser darzustellen (Signaling), oder der Prinzipal setzt Massnahmen ein, um den Agenten zu einer Selbstauswahl zu verleiten (Screening).154 Beim Signaling versucht der Agent durch besondere Eigenschaften herauszustechen. Dies sind in der Regel Zertifikate und Bestätigungen. Beim Screening versucht der Prinzipal die Parameter so zu setzen, dass es zu einer automatischen Auswahl kommt.155 150 151 152 153 154 155 Authers, Rise of Markets, S. 5. Macneil, Financial Investment, S. 31. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 210. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 210. Fritsch, Marktversagen, S. 261 ff. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 211. 273 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds 4. Klare Aufgabenteilung Gemäss Leitsatz 2 der Corporate Governance des Bundes muss eine verselbstständigte Einheit über schlanke Strukturen und eine klare Kompetenzregelung zwischen ihren Organen verfügen.156 Somit müsste bei einem Staatsfonds klar ersichtlich sein, welche Personen für die Verwaltung zuständig sind.157 Es ist dabei sehr wichtig, dass die Verwaltung des Staatsfonds sowohl in personeller als auch organisatorischer Hinsicht von anderen staatlichen Stellen wie dem Finanzminister und der Zentralbank unabhängig ist.158 Ein Staatsfonds sollte rein renditeoptimiert investieren. Eine Einflussnahme durch die Zentralbank oder die Regierung könnte zu Interessenkonflikten führen.159 Die Ausgestaltung der Aufgabenverteilung innerhalb eines Staatsfonds sollte ähnlich wie bei der Nationalbank sein. Art. 6 NBG gewährt, dass die Nationalbank und auch die Mitglieder ihrer Organe keine Weisungen vom Bundesrat oder anderen Stellen bezüglich ihrer Aufgabenerfüllung gem. Art. 5 Abs. 1 und 2 NBG entgegennehmen dürfen.160 Diese Unabhängigkeit des Staatsfonds gegenüber anderer staatlicher Stellen müsste im Gründungstatut festgehalten werden.161 Es bräuchte eine klare Aufteilung der Zuständigkeiten und Abgrenzung der Kompetenzen sowie eine klare Zuteilung von Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht.162 Interessenkonflikte müssten angesprochen werden und es bräuchte Standardverfahren zur Lösung solcher Konflikte.163 Finanzpolitische Regeln und Investitionsregeln müssten durch Regierungsvertreter und Fondsmanager implementiert werden. Es braucht überdies die notwendigen personellen wie finanziellen Kapazitäten, um die korrekte Implementation einer Investitionsstrategie zu gewährleisten.164 Ein Schweizer Staatsfonds müsste seine Ziele unabhängig von der Regierung verfolgen können und es dürfte zu keiner Einmischung in das operative Geschäft durch den Staat oder staatliche Stellen kommen.165 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 Corporate Governance des Bundes, Leitsätze, S. 1. Tsani/Abhmadov/Aslanli, Remarks, S. 8. Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 41; Beck/Fidora, Impact, S. 6; Capapé/Blanco, Definition of Sovereign Wealth Funds, S. 22 f.; Cohen, Tradeoff, S. 715; Fini/Rethel, corporate reform, S. 164. Hügli, Interview, S. 1; siehe zu möglichen Interessenkonflikte Kapitel § 14.B.III.2. Art. 6 NBG. Siehe 164 Abs. 1 lit. g BV. EU Kommission, KOM 2008, S. 10; Gajjala, Corporate Governance, S. 42; Gelb et al., Risks and Opportunities, S. 16 Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 5. Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 24. EU Kommission, KOM 2008, S. 10; IWGSWF, Santiago Principles, S. 17. 274 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds a) Gründung als öffentlich-rechtliche Gesellschaft Wird der Staatsfonds als öffentlich-rechtliche Gesellschaft gegründet, werden die Ziele durch den Bundesrat und das Parlament festgelegt. Die eigentliche Tätigkeit der Verwaltung der Gelder im Rahmen der Zielsetzung durch den Bundesrat findet jedoch ohne Einflussnahme durch den Bundesrat oder das Parlament statt. Gemäss Art. 28 Abs. 1 und 1bis Parlamentsgesetz (ParlG) wirkt die Bundesversammlung bei der Planung der Staatstätigkeit mit. Sie unterstützt die Festlegung der strategischen Ziele für verselbstständigte Einheiten. Insbesondere erteilt sie dem Bundesrat Aufträge, strategische Ziele für verselbstständigte Einheiten festzulegen oder deren Ziele zu ändern.166 Nach Art. 8 Abs. 5 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG) legt der Bundesrat – soweit zweckmässig – die strategischen Ziele für Personen des öffentlichen oder privaten Rechts fest, die nicht der zentralen Bundesverwaltung angehören, durch ein Bundesgesetz geschaffen worden sind oder vom Bund kapital- und stimmenmässig beherrscht werden und mit Verwaltungsaufgaben betraut sind.167 b) Gründung als unselbstständige Einheit innerhalb der SNB Wird ein Staatsfonds als unselbstständige Einheit innerhalb der SNB gegründet, so muss die Abgrenzung zwischen der Tätigkeit der SNB und des Staatsfonds klar definiert werden, sodass sie sich gegenseitig nicht durch ihre Tätigkeiten behindern.168 5. Unabhängige Überwachungsbehörde Es bräuchte unabhängige Aufsichtsbehörden, die das Verhalten des Staatsfonds und der zugehörigen Personen überwachen und notfalls korrigieren können.169 Interne Kontrollmechanismen reichen oftmals nicht aus, um die Einhaltung der Governance-Strukturen und die Verwaltung unter Wahrung des öffentlichen Interesses gewährleisten zu können.170 Unabhängige Aufsichtsbehörden tragen dazu bei, dass ein Staatsfonds die ihm auferlegten Regeln einhält.171 166 167 168 169 170 171 Art. 28 Abs. 1 und 1bis ParlG. Art. 8 Abs. 5 RVOG. Siehe hierzu Kapitel § 14.C.V.I. Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 5. Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 25. Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 79. 275 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds 6. Strategie und Anlagepolitik Die Investitionsstrategie eines Staatsfonds, welche durch den Eigentümer der Vermögen vorgegeben wird, muss im Gründungsstatut hinterlegt werden. Der Verwalter der Vermögen hat sich bei der Verwaltung an diese Investitionsstrategie zu halten. Unter anderem soll das Gründungsstatut festlegen, wie hoch der Anteil an flüssigen Mitteln, Aktien, festverzinslichen Anlagen sowie alternativen Vermögenswerten zu sein hat.172 Ein Staatsfonds soll ansonsten innerhalb des vorgegebenen Rahmens in seinen Investitionsentscheidungen frei sein.173 Im Gründungsstatut sollte überdies festgelegt werden, in welche Investitionsklassen es dem Staatsfonds nicht erlaubt ist, zu investieren. Beispielsweise könnten hochriskante Finanzinstrumente und volatile Währungen vom Investitionsportfolio ausgenommen werden. Das Setzen von Grenzen kann Fehlinvestitionen verhindern.174 Die Strategie eines Schweizer Staatsfonds könnte darin liegen, vorwiegend Investitionen im Ausland zu tätigen, um den Schweizer Franken zu schwächen.175 Auf Investitionen im Inland sollte verzichtet werden, da dies zu einer weiteren Aufwertung des Schweizer Franken führen würde, was volkswirtschaftlich gesehen für die Schweiz aktuell nicht wünschenswert ist.176 Überdies bestünde die Gefahr der Entstehung eines Parallelbudgets, indem die Mittel des Staatsfonds für Projekte neben dem Budget eingesetzt werden würden.177 Die Strategie des Staatsfonds müsste in Harmonie mit der Tätigkeit der Nationalbank stehen, um deren Geschäfte nicht zu konterkarieren. Beispielsweise wäre dies der Fall, wenn ein Staatsfonds Anleihen eines Landes verkauft, obwohl die Zentralbank gerade dabei ist, solche im Rahmen einer Devisenmarktintervention zu kaufen.178 Betreffend Investitionsstrategie und Anlagepolitik kann auf die Richtlinien der SNB zurückgegriffen werden. Insbesondere sollte der Staatsfonds keine strategischen Interessen mit den Aktienanlagen bezwecken. Das Hauptziel der Ver- 172 173 174 175 176 177 178 Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 5, S. 23. Chapman, SNB, S. 1 ff. In den 1990er Jahre hat die Kuwait Investment Authority 5 Milliarden US-Dollar durch schlechte Investitionen in spanische Unternehmen verloren. Dies könne auf eine Kombination von schlechter Aufsicht und dem Fehlen von klaren Investitionsregeln zurückgeführt werden. Vgl. Bauer/Rietveld/Toledano, Natural Resource Funds, S. 23. economiesuisse, Starker Franken, S. 2; siehe auch Castelli/Scacciavillani, State Investments, S. 16. Kalt, Staatsfonds, S. 1; Wyss, Staatsfonds, S. 1. Bauer, Six Reasons, S. 4. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 207. 276 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds waltung sollte die Erzielung einer risikooptimierten Rendite sein und das Staatsfondsvermögen sollte passiv, d.h. indexreplizierend verwaltet werden.179 Ähnlich wie die Norges Bank verzichtet auch die SNB auf Investitionen in Unternehmen, «die geächtete Waffen produzieren, grundlegende Menschenrechte massiv verletzen sowie systematisch gravierende Umweltschäden verursachen».180 Diese Grundsätze sollten auch für einen Schweizer Staatsfonds gelten. C. Bewertung der Gründung eines Staatsfonds Der folgende Abschnitt geht zunächst auf die Gründung eines Staatsfonds aus ordnungspolitischer Sicht ein. Danach werden Argumente für und gegen die Gründung eines Staatsfonds gegeneinander abgewogen. In einem weiteren Schritt wird diskutiert, ob eine Auslagerung der Währungsreserven mit der Geldpolitik der SNB vereinbar ist. Danach wird erörtert, ob die Aufnahme einer langfristigen Staatsanleihe eine Alternative für die Finanzierung eines möglichen Schweizer Staatsfonds darstellt. Abschliessend wird auf mögliche Interessenkonflikte eingegangen, welche die Gründung eines Staatsfonds mit sich bringen könnte. I. Anlässe für die Gründung eines Staatsfonds Für die Gründung eines Staatsfonds können drei Anlässe ausgemacht werden: Erstens, wenn eine Volkswirtschaft eine andauernde Erweiterung der Geldmenge nicht bewältigen kann und Gefahr läuft, eine Konjunkturüberhitzung zu erleiden. Zweitens, wenn ein Staat plötzlich durch einen Anstieg der Rohstoffpreise mehr Einnahmen aus Rohstoffverkäufen erwirtschaftet als erwartet (windfall profit). Drittens, wenn der Staat sich gegen das Versiegen