Die MENDELschen Regeln

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Klassische Genetik
Pollen
F1
P
P
21.1 Die
Ergebnisse der
Mendelschen
Experimente
1 Die Mendelschen Regeln
P O RT R ÄT
Seitdem die Menschen sich mit der Züchtung
von Tieren und Pflanzen beschäftigten, musste ihnen klar gewesen sein, dass bestimmte
Merkmale von Generation zu Generation vererbt werden. Ab dem 18. Jahrhundert sind Experimente zum Beispiel von KÖLREUTER und
GÄRTNER belegt, die das Wie und Warum der
Vererbung aufhellen sollten. Trotz vieler tausend Versuche war den Forschern kein Erfolg
vergönnt. Diesen sollte erst der Mönch Johann
Gregor MENDEL haben.
Er vermied drei entscheidende Fehler seiner
Vorgänger: Erstens kreuzte er nur verschiedene Rassen einer Art miteinander und überschritt bei seinen Experimenten die Artgrenze
nicht, zweitens beschränkte er sich bei den
Erbgängen auf wenige zu beobachtende
Merkmale und drittens arbeitete er mit jeweils
reinerbigen Elternpflanzen. Diese geben ein
bestimmtes Merkmal, wie die Samenfarbe, immer nur in einer Ausprägung, zum Beispiel
gelb, weiter. MENDEL überprüfte verschiedene
Erbsenrassen über zwei Jahre auf die erforderliche Reinerbigkeit, indem er sie im Gewächshaus sechs Generationen lang züchtete.
In einem Experiment beschäftigte MENDEL
sich mit der Farbe der Erbsensamen. Für die
Johann Gregor Mendel
(1822–1884)
20
Klassische Genetik
Johann MENDEL wurde im
mährischen Heinzendorf
(in Tschechien) geboren.
Aus wirtschaftlicher Not
trat er 1843 dem Augustinerstift in Brünn bei. Er
erhielt den zusätzlichen
Namen Gregor. Da er für
die Seelsorge ungeeignet
war, durfte er sich Lehre
und Forschung widmen.
Bei Kreuzungsexperimenten mit Saaterbsen entdeckte er Regelmäßigkeiten bei der Vererbung, die
1866 veröffentlicht wurden.
Erbanlage oder das Gen dieses Merkmals gibt
es zwei verschiedene Zustandsformen, die
heute Allele genannt werden und die gelbe
oder grüne Samenfarbe festlegen.
MENDEL entfernte in einem Experiment zuerst
die Staubgefäße der Blüten gelbsamiger Pflanzen. Dann bestäubte er mit einem Pinsel die
Narben dieser Blüten mit Pollen einer grünsamigen Erbse. Anschließend schützte er die
Blüten durch kleine Stoffsäckchen vor Fremdbestäubung.
Die Ausgangspflanzen einer solchen Kreuzung nennt man Eltern- oder Parentalgeneration, abgekürzt „P“. Aus diesem Ansatz
erhielt MENDEL nur gelbsamige Pflanzen, die
1. Tochter- oder Filialgeneration, abgekürzt
„F1“. MENDEL wollte nun wissen, ob die Erbinformation für die grüne Samenschale ganz
verschwunden war und überließ deshalb die
F1 sich selbst. Erbsen sind Selbstbestäuber. In
der sich nun entwickelnden 2. Filialgeneration (F2) erhielt MENDEL wieder gelbe und
grüne Erbsensamen. Er schloss daraus, dass
das Allel für die grüne Samenfarbe in der F1
auch noch vorhanden war, aber von dem Allel
für gelbe Erbsen in der Ausprägung überlagert
wurde. Er nannte das Allel für gelbe Erbsen
deshalb dominant (lat. dominare, beherrschen) über das für grüne und kürzte es mit
einem großen „G“ ab. Das Allel für grüne Erbsen nannte er entsprechend rezessiv (lat. recedere, sich zurückziehen) gegenüber dem Allel
für gelbe und kürzte es mit einem kleinen „g“
ab. In den Zygoten, aus denen die F1 entstanden ist, mussten jeweils zwei verschiedene Allele zu dem Merkmal Samenfarbe vorliegen.
