Bipolare Störungen - Prof. Dr. med. Matthias

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Bipolare Störungen
Prof. Dr. med. Matthias Dose
Kbo-Berater für Huntington-Krankheit
und Autismus-Spektrum-Störungen
[email protected]
Bipolare affektive Störung
ICD-10
• Wiederholte (wenigstens 2) Episoden in
denen Stimmung und Aktivitätsniveau
deutlich gestört sind
• Manie oder Hypomanie
• Depression
• In der Regel vollständige Besserung
zwischen den Episoden
• Inzidenz Männer:Frauen = 1:1
Verschiedene Verläufe –
Bipolar I- oder II-Störung
„Die Manie ist das Feuer der bipolaren Erkrankung, die
Depression ist die Asche.“
(A. Koukopoulos)
Epidemiologie
• Unipolare Depression (im Vergleich)
Prävalenz 2-20%, M:F=1:2, medianer
Krankheitsbeginn 30. LJ
• Bipolar-affektive Erkrankung
Prävalenz 0,5-1,5%, M:F=1:1, medianer
Krankheitsbeginn 20. – 30. LJ (cave: aufgrund
vieler „falsch unipolar“ diagnostizierter
Depressionen = sog. „hidden bipolars“ ist hier
eine deutlich höhere tatsächliche Prävalenz
anzunehmen!)
Bipolare Störung – Folgen
• 12-Monats-Prävalenz um 1%; chronische Erkrankung mit akuten
Exazerbationen
• Geschätzte Patientenzahl in 1a in der EU: 2,4 Millionen (1,7 – 2,4)
• UK : Direkte Kosten, 200 Mio. £ p.a.;
Rate Arbeitslosigkeit: 40 – 50% (indirekte Kosten: 1,8 Mrd. £); insgesamt Kosten > 2 Mrd. £ = 7.000 £
p. Patient p.a. (davon Medikation 5%!)
• > 75% der Patienten haben comorbide
psychische Erkrankungen; 40% SV
• BRD: 70% der Patienten nicht Vollzeitberufstätig, 70% erhalten EU-Rente (im
Mittel mit 46 Jahren); Kosten im Jahr
2006: 6,5 Mrd. € p.a.
UM P
Discover ing minds
Entwicklung der Entlassungsdiagnosen an 6 psychiatrischen Behandlungszentren in den USA
(nach Stoll et al, 1993)
Wie ist das zu erklären?
• „Breiter“ gefasstes Konzept der
„Depression“
Affektive Störungen – historisch
(von Zerssen D in: : Affektive Störungen, 1988)
• „affective disorders“
– Kennzeichnung manischer und depressiver
Krankheitsbilder unter Einschluss neurotisch-reaktiver
Depressionsformen durch Winokur et al.
• Da der Begriff der affektiven Störung in der UKund US-Literatur unterschiedlich weit gefasst ist,
sollte man bei seiner Verwendung in der
deutschsprachigen Literatur immer explizit
machen, auf welche Version des Begriffs man
sich bezieht
Affektive Störungen – historisch
(Mombour WD in: : Affektive Störungen, 1988)
• DSM bietet eine Klassifikation affektiver
Störungen an, die vorwiegend syndrom- und
verlaufsorientiert ist
• „major depression“ ist sehr weit gefasst
• Schizoaffektive, neurasthenische und nicht
typisch depressive Syndrome sind
eingeschlossen
• Das Problem der Validität diagnostischer
Begriffe ist durch empirische Orientierung und
Operationalisierung nicht gelöst
Wie ist das zu erklären?
1
• Umkehr der Jasper‘schen „Schichtenregel“ in
ICD-10:
– Die Diagnose Schizophrenie soll bei ausgeprägten
depressiven oder manischen Symptomen nicht
gestellt werden, es sei denn, schizophrene
Symptome wären der affektiven Störung
vorausgegangen.
– Wenn schizophrene und affektive Symptome sich
gleichzeitig entwickeln, und in gleicher Intensität
auftreten, ist eine schizoaffektive Psychose (F 25) zu
diagnostizieren, selbst dann, wenn die schizophrenen
Symptome für sich die Diagnose einer Schizophrenie
rechtfertigen würden
ICD-10 und DSM IV – Umkehr der
„Schichtenregel“ nach K. Jasper?