der Rohstoffe versichern oder seine Anlagemöglichkeiten stärker diversifizieren möchte.181 Die Schweiz sieht sich mit dem ersten Szenario konfrontiert; seit 2011 muss sie kontinuierlich ihre Geldmenge anheben, um den Schweizer Franken abzuwerten. In der Folge sammelte sie grosse Mengen an Währungsreserven an, die zur Finanzierung eines Staatsfonds dienen könnten.182 Weiter könnte ein Staatsfonds auch ohne Übertrag von Währungsreserven der Nationalbank mittels Ausgabe einer Staatsanleihe gegründet werden.183 179 180 181 182 183 Richtlinien, 27. Mai 2004, S. 2. Richtlinien, 27. Mai 2004, S. 3. Sauer, Liquiditätssicherung, S. 205. Siehe hierzu § 14.A. Siehe hierzu § 14.B.II.3.b) 277 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds II. Berechtigung von Staatsfonds als Investoren in einer liberalen Wirtschaftsordnung Die Gründung eines Staatsfonds sei aus einer ordnungspolitischen Sicht problematisch, da Staatsfonds laut Aymo Brunetti «planwirtschaftliches Gedankengut» in sich bergen.184 Die Schweiz bekennt sich zu einer liberalen Wirtschaftsordnung, in die nur eingegriffen werden soll, wenn der Markt versagt.185 Dabei gilt es zu verhindern, dass der Staat selbst wirtschaftlich tätig wird und die Privatwirtschaft damit substanziell beeinträchtigt.186 Das staatliche Handeln beschränkt sich in der Folge auf die Bereitstellung öffentlicher Güter, sofern die Privatwirtschaft dazu nicht in der Lage ist (Subsidiaritätsprinzip).187 Damit ein Staat privatwirtschaftlich tätig werden kann, muss ein öffentliches Interesse vorhanden sein.188 Dieses darf nicht rein fiskalischer Natur sein, sondern die Tätigkeit muss einen Gemeinwohlbezug aufweisen.189 Ein Staat, der als privater Marktteilnehmer auftritt, muss damit also wirtschaftspolitische Anliegen verfolgen.190 Dies bedeutet aber nicht, dass der Staat keinen Gewinn erwirtschaften darf; Gewinne sind lediglich atypisch für die staatliche Tätigkeit.191 Gemäss Bundesgericht stellt nicht jede staatliche Wirtschaftstätigkeit einen Eingriff in die Staatsfreiheit dar.192 Grundsatzkonforme Eingriffe, d.h. Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit, die in der Bundesverfassung vorgesehen oder durch kantonales Regalrecht begründet sind, sind möglich.193 Tritt der Staat wie ein privater Unternehmer auf, so kann dies auch als weitere Konkurrenz für die Privaten gewertet werden.194 Der Staat darf unter dieser Voraussetzung keine Sonderrechte geniessen und die Wettbewerbsbedingungen müssen vergleichbar sein.195 Staatliche Massnahmen, welche sich zum einen direkt gegen den Wettbewerb richten und zum anderen solche, deren Auswirkungen den Wettbewerb 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 Brunetti, fuw, S. 1. Siehe hierzu § 7.F.I. Hangartner, Wirtschaftsfreiheit, S. 340 f. Siehe hierzu § 7.F.I. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 335. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 340. Rhinow, Schmid, Biaggini, Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 323. Rhinow, Schmid, Biaggini, Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 324/S. 341; Uhlmann, BSK 94, S. 1507. BGE 138 I 378, E. 6.2.2. Siehe hierzu § 7.F.I.1. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 335; Vallender, SGK 94, S. 1799. Hangartner, Wirtschaftsfreiheit, S. 341; Uhlmann, BSK 27, S. 565. 278 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds verzerren, sind mit dem Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit jedoch unvereinbar (grundsatzwidrige Beschränkungen).196 Der Staat beschränkt sich in der Schweiz grundsätzlich auf die Finanzierung öffentlicher Güter. Alle anderen Investitionen werden von Privaten ausgeführt, die hierzu besser in der Lage sind: Durch das private Verlustrisiko der Anteilseigner haben private Investoren mehr Anreiz, die Qualität ihrer Investitionen zu überprüfen, was generell deren Effizienz optimiert.197 Staatliche Investitionstätigkeiten werden in der Schweiz nicht per se abgelehnt. Neuerdings wird mehr und mehr von einem New Public Management (wirkungsorientierte Verwaltungsführung) gesprochen, welches nicht mehr vorwiegend auf die Marktmacht vertraut, sondern sich für einen dynamischen Staat einsetzt, der effizient neben dem Privaten oder zusammen mit ihm wirtschaftet.198 Die Aufgaben des Staates konzentrieren sich dabei auf die unverzichtbaren Funktionen des Service Public. Dieser Begriff ist im Gesetz nicht definiert, der Bundesrat versteht darunter jedoch folgendes: «Service public umfasst die Grundversorgung mit Infrastrukturgütern und -dienstleistungen, welche für alle Bevölkerungsschichten und Regionen des Landes zu gleichen Bedingungen in guter Qualität und zu angemessenen Preisen zur Verfügung stehen sollen.»199 Staatsfonds werden, wie in Kapitel § 5.C.III. ausgeführt, aus unterschiedlichen Gründen errichtet (Konjunkturstabilisierung, Generationengerechtigkeit, Diversifikation der Währungsreservenverwaltung, Entwicklung der nationalen Wirtschaft). Befürworter für die Gründung eines Staatsfonds in der Schweiz haben diverse wie in Kapitel § 14.A. beschriebene Ziele angeführt (Unterstützung der heimischen Wirtschaft, Bekämpfung des hohen Franken-Kurses, Optimierung der Devisenreservenverwaltung, politische Einflussnahme durch Direktinvestitionen, Nutzung der Negativzinsen). Um zu ergründen, ob die Gründung eines Staatsfonds mit dem Prinzip der Staatsfreiheit vereinbar ist, müssen die einzelnen Ziele analysiert werden.200 Das Hauptzweck eines Staatsfonds ist, wie in Kapitel § 5.E. ausgeführt, grundsätzlich die Wahrnehmung eines öffentlichen Interesses. Zur Erfüllung dieses Zwecks investieren Staatsfonds das zu verwaltende Vermögen am Kapitalmarkt mit einem Renditeziel. Somit zielt die eigentliche Tätigkeit des Staatsfonds selbst auf die Optimierung der eingesetzten Mittel.201 196 197 198 199 200 201 Siehe hierzu § 7.F.I.1. Brunetti, fuw, S. 1. Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, S. 88. UVEK, Service public, S. 1. Siehe § 14.A. Siehe § 5.E. 279 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds III. Bewertung der Ziele einer Staatsfondsgründung Der folgende Abschnitt bewertet die möglichen Ziele, die mit der Gründung eines Staatsfonds angestrebt werden. Hierzu wird zuerst auf die Schweizer Verfassung eingegangen und dann auf die einzelnen geforderten Ziele wie Unterstützung der heimischen Wirtschaft, Bekämpfung des hohen Frankenkurses, Optimierung der Währungsreserven, politische Einflussnahme und Nutzung der Negativzinsen. Bei der Gründung eines Staatsfonds müsste die Schweiz sich an Art. 36 BV halten: Die Regierung müsste erstens per Gesetz dazu ermächtigt sein, zweitens müsste die Gründung im öffentlichen Interesse liegen und drittens verhältnismässig sein.202 Gemäss Art. 94 Abs. 2 BV haben der Bund und die Kantone bei ihrem Handeln die Interessen der Gesamtwirtschaft zu wahren.203 Überdies hält die Schweizer Bundesverfassung in ihrer Präambel fest, dass Rücksicht auf künftige Generationen genommen werden muss und schreibt in Art. 2 Abs. 2 BV die Förderung der gemeinsamen Wohlfahrt vor.204 Damit wird die Grundeinstellung des Schweizer Volkes beschrieben, es können aber keine direkten Bundesaufgaben daraus abgeleitet werden.205 1. Unterstützung der heimischen Wirtschaft Die Gründung eines Staatsfonds zur Unterstützung der heimischen Wirtschaft oder auch als Abwehrmassnahme von unerwünschten ausländischen Investitionen würde falsche Anreize schaffen; ähnlich wie bei systemrelevanten Banken würde man davon ausgehen, dass der Staat bei Gefährdung gewisser Unternehmen von nationalem Interesse Rettungsmassnahmen ergreifen würde (Moral Hazard).206 Überdies bestünde gemäss Bundesrat keine Notwendigkeit zur Tätigung von Realinvestitionen, da bereits ausreichend alternative Finanzierungsmöglichkeiten existieren würden.207 Eine Investition in ein nationales Unternehmen stellt einen Eingriff in die freie Marktwirtschaft darf: Unternehmen, die eine staatliche Beteiligung erhalten, werden dabei gegenüber andern Unternehmen bevorzugt.208 In der Schweiz müssen Staatseingriffe jedoch wettbewerbsneutral sein. Dies bedeutet, dass Konkurrenten gleich behandelt werden müssen.209 Überdies müssten die frem202 203 204 205 206 207 208 209 Siehe Art. 36 BV; siehe Kapitel § 7.F. Siehe Art. 94 Abs. 2 BV. Siehe Art. 2 Abs. 2 BV. Siehe hierzu § 7.C.I. Siehe zur Thematik Moral Hazard Kapitel § 14.B.III.3.a). Bericht des Bundesrats vom 12. Dezember 2016, S. 24. Bericht des Bundesrats vom 12. Dezember 2016, S. 21. Siehe hierzu § 7.F.I. 280 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds den Devisen des Staatsfonds dabei zunächst in Schweizer Franken umgetauscht werden, was den Franken-Kurs weiter ansteigen lassen und die Exportprodukte verteuern würde. Dies würde den Massnahmen der SNB zur Abwertung des Schweizer Frankens entgegenlaufen.210 Aus diesen Gründen ist auch die Schaffung eines Staatsfonds zur Abwehr von unerwünschten ausländischen Investitionen in der Schweiz abzulehnen. Weiter könnte die Schweiz ihre heimische Wirtschaft stützen, indem sie im Ausland strategische Investitionen eingehen würde. Dies könnte die Schweiz aber unter politischen Druck bringen, da strategische Investitionen ausländischer Staatsfonds generell auf Ablehnung stossen.211 Die SNB, die einen Teil ihres Vermögens in Aktien hält; bewirtschaftet ihr Portfolio aus diesem Grund nicht aktiv, sondern bildet breite Marktindizes passiv nach.212 Thomas Jordan hält die Haltung strategischer Beteiligungen an ausländischen Unternehmen insbesondere dann für problematisch, wenn Gesellschaften aus dem Portfolio der SNB-Investitionen mit einem schweizerischen Unternehmen in Konkurrenz stehen.213 Die gleiche Meinung vertritt Ex-SNB-Präsident JeanPierre Roth dem zufolge eine strategische Investition eines Schweizer Staatsfonds im Ausland quasi als «Kriegserklärung» angesehen werden könnte.214 Aus den oben genannten Gründen schlägt Andreas Höfert vor, den Staatsfonds nur in Industrien investieren zu lassen, welche die Schweiz nicht besitzt.215 Die Wahrnehmung strategischer Interesse mittels eines Staatsfonds ist überdies nicht einfach umzusetzen. Für die Sicherung strategischer Interessen müssen Mehrheitsbeteiligungen eingegangen werden und der Staatsfonds muss in der Lage sein, diese effizient zu verwalten. Einem Schweizer Staatsfonds würde laut economiesuisse mit hoher Wahrscheinlichkeit die notwendige Expertise fehlen.216 Die Gründung eines Staatsfonds zur Unterstützung der Schweizer Wirtschaft hätte in Art. 94 Abs. 2, Art. 100, Art. 102 und Art. 103 eine gesetzliche Grundlage. Die Unterstützung der heimischen Wirtschaft liegt im öffentlichen Interesse. Fraglich ist, ob ein Staatsfonds die verhältnismässige Wahl zur Unterstützung der heimischen Wirtschaft ist. Der Bundesrat hat dies klar verneint, da 210 211 212 213 214 215 216 economiesuisse, Staatsfonds, S. 11. Siehe hierzu § 6.A.II.3. Müller, Franken-Untergrenze, passim. Höfert, Schweizer Staatsfonds, S. 1. Roth, Abbau, S. 1. Höfert, Schweizer Staatsfonds, S. 1. Amman, Lösung, S. 1; economiesuisse, Starker Franken, S. 3. 