Dieser Zustand wird heterozygot (gr. heteros,
verschieden) genannt. Analog benutzt man
für reinerbige Lebewesen den Begriff homozygot (gr. homos, gleich).
Aus dem obigen Versuchsergebnis schloss
MENDEL weiterhin, dass der Erscheinungstyp
eines Lebewesens, der Phänotyp, nicht der
Summe der enthaltenen Gene, dem Vererbungs- oder Genotyp, entsprechen muss.
MENDELs Genialität lag nun darin, dass er die
alle
F1
Selbstbestäubung
F2
F1
F
6022
2001
1
F2
Pollen
Selbstbestäubung
F1
P
P
F2
F
315
101
32
108
1
F2
erhaltenen Samen der F2 zahlenmäßig auswertete: Es entstanden 6022 gelbe sowie 2001
grüne Erbsensamen, was etwa einem ganzzahligen Verhältnis von 3 : 1 entspricht. Erbgänge, bei denen man jeweils ein Merkmal
betrachtet, werden monohybrid (gr. monos,
einzig; hybrida, Mischling) genannt. MENDEL
kreuzte in einem dihybriden (gr. di- = zwei)
Erbgang auch Erbsenrassen, die sich in
zwei Merkmalen unterschieden, zum Beispiel
Pflanzen mit gelb-runden Samen mit Pflanzen
mit grün-runzeligen Samen. In der 1. Filialgeneration beobachtete er nur gelbrunde
Samen. In der 2. Filialgeneration gab es die
neuen Merkmalskombinationen grün-runde
sowie gelb-runzelige Samen. Wieder zählte
MENDEL die Samen aus und kam auf 315 mit
dem Phänotyp gelb-rund und 108 mit grün-
rund. Außerdem erhielt er 101 Samen des Phänotyps gelb-runzelig und 32 grün-runzelige
Erbsen.
MENDEL war von der Gültigkeit seiner Ergebnisse überzeugt und verschickte zusätzlich zu
der Veröffentlichung Sonderdrucke seiner Arbeit. Zu seiner großen Enttäuschung blieben
die Versuche unbeachtet. So wandte er sich
nach seiner Wahl zum Abt des Klosters im
Jahre 1868 anderen Aufgaben zu.
Erst um 1900 wurden MENDELs Versuche wieder aufgegriffen. TSCHERMAK, CORRENS und
DE VRIES veröffentlichten Arbeiten mit eigenen Kreuzungsergebnissen und bezogen sich
auf die Schlussfolgerungen des Mönchs aus
Brünn. CORRENS war es auch, der die Ergebnisse des Mönchs in prägnante Sätze fasste
und sie „MENDELsche Regeln“ nannte.
Klassische Genetik
21
GG
gg
G G
g g
Parentalgeneration P
Gameten
Gg
1. Filialgeneration F1
Uniformität
Gg
Gg
Gg
G g
G g
G
g
G
GG
Gg
g
Gg
gg
Gameten
2. Filialgeneration F2
Spaltung
Aus solch einem Kreuzungsansatz leitet sich
die 2. MENDELsche Regel ab, die auch Spaltungsregel heißt: Kreuzt man die Individuen
der F1 untereinander, so ist die F2 nicht uniform, sondern die Merkmale spalten in bestimmten Zahlenverhältnissen auf, und zwar
beim dominant-rezessiven Erbgang im Phänotyp im Verhältnis 3 : 1 und im Genotyp im Verhältnis 1 : 2 : 1.