• Stimmungsinkongruente psychotische
Merkmale sind mit einer affektiven Störung
vereinbar
– Verfolgungswahn
– Gedankeneingebung
– Gedankenausbreitung
– Kontrollwahn
ICD-10 und DSM IV – Umkehr der
„Schichtenregel“ nach K. Jasper?
• Schizophrenie
– Eine affektive Störung mit psychotischen
Merkmalen wurde ausgeschlossen
– Affektstörungen („1.Rang Symptom“ bei
Bleuler) zählen in ICD-10 und DSM-IV als
„flacher Affekt“ zu „negativen Symptomen“
– haben für die Diagnose „Schizophrenie“ keine
eigenständige Bedeutung mehr
Wie ist das zu erklären?
2
• synthyme und parathyme psychotische
Symptome im Rahmen „affektiver“
Störungen“
• ICD-10 (Differentialdiagnose Manie mit
psychotischen Symptomen):
– Eines der schwierigsten Probleme ist die
Abgrenzung dieser Störung von der
Schizophrenie…..
Wie ist das zu erklären?
3
• synthyme und parathyme psychotische
Symptome im Rahmen „affektiver“ Störungen“
• ICD-10 (schwere depressive Episode mit
psychotischen Symptomen:
– …in der Wahnideen, Halluzinationen oder ein
depressiver Stupor auftreten
– Wenn erforderlich, können Wahngedanken oder
Halluzinationen als synthym oder parathym näher
bezeichnet werden
Wie ist das zu erklären?
4
Wie ist das zu erklären?
5
• Die Ausweitung der diagnostischen
Kategorien und das Verdikt der
Behandlung der „bipolaren Depression“
mit herkömmlichen (tri- und
tetrazyklischen) Antidepressiva wegen des
„switch“-Risiko (Umschlag in manische
Symptomatik) kommt den
Vermarktungsinteressen „atypischer
Neuroleptika“ entgegen
Unterschiedliche Wirkung von Antidepressiva bei
unipolarer vs bipolar I Depression?
(Moeller et al., J Aff Dis 67 , 2001)
• Retrospektive Analyse von 2032 stationären Patienten
mit unipolarer (n=1755) oder bipolar I (n=277)
Depression (1980-1992)
• beide Gruppen (überwiegend mit TCA behandelt)
unterschieden sich weder bzgl. des Aufnahme- noch des
Entlassungszustandes
• ein Unterschied der Wirkung von Antidepressiva wurde
nicht gefunden
• „switching“ konnte nicht als Faktor identifiziert werden,
der outcome oder Hospitalisierungsdauer beeinflußte
Das Problem der „Mischzustände“
„mixed states“
Bipolare affektive Störung, gegenwärtig
gemischte Episode (F31.6)
• Zwar besteht die typische Form der bipolaren
Erkrankung in einem Alternieren von manischen
und depressiven Episoden, unterbrochen von
Perioden normaler Stimmungslage. Manische
und depressive Symptome können aber auch
gleichzeitig vorhanden sein
• Depressive, hypomanische oder manische
Syndrome können auch rasch von Tag zu Tag
oder von Stunde zu Stunde wechseln
Mischzustände
• Kraepelin: “depressive Manie”
• Kriterien sowohl einer Depression als auch
einer Manie sind erfüllt
• 30 bis 40 % der bipolaren Patienten
• Episodendauer länger als bei klassischer
Manie
depressive Episode
manische Episode
• Therapeutische und diagnostische
gesteigerter Antrieb
Herausforderung!