281 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds weniger einschneidende Mittel bereits zur Verfügung stünden und der Mehrwert eines Staatsfonds gering sei.217 2. Abschwächung des Schweizer Frankens Ein Schweizer Staatsfonds wird unter anderem gefordert, um den Schweizer Franken gegenüber dem Euro abzuwerten und so die Exportindustrie zu stärken. Durch einen Staatsfonds könnten Devisen im Ausland investiert werden, um den Kurs des Schweizer Frankens zu senken.218 Die Idee ist verlockend, doch ist zu bedenken, dass der Kurs sich selbst bei einem sehr hohen Mitteleinsatz nicht nachhaltig beeinflussen lässt.219 Vielmehr setzt sich die Schweizer Volkswirtschaft dem Risiko einer Inflation aus: Um den Staatsfonds mit finanziellen Mittel auszustatten muss die Geldmenge erhöht werden. Gleichzeitig mit der Erhöhung der Geldmenge durch die SNB sinkt der Wert der Realgüter, d.h. es muss für den Erwerb von Gütern nominal mehr bezahlt werden.220 Laut Bundesrat wäre ein Staatsfonds, der zur Abschwächung des Schweizer Frankens investieren würde, dazu zu verpflichten, nur in Fremdwährungen zu investieren, um eine Gefährdung der Geldpolitik der SNB zu vermeiden. Aus dem gleichen Grund dürften die Investitionen auch nicht in Schweizer Franken abgesichert werden, da ansonsten keine Wirkung auf den Schweizer Franken erzielt werden könnte. Ausserdem müssten die SNB und der Staatsfonds ihre Geldpolitik koordinieren, um Konflikte zu vermeiden, was massiv in die Unabhängigkeit der SNB eingreifen würde.221 Das Einsetzen eines Staatsfonds zur Abschwächung des Schweizer Frankens wäre also nicht zielführend und würde im Konflikt mit der Tätigkeit der SNB stehen. 3. Optimierung der Reservenverwaltung Ein Staatsfonds kann zur Diversifizierung des Währungsrisikos beitragen, indem er in eine breite Palette an Produkten investiert.222 Die Frage stellt sich, ob die SNB ihre Investitionen nicht bereits genügend breit diversifiziert. Die SNB hält aktuell 20% in Aktien; 80% sind in ausländischen Anleihen von hoher Qualität, liquiden Mitteln, Sonderziehungsrechten (SZR) und Edelmetallen inves217 218 219 220 221 222 Bericht des Bundesrats vom 12. Dezember 2016. §14.A.II. economiesuisse, Starker Franken, S. 2; Widmer-Schlumpf, Sommersession 2012, S. 4. economiesuisse, Staatsfonds, S. 8. Bericht des Bundesrats vom 12. Dezember 2016, S. 24. Widmer-Schlumpf, Sommersession 2012, S. 4. 282 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds tiert. Um das Klumpenrisiko zu minimieren, hält die SNB nicht nur Euro, sondern auch andere Währungen, unter anderem Singapur-Dollar, schwedische und dänische Kronen sowie US-Dollar.223 Verschiedentlich wurde auch gefordert, dass die SNB ihre Bilanz verkürzen solle, um das Risiko auszulagern.224 Hierzu wurde eine Auslagerung der SNBDevisen gefordert, welche die Bilanz jedoch nicht unbedingt verkürzen würde: Gewährt die SNB ein Darlehen oder kauft Aktien des Staatsfonds, würden die Währungsreserven in der Nationalbankbilanz auf der Aktivseite ersichtlich bleiben. Sie würden als Schuld des Staatsfonds bzw. Staats gegenüber der Nationalbank bestehen bleiben. Für eine Verkürzung müssten die Devisen vielmehr verkauft werden.225 Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, ob die SNB für diese Zweiteilung geeignet ist oder ob nicht besser ein Teil der Devisen an einen externen Verwalter wie einen Staatsfonds ausgelagert werden sollte. Ein Staatsfonds hätte mehr Möglichkeiten, renditeoptimiert zu investieren und müsste dabei weniger stark auf die Geld- und Währungspolitik Rücksicht nehmen. 4. Generationengerechtigkeit Die Schweiz verfügt über nur wenig natürliche Ressourcen. Anders als Staaten mit vielen natürlichen Ressourcen muss sie das Einkommen aus dem Verkauf endlicher Ressourcen nicht über die Generationen verteilen. Nichtsdestotrotz bestehen diverse Mittel zur Förderung der Generationengerechtigkeit in der Schweiz. Beispielsweise versucht der Staat mithilfe der Schuldenbremse, die Bundesschulden abzubauen, um die nachfolgenden Generationen nicht durch die Schulden der jetzigen Generation zu stark zu belasten.226 Ausserdem sieht das Rentensystem der Schweiz ein System der Generationengerechtigkeit vor.227 Dieses basiert gemäss Art. 111 BV auf einem Drei-Säulen-Modell mit dem Ziel einer umfassenden Risikoabdeckung bei Tod, Alter und Invalidität. Die erste Säule ist dabei die staatliche Vorsorge, die zweite die berufliche Vorsorge und die dritte die private Vorsorge.228 Verwaltet werden die Gelder durch den Ausgleichsfonds AHV/IV/EO compenswiss. Dieser hat die Aufgabe kurzfristige Einnahmeschwankungen auszugleichen; er hat die expli223 224 225 226 227 228 Lucatelli, Staatsfonds, S. 1 f. Siehe unter anderem Nouriel Roubini im Interview mit dem Tagesanzeiger, der die Auslagerung in einen Staatsfonds als Möglichkeit ansieht. Vgl. Schnyder/Balmer, Devisenreserven, S. 1. economiesuisse, Staatsfonds, S. 6. Grünewald, Staatsfonds, S. 379. Schweizer Bankiervereinigung, Positionspapier, S. 11. Siehe Art. 111 BV. 283 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds zite Rolle der Liquiditätssicherung inne.229 Die Gelder hat der compenswiss so anzulegen, dass die Sicherheit sowie ein marktkonformer Ertrag gewährleistet ist.230 Der compenswiss ist entgegen der Annahme des Bundesrats nicht als Staatsfonds zu klassifizieren, da ihm direkte Forderung der AHV-Bezüger entgegenstehen.231 5. Nutzung der Negativzinsen Bei der Ausgabe einer Staatsanleihe müsste darauf geachtet werden, dass diese mehrheitlich von inländischen Investoren gekauft werden würden. Würden die Staatsanleihen ausschliesslich von ausländischen Investoren gekauft werden, könnte dies zusätzlich den Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken verstärken und damit die Massnahmen der SNB zur Schwächung des Schweizer Frankens torpedieren.232 IV. Interessenkonflikte bezüglich Staatsfonds Ein Staatsfonds hätte zur Aufgabe, sein Vermögen mit einem maximalen risikogewichteten Ertrag zu bewirtschaften. Er könnte dabei Gefahr laufen, dass er mehr Risiko als ein privater Investor eingeht und gleichzeitig weniger Ertrag erwirtschaftet.233 Dies hängt damit zusammen, dass ein Staatsfonds ein verlängerter Arm des Staates ist und staatliche Interessen nicht zwangsweise mit einer Gewinnmaximierung der Investitionen einhergehen.234 Ähnlich wie der norwegische Staatsfonds müsste auch ein Schweizer Staatsfonds sehr wahrscheinlich ethische und nachhaltige Ziele berücksichtigen.235 V. Bewertung der Finanzierungsmöglichkeiten Der vorliegende Abschnitt geht auf die drei möglichen Finanzierungslösungen für die Gründung eines Staatsfonds ein: Auslagerung der Devisenreserven, Aufnahme einer langfristigen Staatsanleihe und Erhebung einer Finanztransaktionssteuer. 229 230 231 232 233 234 235 Compenswiss, Ausgleichsfonds, S. 2. f. Siehe Art. 108 AHVG. Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 20. Dezember 1946 (AHVG), SR. 831.10. Bericht vom 12. Dezember 2013, S. 20; siehe zur Eigenschaft von Staatsfonds keine direkten Verbindlichkeiten zu haben Kapitel § 5.A.I. Widmer-Schlumpf, Sommersession 2012, S. 4. economiesuisse, Staatsfonds, S. 10. economiesuisse, Staatsfonds, S. 1. Amman, Lösung, S. 1; economiesuisse, Starker Franken, S. 3. 284 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds 1. Vereinbarkeit der Auslagerung von Devisenreserven mit der Geldpolitik der SNB Viel diskutiert wurde die Frage, ob die Auslagerung von Devisenreserven an einen Staatsfonds vom Mandat der SNB gedeckt ist und ob die Auslagerung nicht der Unabhängigkeit der SNB von der Regierung entgegensteht. Insbesondere die SNB wehrte sich mit dem Hauptargument der Veräusserbarkeitspflicht ihrer Aktiven gegen die Gründung eines Staatsfonds: Sie betont, dass ihre Aktiven jederzeit veräussert werden können müssen, wenn es für die Geldpolitik notwendig ist.236 Der vorliegende Abschnitt diskutiert, ob eine Auslagerung mit dem Mandat der SNB zur Verwaltung der Währungsreserven vereinbar ist und welche Auswirkungen eine mögliche Auslagerung auf die Unabhängigkeit der SNB hätte. Hierzu werden zuerst die Grundlagen der Tätigkeit der SNB erläutert und dann auf die Fragestellung der Auslagerungsmöglichkeit eingegangen. a) Grundlagen In einem ersten Schritt wird auf den Auftrag der SNB, ihre Zuständigkeit und ihre Unabhängigkeit eingegangen. In einem zweiten Schritt wird dann die Auslagerungsmöglichkeit im Detail evaluiert. aa) Auftrag der SNB Geregelt wird die Tätigkeit der SNB im Nationalbankgesetz vom 3. Oktober 2003 (NBG). Ihre Aufgabe ist zweigeteilt. Zum einen hat sie die Geldpolitik wahrzunehmen und zum anderen die Währungsreserven der Schweiz zu verwalten. aaa) Geldpolitik Der primäre Auftrag der SNB ist die Geldpolitik, die sie gemäss Art. 99 GV ohne Ertragszwang im Interesse des Landes wahrzunehmen hat.237 In erster Linie stellt die SNB dabei der Wirtschaft Notenbankgeld zur Verfügung. Dies geschieht über den Kauf von Aktiven wie Gold, Devisen und Wertpapieren von Geschäftsbanken, die im Gegenzug Giroguthaben bei der SNB erhalten.238 236 237 238 Bräuer, Schweiz Staatsfonds, S. 1; SDA, Erhebliche Risiken, S. 2 f. Botschaft, 26. Juni 2002, S. 6110; SNB, Verfassung, S.1.; Geschäftsbericht SNB 2015, S. 126; Vallender, St.Galler Kommentar Art. 99, S. 1865. Faber/Dewet, Entwicklung der Aktiven, S. 451. 