22.1 Kombinationsquadrat eines monohybriden Erbganges
GGRR
ggrr
GR GR
gr gr
Gg Rr Gg Rr
Gg Rr Gg Rr
GR Gr gR gr
GR Gr gR gr
P
Gameten
Die 1. MENDELsche Regel wird auch Uniformitäts- (lat. uniformis, eine Gestalt) und Reziprozitätsregel (lat. reciprocus, auf derselben
Bahn zurückkehrend) genannt. Sie lautet:
Kreuzt man zwei Individuen einer Art, die sich
in einem Merkmal unterscheiden, für das sie
reinerbig sind, so sind ihre Nachkommen in
der F1 in bezug auf dieses Merkmal untereinander uniform. Dabei ist es gleichgültig, welche der beiden Rassen Mutter oder Vater stellt.
F1
Uniformität
Gameten
GR
Gr
gR
gr
GR
GGRR
GGRr
GgRR
GgRr
Gr
GGRr
GGrr
GgRr
Ggrr
gR
GgRR
GgRr
ggRR
ggRr
gr
GgRr
Ggrr
ggRr
ggrr
F2
Spaltung und
Neukombination
9
:
3
:
3
:
1
22.2 Kombinationsquadrat eines dihybriden Erbganges
P-Generation
F1-Generation
RR
rot
WW
weiß
RW
rosa
R-Allel
R-Allel
R-Allel
viel Enzym
pro Zeiteinheit
W-Allel
W-Allel
weniger Enzym
pro Zeiteinheit
rot
viel Farbstoff
rosa
weniger Farbstoff
weiß
kein Farbstoff
kein Enzym
22.3 Erbgang mit unvollständiger Dominanz der Allele für rote
und weiße Blütenfarbe
W-Allel
22
Klassische Genetik
Bei einem dihybriden Erbgang kommt die
3. MENDELsche Regel zum Tragen, die Rekombinantenregel (lat. recombinare, wieder
verknüpfen). Kreuzt man Individuen derselben Art, die sich in mehreren Merkmalen
unterscheiden, für die sie reinerbig sind, so
sind ihre Nachkommen in der F1 in bezug auf
dieses Merkmal untereinander uniform. In der
F2 treten neben den Merkmalskombinationen
der Eltern auch neue Zusammenstellungen
auf. Bei einem dihybriden Erbgang spaltet der
Phänotyp in der F2 im Verhältnis 9 : 3 : 3 : 1 auf.
CORRENS entdeckte auch neue Zusammenhänge, nämlich Erbgänge mit unvollständiger Dominanz. Ein Beispiel dafür ist die Vererbung der Blütenfarbe bei Nelken. Die rote
Blütenfarbe wird durch ein Allel „R“ verursacht, das viel roten Farbstoff produziert. Entsprechend ist der Phänotyp der Blüte rot. Das
Allel für die weiße Blütenfarbe „W“ codiert ein
funktionsunfähiges Enzym, das keinen Farbstoff bilden kann, sodass die Blüte weiß bleibt.
Bei Mischerbigkeit kommt das Allel „R“ nur
einmal vor, deshalb wird pro Zeiteinheit nur
eine geringere Menge des Enzyms und damit
eine entsprechend geringere Menge des Farbstoffs gebildet. Der Phänotyp dieser Blüte ist
rosa, daher nennt man diese Form der Merkmalsausbidung intermediär (lat. intermedius,
dazwischen). Bei der unvollständigen Dominanz kann der Phänotyp der Heterozygoten
aber auch mehr dem einen oder anderen
Elterntyp zuneigen.
GG
gg
G G
g g
Parentalgeneration P
Gameten
Gg
1. Filialgeneration F1
Uniformität
Gg
Gg
Gg
G g
G g
G
g
G
GG
Gg
g
Gg
gg
Gameten
2. Filialgeneration F2
Spaltung
Aus solch einem Kreuzungsansatz leitet sich
die 2. MENDELsche Regel ab, die auch Spaltungsregel heißt: Kreuzt man die Individuen
der F1 untereinander, so ist die F2 nicht uniform, sondern die Merkmale spalten in bestimmten Zahlenverhältnissen auf, und zwar
beim dominant-rezessiven Erbgang im Phänotyp im Verhältnis 3 : 1 und im Genotyp im Verhältnis 1 : 2 : 1.