Suizidgedanken
Gereiztheit
Hoffnungslosigkeit
Ideenflucht
gedrückte Stimmung
gemischte Episode
Bipolare Störung – „mixed states“
• Weygandt C: Über die Mischzustände des
manisch-depressiven Irreseins, 1899
• Kraepelin E: Psychiatrie – ein Lehrbuch für
Studierende und Ärzte, 1899
• Akiskal H: depressive Mischzustände, 2003
– Isolierte hypomanische/manische Zeichen und
Symptome während einer depressiven Phase
– Vs. Gleichzeitig bestehende manische und
depressive Symptome bei „Mischzuständen“ nach
ICD-10 und DSM IV
Mischzustände bei Kraepelin
(Emil Kraepelin: Psychiatrie-Ein Lehrbuch für Studirende und Aerzte, 1899)
• Vorübergehende Erscheinungen
– Einzelne Zeichen heiterer Stimmung oder
erleichterter Auslösung von Willensantrieben
bei Depressiven
• Wir sehen die tiefbekümmerten Kranken bei der
Aeusserung einer unsinnigen Wahnvorstellung
plötzlich lächeln
• Sie machen trotz ihrer Verzweiflung vielleicht eine
treffende, witzige Bemerkung über einen Vorfall in
der Umgebung
Mischzustände bei Kraepelin
(Emil Kraepelin: Psychiatrie-Ein Lehrbuch für Studirende und Aerzte, 1899)
• Vorübergehende Erscheinungen
– Umgekehrt werden manisch Kranke zeitweise
missmutig, unzufrieden, aeussern
Verfolgungsideen und ängstliche
Befürchtungen
– Sie werden vergiftet, unterdrückt, von der
Frau betrogen
Mischzustände bei Kraepelin
(Emil Kraepelin: Psychiatrie-Ein Lehrbuch für Studirende und Aerzte, 1899)
• Abgesehen von solchen mehr
vorübergehenden Erscheinungen gibt es
mitunter sehr lange dauernde Anfälle, die
wir als Zwischenformen zwischen den
bisher besprochenen Zuständen auffassen
dürfen
• Manische Zustände mit Hemmung
• Depressionszustände mit Erregung
Mischzustände bei Kraepelin
(Emil Kraepelin: Psychiatrie-Ein Lehrbuch für Studirende und Aerzte, 1899)
• Manische Zustände mit Hemmung
– Trotz manischer Störung gedankenarm und
unbesinnlich
– Der Zustand ist grossen Schwankungen
unterworfen
– Stimmung ist heiter, vergnügt, ausgelassen
– Reden zusammenhanglos, faselig, einförmig
– Gesteigerte Erregbarkeit
Mischzustände bei Kraepelin
(Emil Kraepelin: Psychiatrie-Ein Lehrbuch für Studirende und Aerzte, 1899)
• Manischer Stupor
– Mischung von stuporöser Hemmung mit
manischer Erregung
– einzelne Wahnvorstellungen
unterschiedlichen Inhalts
– Schiebt sich vorübergehend in manischen
Anfall ein
– Noch häufiger bildet er den Übergang
zwischen einem depressiven Stupor und der
sich anschliessenden Manie
Mischzustände bei Kraepelin
(Emil Kraepelin: Psychiatrie-Ein Lehrbuch für Studirende und Aerzte, 1899)
• Nörgelnde Formen der Manie
– Gehobenes Selbstwertgefühl
– Keine heitere Stimmung
– Vielmehr unzufrieden, unleidlich, leicht
ängstlich, verletzen und kränken andere
– Die manische Grundlage deutet sich in
leichter Ideenflucht, grosser Unstetigkeit und
Rastlosigkeit an
Mischzustände bei Kraepelin
(Emil Kraepelin: Psychiatrie-Ein Lehrbuch für Studirende und Aerzte, 1899)
• Derartige Zustände werden ungemein
häufig in der Übergangszeit zwischen
manischer Erregung und Depression
beobachtet
Mischzustände bei Kraepelin
(Emil Kraepelin: Psychiatrie-Ein Lehrbuch für Studirende und Aerzte, 1899)
• Depressionszustände mit Erregung
– In einer kleinen Zahl von Fällen habe ich
neben schweren depressiven
Wahnvorstellungen und verzweifelter
Stimmung geradezu ausgeprägte Ideenflucht
beobachtet
– Manche traurig verstimmte Kranke sind
ungemein redselig und überschütten ihre
Umgebung mit zusammenhanglosen Klagen
über ihr schreckliches Unglück
Mischzustände bei Kraepelin
(Emil Kraepelin: Psychiatrie-Ein Lehrbuch für Studirende und Aerzte, 1899)
• Depressionszustände mit Erregung
– Da wir auch diese Erscheinung vielfach in der
Übergangszeit zur manischen Erregung
beobachten, bin ich geneigt, darin das
Umschlagen der psychomotorischen
Hemmung in erleichterte Auslösung von
Bewegungsantrieben zu sehen
Therapie der bipolaren affektiven
Störungen
DGPPN-S3- Leitlinie 2012
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Asenapin
Clozapin
Olanzapin
Paliperidon
Quetiapin
Risperidon
Ziprasidon
Haloperidol
0
keine Studien
B
0
B
B
B
B
Danke für‘s Zuhören – ich freue
mich auf Ihre Fragen
Prof. Dr. med. Matthias Dose
Kbo-Berater für AutismusSpektrum Störungen und
Huntington-Krankheit
E-mail: [email protected]
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