285 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds bbb) Verwaltung der Währungsreserven Eine weitere Aufgabe der SNB ist die Verwaltung der Währungsreserven.239 Sie hat dafür zu sorgen, dass ausreichend Währungsreserven vorhanden sind.240 Sie kann selbst bestimmen, wie sie die Reserven bewirtschaftet, die sie nicht für die Geldpolitik benötigt.241 Dabei ist sie an Grundsätze gebunden, die ihr verbieten, eine Anlagestrategie zu fahren, die ihrer Geldpolitik zuwiderläuft. Aus diesem Grund hält die SNB die Aktiven in hochliquiden und sicheren Anlageinstrumenten. Dies führt zu einer konservativen Anlagestrategie, die wenig Rendite abwirft.242 Die SNB kann aber auch in andere Anlageklassen wie beispielsweise Aktien investieren, um das langfristige Risiko-Rendite-Verhältnis zu optimieren.243 Bereits heute hält die SNB ausländische Aktien und Unternehmensanleihen.244 Die SNB nutzt ihre Aktiven245 zur Umsetzung der Geld- und Währungspolitik. Die Aktiven tragen zum Vertrauen in den Schweizer Franken und das Schweizer Finanzsystem bei. Einen Teil dieser Aktiven machen die Währungsreserven aus, welche die SNB gemäss Art. 5 Abs. 2 NBG zu verwalten hat.246 Die Anlagepolitik der SNB sei so ausgerichtet, dass ein umfassender Schutz der Währungsreserven möglich ist. Die SNB unterliegt der Pflicht, Rückstellungen in geld- und währungspolitisch gebotener Höhe vorzunehmen und muss einen Teil davon in Gold halten. Für den Erhalt der vorgeschriebenen Rückstellungen und Währungsreserven muss die SNB Ertrag erwirtschaften. Sie hat also Sicherheit und Liquidität zu beachten sowie Erträge zu erzielen. Wie hoch die Währungsreserven sein müssen, bestimmt das Gesetz nicht; dies liegt im Ermessen der SNB.247 Die Funktion der Nationalbankaktiven hat sich seit Gründung der SNB nicht geändert, jedoch hat sich der Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Zusammensetzung und Bewirtschaftung der Aktiven massgeblich angepasst.248 Zu Zeiten fixer Wechselkurse wurden Devisenreserven für die Intervention am Devisenmarkt genutzt, um den Währungskurs zu stützen.249 Noch heute dienen Wäh239 240 241 242 243 244 245 246 247 248 249 Art. 5 Abs. 2 lit. d NBG. SNB, Verfassung, S.1.; Geschäftsbericht SNB 2015, S. 126. Geschäftsbericht SNB 2015, S. 126. Botteron, Schweizer Staatsfonds, S. 19 ff; Chapman, SNB, passim. Richtlinien, 27. Mai 2004, S. 2. Widmer-Schlumpf, Sommersession 2012, S. 4. Die Aktiven der SNB bestehen vorwiegend in Fremdwährungen, Gold und Schweizer Franken. Vgl. SNB, Aktivenstruktur, S. 1. Art. 5 Abs. 2 NBG. Moser/Stucki, Anlagepolitik, S. 473. Faber/Dewet, Entwicklung der Aktiven, S. 459. Faber/Dewet, Entwicklung der Aktiven, S. 459. 286 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds rungsreserven trotz flexibler Wechselkurse dazu, den Wechselkurs bei plötzlichen Kapitalabflüssen zu stabilisieren.250 Die SNB soll die Glaubwürdigkeit in den Schweizer Franken aufrecht erhalten und damit Vertrauen und Stabilität schaffen.251 Nach Abkehr vom fixen Wechselkurs in den frühen 1970er Jahren war es nicht mehr notwendig, grosse Devisenreserven zu halten. Als Teil des Volksvermögens wurde gewünscht, dass diese künftig so verwaltet würden, dass sie auch einen Ertrag erwirtschafteten.252 1976 entschied der Bundesrat, dass die SNB neben der Geldpolitik auch eine Anlagepolitik betreiben dürfe.253 Einen Teil der Devisenreserven in USDollar übertrug die SNB 1978 an einen New Yorker Vermögensverwalter, um die Ertragsspielräume der vorwiegend in US-Dollar gehaltenen Währungsreserven zu optimieren.254 1984 fing die SNB an, ihr Portfoliomanagement auszubauen. Heute verwaltet die SNB den Grossteil ihrer Aktiven selbst. Nur in komplexen Bereichen oder zum Leistungsvergleich der internen mit externen Portfoliomanagern greift sie auf externe Verwalter zurück.255 Bereits 1990 schlug eine interne Arbeitsgruppe eine Optimierung der Aktivenstruktur vor. Die Aktiven sollten in ein auf Sicherheit und Liquidität ausgerichtetes Krisenportfolio und ein ertragsorientiertes Anlageportfolio aufgeteilt werden.256 Das Direktorium sprach sich aber gegen die Änderung aus: Man wollte nicht den Anschein erwecken, dass ein Teil der Aktiven nicht für die Erfüllung des geld- und währungspolitischen Auftrags benötigt werde. Zudem wäre diese Aufteilung nicht mit dem geltenden Recht vereinbar gewesen.257 2001 wurde diese Aufteilung erneut gefordert. Überschüssige Devisenreserven sollten entweder an einen Staatsfonds ausgelagert oder zur Tilgung ausstehender Staatsschulden verwendet werden. Die Doppelrolle der SNB in der Führung der Geld- und Währungspolitik einerseits und der Verwaltung des Staatsvermögens andererseits sollte gemäss Ernst Baltensperger aufgrund potenzieller Interessenkonflikte258 vermieden werden, die durch die unterschiedlichen Ziele eines Staatsfonds und der Zentralbank entstehen können.259 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 Ambrosius/Stiegler, Finanzmärkte, S. 226. Baltensperger, Währungsreserven, S. 310. Faber/Dewet, Entwicklung der Aktiven, S. 459. Moser/Stucki, Anlagepolitik, S. 474. Moser/Stucki, Anlagepolitik, S. 474. Moser/Stucki, Anlagepolitik, S. 483. Moser/Stucki, Anlagepolitik, S. 477. Moser/Stucki, Anlagepolitik, S. 478. Siehe zu den Interessenkonflikten Kapitel § 14.B.III.3. Baltensperger, Währungsreserven, S. 317. 287 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds 2004 trat ein komplett überarbeitetes NBG in Kraft,260 welches der Anlagepolitik mehr Beachtung schenkte.261 Sie wurde zu einer Kernaufgabe der SNB. Bemerkenswert ist, dass die SNB eine der ersten Zentralbanken war, die auch Teile ihrer Devisenreserven in Aktien und Unternehmensanleihen anlegte.262 Die Bewirtschaftung der Devisen erfolgt dabei professionell durch ein hoch spezialisiertes Team. Die SNB verfügt über breite Expertise im Bereich des Asset Management und gilt als eine der diesbezüglich führenden Zentralbanken. Der Aktienanteil der SNB liegt bei bereits 20%. Zudem ist das Portfolio in verschiedene Währungen und Anlagekategorien diversifiziert.263 bb) Zuständigkeit Die Zuständigkeiten wurden in Art. 46 NBG264 festgelegt: Das Direktorium befindet über die Anlage von Aktiven. Es kann über die Zusammensetzung der Währungsreserven und der übrigen Aktiven entscheiden. Der Bankrat hat die Funktion der integralen Aufsicht inne und übernimmt die Überwachung des Anlage- und Risikokontrollprozesses. Ein Risikoausschuss unterstützt den Bankrat bei der Beurteilung und Überwachung der Prozesse und überwacht insbesondere das Risikomanagement.265 Durch die Anpassung des Anlagespielraums im neuen NBG hat die SNB auch ihre Rechenschaftslegung angepasst, indem sie Richtlinien hinsichtlich ihrer Anlagepolitik herausgab. Überdies werden vierteljährlich Informationen über die Zusammensetzung und die Rendite der Anlagen bekannt gegeben.266 cc) Unabhängigkeit der SNB Gemäss Schweizer Verfassung ist die SNB unabhängig. Die Unabhängigkeit wird dabei in eine funktionelle, institutionelle, finanzielle und personelle Unabhängigkeit unterteilt.267 Dessen ungeachtet hat die SNB eine Rechenschaftsund Informationspflicht gegenüber dem Bundesrat, dem Parlament und der Öffentlichkeit.268 260 261 262 263 264 265 266 267 268 Bereits bei der Teilrevision 1997 wurde dem Ertrag als Anlagekriterium mehr Gewicht beigemessen. Moser/Stucki, Anlagepolitik, S. 473. Moser/Stucki, Anlagepolitik, S. 474. Jordan, Erläuterungen, S. 6. Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank (Nationalbankgesetz, NBG) vom 3. Oktober 2003. Moser/Stucki, Anlagepolitik, S. 482. Moser/Stucki, Anlagepolitik, S. 482. Botschaft, 26. Juni 2002, S. 6108; Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 451. Art. 5–7 NBG; siehe auch Vallender, St.Galler Kommentar Art. 99, S. 1865. 288 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds aaa) Funktionelle Unabhängigkeit Gemäss Art. 6 NBG ist es der Nationalbank und ihren Organen nicht erlaubt, Weisungen vom Bundesrat, der Bundesversammlung oder anderen Stellen bezüglich der Geld- und Währungspolitik entgegenzunehmen.269 Es soll der SNB dadurch ermöglicht werden, den Geldwert ungeachtet kurzfristiger politischer Zwänge langfristig stabil halten zu können.270 bbb) Institutionelle Unabhängigkeit Die SNB verfügt über eine eigene Rechtspersönlichkeit und eine eigene Organisation.271 ccc) Finanzielle Unabhängigkeit Die SNB darf keine staatlichen Schulden finanzieren. Insbesondere darf die SNB dem Bund keine Kredite gewähren.272 Es ist gewährleistet, dass sie autonom über ihr Budget entscheiden kann.273 ddd) Personelle Unabhängigkeit Die personelle Unabhängigkeit ergibt sich aus den festen Amtszeiten der Leitungsorgane. Eine Person darf nur unter den strengen Voraussetzungen des Art. 45 NBG abgesetzt werden.274 b) Möglichkeit zur Auslagerung der Devisenreserven Der vorliegende Abschnitt beschäftigt sich mit der Frage, ob die Schweizer Devisenreserven sich dazu eignen, ausgelagert zu werden. aa) Qualifizierung der Schweizer Währungsreserven Laut Thomas Jordan sind die Devisen der Schweizer Nationalbank von denjenigen des Norwegischen Staatsfonds zu unterscheiden. Norwegen habe seinen Staatsfonds aus Steuereinnahmen, Lizenzgebühren und Dividenden im Ölsektor geäufnet. Die Schweiz hingegen hat ihre Devisen über Kapitalmarktinterventionen geschaffen. Es handelt sich dabei nicht um Gewinn, sondern um einen Aktivposten in der Bilanz, welchem ein Passivposten, nämlich die Geldmenge, gegenübersteht. Eine Auslagerung der Devisenreserven ohne Gegenleistung hätte 269 270 271 272 273 274 Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 451. Vallender, St.Galler Kommentar Art. 99, S. 1865. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 451. Art. 11 Abs. 2 NBG; Kuhn, Reform, S. 540. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 451. Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 451. 