22.1 Kombinationsquadrat eines monohybriden Erbganges
GGRR
ggrr
GR GR
gr gr
Gg Rr Gg Rr
Gg Rr Gg Rr
GR Gr gR gr
GR Gr gR gr
P
Gameten
Die 1. MENDELsche Regel wird auch Uniformitäts- (lat. uniformis, eine Gestalt) und Reziprozitätsregel (lat. reciprocus, auf derselben
Bahn zurückkehrend) genannt. Sie lautet:
Kreuzt man zwei Individuen einer Art, die sich
in einem Merkmal unterscheiden, für das sie
reinerbig sind, so sind ihre Nachkommen in
der F1 in bezug auf dieses Merkmal untereinander uniform. Dabei ist es gleichgültig, welche der beiden Rassen Mutter oder Vater stellt.
F1
Uniformität
Gameten
GR
Gr
gR
gr
GR
GGRR
GGRr
GgRR
GgRr
Gr
GGRr
GGrr
GgRr
Ggrr
gR
GgRR
GgRr
ggRR
ggRr
gr
GgRr
Ggrr
ggRr
ggrr
F2
Spaltung und
Neukombination
9
:
3
:
3
:
1
22.2 Kombinationsquadrat eines dihybriden Erbganges
P-Generation
F1-Generation
RR
rot
WW
weiß
RW
rosa
R-Allel
R-Allel
R-Allel
viel Enzym
pro Zeiteinheit
W-Allel
W-Allel
weniger Enzym
pro Zeiteinheit
rot
viel Farbstoff
rosa
weniger Farbstoff
weiß
kein Farbstoff
kein Enzym
22.3 Erbgang mit unvollständiger Dominanz der Allele für rote
und weiße Blütenfarbe
W-Allel
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Bei einem dihybriden Erbgang kommt die
3. MENDELsche Regel zum Tragen, die Rekombinantenregel (lat. recombinare, wieder
verknüpfen). Kreuzt man Individuen derselben Art, die sich in mehreren Merkmalen
unterscheiden, für die sie reinerbig sind, so
sind ihre Nachkommen in der F1 in bezug auf
dieses Merkmal untereinander uniform. In der
F2 treten neben den Merkmalskombinationen
der Eltern auch neue Zusammenstellungen
auf. Bei einem dihybriden Erbgang spaltet der
Phänotyp in der F2 im Verhältnis 9 : 3 : 3 : 1 auf.
CORRENS entdeckte auch neue Zusammenhänge, nämlich Erbgänge mit unvollständiger Dominanz. Ein Beispiel dafür ist die Vererbung der Blütenfarbe bei Nelken. Die rote
Blütenfarbe wird durch ein Allel „R“ verursacht, das viel roten Farbstoff produziert. Entsprechend ist der Phänotyp der Blüte rot. Das
Allel für die weiße Blütenfarbe „W“ codiert ein
funktionsunfähiges Enzym, das keinen Farbstoff bilden kann, sodass die Blüte weiß bleibt.
Bei Mischerbigkeit kommt das Allel „R“ nur
einmal vor, deshalb wird pro Zeiteinheit nur
eine geringere Menge des Enzyms und damit
eine entsprechend geringere Menge des Farbstoffs gebildet. Der Phänotyp dieser Blüte ist
rosa, daher nennt man diese Form der Merkmalsausbidung intermediär (lat. intermedius,
dazwischen). Bei der unvollständigen Dominanz kann der Phänotyp der Heterozygoten
aber auch mehr dem einen oder anderen
Elterntyp zuneigen.
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