Predigt Jes 2,1-5 - Andreaskirche Schildgen

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Predigt Jes 2,1-5 am 14.08.11 Andreaskirche
Schwerter zu Pflugscharen – ein 5 ½ x 3 ½ m großes Kirchenfenster von Marc Chagall im UNO Gebäude in New York. Draußen vor dem Gebäude steht die riesige Skulptur – gestiftet von der Sowjetunion,
die einen Muskelmann darstellt, der mit einem Schmiedehammer ein Schwert zu einem Pflug umschmiedet. Manch eine/r erinnert sich an dieses brisante Symbol der Friedensbewegung in der DDR –
Aufnäher / mein Partnerpfarrer hatte das Symbol auf seinem Mantel aufgenäht. Er wurde zum ‚Rat des
Kreises‘ bestellt u musste es auf eigene Kosten abnähen lassen  Spuren des Aufgenähten am Mantel
– jede/r wusste, was das bedeutet; der abgemachte Aufnäher tat eine noch größere Wirkung. Auch bei
uns im Westen gab es auf Kirchentagen und großen Demos gegen das Wettrüsten Plaketten, die viele
gerne getragen haben. Und? Was ist geblieben außer der Erinnerung?
Ein unerhörtes Hoffnungsbild stellt uns Jesaja vor die Augen. Nicht nur meine spontane Reaktion:
schön wär’s! Wir denken an Syrien, an London, an den Einzeltäter in Oslo, an Libyen und die vielen
anderen Orte auf der Welt, an denen Menschen ihre Waffen gegen andere Menschen richten. Wir reiben uns die Augen und stellen fest: das widerspricht jeder Erfahrung! Alle Waffen in Friedenswerkszeuge umwandeln. OK – in den Jahren nach der Wende konnte man den Eindruck bekommen – kurzzeitig – da gab es im Fernsehen Bilder, wie ausgebildete Schweißer Sprengkörper, Panzer und Raketen
auseinanderschnitten. Das Metall wurde eingeschmolzen und zu Rohstoffen für bessere Zwecke gemacht. Aber weltweit? Was wäre es, wenn menschliche Erfindungskunst u Ingenieurgeist statt für
Bomben und Flugzeugträger für Spielplätze und Bewässerungsanlagen eingesetzt würde! Wann passiert das? Ist das nur ein Traum? Eine schöne Idylle? Eine Utopie?
Luther übersetzt: zur letzten Zeit… Das Hebräische kann man verschieden übersetzen: es wird in der
Späte der Tage geschehen… eine andere: auf der Rückseite der Tage wir sich das ereignen… Hebräisch denkende Menschen gehen quasi ‚rückwärts‘ durch die Zeit. Sie schauen auf die Taten Gottes, die
sie schon kennen oder selber erlebt haben. Diese Ereignisse liegen vor ihnen. Die Zukunft aber liegt
‚hinten‘, da, wo man nicht hinsehen kann. Deswegen überfällt Gottes Eingreifen selbst die Hoffnungsvollsten plötzlich. Die Frage: ‚wann?‘ distanziert; die Vision dagegen beflügelt.
Zu Zeiten des Propheten ist das keineswegs Realität. Er stellt das Bild der Hoffnung ohne Illusionen in
die zerrissene Gegenwart hineingestellt. Mit Friedenssehnsucht der Völker, mit Appellen an die Vernunft und die Einsicht oder den guten Willen ist es nicht getan. Dann gäbe es den weltweiten Frieden
längst. Es kommt auf das Wort Gottes an und seine Weisung, die von Jerusalem ausgehen. Für unseren Glauben ist das eine schwere Anfechtung. Das Prophetenwort ist schön – die Realität bescheiden.
Immerhin – so glauben wir – ist das Bild von der Völkerwallfahrt zum Zion, auf dem die Menschen
beigebracht kriegen, das Kriegshandwerk zu verlernen, Gottes Wort und Gottes Weisung an uns heute
wie damals.
In einem Reisebericht über Schweden fand ich etwas Überraschendes: alte schwedische Kirchen besitzen fast alle ein Waffenhaus. Man wundert sich. Aber diese Waffenkammern wurden nicht gebaut, um
sich aus der Kirche heraus schnell gegen Angreifende verteidigen zu können. Man nutze das, um dort
seine Waffen abzulegen. Den nach langen gefährlichen Fußmärschen (Waffen – wilde Tiere etc.) zum
Gottesdienst Kommenden war klar: die Nähe Gottes sucht man nicht mit Waffen in den Händen. Eine
Kirche kann nur ein Raum gewaltfreier Begegnungen sein. Wo alles unter den schützenden Namen
Gottes gestellt ist, kann man nicht zugleich sich auf von Menschen gemachten Schutz verlassen wollen. Das Wagnis der Begegnung mit Gott entwaffnet die Menschen.