289 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds zur Folge, dass das Eigenkapital der SNB275 sinken und sogar negativ werden könnte.276 Müsste aus geldpolitischen Gründen die Geldmenge wieder reduziert werden, wären dann allenfalls nicht genügend Devisen vorrätig, um die Franken zurückzukaufen.277 Anders sieht dies Didier Sornette. Ihm zufolge sind die Währungsreserven der Schweiz «richtige Ersparnisse» und mit dem Einkommen aus Erdölverkäufen anderer Länder zu vergleichen. Die Schweiz verfügt über eine selbst erarbeitete Attraktivität und dieser sei es zu verdanken, dass der Schweizer Franken stark aufgewertet worden ist. Die durch die Wechselkurssteuerung angesparten Währungsreserven könnten demnach als erwirtschaftete Währungsreserven betrachtet werden.278 bb) Vereinbarkeit mit dem Auftrag der SNB Die Stützung des Schweizer Frankens liegt im Auftrag der SNB; sie kann mit ihren gesamten geldpolitischen Instrumentarien auf eine unerwünschte Entwicklung des Frankens Einfluss nehmen.279 Die SNB ist frei in der Bewirtschaftung ihrer Aktiven; sie muss einzig Sorge tragen, dass sie ihrer Geldpolitik mit der Bewirtschaftung der Devisen nicht zuwiderläuft. Die Auslagerung der Tätigkeit der Devisenverwaltung an einen Staatsfonds ist durch das Gesetz nicht ausdrücklich verboten. Festzuhalten gilt aber, dass die SNB primär der Preisstabilität verpflichtet ist und das Verfolgen von Gewinnen nicht zu ihren Aufgaben gehört.280 Devisenreserven werden grundsätzlich verwendet, um potenzielle Währungskrisen abzuwenden.281 Die SNB muss gemäss ihrer Richtlinien für die Anlagepolitik Währungsreserven halten, «um jederzeit über geld- und währungspolitischen Handlungsspielraum zu verfügen».282 Überdies dienen Wäh275 276 277 278 279 280 281 282 Aktuell verfügt die SNB über 66 Milliarden Schweizer Franken Eigenkapital. Vgl. Kalt, Staatsfonds, S. 1. Jordan, Erläuterungen, S. 5; siehe auch: Widmer-Schlumpf, Sommersession 2012, S. 4. Sie sieht einen Staatsfonds, der nicht über Rohstoffeinkommen generiert wurde, nicht als «richtigen» Staatsfonds an. Bei anderen Ländern ginge es nicht um Devisen mit einem Ursprung in geldpolitischen Operationen. Bei diesen Staatsfonds gehe es in erster Linie darum, Staatseinnahmen optimal zu verwalten. Jordan, Erläuterungen, S. 6. Sornette, Souveränitätsfonds, S. 2 f. Schweizerische Bankiersvereinigung, Staatsfonds, S. 5. Siehe zu den Aufgaben der SNB: § 14.C.V.1.a). Castelli/Scacciavillani, State Investments, S. 10; siehe auch allgemein: Art. I der Guidelines for Foreign Exchange Reserve Management, IWF, Guidelines, S. 2; siehe auch: Das/Lu/Mulder/Sy, Considerations, S. 6. Richtlinien, 27. Mai 2004, S. 1. 290 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds rungsreserven der Vertrauensbildung; durch Vertrauen in eine Währung kann eine Vertrauenskrise verhindert werden. Dies ist insbesondere für ein kleines und geldpolitisch selbstständiges Land wie die Schweiz von wichtiger Bedeutung.283 Aus diesem Grund verpflichtet die BV die SNB auch, ausreichend Währungsreserven zu bilden.284 aaa) Währungsreserven der Schweiz Grundlage jeder Staatsfondsgründung sollte das Vorhandensein exzessiver Währungsreserven sein, welche das Mass der für die Geldwirtschaft benötigten Reserven bei weitem übersteigen.285 Durch Massnahmen zur Stärkung des Euro hat die SNB grosse Mengen an Währungsreserven angehäuft. Aktuell betragen sie in etwa die Höhe des schweizerischen BIP.286 Die ausländischen Währungen kaufte die SNB dabei mit neu gedrucktem Geld, d.h. die SNB erhöhte die Geldmenge, um Euro zu kaufen.287 bbb) Für die Geldpolitik notwendige Währungsreserven Es gibt keine Richtlinie dafür, wie hoch die Währungsreserven eines Landes sein müssen. Um den notwendigen Reservebestand zu ermitteln, müssen die spezifischen Eigenschaften und Bedingungen eines Landes betrachtet werden. Zur Beurteilung sind neben dem Hintergrund der Reservehaltung vor allem die Grösse eines Landes sowie seine Verflechtung mit dem Ausland entscheidend.288 Es kann nicht abschliessend beurteilt werden, wie hoch der Reservebedarf im Krisen- oder Interventionsfall ist. Auch kann nicht gesagt werden, wie hoch der Devisenbestand aus Sicht von Vertrauensüberlegungen sein soll. Man kann somit sagen, dass es keine objektive Grösse hierfür gibt.289 Bereits im Jahre 1998 wurde von Thomas von Ungern-Sternberg und Marion Jametti gefordert, die zu hohen Währungsreserven in einen Fonds abzuspalten. Ihnen zufolge komme es nicht auf die Höhe der Währungsreserven an, entscheidend sei vielmehr die Kreditwürdigkeit einer Volkswirtschaft. Sei diese gegeben, könne sich die Zentralbank verschulden, um Devisenreserven aufzubauen.290 Gemäss Ernst Baltensperger greift dieses Argument jedoch 283 284 285 286 287 288 289 290 Baltensperger, Währungsreseven, S. 310. Art. 99 Abs. 3 BV; Botschaft, 26. Juni 2002, S. 6110. Vgl. Reisen, Staatsfonds, S. 26. Sornette, Souveränitätsfonds, S. 1. Jordan, Erläuterungen, S. 5; Sornette, Souveränitätsfonds, S. 2. Baltensperger, Währungsreseven, S. 313; Faber/Dewet, Entwicklung der Aktiven, S. 460. Faber/Dewet, Entwicklung der Aktiven, S. 460; siehe auch: IWF, Guidelines, S. 6. von Ungern-Sternberg/Jametti, Reform, S. 16 ff. 291 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds zu kurz. Aktuell verfüge die Schweiz zwar über eine gute Kreditwürdigkeit und sie könne sich unter «normalen» Bedingungen jederzeit über eine Kreditaufnahme Devisen beschaffen. In Krisenzeiten würden die Gelder jedoch nicht mehr so einfach zu beschaffen sein; auch für die Schweiz nicht.291 Ein häufiger Anhaltspunkt für die Höhe der für die Geldwirtschaft benötigten Devisenreserven ist gemäss Ernst Baltensperger die dreifache Höhe der durchschnittlichen Monatsimportkosten – oder mit John C. Anderson die Höhe der Importkosten für rund 90 Tage.292 Für die Schweiz müsste der Faktor noch ein wenig erhöht werden, da die Schweiz sehr international ausgerichtet ist.293 2016 hat die Schweiz für 173 Milliarden Schweizer Franken Waren importiert.294 Die SNB benötigt somit ca. 100–200 Milliarden Devisenreserven für die Geldwirtschaft; die restlichen vorhandenen 300 Milliarden wären demnach nicht direkt für die aktive Geldwirtschaft notwendig.295 So verfügt die Schweiz aktuell über Währungsreserven, die das für die Geldwirtschaft notwendige Mass bei Weitem übersteigen.296 Für den Teil, der die notwendigen Währungsreserven übersteigt, ist es irrelevant, ob er liquide ist oder nicht, weshalb er an einen Staatsfonds ausgelagert werden könnte.297 cc) Vereinbarkeit mit der Unabhängigkeit der SNB Die Auslagerung der Devisenreserven der Nationalbank tangiert ihre Unabhängigkeit.298 Bestimmen Parlament und Bundesrat über die Verwendung der Devisenreserven, hat dies einen Einfluss auf die Anlagestrategie der SNB. Dies kann Folgen für ihre Reputation und Glaubwürdigkeit haben und damit ihre Schlagkraft negativ beeinflussen.299 2. Finanzierung durch eine langfristige Staatsanleihe Die Finanzierung eines Staatsfonds durch Verschuldung liegt nicht im Interesse der schweizerischen Finanz- und Wirtschaftspolitik. In den letzten Jahren 291 292 293 294 295 296 297 298 299 Baltensperger, Währungsreseven, S. 312. Anderson, Demise of American Prosperity, S. 3; Baltensperger, Währungsreseven, S. 313; Castelli/Scacciavillani, State Investments, S. 31. Baltensperger, Währungsreseven, S. 313. EZV, Kennzahlen, S. 1. Mettler, Sachwertstandard, S. 1. Botteron, Schweizer Staatsfonds, S. 19 ff; Chapman, SNB, passim. Mayer, Staatsfonds Deutschland, S. 48; Sauer, Liquiditätssicherung, S. 207. Siehe auch: economiesuisse, Staatsfonds, S 1 sowie Stellungnahme des Bundesrates vom 11. September 2015. economiesuisse, Staatsfonds, S. 6. 292 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds konnte die Schweiz dank der Schuldenbremse300 ihre Staatsverschuldung signifikant senken. Die aktuelle Schuldenquote der Schweiz beträgt 35% des BIP.301 Für die Gründung eines Staatsfonds durch Verschuldung müsste die Schuldenbremse umgangen werden, welches ein Präjudiz für weitere Umgehungen bedeuten könnte.302 Würde Geld am Kapitalmarkt zur Finanzierung eines Staatsfonds aufgenommen werden, könnte die Staatsverschuldung der Schweiz auf 50% des BIP ansteigen. Dies hätte negative Auswirkungen auf die Bonität der Schweiz sowie die Zinslast, die dadurch wieder ansteigen würde.303 Des Weiteren geht der Bund mit der Ausgabe einer Staatsanleihe und dem Anlegen des Geldes am Kapitalmarkt ein Risiko ein, welches am Ende die Steuerzahler tragen müssen.304 3. Finanzierung durch eine Finanztransaktionssteuer Art. 132 Abs. 1 BV sieht vor, dass der Bund auf Urkunden des Handelsgebrauchs eine Stempelsteuer erheben kann.305 Die Schweiz ist jedoch bemüht, diese schrittweise abzuschaffen, da eine solche Finanztransaktionssteuer nur auf globaler Ebene sinnvoll ist. Wird eine solche Steuer in nur einem einzelnen Land eingeführt, kann dies zu Abwanderungen mit beachtlichen Einkommenseinbussen für den Staat führen. Investoren bevorzugen Märkte, welche keine solchen Steuern kennen.306 Überdies sollen in der Schweiz gemäss Finanzleitbild des Bundesrates im Grundsatz 23307 Zweckbindungen von Einnahmen und Fondslösungen für ein bestimmtes Aufgabengebiet grundsätzlich vermieden werden, da die Gefahr besteht, dass Mittel verschwendet werden. Durch die Zweckbindung kann es vorkommen, dass Leistungen erbracht werden, die nicht unbedingt notwendig sind. Auch können Zweckbindungen zur Folge haben, dass die erwünschte Transparenz nicht mehr gewährleistet ist.308 300 301 302 303 304 305 306 307 308 Siehe Art. 126 BV. economiesuisse, Staatsfonds, S. 9. economiesuisse, Staatsfonds, S. 9. economiesuisse, Staatsfonds, S. 9; siehe auch Stellungnahme des Bundesrats vom 8. Mai 2015 zu Postulat 15.3017. Junius, Allheilmittel, S. 1. Siehe Art. 132 Abs. 1 BV. Postulat 11.4013. Bundesrat, Finanzleitbild, S. 24. Bericht vom 12. Dezember 2013, S. 8. 293 Dritter Abschnitt: Regulierung von Staatsfonds D. Bewertung Es gibt drei Möglichkeiten einen Staatsfonds in der Schweiz zu gründen. Erstens die Auslagerung der Devisenreserven an einen Staatsfonds, zweitens die Finanzierung durch eine langfristige Staatsanleihe und drittens durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist aus Gründen der Standortattraktivität der Schweiz abzulehnen. Mit der Aufnahme einer langfristigen Staatsanleihe würde die Schweiz sich verschulden und der Bund ein Risiko eingehen, da er im Falle einer negativen Rendite für den Staatsfonds einstehen müsste. Einzig der Übertrag des für die Geldpolitik nicht notwendigen Anteils an Devisenreserven der SNB erscheint sinnvoll. Die SNB besitzt aktuell Währungsreserven in Höhe von ca. 300 Milliarden Schweizer Franken, die nicht für ihre Geldpolitik benötigt werden. Diese Währungsreserven werden von der SNB zurzeit unabhängig von ihrer Geldpolitik verwaltet, wobei die SNB ähnlich einem Staatsfonds agiert, der überschüssigen Devisen mit mehr Risiko und dem Ziel einer risikoangepassten Rendite am Kapitalmarkt anlegt. Die SNB muss allerdings bei ihrer Tätigkeit die Geld- und Währungspolitik berücksichtigen und kann sich nicht nach rein ökonomischen Überlegungen richten, um die Gelder zu verwalten. Ein Staatsfonds hätte andere Möglichkeiten und könnte die Gelder mit einer besseren Renditemöglichkeit verwalten. Die Art und Weise des Übertrags müsste geklärt werden. Die SNB könnte dem Bund einen Kredit im Umfang der Devisen gewähren. Aktuell sieht das Gesetz diese Möglichkeit jedoch nicht vor, ausserdem würde der Bund sich wie im Falle der Aufnahme einer langfristigen Staatsanleihe dadurch verschulden. Alternativ könnte die SNB Gewinne an den Staatsfonds ausschütten, was jedoch auch einer Gesetzesänderung bedürfte. Aufgrund der Imbalance zwischen den Währungsreserven und dem Eigenkapital der SNB ist eine Ausschüttung von Gewinnen eher nicht zu erwarten. Überdies würden die Gewinne dem Bund und den Kantonen fehlen, die aktuell alleinige Begünstigte von Gewinnausschüttungen durch die SNB sind. Ein Schweizer Staatsfonds sollte einzig auf die diversifizierte Verwaltung der Devisenreserven abzielen und weder die heimische Wirtschaft stützen noch die Absicht verfolgen, den Schweizer Franken abzuwerten. Um die Geldpolitik der SNB nicht zu torpedieren, sollte der Staatsfonds ausschliesslich im Ausland anlegen und dabei keine strategischen Interessen verfolgen, sondern rein ökonomische Überlegungen, die auf eine Ertragssteigerung des Staatsfonds ausgerichtet sind. Überlegungen zur Gesamtwohlfahrtsvermehrung der Schweiz sollten ausgeklammert werden, um sicherzustellen, dass ein Schweizer Staatsfonds dadurch kein politisches Aufsehen im Ausland erregt. 294 § 14 Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds Ein Staatsfonds könnte als selbstständige öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Unternehmung oder auch als unselbstständige Kapitalsammelstelle innerhalb der SNB gegründet werden. Am ehesten zu empfehlen wäre eine unselbstständige Kapitalsammelstelle innerhalb der SNB, die wie in Norwegen durch eine externe Verwaltungseinheit verwaltet werden könnte. Unabhängig von der Gründungsform des Staatsfonds ist es wichtig, dass dessen Struktur so gewählt ist, dass er von der Regierung und SNB unabhängig agieren kann, um eine politische Einflussnahme zu verhindern. Bei der Gründung sollten die Santiago-Prinzipien sowie die Leitsätze zur Corporate Governance der Schweiz beachtet werden. Der Staatsfonds müsste über einen soliden Rechtsrahmen verfügen, d.h. nach nationalem Recht ordentlich aufgesetzt sein. Überdies müsste seine Rechtsstruktur und seine Beziehung zu anderen staatlichen Stellen offengelegt werden. Die Ziele des Staatsfonds müssten klar und öffentlich zugänglich definiert sein, indem im Gründungsstatut sowohl Zielsetzung als auch Aufgaben und Pflichten der Organe sowie ihre Organisation und Verfahren geregelt werden. Weiter muss definiert werden, wie der Staatsfonds finanziert wird und unter welchen Umständen und an wen Gelder ausbezahlt werden können sowie welche statistischen Daten an wen und in welcher Periodizität übermittelt werden. Überdies müssen die Kriterien der Mitarbeiterauswahl, die Publikation eines Jahresberichts und die Revision der Tätigkeit geregelt sein. Des Weiteren braucht der Staatsfonds eine Investitionsstrategie, an welche er sich zu halten hat und die mit der Tätigkeit der SNB in Einklang steht sowie klare Richtlinien zum Investitionsverhalten. Insbesondere die Vergütungspolitik muss so ausgerichtet sein, dass keine Interessenkonflikte entstehen. Darüber hinaus muss der Staatsfonds über eine solide Risikomanagementstrategie verfügen. Eine grosse Schwierigkeit für die Gründung eines Schweizer Staatsfonds ergibt sich daraus, dass weder der Bundesrat noch die SNB die Notwendigkeit für dessen Errichtung sehen. Möchte die Schweiz einen Staatsfonds gründen, so müsste dies über das Parlament oder eine Volksinitiative geschehen. Dies würde die Unabhängigkeit der Nationalbank beeinträchtigen, was ihrem Ansehen und ihrer Glaubwürdigkeit schaden könnte. 295 Vierter Abschnitt: Schluss § 15 Zusammenfassung Das vorliegende Kapitel fasst die Haupterkenntnisse der einzelnen Kapitel der Arbeit zusammen, um die Beantwortung der Forschungsfragen in Kapitel § 16 darauf stützen zu können. A. Einführung Staatsfonds existieren seit mehr als 60 Jahren. Sie sind aber erst kurz vor der Finanzkrise der Jahre 2007/08 in den internationalen Fokus gerückt. Staatsfonds zeigen ähnliche Problematiken wie staatliche Unternehmen, wurden aber in den Diskussionen stark in den Vordergrund gedrängt, da sie relativ schnell anwuchsen und sich innert kürzester Zeit als mächtige institutionelle Investoren etablierten. Ihr Vermögen wurde Anfang 2017 auf insgesamt 7,4 Billionen USDollar geschätzt. Ihre Investitionen in westliche Vorzeigeunternehmen zeigten deutlich eine schon länger andauernde Entwicklung auf, welche im Westen mit Unbehagen zur Kenntnis genommen wird: Die globalen Finanzströme fliessen nicht mehr nur vom Westen in den Osten, sondern auch vermehrt vom Osten in den Westen. Diese Verschiebung wird begleitet von einer Rückkehr zum Staat, indem die Investoren aus dem Osten mehrheitlich von Staaten beherrschte Unternehmen sowie Investitionsfonds sind. Trotz heftiger medialer Reaktion auf diverse Investitionen wurde Staatsfonds attestiert, wichtige Retter westlicher Unternehmen in der Finanzkrise gewesen zu sein. Staatsfonds entstanden in Korrelation zu den Erdölpreisen. In Zeiten hoher Erdölpreise fanden zahlreiche neue Staatsfondsgründungen statt, während deren Zahl mit sinkenden Erdölpreisen stagnierte. Ihr Einfluss nahm ab, da sie zunächst Gelder zur Deckung von Defiziten der Staatskassen aufbringen mussten, anstatt weitere Investitionen tätigen zu können. Staatsfonds werden jedoch nicht nur aus den Ergebnissen aus Erdölverkaufen gespeist, sondern generell aus Devisenreserven. Daher können Staatsfonds auch in Zeiten schwacher Erdölpreise gegründet werden. Verschiedene Staaten überlegen, einen Staatsfonds zu gründen. Unabhängig von der weiteren Entwicklung der Staatsfondslandschaft gibt es weltweit bereits über 80 Staatsfonds, die teilweise über eine beachtliche Grösse verfügen. 297 Vierter Abschnitt: Schluss B. Staatsfonds als Investitionsvehikel Primär unterscheiden drei Eigenschaften Staatsfonds von anderen privaten sowie staatlichen Unternehmen wie Investitionsgesellschaften, Hedgefonds, Mutual-Funds, Private-Equity-Funds, Pensionsfonds, Stabilisierungsfonds sowie Zentralbanken. Dies sind die staatliche Eigentümerschaft, die Art der Tätigkeit als Investitionsunternehmen sowie das Streben nach wirtschaftlichem Erfolg. Der Staat ist Eigentümer und verfügt über eine Kontrollmehrheit. Unter «Staat» können dabei sowohl Zentralregierungen als auch substaatliche Stellen verstanden werden. Die staatliche Eigentümerschaft hat weiter zur Folge, dass Staatsfonds praktisch kein Fremdkapital am Kapitalmarkt aufnehmen. Die Verwaltung der Staatsfondsfondsvermögen wird grundsätzlich getrennt von den offiziellen Währungsreserven und der Zentralbank durchgeführt, um eine möglichst grosse Unabhängigkeit zu wahren. Staatsfonds investieren vorwiegend im Ausland, mit dem Ziel, den Ertrag aus der Verwaltung der Währungsreserven zu maximieren; einen neuen Trend stellen zunehmende Investitionen im Herkunftsland des Staatsfonds zur Stützung der nationalen Wirtschaft dar. Staatsfonds tätigten bislang primär Portfolioinvestitionen, da ihnen in der Vergangenheit oftmals die notwendige Expertise für die Verwaltung von Direktinvestitionen fehlte. Mittlerweile verfügen die meisten Staatsfonds jedoch über eine professionelle Verwaltung und es konnte ein Anstieg an Direktinvestitionen beobachtet werden. Staatsfonds werden in Commodity- und Non-Commodity-Funds unterteilt. Ein Staatsfonds kann als öffentlich-rechtliche Gesellschaft, als privatrechtliche Gesellschaft oder als Vermögenseinheit innerhalb der Zentralbank oder des Finanzministeriums gegründet werden. Die Verwaltung kann dabei intern oder extern geschehen. Sie können direkt investieren oder mittels eines Vermögensverwalters oder Investitionen in Hedgefonds oder Private-Equity-Funds. Staatsfonds werden gegründet, um die Konjunktur im Heimatland zu stabilisieren, volkswirtschaftliche Währungsgleichgewichte zu schaffen, für Generationengerechtigkeit zu sorgen, die Reserveverwaltung zu optimieren und die heimische Wirtschaft zu fördern. Hinzu kommen ethische sowie Nachhaltigkeitsziele. Zusammengefasst sind Staatsfonds im Eigentum von Staaten stehende Investitionsvehikel, die überschüssige Devisenreserven getrennt von den offiziellen Währungsreserven im In- und Ausland investieren. Dabei verfügen sie in der Regel über kein ausserstaatliches Fremdkapital. Sie investieren mit grösserem Risiko als Zentralbanken und verfolgen dabei das Ziel der Gewinnmaximierung. Ihr Vermögen verwalten sie unabhängig von Zentralbanken und Finanzministerien. Ihre Tätigkeit lässt sich als nicht hoheitliche und privatrechtliche 298 § 15 Zusammenfassung Tätigkeit qualifizieren. Grundsätzlich geniessen Staatsfonds daher keine Immunität. C. Bedrohungsszenarien durch Staatsfondsinvestitionen Staatsfonds wecken Befürchtungen, da sie mehrheitlich aus nicht transparenten Staaten kommen und über grosse Vermögen verfügen. Zum einen gibt es Ängste, dass Staatsfonds ihre finanzielle Macht für politisch motivierte Investitionen einsetzen könnten, und zum anderen wird befürchtet, dass Investitionen von Staatsfonds problematisch für die internationale Finanzmarktstabilität sein könnten. Im Westen wird die Umkehr der Finanzflüsse von Entwicklungs- und Schwellenländern in westliche Industriestaaten mit Argwohn beobachtet. Insbesondere das Erstarken des Staates steht konträr zum westlichen Modell der freien Marktwirtschaft. Die vorliegende Arbeit setzt sich mit fünf Szenarien auseinander, in denen Befürchtungen untersucht werden, die mit Investitionen von Staatsfonds in Verbindung gebracht werden. I. Szenario 1 – Überfremdung durch ausländische Investoren Der Umgang mit anderen Kulturen und Wertesystemen weckt oftmals Überforderung und Unsicherheit. Die Schweiz hat bereits in Vergangenheit zahlreiche ausländische Investoren angezogen und damit gute Erfahrungen gemacht, was sich in der Wohlfahrt der Schweiz widerspiegelt. Die Mehrheit der Schweizer an der Börse kotierten Unternehmen ist in ausländischem Besitz. 