Die Vision des Jesaja: wie eine große Völkerkonferenz wird es sein, wie ein riesiger Weltsicherheitsrat
– nur ohne Veto der 5 großen Atommächte und ohne gegenseitiges Tauziehen wie zu Zeiten des ‚kalten Krieges‘ oder im Nahost Konflikt. Niemand kann in der Gegenwart Gottes bewaffnet bleiben. Das
Tolle: dieser Gott zwingt nicht. Er hört ihnen zu – auch den zerstrittenen Völkern. Er wird richten und
zurechtweisen… (4a) Dieser Weltrat kommt ohne die üblichen Spiele der Macht aus, ohne die Drohung, militärisch einzugreifen. Es ist der Gott Jakobs, der Gott der Befreiung und des Erbarmens, der
Predigt Jes 2,1-5
Gott, dessen gute Weisungen das Zusammenleben der Menschen ermöglichen. ‚Friede kommt auf dem
Weg der Gerechtigkeit‘, sagt Jesaja an anderer Stelle. Gott gibt den Völkern seine Sicht des Lebens
und die Menschen verlernen den Krieg.
Täte er das mal, der Gott – so lautet der Einwand des Zweifels. Das Gegenbild dieser Vision beschreibt
F Nietzsche: stärker werden wollen, das aneignen von Macht, mehr werden wollen – das ist die Realität unter den Menschen. Das Leben strebt nach dem Maximalgefühl von Macht. Das Innerste ist der
Wille zur Macht. Das sagt / denkt manch eine/r: ist das nicht realistischer als die Prophetie des AT?
Nietzsche: Friedensbereitschaft, Kriegswerkzeuge umwandeln wollen ist ein Zeichen von Schwäche,
Unreife. Das abendländische Christentum ist dekadent und schwach. Der erwachsene, ausgereifte
Mensch hat Waffen und ist angreifend. Die sog. Wirklichkeit der Welt und der Verlauf der Geschichte
scheint Nietzsche mehr Recht zu geben als Jesaja. Unsere Welt trägt seit Urzeiten das Kainsgesicht:
da sprach der Herr zu Kain: wo ist dein Bruder Abel? Kain: soll ich meines Bruders Hüter sein? Gott:
was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde (Gen 4,10)
Das Prophetenwort zeigt auf eine andere Wirklichkeit: das, was Gott tut. Das Friedensreich können wir
Brüder (u Schwestern) Kains nicht aufrichten – weder durch guten Willen noch durch Einsicht oder
sonstige menschliche Möglichkeiten.
Das NT bezieht die Vision vom Berg Zion auf den Hügel Golgatha. Auf dem wurde das Kreuz eingerammt, an das Jesus gehängt wurde. Deshalb gibt es Grund, an diesem Hoffnungsbild festzuhalten; es
nicht auf die Müllhalde der Geschichte zu werfen und als weltfremde Spinnerei abzutun. Weil dieser
Eine eintrat für die, die ihn hinrichteten; weil er die, die ihn der rohen Gewalt auslieferten, aus Liebe
herauslöste aus ihrem Hass; weil am Kreuz von Gott her das Gesetz der Vergeltung außer Kraft gesetzt wurde und Gottes Liebe die Gestalt der bedingungslosen Zuwendung annahm, darum wird dieser
Berg zuletzt alle Höhen überragen. Die Reformatoren Luther u Calvin deuten die Vision des Friedensreiches vom Propheten Jesaja von Christus her. Überspitzt gesagt: am Kreuz Jesu vorbei gibt es diesen Frieden nicht. Ohne Christus und seinen Frieden behalten die Nietzsches und die Waffenhändler
und die Kriegstreiber dieser Welt Recht.
[Jesus selbst sagt: Mt 24,7ff: Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei; seht zu und erschreckt nicht. Denn es muss so geschehen; aber es ist noch nicht das Ende da. Denn es wird sich
ein Volk gegen das andere erheben und ein Königreich gegen das andere; und es werden Hungersnöte sein und Erdbeben hier und dort. Das alles aber ist der Anfang der Wehen – wer aber
ausharrt bis an Ende, der wird selig werden. Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom
Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen. Damit
wird der Bogen geschlagen von der Vision des Jesaja zu ihrer Umsetzung durch Christus und sein
Evangelium  das wurde nicht mdl. vorgetragen]
In Christus, in seiner Nachfolge, also in der Gemeinde braucht es keine Rüstung, keine Verteidigung
und keine Aggressivität geben. Gemeinde ist so als ‚Einübungsfeld‘ des Friedens zu sehen. Zwar leben
wir als Christen auch in der Welt und wir können nicht so tun, als sei diese so erlöst, dass es keine
Gesetze, keine Polizei und keine Gerichtsbarkeit mehr geben müsste. Gleichzeitig brauche ich gegenüber den Schwestern und Brüdern in Christus das alles nicht. Man kann mit der Jesaja Stelle keine
Gesetzesinitiative zur Abschaffung aller Waffen begründen. Aber wenn wir beten: dein Reich komme,
dann meinen wir ja eben dieses Friedensreich des göttlichen Messias. Wir beten darum, dass dieses
Friedensreich auch zu uns kommt.  Abendmahl: am Tisch des Herrn – da verlernen wir das Kriegshandwerk!
Was ist zu tun? V5 wandeln im Licht des Herrn. Wochenspruch: Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht
aber des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit!  den Zion / das Evangelium vom
leidenden Gottesknecht auf Golgatha in die Welt tragen. Da gibt es Frieden, der höher ist als alle Vernunft!
Hermann Kotthaus
Andreaskirche 14.08.2011
Seite 2
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