82,5% des lokalen Aktienmarktes ist in ausländischen Händen. Neu hinzugekommen ist, dass vermehrt Investoren – darunter auch Staatsfonds – aus dem nahen Osten und China in der Schweiz investieren. Ausländische Investitionen bedeuten in erster Linie Vorteile: Es werden Arbeitsplätze erhalten, neue geschaffen und Innovation gefördert. Werden hingegen Arbeitsplätze ins Ausland verlagert, so wandert wichtiges Wissen ab und mit der Schweiz verbundene Marken gehen verloren. Zudem kann die nationale Sicherheit gefährdet werden, wenn die nationale Versorgung der Schweiz nicht mehr unabhängig gewährleistet ist. II. Szenario 2 – Marktverzerrung durch staatliche Eigentümerschaft Mit der staatlichen Eigentümerschaft geht einher, dass ausländischen Staatsfonds grosse Mengen an finanziellen Mittel zur Verfügung stehen und sie über theoretisch endlose Vermögen verfügen können. Sie können insbesondere in Kooperationen unbeschränkt Investitionen tätigen. 299 Vierter Abschnitt: Schluss Die Marktmechanismen funktionieren nur beschränkt, da oftmals eine ausreichende Überwachung fehlt und der Staat als Lender of Last Resort höhere Risiken tragen kann als ein privater Investor. Auch ist die Gefahr gross, dass Gelder veruntreut werden, Misswirtschaft betrieben wird sowie Tatbestände der Korruption und Bestechung erfüllt werden. III. Szenario 3 – Verlust der Finanzmarktstabilität Staatsfonds können grosse Investitionen tätigen. Desinvestiert ein Staatsfonds eine grössere Beteiligung auf einmal, kann dies zum Einbruch von Kursen führen und damit dazu, dass weitere Investoren versuchen, Ihre Beteiligungen abzustossen. Dies kann ein Herdenverhalten mit negativen Auswirkungen auf eine einzelne Unternehmung und einen ganzen Finanzplatz haben. Die Problematik der Desinvestition realisiert sich, wenn Staatsfonds keine Regeln bezüglich des Bezugs von Mitteln haben und der Bezug nicht nur auf die Rendite des Staatsfonds beschränkt ist. Der Übertrag von Mitteln in das Staatsbudget kann einen Staatsfonds zu Veräusserungen zwingen. IV. Szenario 4 – Umverteilung der globalen Ordnung Die Umverteilung der weltweiten Vermögen verunsichert, trägt aber auch zu unserem heutigen Wohlstand bei. Die aufsteigenden Märkte sind Abnehmer von westlichen Exporten und Bürger des globalen Ostens tragen als Touristen ihr Geld in den Westen. Bedenken im Zusammenhang mit den Direktinvestitionen der Staatsfonds weckt primär die staatliche Eigentümerschaft. Diese ist nicht unbedingt notwendig, bietet jedoch Raum für Missbrauch. V. Szenario 5 – Negative Auswirkungen auf die Unternehmensführung Institutionelle Investoren bilden oftmals einen grossen Teil des Aktionariats eines Unternehmens. Aktionäre müssen als Eigentümer die eingesetzte Geschäftsleitung überwachen, um sicherzustellen, dass die Gelder im Sinne der Aktionäre verwaltet werden. Staatsfonds sehen sich mit der Situation konfrontiert, dass von ihnen weder eine aktive noch eine passive Rolle gewünscht wird: Ist ihre Rolle aktiv, wird ihnen vorgeworfen, sie würden politisch motiviert investieren, ist ihre Rolle jedoch passiv, nehmen sie ihre Verantwortung als Aktionäre und Eigentümer des Unternehmens nicht wahr. D. Notwendigkeit einer Regulierung Seit der Industrialisierung wurde der Staat mehr und mehr aus der Privatwirtschaft zurückgedrängt. Gleichzeitig wurden verschiedene Sektoren liberalisiert, 300 § 15 Zusammenfassung darunter insbesondere Netzsektoren mit strategischer Bedeutung für einen Staat. Mit dem Aufkommen von Staatsfonds, welche auch in diese Industrien investieren, ist wieder ein Wunsch nach mehr Kontrolle und Regulierung entstanden. Die Ereignisse rund um die Finanzkrise 2007/08 hat die Anfälligkeit der Finanzmärkte aufgezeigt und Forderungen nach mehr Transparenz und erhöhter Sicherheit angefacht. Die Frage, was Regulierung ist und wann sie gerechtfertigt eingesetzt wird, kann wie folgt beantwortet werden: Regulierung wird als das Aufstellen von Regeln verstanden, die menschliches Verhalten beeinflussen sollen, um ein gewünschtes Verhalten herbeizuführen. Regulierung lässt sich somit als Korrektur unerwünschten Verhaltens verstehen. Sie erfüllt dabei eine dreigeteilte Aufgabe: Erstens korrigiert sie Marktversagen, zweitens steuert sie das Verhalten von Individuen, drittens kann sie eine Ordnungs- und Orientierungsfunktion und viertens eine Legitimierungsfunktion haben. Im Zusammenhang mit dem Thema dieser Arbeit sind zum einen die Staatsfonds und zum anderen die Zielländer der Staatsfondsinvestitionen Adressaten der Regulierung. Die Regulierung bezweckt, einerseits die nationale Sicherheit und Finanzmarktstabilität zu schützen und anderseits die Märkte für Investitionen offen zu halten. Regeln können auf einzelstaatlicher und auf völkerrechtlicher Stufe aufgestellt werden. Zudem wird unterschieden, ob es sich um Selbstregulierung einer Gruppe oder staatliche Regulierung handelt. Weiter können existierende Regeln nach Soft Law und Hard Law unterteilt werden. Abschliessend kann festgehalten werden, dass für die Regulierung durch internationale Organisationen der IWF, die OECD, die BIZ, die Weltbank, die WTO, die UN oder eine neue zu schaffende Organisation in Frage kommen. E. Nationale und internationale Reaktionen sowie Überblick über die aktuell bestehende Gesetzeslandschaft Auf Empfehlung der G7-Staaten wurden Massnahmen sowohl auf Stufe des IWF wie auch der OECD ergriffen, um zum einen für mehr Transparenz von Seiten der Staatsfonds zu sorgen und zum anderen zu verhindern, dass Empfängerstaaten protektionistische Vorkehrungen ergreifen. Es existieren in verschiedenen Staaten bereits auf nationaler Ebene Gesetze, welche auf Investitionen von Staatsfonds Anwendung finden. Gewisse Länder haben bestimmte Sektoren spezialgesetzlich geschützt, sodass ausländische Investoren wie Staatsfonds nur beschränkt in diese investieren dürfen. Weitere Länder kennen – anders als die Schweiz – Anmelde- und Bewilligungsverfahren für ausländische Investitionen. Überdies sieht das Aufsichtsrecht 301 Vierter Abschnitt: Schluss verschiedener Länder vor, dass Investoren, die eine bestimmte Schwelle überoder unterschreiten, eine Meldung machen müssen. Damit wollen sich die Zielstaaten einen Überblick darüber verschaffen, wie sich die Investoren einer Unternehmung zusammensetzen und frühzeitig die Möglichkeit haben, Übernahmeversuche zu erkennen um die Anleger eines Unternehmens zu schützen. Überdies kennt das Wettbewerbsrecht Massnahmen, um gegen Zusammenschlüsse vorzugehen, die zu einer übermässigen Marktmacht führen. Die meisten nationalen Jurisdiktionen verfügen über Regeln für die Verwendung und Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen sowie Insiderwissen. Die vorliegende Dissertation stellt zum einen die Schweizer Gesetzeslandschaft bezüglich Investitionen dar und zum anderen die Bestimmungen des US-amerikanischen, deutschen und japanischen Rechts bezüglich ausländischer Investitionen. F. Möglichkeit der Regulierung eines Staatsfonds Staatsfonds können auf Stufe des Herkunftsstaates reguliert werden, indem er ihnen vorschreibt, keine Investitionsstrategie zu verfolgen, die Bedenken erwecken resp. die internationalen Finanzmärkte gefährden könnte. Überdies können Massnahmen auf nationaler Ebene im Bereich der Zielstaaten von Investitionen ergriffen werden, welche zum einen Investitionen beschränken und zum anderen das Verhalten der Finanzmarktteilnehmer beeinflussen. Des Weiteren sind Massnahmen auf völkerrechtlicher Ebene möglich, die sowohl das Verhalten der Staatsfonds, der Heimatstaaten von Staatsfonds sowie der Zielstaaten von Staatsfondsinvestitionen beeinflussen. I. Auf Stufe des Herkunftsstaates eines Staatsfonds Auf Stufe des Herkunftsstaates eines Staatsfonds finden insbesondere Bestimmungen bezüglich Corporate Governance Anwendung. Diese Arbeit stellt die Bedeutung der Corporate Governance im Allgemeinen dar und geht gesondert auf die Bestimmungen der OECD sowie auf die Santiago-Prinzipien des IWGSWF ein. Anhand der Beispiele GPFG und GIC wird die Umsetzung der SantiagoPrinzipien durch Staatsfonds untersucht. Die Auseinandersetzung mit den aktuell geltenden Bestimmungen, darunter insbesondere den Santiago-Prinzipien, bringt zum Vorschein, dass ein gewisser Schutz besteht, dabei aber durchaus Lücken existieren. Insbesondere die Santiago-Prinzipien stellen einen guten ersten Schritt zur Schaffung von mehr Transparenz dar. Es fehlt ihnen jedoch an Verbindlichkeit, Durchsetzbarkeit und externer Überprüfung ihrer Umsetzung. Um diese Problematik zu lösen, können Staaten sich über bilaterale Verträge zur Einhaltung der Prinzipien verpflichten. Weitere zielführende Mittel stellen 302 § 15 Zusammenfassung die Evaluation der Einhaltung und die Publikation der Evaluationsergebnisse dar; eine konsequentere Überwachung würde Staatsfonds zunehmend motivieren, die Regeln einzuhalten. Werden diese auf zunächst freiwilliger Basis übernommen und allgemein akzeptiert, stünde der Weg für eine international verpflichtende Regelung offen. Mögliches Forum dafür könnten die WTO, die UN resp. eine neu zu gründende Organisation sein. II. Auf Stufe der Zielstaaten von Staatsfondsinvestitionen Auf Stufen der Zielstaaten von Staatsfondsinvestitionen können Regeln zur Beschränkung von Investitionen sowie zum Verhalten von Staatsfonds eingeführt werden. Beschränkt werden können Investitionen, indem ihre maximale Höhe festgelegt oder verbotene Produktkategorien definiert werden, wie beispielsweise durch ein Verbot, in andere Produkte als Indexprodukte zu investieren. Auch können für schützenswerte Tätigkeiten mit nationalem Interesse staatliche Unternehmen gegründet oder dem Staat Sonderrechte in Unternehmen eingeräumt werden. Es können mit dem Zweck, das nationale Interesse zu wahren, Subventionen an Unternehmen erteilt oder Verstaatlichungen vorgenommen werden. Eine weitere Massnahme ist das Aufsetzen eines Staatsfonds zur Investition in solche nationalen Unternehmen. Allen Interventionen der Zielstaaten ist die Beschränkung von Investitionsmöglichkeiten für ausländische Staatsfonds gemein. Das Verhalten von Staatsfonds kann primär über die Möglichkeit von Anmelde- und Genehmigungsverfahren geregelt werden. Staatsfonds müssten Gewähr geben, nicht politisch motiviert zu investieren; bei einem allfälligen Verstoss könnte der Zielstaat die Desinvestition verfügen. Auch könnte ein Zertifikat, welches einem Staatsfonds bestätigt, die Santiago-Prinzipien umgesetzt zu haben, zur Voraussetzung für die Investition in einem Staat gemacht werden. G. Modellvorschlag für einen Schweizer Staatsfonds Die Schweiz hat in den letzten Jahren Währungsreserven angesammelt, die das für die Geldpolitik notwendige Mass bei weitem übersteigen. Diese Währungsreserven sind laut Didier Sornette «richtige Ersparnisse» und mit den Einkünften anderer Länder aus Erdölverkäufen zu vergleichen. Die Schweiz verfüge über eine selbst erarbeitete Attraktivität und dieser sei es zu verdanken, dass sich der Schweizer Franken stark aufgewertet habe; die durch die Wechselkurssteuerung angesparten Währungsreserven könnten daher als erwirtschaftete Währungsreserven betrachtet werden. In Politik und Wirtschaft wird gefordert, die überschüssigen Reserven in einen Staatsfonds auszulagern, um sie analog zu den Vorbildern in Singapur, 303 Vierter Abschnitt: Schluss China und Norwegen renditeoptimiert zur Verfolgung verschiedener Zielsetzungen zu verwalten. Vorteil eines Staatsfonds wäre, dass die SNB die Hoheit über die Geld- und Währungspolitik behalten könnte, während die Verwaltung der Devisenreserven durch den Staatsfonds wahrgenommen wird. Dies würde ermöglichen, dass die Devisen risikoreicher, ertragsoptimiert und langfristiger angelegt werden können. Der Staatsfonds müsste sich nicht wie die SNB an die Prämisse der kurzfristigen Liquidität halten. Die SNB erkennt an, dass sie über mehr Währungsreserven verfügt, als sie direkt für die Geldpolitik benötigt, und bewirtschaftet diese auch bereits mit mehr Risiko. In diesem Sinne verfügt die SNB bereits über einen staatsfondsähnlichen Mechanismus. Da diese überschüssigen Devisenreserven nicht ausgelagert sind, zählen sie aber weiterhin zu den Reserven. Die Verwaltung der überschüssigen Reserven erfolgt nicht unabhängig von der SNB. Für die Qualifikation als Staatsfonds wäre zwingend erforderlich, dass die Währungsreserven unabhängig von der SNB verwaltet werden. Seit der Revision des NBG im Jahre 2004 hat die SNB ihre Währungsreserven aufgeteilt; in einen Teil, den sie für die Geldpolitik liquide anlegt, und einen Teil, den sie von Portfoliomanagern bewirtschaften lässt. Ziel des letzteren Teils ist die Erwirtschaftung höherer Erträge. Die Schweiz hat somit bereits die Grundlagen für einen Staatsfonds geschaffen. Entgegen dem allgemeinen Verständnis bezüglich der Funktionsweise von Staatsfonds werden die überschüssigen Reserven aber nicht von einem externen, von der SNB unabhängigen Verwalter bewirtschaftet, sondern durch ein internes Team. Durch eine Ausgliederung dieser Währungsreserven in einen Staatsfonds würde in die Unabhängigkeit der SNB eingegriffen, deren Aufgabe die Verwaltung der Währungsreserven ist. Trotz eines solchen Eingriffs in die Unabhängigkeit der SNB wäre die Auslagerung der Devisenreserven zu begrüssen. Die Doppelrolle der SNB als Hüterin der Geldpolitik und Verwalterin der Währungsreserven birgt Risiken. Für die Auslagerung der Devisenreserven an einen Staatsfonds gäbe es drei Möglichkeiten: Erstens können die Devisen mittels eines Darlehens der SNB an den Bund ausgegliedert werden. Zweitens könnte der Bund Aktien am Staatsfonds erwerben. Drittens könnte die SNB Devisenreserven an den Staatsfonds ausschütten. Interessant und politisch am ehesten vertretbar wäre die Auslagerung der Verwaltung überschüssiger Devisen an einen von der SNB unabhängigen Verwalter. Die Schweiz bräuchte in diesem Fall keinen Staatsfonds zu gründen, hätte aber gleichwohl den gewünschten Effekt einer Verwaltung mit mehr Rendite. Als Beispiel könnte dabei der norwegische Staatsfonds GPFG dienen. 304 § 15 Zusammenfassung Eine alternative Gründungsmöglichkeit für einen Staatsfonds wäre die Einführung einer Transaktionssteuer. Dieser Vorschlag würde jedoch zu einer unnötigen Benachteiligung des Schweizer Finanzplatzes im internationalen Wettbewerb führen. Auch die Aufnahme des Geldes für einen Staatsfonds am Kapitalmarkt wirft Fragen auf. Eine solche würde zu einer erhöhten Verschuldung der Schweiz führen, was dem Gesetz zur Schuldenbremse entgegen wirken und die Staatsverschuldung der Schweiz ansteigen lassen würde. Unabhängig von der Finanzierung müsste ein Rechtsrahmen vorhanden sein, der die renditeoptimierte Verwaltung der Staatsfondsvermögen zuliesse. 305 Vierter Abschnitt: Schluss § 16 Beantwortung der Forschungsfragen Die erste Forschungsfrage lautet: Welche Anforderungen sind an Zweck und Organisation von Staatsfonds zu stellen, damit diese als «normale institutionelle Investoren» betrachtet werden können? Die zweite Forschungsfrage lautet: Trägt das nationale Schweizer Recht den geäusserten Befürchtungen gegenüber Staatsfondsinvestitionen genügend Rechnung? Die dritte Forschungsfrage lautet: Wie kann sichergestellt werden, dass Staatsfonds die Anforderungen der ersten Frage einhalten? Zur ersten Forschungsfrage: Staatsfonds können verschiedene Ziele verfolgen. Diese sind: Konjunkturstabilisierung, Wahrung des volkswirtschaftlichen Währungsgleichgewichts, Gewährleistung von Generationengerechtigkeit, Optimierung der Reservenverwaltung sowie Entwicklung der heimischen Wirtschaft. Dennoch sollen sie – und das ist ein besonderer Balanceakt – verantwortungsvoll mit ihren Beteiligungen umgehen und aktiv an Generalversammlungen teilnehmen (ggf. durch unabhängige Stimmrechtsvertreter). Um keine Bedenken auszulösen, müssen Staatsfonds rein wirtschaftlich und nicht politisch motiviert investieren sowie ihre Zielsetzung und Rechtsgrundlagen öffentlich machen. Hinsichtlich Organisation ist es wichtig, dass Staatsfonds über eine passende Rechtsform und einen institutionellen Rahmen verfügen sowie international anerkannte Corporate-Governance-Kriterien einhalten, die eine klare Trennung vom Staat möglich machen. Staatsfonds benötigen einen Anlage- und Risikomanagementrahmen, sie dürfen keine Informationen verwenden, die sie als private institutionelle Investoren nicht erhalten hätten, sie dürfen sich nicht auf Immunität berufen und müssen Marktmanipulationen aufgrund ihrer Grösse unterlassen. Zur zweiten Forschungsfrage: Die aktuelle Gesetzeslandschaft der Schweiz genügt, um für die Schweiz strategisch wichtige Unternehmen vor unerwünschten ausländischen Staatsfondsinvestitionen zu schützen. Strategisch wichtige Unternehmen in der Schweiz sind entweder in staatlichem Eigentum oder der Staat hält eine kontrollierende Beteiligung. Zur dritten Forschungsfrage: Staatsfonds haben sich bereits über Selbstverpflichtungsvereinbarungen zur Einhaltung der Grundsätze bekannt. Die Santiago-Prinzipien, die durch die IWGSWF herausgegeben wurden, verfügen jedoch über keine Instrumente zu ihrer Durchsetzung. Staatsfonds sind angehalten, ihre Einhaltung der Prinzipien selbst zu evaluieren. Diese Evaluation sollte der Glaubwürdigkeit halber jedoch besser durch eine unabhängige Behörde geprüft und attestiert werden. Im Fall der Nichtumsetzung haben Zielstaaten von Investitionen keine Möglichkeit, gegen den Staatsfonds vorzugehen. 306 § 16 Beantwortung der Forschungsfragen Die Bedenken, welche von Staatsfonds ausgelöst werden, können mittels verschiedener Massnahmen entkräftet werden. Diese Vorkehrungen reichen von Zertifikaten für die Einhaltung der Santiago-Prinzipien bis hin zu einer rechtlich verbindlichen Vereinbarung zwischen Staatsfonds, ihren Herkunftsstaaten und den Zielstaaten ihrer Investitionen. Solche Massnahmen müssten durch eine internationale Organisation, die weltweit eine grosse Anerkennung geniesst, erarbeitet und überwacht werden. Zu denken ist dabei an die UN, die WTO oder eine neu zu schaffende Organisation. 307 Lebenslauf 1998–2004 Wirtschaftsgymnasium an der Kantonsschule Chur 2004 Matura 2004–2010 Studium der Rechtswissenschaften mit Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen HSG 2010 M.A. HSG in Law and Economics 2010–2011 Wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof. Dr. Dr. h.c. Carl Baudenbacher am Institut für Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht sowie Akademische Koordinatorin des Executive M.B.L.-HSG 2010–2017 Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften an der Universität St. Gallen seit 2011 stellvertretende Direktorin des Executive M.B.L.-HSG 2013–2014 Vizedirektorin Institut für Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht seit 2014 stellvertretende Direktorin des Competence Center for European and International Law 2017 Dr. iur. HSG